Gesellschaften der Alexianerbrüder 1 I. Psychische Störungen in der Schwangerschaft • Veränderung des psychischen und körperlichen Befindens in der Schwangerschaft „Werde ich das alles schaffen, welche Veränderung wird das für mein Leben bedeuten?“ (Ambivalenzkonflikte) Depressive Symptome und Ängste als Folgeerscheinung und Begleitsymptome körperlicher Vorgänge wie z. B. Blutungen, vorzeitigen Wehen Geburtsängste Bei 10 – 20 % aller Frauen treten in der Schwangerschaft depressive Symptome auf ca. 43 % depressiv vorerkrankter Frauen erleiden in der Schwangerschaft einen Rückfall der Depression • - Gesellschaften der Alexianerbrüder 2 • 460 v. Chr. benannte Hippokrates die Symptome • 16.Jhdt. Chemiker Sennert: Dämpfe, die aus dem Uterus aufsteigen führen zu Depression • Mitte des 19. Jahrhunderts fand die postpartale Depression Einzug in die Lehrbücher • 1858 beschrieb Louis Victor Marcé die Erkrankung umfangreich • 1970er Jahre erneut diskutiert Gesellschaften der Alexianerbrüder 3 • Die Hebamme kommt bei uns in den ersten 10 Tagen ins Haus • 17. bis 18. Jhdt. England: drei Wochen Bettruhe. Patinnen kümmerten sich um den Haushalt • Malayische Dörfer: Abgeschiedenheit der Wöchnerinnen für 40 Tage Gesellschaften der Alexianerbrüder 4 • Rolle der Frau als Hausfrau und Mutter • Jean-Jaques Rousseau: ..“Mutterschaft als Quelle der Freude und Erfüllung für die Frau“… .“aber die wahre Familienmutter alles andere als Frau von Welt, ist in ihrem Haus nicht weniger eingeschlossen als eine Nonne im Kloster…“ Gesellschaften der Alexianerbrüder 5 II. Psychische Störungen nach der Geburt Gesellschaften der Alexianerbrüder 6 „Ich hatte eine wundervolle Schwangerschaft, war stolz auf meinen Bauch, führte eine glückliche Ehe, und dieses Kind, mit dem wir ja fast schon gar nicht mehr gerechnet hatten, war ein so genanntes Wunschkind. Auch die Entbindung war nicht schwer, deshalb habe ich die Welt nicht mehr verstanden, als es mir bereits 36 Stunden nach der Entbindung psychisch sehr schlecht ging ...“ Gesellschaften der Alexianerbrüder 7 Beginn, Dauer und Symptomatik Typ Beginn/Dauer Erste Symptome „Heultage“ (Babyblues) 3 – 5 Tag nach der Entbindung allgemein erhöhte Empfindlichkeit, Stimmungslabilität mit raschem Wechsel zwischen Glücklichsein, Weinen, Reizbarkeit Dauer: wenige Tage Postnatale Depression (Wochenbettdepression) erste Tage/Wochen bis Monate nach der Entbindung Dauer: abhängig vom Schweregrad, Wochen bis Monate, im Extremfall auch länger, Chronifizierung Gesellschaften der Alexianerbrüder Niedergeschlagenheit, Versagens- und Schuldgefühle, Grübeln, Konzentrations- und Schlafstörungen, Appetitminderung, Erschöpfung, Müdigkeit, Weinen 8 Typische Symptome einer Depression nach der Geburt • Ausgeprägte emotionale Labilität • Ausgeprägter Verstimmungszustand, Depression ohne konkreten Anlass, Niedergeschlagenheit • Gefühl der Gefühllosigkeit • Hoffnungslosigkeit • Konzentrationsstörungen • Grübeln • Zwangsgedanken Gesellschaften der Alexianerbrüder 9 • Ängste • Schuld- und Schamgefühle • Antriebsmangel • Schlaf- und Appetitstörungen • körperliche Symptome • Suizidalität • Gefahr des Infantizids Gesellschaften der Alexianerbrüder 10 Häufigkeit und Einflussfaktoren Typ Häufigkeit wichtigste Einflussfaktoren „Heultage“ (Babyblues) 50 – 70 % (nach jeder 2. Entbindung) Geburt als Lebensereignis, hormonelle Umstellung, Reizüberflutung, fehlende Ruhe Postnatale Depression (Wochenbettdepression) 10 – 15 % (nach etwa jeder 7. bis 10. Entbindung) Biologische, psychische u. soziale Faktoren Gesellschaften der Alexianerbrüder 11 Häufigkeit und Einflussfaktoren Typ Häufigkeit wichtigste Einflussfaktoren „postnatale Psychosen“, „Wochenbettpsychose“ 0.1 bis 0.2% Nach etwa jeder 500. – 1000. Entbindung Hormonelle Umstellung, Geburt als Lebensereignis, Anamnese, Familienanamnese Depressive Reaktion nach Totgeburt, Frühgeburt, Geburt eines behindertes Kindes 20 – 49 % (nach etwa jeder 3. Totgeburt) Verlustereignis, Trauerprozess nicht abgeschlossen, Sorge um das erkrankte Kind Posttraumatische Belastungsstörung 1 - 2 % (nach etwa jeder 50.-100. Entbindung) Entbindung traumatisch erlebt Subjektive Wahrnehmung der Situation Unzureichende Besprechung Vorbelastungen Gesellschaften der Alexianerbrüder 12 Kinder – Glück oder Last? • Studien der Stressforschung ergaben: Kinder verbessern das psychische Wohlbefinden der Eltern nicht • Kinder beeinflussen die Partnerschaft • Kinder stellen Forderungen an die Mutter Gesellschaften der Alexianerbrüder 13 Individuelle Faktoren • Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett sind kritische Lebensereignisse und verlangen psychische Anpassungsleistungen: Veränderung des Körperbildes, Beziehung zu sich selbst, Veränderung der Beziehung zum Partner, im sozialen Umfeld, im Beruf, in der Beziehung zur Herkunftsfamilie Daniel Stern: „Die Geburt einer Mutter“ • subjektive Vorstellung vom „gelungenen Kind“ Gesellschaften der Alexianerbrüder 14 • Aktualisierung der Gefühle aus Erfahrung mit den eigenen Eltern • Habe ich genug bekommen im Laufe der eigenen Entwicklung oder bin ich selbst noch sehr bedürftig? Hatte ich eine „sichere Basis“, von der aus voll Vertrauen Kräfte und Fertigkeiten und das Gefühl der Selbstwirksamkeit sich entwickelten? Gesellschaften der Alexianerbrüder 15 Welche Einflussfaktoren eine Rolle spielen Gesellschaften der Alexianerbrüder 16 III. Schnelle, individuelle Hilfe Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Kliniken und Geburtshäuser Gynäkologen und Geburtshelfer Psychiatrisch-psychotherapeutische Praxen Hebammen Patientin Beratungsstellen Hausarzt Gesellschaften der Alexianerbrüder Psychosoziale Hilfen wie Familienhilfe, Jugendamt Selbsthilfegruppen „Schatten und Licht“ 17 Wege in die Beratung und Behandlung Beratung – telefonisch oder ambulante Sprechstunde Stationäre Behandlung (Mutter + Kind) Teilstationäre Behandlung (Mutter + Kind) Spezialsprechstunde in der Institutsambulanz mit Kinderbetreuung Ambulante Psychotherapie Gesellschaften der Alexianerbrüder 18 Therapie • Direkte Entlastung durch Familie, externe Hilfen, stationäre Aufnahme • Aufklärung, Beratung, Entlastung von Schuldgefühlen • Einbezug der Familie, Aufklärung, Unterstützung • Bewältigungsstrategien mit den Symptomen umzugehen • Aggressive Gefühle gegen das Kind äußern dürfen • Mangelnde Zuneigung eingestehen dürfen • Zwischen Bedürfnissen des Kindes und den eigenen unterscheiden lernen Gesellschaften der Alexianerbrüder 19 • Übersteigertes Mutteridealbild relativieren • Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten stärken • Neue Rolle schrittweise übernehmen lernen • In kleinen Schritten entspannte Tagesstruktur schaffen • Förderung eines entspannten Mutter-Kind-Kontaktes Den Mythos der uneingeschränkten Mutterliebe enttarnen und ein realistisch lebbares Bild entwerfen Gesellschaften der Alexianerbrüder 20 Förderung der Mutter-Kind-Interaktion Bedeutung der gelungenen frühen Mutter-KindInteraktion für eine gesunde Entwicklung des Kindes anerkannt Störungen können sich beim Kind u. a. manifestieren in • der emotionalen Regulation • der kognitiven Entwicklung • im sozialen und interaktionellen Verhalten • des Neugier- und Explorationsverhaltens • der Angst- und der Impulsregulation • Schlafregulation, Essverhalten, Gewichtszunahme Gesellschaften der Alexianerbrüder 21 • John Bowlby „Bindung ist das Gefühls getragene Band das eine Person zu einer anderen spezifischen Person anknüpft und das sie über Raum und Zeit miteinander verbindet“. Gesellschaften der Alexianerbrüder 22 • Chronica Salimbenis 13. Jht., Stauferkaiser Friedrich II. In welcher Sprache beginnen sich Kinder auszudrücken, die niemals vorher irgend ein Wort sprechen gehört haben? „Sein lebhaftes Interesse veranlasste ihn zu einem seltsamen Experimente: er übergab Wärterinnen und Ammen eine Anzahl verwaister Neugeborener zur Aufzucht mit dem Auftrag, ihnen die Brust zu reichen, sie zu reinigen, zu baden, etc. aber mit dem strengsten Verbote, sie jemals zu liebkosen und mit ihnen oder vor ihnen ein Wort zu sprechen. Es geschah nach des Kaisers Willen; aber dessen brennende Neugierde fand keine Befriedigung, denn alle Kinder starben im frühesten Alter. Sie konnten ja nicht leben ohne den Beifall, die Gebärden, die freundlichen Mienen und Liebkosungen ihrer Wärterinnen und Ammen." v. Pfaundler, 1915 Gesellschaften der Alexianerbrüder 23 • Safe® - Sichere Ausbildung für Eltern Ein Programm zur Förderung einer sicheren Bindung zwischen Eltern und Kind Eltern ab der 20. Schwangerschaftswoche 12 ganztägige Seminare am Wochenende über ca. 15 Monate Herr PD. Brisch, München Gesellschaften der Alexianerbrüder 24 • Safe® <Gefühle und Fantasien in der Schwangerschaft <vorgeburtliche Bindung, Auswirkungen der Schwangerschaft, Übergang zur Elternschaft <Mechanismen der unbewussten Weitergabe eigener traumatischer Erfahrungen und die Unterbrechung von „Teufelskreisen“ <Bindungsentwicklung des Säuglings Gesellschaften der Alexianerbrüder 25 • Safe® <emotionale Entwicklung des Kindes <Entwicklung des Bindungs- und Erkundungsverhaltens <Kompetenzen des Säuglings und der Eltern <Umgang mit Verhaltensauffälligkeiten des Kindes (Schlafen, Füttern, Schreien) Gesellschaften der Alexianerbrüder 26 • Safe® <Aufgabenteilung und Umgang mit eigenen Bedürfnissen <Feinfühligkeitstraining mit dem Ziel, die Signale des Kindes besser zu verstehen und darauf zuverlässig und angemessen reagieren zu können Gesellschaften der Alexianerbrüder 27 • Safe® Sichere Bindung Schutzfaktor bei Belastungen mehr Bewältigungsmöglichkeiten sich Hilfe holen mehr gemeinschaftliches Verhalten Empathie für andere Menschen Gesellschaften der Alexianerbrüder 28 • Safe® Sichere Bindung mehr Beziehungen mehr Kreativität mehr Flexibilität und Ausdauer mehr Gedächtnisleistungen und Lernen Gesellschaften der Alexianerbrüder 29 • Safe® Unsichere Bindung Risikofaktor bei Belastungen weniger Bewältigungsmöglichkeiten Lösen von Problemen eher alleine Rückzug aus gemeinschaftlichen Aktivitäten Gesellschaften der Alexianerbrüder 30 • Safe® Unsichere Bindung weniger Beziehungen weniger Flexibilität im Denken und Handeln mehr aggressive Verhaltensweisen in Konflikten schlechtere Gedächtnisleistungen und Lernen Gesellschaften der Alexianerbrüder 31 Gesellschaften der Alexianerbrüder 32 Gesellschaften der Alexianerbrüder 33 Spezielle Therapieangebote • Einzelgespräche mit ärztlich/psychologischen Psychotherapeuten • Stressbewältigungstraining • Entspannungstraining • Bewegungstherapie • Anleitung zum Umgang mit dem Säugling (Videomikroanalyse) • Babymassage • Mutter-Kind-Spielgruppe (Prager Eltern-KindProgramm: PEKiP) Gesellschaften der Alexianerbrüder 34 • Falls notwendig antidepressive Medikation (z.B. Serotonin-Wiederaufnahmehemmer) • Lichttherapie • Aromatherapie • Einbezug des Partners und der Angehörigen • Hilfen für Zuhause organisieren • Weitere Behandlung, Selbsthilfegruppe organisieren Gesellschaften der Alexianerbrüder 35 Zusammenfassung 1. Psychische Symptome und Störungen in Schwangerschaft und nach der Geburt sind nicht selten • Bei 10 – 20 % aller Frauen in der Schwangerschaft treten depressive Symptome auf • Bei 10 – 15 % der Frauen tritt nach der Geburt eine behandlungsbedürftige Depression auf • Biologische, psychische und soziale Faktoren bedingen sich gegenseitig • Wichtig: Schnelle, individuelle Hilfe bei niedergelassenen Psychiatern, spezialisierten Zentren in Kliniken für Psychiatrie und Psychotherapie Gesellschaften der Alexianerbrüder 36 • Schnelle Entlastung, Psychotherapie, ggf. Medikation • Förderung der Mutter-Kind-Beziehung • Einbeziehung der Familie und weiterer Hilfssysteme Gute Prognose: Stabilisierung der Mutter, positive Entwicklung der Mutter-Kind-Beziehung Gesellschaften der Alexianerbrüder 37 IV. Weitere Hilfen • Buchtipp: A. Rohde „Rund um die Geburt eines Kindes: Depression, Ängste und andere psychische Probleme“ • Selbsthilfegruppe „Schatten und Licht“ www.schatten-und-licht.de www.frauen-und-psychiatrie.de Zentrum für psychische Störungen vor und nach der Geburt St. Joseph-Krankenhaus Berlin-Weißensee www.alexius.de Frau OÄ U. Fürstenberg ([email protected]) Frau Dipl.-Psych. D. Wenzel ([email protected] Station 6, Telefon: 030/92790-460 Gesellschaften der Alexianerbrüder 38 Gesellschaften der Alexianerbrüder 39 In necesariis unitas; in dubiis libertas; in omnium caritas. „Im Notwendigen die Einheit; im Zweifel die Freiheit; in Allem die Liebe“. Hl. Augustinus Gesellschaften der Alexianerbrüder 40