IV.4 Eier und Eiprodukte 4.2 2. HACCP-Beispielkonzept zur Herstellung von Eiprodukten 4.2 2. HACCP-Beispielkonzept zur Herstellung KLAUS MIELKE von Eiprodukten Eiprodukte werden in der VO 853/2004 definiert als Verarbeitungserzeugnisse, die aus der Verarbeitung von Eiern oder von verschiedenen Eibestandteilen oder von Mischungen davon oder aus der weiteren Verarbeitung solcher Verarbeitungserzeugnisse hervorgehen. © Behr’s Verlag, Hamburg Dabei entstehen flüssige, pulverförmige oder gefrorene Produkte mit spezifischen Eigenschaften hinsichtlich ihrer Stabilität und den Anforderungen an die Lagerbedingungen. Als Beispiel für die Betrachtung nach den Prinzipien des Codex Alimentarius soll die Herstellung von Volleipulver dienen. Eine Anpassung an die Gegebenheiten des eigenen Betriebes ist bei der Verwendung der Beispiele unerlässlich. Schritt 1: HACCP-Team bilden Die Wirksamkeit eines HACCP-Konzeptes entfaltet sich erst, wenn das gesamte Personal sich mit der Aufgabe identifizieren kann. Andererseits kommt es auf ein weites Feld an Wissen und Erfahrung an, besonders über betriebsspezifische Gegebenheiten. Deshalb ist es wichtig, einen interdisziplinären Arbeitskreis zusammenzustellen, der viele Ebenen und Bereiche umfasst. Tab. 4.2-1 HACCP-Team (Beispiel) Bereich vertreten durch – Produktion Produktionsleiter oder Linienleiter – Qualitätssicherung QS-Leitung – Vertrieb Verkaufssachbearbeiter – Technik Reparaturschlosser – ... ... Hygiene und HACCP 09 07 19 1 IV.4 Eier und Eiprodukte 4.2 2. HACCP-Beispielkonzept zur Herstellung von Eiprodukten Praxistipp Bei der Auswahl der Mitglieder die persönliche Neigung zu einer solchen Teamarbeit nicht außer acht lassen. Schritt 2: Produkt beschreiben Eine genaue Bestimmung des betrachteten Produktes erleichtert die folgenden Schritte: Rezepturen, Spezifikationen, Analysenwerte sind die Grundlage einer Risikoabschätzung. Beispiel „Volleipulver“ Bei der Herstellung von Volleipulver wird der Inhalt von Hühnereiern durch eine Pasteurisation von Krankheitserregern befreit. Unterstützt von Produktkühlung entstehen so hygienisch einwandfreie flüssige Eiprodukte mit einer Haltbarkeit von vielen Tagen. Die Sprühtrocknung stellt eine weitere thermische Behandlung dar, die schließlich zu Pulvern führt, deren Haltbarkeit nur durch technologische und sensorische Kriterien begrenzt ist. – Spezifikation – Herstellrezeptur – Temperaturangaben – ... Schritt 3: Bestimmungsgemäße Verwendung beschreiben Bedingungen für eine sichere Verwendung des Produkts festlegen: Verarbeitung, Zubereitung, Verbraucherkreis können das Risiko beeinflussen. Verwendungsausschlüsse, z. B. wegen Allergie, formulieren und in Produktinformationen darauf hinweisen. Beispiel „Volleipulver“ Verwendung als anteilige Zutat in Lebensmitteln, die entweder durcherhitzt, anderweitig konserviert oder bis zum alsbaldigen Verzehr gekühlt werden. Im Rahmen einer ausgewogenen Ernährung bei sachgerechter Zubereitung unbedenklich. Bei Stoffwechselerkrankungen ist ggf. auf ärztlichen Rat der Genuss zu beschränken. Gegenanzeigen: Allergien gegenüber Hühnereiprotein... 2 Hygiene und HACCP 09 07 19 © Behr’s Verlag, Hamburg – Beschreibung IV.4 Eier und Eiprodukte 4.2 2. HACCP-Beispielkonzept zur Herstellung von Eiprodukten Schritt 4: Fließdiagramm entwerfen Das Fließdiagramm ist ein Mittel, um die Bearbeitungsschritte und Kontrollen übersichtlich in ihrem Zusammenhang darzustellen. Hier kann auch auf die wichtigsten Anweisungen und Aufzeichnungen sowie die Zuständigkeiten hingewiesen werden. Praxistipp Fließdiagramme als Bausteine anlegen, z. B. Teil 1 bis zum Flüssigprodukt, Teil 2 die Trocknung, um sie bei mehreren Produkten verwenden zu können. © Behr’s Verlag, Hamburg Erläuterungen zum folgenden Beispiel: – Spalte Input: Es wird der Auslöser oder die Anweisung genannt – CCP: Das Ergebnis der Studie ist hier schon nachgetragen – Das Symbol stellt eine Mess-Skala durch die Lupe gesehen dar und wird im Betrieb zur örtlichen Kenntlichmachung der CCPs verwendet – Spalte Output: Es wird das Resultat oder die Aufzeichnung genannt – Spalten D, M, I erläutern die Zuständigkeit (verantwortliche Durchführung, Mitarbeit, Informiert werden) in Form betriebsspezifischer Abkürzungen Hygiene und HACCP 09 07 19 3 IV.4 Eier und Eiprodukte 4.2 2. HACCP-Beispielkonzept zur Herstellung von Eiprodukten Output Palettenschein Stichprobe Prüfanweisung Schaleneier Eingangsprüfung Einlagerung Absetzen, Waschen Aufschlagen/ Separieren CCP1 Filtration Zwischenlagerung Vollei Nr. D Eingangsbuch 1 Eingangsbuch 2 WA Eingangsbuch 3 WA Eingangsbuch 4 WA Eingangsbuch 5 PR Formblatt Filterkontrolle 6 PR Eingangsbuch 7 PS Tankliste 8 MA M I QS Abb. 4.2-1 Fließdiagramm zum Beispiel Volleipulverherstellung 4 Hygiene und HACCP 09 07 19 © Behr’s Verlag, Hamburg Input IV.4 Eier und Eiprodukte 4.2 2. HACCP-Beispielkonzept zur Herstellung von Eiprodukten Input Output CCP3 © Behr’s Verlag, Hamburg Prüfanweisung Kundenwunsch CCP4 Pasteurisieren Kühlen/Lagerung Sprühen Beimischung Kontrollsiebung Metalldetektor Verpacken Freigabe Versenden D M I 8 Vollei CCP2 Nr. Pasteurprotokoll 9 PS Temperatur überwachung 10 PS Trocknerprotokoll Feststoff 11 AB Trocknerprotokoll 12 AB Siebüberwachung Trocknerprotokoll 13 AB Detektorüberwachung Trocknerprotokoll 14 AB Labormuster 15 AB QS QS Lieferschein 16 VS Volleipulver QS QS 17 Abb. 4.2-1 Fließdiagramm zum Beispiel Volleipulverherstellung (Forts.) Hygiene und HACCP 09 07 19 5 IV.4 Eier und Eiprodukte 4.2 2. HACCP-Beispielkonzept zur Herstellung von Eiprodukten Schritt 5: Fließdiagramm im Betrieb überprüfen In den jeweiligen Bereichen vor Ort muss die Übereinstimmung mit den tatsächlichen Gegebenheiten festgestellt werden. Praxistipp Die örtlichen Mitarbeiter bei dieser Gelegenheit ansprechen und einbeziehen. Alle denkbaren Gefahren hinsichtlich der Sicherheit des Lebensmittels sollen gesammelt werden. Als Quelle können z. B. die Fachliteratur, bereits aufgetretene Probleme, die Erfahrung der Teammitglieder und nicht zuletzt der gesunde Menschenverstand herangezogen werden. Nicht voreilig Gefahren ausschließen! Praxistipp Die benannten Gefahren können nach ihrer Quelle geordnet werden: Rohstoff, Prozess, Endprodukt. Schritt 7: Gefahren bewerten In diesem Schritt wird das Ausmaß und die Wahrscheinlichkeit der Gefahr abgeschätzt. Dabei sollen diejenigen Gefahren erkannt werden, deren Risiko sich als untragbar erweist. Schritt 8: Lenkungsmaßnahmen erwägen Für viele der festgestellten Gefahren kann das Ausmaß oder die Wahrscheinlichkeit des Auftretens durch Maßnahmen im Prozess verringert werden. Für die Gefahren, deren Risiko untragbar erscheint, müssen Lenkungsmaßnahmen vorgesehen werden (siehe Tab. 4.2-2). 6 Hygiene und HACCP 09 07 19 © Behr’s Verlag, Hamburg Schritt 6: Mögliche Gefahren benennen IV.4 Eier und Eiprodukte 4.2 2. HACCP-Beispielkonzept zur Herstellung von Eiprodukten Praxistipp Bestimmten Gefahren kann nur außerhalb des betrachteten Prozesses begegnet werden, z. B. dem Problem unsachgemäßer Zubereitung. Eine solche Feststellung hat Auswirkungen auf die Schritte 2. Produktbeschreibung und 3. Bestimmungsgemäße Verwendung und auf die Aufmachung und Deklaration des Produktes. Hinweis © Behr’s Verlag, Hamburg Um die Tabelle nicht zu überfrachten, Begründungen und Erläuterungen im Protokoll der HACCP-Sitzung oder einem HACCP-Bericht festhalten. Tab. 4.2-2 Lenkungsmaßnahmen für mögliche Gefahren Produkt Volleipulver mögliche Gefahr (P: physikalisch, C: chemisch, B: biologisch) Gesund- Wahrheitsscheingefahr lichkeit P: Fremdkörper, Schalenreste, Schmutz, Verklumpung gering mäßig Obligate Siebung bei der Weiterverarbeitung C: Kontamination mit Rückständen von Arznei-, Pflanzenschutzmitteln, Schwermetallen, Umwelttoxinen gering gering Schadstoff-Monitoring C: Kontamination mit Rückständen von Chemikalien, Schwermetallen, Umwelttoxinen über Verpackung gering gering Neue, lebensmittelechte Verpackungen B: Pathogene Mikroorganismen: Salmonellen können auswachsen hoch hoch Obligate Pasteurisation bei der Weiterverarbeitung, kühlen des Zwischenprodukts, geringe Restfeuchte B: Kontaminierte Verpackung gering gering Neue, lebensmittelechte Verpackungen B: Kontaminierte Zusatzstoffe gering gering Lieferantenzertifikat Eigangskontrolle ... ... ... ... Hygiene und HACCP 09 07 19 Lenkung 7 IV.4 Eier und Eiprodukte 4.2 2. HACCP-Beispielkonzept zur Herstellung von Eiprodukten Schritt 9: Entscheidende Lenkungspunkte festlegen – Entscheidungsbaum anwenden Aus der Vielzahl der Lenkungspunkte im Prozessablauf werden diejenigen besonders berücksichtigt, die für die Produktsicherheit entscheidend sind, an denen also ein ansonsten untragbares Risiko ausgeschlossen oder hinreichend vermindert wird. Als Hilfsmittel zur systematischen Analyse werden sog. Entscheidungsbäume verwendet, die vier Kernfragen umfassen: 1. Ist eine Lenkung an dieser Stelle möglich und erforderlich? 2. Ist diese Prozess-Stufe eigens zur Beherrschung eines Risikos eingerichtet? 3. Könnte später im Prozess das Risiko wieder in untragbarem Ausmaß entstehen? Diese Formalisierung gestattet, die Einstufung des jeweiligen Schrittes in einer Abbildung nachzuvollziehen (vgl. Abb 4.2-2). Allerdings sollten diese förmlichen Ergebnisse auf ihre Sinnhaftigkeit geprüft werden. Schritt 10: Grenzwerte für jeden CCP festlegen Es ist festzulegen, wie eindeutig festgestellt werden kann, ob das Risiko an dieser Stelle „unter Kontrolle“ ist. Je nach Gegebenheit werden messbare Grenzwerte oder objektive JA/NEIN-Entscheidungen vorgesehen. Schritt 11: Überwachung eines jeden CCP einrichten Die Einhaltung des Grenzwertes ist ständig zu überwachen. Die zweckmäßige Bemessung der Kontrollabstände – sofern nicht eine automatische Überwachung besteht – richtet sich zunächst nach der Geschwindigkeit, mit der sich der beobachtete Parameter ändern kann, der Reaktionszeit, die benötigt wird, um zu verhindern, dass ein unsicheres Produkt in Verkehr gelangt. Weiter spielen wirtschaftliche Überlegungen eine Rolle, so der Mengenumfang der Fehlproduktion, die möglicherweise entsteht. 8 Hygiene und HACCP 09 07 19 © Behr’s Verlag, Hamburg 4. Gibt es einen folgenden Prozess-Schritt, durch den die Beherrschung des Risikos sichergestellt wird? IV.4 Eier und Eiprodukte 4.2 2. HACCP-Beispielkonzept zur Herstellung von Eiprodukten Frage 1: Ist eine Lenkung an dieser Stelle möglich und erforderlich? Ja Nein Frage 2: Ist diese ProzessStufe eigens zur Beherrschung eines Risikos eingerichtet? Kein CCP Stopp Kein CCP Stopp © Behr’s Verlag, Hamburg Nein Ja Frage 3: Könnte später im Prozess das Risiko wieder in untragbarem Ausmaß entstehen? Ja Nein Frage 4: Gibt es einen folgenden Prozess-Schritt, durch den die Beherrschung des Risikos sichergestellt wird? Ja Kein CCP Nein CCP Stopp Abb. 4.2-2 Entscheidungsbaum Hygiene und HACCP 09 07 19 9 IV.4 Eier und Eiprodukte 4.2 2. HACCP-Beispielkonzept zur Herstellung von Eiprodukten Tab. 4.2-3 Gefahrenanalyse der identifizierten Gefahren und Identifizierung der CCPs Prozessschritt im Fließdiagramm mögliche Gefahr (P: physikalisch, C: chemisch, B: biologisch 2. Eingangsprüfung Steuerungsmaßnahme CCP ? Eingangskontrolle nein Reiningung lt. Reinigungsplan nein Grenzwert Überwachung/ Lenkung Aufzeichnung Stichprobe/ Reklamation, Rückweisung jede Lieferung Vermeidung Stichkontrolle, Abstrich jede Reinigung/jede Kontrolle X mm Siebkontrollen/ Produktsperrung bei Mängeln der Siebanlage 2 x täglich x °C Temperaturüberwachung/ Automatische Produktrückführung kontinuierlich < 4 °C Temperaturüberwachung/ Produktsperrung kontinuierlich 3. Einlagerung 5. Aufschlagen 6. Siebung C: Kontamination mit Reinigungs- und Desinfektionsmitteln, B: Kontamination mit Produktrückständen P: Fremdkörper, Schalenreste, Schmutz Filter ja 7. Zwischenlagerung 9. Pasteurisation 10. Kühlen/ Lagern 10 B: Temperatur nicht erreicht, als Folge Salmonellengefahr Temperaturüberwachung B: Temperatur nicht erreicht, als Folge Keimaufwuchs Temperaturüberwachung ja ja Hygiene und HACCP 09 07 19 © Behr’s Verlag, Hamburg 4. Absetzen, Waschen IV.4 Eier und Eiprodukte © Behr’s Verlag, Hamburg 4.2 2. HACCP-Beispielkonzept zur Herstellung von Eiprodukten Prozessschritt im Fließdiagramm mögliche Gefahr (P: physikalisch, C: chemisch, B: biologisch Steuerungsmaßnahme CCP ? Grenzwert Überwachung/ Lenkung Aufzeichnung 11. Sprühen B: Restfeuchte zu hoch, als Folge Keimaufwuchs Feuchteschnell bestimmung nein < X% Dokumentierte Kontrolle/ Produktsperrung bei Abweichung Stündlich 12. Beimischung B: Kontaminierte Zusatzstoffe Lieferantenerklärung, Eingangskontrolle nein Vermeidung Stichprobe/ Reklamation, Rückweisung jede Lieferung 13. Kontrollsiebung P: Fremdkörper, Verklumpung Sieb X mm Dokumentierte Siebkontrolle/ Produktsperrung bei Mängeln jede Charge Dokumentierte Detektorkontrolle/ Produktsperrung bei Mängeln jede Charge Dokumentenkontrolle/ Rückweisung Reklamation ja 14. Metalldetektor 15. Abfüllen P: Fremdkörper Überwachung nein X mm ferritisch; Y mm Edelstahl B: Kontaminiertes Verpackungsmaterial Lieferantenerklärung nein Vermeidung 16. Versand Hygiene und HACCP 09 07 19 11 IV.4 Eier und Eiprodukte 4.2 2. HACCP-Beispielkonzept zur Herstellung von Eiprodukten Schritt 12: Korrekturmaßnahmen vorsehen Für den Fall, dass der Grenzwert überschritten ist, werden Lenkungsmaßnahmen festgelegt, die verhindern, dass von solchem „riskanten“ Produkt eine Gefahr ausgeht. Praxistipp Nachdem die Aufgabe, ein möglicherweise unsicheres Produkt zurückzuhalten, bewältigt ist, gilt es, Korrektur- und Vorbeugemaßnahmen einzuleiten, mit dem Ziel, das erneute Auftreten des gleichen Problems zu verhindern. Die Wirksamkeit des HACCP-Konzeptes muss regelmäßig überprüft werden. Eine Überarbeitung der Studie ist bei Änderungen an Prozess oder Produkt erforderlich, regelmäßig aber mindestens im Jahresabstand anzuraten. Praxistipp Oft können vorhandene Routinen, wie Endkontrollen, Auditergebnisse usw. herangezogen werden. Schritt 14: Anweisungen und Aufzeichnungen festlegen Die Mitarbeiter müssen über die erforderliche Tätigkeiten und Aufzeichnungen informiert und geschult sein. Da eine gesetzliche Verpflichtung zur Anwendung der HACCPMethode besteht, müssen Vorgabedokumente und Nachweisfomulare erstellt sowie gepflegt werden. Die Mitarbeiter müssen über die besondere Verantwortung belehrt worden sein, wenn ihr Arbeitsplatz und ihre Aufgaben einen CCP einschließen. 12 Hygiene und HACCP 09 07 19 © Behr’s Verlag, Hamburg Schritt 13: Verfahren zur Absicherung einrichten