VDKS-Verbandstag - Anlage zu TOP 8 Sind die zunehmenden Schiffskontrollen und Regularien effektiv und bringen sie wirklich mehr Sicherheit in der Seeschifffahrt? Kapt. Bernd Jeske Generell ist das Ziel von Schiffskontrollen, die Einhaltung von internationalen, nationalen und individuellen Regeln an Bord zu überprüfen. Dies geschieht speziell im Hinblick auf die im ISM Code genannten Ziele: Safety at sea Marine environmental protection Prevention of human injury or loss of life Avoidance of damage to property 1. Welches sind die rechtlichen Grundlagen für diese Kontrollen? SOLAS Chapter I/19 (verifying certificates) SOLAS Chapter IX/6 (ISM Code) SOLAS Chapter XI-1/4 (ISPS Code) MARPOL Annex I/8A STCW Regulation I/4 and Section A-I/4 Regional PSC-Memoranda of Understanding Flagstate Requirements Company Requirements (Shipping Companies, Charterer, Affiliated Groups) 2. Arten von Kontrollen a) PSC-Memoranda • Europe/MOU, Paris 1982 • Latin-America /MOU,Vina del Mar 1993 • East Asia/MOU, Tokio 1994 • Caribic/MOU 1996 • Mediterranian/MOU 1997 • Indian/MOU, 1998 • West and Central Africa/MOU, Abuja 1999 • Black Sea/MOU, Istanbul 2000 • USA/Code of Federal Regulation (kein MOU) b) Kontrollen durch Flaggenstaaten Germany: Jährliche Kontrollen durch die See-BG in Verbindung mit der Gültigkeit der Schiffssicherheitszeugnisse. Zusätzliche Kontrollen durch die Wasserschutzpolizei, speziell im Hinblick auf den maritimen Umweltschutz. Liberia: Jährliche Safety Inspektion. 1 von 3 c) Jährliche Kontrollen durch die Reederei 3 x Inspektion 1 x internes Audit ISM 1 x Qualitätsmanagement 1 x Umweltschutz 1 x ISPS d) Charterer Kontrollintervall in eigener Entscheidung e) Hafenkapitän Kontrollintervall in eigener Entscheidung f) Versicherer Kontrollintervall in eigener Entscheidung g) Kontrollen für Spezialschiffe (Gastanker, Tanker, RORO-Passenger) Hafenstaat, CDI, Vetting (Intervall zwischen jährlich und alle 4 Jahre) h) Kontrollen durch Eigner (z.B. Fondsgesellschaften/Anleger) i) Zusätzliche Kontrollen (z.B. Einhaltung der Ruhezeiten, ILO-Forderung Tarifabschlüsse, TAPA-SFR) Es erhebt sich die Frage: Sind diese Vielzahl von leider nicht abgestimmten Kontrollen effektiv und erhöhen sie die: Sicherheit auf See Sicherheit des Schiffes, der Besatzung und der Ladung Motivation der Besatzung Jedes Schiff hat als Minimum jährlich 8 Kontrollen zu passieren, häufig werden es 12. Jede Kontrolle nimmt als Minimuim 4 Stunden in Anspruch, in der Regel sind es aber 6 bis 10 Stunden. 3. Die Rolle des Kapitäns Grundsätzlich hat der Kapitän die „overriding authority“ (SOLAS V/34; ISM Code 5.2; Umsetzung der IMO Resolution 443). Während vieler Kontrollen fühlt sich der Kapitän als Angeklagter. Etliche Kontrolleure vermitteln dem Kapitän, er sei schuldig (irgendwelche Forderungen nicht richtig umgesetzt zu haben), bis er nachweisen kann, dass er alles richtig gemacht hat. Der Kapitän wird zum „Behandelten“, anstatt der Handelnde zu sein. Kapitän und Schiff werden oft nach „Aktenlage“ beurteilt, denn es ist nicht nur erforderlich vorschriftenkonform zu arbeiten, genauso wichtig ist es, dieses dokumentarisch nachzuweisen. Die tägliche Arbeit, Vorbereitung und Nachbereitung von Kontrollen erfordern ein hohes Maß von schriftlichen Nachweisen. “Paperwork - it can sidetrack the master from his primary purpose of working the ship” wird auch vom Nautical Institute und Lloyds Register im International Maritime Human Element Bulletin ALERT festgestellt. 2 von 3 4. Was wird kontrolliert a. Vorrangig wird zunächst nach der Gültigkeit der Schiffspapiere gefragt. Es existieren ca. 50 verschiedene Schiffspapiere (Zeugnisse/Zertifikate). Entsprechend des Typs und Einsatzgebietes für ein Einzelschiff ca. 31 Schiffspapiere. Hinter den Schiffspapieren verbergen sich teilweise umfangreiche Systeme (z. B. beim Safety Mangement Certificate, International Ship Security Certificate). Natürlich hat ein gut geführtes Schiff gültige Zeugnisse, aber was einfach aussieht, ist nicht einfach und kann nur computergestützt in Zusammenarbeit mit den Reedereiinspektoren und Ausstellern der Zeugnisse erreicht werden. b. Sind Notfall-/Sicherheitsübungen, Training und Lektionen in Anzahl, Qualität und im Zeitrahmen durchgeführt worden? Es erscheint eine relativ simple Frage zu sein, die sich auf einem gut geführten Schiff eigentlich erübrigt. Aber so müssen z.B. auf einem Schiff unter der Flagge Liberias jährlich ca. 78 Übungen/Trainings/Lektionen durchgeführt werden. Der geforderte Jahresplan muss unter allen Umständen eingehalten werden. Begründungen für das Nichtdurchführen auch nur einer Übung (wegen z.B. Werft, Hafenvorschriften, schlechtes Wetter), wird häufig von den Kontrolleuren/Auditoren mit einer Non-Conformity-Note geahndet. Um künftig den daraus folgenden Rechtfertigungen, einschließlich dem damit verbundenen Reportingsystem zu entgehen, werden vereinzelt Eintragungen vorgenommen, die nicht der Wahrheit entsprechen, bzw. die Übungen werden auf einem unzureichenden Niveau durchgeführt. 5. Schlussbetrachtungen Nur an diesen beiden Kontrollbeispielen wird für den Insider deutlich, dass die Einhaltung der festgelegten Ruhe-/Arbeitszeiten (STCW Convention, EC Directive, ILO Convention 180, Seemannsgesetz) in den Häfen oft unmöglich wird. Die Kontrollen erfolgen nach Ankunft im Hafen. Kapitän/Besatzung haben die seit Einführung von Security geforderten Einklarierungspapiere-/ Prozeduren, die einen hohen Zeitaufwand erfordern, erledigt, eine anstrengende Revierfahrt absolviert und für die kurzen Hafenliegezeiten einen vollen Terminkalender. Eine Kontrolle in guter Atmosphäre zwischen Kapitän/ Schiffsbesatzung und Kontrolleur durchzuführen, ist in dieser Stresssituation oft sehr schwierig. Dies führt häufig zu negativen Ergebnissen für das Schiff/Reederei. Zweifellos sind Kontrollen notwendig und hilfreich, die Sicherheit auf See zu erhöhen, aber die Anzahl, der gleiche Inhalt, die nicht aufeinander abgestimmten Kontrollen und häufig auch die individuellen Auslegungen der Kontrollinhalte/-termine sind aus meiner Sicht in etlichen Fällen kontraproduktiv. Jede Institution, die Kontrollen durchführt, setzt natürlich berechtigt ihre Kontrollvorschriften um, aber keiner, außer der Kapitän und seine Besatzung hat die Gesamtheit aller Kontrollen zu bestehen und zu verkraften. Viel hilft eben nicht viel. Die trifft für Kontrollen, Übungen, schriftliche Nachweise und zunehmende Regularien zu. Ein Optimum zu finden, das wäre der richtige Ansatz. 6. Schlussfolgerungen In seiner Satzung hat der Verband Deutscher Kapitäne und Schiffsoffiziere e. V. im Paragraphen 2 festgelegt, die beruflichen Interessen der Kapitäne und Schiffsoffiziere wahrzunehmen. Die o. g. Zustände erfordern Veränderungen, an deren Realisierung wir mitwirken sollten. 3 von 3