kaiser maximilian i. - Thomas Henne Fotodesign

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Die umfangreiche Sammlung
aus dem Kunsthistorischen
Museum in Wien zu Gast
in Mannheim: Seltene und
einzigartige Stücke sind hier
zu sehen und entführen den
Besucher in eine Welt vor 500
Jahren.
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KAISER MAXIMILIAN I.
DER LETZTE RITTER UND DAS HÖFISCHE TURNIER
Die Reiss-Engelhorn-Museen
entführen in die mythische Welt der Blütezeit der Ritter
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aiser Maximilian I. (1459-1519) war einer der populärsten Herrscher aus dem Hause Habsburg und
regierte an der Schwelle vom Mittelalter zur Neuzeit.
Seine besondere Leidenschaft galt dem Turnier, das zu
seiner Zeit nicht mehr der Kriegsvorbereitung diente, sondern
fester Bestandteil des höfischen Lebens war. Turniere waren
rauschende und kostspielige Feste, die oft mehrere Tage
dauerten. Maximilian selbst war einer der erfolgreichsten
Turnierkämpfer aller Zeiten. Er bestritt zahlreiche Wettkämpfe
und präsentierte sich gern als strahlender Ritter. Noch im 19.
Jahrhundert galt er als Sinnbild der ritterlichen Tugenden und
ging als „der letzte Ritter“ in die Geschichte ein.
Maximilian erhielt in seiner Jugend eine breite Bildung,
bei der er neben Latein, Italienisch oder Slowenisch auch
wichtige Fertigkeiten einer ritterlich-höfischen Kultur erlernte. Zu diesen Fertigkeiten gehörten neben dem Umgang mit
Turnier- und Kriegswaffen auch der Tanz und die Jagd. Die
Heirat Maximilians mit Maria von Burgund war das bedeu-
tendste Ereignis in seiner Jugend, denn die burgundische Kultur
prägte Maximilian fortan.
Er war ein Meister der Selbstinszenierung: Gemälde, Skulpturen
und Graphiken, dienten zuallererst der politischen und dynastischen
Eigenwerbung.
Maximilian versuchte durch eine breit angelegte Bündnispolitik
seine finanzielle Schwäche zu kompensieren, die seine Krönung zum
Kaiser in Rom vereitelte. Er nahm aber mit Billigung von Papst Julius
II. 1508 im Dom zu Trient den Titel eines „Erwählten Römischen
Kaisers“ an. Maximilians Ehrgeiz endete nicht bei der Kaiserwürde
– 1511 wollte er auch die päpstliche Würde annehmen, um so die
höchsten Ämter auf sich zu vereinigen.
Maximilians Leben wurde durch zahllose Kriege bestimmt. Schon
kurz nach seiner Heirat mit Maria von Burgund wurde er im Konflikt
um das burgundische Erbe in einen Krieg verwickelt.
Seinen ersten großen Erfolg hatte er 1479 in der Schlacht bei
Guinegate, in der er die französische Armee besiegte. In dem
Bürgerkrieg, der nach dem Tod seiner Gemahlin in den Niederlanden
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Eine Originalrüstung von Maximilian I. empfängt den
Besucher am Eingang zur Ritterwelt in den REM.
Übergroße Darstellung einer Ritter-Zeltstadt.
ausbrach, schuf Maximilian aus deutschen Söldnern die neue Truppe der
Landsknechte. Er setzte diese bei der
Rückeroberung von Niederösterreich
und Wien ein und unternahm mit den
Söldnern einen Vorstoß nach Westungarn
und Ofen. Maximilian war militärisch
begabt. Mehrmals scheiterten seine
Feldzüge aber an akutem Geldmangel.
Dank seiner Erfahrungen im niederländischen
Krieg
entwickelte
Maximilian großes Interesse an der
modernen Artillerie. Tirol bot mit seinen
Kupferbergwerken ein ideales Umfeld für den Kanonenguss. Die
schweren Geschütze bewährten sich besonders im bayerischpfälzischen Erbstreit bei der Eroberung der Festung Kufstein. Kurz
nach der Jahrhundertwende stellte Maximilian nach burgundischfranzösischem Vorbild Kürisser auf. Diese schweren Reiter wurden
aus dem Adel rekrutiert. Häufig aber fehlte Maximilian für dauerhafte Erfolge der lange Atem. Und waren die militärischen Siege nicht
schnell erreichbar, fehlte meist das Geld.
Als gegen Ende des 15 Jahrhunderts die Feuerwaffen und eine
moderne Kriegsführung eine Ritterrüstung und den Kampfstil eines
Ritters ad absurdum führten, entwickelte sich die höfische Sportart
„Tjosten“. Die Rüstungen wurde zu Hightech-Sportausrüstungen
und waren zu dieser Zeit auf den Zweikampf auf den Turnierfeld und
nicht auf dem Schlachtfeld angepasst. Es ging zwar nicht mehr um
Leben und Tod, daher bekamen die Lanzen auch Sollbruchstellen,
damit Verletzungen nicht tödlich enden sollten, aber dennoch gab
es natürlich immer wieder schwere Un- und Todesfälle.
Turniere entwickelten sich zu einem wichtigen Teil des höfischen Festes. Sie dienten nicht nur der sportlichen Übung und
der Belustigung, sondern hatten für Maximilian eine staatstragende und herrschaftslegitimierende Funktion. Große politische
Ereignisse wurden mit Turnieren gefeiert. Mit ihnen strich er seine
eigene Bedeutung hervor. In der sichtbaren Realisierung der alten
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Rittertugenden drückte sich das hohe Ideal des Turniers aus.
Maximilian und die anderen adeligen Teilnehmer beschworen
in ihm die große Vergangenheit der eigenen Familien herauf.
Harmloser als die reale Schlacht, waren Turniere aber doch
ein sehr gefährlicher Sport. Das höfische Fest war für den
Kaiser aber auch ein äußerst kostspieliges Ereignis. Mit ihm
konnte er ein Zeichen der Grosszügigkeit und des Reichtums
setzen, auch wenn er das Geld dafür von den Fuggern
oder anderen Geldgebern leihen musste. Möglicherweise
sollte so die Erinnerung an den bescheidenen Hof seines
Vaters Friedrich III. verblassen. Die Turniere verstärkten das
Zusammengehörigkeitsgefühl der verschiedenen Adeligen.
Dies war für die habsburgischen Herrscher besonders wichtig,
regierten sie doch ein sehr heterogenes Reich mit weit verstreuten Gebieten.
Ein höfisches Ritterturnier folgte unter
Maximilian einer strengen Abfolge
verschiedener Kampfarten:
Beim „Stechen“ versuchten die Gegner sich mit stumpfen Lanzen aus dem Sattel zu heben. Für diesen elitären
Turniersport wurde im späten 15. Jahrhundert das Stechzeug
entwickelt. Diese Spezialausrüstung wog ca. 40-45 kg und
Szenen beim Fußkampf- Darstellungen aus dem Turnierbuch Freydal.
ein mächtiger gewölbter Schild. Die rechte Seite schützte der
war damit etwa doppelt so schwer wie ein Feldharnisch. Beim
Brechschild, der über die Rennlanze gesteckt war.
Stechzeug zur Zeit Maximilians war der Stechhelm am BrustFür die spektakuläre Sonderform des maximilianischen Turniers,
und Rückenharnisch festgeschraubt, damit sich der Turnierer
dem Geschifttartschenrennen, wurden Bruststücke mit einem kombei einem gegnerischen Stoß nicht das Genick brach. Um den
plizierten Federmechanismus konstruiert. Traf die gegnerische Lanze
Kopf des Reiters vor dem Anprall des gegnerischen Speers
ins Zentrum des vorgesetzten Schildes, wurden dieser sowie lose,
zu schützen, war dieser von einer Helmhaube umschlossen.
blecherne Dreiecke über den Reiter hinweg in die Luft katapultiert.
Dem Rüsthaken als vordere Auflage für die schwere Lanze
Der „Fußkampf“, der sein Vorbild im ernsten Duell hatte, war
entsprach beim Stechzeug ein langer Rasthaken als rückwärneben dem Kampf zu Pferd ein weiterer rittertiges Widerlager für das Lanzenende. Mithilfe
licher Wettstreit. Kurz vor 1500 wurde dieser
der Haken blieb die Lanze im Gleichgewicht.
Zweikampf mit Spieß, Streitaxt, Schwert oder Dolch
Man zielte gleichsam mit dem ganzen Körper
ausgetragen, doch konnte nahezu jede Art von
auf den Gegner. An der Brust wurde zusätzHandwaffen verwendet werden. Oft trugen die
lich ein hölzerner, lederüberzogener Schild
Kämpfer einen kleinen Schild, den sie meist gegenmontiert. Auch die wertvollen und gut
einander schleuderten, bevor sie sich angriffen. In
dressierten Pferde schützte man sorgfältig.
den Herausforderungen konnte die Zahl der Hiebe
Um ein Scheuen zu vermeiden, trugen sie
begrenzt sein oder ausdrücklich vermerkt werden,
Rossstirnen ohne Augenlöcher und meist
dass der Kampf fortzusetzen sei, bis einer der beiauch Schellenkränze. Das Pferd war so all
den Turnierer zu Boden ging. Hohes Stehvermögen
seiner Sinne beraubt und folgte nur den
und große Beweglichkeit waren nötig, um den
Befehlen des Reiters, der das Tier in möglichst
gegnerischen Hieben auszuweichen.
gerader Linie auf den Gegner zubewegte.
Ähnlich dem heutigen Boxkampf fand dieser
Das „Rennen“ wurde zu Pferd durchZweikampf in einem „Ring“, einem abgegrenzgeführt und war wegen der Verwendung
ten Feld statt. Auch für diese Sportart hatte
von spitzen Lanzen deutlich gefährlicher als
sich ab 1450 eine Spezialrüstung entwickelt, der
das „Stechen“. Da im Rennen der eigene Porträt Maximilian I.
Kunsthistorisches Museum, Wien;
Kempfküriss. Er zeichnete sich vor allem durch ein
Mut bewiesen werden konnte, zog es vor Gemäldegalerie nach Bernhard
Faltenvisier des schweren Helms aus, das das ganze
allem junge, aufstrebende Adelige an. Mit der Strigel, nach 1507
Gesicht verdeckte. Vorteile waren eine bessere
Förderung dieser Turniervariante versuchte
Sicht und leichteres Atmen dank der zahlreichen Löcher im Visier.
Maximilian besonders diese Gruppe an sich zu binden.
Der auffällige, weite Tonnenrock aus eisernen Reifen schützte die
Um 1485-1490 kam für diese Turnierart das Rennzeug
Leibesmitte und die Oberschenkel, wodurch auch das Beinzeug
auf, eine spezielle Ausrüstung in Anlehnung an den spätgotiunter diesem Rock der größeren Beweglichkeit wegen leichter
schen Halbharnisch. Zu diesem gehörte der Rennhut, ein verwurde. Die noch erhaltenen Stücke des frühen 16. Jahrhunderts
stärkter Helm in Form einer Schaller, und ein am Brustharnisch
sind durchweg Arbeiten Mailänder Plattner.
befestigter steifer Bart, der Hals- und Kinnpartie schützte.
Zum Abschluss des Turnieres gab es die festlichen „Mummereyen“,
Den Rennhut ergänzte ein an der Brust angeschraubtes
die prunkvollen Maskenbälle. Einen guten Überblick über diese
Magenblech mit knielangen Schößen. Das Rückenstück hatte
kostümierten Tanzveranstaltungen aus der Zeit Maximilians bieein angenietetes, trapezförmiges Schwänzel, das den Reiter
tet sein reich illustriertes Turnierbuch „Freydal“. In ihm schildert
beim Sturz vor Verletzungen der Wirbelsäule schützen sollte.
Maximilian seine ritterliche Minnefahrt und erinnert damit in stiLinke Schulter, Arm und Brust verdeckte die Renntartsche,
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Großartige lebensechte Szenendarstellungen lassen die Atmosphäre bei einem
Ritterturnier zu Zeiten Maximilians erahnen.
lisierter Form an seine Werbung um Maria von Burgund. An 64
Turnierhöfen geht er nicht nur bei 192 Kämpfen als Sieger hervor,
sondern er tanzt auch auf 64 Maskenbällen, bis ihn endlich seine
von ihm heiß geliebte erste Frau, Maria von Burgund, erhört.
Vor den „Mummereyen“ gab es vielgängige Gastmähler. Nach
einem strengen Protokoll wurden die Gäste an die reich dekorierten
Tische gesetzt, wobei die Dekoration im Tischzentrum auf das allegorische Thema des Festes anspielen konnte.
Die Ausstellung in den REM vereint rund 150 hochkarätige
Leihgaben aus dem Kunsthistorischen Museum in Wien: kostbare
Waffen und Rüstungen, prachtvolle Gemälde, Textilien, Medaillen
sowie kunstvoll illustrierte Handschriften.
Mitmachstationen, aufwändige Inszenierungen und Filme runden das Erlebnis für große und kleine Besucher ab.
Besondere Höhepunkte sind die Originalrüstungen und Waffen,
mit denen Kaiser Maximilian selbst vor mehr als fünfhundert Jahren
seinen Gegnern entgegentrat, und der „Freydal“, eines der kostbarsten Turnierbücher der Welt. Die Ausstellung zeigt zahlreiche
Einzelseiten dieses wertvollen Bildbandes, der durch seine lebendigen,
detailreichen und farbenfrohen Illustrationen von höchster Qualität
besticht und noch nie in diesem Umfang gezeigt wurde. Viele Blätter
sind jetzt in Mannheim sogar erstmals öffentlich zu sehen.
Auf jeder Seite ist Maximilian abgebildet – hoch zu Ross, die
Lanze im Anschlag, beim Schwertkampf oder als Fackelträger beim
Maskenball. Normalerweise schlummern diese Kleinode in einem
Spezialdepot in Wien.
In der Sonderausstellung, die Kaiser Maximilian I., seine Politik
und die Vernetzung der Habsburger in Europa vorstellt, steht
der höfische Turniersport unter Maximilian im Vordergrund. Der
Herrscher verband an seinem Hof verschiedene Turniertraditionen
und nutzte ganz bewusst technische Neuerungen und Innovationen
seiner Zeit aus, um die Rüstungen zu verbessern und das Turnier für
die Zuschauer noch spektakulärer zu machen.
Der Besucher erfährt, welche Ausbildung ein Ritter durchlaufen
musste, sieht wie Reiter und Pferd für die Wettkämpfe vorbereitet
wurden und lernt den Ablauf eines Turniers kennen.
Mit der Ausstellung „Kaiser Maximilian I. – Der letzte Ritter
und das höfische Turnier“ setzen die Reiss-Engelhorn-Museen
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Turnierbuch Freydal; Kunsthistorisches Museum, Wien, Kunstkammer
Süddeutsch,
Mannheim und das Kunsthistorische Museum Wien ihre
langjährige Zusammenarbeit fort. Die Präsentation wurde von
den Experten der Hofjagd- und Rüstkammer in Wien speziell
für die Reiss-Engelhorn-Museen konzipiert und so ist sie ausschließlich in Mannheim zu sehen. Die Schirmherrschaft über
die Ausstellung hat mit Seiner Kaiserlichen und Königlichen
Hoheit Karl von Habsburg-Lothringen das Oberhaupt des
Hauses Habsburg übernommen.
Ein umfangreiches Begleitprogramm mit Führungen,
Vorträgen, einer speziellen Familienrallye sowie zahlreichen
Aktionen für Kinder rundet das Angebot ab.
Fotos und Text: Thomas Henne, Reiss-Engelhorn-Museen
Mannheim
Die Ausstellung ist noch bis zum 9. Nov.
in den REM zu sehen.
Öffnungszeiten:
Di – So: 11.00 – 18.00 Uhr, an allen
Feiertagen: 11.00 – 18.00 Uhr,
Mo geschlossen
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