b k LÄRMSCHWERHÖRIGKEIT ALS BERUFSKRANKHEIT WAS IST EINE BERUFSKRANKHEIT? Eine Berufskrankheit (BK) ist nach der gesetzlichen Definition eine Krankheit > welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates in einer Berufskrankheitenliste (BK-Liste) als Berufskrankheit bezeichnet und > die ein Versicherter bei einer versicherten Tätigkeit erleidet (§ 9 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch – SGB VII – Gesetzliche Unfallversicherung). Liegt eine Berufskrankheit vor, ist nicht nur die Frage der Entschädigung, sondern auch die der individuellen Prävention zu prüfen. Aber auch bereits vor Entstehung einer BK sind vorbeugende Maßnahmen möglich. Rechtsgrundlage dafür ist der § 3 der Berufskrankheiten-Verordnung (BKV). In der BK-Liste wird unter der Nr. 2301 die Lärmschwerhörigkeit aufgeführt. FOLGENDES IST WICHTIG ZU WISSEN: Lärm Lärm im Sinne der BKV ist Schall (Geräusch), der das Gehör schädigt. Wird ein Beurteilungspegel von 85 dB(A) erreicht oder überschritten, können Gehörschäden eintreten. Beurteilungspegel Der Beurteilungspegel kennzeichnet die Wirkung eines Geräusches auf das Ohr. Er beschreibt den Umfang des individuell auf das Ohr des Versicherten einwirkenden Geräusches, bezogen auf einen vollschichtigen Arbeitstag. Er wird auch als persönlicher Beurteilungspegel bezeichnet. Darüber hinaus stellen Geräusche in Frequenzen über 1.000 Hertz und Impulsgeräusche (schlagartig mit hoher Intensität) eine Gefahr für das menschliche Gehör dar. Der persönliche Beurteilungspegel ist ein errechneter, in Dezibel [dB(A)] ausgedrückter Wert, der aus Messungen des Schalldruckpegels mit einem geeichten Lärmmessgerät ermittelt wird. Gefährdungsbereiche Lärm kommt in vielen Gewerbezweigen vor, vor allem dort, wo mit Maschinen gearbeitet wird. Seit Jahren werden mit Erfolg Bemühungen zur Reduzierung von Maschinenlärm unternommen, dennoch sind die Gefährdungsbereiche noch weit verbreitet. Wo in diesen Bereichen weitergearbeitet werden muss, besteht die Verpflichtung jedes Mitarbeiters zur Verwendung von Gehörschutz. Im außerberuflichen Bereich gewinnt laute Musik, insbesondere in Diskotheken und über tragbare Abspielgeräte konsumiert, an Bedeutung. Straßenlärm dagegen erreicht die erforderlichen Werte des Beurteilungspegels zumeist nicht. Schädigungsmechanismus Lärm im Sinne der BKV führt zu einer Ermüdung der Sinneszellen der unteren Schneckenwindung im Innenohr. Wenn die Erholungsmöglichkeiten für die Haarzellen des Innenohres nicht mehr ausreichen, kommt es zu einer Stoffwechselerschöpfung und zum Zelltod. Eine Wiederherstellung eines bereits eingetretenen Hörverlustes ist medizinisch nicht möglich. Dauer der Schädigung Feststellungsverfahren Eine Schädigung des Gehörs erfolgt nur während der Zeit der Lärmeinwirkung. Nach beendeter Lärmexposition schreitet eine lärmbedingte Schwerhörigkeit nicht mehr fort. Um einen lärmbedingten Gehörschaden zu verursachen, bedarf es einer mehrjährigen Einwirkung. Da die Konstitution des Gehörs bei den Menschen unterschiedlich ist, gibt es hierfür keine genauen Grenzwerte. Nach medizinischer Erfahrung wird nach einer Einwirkung von 10 bis 15 Jahren – abhängig von der Qualität des Lärms – durch Zerstörung aller zerstörbaren Zellen eine Sättigungsphase des Gehörs erreicht. Das Verfahren wird meistens eingeleitet durch eine entsprechende Meldung des Arztes oder der Krankenkasse. Aber auch der eigene Antrag der Betroffenen oder des Unternehmers bewirkt, dass die Landesunfallkasse tätig wird. Die Ermittlungen betreffen den gesamten Bereich des Berufslebens und erstrecken sich auch auf außerberufliche Lärmeinwirkungen. Schwierigkeiten bestehen bei häufigem Arbeitsplatzwechsel, durch den oftmals mehrere Unfallversicherungsträger an den Feststellungen zu beteiligen sind. Krankheitsbild und Diagnose Die Lärmschwerhörigkeit ist eine Schallempfindungsschwerhörigkeit, die zunächst die Wahrnehmung der höheren Töne, später auch der mittleren und tiefen Töne beeinträchtigt. Sie tritt immer doppelseitig auf. Ohrgeräusche sind nicht typisch für eine Lärmschwerhörigkeit; Gleichgewichtsstörungen gehören nicht zum Krankheitsbild. Schon die beginnende Lärmschwerhörigkeit lässt sich durch ein Tonaudiogramm feststellen. Kennzeichnend ist ein Hörverlust im Frequenzbereich um 4.000 Hertz (sog. C5Senke). Der Hauptsprachbereich (500 - 3.000 Hertz) wird erst spät beeinträchtigt. Zur Diagnostik gehören umfangreiche Testverfahren eines Facharztes für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, mit deren Hilfe sowohl das Ausmaß als auch die Ursache einer Hörminderung festgestellt werden können. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen, d.h. ob ein gehörschädigender Lärm am Arbeitsplatz vorgelegen hat, werden durch die Aufsichtspersonen der Landesunfallkasse geprüft. Es liegen schon umfangreiche Erfahrungen zu einer Vielzahl von Lärmarbeitsplätzen vor, so dass nicht in jedem Fall eine Lärmmessung vor Ort erfolgen muss, sondern Erfahrungswerte aus einem Lärmkataster herangezogen werden können. Sofern in Lärmbereichen gearbeitet wurde, enthalten die Feststellungen der Landesunfallkasse auch eine medizinische Beurteilung, meist durch einen niedergelassenen Facharzt. Begutachtung Die Begutachtung durch den HNO-Arzt erfordert immer mehrere Testverfahren, durch die einerseits die Ursache der Hörstörung mit Wahrscheinlichkeit festgestellt und andererseits das Ausmaß der lärmbedingten Schwerhörigkeit bestimmt wird. Als einheitliche Beurteilungsrichtlinie für die HNOÄrzte gilt das „Königsteiner Merkblatt“. Abschließend nimmt der Staatliche Gewerbe- arzt zu den Ergebnissen des Feststellungsverfahrens Stellung. Der Staatliche Gewerbearzt ist die nach der BKV zu beteiligende Stelle für den medizinischen Arbeitsschutz. Danach entscheidet der Rentenausschuss der Landesunfallkasse über Leistungsansprüche der Betroffenen und erteilt einen Bescheid. Leistungen Ein Anspruch auf Rente aufgrund einer Berufskrankheit Lärmschwerhörigkeit ist grundsätzlich gegeben, wenn eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 v.H. vorliegt (vgl. § 56 Abs. 1 SGB VII). Dies erfordert aus medizinischer Sicht bereits eine deutliche Beeinträchtigung des Sprachgehörs. Dank rechtzeitiger Meldungen, umfassender Arbeitsschutzmaßnahmen und ggf. Umsetzungen in lärmarme Arbeitsbereiche können Leistungen vermieden werden. Schutzmaßnahmen Lässt sich Lärm durch gezielte bauliche oder technische Lärmminderungsmaßnahmen nicht vermeiden, ist der Arbeitsbereich als Lärmbereich zu kennzeichnen und es sind persönliche Schallschutzmittel (Ohrstöpsel, Kapselgehörschützer) vom Arbeitgeber/Unternehmerverantwortlichen zur Verfügung zu stellen. Diese Verantwortungsbereiche des Unternehmerverantwortlichen sind in der Unfallverhütungsvorschrift (UVV) Lärm (GUV 9.20) niedergelegt. Der Unternehmerverantwortliche und der Arbeitnehmer/Versicherte sind zur Einhaltung der UVV Lärm verpflichtet. Der Unternehmerverantwortliche kann zusätzlich eigenes, fachkundiges Personal mit diesen Aufgaben betrauen. Die Landesunfallkasse bietet durch ihre Aufsichtspersonen fachkundige Hilfe und bei Bedarf gezielte Schulungen an. In Lärmbereichen tätige Mitarbeiter müssen zudem nach der UVV Lärm in regelmäßigen Abständen Vorsorgeuntersuchungen unterzogen werden. Nähere Hinweise dazu enthält die UVV Arbeitsmedizinische Vorsorge (GUV 0.6) in Verbindung mit dem Berufsgenossenschaftlichen Grundsatz für arbeitsmedizinische Vorsorgemaßnahmen G 20 Lärm. Für Beschäftigte ist daher auch der Betriebsarzt ein qualifizierter Ansprechpartner in Fragen der Vorsorge. WELCHE PFLICHTEN HAT DER ARBEITGEBER/UNTERNEHMERVERANTWORTLICHE? Dem Unternehmerverantwortlichen obliegen folgende wesentliche Pflichten: > Lärm vermeiden Er muss in seinem Unternehmen alle sinnvollen baulichen und technischen Lärmminderungsmaßnahmen umsetzen. > Auf Lärm hinweisen Lärmbereiche müssen nach der UVV Lärm als solche gekennzeichnet sein und es muss darauf hingewiesen werden, dass persönliche Schallschutzmittel zu benutzen sind. > Persönliche Schallschutzmittel zur Verfügung stellen Es sind die für den Arbeitsbereich sinnvollen und für den Versicherten geeigneten persönlichen Schallschutzmittel kostenfrei für den Benutzer zur Verfügung zu stellen. > Medizinische Vorsorge In Lärmbereichen tätige Mitarbeiter sind regelmäßigen medizinischen Vorsorgeuntersuchungen zu unterziehen. Die Messergebnisse werden dokumentiert. Der Empfehlung des untersuchenden Arbeitsmediziners, z.B. eine Umsetzung zu veranlassen oder den Verdacht einer Lärmschwerhörigkeit anzuzeigen, ist dringend zu folgen. > Vorbildfunktion Auch wenn alles bisher Gesagte veranlasst wurde, kann es sein, dass Mitarbeiter dennoch nicht das erforderliche Bewusstsein für den Arbeitsschutz haben. Hier sind Unternehmerverantwortliche und Vorgesetzte persönlich gefordert: durch Hinweise auf die Gefahren, durch aktives Vor- und Mitmachen, notfalls auch mit Hilfe arbeitsrechtlicher Maßnahmen. WAS KANN ICH ALS BESCHÄFTIGTER TUN? Das Motto der gesetzlichen Unfallversicherung „Verhüten ist besser als vergüten“ gilt ganz besonders für die Lärmschwerhörigkeit, denn ein einmal entstandener Gehörschaden ist nicht wieder rückgängig zu machen. Die Einhaltung der zum Schutz der Beschäftigten erlassenen Unfallverhütungsvorschriften ist auch Ihre eigene Aufgabe als Versicherte/r, denn Sie müssen die zur Verfügung gestellten persönlichen Schutzausrüstungen benutzen. Durch die Verwendung persönlicher Schallschutzmittel schützen Sie Ihren Gehörsinn als einen von fünf Sinnen. Der Verlust oder die starke Schädigung des Gehörsinns ist eine deutliche Einschränkung der Lebensqualität, die auch durch Entschädigungsleistungen der gesetzllichen Unfallversicherung nicht mehr auszugleichen ist. Wenn Sie Fragen haben, rufen Sie bitte an: Frau Wallrath Tel.: 040 / 271 53 - 323 Herr Welbing Tel.: 040 / 271 53 - 301 Redaktion: Martin Kunze, Rehabilitations- und Leistungsabteilung Stand: April 2001 Landesunfallkasse Freie und Hansestadt Hamburg Spohrstr. 2 22083 Hamburg