Praxis der Depressionsbehandlung Kapitel 11 „Praxis der Kombinations- und Augmentationsbehandlung bei Nichtansprechen auf antidepressive Monotherapie“ Therapeutenhilfe 11.8 „Augmentation mit Schilddrüsenhormon“ 11.8 Augmentation mit Schilddrüsenhormon Klinische Wirksamkeit Positive Effekte niedrig dosierter T3-Therapie als Zusatz zu einer Trizyklikabehandlung wurden in einer großen Anzahl von offenen Studien mit mehr als 200 Patienten beschrieben, wobei die meisten Studien 25-37,5 mcg/d einsetzten, um die Response auf trizyklische Antidepressiva zu potenzieren (Bauer und Whybrow 2001; Joffe und Sokolov 1994). Eine 3armige, doppelblinde, kontrollierte Studie zeigte ähnliche Wirksamkeit der Augmentation mit T3 und Lithium im Vergleich zu Plazebo (Joffe et al. 1993a,b). Insgesamt ließen sich in einer Metaanalyse (Aronson et al. 1996) jedoch keine eindeutigen Resultate zugunsten der T3-Augmentation von Trizyklika feststellen. Bisher liegen nur 2 prospektive offene Studien zur Wirkung einer T3-Augmentation von SSRIs bei therapieresistenten depressiven Patienten vor. Agid und Lerer (2003) beschreiben 40 % Responder auf eine T3-Augmentation von SSRIs, wobei erstaunlicherweise alle T3-Responder Frauen waren. Die Autoren stellten deshalb die Hypothese einer differenziellen geschlechtsspezifischen Wirksamkeit einer T3Augmentation von SSRIs auf. Iosifescu et al. (2005) berichten über 35 % Responder und 30 % Remitter einer T3-Augmentation von SSRIs bei 20 therapieresistenten depressiven Patienten. Auch die STAR*D-Studie (eine prospektive, randomisierte, jedoch nicht plazebokontrollierte Studie) kommt mit Remissionsraten von 24,7 % nach einer durchschnittlichen Behandlungsdauer von 9,6 Wochen nicht gerade zu völlig überzeugenden Resultaten einer T3-Augmentation als dritter Behandlungsoption für Patienten mit einer Major Depression (Nierenberg et al. 2006). Eine geringe Anzahl von offenen Studien (Bauer et al. 1998) berichtete bei Verwendung von höheren, supraphysiologischen Dosierungen von T4 über Responseraten von über 50 % bei therapieresistenten depressiven Patienten. Zusammenfassend ist zur Wirkung der Augmentationstherapie trizyklischer und neuerer Antidepressiva mit T3 anzuführen, dass der antidepressive Effekt dieser Behandlung üblicherweise in den ersten 2–3 Wochen eintritt und die Behandlung bei unzureichendem Erfolg auch nach diesem Zeitraum wieder abgesetzt werden kann. Auch im Falle einer Remission der depressiven Symptomatik und Schilddrüsenhormongabe kann nach 4–5 Wochen ein Absetzversuch unternommen werden, ohne dass ein Rezidiv zu erwarten ist (Stein und Avni 1998). Insgesamt ist jedoch unklar, weshalb eine niedrige T3-Dosierung bei chronischer Applikation zu erhöhten Spiegeln der T3-Konzentration im Serum oder gar in einzelnen Organen führen sollte. Denn eine T3-Zusatzmedikation wird über den bekannten 2017, Springer-Verlag Berlin Heidelberg. Aus: Konrad (Hrsg.) Praxis der Depressionsbehandlung Praxis der Depressionsbehandlung Kapitel 11 „Praxis der Kombinations- und Augmentationsbehandlung bei Nichtansprechen auf antidepressive Monotherapie“ Therapeutenhilfe 11.8 „Augmentation mit Schilddrüsenhormon“ Feedback-Mechanismus zu einer Hemmung des TSH sowie im Folgenden der T4-Sekretion führen, und somit werden vermutlich innerhalb relativ kurzer Zeit die physiologischen T3Spiegel wiederhergestellt sein. Genau dieser Mechanismus könnte auch vielleicht die oben beschriebene Wirkung von T3 in der Zeitachse erklären: In den ersten 4 Wochen ließ sich eine antidepressive Wirkung in einigen Studien nachweisen, nach Ablauf von 4 Wochen aber in keiner einzigen mehr (Baumgartner 1993). Joffe et al. (1984) stellten demgegenüber die Hypothese auf, dass der antidepressive Effekt von T3 gerade auf Grund der über den Feedback-Mechanismus erzeugten Absenkung der Serum T4-Spiegel hervorgerufen werden könnte – sozusagen in Analogie der entsprechenden Wirkung von Antidepressiva (Baumgartner 1993). Unerwünschte Arzneimittelwirkungen Nahezu alle Studien, in denen T3 in einer Dosierung von 25–50 mcg/d zu Standarddosen von trizyklischen Antidepressiva und SSRI verabreicht wurde, haben diese Augmentationsbehandlung als sicher bezeichnet. Sie erhöht weder die Zahl der üblichen unerwünschten Arzneimittelwirkungen einer der beiden Substanzen, noch produziert sie signifikante additive Effekte (Goodwin et al. 1982; Targum et al. 1984; Whybrow und Prange 1981). Literatur Agid O, Lerer B (2003) Algorithm‐based treatment of major depression in an outpatient clinic: clinical correlates of response to a specific serotonin reuptake inhibitor and to triiodothyronine augmentation. Int J Neuropsychopharmacol 6:41‐49 Aronson R, Offman HJ, Joffe RT et al (1996) Triiodothyronine augmentation in the treatment of refractory depression. A meta‐analysis. Arch Gen Psychiatry 53:842‐848 Bauer M, Whybrow PC (2001) Thyroid hormone, neural tissue and mood modulation. World J Biol Psychiatry 2:57‐67 Bauer M, Hellweg R, Gräf KJ, Baumgartner A (1998) Treatment of refractory depression with high‐ dose thyroxine. Neuropsychopharmacology 18:444‐445 Goodwin FK, Prange AJ, Post RM et al (1982) A potentiation of antidepressant effect by l‐ triiodothyronine in tricyclic nonresponders. Am J Psychiatry 139:34‐38 Iosifescu DV, Nierenberg AA, Mischoulon D et al (2005). An open study of triiodothyronine augmentation of selective serotonin reuptake inhibitors in treatment‐resistant major depressive disorder. J Clin Psychiatry 66:1038‐1042 Joffe RT, Sokolov ST (1994) Thyroid hormones, the brain, and affective disorders. Crit Rev Neurobiol 8:45‐63 Joffe RT, Roy‐Byrne PP, Uhde TW, Post RM (1984) Thyroid function and affective illness: a reappraisal. Biol Psychiatry 19:1685‐1691 2017, Springer-Verlag Berlin Heidelberg. Aus: Konrad (Hrsg.) Praxis der Depressionsbehandlung Praxis der Depressionsbehandlung Kapitel 11 „Praxis der Kombinations- und Augmentationsbehandlung bei Nichtansprechen auf antidepressive Monotherapie“ Therapeutenhilfe 11.8 „Augmentation mit Schilddrüsenhormon“ Joffe RT, Singer W, Levitt AJ, MacDonald C (1993a) A placebo‐controlled comparison of lithium and triiodothyronine augmentation of tricyclic antidepressants in unipolar refractory depression. Arch Gen Psychiatry 50:387‐393 Joffe RT, Schuller DR (1993b) An open study of buspirone augmentation of serotonin reuptake inhibitors in refractory depression. J Clin Psychiatry 54:269‐271 Nierenberg AA, Fava M, Trivedi MH (2006) A comparison of lithium and T3 augmentation following two failed medication treatments for depression: A Star*D report. Am J Psychiatry 163:1519‐1530 Stein D, Avni J (1998) Thyroid hormones in the treatment of affective disorders. Acta Psychiatr Scand 77:623‐636 Targum SD, Greenberg RD, Harmon RL et al (1984) Thyroid hormone and the TRH stimulation test in refractory depression. J Clin Psychiatry 45:345‐346 Whybrow PC, Prange AJ Jr (1981) A hypothesis of thyroid‐catecholamine receptor interaction. Arch Gen Psychiatr 38:106‐113 2017, Springer-Verlag Berlin Heidelberg. Aus: Konrad (Hrsg.) Praxis der Depressionsbehandlung