Rebschutz - Krankheiten und Schädlinge der Weinrebe (nach „Fachverlag Fraund; Rebschutz - Walther Hildebrand, Dieter Lorenz, Friedrich Louis“) (nach „Ulmer; Farbatlas Krankheiten, Schädlinge und Nützlinge an der Weinrebe – Horst Dietrich Mohr“) 1. Pilzkrankheiten 1.1 Allgemeines (Pilzkunde) Pilze sind Organismen, die dem Pflanzenreich angehören, und sind dadurch charakterisiert, das sie einen echten Zellkern besitzen und heterotroph leben. Bei dieser Ernährungsweise können die Organismen, die für den Aufbau körpereigener Substanzen notwendige Energie nur aus fremder organischer Substanz gewinnen. Dies steht in strengem Gegensatz zur autotrophen Ernährungsweise beispielsweise der Rebe, die ihre Energie unter anderem aus der Fotosynthese erlangt. Grundsätzlich lassen sich drei Gruppen von Pilzarten nach der Lebensweise unterscheiden: 1. Parasiten: Sie sind vollkommen auf lebendes Gewebe angewiesen und leben dabei entweder auf der Pflanze (Ektoparasiten) oder in der Pflanze (Endoparasiten). Wird eine Pflanze von einem Parasiten befallen, so hat ausschließlich der Pilz einen Vorteil; die Wirtspflanze wird nachhaltig geschädigt. 2. Saprophyten: Diese Organismen haben die Fähigkeit abgestorbene organische Substanz zu zersetzen. 3. Symbionten: Unter Symbiose versteht man das Zusammenleben artfremder Organismen, wobei jeder der beiden Partner einen Vorteil durch diese Gemeinschaft erhält. Bis heute sind etwa 45.000 Pilze bekannt, darunter zahlreiche Arten, die als Krankheitserreger Pflanzen schädigen. 1.2 Falscher Mehltau (Plasmopara viticola, Rebenperonospora) Herkunft: Die Peronospora wurde 1878 aus Amerika nach Südfrankreich eingeschleppt. Sie verbreitete sich in nur wenigen Jahren über die Gesamtfläche Europas. Schadbild: Ist eine Weinrebe vom Peronospora befallen, so breitet sich dieser auf allen grünen Rebteilen aus. Ein Indiz dafür ist eine Art Ölfleck, dem kurze Zeit später ein weißer Pilzrasen auf der Blattunterseite folgt. Diese Flecke werden rasch größer und nach geringer Zeit braun. Das Blattgewebe ist nun zerstört, es findet keine Fotosynthese mehr statt und somit kommt es zum Blattfall. Die Beeren werden ebenfalls von diesem Parasit beschädigt. Junge Beeren werden genau wie die Blätter von weißem Pilzrasen überzogen und sterben schließlich ab. Ältere Beeren bekommen bläuliche Streifen und erhalten zunehmend eine bläuliche Färbung bis sie letztendlich zu sogenannten „Lederbeeren “ zusammenschrumpfen. Lebensweise: Bei der Peronospora handelt es sich um einen Endoparasiten. Er ist somit stets auf grünes Pflanzengewebe angewiesen und wächst im Rebgewebe. Bekämpfung: Vorbeugende Maßnahmen: Da der Pilz für die Infektion auf eine hohe Feuchtigkeit angewiesen ist, müssen im Voraus alle anbautechnischen Maßnahmen darauf abgestimmt sein, dass eine gute Durchlüftung der Anlagen erreicht wird. Dadurch trocknen die Reben nach Niederschlägen schneller ab. - Rebschnitt breite Zeilen- und Stockabstände hohe Stämme luftige Erziehung sach- und zeitgerechte Laubarbeit zeitgerechte Unkrautbekämpfung Sortenwahl Direkte Maßnahmen: Die vorgenannten indirekten Maßnahmen können bei schlechten Infektionsbedingungen einen Befall verhindern. Sie wirken zwar auch bei günstigen Infektionsbedingungen unterstützend, reichen aber nicht aus, um starken Befall zu verhindern. Dies gelingt nur durch gezielten Einsatz von Pflanzenschutzmitteln (zum Beispiel: Aktuan, Cuprasol, Cuproxat Flowable). Fazit: Starker Befall eines Rebstockes führt zu hohen Ertrags- und Qualitätsverlusten der Trauben. 1.3 Echter Mehltau (Oidium tuckeri) Herkunft: Der Pilz stammt ursprünglich aus Nordamerika und wurde 1845 von dort nach Europa eingeschleppt. Das Auftreten der Krankheit steht in enger Beziehung zur Witterung. In heißen und feuchten Sommermonaten ist das Risiko für großflächige Oidiumepidemien besonders groß. Schadbild: Ähnlich wie der Peronospora befällt dieser Pilz alle grünen Teile der Weinrebe. Der erste Befall zeigt sich häufig an den jungen Trieben, die dadurch später im Wachstum zurückbleiben und einen grau-weißen Belag aufweisen. Von hieraus verbreitet sich der Parasit über alle grünen Rebteile. Der Pilz befällt sowohl Blattober- und Blattunterseite. Dabei wölben sich die Blätter und werden brüchig. Nachdem die Blattunterseite infiziert wurde, entstehen gelbliche Aufhellungen auf der Blattoberseite, die nicht mit Ölflecken zu verwechseln sind (Peronospora). Ein Merkmal zur klaren Identifikation von Oidium sind dunkle Färbungen der Blattadern. Bei starkem Befall sterben die Blätter ab. Auch die Trauben werden von Oidium beschädigt, solange sie noch grün sind. Die Beeren werden mit einem grau-weißen Belag von mehligem Aussehen überzogen. Der Pilz zerstört die Beerenhaut, während das Innere weiter wächst. Die Beeren platzen auf und es entsteht der sogenannte „Samenbruch“. Bei nachträglich einsetzender Feuchtigkeit beginnen die Trauben zu faulen. Lebensweise: Der Oidium ist ein Ektoparasit. Er ist stets auf grünes Pflanzengewebe angewiesen und wächst auf der Pflanzenoberfläche. Bekämpfung: Vorbeugende Maßnahmen: Eine günstige Erziehungsform, gründliche Laubarbeit, sowie eine an den Standort angepasste Bodenpflege und Stickstoffdüngung ergeben lockere optimal belichtete Laubwände und fördern stabile widerstandsfähige Zellwände. Weitere Maßnahmen decken sich mit diesen, die bereits zuvor in „1.2 Peronospora“ genannt wurden. Direkte Maßnahmen: Auch hier müssen bei stärkerem Infektionsdruck chemische Pflanzenschutzmittel zur Hilfe gezogen werden. Beispiele hierfür sind: Castellam, Discus, Dorado, Prosper, etc. Fazit: Totaler Ertragsausfall kann die Folge von diesem Pilz sein. Wein aus befallenen Trauben weist einen starken, schwer zu definierenden Fehlton auf. 1.4 Roter Brenner (Pseudopezicula Tracheiphila) Herkunft: Der Rote Brenner ist in Europa heimisch. Verstärktes Auftreten ist nach 1850 bekannt. Jedoch tritt die Krankheit auch heute wieder in bestimmten Lagen vermehrt auf. Ein universelles Auftreten, das in allen Weinbergen eine Bekämpfung erforderlich macht, wie dies bei der Peronospora nötig ist, liegt jedoch nicht vor. Schadbild: Auf den Blättern zeigen sich bei weißen Traubensorten gelbliche, später braune, bei roten Sorte rötliche Flecken. Die befallenen Blätter verdorren und fallen ab. Ohne Bekämpfungsmaßnahmen würde der Pilz nahezu alle Blätter befallen und vernichten. Lebensweise: Beim Roten Brenner handelt es sich um einen Parasit, genauer gesagt um einen Endoparasit, der im Gewebe der befallenen Pflanze lebt. Bekämpfung: Vorbeugende Maßnahmen: Besonders durch Vernichtung des Laubes kann das Risiko einer Neuinfektion vermindert werden. Falls es die Stickstoffbilanz des Bodens erlaubt, kann das Ausstreuen von Kaltstickstoff im März den Infektionsdruck geringfügig reduzieren. Direkte Maßnahmen: Da kaum Möglichkeiten zur Verringerung des Infektionsdrucks vorhanden sind, kommt dem Einsatz chemischer Wirkstoffe eine besondere Bedeutung zu (zum Beispiel: Delan SC 750, Europarem, Polyran WG, etc.). Fazit: Ohne effektive Bekämpfung kann der Rote Brenner Ertragsausfälle bis zu 70% und mehr verursachen. 1.5 Grauschimmel (Botrytis cinerea) Herkunft: Die Spezies der Botrytis war schon immer in Europa beheimatet. Er kann an fast allen Pflanzen fast alle Organe (Blätter, Blüten, Früchte) befallen. Schadbild: Während der Vegetationsperiode kann der Pilz alle grünen Rebteile schädigen (parasitisch) oder an verholzten Rebteilen wachsen (saprophytisch). Bei länger andauernder Feuchtigkeit beziehen sich alle von dem Pilz befallenen Pflanzenteile mit einem für Botrytis charakteristischen Belag (Grauschimmel). Im Falle einer Infektion der Trauben unterscheidet man - je nach dem welcher Traubenteil bzw. zu welchem Zeitpunkt die Beere befallen werden – zwischen Sauerfäule, Stielfäule und Edelfäule. Die Sauerfäule kann nur bei besonders jungen Trauben auftreten, deren Mostgewicht geringer als 60° Oechsle beträgt. Derart infizierte Beeren gehen in Fäulnis über, die dann schnell von einer Beere auf die andere Beere übergreift. Stielfäule entsteht, wenn das Stielgerüst von dem Grauschimmel angegriffen wird. Der Stiel wird zersetzt und vermorscht. Letztlich ist die Festigkeit des Traubenstiels soweit verringert, dass die Trauben aufgrund ihres Eigengewichts zu Boden fallen. Es entstehen die sogenannten „Bodentrauben“. Die Edelfäule ist ein Sonderfall, denn dabei werden bereits lesereife Beeren befallen. Die Infizierung durch den Pilz führt zu einer verstärkten Verdunstung des Wassers, sodass die Beereninhaltsstoffe (Zucker, Säure) dabei konzentriert werden. Aus edelfaulen Trauben werden hochedle Qualitäten (Auslesen, Beerenauslesen) gewonnen. Lebensweise: Botrytis zählt zu den Endoparasiten; er lebt somit im Inneren des Pflanzengewebes. Bekämpfung: Vorbeugende Maßnahmen: Wie bei den meisten Pilzkrankheiten muss zur Vermeidung einer Infektion mit Botrytis besonders auf eine ausreichende Durchlüftung der Weinreben geachtet werden, sodass sich keine für den Pilz günstige Lebensbedingungen bilden können (siehe auch „1.2 Peronospora“). Direkte Maßnahmen: Schäden an den Pflanzen lassen sich nur durch gezielte und dem Wachstumsstadium angepasste Spritzung mit chemischen Wirkstoffen bekämpfen. Botrylon, Euparen WG und Foliceer E sind Spezialbotrytizide. Fazit: An Reben schädigt er vor allem an den Trauben und kann durch Sauer- und Stielfäule empfindliche Ertragsverluste verursachen. An reifen Trauben kann er als Erzeuger der Edelfäule die Gewinnung von hochwertigen Spitzenweinen ermöglichen. 2. Tierische Schädlinge – Der Traubenwickler Herkunft: Im europäischen Weinbau unterscheidet man zwischen dem Einbindigen und dem Bekreuzten Traubenwickler. Beide Wickler bilden in Deutschland normalerweise zwei Generationen, deren Larven als Heu- (1.Generation) oder Sauerwürmer (2.Generation) bezeichnet werden. Sie sind schon immer in Europa heimisch. Schadbild: 1. Generation: Die Heuwurmgeneration zeigt sich ab Mai, Juni an den Reben. Nach dem Verlassen der Eier beginnen die Raupen sich in den Blütenstand einzufressen. Erst wenn die Insekten einige Blüten miteinander versponnen haben, ist der anfangs relativ unscheinbare Befall deutlich zu erkennen. 2. Generation: Die Sauerwurmgeneration erscheint im Juli und ist meist bis Mitte August noch in den Trauben ansässig. Nach Verlassen der Eier fressen sich die Raupen in die unreifen Beeren ein, die sie oft völlig aushöhlen. Betroffene Beeren werden meist von Botrytis befallen und beginnen zu faulen. (3.Generation:) In sehr warmen Jahren mit langer Vegetation kann eine dritte Generation des Traubenwicklers auftreten. Diese Würmer befallen die reifenden Trauben und werden daher als „Süßwürmer“ bezeichnet. Lebensweise: Der Traubenwickler überwintert als Puppe hauptsächlich unter der Borke des alten Holzes. Im Frühjahr, Ende April/Anfang Mai, fliegen die ersten Motten des einbindigen Traubenwicklers. Diese legen ihre Eier einzeln an die Blütenkäppchen ab. Die daraus geschlüpften Larven verpuppen sich nach etwa 25 Tagen und schließlich fliegen ab Ende Juni/ Anfang Juli die sogenannten Sauerwurmmotten. Diese legen ihre Eier an die Beeren und die geschlüpften Raupen fressen sich dann in die Beeren ein. Bekämpfung: Eine der effektivsten Art der Bekämpfungen stellt der Einsatz von Pheromonfallen dar. Die Traubenwicklermännchen erkennen die Weibchen an einem spezifischen Duftstoff, Pheromon. Dieser Stoff kann synthetisch hergestellt werden und wird anschließend im gesamten Weinberg in Ampullen ausgehängt. Durch die geschlossene Sexual-PheromonDuftwolke verlieren die Männchen ihre gezielte Orientierung und finden nur erheblich erschwert oder überhaupt nicht mehr zu den Weibchen. Dies hat zur Folge, dass gar keine oder fast nur unbefruchtete Eier gelegt werden. Eine weitere Möglichkeit des Pflanzenschutzes ist der Einsatz von Insektiziden (Biobit, Decis, Dipel, etc.). Diese haben allerdings den Nachteil, dass nicht nur die zu bekämpfenden Traubenwickler vernichtet werden, sondern auch alle übrigen Insekten, die für den Weinbau gegebenenfalls sogar nützlich sind. Natürliche Feinde (z. B. Schlupfwespen) des Traubenwicklers können ebenfalls zur biologischen und biotechnischen Bekämpfung verwendet werden. Fazit: Bei starkem Befall und unzureichend erfolgreicher Bekämpfung kann der durch die Traubenwickler verursachte Ertragsausfall beachtlich sein. Stephan Klöckner & Maximilian Rienhardt