Medizintechnologie.de Stereotaktische Bestrahlung Präzisionswaffe gegen Tochtergeschwülste in der Leber Die stereotaktische Bestrahlung bietet zusätzliche Behandlungsoptionen für Krebspatienten mit Lebermetastasen. Quelle: Fotolia/sector_2010 16.06.2016 Mit der stereotaktischen Bestrahlung lassen sich Lebermetastasen unabhängig von Größe und Lage gezielt zerstören. Die im Vergleich zu anderen Behandlungsmethoden nebenwirkungsarme Technologie gehört zu den wichtigen Themen auf der jetzt stattfindenden Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie. von Ulrich Kraft Sie verwertet, speichert und verwandelt Nährstoffe, stellt viele lebensnotwendige Proteine, Fette und Verdauungsenzyme her und befreit den Körper von schädigenden Substanzen. Nicht umsonst gilt die Leber als das Zentralorgan im menschlichen Stoffwechsel. Doch diese exponierte Position hat leider eine Kehrseite. Bei Krebserkrankungen bilden sich dort häufig Tochtergeschwülste, so genannte Metastasen. Vor allem bösartige Lungen-, Darm, Magen- und Brusttumoren streuen als erstes in das 1.500 bis 2.000 Gramm schwere Organ im rechten Oberbauch. Lange Zeit waren Operation und Chemotherapie bei Lebermetastasen die wichtigsten Behandlungsmethoden. Inzwischen haben Ärzte aber einen weiteren, sehr spitzen Pfeil im Köcher: die stereotaktische Bestrahlung. „Das ist eine Methode aus der Hochpräzisionsstrahlentherapie, mit der man sehr hohe lokale Strahlendosen auf einen definierten Bereich geben kann“, erläutert Stephanie Combs von der Technischen Universität München. Gleichzeitig erzeuge das Verfahren einen steilen Dosisgradienten, was bedeutet, dass die verabreichte Strahlenmenge an den Rändern des Brennpunkts sofort stark abfällt. „So lässt sich die Metastase zerstören, während das umliegende, gesunde Gewebe geschont wird“, sagt die Leiterin der Klinik für Radioonkologie und Strahlentherapie am Klinikum rechts der Isar. Präzision verringert unerwünschte Wirkungen „Hochleistungsmedizintechnik – Innovation für Patienten“ – unter diesem Titel steht die Auftaktpressekonferenz der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie (DEGRO), auf der Stephanie Combs über metastasierten Krebs und die Verbesserung der Heilungschancen durch die stereotaktische Strahlentherapie referiert. Die Technologie ist eines der großen Themen auf dem vom 16. bis 19. Juni in Mannheim stattfindenden Kongress. Bereits im März sprach sich die DEGRO für einen breiteren Professorin Stephanie Combs leitet die Klinik für Einsatz des Verfahrens bei Radioonkologie und Strahlentherapie am Klinikum Lebermetastasen aus. Anlass war unter anderem eine Untersuchung rechts der Isar. Quelle: TU München aus Kanada, die ergab, dass Patienten nach der Bestrahlung kleinerer Tochtergeschwülste keine Einschränkungen ihrer Lebensqualität hatten. Bei größeren Tumoren kam es mitunter zu Abgeschlagenheit, Übelkeit und Appetitverlust, die aber meist binnen drei Monaten wieder abklangen. „Ein großer Vorteil der stereotaktischen Bestrahlung besteht darin, dass sie im Vergleich zu anderen Behandlungsmethoden wie zum Beispiel manchen Chemotherapien sehr nebenwirkungsarm ist“, betont die Expertin und Direktorin des Institut für Innovative Strahlentherapie am Helmholtz Zentrum München. Auch die operative Behandlung geht wie jeder chirurgische Eingriff mit gewissen Risiken einher und stellt gerade für die gesundheitlich schon angeschlagenen Krebspatienten eine Belastung dar, von der sie sich häufig nur langsam erholen. Da die Behandlungsergebnisse gleich gut sind, kann die stereotaktische Bestrahlung als eine Alternative zur Operation gesehen werden. „Für viele Betroffene, die ja bei der Therapieentscheidung mitreden, ist es ein Pluspunkt, wenn ihr Bauch nicht geöffnet werden muss“, berichtet Combs. Hinzu kommt, dass die operative Entfernung von Töchtergeschwülsten in manchen Regionen Leber schwierig oder sogar unmöglich ist. Die Bestrahlung hingegen funktioniert unabhängig von der Lage der Metastasen. Und unabhängig von ihrer Größe. Strahlenbehandlung als zusätzliche Therapieoption Das ist bei der Radiofrequenztherapie anders. Mit dieser ebenfalls nicht-operativen Methode lassen sich Metastasen bis zu einem Durchmesser von zwei Zentimetern effektiv behandeln. Sind sie größer, wächst der Krebs einer aktuellen Studie zufolge dreimal häufiger nach als bei Patienten, die bestrahlt worden waren. Trotz solcher Vorteile sieht Stephanie Combs die stereotaktische Strahlentherapie jedoch nicht als Konkurrenz zu anderen Therapieverfahren, sondern als Ergänzung. „Die Methode hat die Behandlungsmöglichkeiten, die wir Patienten mit Lebermetastasen anbieten können, deutlich erweitert.“ Welche Therapie am besten geeignet ist, muss immer individuell entschieden werden, abhängig vom Befund und von den Wünschen des Erkrankten. Zwar ist der Krebs häufig schon so weit fortgeschritten, dass auch die Strahlenbehandlung keine Heilung ermöglicht. Aber man könnte damit oft sehr viel Lebenszeit gewinnen, und das bei sehr guter Verträglichkeit, erläutert Combs und schließt sich dem Wunsch der DEGRO an. „Die stereotaktische Bestrahlung sollte für jeden Patienten verfügbar sein“, sagt sie. „Nicht unbedingt direkt am Wohnort, aber auch nicht allzu weit entfernt.“ © Medizintechnologie.de/kr