Was ist in der Freizeit besonders zu beachten? Dieses wichtige Kapitel sollten sich die Patienten besonders gut einprägen, weil es ihren Tagesablauf betrifft, denn mit ganz wenig Mühe kann man das gute Übungsergebnis halten. - Es hat wenig Sinn, eine halbe oder eine Stunde täglich nach Schroth zu üben und die andere Zeit nicht mehr daran zu denken. Die Zeit der Therapie füllt nur einen geringen Prozentsatz der Tageszeit aus. Ein Patient mit Skoliose sollte sich rund um die Uhr in einer Art Selbst-Therapie befinden, um sich aus seinem fehlerhaften Zustand wieder herauszuleben, in den er vorher durch Unwissenheit oder Unachtsamkeit geraten war. Deshalb folgen hier einige Beispiele besonders für Paienten: Im Schulunterricht oder Beruf sollte man sich einen Platz aussuchen, an dem man mit Blickrichtung geradeaus sitzt. Abb. 1 Es ist ungünstig, wenn nur der Kopf oder der Oberkörper gedreht werden muß, um den Lehrer oder ein anderes Blickfeld zu sehen, weil das immer einen ungünstigen Einfluß auf die Wirbelsäule hat. Abb. 2 verdeutlicht, wie eine gewohnheitsmäßige Haltung zu einer Skoliose werden kann. Und wenn bereits eine Skoliose vorhanden ist, muß sie sich vergrößern, wenn sich ein solches Haltungsbild bereits im Gehirn verankert hat. Wir erkennen auf dem Bild, daß sich selbst die Bluse in eine Skolioseform verzieht. Die Skoliose auf Abb. 3 ist schon erheblich. Dreht ich der Patient um, ohne an seine Skoliose zu denken, wird die Verdrehung des Rumpfes plötzlich deutlich sichtbar. Wie ist das möglich? Einfach dadurch, daß das Becken sitzen bleibt und sich der Schultergürtel gegen das Becken dreht. Das Mittelstück, d.h. die hohle linke Seite und der Rippenbuckel rechts folgt der Verdrehung auf seine Weise. Das linke Schulterblatt verhindert das Zurückdrehen der linken Seite, weil es sie blockiert. Die linke Seite wird nach vorn gedrückt und verengt sich. Der Rippenbuckel muß nun ausweichen und tritt vermehrt nach außen und hinten. Das kommt einer falschen Übung gleich, die schließlich zur Gewohnheit wird. Das darf nicht sein! Der Patient steht besser auf und dreht sich im Stehen um. Es sind oft nur Kleinigkeiten. Aber das Leben setzt sich aus vielen solchen Kleinigkeiten wie ein Mosaik zusammen. Ähnlich verhält es sich beim Lesen (Abb. 4) oder auch nur beim Ausruhen im Sitzen (Abb. 5) oder beim Musizieren (Abb. 6). Sitzt man z.B. auf dem Steißbein (Abb. 7a) wird der Rücken rund Sitzt man auf den Sitzbeinhöckern (b), streckt sich der Rücken. Die Hand der stehenden Person zeigt an, um wie viele Zentimeter man zusammensinkt oder sich streckt und das eigentlich ganz ohne Mühe. Man muß nur befolgen, was erklärt wird und auch tun was man soll. Dann wird alles leicht. Das gilt auch für die Mahlzeiten. „Ach,wenigstens beim Essen will ich meine Ruhe haben!“ Wenn man so denkt, macht „es“ bei den Mahlzeiten immer wieder eine falsche Übung, die wir dann in den Übungsstunden wieder gutzumachen haben. Wie viel Zeit verbringt man täglich beim Sitzen bei Tisch, in der Schule, im Beruf, beim Fernsehen? Motivieren wir uns also selbst zu einer aufrechten Haltung, weil sich dann auch eine Übung selber macht, und zwar eine richtige! Die Haltung des Kopfes beeinflußt das äußere Erscheinungsbild entscheidend. Schauen wir auf Abb. 8. Wie möchten wir aussehen? Doch nicht wie auf (a). Wir möchten aufrecht sein an Körper und Seele (b). Dann dürfen wir aber auch nicht dagegenarbeiten. Legt man z.B. ein dickes Kissen unter den Kopf (c), dann sieht man bald aus wie (a). einem ist Ständige Wiederholung prägt ein Haltungsbild im Gehirn ein, welches man doch gar nicht haben will. Deshalb legen wir uns besser ohne oder nur mit flachen Kopfkissen auf den Boden oder ins Bett. Alles nur eine Sache der Aufmerksamkeit und Gewöhnung. Bald kann man gar nicht mehr anders als richtig zu liegen. in unter In Seitenage legt man weckmäßigerweise ein Kissen Höhe des Abstandes wischen Unterlage und Ohr den Kopf, damit sich der Hals nicht verzieht. Die Kopfhaltung im Stehen ist wichtig. Auf Abb. 9(a) steht der Patient im Rundrücken. Auf Abb. (b) wirkt er gerader, aufrechter. Beide Fotos wurden innerhalb von einer Minute aufgenommen. Man sieht, man kann, wenn man will. Dazu sehen wir uns die beiden Wirbel Abb. 10 an. Bei den linken Wirbeln stehen die Dornfortsätze (hier nach links zeigend) auseinanderklaffend. Das bedeutet, dieser Wirbelsäulenteil wird rund nach hinten. Bei den rechten Wirbeln liegen die Dornfortsätze mehr aufeinander. Das bedeutet, die Wirbelsäule schwingt etwas nach vorn. Diese Bewegung ist nur möglich, weil die Wirbel erstens gelenkig miteinander verbunden sind und zweitens, weil sich die zwischen den Wirbeln liegenden Bandscheiben drücken lassen, denn in ihnen liegt je ein Gallertkern, der das zuläßt. Und gerade in den Gallertkernen liegt eine große Schubkraft. Je nachdem wie wir diese einsetzen, so wirkt sie auch. Wenn wir schlaff in unseren Bändern hängen, wirkt sie nach hinten z.B. in den runden Rücken. Wenn die Dornfortsätze mehr aufeinander stehen wie bei den rechten Wirbeln, weichen die Bandscheiben mit ihren Gallertkernen nach vorn aus. Es entsteht ein gewisser Druck nach vorn. Die gleiche Mechanik besteht auch bei Skoliose, nur eben auch nach der Seite hin und zwar nach der Seite des geringsten Widerstandes. – Das vergrößert auf diese Weise den Rippenbuckel, weil die Schubkraft nicht mehr senkrecht nach oben wirkt, wie von der Natur gewollt, sondern nach der Seite. Mit diesen Erkenntnissen denken wir auch an ganz normale Alltagshandlungen, z.B. das Haare Kämmen Abb. 11(a), (b). Lange Haare sollen während der Behandlungsstunden die Wirbelsäule nicht verdecken. Deshalb werden Zöpfe geflochten. Mit Schrecken sieht man oft, wie sich die Patienten in der Eile „schnell frisieren“ und sich dabei unbedachterweise in ihren „dicken rechten Rücken“ hängen. - Als Ausgleich schieben sie dann das Becken nach links. Die Wirbelsäule folgt dann den nach außen drängenden Rumpfabschnitten (a). Es geht aber in der gleichen Zeit auch anders, ohne diese gravierenden Haltungsfehler (b). Der Rücken wirkt bei der gleichen Tätigkeit ebenmäßiger. Die Wirbelsäule zeigt nur noch dezente Schwingungen. Wer ertappt sich nicht schon mal bei ähnlichem Tun? Jede fehlerhafte Haltung wirkt wie eine falsche Übung, die entsprechende Ergebnisse bringen muß. Aber wer will sich schon wissentlich schaden? Nur Aufmeksamkeit und ein wenig Wachsamkeit sich selbst gegenüber ist nötig. Das ist nicht schwer, wenn man die Folgen bedenkt. Deshalb Spiegelkontrolle! Auch wirbelsäulen-operierte Patienten dürfen sich nicht „einfach in den Buckel hängen“, weil sie glauben: „Meine Wirbelsäule ist ja sowieso versteift worden. Nun brauche ich nichs mehr für mich zu tun.“ Das ist ein Irrtum. Denn wenn sich die Außenkonturen des Körpers verändern, ziehen sie automatisch auch die Wirbelsäule mit sich. besonders den nicht versteiften Teil. Das gilt sowohl für die falsche wie auch für die richtige Einstellung s. Abb. 12 Man sollte auch auf seine Leibesmitte achten (Abb.13) Im aufrechten Stand sollen alle Körperteile lotrecht übereinander stehen. Die Eingeweide sind dann an dem ihnen gebührenden Platz. Der Leib ist schlank. Weichen Becken und Bauch von der Lotrechten ab, sinken sie schwerefolgend nach vorn-unten. Sie verlagern sich. Der Leib lastet nach vorn. Es bildet sich ein Hohlkreuz, auch weil der vordere Beckenrand nach unten sinkt. Die Leibesmitte wirkt keilförmig. Die Lenden- bzw. Zwerchfellatmung ist behindert. Der Körper wird krank und unansehnlich. Deshalb sollen wir auf eine gerade Beckenstellung achten und den vorderen Beckenrand heben, damit die Lende wieder vom Druck befreit wird. Beim Tragen von Gegenständen sollten wir ausprobieren, auf welcher Seite der Rücken besser ausschaut (Abb. 14). Am besten ist es, wenn man einen Rucksack trägt. Beim Anheben von Gegenständen (Abb. 15) ist es schwierig, „den richtigen Dreh“ zu finden. Auf keinen Fall sich in die vorhandenen Bögen dabei ziehen! Deshalb Spiegelkontrolle! Ganz wichtig ist auch die Achtung auf die Kleidung Abb. 16 (a),(b). Unachtsamkeit zieht unnötigerweise die Blicke anderer auf sich(a). Der Betrachter beginnt, die Schrägfalten zu zählen. Es geht auch anders. Diese Person (b) wirkt viel selbstverständlicher. Das gilt auch für Kleinigkeiten, wie der Sitz des Gürtels (Abb 17 (a),(b). Das junge Mädchen ging im Sonntagsanzug an mir vorbei. Ich stellte sie sofort vor einen Spiegel. Wir sahen, das rechte Hosenbein ist einige Zentimeter kürzer, der Gürtel hängt rechts beträchtlich höher. Woran liegt das? Die Hosenbeine haben bestimmt die gleiche Länge. Aber die Beckenstellung macht es. Wir haben einige Minuten trainiert, die „nach außen „stehende Hüfte nach innen zu raffen“. Wie man sieht, ist die Hosenbeinlänge weitgehend augeglichen, der Gürtel schwingt nur noch rechts leicht nach oben. Wenn man solche Übungen während der Behandlungszeit exerziert hat, solle man auch in der Freizeit daran denken, denn andere sehen das, was man selbst gar nicht vermutet. Nun noch etwas: Auf Abb. 18(a) streichelt der Junge die Katze. Er hängt sich dabei in seinen linken Rücken und ahnt gar nicht, was er sich damit antut. Als ich das sah, schnappte ich den Fotoapparat und knipste ihn. Dann sollte er sich gerade hinsetzen (b), denn der Katze ist es ganz egal, mit welcher Hand sie gestreichelt wird. Aber der Junge staunte, als er die Bilder sah. Nun noch eine kleine Wichtigkeit: Auf Abb. 19 verschränken drei Personen ihre Arme über dem Bauch, was ihnen auch eine gewisse Stütze gibt. Ein Betrachter erkennt hier schon von weitem, daß sich die betreffenden Personen „an sich selbst festhalten“. Wer aus irgend einem Grund Hemmungen hat, braucht das doch nicht so öffentlich zu demonstrieren! Zeigen Sie Selbstbewußtsein! Sie werden sehen, daß Sie es dann auch haben. Lassen Sie Ihre Arme unten!, Kein Betrachter käme dann auf die Idee, daß diese jungen Menschen Hemmungen haben könnten. Wegen Skoliose braucht sich keiner zu verkriechen. Andere haben dafür vielleicht nicht sichtbare Schäden, die eventuell viel schwerer wiegen. Und Sie haben dafür andere Qualitäten!