Junges Staatstheater Braunschweig Spielzeit 2016/2017 www.staatstheater-braunschweig.de [email protected] Tel. (0531) 1234 542 Hau’s um! │2+ Theater für die Allerkleinsten von Esther Jurkiewicz und Ensemble Uraufführung. Stückentwicklung Materialmappe Der Drang Dinge kaputt zu machen und durch die Gegend zu werfen begegnet uns immer wieder und beginnt schon in ganz jungen Jahren. Es sind aber gleichzeitig Momente des Schöpfens und Aufbauens. Warum ist gerade das Theater für die Allerkleinsten so wichtig und sinnvoll? Welche Chancen bietet diese spezielle Theaterform? »Der Mensch ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.« (Friedrich Schiller) Willkommen zum Theater für die Allerkleinsten! »Der Mensch ist nur da ganz Mensch, wo er spielt«. So lautet ein viel zitierter Schlagsatz aus Friedrich Schillers »Die ästhetische Erziehung des Menschen«. Dem voraus geht der Gedanke, dass der Mensch erst zum Menschen wird, dadurch dass sich die Welt erspielt. Die Psychologie nennt diesen Instinkt den Explorationstrieb. Er beschreibt den natürlichen Drang des Kindes, die Welt und die in ihr vorkommenden Dinge zu verstehen. Und es genügt ihnen nicht, sie nur zu beobachten. Sie wollen entdecken, dass es bestehende Ordnungen in der Welt gibt, und dass diese veränderbar sind. Ausdruck findet dieser Drang schon sehr früh: Gegenstände in der Wohnung werden von allen Seiten beobachtet, später dann berührt und befühlt. Schließlich folgt der Griff danach, das Objekt der Begierde wird in die Hand genommen, gedreht, gewendet, geworfen. Verschiedene Objekte werden miteinander kombiniert, gestapelt und umgeschmissen. Wenn Eltern diese Prozesse mit ihren Kindern gemeinsam gestalten, fördern sie Kommunikation über Worte hinaus, zum Notwendigen des Kennenlernens der Umgebung kommt das Schöne hinzu und es entsteht Poesie, Kunst, Theater. Das Theater für die Allerkleinsten rückt Phänomene des Alltags ganz junger Menschen in den Fokus. Es greift Erfahrungen auf, die den Zuschauern vielleicht schon vertraut sind, denen sie im Theater aber nochmal neu und in abstrahierter und ästhetisch zugespitzter Form begegnen können. Erzählt wird keine narrative Geschichte, es geht vielmehr um schauspielerisch erzeugte Bilder und Vorgänge, die mit dem Publikum geteilt werden. Unsere neue Produktion »Hau’s um!« beschäftigt sich mit Chaos und (Un)Ordnung, mit Aufbauen und Kaputtmachen. Zwei Spieler/innen erleben einen Raum voller Objekte, der in einer bestehenden Ordnung erst mal als naturgegeben erscheint. Nach und nach entdecken sie, dass diese Ordnung gar nicht so bleiben muss, wie sie ihnen zunächst begegnet. Sie beginnen, sie zu verändern und neue Konstellationen zu finden. Nach der Vorstellung können die Kinder selbst mit Ordnung und Chaos an verschiedenen Stationen spielen und experimentieren. In dieser Materialmappe befinden sich Informationen zu den Themen der Inszenierung und Aufgaben zur Vorbereitung Ihres Theaterbesuchs. Wir wünschen viel Spaß hoffen, dass die Produktion neue Eindrücke liefert. Carsten Weber für das Junge Staatstheater Braunschweig Besetzung Inszenierung & Bühne Esther Jurkiewicz Bühne & Kostüme Henriette Hübschmann Musik Arne Ziegfeld Dramaturgie Carsten Weber Theaterpädagogik Theresa Meidinger Mit Ravi Marcel Büttke Anja Dreischmeier Regieassistenz & Spielleitung Vanessa Ohlhof Produktionsassistenz Christine Wagenleiter Ausstattungsleitung / Technische Direktion Thomas Pasternak Ton-, Bühnen- & Beleuchtungstechnik Lennart Illmann, Jens Hanking, Katharina Höffert Leitung Requisite Sascha M. Kaminiski Leitung Kostümabteilung Ernst Herlitzius Leitung Maskenabteilung Nicolas Guth Leitung Ausstattungswerkstätten Petra Röder Produktionsingenieur Stephan Busemann Leitung Malsaal Sonja Bähr Leitung Tischlerei Peter Kranzmann Leitung Schlosserei Armin Zühlke Leitung Deko- & Möbelabteilung Axel Schneider Premiere 12. November 2016 im Haus Drei Aufführungsdauer ca. 40 Minuten, keine Pause Aufführungsrechte liegen beim Theater. Mit freundlicher Unterstützung Anja Dreischmeier, Ravi Marcel Büttke Kontakte Junges(AT)staatstheater-braunschweig.de Tel. (0531) 1234 542 Leiter Junges Staatstheater AndreasSteudtner(AT)staatstheater-braunschweig.de Tel. (0531) 1234 521 Dramaturgie & Organisation KathrinSimshaeuser(AT)staatstheater-braunschweig.de Tel. (0531) 1234 542 Dramaturgie CarstenWeber(AT)staatstheater-braunschweig.de Tel. (0531) 1234 524 Theaterpädagogik TheresaMeidinger(AT)staatsheater-braunschweig.de Tel. (0531) 1234 541 Herausgeber Staatstheater Braunschweig, Am Theater, 38100 Braunschweig Generalintendant Joachim Klement, Verwaltungsdirektor Stefan Mehrens, Leiter Junges Staatstheater Andreas Steudtner, Redaktion Carsten Weber (verantw.), Lars Rehberg Gestaltungskonzept Heinrich Kreyenberg, Fotos Volker Beinhorn Gestaltung, Satz Caroline Drechsel Änderungen vorbehalten Theater für die Allerkleinsten Die jüngsten Zuschauer im Staatstheater sind zwei Jahre. Seit nunmehr sieben Spielzeiten gehört das Theater für die Allerkleinsten fest in den Spielplan. Mit »Hau’s um!« setzt das Junge Staatstheater seine 2011 mit »Anfangen, Anfangen!« begonnene und mit »Um die Ecke« 2012, »Bunt und Weiß« 2013, »Bis später« 2014, »Der kleine häßliche Vogel« und »Mehr Licht!« 2016 weitergeführte Reihe des Theaters für die Allerkleinsten fort. Theater für Zweijährige? Warum ist Theater für die Allerkleinsten wichtig? Kulturelle Bildung von Anfang an! In den vergangenen Jahren ist die frühkindliche Bildung ein immer wichtigeres Thema in der Politik geworden. Viele Förderungsmittel wurden in die Hand genommen um den Kinder schon von klein auf ein kulturelles Grundverständnis mitzugeben. Darum sind besonders Eltern und kulturelle Einrichtungen, wie das Theater, gefordert, um Bildung für die Allerkleinsten zu ermöglichen Wir sind viele Einer der Orte, an denen diese Bildung vermittelt wird, ist das Theater. Hier können die Kinder gemeinsam mit ihren Eltern am öffentlichen Leben teilnehmen und treffen viele andere Kinder. Gemeinsam können sie durch das Erlebnis und den Umgang mit Gegenständen oder Phänomenen neue Erfahrungen machen. So wird der Sozialgedanke gestärkt und es können neue Freundschaften entstehen. Wir sind dabei Die Kinder sind nicht bloß Zuschauer, sondern erleben das Geschehen auf der Bühne mit. Kinder und Künstler erkunden ihre Umgebung auf ähnliche Weise: Sie sind offen und neugierig, vielfach interessiert und experimentieren gern Neues Erlebnis – Entdeckendes Spiel Das Theater für die Allerkleinsten erzählt anders als das für die Erwachsenen. Die mündliche Sprache ist, wie Geschichte und Charaktere, weniger wichtig. Stattdessen werden die Inhalte durch Handlungen, Rhythmen und die Schauspieler vermittelt. Es geht immer um Themen aus dem Alltag und darum, wie sie ihre Welt wahrnehmen. Die verschiedenen Sinneseindrücke stehen an erster Stelle, es geht mehr um das Entdecken als das Erzählen. Vom Schauen zum Tun Nach der Aufführung dürfen die Kleinen selbst spielen. Dem natürlichen Drang zum Entdecken, Ausprobieren und Bewegen wird damit Raum gegeben. Dabei werden Themen und Szenen des Gesehenen wieder aufgegriffen und es besteht die Möglichkeit selber in die Rolle des Schauspielers zu schlüpfen. Ravi Marcel Büttke, Anja Dreischmeier Kinderzimmer-Havarie oder Warum Kinder Dinge kaputt machen Um ihr eine Freude zu machen hat Bernd seiner 3-jährigen Tochter eine dieser Puppen gekauft, die sie sich schon so lange gewünscht hat. So eine, die sprechen kann. Und Schlafgeräusche macht. Marie hat sich auch unglaublich gefreut und ist mit ihrem Geschenk gleich auf ihr Zimmer verschwunden. Als Bernd eine Stunde später neugierig in das Kinderzimmer lugte, traute er seinen Augen nicht: Die Puppe bestand nur noch aus Einzelteilen. Und diese waren dann auch noch mit Kugelschreiber bis zur Unkenntlichkeit bekritzelt. Jetzt hat Bernd genau zwei Alternativen. Er kann sich furchtbar aufregen, seiner Tochter vorhalten wie viel die Puppe gekostet hat und dass sie nie wieder ein Geschenk bekommt, wenn sie gleich immer alles kaputt macht. Oder er kann inne halten. Vielleicht sogar ein bisschen schmunzeln. Und darüber nachdenken, warum Marie die Puppe auseinander genommen hat. Kindheit forscht! Kinder sind Entdecker. Sie sind Forscher und Abenteurer. Sie haben tausend Fragen und möchten sich diese beantworten. Sind im Radio Menschen versteckt? Wie sieht das Innenleben eines Staubsaugers aus? Wachsen die Haare meiner Barbie-Puppe nach? Und was passiert eigentlich, wenn ich den Inhalt einer Zahnpastatube auf dem Perserteppich von Oma verreibe? Dahinter steckt keine böse Absicht. Auch wenn die Eltern-Toleranz in solchen Fällen bis auf das Äußerste strapaziert wird, müssen Mama und Papa das verstehen lernen: Hier wird nichts kaputt gemacht, hier wird geforscht! Und ob der Perserteppich mehrere tausend Euro gekostet hat oder die Puppe nagelneu war, spielt in diesem Moment keine Rolle. Kurz und klein Es gibt natürlich bisweilen andere Gründe, warum Kinder Dinge kaputt machen. Auch sie kennen Wut und Zorn. Da kann man schon mal die ganze Playmobilsammlung in die Ecke pfeffern. Oder trotzig die eigenen Bücher zerreißen. Kindern fehlt noch der Kanal der Kommunikation und Verzweiflung äußert sich in Zerstörung. Sie stoßen an Grenzen und wissen nicht, wie sie diese überwinden können. Erwachsene kennen dieses Gefühl auch („Ich hau gleich alles kurz und klein!“), können sich aber meistens beherrschen, Ärger runterschlucken oder ein anderes Ventil finden. Kindern fehlt diese Möglichkeit noch. […] Der Gedanke zählt Lukas wacht am Sonntag Morgen auf und hat die glorreiche Idee, seinen Eltern ein Frühstück vorzubereiten. Als diese dann eine halbe Stunde später aufstehen und die Küche betreten, trifft sie beinahe der Schlag. Der Orangensaft befindet sich zu zwei Dritteln auf dem Fußboden, die Butter wurde sorgfältig auf der Küchenanrichte verschmiert, der Kühlschrank steht seit einer halben Ewigkeit offen, das Brot wurde in merkwürdig formlose Quader geschnitten und die Wurst sieht inzwischen auch aus wie schon einmal gegessen. Und mittendrin ein Lukas mit Stolz geschwellter Brust. […] „Papa, jetzt schau’ doch mal!“ Kinder machen manchmal ganz bewusst das, was strengstens verboten ist. Warum? Weil sie sich dann und nur dann Ihrer uneingeschränkten Aufmerksamkeit sicher sein können. Beispiel: Das Kind malt schon seit einer gefühlten Ewigkeit an einem Bild. Aber Papa will und will nicht kommen und es sich anschauen, weil er gerade die Sportschau guckt. Hmm. Was mache ich da? Ja, genau. Ich nehme einfach seine heiß geliebten Miles Davis-Platten und kratze mit meinen Buntstiften drauf rum. Dann schaut er ganz bestimmt her. Und: Das Kind hat recht. Die Strategie geht hundertprozentig auf. Auch wenn es eine Schimpftirade über sich ergehen lassen muss, die Aufmerksamkeit, die es wollte, hat es bekommen. Unser Tipp: Nehmen Sie sich Zeit und ignorieren Sie die Aufforderungen Ihres Kindes nicht. Das mag das nämlich genau so wenig wie Sie! Quelle: http://www.vaterfreuden.de/vaterschaft/erziehungsfragen/ kinderzimmer-havarie-oder-warum-kinder-dinge-kaputt-machen Vom Schöpfen und Kaputtmachen. Gedanken zur Inszenierung von Schülerpraktikant Lars Rehfeldt (15) Dinge kaputtzumachen, so könnte man sagen, ist eine in tiefster Vergangenheit verwurzelte Verhaltensweise, die bei jedem Menschen vorhanden ist. Kinder, die sich noch nicht in die Gesellschaft integriert sind (Baby´s) und Kinder, die dagegen rebellieren (Jugendliche), zeigen dies besonders. Wenn man sagt »in tiefster Vergangenheit«, dann meint das hier die Anfänge unserer Welt. Gott lässt die Welt aus dem Chaos entstehen und erschafft Pflanzen, Tiere und Menschen. Oder ein anderes Beispiel: Nur durch das Explodieren bzw. das Kaputtgehen eines Planeten konnte unsere Erde entstehen. Aber warum machen wir so gerne Sachen kaputt? Das ganze Leben entdecken wir Dinge. Man hat nie ausgelernt! Und um Sachen zu verstehen müssen sie in alle Einzelteile zerlegt werden. Ab da kann man sie erlernen und eventuell sogar umformen. Erst aus diesen Einzelteilen kann jeder individuell etwas Neues erschaffen, denn man erschafft etwas weil es Nutzen bringt, Spaß macht oder um seine Gedanken und Gefühle frei ausdrücken zu können. Außerdem besteht im Schaffen und Schöpfen eine Chance der Selbstdarstellung. Damit hebt sich der Mensch von allen anderen Lebewesen ab. Ravi Marcel Büttke, Anja Dreischmeier Zu ästhetischen Eigenarten des Theaters für die Allerkleinsten von Gerd Taube (Leiter des Kinder – und Jugendtheaterzentrums in der Bundesrepublik Deutschland) Das Kindheitsbild der Gesellschaft Das Theater für die Allerkleinsten ist stärker als andere Formen des Theaters davon abhängig, welche Haltung die Gesellschaft gegenüber Kindern hat. Als was werden Kinder begriffen? Als »human beings« oder als »human becomings«? Werden sie als defizitäre Wesen, als gute, weil noch unverdorbene Menschen, als Menschen auf einer bestimmten Entwicklungsstufe oder als Menschen mit speziellen Kompetenzen begriffen? Was wird von kleinen Kindern erwartet? Begreift man sie als »human becomings«, was oder wie sollen sie dann werden? In den Ländern, in denen wir überzeugende Beispiele für ein Theater für die Allerkleinsten gesehen haben, ist der Status der Einrichtungen der frühkindlichen Bildung und Erziehung ein anderer als in Deutschland. In Norwegen, Italien und Frankreich sind diese Einrichtungen Bestandteil des Bildungssystems und nicht diesem vorgelagert, wie dies in Deutschland der Fall ist. Während die Bildungskarriere eines Menschen in Deutschland mit der Einschulung beginnt, beginnen die Kinder in den genannten Ländern ihren Bildungsweg bereits mit dem Besuch der Kinderkrippe bzw. des Kindergartens. Diese Tatsache stellt eine ganz wichtige Voraussetzung für das Entstehen einer Theaterkunst für die Allerkleinsten dar. Ästhetische Aspekte Kommunikation So wie jede theatrale Kommunikation basiert auch die Kommunikation im Theater für die Allerkleinsten auf der gemeinsamen Anwesenheit von Spielern und Zuschauern in einem Raum und ihrer direkten oder indirekten Interaktion. Die theatrale Kommunikation im Theater für die Allerkleinsten ist jedoch besonders fragil. Die Rezeptionshaltung im gewöhnlichen Theater ist derart konditioniert, dass sich die fehlende Balance der Kommunikation nicht entäußert und man sie damit auch kaum äußerlich wahrnehmen kann. Wahrnehmung Kommunikation beruht auf wechselseitiger Wahrnehmung. Akteure und Zuschauer begeben sich in ein Verhältnis zueinander. Der Blickkontakt, den viele Akteure als wesentliche Voraussetzung einer Aufführung für die Allerkleinsten beschreiben, ist eine Methode wechselseitiger Wahrnehmung. Wahrnehmung heißt im Theater für die Allerkleinsten nicht nur Hören und Sehen, sondern Wahrnehmen mit allen Sinnen. Beteiligung Das Theater für die Allerkleinsten muss immer eine gemeinsame künstlerische Erfahrung von Spielern und Kindern sein. Dieser Satz kann als ästhetischer Imperativ für das Theater für die Allerkleinsten gelten. Die Fähigkeit, über die ein Spieler verfügen muss, ist die Fähigkeit, auf kleinste Stimmungsschwankungen im Publikum einzugehen und die Balance der Kommunikation wieder herzustellen. Der Spieler muss über eine besondere Sensibilität für das Publikum verfügen. Man könnte sagen, das Theater kehrt an seine Ursprünge zurück, beispielsweise zum Ritual, aus dem bereits in der Antike Theaterformen entstanden sind, auf die sich das abendländische Theater immer wieder bezogen hat. Zu beobachten ist die tendenzielle Aufhebung der Trennung zwischen Spieler und Zuschauer. Spieler Das Theater für die Allerkleinsten spricht nicht von Darsteller, sondern von Spieler. In den Aufführungen wird in der Regel kein spezieller Anlass für das Auftreten des Spielers konstruiert wie etwa in der Exposition eines Dramas. Der Spieler ist da. Er soll ernsthaft, wahrhaftig, ehrlich und präsent sein. Sprache Das Theater für die Allerkleinsten kennt viele Sprachen und ist nicht auf die Verbalsprache reduziert. Meist ist die Verbalsprache auch nicht das in der Hierarchie der künstlerischen Mittel dominierende Mittel. Bilder, Töne, Klänge, Bewegungen, Materialität, Körper sind zumeist gleichberechtigte Ausdrucks-mittel. Regeln und Grenzen Jedes Spiel braucht Regeln. Diese Spielregeln müssen im Theater für die Allerkleinsten flexibel sein. Die Gesamtsituation ist gesetzt und kann von den Kindern nicht verhandelt oder verändert werden. Daher sind für die Macher des Theaters für die Allerkleinsten die folgenden Fragen von besonderer Bedeutung: Wie werden die Kinder im Theater empfangen? Wie werden die Eltern als Begleiter, als Zuschauer und als die Kinder Geleitende, Unterstützende mit den äußeren Regeln vertraut gemacht? Die Eltern und Begleiter sind die ausschlaggebende Instanz, die über die Akzeptanz der Regeln und Grenzen entscheidet. Die Mutter, die entscheidet, dass ihr Kind mit seinem Weinen, seiner Unruhe das gemeinsame Erlebnis stört, spürt diese Grenzen und akzeptiert sie. Der Vater, der während der Aufführung den Bühnenraum betritt, um ein Foto zu machen, hat die Regeln falsch oder gar nicht verstanden. Geschichte Ein dramatischer Konflikt als Interessenkollision zweier Figuren bzw. Figurengruppen existiert nicht oder kaum. Das Theater für die Allerkleinsten ist kein Illusionstheater. Die künstlichen Welten, die geschaffen werden, sind als Kunsträume sichtbar. Das Erzeugen und das Machen dieser speziellen Welten werden nicht verschleiert, sondern gezeigt. Die Welten werden behauptet und diese Behauptung von den Zuschauern akzeptiert. Das Theater für die Allerkleinsten ist aber nicht ohne Geschichten. Die Geschichten oder Episoden werden aber nicht linear erzählt. Sie basieren auf der Imaginationsleistung des Zuschauers. Jeder sieht so eine andere Geschichte. Zeit Das Theater für die Allerkleinsten hat auch einen eigenen Umgang mit der Zeit. Es hat einen eigenen Rhythmus, der dem Rhythmus des Publikums entspricht. Den Rhythmus der Spieler und ihres Publikums verbindet das Atmen. Der gemeinsame Atem ist das Band zwischen Spieler und Publikum, der die Spannung aufrecht erhält. Zum Theater für die Allerkleinsten gehört auch die Stille. Die Wiederholung von Vorgängen findet sich ebenfalls häufig im Theater für die Allerkleinsten. Das Theater findet in jeder Aufführung neu und anders statt. Keine Aufführung gleicht der anderen. Das trifft auf jede Form des Theaters zu. Im Theater für die Allerkleinsten dürfen weder Zuschauer noch Spieler mit der Haltung in die Aufführung gehen, dass sie wüssten, wie die Kommunikation zwischen beiden funktioniert. Es ist immer ein gemeinsames Wagnis. aus: Gabi dan Droste (Hrsg.) Theater von Anfang an! Bildung Kunst und frühe Kindheit. S. 87, transcript Verlag 2009. Anja Dreischmeier, Ravi Marcel Büttke Vorbereitung: Für den Besuch der Vorstellung ist keine spezielle Vorbereitung notwendig, dennoch gibt es hier ein paar Anregungen, die Sie mit Ihrer Gruppe durchführen können, bevor Sie ins Theater kommen. 1 Formenbilder Material: Schere (Vorsicht Verletzungsgefahr!), Papier, Kleber, Stifte Die Kinder malen auf das Papier viele Formen, die dann von den Eltern oder Erziehern mehrfach ausgeschnitten werden. Nun legen die Kinder aus den gleichen Teilen verschiedene Figuren. Zum Beispiel möglich wären ein Haus, ein Stab oder eine Pyramide. Wenn verschiedene Lösungen gefunden wurden, können diese aufgeklebt und aufgehängt werden. Man erkennt wie viele verschiedene Kombinationsmöglichkeiten es aus einfachen Teilen gibt. 2 Formen in der Natur Material: Wetterfeste Kleidung Unternehmt einen Ausflug und schaut euch um! Wo könnt ihr Formen und Figuren, Chaos und Ordnung entdecken? Sind es meist eckige oder runde Formen, die uns auf unserem Weg begegnen? Oder ganz andere? Wenn ihr Formen entdeckt, die sich gut transportieren lassen (z.B. Blätter), könnt ihr sie mitnehmem, aufkleben und aufhängen. 3 Jenga Material: Jenga-Spiel oder viele Bausteine die stapelbar sind. Es wird Jenga gespielt. Das ist ein Spiel, bei dem aus einem Holzbausteinturm immer mehr Klötze vorsichtig heraus gezogen werden, bis er zusammenbricht. Die Kinder entdecken, dass der Turm Pfeiler benötigt, die ihn Stützen. Wenn diese in ein Ungleichgewicht geraten, bricht er zusammen. 4 Domino Material: Ebene Fläche, Domino Steine (oder andere Bauklötze) Die Domino steine werden aufgebaut, sodass ein Stein beim Umkippen den anderen berührt. Jetzt stoßen wir den ersten Stein an und sehen, dass der erste Stein alle restlichen mit umstößt. Die Kinder sehen, das sie mit wenig Aufwand viel kaputt machen können. Ravi Marcel Büttke, Anja Dreischmeier Anja Dreischmeier, Ravi Marcel Büttke Nachbereitung Im Anschluss an die Vorstellung im Saal gehen die Kinder gemeinsam in das Foyer. Dort haben wir an verschiedenen Stationen Möglichkeiten vorbereitet, die Eindrücke aus dem Stück ganz praktisch zu verarbeiten. Gerne können Sie die Spiele als Anregung für eigene Varianten nutzen. 1 Hau’s um! Wir brauchen viel kleine Pappkartons, die wir übereinander stapeln um einen großen Turm zu bauen. Nun machen wir den Turm wieder kaputt und zerlegen ihn in seine Einzelteile. Was ging schneller und ging einfacher aufbauen oder umschmeißen? 2 Eingeklemmt Wir brauchen viele verschiedene Gegenstände wie z.B Luftballons, Pappkartons und/oder ein Blatt Papier, welche wir versuchen, mit einer Freundin oder einem Freund zwischen uns einzuklemmen und ein Stück zu gehen Ist es schwieriger wenn der Gegenstand größer oder wenn er kleiner ist? 3 Größenverhältnis Sucht euch große Gegenstände in der Kita oder der Krippe. Versucht danach, kleinere Gegenstände in ähnlichem Größenverhältnis zu finden oder baut den großen Gegenstand mit Bauklötzen nachzubauen. Versucht so eine Miniatur zu kreieren. 4 Kettenreaktion Wir brauchen viele verschiedene Bauklötze die wir in einer Reihe, Kreis oder ganz freier Form wie Dominosteine aufstellen. Nun tippt ihr den ersten Stein an und beobachten die Kettenreaktion. Sind alle Steine gefallen? Korrigiert gegebenenfalls den Aufbau und probiert es gleich nochmal. Anja Dreischmeier, Ravi Marcel Büttke Ravi Marcel Büttke Theaterknigge Ein Theater ohne Publikum ist wie … … eine Würfel ohne Ecken. … ein Kinderzimmer ohne Unordnung. … eine Welt ohne Formen. Daher freuen wir uns darüber, dass ihr da seid! Da es im Theater ein paar Regeln zu beachten gibt, haben wir dieses kleine Lexikon als Hilfe für euch zusammengestellt: Abendkleid, das: Viele Menschen ziehen sich gerne schön an, wenn sie ins Theater gehen. Sie wollen den Schauspielerinnen und Schauspielern ihren Respekt erweisen, oder selber auch ein bisschen glitzern, falls jemand zu ihnen in die Loge schaut. Heute ist schicke Kleidung aber keine feste Regel mehr im Theater. Essen, das: Ihr könnt euch vorstellen wie sehr es stören würde, wenn bei ganz leisen oder traurigen Szenen plötzlich jemand im Publikum in einen knackigen Apfel beißen würde. Und dann stellt euch vor, dass jemand neben euch eine Knistertüte auspackt ... Also, das Essen im Theater ist grundsätzlich nicht erlaubt. Fotografieren, das: Auch das Fotografieren ist leider nicht erlaubt. Wenn ihr schöne Bilder von dem Stück haben wollt, fragt doch im Theater nach. Meistens gibt es Erinnerungsbilder zum mit nach Hause nehmen auf Plakaten und Postkarten. Handy, das: Natürlich ist wichtig, dass eure Freunde erfahren, dass ihr grade im Theater seid, aber bitte nicht während der Vorstellung. Wie sollen sich denn die Schauspielerinnen und Schauspieler an ihren Text erinnern, wenn ständig jemand dazwischen quatscht? Ihr könnt euch vorstellen, wie allein das Klingeln eines Handys alle Menschen auf der Bühne und im Publikum stört. Klatschen, das: Nachdem ein Stück vorbei ist, kommen die Schauspielerinnen und Schauspieler auf die Bühne und alle können heftig applaudieren. Je besser einem das Stück gefallen hat, desto lauter kann der Applaus sein. Unterhalten, das: Vermeidet es bitte, euch während der Vorstellung zu unterhalten. Die Schauspieler können euch, anders als im Kino, hören! Merkt euch eure Anmerkungen und Gedanken einfach, bis das Stück zu Ende ist, dann habt ihr noch genug Zeit über das Gesehene zu diskutieren. Turnschuhe, die: Turnschuhe sind im Theater erlaubt. Vielleicht solltest du sie nicht grade ausziehen, wenn du deine Füße vorher nicht gewaschen hast und deine Socken stinken könnten. Ravi Marcel Büttke, Anja Dreischmeier Anja Dreischmeier, Ravi Marcel Büttke