Augsburg Universität Augsburg Geldanlage bei Inflationsrisiken und politischen Risiken Inflationsindexierte versus klassische Bundesanleihe – Eine Gegenüberstellung im Kontext der Finanzmarktkrise Betreuender Hochschullehrer: Prof. Dr. Marco Wilkens Studentische Teammitglieder: Jennifer Brummer Markus Buxbaum Ferdinand Kandlhofer Alexander Linhart Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 II Inhaltsverzeichnis Seite Inhaltsverzeichnis ............................................................................................................. II Abbildungsverzeichnis ....................................................................................................III Tabellenverzeichnis ........................................................................................................ IV Abkürzungsverzeichnis .................................................................................................... V Symbolverzeichnis.......................................................................................................... VI 1. Einleitung ...................................................................................................................... 1 2. Inflationsindexierte Anleihen ....................................................................................... 3 2.1 . Inflation: Ursachen, Messung und Auswirkung .................................................... 3 2.2 . Typen inflationsindexierter Anleihen .................................................................... 7 2.3 . Der Markt für inflationsindexierte Anleihen ....................................................... 12 2.4 . Grundsätzliche Analyse von inflationsindexierten Anleihen ..............................14 2.5 . Break-Even-Inflationsrate.................................................................................... 16 3. Inflationsindexierte Anleihe versus Bundesanleihe – Eine empirische Analyse ........18 3.1 . Methodik der empirischen Gegenüberstellung .................................................... 18 3.2 . Empirische Gegenüberstellung ............................................................................ 20 3.3 . Analyse der Wertentwicklungen..........................................................................23 4. Extremszenarien und ihre Auswirkungen ................................................................... 28 4.1 . Finanzielle Repression ......................................................................................... 28 4.1.1 Aufbau des Szenarios .................................................................................29 4.1.2 Relevanz und Auswirkungen ......................................................................30 4.2 . Hyperinflation ......................................................................................................32 4.2.1 Aufbau des Szenarios ................................................................................ 32 4.2.2 Relevanz und Auswirkungen ..................................................................... 34 4.3 . Währungsschnitt .................................................................................................. 35 4.3.1 Aufbau des Szenarios ................................................................................ 36 4.3.2 Relevanz und Auswirkungen ..................................................................... 36 4.4 . Staatsbankrott ...................................................................................................... 39 4.4.1 Aufbau des Szenarios ................................................................................ 40 4.4.2 Relevanz und Auswirkungen ..................................................................... 40 5. Zusammenfassung und Ausblick ................................................................................46 Literaturverzeichnis ........................................................................................................ VI Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 III Abbildungsverzeichnis Seite Abbildung 1: Ausstehende inflationsindexierte Anleihen im Jahr 2011 ........................ 14 Abbildung 2: Kumulierter Renditeverlauf der untersuchten Bonds ............................... 21 Abbildung 3: Marktzinsniveau ....................................................................................... 23 Abbildung 4: Entwicklung der Börsenkurse .................................................................. 24 Abbildung 5: Entwicklung Börsenkurs inflationsindexierte Anleihe ............................ 25 Abbildung 6: Inflationserwartungen bis 2016 ................................................................ 25 Abbildung 7: Jährliche Inflationsraten ........................................................................... 26 Abbildung 8: Inflationsverlauf in Deutschland ab 1948 ................................................ 37 Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 IV Tabellenverzeichnis Seite Tabelle 1: Zahlungsströme einer kapitalindexierten Inflationsanleihe........................... 10 Tabelle 2: Zahlungsströme einer kuponindexierten Inflationsanleihe ........................... 11 Tabelle 3: Übersicht über die verglichenen Bonds......................................................... 20 Tabelle 4: Inflationsvergleich von 1800-2006 ............................................................... 33 Tabelle 5: Zusammenfassung der Szenarienanalyse. ..................................................... 41 Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 V Abkürzungsverzeichnis BIP .................Bruttoinlandsprodukt c.p. .................Ceteris paribus DM .................Deutsche Mark DP ..................Dirty Price EZB................Europäische Zentralbank HVPI ..............Harmonisierter Verbraucherpreisindex ILB .................Inflation-Linked-Bond VPI .................Verbraucherpreisindex Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 VI Symbolverzeichnis A .....................Annuität BEI .................Break-Even-Inflation C ....................Rückzahlungsbetrag CP ..................Clean Price DM ........................... tatsächliche Anzahl Tage im Monat des Beobachtungstags DP ..................Dirty Price dtM ........................... tatsächliche Anzahl Tage im Monat des Starts I0............................... Investitionsbetrag IVZ .................Indexverhältniszahl K ....................Kupon m ....................Monat M ....................Monetäre Basis bzw. Geldmenge P .....................Preisniveau bzw. Stand des Verbraucherpreisindex R .....................Zinssatz RnNA........................ Nominalrendite einer Nominalanleihe RrRA ........................ Realrendite einer Realanleihe t ......................Zeitpunkt V .....................Umlaufgeschwindigkeit des Geldes VP ..................Marktwert eines inflationsindexierten Investments Y .....................Bruttoinlandsprodukt ZZt........................... Bis t angefallenen Kuponzahlungen ....................Inflationsrate Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 VII Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 1 1. Einleitung Ein zentrales Problem bei der Kapitalbildung ist der inflationsbedingte Wertverlust des Geldes. Dies trifft auch für die sonst als vergleichsweise sicher angesehenen Staatsanleihen der Bundesrepublik Deutschland zu. Seit 2006 emittiert die Bundesrepublik Deutschland nun inflationsindexierte Bundesanleihen, mit denen eine Absicherung gegen Inflationsrisiken verbunden ist. Zentrales Ziel dieser Arbeit ist es zu untersuchen, ob und unter welchen Bedingungen diese inflationsindexierten Anleihen den rendite- und risikoorientierten Anleger besser stellen als klassische Staatsanleihen. Dabei werden neben einem Normalszenarium auch Szenarien analysiert, die im Zuge der aktuellen Finanzkrise als denkbar herausgearbeitet werden. So sollen insbesondere für Privatanleger Hilfestellungen erarbeitet werden, die die Entscheidung zwischen diesen zentralen Anlageformen sowohl im Grundsatz als auch vor dem Hintergrund der möglichen Auswirkungen der aktuellen Finanzkrise unterstützen. Um dieses Ziel zu erreichen, ist die Arbeit wie im Weiteren beschrieben aufgebaut. Um ein grundlegendes Verständnis des Renditeverhaltens zu schaffen wird in Kapitel 2 zunächst der Begriff der Inflation genau definiert und im Detail erklärt. Dabei wird besonderes Gewicht auf die Wirkung der Inflation auf den Wert und die Rendite von Anleihen gelegt. Anschließend werden die Funktionsweisen und verschiedenen Typen von inflationsindexierten Anleihen herausgearbeitet. So werden die Chancen und Risiken einer Kapitalanlage in inflationsindexierte Anleihen deutlich. Im Anschluss wird auf die Break-Even-Inflation eingegangen. Mit dieser können die Höhe der eingepreisten Inflationserwartung berechnet werden und die Veränderungen dieser Erwartungen während dem Zeitverlauf dargestellt werden. In Kapitel 3 werden für das Normalszenarium zunächst die Methodik der Renditebestimmung und die Methodik des Vergleichs beider Anlageformen herausgearbeitet. Anhand eines Performancevergleichs wird analysiert, wie sich die Werte von inflationsindexierten und klassischen Anleihen in dem Normalszenarium verhalten. Um im Anschluss die Wertverläufe zu erklären werden die Einflüsse der Geldmarktzinsen auf die Kursentwicklung herausgearbeitet. Die Ergebnisse dieser Analyse sind die Grundlage für die Betrachtung von Extremszenarien, da sie das Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 2 notwendige Verständnis der Wirkungszusammenhänge von Einflussparametern auf den Wertverlauf beider Anleihen vermitteln. Gerade im Hinblick auf die potentiellen Auswirkungen der aktuellen Finanzmarktkrise ist es für Anleger relevant, wie sich inflationsindexierte und klassische Anleihen in Szenarien verhalten, die von dem Normalszenarium abweichen. Es werden daher in Kapitel 4 vier Szenarien herausgearbeitet, deren Eintritt als möglich erachtet wird. Diese sind die finanzielle Repression, die Hyperinflation, der Währungsschnitts und zuletzt der Staatsbankrott. Mit Hilfe der Auswirkungen, die sich in den jeweiligen Szenarien auf Inflation und Zinsen ergeben, wird mittels einer Analyse der Einflussfaktoren die Vorteilhaftigkeit einer der beiden Anlagen begründet. Kapitel 5 fasst die wesentlichen Ergebnisse der Arbeit zusammen und gibt einen Ausblick auf weiteren Forschungsbedarf. Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 3 2. Inflationsindexierte Anleihen Um das notwendige Verständnis für den in Kapitel 3 folgenden Vergleich von inflationsindexierten und klassischen Anleihen zu vermitteln, wird zunächst der Begriff der Inflation definiert und im Detail erklärt. Besonderes Augenmerk wird hierbei auf die Wirkung der Inflation auf den Wert und die Rendite von Anleihen gelegt. Darauf aufbauend wird erörtert, wie sich Anleger gegen potentielle Kaufkraftverluste bei Geldentwertung mit Hilfe inflationsindexierter Anleihen absichern können. Hierfür werden die grundsätzliche Funktionsweise und die unterschiedlichen Typen von inflationsindexierten Anleihen dargestellt. Ein Marktüberblick verdeutlicht die steigende Beliebtheit von inflationsindexierten Anleihen. Des Weiteren werden die wesentlichen Chancen und Risiken von inflationsindexierten Anleihen herausgearbeitet. 2.1 Inflation: Ursachen, Messung und Auswirkung „Wenn die Brieftaschen immer voller und die Einkaufstaschen immer leerer werden.“ Robert "Bob" Orben (*1927), amerik. Publizist u. Humorist Es gibt unzählige Herangehensweisen, um den Inflationsbegriff in Worte zu fassen. Das Zitat von Orben beschreibt die fühlbaren Auswirkungen von Inflation für die Bevölkerung sehr anschaulich. Im Sprachgebrauch wird Inflation oftmals als Kaufkraftverlust definiert, der durch eine langfristige Erhöhung des Preisniveaus entsteht.1 In der Wissenschaft wird Inflation vor allem kausal definiert. Diese Definitionen zielen damit auf mögliche Ursachen der Inflation ab. Eine genauere Betrachtung von Inflation und ihren Ursachen ist notwendig, um eine Ausgangsbasis für die im Verlauf der Arbeit folgenden Analysen zu schaffen. Pätzold nennt drei mögliche Ursachen für die Inflation.2 Bei der ersten Inflationsursache, der Nachfrageinflation, resultiert die Preisniveausteigerung aus den Folgen eines Überhangs der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage über die volkswirtschaftliche Produktionskapazität. Als zweite mögliche Inflationsursache 1 2 Vgl. Blanchard/Illing (2006), S. 56. Vgl. Pätzold (1998), S. 99-110. Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 4 wird eine Angebotsinflation beschrieben. Gemäß Pätzold und Baade kann Angebotsinflation als Kostendruckinflation oder Markmachtinflation erscheinen. Kostendruckinflation ist eine Preisniveausteigerung infolge mit Macht durchgesetzter Kostensteigerungen. Marktmachtinflation ist eine Preisniveausteigerung infolge mit Marktmacht durchgesetzter Gewinnsteigerungen. Als dritte mögliche Inflationsursache wird Geldmengeninflation genannt. Diese entwickelt sich, wenn die Geldmenge schneller als die gesamtwirtschaftliche Produktion wächst. Die Geldmengeninflation hat gerade im Kontext der Finanzmarktkrise und in Bezug auf wachsende Staatsverschuldungen eine entscheidende Bedeutung. Daher ist es sinnvoll, den Begriff der Geldmengeninflation weiter zu konkretisieren. Ein Ansatz, um die Zusammenhänge zwischen Geldmenge und Preissteigerungen zu erklären, ist die Quantitätsgleichung des Geldes.1 (1) Hierbei symbolisiert M die Monetäre Basis (z.B. Bargeld und die Geldeinlagen bei der Zentralbank), V steht für die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes, P symbolisiert das Preisniveau und Y das reale Bruttoinlandsprodukt. Eine Erhöhung der Geldmenge hat demnach eine beschleunigte Inflation zur Folge. Inflation kann auch nach der Geschwindigkeit des Kaufkraftverlustes unterschieden werden. In diesem Zusammenhang sind Begriffe wie rasende Inflation, schleichende Inflation und trabende Inflation üblich.2 Formal lässt sich Inflation durch den Zusammenhang (2) ausdrücken.3 Hier wird der Zusammenhang zwischen Inflationsrate und Preisniveau besonders deutlich. In dieser Gleichung symbolisiert die Inflationsrate und P das allgemeine Preisniveau. Entsprechend stellt t den aktuellen Zeitpunkt und t-1 den vorherigen Zeitpunkt dar. Die Inflationsrate bildet sich demnach durch die relative Preisniveauveränderung von der Vorperiode zur aktuellen Periode. 1 Siehe auch Friedman (1957). Vgl. Cassel/Apolte (2007), S. 340. 3 Vgl. Weiß (2010), S. 36. 2 Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 5 Zur Messung von Inflation existieren verschiedene Konzepte, die sich substantiell unterscheiden. Bei allen Verfahren handelt es sich aber lediglich um approximative Verfahren, die daher die Höhe der Inflation nur näherungsweise sichtbar machen können. Gängige Beispiele für diese Messverfahren sind vor allem der BIP-Deflator, der Verbraucherpreisindex (VPI), der Harmonisierte Verbraucherpreisindex (HVPI) und die Kerninflation.1 Prinzipiell hängt die Wahl des „richtigen“ Verfahrens maßgeblich von der jeweiligen Fragestellung ab, da jedes der Inflationsmessverfahren spezifische Stärken und Schwächen besitzt. Daher ist eine detaillierte Betrachtung der verschiedenen Messverfahren für die weitere Arbeit unbedingt notwendig. Ein gängiges Verfahren zur Inflationsmessung in Deutschland ist der VPI. Der VPI misst die durchschnittliche Preisentwicklung aller Waren und Dienstleistungen, die von privaten Haushalten für Konsumzwecke gekauft werden. Der VPI liefert so ein Gesamtbild der Preisentwicklung in Deutschland. Hierbei werden alle Arten von Haushalten, alle Regionen und die spezifischen Nachfrageunterschiede durch regional unterschiedliche Konsumgewohnheiten berücksichtigt.2 Neben dem VPI wurde der HVPI entwickelt. Ziel des HVPI ist die Schaffung einer Vergleichsmöglichkeit zwischen den Preisniveauentwicklungen von unterschiedlichen Volkswirtschaften. Diese Vergleichsmöglichkeit besteht beim VPI nicht, da teilweise gravierende länderspezifische Differenzen in der Berechnung existieren.3 Dem HVPI kommt eine zentrale Bedeutung in der europäischen Währungspolitik zu, da der EZB-Rat seine geldpolitischen Strategien an der Entwicklung des HVPI ausrichtet. Im Jahr 2003 wurde durch den EZB-Rat festgelegt, dass eine Preisniveaustabilität bis zu einem Anstieg des HVPI um maximal 2 % pro Jahr gewährleistet ist.4 Der HVPI unterscheidet sich hinsichtlich des Zwecks der Berechnung vom VPI. Während der HVPI rein zur Inflationsmessung berechnet wird, dienen die nationalen VPIs auch vielen weiteren Zwecken.5 1 Vgl. Weiß (2010), S. 38. Vgl. Statistisches Bundesamt (2012a). 3 Vgl. Statistisches Bundesamt (2012b). 4 Vgl. EZB (2003), S. 87-90. 5 Vgl. Statistisches Bundesamt (2012c). 2 Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 6 Beim HVPI handelt es sich um einen EU-Verbraucherpreisindex, der nach einem harmonisierten Ansatz mit einheitlichen Definitionen für alle Länder berechnet wird, wobei aber die nationalen Konsumgewohnheiten berücksichtigt werden.1 Der HVPI wird monatlich berechnet und vom Statistischen Amt der Europäischen Union (Eurostat) überwacht.2 Der HVPI ist ein Laspeyres-Preisindex und wird als Kettenindex berechnet.3 Die Gewichtungen werden alle fünf Jahre überarbeitet und an Veränderungen angepasst. Der Warenkorb hingegen wird laufend an die Konsumgewohnheiten der Haushalte angeglichen. Bei Währungsunterschieden werden zur Berechnung des HVPI zur Umrechnung unterschiedlicher Währungen Kaufkraftparitäten verwendet. Je nach Verwendungszweck existieren unterschiedliche Varianten des HVPI, z.B. HVPI ohne Tabak, HVPI ohne Energie. Der HVPI ohne Tabak wird z.B. bei inflationsindexierten Anleihen als Maß für die Inflation verwendet.4 In der wissenschaftlichen Diskussion werden verschiedene Kritikpunkte am HVPI genannt. Diese Kritik richtet sich vor allem an seine Zusammensetzung. Lohnveränderungen werden demnach bspw. nur unzureichend berücksichtigt. Mieten werden zwar berücksichtigt, jedoch kein selbst bewohntes Wohneigentum. Durch diese Faktoren können Verzerrungen zwischen den nationalen HVPIs entstehen.5 Es kann festgehalten werden, dass bei der Inflationsmessung der Warenkorb von zentraler Bedeutung für die Aussagekraft der Messung ist. Die Zusammensetzung des Warenkorbs ist dafür verantwortlich, wie gut die Konsumgewohnheiten der Haushalte abgebildet werden. Nur wenn die Konsumgewohnheiten der privaten Haushalte gut erfasst werden, ist die Messung der Inflation annähernd repräsentativ für die Volkswirtschaft. Die gefühlte Inflation kann sich jedoch bei jedem Individuum auf Grund von individuellen Konsumgewohnheiten unterschiedlich darstellen. 1 Vgl. Eurostat (2004), S. 3. Vgl. Statistisches Bundesamt (2012b). 3 Vgl. Statistisches Bundesamt (2012c). 4 Vgl. Abschnitt 2.2. 5 Vgl. Weber (2007), S. 3-4. 2 Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 7 Die Gefahr hoher Inflationsraten steigt durch weltweit niedrige Zinsniveaus und immer weiter steigende Staatsausgaben und Staatsverschuldung.1 Daher wird es für Privatanleger immer wichtiger, ihre Anlagen gegen drohende hohe Inflationsraten und den damit einhergehenden Kaufkraftverlusten abzusichern.2 Anleger erwarten von ihrer Anlage, dass diese mindestens die realen Kaufkraftverluste in Folge der Inflation kompensiert. Für die Beurteilung und Strukturierung der Geldanlagen haben die Inflationserwartungen für den Anlagezeitraum also eine entscheidende Bedeutung. Die eingepreisten Inflationserwartungen sind letztlich der Differenzbetrag zwischen nominaler und realer Verzinsung. Dieser genannte Zusammenhang zwischen nominalen Zinssatz und realer Verzinsung und Inflationserwartung wird unter anderem durch die Fisher-Gleichung anschaulich beschrieben. Demnach setzt sich der nominale Zinssatz aus der realen Verzinsung und den Inflationserwartungen zusammen.3 Problematisch ist jedoch, dass Anleger in klassische Anleihen ex ante nur den nominalen Ertrag der Anlage kennen. Der reale Ertrag hängt von der tatsächlichen Inflation ab. Wenn die tatsächliche Inflation kleiner oder gleich der eingepreisten Inflationserwartungen ist, erleidet der Anleger keine Verluste auf Grund von Inflation. Wenn die reale Inflation jedoch höher ist, kann es zu realen Kaufkraftverlusten, trotz einer ex ante attraktiv wirkenden Verzinsung kommen. Hier wird deutlich, dass Inflation einen beträchtlichen Risikofaktor für Geldanlagen darstellt. 2.2 Typen inflationsindexierter Anleihen Im Bereich der inflationsindexierten Anleihen existieren verschiedene Varianten mit unterschiedlichen Ausstattungsmerkmalen. Der Schutz vor Kaufkraftverlusten bzw. der Erhalt einer konstanten Realverzinsung steht jedoch bei allen Inflationsanleihen im Vordergrund.4 1 Denkbar wäre ein Schuldenabbau durch längere Zeiten hoher Inflation im Sinne von Abschnitt 4.2. Vgl. Bergold (2005), S. 522. 3 Vgl. Fisher (1930). 4 Vgl. Deacon/Derry/Mirfendereski (2004), S. 17. 2 Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 8 Während bei traditionellen Anleihen bei Auflage sowohl Kupon- als auch Tilgungszahlung fixiert werden, findet bei Inflationsanleihen eine Fixierung der Zahlungen an reale Größen statt.1 Um diesen Inflationsschutz zu erreichen, werden die Zahlungsströme aus der Anleihe an einen festgelegten Verbraucherpreisindex gekoppelt.2 Der reale Ertrag über die ganze Laufzeit steht für den Investor damit bereits zum Anlagezeitpunkt fest.3 Grundsätzlich gilt, dass inflationsindexierte Anleihen für die Anleger von Vorteil sind, deren Verpflichtungsseite an die Inflations- oder Lohnentwicklung gekoppelt ist.4 Die sichere reale Rendite und die Tatsache, dass das Ausfallrisiko staatlicher Emittenten in der Regel gering ist5, machen inflationsindexierte Anleihen für den risikoaversen Anleger attraktiv.6 Für den Privatanleger eignet sich diese Anlageklasse somit bspw. im Rahmen der Altersvorsorge.7 Des Weiteren eignen sich inflationsindexierte Anleihen, durch ihre niedrigen Korrelationen zu anderen Anlageklassen, zur Portfoliooptimierung.8 Privatanleger können so durch Beimischung von Inflationsanleihen zum Anlageportfolio eine Verbesserung der Rendite-Risiko-Struktur erreichen.9 Die am Markt erhältlichen Varianten von inflationsindexierten Anleihen unterscheiden sich insbesondere durch differierende Auszahlungsstrukturen.10 Das Wissen über diese Ausgestaltungsvarianten ist somit für den Anleger von Bedeutung. Die gängigsten Formen von inflationsindexierten Anleihen sind die kapitalindexierten und kuponindexierten Anleihen. Neben diesen Arten wird im Wesentlichen noch zwischen dem Current Pay Bond, dem Indexed Annuity Bond und dem Indexed Zero-Coupon Bond unterschieden.11 1 Vgl. Schulz/Seidenspinner (2005), S. 826. Vgl. Feilke/Gürtler/Hibbeln (2007), S. 609. 3 Vgl. Letzgus/Warnecke (2005), S. 18. 4 Vgl. Roggow (2005), S. 11. 5 Vgl. Goldman Sachs (2010), S. 7. 6 Vgl. Wrase (1997), S. 6. 7 Vgl. Wilkens/Wimschulte (2006), S. 577. 8 Vgl. Ellers (2009), S. 10-11. 9 Vgl. Peetz (2005), S. 191. 10 Vgl. Deacon/Derry/Mirfendereski (2004), S. 23. 11 Vgl. Deacon/Derry/Mirfendereski (2004), S. 17. 2 Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 9 Die kapitalindexierte Anleihe (Capital Indexed Bond) ist die häufigste Form von inflationsindexierten Anleihen.1 Beispielsweise emittiert die Bundesrepublik Deutschland diesen Typ von Bond.2 Der Nominalwert der Anleihe wird während der Laufzeit an die Inflationsentwicklung angepasst. Die Höhe des zu zahlenden Kupons ergibt sich durch den vorab festgelegten realen Kupon, der mit dem indexierten Nominalwert im jeweiligen Jahr multipliziert wird. Am Laufzeitende erfolgt die Zahlung des über die Laufzeit inflationsbereinigten Nominalwertes zuzüglich der letzten Kuponzahlung.3 Die Zahlungsströme werden wie folgt berechnet: (3) (4) Der Realzinssatz wird mit r bezeichnet. Pt steht für den Verbraucherpreisindex zum Zeitpunkt t und P0 für den Verbraucherpreisindex zum Emissionszeitpunkt. Zum Fälligkeitstermin hat der Preisindex einen Wert von PT.4 Zur Veranschaulichung wird ein vereinfachtes Beispiel einer kapitalindexierten Anleihe betrachtet. Die Annahmen hierfür sind eine vorher festgelegte Realverzinsung von 2 % und eine Laufzeit der Anleihe von fünf Jahren. Die angenommenen unterschiedlichen Inflationsraten sind der Tabelle 1 zu entnehmen. 1 Vgl. Wallrich/Wolf (2004), S. 20. Vgl. Deutsche Finanzagentur (2011), S. 3. 3 Vgl. Deacon/Derry/Mirfendereski (2004), S. 18. 4 Vgl. Deacon/Derry/Mirfendereski (2004), S. 23. 2 Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 10 Für den Anleger ergeben sich daraus folgende Zahlungsströme: 1 Realkupon (1) 2% Inflationsrate (2) 2,00 % Indexierter Nominalwert (3) 102,00 % Kuponzahlung (4) = (1)(3) 2,04 % 2 2% 2,50 % 104,55 % 2,09 % 3 2% 1,75 % 106,38 % 2,13 % 4 2% 1,50 % 107,98 % 2,16 % 5 2% 2,75 % 110,94 % 2,22 % Jahr Rückzahlung (5) 110,94 % Tabelle 1: Zahlungsströme einer kapitalindexierten Inflationsanleihe. In Anlehnung an: Deacon/Derry/Mirfendereski (2004), S. 18. Im Beispiel werden die Zahlungsströme einer fünfjährigen kapitalindexierten Anleihe betrachtet. Hierfür werden unterschiedliche Inflationsraten zwischen 1,5 % und 2,75 % und ein vorab vereinbarter Realkupon von 2 % angenommen. Die jährlichen Kuponzahlungen ergeben sich aus dem Realkupon multipliziert mit dem jeweiligen indexierten Nominalwert. Die Rückzahlung erfolgt mit dem indexierten Nominalwert am Ende der Laufzeit. Das Beispiel zeigt, dass der Großteil der durch die Inflationsbereinigung entstandenen Ausgleichszahlungen am Laufzeitende bei Rückzahlung erfolgt. Im Gegensatz zu kapitalindexierten Anleihen erfolgt bei kuponindexierten Anleihen (Interest Indexed Bonds) der Ausgleich des Kaufkraftverlustes, indem jährlich neben dem garantierten Zinssatz eine Prämie in Höhe der jährlichen Inflationsrate ausgezahlt wird. Folglich findet der Inflationsausgleich nur über die Kuponzahlung statt. Die Tilgung beträgt, wie für konventionelle Anleihen, 100 % des Nominalwertes.1 Die Berechnung der Kuponzahlungen kann wie folgt dargestellt werden: (5) Das r steht für den Realzinssatz und Pt bzw. Pt-1 für den Verbraucherpreisindex zum Zeitpunkt t bzw. t-1.2 1 2 Vgl. Deacon/Derry/Mirfendereski (2004), S. 18. Vgl. Deacon/Derry/Mirfendereski (2004), S. 23. Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 11 Angewandt auf das obige Beispiel ergeben sich folgende Zahlungsströme: 1 Realkupon (1) 2,00 % Inflationsrate (2) 2,00 % Kuponzahlung (3) = (1) + (2) 4,00 % 2 2,00 % 2,50 % 4,50 % 3 2,00 % 1,75 % 3,75 % 4 2,00 % 1,50 % 3,50 % 5 2,00 % 2,75 % 4,75 % Jahr Rückzahlung (4) 100,00 % Tabelle 2: Zahlungsströme einer kuponindexierten Inflationsanleihe. In Anlehnung an: Deacon/Derry/Mirfendereski (2004), S. 19. Im Beispiel werden die Zahlungsströme einer fünfjährigen kapitalindexierten Anleihe betrachtet. Hierfür werden unterschiedliche Inflationsraten zwischen 1,5 % und 2,75 % und ein vorab vereinbarter Realkupon von 2 % angenommen. Zum Realkupon wird jährlich die Höhe der Inflationsrate addiert. Die Rückzahlung wird nicht inflationsbereinigt. Die Struktur der Cashflows verdeutlicht, dass bei der kuponindexierten Anleihe der Inflationsausgleich während der Laufzeit durch die Kuponzahlungen erfolgt. Der frühere Rückzahlungsschwerpunkt kuponindexierter Anleihen ist für Investoren mit einem im Vergleich zu kapitalindexierten Anleihen höheren Reinvestitionsrisiko bei gleichzeitig reduziertem Kreditrisiko verbunden. Hinzu kommt, dass die Kuponzahlungen dieser Anleihen in Abhängigkeit von der spezifischen Inflationsentwicklung volatiler als bei kapitalindexierten Anleihen sein können. Letztlich bieten kapitalindexierte Anleihen den besseren Inflationsschutz.1 Der Current Pay Bond ist der kuponindexierten Anleihe sehr ähnlich. Der Rückzahlungsbetrag wird nicht inflationsbereinigt. Der Inflationsausgleich bezogen auf den Nominalwert der Anleihe wird jährlich über die Kuponzahlung beglichen. Der einzige Unterschied liegt darin, dass der festgelegte Zins ebenfalls an den Verbraucherpreisindex gekoppelt ist.2 Die gesamte jährliche Kuponzahlung berechnet sich somit wie folgt: (6) 1 2 Vgl. Wilkens/Wimschulte (2006), S. 574. Vgl. Deacon/Derry/Mirfendereski (2004), S. 19-20. Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 12 Wobei r für den Realzinssatz und Pt bzw. Pt-1 für den Verbraucherpreisindex zum Zeitpunkt t bzw. t-1 steht.1 Der Indexed Annuity Bond unterscheidet sich von den bisher vorgestellten inflationsindexierten Anleihen. Die jährliche Zahlung teilt sich in eine konstante Annuität und eine variable Komponente auf, die den Inflationsausgleich sicherstellt. Die Annuität setzt sich aus dem Zins- und Rückzahlungsbetrag zusammen.2 Die jährlich an die Inflation angepasste Auszahlung kann wie folgt dargestellt werden: (7) Die jährliche Zahlung ergibt sich somit aus der Annuität A multipliziert mit der Indexratio, die sich aus dem Verbraucherpreisindex zum Zeitpunkt t (Pt) dividiert durch den Verbraucherpreisindex zum Zeitpunkt 0 (P0) ergibt.3 Der Indexed Zero-Coupon Bond beinhaltet keinen jährlichen Zinskupon. Die Rückzahlung erfolgt in Höhe des inflationsbereinigten Nennwertes.4 Der Ausgabepreis von Nullkuponanleihen wird mit einem Diskontabschlag, der Zins und Zinseszins enthält, ermittelt.5 Berechnen lässt sich der Rückzahlungsbetrag wie folgt: (8) PT und P0 bezeichnen den jeweiligen Verbraucherpreisindex zum Laufzeitende T bzw. zum Laufzeitbeginn 0 der Anleihe.6 2.3 Der Markt für inflationsindexierte Anleihen Durch die Einführung von inflationsindexierten Anleihen wurde eine Lücke am Kapitalmarkt geschlossen. Inflationsschutz von Geldanlagen war in dieser Form 1 Vgl. Deacon/Derry/Mirfendereski (2004), S. 23. Vgl. Deacon/Derry/Mirfendereski (2004), S. 21. 3 Vgl. Deacon/Derry/Mirfendereski (2004), S. 23. 4 Vgl. Deacon/Derry/Mirfendereski (2004), S. 22. 5 Vgl. Perridon/Steiner (2007), S. 400. 6 Vgl. Deacon/Derry/Mirfendereski (2004), S. 23. 2 Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 13 zuvor nur unvollständig möglich.1 Synonyme Begriffe für diese Wertpapiere sind unter anderem inflationsgeschützte Anleihen, inflationsgebundene Anleihen, Realzinsanleihen, Inflationsanleihen und Inflation-Linked-Bonds (ILB).2 Die Zahlungsströme einer inflationsindexierten Anleihe werden an einen festgelegten Verbraucherpreisindex gekoppelt.3 Die Idee, die Verzinsung von Schuldverschreibungen an Preisindizes zu koppeln, ist relativ alt. Schon 1742 emittierte der Staat Massachusetts Geldmarktpapiere, die an den Silberkurs der Londoner Börse gekoppelt waren. Im Gegensatz dazu ist der Markt speziell für inflationsindexierte Anleihen sehr jung. inflationsindexierter Staaten Anleihen. sind Unter bei Weitem den großen die größten Schuldner Industrieländern war Großbritannien 1981 das erste Land, das inflationsindexierte Anleihen emittierte. Es folgten weitere Industrieländer wie Australien (1985), Kanada (1991), Schweden (1994), USA (1997), Frankreich (1998), Italien (2003) und Japan (2004).4 Im März 2006 hat die Bundesrepublik Deutschland erstmalig inflationsindexierte Anleihen aufgelegt.5 Inflationsindexierte Wertpapiere des deutschen Staates machten Ende des Jahres 2010 3,4 % der gesamten Staatsverschuldung aus.6 Bevor inflationsindexierte Anleihen von Industrieländern emittiert wurden, haben bereits einige Schwellenländer diese Anlageform aufgelegt, da die Anleger kein Vertrauen in die Geldwertstabilität der Länder hatten. Unter anderem waren dies Brasilien (1964), Chile (1966), Kolumbien (1967) und Argentinien (1972).7 Die gesamte Marktkapitalisierung für inflationsindexierte Anleihen lag 1997 noch bei 100 Milliarden US-$. Mittlerweile liegt diese bei über 1.800 Milliarden US-$. Eine Wachstumsrate von 23 % zeigt die zunehmende Beliebtheit dieser Produkte. Inflationsanleihen gehören somit zu den am schnellsten wachsenden Anlageklassen der letzten 15 Jahre.8 1 Vgl. Wilkens/Wimschulte (2006), S. 577. Vgl. Douglas (2008), S. 20. 3 Vgl. Feilke/Gürtler/Hibbeln (2007), S. 609. 4 Vgl. Peetz (2005), S. 183. 5 Deutsche Finanzagentur (2009), S. 1. 6 Bundesfinanzministerium (2011), S. 17. 7 Vgl. Brynjolfsson/Faillace (1997), S. 7-8. 8 HSBC (2011), S. 7-8. 2 Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 14 Wie aus Abbildung 1 hervorgeht, weisen die staatlichen Emittenten USA, Großbritannien und Brasilien die höchsten Marktvolumina auf. Abbildung 1: Ausstehende inflationsindexierte Anleihen im Jahr 2011, eigene Darstellung. Quelle der zugrundeliegenden Daten: HSBC (2011), S. 13. Die Abbildung zeigt die zehn staatlichen Emittenten mit den in Summe höchsten ausstehenden inflationsindexierten Anleihen im Jahr 2011. Auch Fondsgesellschaften haben den Markt für inflationsindexierte Anleihen entdeckt und gehören neben Pensionskassen und Versicherungen zu den wichtigsten Abnehmern dieser Produkte.1 In Deutschland sind einige Fonds zugelassen, die in inflationsindexierte Anleihen investieren.2 2.4 Grundsätzliche Analyse von inflationsindexierten Anleihen Bei genauer Analyse zeigt sich, dass die realen Renditen auch bei inflationsindexierten Anleihen einem Risiko ausgesetzt sind. Ein Grund hierfür ist, dass der zugrunde gelegte Verbraucherpreisindex über einen repräsentativen Warenkorb gemessen wird. Eine vollständige Absicherung gegen Preisänderungen wäre nur dann gewährleistet, wenn der individuelle Konsum des Privatanlegers durch diesen Warenkorb tatsächlich abgebildet wird. Aufgrund von inhomogenen Teuerungsraten der im Warenkorb enthaltenen Güter kann die individuelle Inflationsrate bei Abweichungen vom repräsentativen Warenkorb erheblich von der zugrunde gelegten 1 2 Vgl. Letzgus/Warncke (2005), S. 20. Vgl. Roggow (2005), S. 13. Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 15 repräsentativen Inflationsrate abweichen.1 Bei starken Abweichungen wäre der Anleger somit nur unzureichend vor Inflation geschützt. Des Weiteren kann ein vollständiger Inflationsschutz nur sichergestellt werden, wenn alle Zahlungsströme der inflationsindexierten Anleihe unmittelbar bei Zahlung an den aktuellen Stand des Preisniveaus angepasst werden.2 Eine perfekte Indexierung ist jedoch nicht erreichbar, da stets ein Time Lag (Indexation Lag3), also eine zeitliche Verzögerung zwischen dem Stichtag des zugrundeliegenden Preisindexes und dem Termin der Kuponzahlung, vorliegt. Ein Time Lag ist unvermeidlich, da es eine gewisse Zeit benötigt, die notwendigen Daten zu beschaffen, um auf dieser Basis die Inflationsrate zu ermitteln und diese zu veröffentlichen. Durch den zeitlichen Abstand zwischen Veröffentlichungstermin und Kuponzahlung entsteht eine zusätzliche Verzögerung. In der Regel beinträchtigen die genannten Risiken den Inflationsschutz von inflationsindexierten Anleihen aber nicht entscheidend.4 Bisher wurde ausschließlich der Schutz vor Inflation betrachtet. Je nach Emittent bzw. Ausgestaltung der Anleihe kann es im Falle einer Deflation durch die Indexierung zu einer Reduktion der Cash Flows kommen. Beispielsweise bieten inflationsindexierte Staatsanleihen aus Großbritannien keinen Deflationsschutz. Im Gegensatz dazu ist der Rückzahlungsbetrag inflationsindexierter Anleihen des deutschen Staates sowie der USA vor einer Deflation geschützt. Dies bedeutet, dass im Falle einer Deflation das Kapital des Anlegers mit der Nominalwertuntergrenze von 100 % abgesichert ist. Die Kupons sind jedoch nicht gegen Deflation geschützt.5 Inflationsindexierte Anleihen sind wie konventionelle Bonds von Marktzinsrisiken betroffen. Im Wesentlichen ist dies für Anleger von Bedeutung, die eine Veräußerung des Bonds vor Fälligkeitstermin nicht ausschließen. Jedoch ist der Marktwert von kapitalindexierten Anleihen im Gegensatz zu traditionellen Anleihen c.p. stärker von Änderungen des realen Marktzinssatzes betroffen. Die größere Zinsreagibilität von kapitalindexierten Anleihen ist im Wesentlichen auf die zeitliche Verschiebung des Schwerpunkts der Zahlungsströme zurückzuführen. Auf der anderen Seite fallen Marktwertänderungen bedingt durch Änderungen der 1 Vgl. Feilke/Gürtler/Hibbeln (2007), S. 611-612. Vgl. Deacon/Derry/Mirfendereski (2004), S. 26. 3 Vgl. Deacon/Derry/Mirfendereski (2004), S. 26. 4 Vgl. Feilke/Gürtler/Hibbeln (2007), S. 612. 5 Vgl. Roggow (2005), S. 8. 2 Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 16 Inflationserwartung bei inflationsindexierten Anleihen geringer aus. Durch die Überlagerung beider Effekte sind inflationsindexierte Anleihen im Vergleich zu traditionellen Bonds nicht zwingend einem insgesamt höheren Marktpreisrisiko ausgesetzt.1 Anleger, die auf die laufenden Erträge aus der Kapitalanlage angewiesen sind, haben insbesondere bei kapitalindexierten Anleihen einen Nachteil im Vergleich zu konventionellen Anleihen. Dies ergibt sich daraus, dass kapitalindexierte Anleihen durch niedrigere laufende Kupons geringere Cashflows während des Anlagezeitraums generieren. Die Rückzahlung fällt dafür wesentlich höher aus.2 Zusätzlich werden inflationsindexierte Anleihen schwerpunktmäßig von Buy-andHold-Investoren gekauft. Dies hat zur Folge, dass die Marktliquidität dieser Anleihen im Vergleich zu klassischen Anleihen geringer ist.3 2.5 Break-Even-Inflationsrate Zieht der renditeorientierte Investor aufgrund des Inflationsschutzes und nach Abschätzung der Risiken eine Anlage in eine inflationsindexierte Anleihe in Erwägung, stellt sich die Frage, ab welcher Höhe der zukünftigen Inflation eine Investition in eine inflationsindexierte Anleihe gegenüber einer klassischen Anleihe lohnenswerter ist. Diese Frage kann über die Break-Even-Inflationsrate beantwortet werden. Aus den Börsenkursen einer herkömmlichen Anleihe und einer inflationsindexierten Anleihe gleicher Laufzeit lässt sich eine Renditedifferenz berechnen, welche auch die Europäische Zentralbank heranzieht, um die Inflationswartungen zu messen.4 Dieser Spread wird als Break-Even-Inflationsrate bezeichnet und liefert Informationen über die von den Marktteilnehmern durchschnittlich erwartete Inflationsrate bis zum Fälligkeitstermin der Inflationsanleihe.5 1 Vgl. Schulz/Seidenspinner (2005), S. 828. Vgl. Peetz (2005), S. 192. 3 Vgl. Peetz (2005), S. 192. 4 Vgl. Rüppel (2005), S. 1. 5 Vgl. Garcia/Van Rixtel (2007), S. 23-24. 2 Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 17 Berechnet wird die Break-Even-Inflationsrate BEI nach folgender Formel: (9) RnNA bezeichnet die Nominalrendite einer Nominalanleihe und RrRA die Realrendite einer Inflationsanleihe.1 Zusammenfassend gibt die Break-Even-Inflationsrate genau das Inflationsniveau wider, bei dem eine klassische Anleihe den gleichen Ertrag erzielt wie eine inflationsindexierte Anleihe. Eine Investition in eine inflationsindexierte Anleihe lohnt sich demnach immer dann, wenn die tatsächliche Inflation den Wert dieser Schwelle übersteigt.2 1 2 Vgl. Peetz (2005), S. 189. Vgl. Roggow (2005), S. 7-8. Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 18 3. Inflationsindexierte Anleihe versus Bundesanleihe – Eine empirische Analyse In Kapitel 2 wurde ein grundlegendes Verständnis über die Wirkung von Inflation auf die Geldanlage und die Funktionsweise inflationsindexierter Anleihen geschaffen. Im Weiteren wird die Wertentwicklung einer Investition in jeweils eine inflationsindexierte und eine klassische Staatsanleihe der Bundesrepublik Deutschland in einer ex post Betrachtung verglichen. Ein solcher Vergleich ermöglicht selbstverständlich keine allgemeingültigen Aussagen über die ex ante Vorteilhaftigkeit der beiden Anleiheformen. Er vermittelt aber ein tiefergehendes Verständnis für die beiden Anleiheformen. Dieses ergibt sich insbesondere durch die Analyse der Wertentwicklungen über die Zeit, indem der Zusammenhang zwischen den preisbildenden Faktoren und der Wertentwicklungen herausgearbeitet werden. 3.1 Methodik der empirischen Gegenüberstellung Um feststellen zu können, welche Anleihe über den Untersuchungzeitraum einen größeren Wertzuwachs generieren konnte, wird gedanklich ein identischer Betrag in beide Anlageformen investiert. Darüer hinaus wird unterstellt, dass zwischenzeitliche Kuponauszahlungen unmittelbar in die gleiche Anleihe reinvestiert werden. Betrachtet wird im Wesentlichen die prozentuale Wertveränderung zwischen dem Anfangszeitpunkt 0 und späteren Zeitpunkten t, also die diskrete Rendite des Gesamtzeitraums r0,t : (10) I0 bezeichnet den ursprünglichen Anlagebetrag und It den Wert der Anlage zu einem späteren Zeitpunkt. Sowohl bei klassischen als auch bei inflationsindexierten Anleihen fallen jährliche Kuponzahlungen an. Der faire Wert des Anlagebetrags kann somit zwischen den Zinsterminen nicht allein anhand des Börsenkurses (Clean Price) ermittelt werden, sondern es ist der Dirty Price zu berücksichtigen. Dieser ergibt sich aus dem Börsenkurs einschließlich der aufgelaufenen Stückzinsen: Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 19 (11) K bezeichnet den jährlich anfallenden Kupon. Aufgrund der Zinskonvention deutscher Staatsanleihen (Actual/Actual) müssen Zinsen, die für einen unterjährigen Zeitraum gezahlt werden, auf Grundlage der tatsächlich verstrichenen Tage des Zinsberechnungszeitraums ermittelt werden.1 Die Tage, die seit der letzten Kuponzahlung verstrichen sind, werden mit d bezeichnet und die tatsächliche Anzahl der Tage des Jahres mit D. Bei inflationsindexierten Anleihen werden die Kuponzahlungen und der Nominalwert am Laufzeitende inflationsbereinigt.. Eine Marktwertbestimmung erfordert demnach sowohl eine Inflationsanpassung der Kuponzahlungen als auch des Clean Price. Dies geschieht durch Multiplikation mit der für t gültigen Indexverhältniszahl IVZ: (12) Die Indexverhältniszahl zum Zeitpunkt t repräsentiert das Verhältnis der seit Emission kumulierten Inflationsrate zu dem bei Emission gültigen Basisindex. Der zugrundeliegende harmonisierte Verbraucherpreisindex wird nur monatlich veröffentlicht. Aus diesem Grund wird die tägliche Indexverhältniszahl mittels linearer Interpolation bestimmt: (13) HVPIM-3 ist der Stand des Indexes des dritten Monats vor dem Monat, in dem der gewünschte Beobachtungstag t liegt. HVPIM-2 ist entsprechend der zweite Monat davor. dtM ist die tatsächliche Anzahl der Tage des Monats, in den der Beobachtungstag fällt, vom ersten Tag des Monats bis zum Beobachtungstag. DM ist die tatsächliche Anzahl der Tage des Monats, in den der Beobachtungstag fällt.2 Mit Hilfe des Dirty Price kann der Marktwert des Investments VP zum Zeitpunkt t in die inflationsindexierte beziehungsweise klassische Anleihe berechnet werden: 1 2 Vgl. Bundesministerium der Finanzen (2007), S. 2. Vgl. Bundesministerium der Finanzen (2009), S. 4. Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 20 (14) Unter Anwendung der beschriebenen Methoden kann beurteilt werden, welche der beiden Anleiheformen in der Vergangenheit höhere Renditen erzielte. 3.2 Empirische Gegenüberstellung Diese empirische Analyse ermöglicht einen strukturierten ex post Renditevergleich beider Anleiheformen seit der Erstemission inflationsindexierter Anleihen der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 2006. Hierfür wird die Wertentwicklung einer Investition in eine inflationsindexierte Anleihe mit einer Investition gleicher Höhe in eine klassische Bundesanleihe verglichen. Kuponzahlungen während der Laufzeit werden reinvestiert. Anhand dieser ex post Gegenüberstellung der Wertverläufe der Investments können zwar keine allgemeingültigen Aussagen bezüglich ex ante Vorteilhaftigkeit der Anleiheformen getroffen werden. Sie sind aber geeignet, die Funktionsweise der beiden Anleiheformen und die Abhängigkeit von den preisbildenden Faktoren anschaulich herauszuarbeiten. Paarweise Gegenüberstellung Untersuchungszeitraum ILB 10 (15.04.2016) Bund 10 (04.07.2016) 17.05.2006 – 31.10.2011 ILB 10 (15.04.2020) Bund 10 (04.07.2020) 28.04.2009 – 31.10.2011 ILB 5 (15.04.2013) Bobl S153 (11.10.2013) 24.09.2008 – 31.10.2011 ILB 7 (15.04.2018) Bobl S159 (26.02.2016) 13.04.2011 – 31.10.2011 Tabelle 3: Übersicht über die verglichenen Bonds. ILB bezeichnet ein inflationsindexiertes Wertpapier. Die darauf folgende Zahl ist die Laufzeit des Bonds und das Datum in Klammern der Tag der Fälligkeit. Bund steht für Bundesanleihe und Bobl für Bundesobligation. Der Beginn des Untersuchungszeitraums ist der erste Tag, für den für beide Wertpapiere Kursdaten vorhanden sind. Die Berechnung der Wertentwicklung der Zinstitel erfolgte auf Basis der in Abschnitt 3.1. beschriebenen Methoden. Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 21 Folgende Abbildung zeigt den kumulierten prozentualen Wertzuwachs der untersuchten Wertpapiere über den kompletten Beobachtungszeitraum. Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 22 40% 35% 30% 25% 20% 15% 10% 5% 0% Mai 06 ‐5% Mai 07 Mai 08 r_ILB 10 (2016) Mai 09 Mai 10 Mai 11 Mai 10 Mai 11 Mai 10 Mai 11 Mai 10 Mai 11 r_Bund 10 (2016) 40% 35% 30% 25% 20% 15% 10% 5% 0% Mai 06 ‐5% Mai 07 Mai 08 r_ILB 5 (2013) Mai 09 r_Bobl S159 (2013) 40% 35% 30% 25% 20% 15% 10% 5% 0% Mai 06 ‐5% Mai 07 Mai 08 r_ILB 10 (2020) Mai 09 r_Bund 10 (2020) 40% 35% 30% 25% 20% 15% 10% 5% 0% Mai 06 ‐5% Mai 07 Mai 08 r_ILB 7 (2018) Mai 09 r_Bobl S159 (2016) Abbildung 2: Kumulierter Renditeverlauf der untersuchten Bonds, eigene Darstellung. Quelle: Thomson Reuters Datastream. Die Renditecharts zeigen jeweils den Verlauf der kumulierten Renditen der Wertpapiere. Um einen anschaulichen Vergleich der Entwicklungen zu ermöglichen, wurden die Achsen einheitlich skaliert. Der Vergleich der zehnjährigen Anleihen mit Fälligkeit in 2016 ergibt einen Unterschied im kumulierten Wertverlauf beider Anleihen von 6,57 Prozentpunkten Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 23 am Ende des Beobachtungszeitraums. Die durchschnittliche Jahresrendite der klassischen Anleihe beträgt 7,05 Prozent. Im Gegensatz dazu erzielte die inflationsindexierte Anleihe lediglich eine durchschnittliche Jahresrendite von 5,85 Prozent. Bei einer Gegenüberstellung der fünfjährigen inflationsindexierten Anleihe und der entsprechenden klassischen Bundesobligation zeigt sich ein ähnlicher Vorteil der klassischen Bundesobligation. Diese konnte am Ende des Untersuchungszeitraums einen Wertzuwachs von 18,69 % aufweisen. Die inflationsindexierte Anleihe schloss mit einem kumulierten Wertzuwachs von 13,04 % ab, wodurch sich eine Differenz beider Anleihen von 5,92 Prozentpunkten ergibt. Die jährliche Durchschnittsrendite der klassischen beziehungsweise der inflationsindexierten Anleihe betrug 6,12 % beziehungsweise 4,21 Prozent. Im Gegensatz zu den vorherigen Vergleichspaaren zeigt sich bei den erst kürzlich aufgelegten zehnjährigen Anleihen ein Vorteil der inflationsindexierten Anleihe. Über den gesamten Untersuchungszeitraum wuchs die Investition in die inflationsindexierte Anleihe um 13,93 % an. Das Investment in die klassische Anleihe konnte bei diesem Vergleich lediglich einen Wertzuwachs von 10,54 % aufweisen. Die Differenz der kumulierten Wertänderungen beträgt 3,39 Prozentpunkte. Dementsprechend hatte die inflationsindexierte Anleihe einen durchschnittlichen jährlichen Wertzuwachs von 9,25 Prozent. Die klassische Anleihe wuchs in einem Jahr durchschnittlich um 6,99 % an. Das gleiche Bild zeigt sich bei der Betrachtung des letzten Vergleichs. Am Ende des Beobachtungszeitraums ist die Investition in die inflationsindexierte Anleihe um 9,08 % angestiegen. Die Investition in die klassische Anleihe konnte am Ende des Untersuchungszeitraums 8,93 % mehr Wert aufweisen. 3.3 Analyse der Wertentwicklungen Im vorangegangen Abschnitt wurde die Entwicklung der Wertverläufe dargestellt. Eine Analyse der preisbestimmenden Faktoren der Anleihen erklärt im Weiteren den Verlauf der Wertentwicklungen. Der wesentliche preisbildende Faktor für klassische Staatsanleihen ist die Entwicklung des Marktzinsniveaus. Die Kurse der Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 24 inflationsindexierten Anleihen werden im Wesentlichen von den realen Markt- zinssätzen beeinflusst. Zunächst wird die Entwicklung des Marktzinsniveaus dargestellt. Anhand dieser können die Kursentwicklungen klassischer Anleihen zum Teil erklärt werden. Abbildung 3: Marktzinsniveau, eigene Darstellung. Quelle: Deutsche Bundesbank. Die Abbildung zeigt die Entwicklung des Marktzinsniveaus während des Untersuchungszeitraums. Es werden die Zinsstrukturkurven börsennotierter Bundeswertpapiere mit einer Restlaufzeit von 2, 5 und 10 Jahren dargestellt. Die Abbildung 3 zeigt, dass das Marktzinsniveau für alle dargestellten Restlaufzeiten seit Mai 2008 einen negativen Trend aufweist. Ein besonders starker Abfall ist im September 2008 und den Folgemonaten zu erkennen. Dies kann in den Zusammenhang mit der Insolvenz der Investmentbank Lehman Brothers gebracht werden. Diese stellte den Höhepunkt der Finanzmarktkrise dar. In den Folgemonaten ist die Weltwirtschaft eingebrochen. Um einem damit verbundenen Kaufkraftverlust entgegenzuwirken, senkten Zentralbanken weltweit die Leitzinsen. Die Marktzinsänderungen betreffen insbesondere klassische Anleihen. Folgende Abbildung zeigt exemplarisch die Entwicklung der Börsenkurse für die in 2016 fällige Anleihe. Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 25 Abbildung 4: Entwicklung der Börsenkurse, eigene Darstellung. Quelle: Thomson Reuters Datastream. Die Abbildung zeigt den Verlauf der Börsenkurse der zehnjährigen inflationsindexierten und klassischen Anleihe mit Fälligkeit in 2016. Vergleicht man den Verlauf des Marktzinses für börsennotierte Bundeswertpapiere mit einer Restlaufzeit von 10 Jahren und die Entwicklungen des Börsenkurses der in 2016 fälligen zehnjährigen Anleihe, kann man erkennen, dass sich diese konträr entwickelt haben. Das kann damit erklärt werden, dass das Abfallen der Marktzinsen zu einer zunehmenden Barwertberechnung lässt Attraktivität sich das der Anleihen folgendermaßen führt. erklären. Anhand der Zukünftige Zahlungsströme der Anleihe werden mit einem geringeren Zinssatz diskontiert, das führt zu einem höheren Kurs. Der Einflussfaktor auf die Preisbildung von inflationsindexierten Anleihen wird von der Höhe der realen Marktzinsen beeinflusst. Anhand der Schwankungen des Börsenkurses der in 2016 fälligen inflationsindexierten Anleihe lassen sich Schwankungen des realen Marktzinsniveaus während des Untersuchungszeitraums implizieren. Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 26 Abbildung 5: Entwicklung Börsenkurs inflationsindexierte Anleihe, eigene Darstellung Quelle: Thomson Reuters Data Stream. Die Abbildung zeigt den Verlauf des Börsenkurses der zehnjährigen inflationsindexierten Anleihe mit Fälligkeit in 2016. Die Differenz der Wertentwicklungen der beiden Investments ergibt sich aus den Abweichungen der Break-Even-Inflationsrate zwischen den zu Beginn der Investments eingepreisten Inflationserwartungen und den Inflationserwartungen zu einem späteren Zeitpunkt. Anhand der untersuchten Bundesanleihen mit Fälligkeit in 2016 wurden daher für die jeweils verbleibende Restlaufzeit der Anleihen folgende Inflationserwartungen in Form der Break-Even-Inflationsrate exemplarisch berechnet. Abbildung 6: Inflationserwartungen bis 2016, eigene Darstellung. Diese Abbildung zeigt die Inflationserwartungen, die unter zu Hilfenahme der in 2016 fälligen inflationsindexierten und klassischen Bundesanleihe errechnet wurden. Im Zeitverlauf der Untersuchung zeigt sich, dass die erwartete Inflationsrate nur im Jahr 2008 über die zum Zeitpunkt der bei Investition eingepreisten Inflationsrate gestiegen ist. Zu diesem Zeitpunkt konnte die Investition in die inflationsindexierte Anleihe einen höheren Wertzuwachs verzeichnen, als die klassische Anleihe. In allen anderen Jahren lagen die Inflationserwartungen unter den Erwartungen zum Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 27 Investitionszeitpunkt. Dementsprechend konnte die klassische Anleihe in diesen Phasen höhere Wertzuwächse verzeichnen. Zusätzlich zu den erwarteten Inflationsraten, stellt die tatsächliche Inflationsrate ex post eine Einfluss auf den Wertverlauf der beiden Investitionen dar. Abbildung 7: Jährliche Inflationsraten, eigene Darstellung. Quelle: Statistisches Bundesamt Deutschland. Die Abbildung zeigt die jährlichen Inflationsraten der Jahre 2006 bis 2011. Übersteigt die beobachtete Inflationsrate die zum Zeitpunkt der Investition antizipierte Inflationsrate, hat das aufgrund der Indexierung zunächst keine Auswirkungen auf die Erträge einer inflationsindexierten Anleihe. Die Zahlungsströme einer klassischen Anleihe sind jedoch real weniger Wert, umso höher die Inflationsrate die Erwartungen übersteigt. Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 28 4. Extremszenarien und ihre Auswirkungen Auf Grund der geringen Anzahl inflationsindexierter Anleihen auf dem deutschen Markt konnte zwar im bisherigen Verlauf dieser Arbeit die Wertentwicklung der Anleihen für das historische Szenarium analysiert werden, jedoch ist diese Analyse nicht ausreichend, um eine Anlageempfehlung für die Zukunft zu geben. Gerade im Hinblick auf die Entwicklungen im Kontext der Nachwirkungen der Finanzmarktkrise und der aktuellen Staatsschuldenkrise ist es zwingend notwendig, zu untersuchen, wie sich inflationsindexierte und klassische Anleihen in Szenarien verhalten, die vom historischen Normalszenarium abweichen. Hierzu wurden aus dem Kontext der oben genannten Krisen die vier denkbaren Szenarien finanzielle Repression, Hyperinflation, Währungsschnitt und Staatsbankrott abgeleitet. Im Folgenden werden diese vier Extremszenarien dargestellt und in ihrer Wirkung auf die beiden Anleiheformen analysiert. Mit Hilfe dieser Untersuchung wird festgestellt, ob in Bezug auf das jeweilige Szenarium eine Anlage in inflationsindexierte oder in klassische Anleihen für Privatanleger geeigneter ist. Jedes Szenarium wird beschrieben und anhand von historischen Vergleichsfällen begründet. Im Anschluss wird die Relevanz des jeweiligen Szenariums für Deutschland verifiziert. Auf dieser Basis werden mit Hilfe der Auswirkungen, die sich in den jeweiligen Szenarien auf Inflation und Zinsen ergeben, durch eine Analyse der Einflussfaktoren die Wirkungen auf die beiden Typen von Staatsanleihen abgeleitet. 4.1 Finanzielle Repression Mit diesem Szenarium erfassen wir die Situation, in der der Staat durch seine Gesetzgebung auf das Zinsniveau Einfluss nimmt. Vor allem im Zusammenspiel mit Inflation wird hierdurch bewirkt, dass der Staat seine reale Schuldenlast reduziert. Von den Auswirkungen dieser Handlungen des Staates sind Anleger sowohl in inflationsindexierten als auch in klassischen Anleihen betroffen. Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 29 4.1.1 Aufbau des Szenarios Der Ausdruck der finanziellen Repression wurde 1973 von Shaw und McKinnon1 eingeführt und beschreibt eine Möglichkeit des Schuldenabbaus, die hauptsächlich vor der Liberalisierung der Märkte in den 80er Jahren stattgefunden hat. Das Hauptziel der finanziellen Repression besteht laut Reinhart und Sbrancia (2011) darin, Nominalzinsen niedrig zu halten. Diese Maßnahme hilft Staaten, sich günstig zu refinanzieren. Besonders wirksam wird die finanzielle Repression, wenn sie zusammen mit Inflation auftritt, wodurch bestehende Schulden des Staates real reduziert werden.2 Die Kapitalaufnahme des Bundes erfolgt beinahe ausschließlich über die Ausgabe von Wertpapieren.3 Rückzahlungen von Schuldverschreibungen werden als Folge der Inflation real weniger Wert haben. Außerdem ermöglicht die finanzielle Repression eine Finanzierung zu günstigen Zinsen. Auf diese Weise wird Geld von den Privatanlegern zum Staat transferiert.4 Während der Staat seine Schulden signifikant reduziert, wird die Last von privaten Anlegern, die in Wertpapiere des Staates investiert haben, getragen. Bei Schuldenabbau durch finanzielle Repression stellt die Begrenzung von Habenzinsen ein zentrales Element dar.5 In den USA wurde bspw. erst im Juli 2011 beschlossen, die Regulation Q außer Kraft zu setzen, die es Banken verbietet, Zinsen auf Sichteinlagen zu zahlen.6 Wenn in einem gesetzgeberischen Akt die Höhe der Zinsen beschränkt sind, werden die Bürger automatisch zum Kauf von Staatsanleihen verleitet, die einen höheren Zins zahlen als dem Anleger bei Banken gewährt werden kann, aber dennoch mündelsicher sind. Auch wenn der Begriff der Mündelsicherheit im Gesetz nicht definiert ist, erwecken die Vorschriften7 dennoch den Eindruck der unbegrenzten Zahlungsfähigkeit des Staates.8 Dass dieser Schein möglicherweise trügt, wird im Absatz 4.4 näher betrachtet. 1 siehe im Einzelnen Shaw (1973) und McKinnon (1973). Vgl. Reinhart/Sbrancia (2011), S. 19-21. 3 Vgl. Bundesministerium der Finanzen (2010), S. 17. 4 Vgl. Reinhart/Sbrancia (2011), S. 19. 5 Vgl. Reinhart/Sbrancia (2011), S. 9. 6 Vgl. Board of Governors of the Federal Reserve System (2011). 7 § 1807 Abs. 1 Nr. 2-5 BGB. 8 Vgl. Lewinski (2010), S. 1. 2 Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 30 Selbst wenn man davon ausgeht, dass Staatsanleihen in jedem Fall den Nominalwert zurückzahlen, werden Anleger in Zeiten der finanziellen Repression negative Renditen erzielen. Die negativen Renditen ergeben sich durch eine Inflation, die größer ist als die nominale Rendite von Staatsanleihen. Diese auch als angelsächsische Inflation bezeichnete Form der schleichenden Enteignung1 trug besonders im englischsprachigen Raum in großem Ausmaß zum Abbau der Staatsverschuldung bei. In dem Zeitraum von 1945 bis 1980 war die reale Rendite in den USA in 25 % der Fälle negativ, während in Großbritannien sogar in 47,8 % dieser Jahre eine negative Rendite erzielt wurde. Die Rendite war mit einem Durchschnitt von -3,5 % (USA) und -3,8 % (GB)2 in den Jahren negativer Rendite deutlich kleiner als null, was dennoch keine Entrüstung in der Bevölkerung mit sich brachte. Genau dieser Mangel an Transparenz3 macht die finanzielle Repression zu einem bei Politikern beliebten Instrument. Im Gegensatz zu Budgetkürzungen und Steuererhöhungen werden Maßnahmen der finanziellen Repression deutlich weniger kontrovers von Bürgern betrachtet.4 Durch nominal steigende Löhne, Umsätze und Gewinne, wird ein Gefühl des Aufschwungs vermittelt. Dieser psychologische Effekt kann sogar positiv zu einem Aufschwung beitragen. 4.1.2 Relevanz und Auswirkungen Es ist abzuwägen, ob diese schleichende Enteignung auch in Deutschland einen effizienten Weg des Schuldenabbaus darstellen könnte. In der aktuellen Debatte gibt es immer lauter werdende Forderungen nach strengen Regulierungen der Finanzmärkte.5 Der Grat zwischen enger Regulierung und finanzieller Repression ist mitunter schmal. Somit ist es denkbar, dass den gleichen Maßnahmen lediglich ein anderer in der aktuellen Situation populärer Name gegeben wird – bspw. „die vernünftige Regulierung“. Die Zinshöhe wird in Deutschland ganz maßgeblich durch die unabhängige Zentralbank beeinflusst. Werden gewisse Grenzen oder Korridore für Zinsen gesetzlich vorgeschrieben, liegt genauso ein Eingriff in die unabhängige Zinsfindung 1 Vgl. Wiebe (2011), S. 56. Vgl. Reinhart/Sbrancia (2011), S. 34. 3 Vgl. Reinhart/Sbrancia (2011), S. 12. 4 Vgl. Mather (2011). 5 siehe Pronold (2011) und Dreibus (2011). 2 Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 31 vor wie bei der Verstaatlichung von Banken. Sehr strenge Eintrittsbeschränkungen in den Finanzmarkt und gezielten Kreditvergabe an bestimmte Branchen stellen auch Erscheinungen der finanziellen Repression dar.1 Die finanzielle Repression hat insbesondere vor den 80er Jahren stattgefunden. Seit dieser Zeit hat eine Liberalisierung der Märkte stattgefunden und Zinsen wurden nicht mehr zentral festgesetzt. Heutzutage ist es dennoch nicht undenkbar, diese exemplarisch betrachteten Maßnahmen zur Beschränkung von Zinsen zur Förderung der finanziellen Repression durchzuführen. Einschränkend muss man bemerken, dass die Anlagemöglichkeiten sich heute im Gegensatz zu denen zwischen 1945 und 1980 maßgeblich erweitert haben. Je mehr Varianten der Geldanlage zur Verfügung stehen, umso weniger Auswirkungen hat eine Beschränkung der Zinsen auf Sichteinlagen und Sparbücher. Anleger würden bei solchen Maßnahmen nicht mehr unbedingt in Staatsanleihen investieren. Der Effekt würde vermutlich dadurch abgeschwächt, wäre aber dennoch vorhanden. Ein zentrales Merkmal von finanziell unterdrückten Märkten ist die Entkopplung von Rendite und Risiko. In Europa werden riskante Schuldverschreibungen immer häufiger unter Marktniveau in sogenannte sichere Pensionsfonds eingebracht.2 Das ist ein eindeutiges Indiz dafür, dass der Schuldenabbau durch finanzielle Repression in Deutschland ein realistisches Szenario darstellt. Wenn man von diesem Szenario ausgeht, stellt sich die Frage, welche Auswirkungen es auf die Geldanlage hätte. Im Vergleich zwischen klassischen und inflationsindexierten Wertpapieren, würde sich eine klare Vorteilhaftigkeit der inflationsgeschützten Produkte ergeben. Diese Tatsache lässt sich einfach erklären, da finanzielle Repression immer in Verbindung mit gemäßigter Inflation auftritt, also genau der Zustand, vor dem das inflationsangepasste Produkt schützen soll. Bei klassischen Anleihen würden hingegen real negative Zinsen erzielt werden, da die Inflation den Zins überkompensieren würde. Die niedrigen Zinsen auf dem Geldmarkt, die in Zeiten der finanziellen Repression herrschen, würden zu steigenden Kursen beider Anleihen führen, sofern diese vor Eintritt der Repression, also mit höheren Kupons emittiert worden sind. Bei Ausgabe 1 2 Vgl. Reinhart/Sbrancia (2011), S. 6. Vgl. Reinhart/Sbrancia (2011), S. 46-47. Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 32 während der finanziellen Unterdrückung, würden wiederum beide Anleihen mit sehr niedrigen Kupons ausgestattet werden. Durch die erhöhte Inflation kommt es dennoch zur Vorteilhaftigkeit einer Investition in inflationsindexierte Anleihen. Die beiden zentralen Charakteristika der finanziellen Repression, Inflation und niedrige Zinsen, haben zwar beide Einfluss auf die Bundesanleihen, aber nur die Inflation führt zu einer eindeutigen Vorteilhaftigkeit eines Produktes. Dieser Effekt wird umso deutlicher, je höher die Inflation ansteigt. 4.2 Hyperinflation Mit diesem Szenarium erfassen wir die Situation, dass aufgrund der hohen Staatsverschuldung eine stark steigende Inflation ausgelöst wird. Dies führt das dazu, dass die reale Geldmenge nur noch einen Bruchteil der vorinflationären Menge darstellt. 4.2.1 Aufbau des Szenarios Inflation trägt maßgeblich zum Abbau der Staatsverschuldung bei. Die Gefahr, dass die unschädliche schleichende Inflation in eine galoppierende Inflation ausartet und maßgeblichen Schaden für Haushalte und den Staat anrichtet, ist nicht zu vernachlässigen. Am Anfang einer Inflation steigt die reale Geldmenge Mr = M/P an, da die nominale Geldmenge (M) schneller ansteigt, als der Preisindex (P).1 Die gemäßigte Inflation ist anfangs unproblematisch für die Bevölkerung. Mit fortschreitender Inflation steigt der Preisindex überproportional zur nominalen Geldmenge. Bei Hyperinflation führt das dazu, dass die reale Geldmenge nur noch einen Bruchteil der vorinflationären Menge darstellt. Es gibt keine allgemeingültige Definition für die Einordnung von Inflationen in ein bestimmtes Stadium.2 Ob man eine jährliche Inflation von 20 % nun als trabend3 oder als Beginn einer Inflationskrise4 betitelt, hängt von der Quelle ab. Einigkeit 1 Vgl. Bähr (1994), S. 20. Vgl. Bähr (1994), S. 17. 3 Vgl. Holtfrerich (1980), S. 10. 4 Vgl. Reinhart/Rogoff (2010), S. 4. 2 Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 33 herrscht jedoch dahingehend, dass bei dieser Größenordnung ein freier Fall1 der Inflation droht. Für Hyperinflationen hat sich die Definition von Cagan behauptet, die ab einer Teuerungsrate von 50 % im Monat greift.2 Die Hyperinflation ist seiner Auslegung nach erst dann beendet, wenn die Inflationsgrenze von 50 % für mindestens ein Jahr unterschritten wird.3 Bei geringer Inflation ist die Sensibilität der Bürger nicht hoch genug, als dass Preissteigerungen deutlich wahrgenommen würden. Die Bevölkerung realisiert die Inflation erst, wenn es nicht mehr möglich ist, ihren bis dato üblichen Warenkorb zu erwerben. Die Reaktion auf diese Erkenntnis ist zu großen Teilen von Ängsten getrieben. Da jeder danach strebt, sein real verfügbares Einkommen mindestens konstant zu halten, werden Preise sowohl von Industrie und Einzelhandel, sowie der Dienstleistungsbranche angehoben. Die nominal steigende Geldmenge soll den realen Verlust der einzelnen Akteure kompensieren. In Ländern mit einem progressiven Einkommensteuertarif, wirkt die Steuerlast in inflationären Zeiten stärker als der nominale Geldmengenanstieg. Der Bürger wird also zum Opfer der kalten Progression, was bedeutet, dass sich sein Grenzsteuersatz ausschließlich auf Grund des nominalen Geldmengenanstiegs erhöht. Für den Staat tragen die steigenden Steuereinnahmen zusammen mit der Entwertung der Verbindlichkeiten zur Schuldensanierung bei. Auch wenn Inflation für den Staat im ersten Moment positiv erscheinen mag, muss ihr dringend entgegen gewirkt werden. Das ist zum einen auf Grund der stark negativen Auswirkungen für die Haushalte der Fall, zum anderen beeinflussen extreme Preisanstiege in der Industrie ganz erheblich die Wirtschaftskraft eines Exportlandes wie Deutschland. Daher versucht die Zentralbank Inflation entgegen zu wirken, indem sie den Leitzins erhöht. Wenn eine reine Zinserhöhung keine Erfolgsaussichten mehr hat, muss auf politische Reformen oder einen Währungsschnitt4 zurückgegriffen werden. 1 Vgl. Reinhart/Rogoff (2010), S. 4. Vgl. Cagan (1956), S. 25, Holtfrerich (1980), S. 10 und Bähr (1994), S. 18. 3 Vgl. Cagan (1956), S. 25. 4 siehe Abschnitt 4.3 Währungsschnitt. 2 Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 34 4.2.2 Relevanz und Auswirkungen Ob eine Hyperinflation ein realistisches Szenario für Deutschland darstellt, hängt ganz maßgeblich von der vorherigen Situation ab. Die Teuerungsrate wird nicht über Nacht auf Größenordnungen einer Hyperinflation ansteigen. Wenn allerdings bspw. im Zuge der finanziellen Repression gemäßigte Inflation gefördert wurde und dieser Prozess zu schnell voranschreitet, kann die Rate schnell über das gewünschte Niveau hinausgehen. Reinhart und Rogoff haben über einen Zeitraum von 1800-2006 empirisch untersucht, inwiefern das Risiko besteht, von einer trabenden Inflation in eine Hyperinflation abzurutschen. Hyperinflation wurde ab einer jährlichen Inflation von 500 % unterstellt, da monatliche Aufzeichnungen für frühere Jahre nicht vorhanden sind.1 Land Argentinien Bolivien Brasilien Deutschland Griechenland Nicaragua Österreich Peru Polen Russland Ungarn Beginn der Aufzeichnungen 1800 1937 1800 1800 1834 1938 1800 1800 1800 1854 1924 Anteil der Jahre mit 20 % Inflation 24,6 % 38,6 % 28,0 % 9,7 % 13,3 % 30,4 % 20,8 % 15,5 % 28,0 % 35,7 % 15,7 % Anzahl der Hyperinflationen 4 2 6 2 4 6 2 3 2 8 2 Tabelle 4: Inflationsvergleich von 1800-2006. Eigene Darstellung in Anlehnung an Reinhart/Rogoff (2008), S. 48. Die Tabelle zeigt, in welchen Ländern seit Beginn der Aufzeichnungen Hyperinflation geherrscht hat und in wie viel % der untersuchten Jahre eine Inflation von mindestens 20 % vorlag. Die in Tabelle 4 dargestellten Ergebnisse zeigen für jedes Land, in dem Hyperinflation festgestellt wurde, den prozentualen Anteil der Jahre, in denen eine 20 prozentige Inflation vorlag. Die positive Korrelation zwischen diesem Wert und der Anzahl der Hyperinflationen verdeutlicht, dass die Gefahr von einer trabenden Inflation in Hyperinflation zu verfallen vorhanden ist. Auf Grund der relativ geringen Anzahl der Hyperinflationen aber dennoch als gering eingestuft werden kann. Nichtsdestotrotz stellt es ein mögliches Szenario dar, welches aus politischem Fehlverhalten des ersten Szenarios resultieren könnte. Daher wollen wir unser Ziel 1 Vgl. Reinhart/Rogoff (2008), S. 48. Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 35 verfolgen, die Auswirkungen von Extremszenarien auf die Geldanlage zu überprüfen. Prinzipiell zeichnet sich die Hyperinflation dadurch aus, dass die reale Geldmenge sinkt. Bei Kaufzeitpunkt vor Beginn der Hyperinflation, wird man bei beiden Bonds massive Kurseinbrüche verzeichnen, da das Marktzinsniveau deutlich gestiegen ist. Bei einer klassischen Staatsanleihe, die einen vorher definierten Kupon zahlt, verliert der Anleger real ganz erheblich, weil er in keiner Weise für den überproportionalen Preisanstieg entschädigt wird. Das Nominalkapital des Anlegers bleibt annähernd unverändert, während der reale Wert des Geldes zunehmend an Wert verliert. Von einer rentablen Anlage ist keineswegs zu sprechen, da nicht einmal ein minimaler Kapitalschutz gewährt wird. Im Falle von einer Hyperinflation käme es zu beinahe vollständigem Wertverlust. So betrug die reale Geldmenge 1923 in Deutschland nur noch 3 % des Ausgangswerts vor der Hyperinflation.1 Im Falle einer Anlage in inflationsindexierte Anleihen herrscht eine vollständig andere Situation. Sowohl der Kupon als auch das angelegte Kapital sind vor Inflation geschützt, da beides bei der Auszahlung mit der Indexverhältniszahl2 multipliziert wird. Der nominale Kupon ist gleich dem realen Kupon3, was nicht nur Inflationsschutz bedeutet, sondern gleichzeitig aussagt, dass es auch bei Hyperinflation möglich ist, positive Renditen zu erzielen. Ob dies auch weiterhin der Fall ist, wenn ein Währungsschnitt erwogen werden muss, wird im Folgenden dargestellt. 4.3 Währungsschnitt Mit diesem Szenarium erfassen wir die Situation, in der ein drastischeres Einschreiten des Staates aufgrund extrem stark gestiegener Inflation notwendig wird. Durch den Währungsschnitt kann bspw. einer vorangegangenen Hyperinflation begegnet werden. 1 Vgl. Cagan (1956), S. 26. siehe Formel (13). 3 diese Schlussfolgerung gilt nur, wenn Berechnungsungenauigkeiten in Bezug auf den Zeitraum und die Zusammensetzung des Warenkorbs außer Acht gelassen werden. In der Realität sind nominaler und realer Kupon also nur nahezu gleich. 2 Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 36 4.3.1 Aufbau des Szenarios Berndt (1960) definiert den Währungsschnitt als Möglichkeit eine zurückgestaute oder schnell ansteigende Inflation zu bekämpfen. Diese fiskalpolitische Maßnahme stellt eine besondere Form der Abwertung einer Währung dar. An einem Stichtag wird der Geldwert einer Währung durch einen gesetzgeberischen Akt auf einen neuen Stand gebracht. Wenn bei einem Währungsschnitt alle Geldwerte zu dem gleichen Tauschverhältnis umgewandelt würden, bliebe das monetäre Gleichgewicht bestehen. Wenn sowohl Aktiva als auch Passiva im gleichen Verhältnis getauscht werden wird die Wertsicherung auch in einer neuen Währung gewährleistet. Bei dem Währungsschnitt in Deutschland im Jahre 1948 lassen sich Probleme erkennen welche die theoretisch mögliche Wertsicherung nicht unterstützt haben. Die Unterteilung in vier verschiedene Umtauschverhältnisse1 führte zu einer Ungleichbehandlung unterschiedlicher Vermögenswerte.2 4.3.2 Relevanz und Auswirkungen Die vorherrschende Antwort auf die Frage, ob es in naher Zukunft erneut einen deutschen Währungsschnitt geben könnte, hat sich verändert. In der Bevölkerung nimmt der Glaube an den Euro ab, wie bei William Hill deutlich wird. In diesem führenden britischen Wettbüro, kann man auf die Rückkehr der D-Mark im Jahr 2012 wetten. Die angebotene Quote hat sich innerhalb des letzten Jahres von 10:1 auf 4,5:1 reduziert und wird damit nur noch für etwas unwahrscheinlicher gehalten, als der Sieg der deutschen Nationalmannschaft bei der Fußball Europameisterschaft.3 Ein Währungsschnitt in Deutschland ist in der momentanen Situation Europas also nicht mehr undenkbar. Während sich noch im Mai 2010 die Mehrheit des Bundestages für die Rettung Griechenlands aussprach, gab es im Februar 2012 keine überwiegende Zustimmung der Abgeordneten für ein zweites Rettungspaket.4 Mittlerweile gibt es immer lauter werdende Forderungen für den Ausschluss Griechenlands aus der Eurozone durch 1 detailliertere Informationen der einzelnen Tauschverhältnisse sind für Zwecke dieser Arbeit nicht von Bedeutung. Nähere Informationen s. Bundesministerium der Justiz (1948). 2 Vgl. Berndt (1960), S. 96-98. 3 Vgl. Gburek et al. (2012), S.47. 4 Vgl. o. V. (2012). Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 37 Politik und Wirtschaft.1 Die Verbannung Griechenlands aus dem Währungsverbund würde vermutlich Auswirkungen auf die gesamte Stabilität des Euros haben. Die Rückkehr zu nationalen Währungen soll sogar in Szenarioanalysen einiger Notenbanken Eingang gefunden haben: Im Dezember 2011 machte das USamerikanische Wall Street Journal Schlagzeilen mit der Behauptung dass sich Zentralbanken verschiedener Länder für die Zeit nach dem Euro wappnen würden.2 Demzufolge sucht bspw. Irland nach Möglichkeiten Banknoten in ausreichender Menge drucken zu lassen und die Schweiz macht sich Gedanken darüber, welchen Referenzwert sie für die Stabilität der Schweitzer Franken zu Grunde legen wird, wenn der Euro nicht mehr verfügbar ist. Über Auswirkungen auf die Geldanlage in Staatsanleihen und inflationsindexierte Anleihen in Zeiten eines Währungsschnitts lässt sich auch auf Grund der Schärfe des Einschnitts und der damit einhergehenden politischen Verwerfungen nur spekulieren. Nachdem beide Anleihen zu mündelsicheren Anlagen zählen, würde das Tauschverhältnis vermutlich gleich sein und dem jeweils festgeschrieben Umstellungsverhältnis für diese Anlage entsprechen. Dieser Fall ist in den Emissionsbedingungen der Staatsanleihen aber nicht explizit aufgeführt. Ein Währungsschnitt wird in der Regel nur in inflationären Zeiten zur Anwendung kommen.3 Es wurde schon erläutert, dass die Performance inflationsindexierter Papiere die Performance klassischer Anleihen umso deutlicher schlägt, je größer die Inflation ist. Aus diesem Grund wäre eine Geldanlage in inflationsindexierte Anleihen vor dem Währungsschnitt besser. Die Indexverhältniszahl, welche von der Inflation abhängt, beeinflusst die Höhe der Kupon- und Nominalwertrückzahlungen und ist daher für die Renditeberechnung von großer Bedeutung. Für ihre Berechnung ist es notwendig den harmonisierten Verbraucherpreisindex zu kennen. Was 1948 mit diesem passiert ist, lässt sich nicht aus historischen Berechnungen ableiten, da es den HVPI erst seit 19974 in Deutschland gibt. Die Einführung eines neuen Währungsschemas ist für die 1 Vgl. Beise (2012). Vgl. Enrich/Ball/MacDonald (2011). 3 Die aufgeführten Schlussfolgerungen gelten nur für Währungsschnitte, die von Inflation getrieben sind und bei denen daher keine Wertsicherung garantiert werden kann. 4 Vgl. Statistisches Bundesamt (2012c). 2 Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 38 Berechnung des HVPI kein Problem1, wie auch die Umstellung von DM auf Euro im Jahr 2002 gezeigt hat. In der Währungsreform 1948 war die Wertsicherung nicht gewährleistet. Löhne und Gehälter, sowie Mieten und Pachtzinsen sind im Verhältnis 1:12 getauscht worden, während Bargeld und Sparguthaben hingegen im Verhältnis 100:6,53 umgestellt worden sind. Diese inkonsistente Behandlung von Vermögensgegenständen führt zu einem deutlich geringeren verfügbaren Einkommen der Bevölkerung, was wiederum zu sinkenden Preisen führen muss. Der maßgeblich geringere Preis für den Warenkorb wird durch den drastischen Fall der Inflationsrate gezeigt, wie auch in der Abbildung 8 zu erkennen ist. Abbildung 8: Inflationsverlauf in Deutschland ab 1948. Eigene Darstellung in Anlehnung an Gänger (2011) – aktualisierte Version. Abbildung 8 beschreibt die Veränderung der jährlichen Inflationsrate in Deutschland zwischen den Jahren 1948 und 2011. Die Inflation fällt in rapider Geschwindigkeit und führt zu einer Deflation von etwa sechs Prozent. Als Folge der fallenden Preise muss auch der HVPI sinken. Der Grenzwert könnte – bei einem sehr extremen Preisverfall – gegen Null gehen. Diese Grenze kann jedoch nicht unterschritten werden, da der Warenkorb nie kostenfrei sein wird. 1 Vgl. Statistisches Bundesamt (2012b). Vgl. Bundesministerium der Justiz (1948), § 18 Abs. 1 Nr. 1 UmStG. 3 Dieses faktische Umstellungsverhältnis ergibt sich aus der Berechnung von Altgeld und Neugeldguthaben vgl. Bundesministerium der Justiz (1948). 2 Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 39 Würde der Währungsschnitt im Januar durchgeführt werden, wären die Auswirkungen auf die Geldanlage erst im April zu spüren. Der Grund dafür ist, dass die Indexverhältniszahl, welche die Höhe der Kuponzahlungen und des eingesetzten Kapitals beeinflusst, mit Verzögerung berechnet wird.1 Ab April wäre die Indexverhältniszahl kleiner als eins. Da die Kupons der inflationsindexierten Anleihen mit dieser Zahl multipliziert werden, ist der Anleger Verlierer der Deflation. Bei inflationsindexierten Anleihen des deutschen Staates ist der Kupon nicht vor Deflation geschützt, das eingesetzte Kapital jedoch schon. Es ist zu beachten, dass es auch inflationsindexierte Produkte gibt, die diesen Kapitalschutz nicht gewähren und somit in diesem konstruierten Szenario ein deutlich größeres Verlustrisiko aufweisen. In jedem Fall ist die Geldanlage nach dem Währungsschnitt2 in inflationsindexierte Produkte nachteilig, da im ersten Moment eine Deflation zu erwarten ist und auch nach der ersten Erholung die Inflation so gering sein wird, dass der geringere Kupon der inflationsindexierten Anleihe nicht durch die Inflationshöhe kompensiert wird. In welchen Bond man investieren sollte, hängt bei diesem Szenario ganz maßgeblich vom Zeitpunkt des Währungsschnitts ab. Vor dem gesetzgeberischen Akt der Umstellung performen inflationsindexierte Anleihen besser, während nach dem Währungsschnitt klassische Anleihen deutlich besser abschneiden. Die Tatsache, dass der exakte Zeitpunkt eines Währungsschnitts kaum vorhersehbar ist, macht eine Anlageempfehlung fast unmöglich. 4.4 Staatsbankrott Dieses Szenarium tritt ein, wenn alle bisher beschriebenen Szenarien erfolglos durchlaufen wurden und keine wirtschafts- und fiskalpolitischen Eingriffe mehr erfolgsversprechend sind. Es stellt somit das drastischste Szenarium eines jeden Landes dar. 1 Für ihre Berechnung wird der HVPI zwei und drei Monate vor dem jeweiligen Auszahlungsmonat betrachtet. 2 Die aufgeführten Schlussfolgerungen gelten nur für Währungsschnitte die von Inflation getrieben sind und bei welchen daher keine Wertsicherung garantiert werden kann. Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 40 4.4.1 Aufbau des Szenarios Durch die Abgabenhoheit des Staates kann die Einnahmenhöhe nach oben verschoben werden und, da auch die Ausgabenseite durch den Staat kontrolliert wird, kann man verstehen, dass die Zahlungsunfähigkeit eines Staates von Großteilen der Bevölkerung für faktisch ausgeschlossen gehalten wird. Die Geschichte hat uns dennoch gelehrt, dass ein Zusammenbruch des Finanzsystems nicht ausgeschlossen ist. Nach beiden Weltkriegen kam es zu massiven Einschnitten in der Währungspolitik: Die Inflation des ersten Weltkriegs artete in Hyperinflation aus und machte 1923 eine Währungsreform notwendig. Belehrt durch die Ereignisse zwei Jahrzehnte zuvor, wurde Mitte der vierziger Jahre alles dafür getan, um eine Inflation zu bekämpfen. Die Maßnahmen wirkten jedoch nur über einen begrenzten Zeitraum. Durch die aufgestaute und unterdrückte Inflation wurde 1948 abermals eine Währungsreform unumgänglich. Nach strafrechtlicher Definition ist von einem Bankrott in dem Moment zu sprechen, wenn Überschuldung, drohende oder eingetretene Zahlungsunfähigkeit vorherrscht.1 Im Falle von Griechenland könnte man laut dieser Definition sicherlich von Bankrott sprechen aber die drohende Zahlungsunfähigkeit lässt eine Vielzahl europäischer Nachbarländer auch in den Fokus dieser Definition geraten. Was passiert, wenn der Staat nicht mehr in der Lage ist, seine Forderungen zu begleichen? Ein solcher Fall wird in der Privatwirtschaft mit Hilfe einer Insolvenzordnung geregelt, um den Gläubiger bestmöglich zu schützen. §12 Abs. 1 InsO, erklärt ein Insolvenzverfahren über staatliches Vermögen als unzulässig. Folglich kann der Begriff der Insolvenz nicht ins öffentliche Recht übertragen werden. Wann ein Staat tatsächlich zahlungsunfähig ist, ist nicht klar definiert. 4.4.2 Relevanz und Auswirkungen In der jetzigen Ausgangslage ist die Insolvenz von Deutschland kein realistisches Szenario. Die Entwicklung der Schuldenkrise Europas lässt einen Bankrott einzelner Mitgliedstaaten insbesondere Griechenlands immer wahrscheinlicher werden. Mit einer Staatsverschuldung von 144,62 % ihres BIP, ist Griechenland nicht mehr weit von der 150 % Marke entfernt, mit der Argentinien im Dezember 2001 zum 1 2 §283 Abs. 1 StGB. Vgl. Statistisches Amt der Europäischen Union (2011). Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 41 Rekordhalter des größten Staatsbankrotts wurde. Die Verschuldung Deutschlands in Höhe von 83,3 % ist in den letzten zehn Jahren um mehr als 20 Prozentpunkte gewachsen.1 Ein Vergleich mit einigen europäischen Nachbarländern zeigt, dass diese einen höheren Verschuldungsgrad aufweisen. Aufgrund der angespannten wirtschaftlichen Lage des Euroraums und den angesprochenen Rechtsunsicherheiten ist auch in Deutschland die Diskussion über eine Insolvenzordnung von Staaten entfacht. Die Rechte der Anleger können nur gesichert werden, wenn es eine Insolvenzordnung für Staaten geben würde, die Rechte und Pflichten klar definiert. Anfang Oktober 2011 hat Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler die Eckpunkte eines sogenannten Resolvenzverfahrens in einem Brief an das Finanzministerium erläutert. Der Insolvenzfall hochverschuldeter Länder in der Eurozone soll darin geregelt werden. Gläubiger sollen an künftigen Sanierungsprogrammen beteiligt werden und der Staat muss gewisse Souveränitätsrechte vorübergehend einbüßen.2 Die Vorteile einer staatlichen Insolvenzordnung für Privatanleger liegen auf der Hand. Schon bei Investitionszeitpunkt könnte das Ausfallrisiko besser quantifiziert werden und es gäbe Gewissheit über die Ansprüche im Falle der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners. Gläubiger würden nicht nur besser informiert, sondern auch besser geschützt werden. Die Komplexität eines Staatsbankrotts wird deutlich, wenn reflektiert wird, welche Auswirkungen die anderen Szenarien auf Zinsen, Kurse und Kupons hatten. Die Vorteilhaftigkeit einer Investition in klassische oder inflationsindexierte Wertpapiere konnte bei diesen jeweils logisch gefolgert werden. 1 2 Vgl. Statistisches Amt der Europäischen Union (2011). Vgl. Schwenn/Mussler (2011). Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 42 Szenario Auswirkungen Kaufzeitpunkt vorher Finanzielle Repression Inflation steigt, Zinsen sinken währenddessen vorher Hyperinflation Inflation steigt massiv, Zinsen steigen währenddessen vorher Währungsschnitt i.d.R. Inflation danach Auswirkung auf Bonds steigende Kurse aufgrund hoher Kupons geringe Kupons aufgrund niedriger Zinsen sinkende Kurse aufgrund des hohen Zinsniveaus hohe Kupons aufgrund des hohen Zinsniveaus vermutlich sinkende Kurse aufgrund des hohen Zinsniveaus geringe Kupons aufgrund niedriger Zinsen Vorteilhaftigkeit inflationsindexierte Anleihe (wegen der Inflation) inflationsindexierte Anleihe (wegen der Inflation) Inflationsindexierte Anleihe (wegen der Inflation) Klassische Anleihe aufgrund der Deflation Tabelle 5: Zusammenfassung der Szenarienanalyse. Eigene Darstellung. In dieser Tabelle sind die Ergebnisse der eigenen Untersuchung der 4 möglichen Szenarien aufgelistet. Dabei wird nach jeweils nach Kaufzeitpunkt unterschieden. In der letzten Spalte wird genannt welche Anleihe unter den jeweiligen Bedingungen vorteilhaft ist. Die Auswirkungen, die eine Insolvenz auf die renditebestimmenden Faktoren eines Wertpapiers hätte, sind jedoch nicht absehbar. Nachdem keine Insolvenzordnung existiert und ein staatlicher Bankrott kein alltägliches Szenario darstellt, kann über die Auswirkungen für Privatanleger nur spekuliert werden. Argentinien1 zählt zu einem der jüngsten und extremsten Fälle eines Staatsbankrotts, daher werden potentielle Folgen für Forderungsinhaber an diesem Beispiel aufgezeigt. Die folgende Darstellung der signifikanten Ereignisse des Staatsbankrotts von Argentinien, beruht auf den Ausführungen des McKinsey Global Institutes. Die Hyperinflation in den späten 80er Jahren wurde von einer Währungsreform gefolgt, die 1991 feste Wechselkurse vorsah und den Peso an den US-Dollar gebunden hat. Ein Peso war auf den Wert eines US-Dollars fixiert. Die festen Wechselkurse, die dafür vorgesehen waren, Argentiniens finanzielle Probleme zu lösen, sind dem Land nur wenig später zum Verhängnis geworden. Der Dotcom-Boom in den USA und die Kapitalflucht asiatischer Anleger aufgrund der Krise ihres eigenen Landes in amerikanische Staatsanleihen, haben den US-Dollar zu einer sehr starken Währung 1 Eine Analyse weiterer Länder würde den Rahmen dieser Arbeit übersteigen. Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 43 gemacht. Die deutliche Überbewertung des Pesos, wirkte sich negativ auf Argentiniens Exporte aus. Dennoch wurden die fixierten Wechselkurse nicht aufgehoben, da sowohl Regierung, Industrie und Haushalte in Dollar notierte Verbindlichkeiten aufgenommen hatten, deren Rückzahlung durch eine Abwertung der heimischen Währung extrem schwierig geworden wäre.1 Im Dezember 2001 führte die seit Jahren andauernde wirtschaftliche und politische Instabilität Argentiniens schließlich zu einer drastischen Finanzkrise, welche mit einer Staatsverschuldung von 150 % des BIP und ausstehenden Verbindlichkeiten in Höhe von 100 Mrd. USD in der historisch größten Zahlungsunfähigkeit ausartete.2 Anfang 2002 rief Argentinien den Staatsnotstand aus und verweigerte die Zahlung fälliger Kupons und Kapitalrückzahlungen an Anleger in Staatsanleihen.3 Im Jahr 2005 bot der argentinische Staat an, ein Viertel des Nennbetrags der Staatsanleihen zurückzuzahlen, ein Angebot welches ungefähr 75 % der Schuldner akzeptierten und so dazu beitrugen, dass die Staatsverschuldung 2008 „nur noch“ 45 % des BIP betrug.4 Aus der korrespondierenden Pressemitteilung zum Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 08.05.2007 ergibt sich, dass Schuldner, die ihre Forderungen im Zuge Argentiniens Rückzahlungsangebots nicht abgetreten hatten, vermehrt bei deutschen Gerichten klagten, um die Anleihebedingungen, in denen die anwendbare Rechtsordnung festgelegt ist, durchzusetzen.5 Das Bundesverfassungsgericht entschied, dass der Staatsnotstand, bei dem bspw. die innere Sicherheit eines Landes nicht mehr gewährleistet werden kann, ausschließlich einen Rechtfertigungsgrund für das Aussetzen von Zahlungen zwischen Saaten sein kann. Privaten Gläubigern gegenüber sei dies nicht geltend zu machen. Die Richterin Lübbe-Wolff war anderer Auffassung und reichte aus diesem Grund ein Sondervotum ein.6 Dieses Sondervotum ändert zwar nichts am Beschluss des Bundesverfassungsgerichts, macht aber deutlich, dass es sich möglicherweise um juristische Grauzonen handelt. Sollte Deutschland jemals in die Lage Argentiniens 1 Vgl. Roxburgh et al. (2010), S. 83. Vgl. Hornbeck (2004), S. 1. 3 Vgl. Bundesverfassungsgericht (2007). Die Tatsache, dass auch andere Verbindlichkeiten nicht zurückgezahlt worden sind, ist für diese Arbeit nicht relevant. 4 Vgl. Roxburgh et al. (2010), S. 83. 5 Vgl. Szodruch (2008), S. 57. 6 Vgl. Bundesverfassungsgericht (2007). 2 Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 44 kommen, ist unklar, ob das Bundesverfassungsgericht bei seiner ursprünglichen Auffassung des Staatsnotstandes bleibt, oder möglicherweise die Auffassung von Richterin Lübbe-Wolff dominiert.1 Kai von Lewinski macht auf Probleme bezüglich der Rechtsfolgen eines solchen Urteils aufmerksam. Denn obwohl das Urteil des Bundesverfassungsgerichts im Sinne der Schuldner getroffen worden ist, sind die Auswirkungen gering. Die Forderungen bestehen zwar fort, aber nachdem es kein internationales Insolvenzrecht gibt, ist die Durchsetzung der Ansprüche schwierig. Möglicherweise besteht ein Verstoß gegen das Völkerrecht, wenn die Forderungen ausländischer Anleger nicht erfüllt werden. Auf der anderen Seite sind Enteignungen weder menschen- noch völkerrechtlich verboten. Lewinski wertet die langfristige Bedeutung des Staatsnotstandes ab, da die Rückzahlung von Verbindlichkeiten nur für den Zeitraum dieser schweren und gegenwärtigen Gefahr aufgeschoben wird. Ob der Staatsnotstand also nun gegenüber privaten Gläubigern geltend gemacht werden kann, hat keine Auswirkung über die Zahlungsverpflichtung, sondern lediglich den zeitlichen Rahmen.2 Die exemplarischen Ausführungen, wie mit Schuldnern eines insolventen Staates verfahren wurde, und die Hinweise auf Rechtsunsicherheiten können keine Auskunft über die zukünftige Verfahrensweise geben, aber machen darauf aufmerksam, wie komplex sich dieser Sachverhalt darstellt. Die Rechte der Forderungsinhaber sind nicht einfach durchzusetzen. Wie ein Land mit einem Staatsbankrott umgeht, hängt hauptsächlich von der Regierung und anderen Randfaktoren wie bspw. politischem Druck von Bündnispartnern o.Ä. ab, daher sind Schlüsse auf zukünftige Insolvenzen nur bedingt sinnvoll. In diesem extremsten Szenario wird das Ziel der Gläubiger weniger eine hohe Rendite darstellen, als der Wunsch seine Forderungen, insbesondere an gebundenem Kapital aber auch an Zinsen, möglichst zeitnah realisieren zu können. Des Weiteren ist es in dieser Situation kaum möglich, über den Verlauf der Inflation 1 2 Vgl. Schill (2008), S. 46-50. Vgl. Lewinski (2010), S. 466-467 und 499-501. Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 45 beziehungsweise des HVPI zu spekulieren, da dies zu sehr von der entsprechenden politischen Handhabung abhängt. Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 46 5. Zusammenfassung und Ausblick Ziel der Arbeit war eine Gegenüberstellung von klassischen und inflationsindexierten Bundesanleihen. Ausgangspunkt für die Analyse war die Darstellung notwendiger Grundlagen, um den inflationsbedingten Wertverzehr einer Anlage verstehen zu können. Hierzu wurden zunächst die Ursachen der Geldentwertung betrachtet und Möglichkeiten zur Messung von Inflation erläutert. Anhand dieser Informationen konnten die Auswirkungen von Inflation erklärt werden. Dieses Grundverständnis war notwendig, um detaillierte Aussagen über die Vorteilhaftigkeit zwischen klassischen und inflationsindexierten Bundesanleihen treffen zu können. Anschließend wurden die Funktionsweisen und verschiedenen Typen von inflationsindexierten Anleihen herausgearbeitet. Hier konnten die Chancen und Risiken einer Anlage in inflationsindexierte Anleihen aufgezeigt werden. Mit der Break-Even-Inflation konnten die Höhe der eingepreisten Inflationserwartung berechnet werden und die Veränderungen dieser Erwartungen während dem Zeitverlauf dargestellt werden. Anhand eines Performancevergleichs der beiden Anlageformen in den Jahren 2006 bis 2011 konnte analysiert werden, wie sich die Werte von inflationsindexierten und klassischen Anleihen in dem Normalszenarium verhalten haben. Hierbei konnte ex post festgestellt werden, dass die klassischen Anleihen im Betrachtungszeitraum höhere Wertzuwächse hatten. Um die unterschiedlichen Wertverläufe zu erklären, wurden die Einflüsse der Geldmarktzinsen auf die Kursentwicklung untersucht. Es konnten jedoch auf Grund der geringen Anzahl deutscher inflationsindexierter Anleihen keine generellen Anlageempfehlungen abgegeben werden. Die Ergebnisse der Analyse waren Grundlage für das Verständnis der Auswirkung von Einflussparametern auf den Wertverlauf der Anleihen und stellten somit die Grundlage für die Betrachtung in Extremszenarien dar. Befürchtet der Privatanleger turbulente wirtschaftliche Phasen mit überhöhter Inflation rückt die Betrachtung von Extremszenarien in den Vordergrund. Gerade in solchen Szenarien sollen inflationsindexierte Anleihen gegenüber klassischen Anleihen Vorteile bieten. Um die damit verbundenen möglichen Auswirkungen auf Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 47 die Geldanlage analysieren zu können, wurden vier Szenarien im Kontext der Finanzmarktkrise konstruiert, die alle auf einen Anstieg der Inflation beruhen. Bei einem Vergleich der beiden Anlageformen zeigte sich, dass die inflationsindexierte Anleihe in den untersuchten Szenarien der finanziellen Repression, der Hyperinflation und des Währungsschnitts rentabler wäre. Beim Staatsbankrott, konnten nur bedingt Aussagen über die Auswirkungen für Privatanleger getroffen werden. Insbesondere in politisch und wirtschaftlich angespannten Situationen dominiert der Wunsch nach Sicherheit. Im Verlauf der Arbeit konnte gezeigt werden, dass inflationsindexierte Anleihen einen zuverlässigen Inflationsschutz bieten und somit für risikoaverse Anleger geeignet sind. Dem Wunsch nach Renditemaximierung konnte jedoch bis dato nicht hinreichend Rechnung getragen werden. Nimmt in Zukunft das Bedürfnis nach Inflationsschutz zu, könnte das den Markt von inflationsindexierten Schuldverschreibungen für private Emittenten attraktiver machen. Dies würde zu einer effizienteren Preisbildung und einer höheren Liquidität der Märkte führen. Das Rating der Emittenten würde zu unterschiedlichen Risikoklassen und dementsprechenden Renditen der Wertpapiere führen, was jedem Anleger die Möglichkeit geben würde, analog zu seiner Risikoeinstellung zu investieren. In Deutschland werden erst seit 2006 inflationsindexierte Anleihen emittiert. Auf Grund der daher begrenzten Menge an historischen Daten besteht hinsichtlich der Renditeuntersuchung weiterer Forschungsbedarf. Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 VI Literaturverzeichnis Antunes, António; Cavalcanti, Tiago; Villamil, Anne (2006): The Effect of Financial Repression & Enforcement on Entrepreneurship and Economic Development. Working Paper, Universidade Nova de Lisboa, University of Illinois, March 10, 2006. 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