Elektronisches Rauschen

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Kapitel 10
Elektronisches Rauschen
Die Fragestellung nach der Existenz einer Untergrenze für die nachweisbaren Signale
erscheint nach den bisherigen Betrachtungen nicht berechtigt. Theoretisch könnte man
beliebig viele Verstärker hintereinander schalten und damit beliebig kleine Signale detektieren. Versucht man dies in der Praxis, dann zeigt sich sehr schnell, dass eine solche
Schaltung eine unangenehme Eigenschaft hat, die eine untere Nachweisgrenze nach sich
zieht: sie rauscht. Dies zwingt zu der Annahme, dass einige oder alle Bauelemente in
einem Verstärker durch die bisherigen Betrachtungen noch nicht vollständig beschrieben
sein können.
Abbildung 10.1: Rauschdiode: Schaltung und zeitabhängiger Stromverlauf
2
KAPITEL 10. ELEKTRONISCHES RAUSCHEN
10.1
Rauschursachen
10.1.1
Schrotrauschen
Der elektrische Strom besteht in der Wanderung von Ladungen. Die kleinstmögliche Ladungsmenge (die des Elektrons) beträgt 1.610−19 Asec. Betrachtet man nun Ströme, bei
denen die einzelnen Elektronen unabhängig voneinander fließen (z.B. wie fallende Regentropfen), dann spricht man vom Schrotrauschen (shot noise). Hier ´wissen´ die verschiedenen Teilchen nichts voneinander, ihr Beitrag zum Strom wird völlig statistisch sein.
Dadurch wird sich ein zeitlich schwankender Strom einstellen.
Abbildung 10.2: Stromverlauf a) im Zeitbereich b) im Frequenzbereich
Zur Berechnung dieser Abweichung vom Mittelwert soll zunächst eine Folge von periodisch
fließenden Teilchen angenommen werden. Innerhalb der Zeitdauer T , die als Periodendauer
aufgefasst werden soll, durchquere jeweils ein Teilchen die Messanordnung und verursache
den skizzierten Stromverlauf. Die spektrale Beschreibung ergibt mit ω = 2π/T :
i(t) =
a0 =
2e
2ZT
i(t)dt =
T 0
T
X
ak cos(kωt) +
ak =
X
bk sin(kωt) + a0 /2
2ZT
i(t) cos(kωt)dt
T 0
bk =
2ZT
i(t) sin(kωt)dt
T 0
Da alle Sinusfunktionen bei dem gewählten Stromverlauf bei T /2 das Vorzeichen wechseln,
i(t) aber nicht, wird
bk = 0
für alle k. Bei Beschränkung von k auf relativ kleine Werte, kann cos(kωt) = (−1)k
angenommen werden. Somit gilt:
2e 1 X
i(t) =
+ (−1)k cos(kωt)
T 2
10.1. RAUSCHURSACHEN
3
Innerhalb einer Bandbreite B befinden sich also n = B/f = BT Spektrallinien. Werden diese durch ein Filter herausgetrennt und einem Widerstand R zugeführt, wird die
Leistung
2e
1
dP = Rn
2
T
umgesetzt, was mit n = BT ergibt:
2
2
= dIef
fR
2
2
dIef
f = 2Be /T
(10.1)
Hier stellt e/T den Mittelwert dI0 des Stromes dar. Als Effektivwert lässt sich damit
finden:
2
dIef
f = 2dI0 Be
Abbildung 10.3: Überlagerung von zwei periodischen Vorgängen mit unterschiedlichen
Perioden
Die statistische Natur realen Schrotrauschens kann nun durch die Überlagerung einer
großen Anzahl solcher Vorgänge mit unterschiedlichen Periodendauern aufgefasst werden.
Da deren Rauschstromquadrate und deren Strommittelwerte addiert werden müssen, gilt:
2
Ief
f =
X
2
dIef
f
I0 =
X
dI0
und es bleibt:
2
Ief
f = 2I0 Be
10.1.2
(10.2)
Rauschen von p − n-Übergängen
Sowohl im gesperrten Zustand (es fließt ein geringer ´Feldstrom´) als auch im Durchlass
(hier fließt ein starker Diffusionsstrom) fließen die Elektronen unabhängig voneinander.
Das Rauschen des p − n Überganges wird also für beide Bereiche ein Schrotrauschen sein.
4
10.1.3
KAPITEL 10. ELEKTRONISCHES RAUSCHEN
Thermisches Rauschen Ohm’scher Widerstände
Abbildung 10.4: Scheibe eines Ohmschen Widerstandes in der Dicke einer freien Weglänge
und die an ihr entstehende Spannung
Im Metall des Widerstandes befinden sich ne freie Elektronen pro Volumeneinheit, die
sich zwischen zwei Stößen an den Gitteratomen auf gestreckten Flugbahnen bewegen und
dabei im Mittel die Zeit τ unterwegs sind. Die mittlere Geschwindigkeit v und die mittlere
freie Flugstrecke λ sind verknüpft durch
s
1
3kT
3
−→ mv 2 = kT
(10.3)
m
2
2
mit dem aus der kinetischen Gastheorie bekannten Zusammenhang zwischen v und T .
Wird nun (vorübergehend) ein elektrisches Feld E im Material wirksam, dann werden die
Flugbahnen dadurch verändert. Zwischen den Stößen werden sie immer wieder im Sinne
des Feldes beschleunigt
λ=v·τ
v=
10.1. RAUSCHURSACHEN
5
Abbildung 10.5: Flugbahnen der Elektronen im Gitter ohne und mit elektrischem Feld
Die hierbei in z-Richtung sich einstellende mittlere (Drift) Geschwindigkeit ist:
1
1 e
vd = bτ = E τ = µE
2
2 m
wobei µ die Beweglichkeit der Elektronen ist. Der dadurch bewirkte Driftstrom beträgt
E
τ
2m
wobei A die Querschnittsfläche des Widerstandes ist. Die schmale Scheibe des Widerstandes der Länge λ hat dann den Ohmschen Widerstand dR, gegeben durch:
I = Ane evd = Ane e2
I
Ane e2 τ
Ane e2
1
=
=
=
(10.4)
dR
λE
2mλ
2mv
Nun soll der Widerstand wieder ohne äußere Spannungsquelle betrachtet werden. Ein
Beitrag zur Rauschspannung kann natürlich nur von den z-Komponenten der Elektronengeschwindigkeiten erwartet werden. Eine grobe Berücksichtigung dieses Umstandes erhält
man, wenn man einfach bei einem Drittel der Elektronen annimmt, dass sie genau mit
v in z-Richtung fliegen. Im Gegensatz zu den schrotrauschenden Elektronen durchfliegen
sie jedoch nicht die gesamte Strecke L, sondern λ. Man muß den gesamten Widerstand
deshalb als eine ganze Reihe in Serie geschalteter Teilstrecken der Länge λ auffassen, in
denen jedes durchfliegende Teilchen einen Rauschstrom nach Formel 10.1 erzeugt:
2
2
2
dIef
f (einElektron) = 2Be /τ = 2Be v/λ
Die Erweiterung auf alle in der betrachteten Scheibe vorhandenen Elektronen ne Aλ muss
unter Berücksichtigung der Tatsache erfolgen, dass alle Hin- und Rückflüge völlig unabhängig voneinander erfolgen und im statistischen Mittel nur ein Drittel der Elektronen
betrifft. Es ergibt sich:
2 2
2B 2mv 2
2
dIef
=
v
=
Be
An
e
f
3
3 dR
2
wenn mit Hilfe von Gleichung 10.4 e Ane ersetzt wird.
6
KAPITEL 10. ELEKTRONISCHES RAUSCHEN
Wird nun noch mv 2 durch Gleichung 10.3 eingeführt, dann bleibt:
2
2
dIef
f = 4ktB/dR −→ dUef f = 4ktBdR
(10.5)
Aus der ersten Gleichung 10.5 folgt noch das Ersatzschaltbild einer Stromquelle mit parallel liegendem Widerstand. Dieses ist aber für die erforderliche Serienschaltung der bisher
betrachteten Scheiben zum gesamten Widerstand unvorteilhaft.
Abbildung 10.6: Thermisches Rauschen eines Widerstandes, beschrieben durch Rauschstromquelle oder Rauschspannungsquelle
Die Umrechnung in eine Spannungsquelle mit Serienwiderstand ermöglicht dann die Zusammenfassung aller Quellen und Widerstände:
UR2 =
X
UR2 = 4kT BR
2
dUef
f
R=
X
R
PRmax = UR2 /(4R) = kT B
(10.6)
Die maximal entnehmbare (verfügbare) Rauschleistung PRmax eines Widerstandes hängt
also nicht von seinem Wert ab.
10.1.4
Rauschen von Blindwiderständen
Reine Blindwiderstände können keine Rauschleistungen abgeben. Ihre gedankliche Parallelschaltung mit einem rauschenden Widerstand macht dies deutlich. Da Blindwiderstände
definitionsgemäß vom Rauschstrom des Widerstandes nicht erwärmt werden können,
würde die Abgabe von Rauschleistung sie ihrerseits abkühlen und damit das thermische
Gleichgewicht stören.
10.1.5
Stromrauschen in Widerständen
Widerstände aus massivem Leitermaterial weisen in der Regel außer dem thermischen
Rauschen keine weiteren Rauscheffekte auf. Dagegen können Schichtwiderstände aus Kohle oder dünnste Schichten aufgedampften Metalls bei Gleichstromdurchfluss eine Rauschspannung abgeben. Man macht hierfür statistisch schwankende Übergangswiderstände
zwischen einzelnen Kristalliten des Materials verantwortlich und spricht vom Stromrauschen. Die Frequenzabhängigkeit ist etwa 1/f , so dass diese Effekte vor allem bei tiefen
Frequenzen zum Tragen kommen.
10.2. RAUSCHEN BEI AKTIVEN BAUELEMENTEN
10.2
Rauschen bei aktiven Bauelementen
10.2.1
Der bipolare Transistor
7
Die komplexere Struktur des bipolaren Transistors, verglichen mit einfachen Dioden und
Widerständen, führt auch zu mehreren Entstehungsursachen für sein Rauschen. Geht
man aus von der symbolischen Transistordarstellung des Bildes 10.7 a, dann erkennt man
sowohl im Basis-, als auch im Kollektorstrompfad schrotrauschende p-n-Übergänge. Diese
schlagen sich in zwei Rauschstromquellen IRB und IRC nieder.
Abbildung 10.7: Rauschquellen des bipolaren Transistors a) räumliche Verteilung b) Ersatzschaltbild
2
IRB
= 2eIB B
2
IRC
= 2eIC B
(10.7)
Zieht man noch das thermische Rauschen des Basis-Bahnwiderstandes zwischen dem Basisanschluss und der inneren Basis rbb mit in Betracht, dann ist ihm eine Rauschspan2
nungsquelle URB
in Serie zu schalten:
2
URB
= 4kT Brbb0
(10.8)
Bei tiefen Frequenzen macht sich weiteres Rauschen bemerkbar, das so genannte Funkelrauschen, das wegen seiner Frequenzabhängigkeit
2
∼ 1/f
IRf
(10.9)
auch 1/f -Rauschen genannt wird. Es zeigt große Abhängigkeit vom technologischen Oberflächenzustand des Bauelements. Für seine Existenz macht man fluktuierende Leckströme
parallel zu den pn-Übergängen verantwortlich. Während thermisches Rauschen und Schrotrauschen wegen ihrer fehlenden Frequenzabhängigkeit als weißes Rauschen bezeichnet
werden, handelt es sich beim 1/f -Rauschen um gefärbtes Rauschen.
Da die einzelnen Rausch-Ersatzquellen im Ersatzschaltbild auf unterschiedliche physikalische Ursachen zurückgehen, ist es verständlich, dass sie praktisch keine ´Ähnlichkeiten´
zueinander haben, d.h. dass sie unkorreliert sind. Man darf deshalb nur ihre Quadrate
addieren bzw. zusammenfassen.
8
10.2.2
KAPITEL 10. ELEKTRONISCHES RAUSCHEN
Der Feldeffekt-Transistor
Abbildung 10.8: a) Ersatzschaltbild des FET mit Rauschquellen b)Vereinfachtes Rauschersatzschaltbild eines bipolaren Transisors oder FET, nur noch beschrieben durch eine
Rauschstromquelle und eine Rauschspannungsquelle
Beim Sperrschicht-Feldeffekttransistor erzeugt der die zwischen Kanal und Gate-Elektrode
bestehende Sperrschicht durchfließende Sperrstrom IG Schrotrauschen, das durch eine der
Source-Gate-Kapazität parallel liegende Rauschstromquelle
IRG = 2eIG B
(10.10)
berücksichtigt wird.
Weitere Rauschursachen liegen im thermischen Rauschen. Betroffen sind hier sowohl der
Zuleitungswiderstand vom Source-Anschluss bis zum Beginn des Kanals als auch der bis
zur Abschnürung reichende Teil des Kanals. Diese beiden Rauschursachen können durch
eine Rauschstromquelle IRk im Bild 10.8 a) parallel zum Ausgangsleitwert beschrieben
werden.
2
IRk
= 4kT BS · 2/3
(10.11)
Der Faktor 2/3 beschreibt näherungsweise die Gesamtwirkung der unterschiedlich stark
beteiligten Passagen des Kanals. Wie beim bipolaren Transistor tritt auch beim Feldeffekttransistor ein 1/f -Rauschen IRf auf. Beim MOS-FET tritt dieses noch stärker in
Erscheinung, was auf Störstellen im Oxid zurückgeführt wird.
Die etwas unübersichtliche Verteilung der Rauschquellen ist für praktisches Arbeiten
ungünstig und vor allem für Angaben in Datenblättern nicht üblich. Man beschreibt
die Verhältnisse dann durch eine Rauschspannungsquelle und eine Rauschstromquelle vor
dem im Übrigen rauschfrei gedachten Transistor nach Bild 10.8 b.
10.3. BESCHREIBUNG DES RAUSCHENS IN VERSTÄRKERN
10.3
Beschreibung des Rauschens in Verstärkern
10.3.1
Beschreibung durch Ersatzquellen
9
Für kompliziertere, eventuell mehrstufige Verstärkerschaltungen mit mehreren rauschenden Widerständen und Transistoren werden detaillierte Rauschersatzschaltbilder meist zu
unübersichtlich. Man strebt dann einen Ersatz aller Rauschquellen durch zwei an, die wie
beim FET als Rauschstrom und Rauschspannungsquelle vor den eigentlichen Eingangsklemmen des Verstärkers gedacht werden. Die Begründung für die Notwendigkeit zweier
Quellen ist in der Tatsache zu suchen, dass der Verstärker sowohl bei Kurzschluss als auch
bei Leerlauf an den Eingangsklemmen rauscht. Eine Messung der abgegebenen Rauschspannung für Kurzschluss und Leerlauf am Eingang ermöglicht sogar die Bestimmung
dieser Ersatzquellen.
Abbildung 10.9: Signalquelle, Rauschersatzvierpol und rauschfreier Restverstärker
Wie bei FET sind die beiden Quellen in Bild 10.9 teilkorreliert, so dass man IRP sich eigentlich in einem mit URS korrelierten und einem nicht korrelierten Anteil zerlegt denken
muss. Im Interesse kurzer Rechengänge soll jedoch die Korrelation im Weiteren unberücksichtigt bleiben.
10
KAPITEL 10. ELEKTRONISCHES RAUSCHEN
Beschreibung durch die Rauschzahl
Das Qualitätsmaß für ein durch Rauschen gestörtes Signal ist das Signal-Rausch-Verhältnis. Es beträgt z.B. für das Signal der Quelle des obigen Bildes
PS 1
UG2
= 2
PR 1 0
UR
(10.12)
Hinter dem Verstärker an den Klemmen 3, 30 findet man ein ungünstigeres Verhältnis, da
der Verstärker sein eigenes Rauschen hinzugefügt hat. Durch die Verlagerung des Rauschens vor den dann rauschfrei gedachten verstärkenden Teil liegt dieses verschlechterte
Signal-Rausch-Verhältnis auch an den Klemmen 2, 20 vor.
Um nun alle Rauschquellen bequem zusammenfassen zu können, muss die Rauschstromquelle in eine Rauschspannungsquelle umgewandelt werden (Bild 10.10):
2
2
2
URP
= RG
· IRP
Abbildung 10.10: Umwandlung der Rauschstromquelle in eine Rauschspannungsquelle
Damit kann das Rausch-Signal-Verhältnis bei 2, 20 bestimmt werden:
PS 2
UG2
=
2
2
PR 2 0
UR2 + URS
+ URP
10.3. BESCHREIBUNG DES RAUSCHENS IN VERSTÄRKERN
11
Unter der Rauschzahl F wird nun das Verhältnis der Signal-Rausch-Verhältnisse von
Eingang zu Ausgang definiert:
2
2
2
2
PS 2 PS 1
URS
+ URP
UR2 + URS
+ URP
=
1
+
/
=
PR 2 0 PR 1 0
UR2
UR2
Der Bruch hinter der 1 wird Zusatzrauschzahl Fz genannt. Zu beachten ist, dass die
Rauschzahl vom Innenwiderstand der Signalquelle abhängt, was durch Einsetzen der Formeln aus Bild 10.10 und Bild 10.11 sofort klar wird.
2
1
URS
2
+ IRP
RG
4kT B RG
F =1+
10.3.2
(10.13)
Rauschanpassung
Der nach kleinen und großen RG -Werten ansteigende Klammerausdruck lässt ein Minimum erwarten. Die Lösung dieser Extremalaufgabe:
d()
U2
2
= − RS
+ IRP
2
dRG
RG
Wird ein Verstärker tatsächlich mit einer Quelle mit dem Innenwiderstand RGopt =
URS /IRP gespeist, dann spricht man von Rauschanpassung. Rauschanpassung bedeutet,
dass der Verstärker nun so rauscharm wie möglich arbeitet. Die minimale Rauschzahl
ergibt sich durch Einsetzen von RGopt in Gleichung 10.13:
2URS IRP
4kT B
Wenn der Wert des Generatorwiderstandes z.B. durch Normung bereits festgelegt ist, sehr weit verbreitet ist heute der Wert 50 Ω -, dann folgt aus Gleichung 10.13, dass bereits
eine einzige Größe, die Rauschzahl F oder die Zusatzrauschzahl Fz zur Beschreibung des
Verstärkers ausreicht.
Fmin = 1 +
Abbildung 10.11: Abhängigkeit der Rauschzahl vom Generatorinnenwiderstand
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