Drei zentrale Hebel in der Krise

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Erwin Huber
Drei zentrale Hebel in der Krise
In Krisen verdichten sich heikle Situationen, die Zeit verknappt sich. Krisen verursachen
Stress, der zwar Energie freisetzt, jedoch oft die Wahrnehmungsfähigkeit vermindert – und
dies in einer Situation, die eigentlich erhöhte Wahrnehmung erfordert. Krisen fordern die
einzelne Führungskraft und das Management als Kollektiv und zwar auf unterschiedlichen
Ebenen. Es gibt drei zentrale Hebel, um eine Unternehmenskrise zu bewältigen.
1. Den Wendepunkt erkennen und die richtigen Prioritäten setzen
Wer mit seinem Handeln längere Zeit erfolgreich war, tut sich oft schwer, die Signale der
Krise frühzeitig zu erkennen. Schwache Signale werden ausgeblendet. Wenn die Krise erst
unübersehbar geworden ist, entsteht im Management oft operative Hektik. Ein ManagementMeeting jagt das andere, es werden Analysen erstellt, Ziele formuliert, Maßnahmen und Programme erarbeitet sowie deren Umsetzung beauftragt. Was fehlt, ist die Fokussierung. Meine Erfahrung zeigt, dass Führungskräfte die Wendepunkte zu spät erkennen und zu schnell
Maßnahmen setzen, anstatt die entscheidenden Hebel zu identifizieren.
Nachfolgend zwei Beispiele zur Verdeutlichung:
Kostenproblem eines Schienen-Fahrzeug-Erzeugers
Ein Schienenfahrzeug-Erzeuger weiß seit Jahren, dass seine Angebote gegenüber der Konkurrenz deutlich zu teuer sind. Das Management versucht redlich, mit Maßnahmen in den
Bereichen Design to Costs, Optimierung der Fertigung, Verhandlungen mit Lieferanten oder
neue Sourcing-Strategien die Kosten bzw. Margen in den Griff zu bekommen. Das ist zweifelsohne sinnvoll. Wie sich aber zeigte, reichten die dadurch lukrierten Potenziale nicht aus,
um die gewünschten Margen zu erzielen. Gezeigt hat sich, dass letztendlich zwei Wendepunkte für den mittelfristigen Erfolg des Unternehmens ausschlaggebend sind:
• Hebel 1: Ein Schienenfahrzeug muss in Indien oder China (abgesehen von der Sicherheit) nicht denselben Standards entsprechen wie in Österreich oder Deutschland. Wie
schafft man es, das Denken im Vertrieb und in der Konstruktion so zu verändern, dass
marktgerechte, passgenaue Lösungen geboten werden?
• Hebel 2: Ein großer industrieller Anbieter muss seine Größe auch nutzen! Durch entsprechende Standardisierung und Modularisierung können Rationalisierungseffekte erzielt
werden und die Kunden können trotzdem individuell bedient werden, wie dies die Autoindustrie zeigt.
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Finanz-Dienstleister
Das Risk-Managemement von Banken ist in das Spannungsfeld zwischen Ertrag und Sicherheit eingebettet. Die Marktbereiche möchten einerseits die Potenziale des Marktes ausreizen. Auf der anderen Seite haben die Risiko-Steuerer einer Bank die Aufgabe, das Risiko
zu begrenzen, d.h. es in einer entsprechenden „Range“ zu halten. Bisher wurde über Risiko
bei Einzelkreditanträgen verhandelt sowie über Limits für Geschäftstypen (Immobilien) und
Länder. Das war rückblickend zu wenig!
Der Hebel ist es, im Risiko-Management zu einer vernetzten Betrachtung zu kommen, dazu
ist es z.B. notwendig, ein Portfolio-Management zu entwickeln. Das bedeutet, fundierte Aussagen in einer Gesamtdarstellung darüber zu treffen, welche Art von Geschäft man in welchen Branchen, in welchen Ländern und in welchem Umfang machen möchte.
Portfolio-Management ist der Hebel, weil es den Anspruch erhebt, die Geschäftstätigkeit der
Bank wesentlich mitzusteuern. Es ist damit auch hoch sensibel. Es einzuführen bedeutet, ein
ganzes Bündel an tiefgreifenden Veränderungen einzuleiten (Vereinheitlichung von Modellen
und Reportings, neue Abstimmungs- und Aushandlungsformate, Veränderung von Strukturen und Funktionen, Gestaltung von Schnittstellen, Vereinheitlichung von Datenbasen, Aufbau von neuen Systemen und Prozeduren, Verschiebung von Zuständigkeiten …).
Was kennzeichnet einen Wendepunkt?
Ein Wendepunkt zeichnet sich dadurch aus, dass mit neuem Denken und Handeln völlig
neue Potenziale gehoben werden können. Symbolisch gesprochen: „Die Umlaufbahn des
Planeten wird verändert“, oder auch „Lernen zweiter Ordnung“, „Paradigmenwechsel“. Diesen Wendepunkt in einer Krise zu finden, ist die zentrale Aufgabe des Managements. Meine
Erfahrung ist, dass selbst dann, wenn sich das Management mit Strategie beschäftigt, der
Blick auf den zentralen Dreh- und Angelpunkt oft nicht ausreichend klar ist. Vielfach dauert
es einfach zu lange, bis die nötige Klarheit herbeigeführt ist.
2. Der Falle der Selbstbeschäftigung entgehen
Ist ein Unternehmen in der Krise, wird erwartet, dass Führungskräfte handeln und die richtigen – der Situation entsprechenden – Veränderungen initiieren.
Umorganisationen einzuleiten ist ein Klassiker und steht fast immer ganz oben auf der Maßnahmenliste. Organisations-Veränderungen können die richtige Antwort sein, müssen es
aber nicht! Zur Selbstbeschäftigung werden sie dann, wenn eine Organisationsvariante lediglich eine andere ersetzt, ohne neue Wege und Potenziale zu erschließen. Besonders Industriebetriebe neigen dazu, in einem Zyklus funktionale Strukturen durch divisionale oder projektorientierte zu ersetzen und vice versa. Keine dieser Organisationsformen hat ausschließlich Vorteile, nach einiger Zeit staut sich Frust über die Nachteile auf und die Konsequenz
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daraus ist wiederum eine Re-Organisation. Erkennen kann man solche Zyklen dann, wenn
langjährige MitarbeiterInnen feststellen: „Das hatten wir alles schon und es hat nicht so funktioniert, wie man sich das vorgestellt hat.“
In anderen Fällen werden Projekte initiiert, die darauf ausgerichtet sind, Systeme zu vereinheitlichen. Es handelt sich dabei um Projekte, die durchaus schon lange hätten realisiert
werden sollen – aber warum gerade jetzt, in der Krise? Diese Projekte werden plötzlich sehr
„mächtig“, sie verschlingen enorm viele Ressourcen und verlangen erhöhte Aufmerksamkeit.
Veränderungen – vor allem in der Krise – müssen gut überlegt sein. Sie sind zwar wichtig, in
der Krise existieren jedoch andere Prioritäten, nämlich Ergebnisverbesserungen!
Werden diese Projekte dennoch gestartet, so kann dies aufgrund der Prioritäten wieder zu
einer Art „Selbstbeschäftigung“ führen. Die geforderte Aufmerksamkeit von MitarbeiterInnen
und Führungskräften gerät in Konkurrenz mit anderen, krisenrelevanteren Veränderungen.
3. Gestaltungskraft entwickeln
Eine zentrale Aufgabe von Führungskräften ist es, zu steuern und zu gestalten. Viele MitarbeiterInnen und Führungskräfte sind der Meinung, dass sie gestalten, wenn sie von einem
Meeting zum anderen hetzen, „Feuer löschen“ in dem Sinne, dass sie Projektkrisen bewältigen, schwierige fachliche Probleme lösen, bei Veränderungsprojekten mitwirken usw.
Gestalten heißt viel mehr als das. Gestalten heißt, dass ich jemand bin, von dem zentrale
Impulse ausgehen, und zwar Impulse, die zu einer neuen Richtung führen, Wendepunkte
herbeiführen und neue Energie zum Fließen bringen.
Viele Menschen waren nie derartige Impulsgeber oder haben im Laufe der Zeit ihre Impulskraft verloren. Besonders in Krisenzeiten fällt auf, wenn die Gestaltungskraft fehlt. Viele Persönlichkeiten sind zwar scharfsinnig und kritisch, bleiben aber in der Analyse stecken – sind
also nicht diejenigen, die Initiativen setzen. Andere wieder bleiben so stark im Detail verhaftet, dass sie sich schon am Beginn einer Diskussion über neue Ansätze in einer Spezialperspektive verfangen. Sich in die Helikopterperspektive zu begeben, fällt ihnen schwer.
Gestaltungskraft entwickeln heißt einerseits, dass Führungskräfte Wege finden, Antworten
auf schwierige Fragen zu haben – also „in lead“ zu gehen. Es genügt nicht, MitarbeiterInnen
in Workshops aufzufordern, ihre Ideen zur Krisenbewältigung einzubringen. Es ist zwar sinnvoll, ihre Ideen abzuholen, aber so entstehen keine starken Weichenstellungen, denn diese
Aufgabe kann von Führungskräften nicht delegiert werden.
Gestaltungskraft zu entwickeln heißt anderseits auch, sich als Person zu positionieren. Das
bedeutet Profil zu zeigen und auch in Spannungsfelder und Auseinandersetzungen zu geraten. Entscheidungen zu treffen, die nicht dazu führen, dass man es „allen recht macht“. Gerade Führungskräfte mit konfliktvermeidender Persönlichkeitsstruktur geraten hier an ihre
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Grenzen. Sie zögern oder moderieren Entscheidungen in die Mitte. Das kann man jenen, die
Durchsetzer sind, nicht nachsagen. Sie sind konflikt- und entscheidungsfreudig, es fehlt ihnen aber am Instrumentarium, Konflikte produktiv auszutragen und Entscheidungsprozesse
so anzulegen, dass sie andere dabei nicht verlieren. Führungskräfte, die eine abgerundete
Persönlichkeitsstruktur aufweisen, werden viel wahrscheinlicher auch den Mut und die Kompetenz haben, die richtigen Hebel zu setzen und Gestaltungskraft zu entwickeln. Persönlichkeitsentwicklung ist aber ein langer Prozess, der schon lange vor einer Krise beginnen muss,
um es einer Führungskraft zu ermöglichen, ihre Funktion voll in die Wirkung zu bringen.
4. Resümee
Die drei beschriebenen Hebel sind natürlich nicht nur in der Krise von Bedeutung. In einer
Krise werden sie aber zu zentralen Erfolgsfaktoren, denn Krisen verdichten Situationen und
fordern Führungskräfte in ihrer Präsenz und Kompetenz in einer ganz anderen Weise.
5. Das Angebot von Trigon
Wie Trigon Sie dabei unterstützen kann, finden Sie im Produktfolder „Navigieren in turbulenten Zeiten“.
Link zum Produktfolder
Dr. Erwin Huber
M: +43 (664) 44 35 246
[email protected], www.erwin.huber.trigon.at
Trigon Entwicklungsberatung
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