NPM und Public Governance Seminarunterlage KDZ Zentrum für Verwaltungsforschung Managementberatungs- und WeiterbildungsGmbH 1110 Wien, Guglgasse 13 Tel.: +43 1 8923492-21, Fax: +43 1 8923492-20 E-Mail: [email protected], Internet: www.kdz.or.at Wien, März 2006 NPM und Public Governance Verfasst von Helfried Bauer Inhaltsverzeichnis 02.03.06 Inhaltsverzeichnis New Public Management und Public Governance ..............................................................................4 Modernisierungskonzepte der öffentlichen Verwaltungen im 21. Jahrhundert .................4 1 Einleitung............................................................................................................................4 2 Vom bürokratischen Verwalten zum qualitätsbewussten öffentlichen Management ..........4 3 New Public Management – eine internationale Strategie zur Reorganisation des Staates 9 4 Public Governance zur „politischen“ Steuerung ...............................................................16 5 Stärken und Schwächen der Maßnahmen im Bereich von Public Governance aus der Sicht der befragten Bundesstellen ....................................................................................29 6 Resumé – Zur Umsetzung von Public Governance (10 Thesen) .....................................31 7 Fragen zur Diskussion......................................................................................................35 Verwendete Literatur................................................................................................................36 3 New Public Management und Public Governance 02.03.06 New Public Management und Public Governance Modernisierungskonzepte der öffentlichen Verwaltungen im 21. Jahrhundert 1 Einleitung Seit dem Ende des Kalten Kriegs haben sich in Europa und weltweit umfassende Veränderungen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft ergeben. Hierzu trugen auch technologische, demografische sowie ökologische Faktoren bei. Wenngleich wir heute die Auswirkungen dieses tief reichenden Wandels auf den öffentlichen Sektor – auf die demokratischen Institutionen, auf die öffentlichen Aufgaben ebenso wie auf deren Finanzierung – nicht voll abschätzen können, wissen wir, dass die traditionell-bürokratischen öffentlichen Verwaltungen und die politischen Entscheidungsprozesse in vielen der hoch entwickelten Staaten durch die beiden grundlegenden Konzepte des: • New Public Management sowie des • Public Governance nachhaltig transformiert werden bzw. worden sind. Welche Grundgedanken diesen Konzepten zugrunde liegen, welche hauptsächlichen Elemente diese Transformation bisher getragen haben und welche Perspektiven sich für die nächste Zeit abzeichnen, soll in diesem Beitrag geklärt werden. Dabei gehen wir davon aus, dass die einzelnen Teilbereiche des Staates, also Zentralstaat, Provinz- und Regionalregierungen, die lokalen Gebietskörperschaften ebenso wie die öffentlichen Unternehmungen und andere Organisationen, die überwiegend im öffentlichen Auftrag arbeiten1, von dieser Transformation betroffen sind2. 2 Vom bürokratischen Verwalten zum qualitätsbewussten öffentlichen Management Verwaltungsreformen im öffentlichen Bereich gehören zur täglichen Führungsarbeit und finden auf allen staatlichen Ebenen – wenngleich oft nur in kleinen Schritten – statt. Die Übernahme der Grundideen des Managements für das Erfüllen öffentlicher Aufgaben sowie der beiden ökonomischen Erfolgsfaktoren Effizienz und Effektivität, wie es dem New Public Management entspricht, bildet jedoch einen grundlegenden Wandel im Selbstverständnis des öffentlichen Sektors. Damit haben sich die öffentlichen Verwaltungen nachhaltig für wirtschaftliche Denkweisen geöffnet und ein konsequentes Abgehen vom bürokratischen Verwalten eingeleitet. Dies war auch dringend notwendig geworden, denn der moderne Wohlfahrtsstaat konnte die vielfältigen Service- und Infrastrukturaufgaben mit den Methoden des Hoheitsstaates nicht mehr in befriedigender Weise erledigen. Daneben zählen auch der gesellschaftliche Wertewandel, wie z.B. zunehmende und divergierende individuelle Leistungserwartungen des Einzelnen an den Staat, sowie die globale 1 In Österreich und in anderen Industriestaaten sind dies beispielsweise Gemeindeverbände zur Erledigung von Aufgaben der öffentlichen Wasserversorgung und der Abwasserbeseitigung, weiters Vereine und Stiftungen, die etwa öffentliche Bildungs- und Kulturaufgaben wahrnehmen. 2 Allerdings zeigt sich etwa durch verschiedene Studien, aber auch im Rahmen der Speyerer Qualitätswettbewerbe der öffentlichen Verwaltungen in Deutschland, in Österreich und in der Schweiz, dass die Städte, Kantone und Bundesländer sowie die städtischen/regionalen Ver- und Entsorgungsbetriebe wesentlich rascher die Etappen der NPM-Transformation in Angriff nehmen als die großen Ministerialbürokratien der Zentralstaaten; siehe hierzu u.a. Wollmann (2001), S. 25 ff. für Deutschland und weiters für Österreich die Beiträge im Teil 2 des von H. Bauer et al. herausgegebenen Bandes „Öffentliches Management in Österreich“ 2003, S. 83-203. 4 New Public Management und Public Governance 02.03.06 wirtschaftliche Krise vieler Industrieländer während der achtziger Jahre zu den Auslösern dieser großen und einmaligen Modernisierung. 2.1 Scientific Management – Fayol’sche Verwaltungslehre – Bürokratiemodell: einige Grundlagen Arbeitsteilung, hierarchische Kontrollen und bürokratische Abläufe prägten zu Beginn des 20. Jahrhunderts sowohl die öffentlichen Verwaltungen als auch die private Wirtschaft. Frederic Taylor und Henri Fayol zählen zu den Vordenkern der Verwaltungs- und Managementlehre. Taylor formulierte im Jahr 1911 ”The Principles of Scientific Management”, die vom rationellen Einsatz von Menschen und Maschinen im Produktionsprozess geprägt sind. Einzelne Prinzipien lauten folgendermaßen3: • Trennen der Planung von der Ausführung, • Einsetzen wissenschaftlicher Arbeitsmethoden, so z.B. systematische Zeitstudien als Voraussetzung für die Differenzierung der Akkordsätze, • Einrichten funktionaler Organisation, • Organisieren von umfassenden Kontrollen durch das Management. Fayol (französischer Bergbauingenieur) stellte bereits im Jahr 1916 ähnliche und in allen Organisationen nachweisbare Funktionen fest, und zwar vor allem in den Bereichen der Produktion, des Verkaufs, der Finanzierung, der Buchhaltung sowie bezüglich der allgemeinen Verwaltung (opérations administratives). Die Funktionen der allgemeinen Verwaltung differenzierte er in: a) Vorschau, b) Organisation, c) Leitung, d) Koordination und f) Kontrolle.4 Während sich in maßgeblichen angelsächsischen Staaten im Verlauf der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts die „Business Administration“ durch sozialpsychologische und soziologische Ansätze in Richtung eines mitarbeiterorientierten Managements entwickelte, ist in weiten Teilen Kontinentaleuropas das den Rechtsstaat betonende, unparteiische, zentralistische Bürokratiemodell mit den Vorgaben des Beamtenrechts für die staatlichen (hoheitlichen) Aufgaben perfektioniert worden. Es hat große Verdienste, weil es „maßgeblich zur Etablierung liberaler und demokratischer Verfassungsordnungen beigetragen hat“ (Schedler/Proeller 2003, S. 16). Auch die öffentliche Wirtschaft und viele erwerbswirtschaftliche Betriebe, wie etwa Banken, Versicherungen, Verkehrsbetriebe, Unternehmungen der Energieversorgung wiesen und weisen mehrere Merkmale des bürokratischen Modells auf. Heute wird Bürokratie jedoch meist negativ bewertet, was mit den Unzulänglichkeiten des Modells unter den gegebenen Bedingungen zu tun hat. Dazu zählen wenig oder fehlende Bezüge zur Außenwelt (Starrheit, bewusst angestrebte Stabilität), bürokratische Verhaltensweisen von öffentlichen Bediensteten (teils hervorgerufen durch starre Regeln und Richtlinien), Vorrang der Regelgebundenheit gegenüber flexibleren und wirtschaftlichen Vorgangsweisen. 3 Nach Staehle 1994, S. 23 4 Nach Staehle 1994, S. 26 5 New Public Management und Public Governance 02.03.06 Kasten 1: Hauptelemente des bürokratischen Modells Das ”bürokratische Modell” – es wird gedanklich Max Weber zugeschrieben – lässt sich u.a. durch folgende Aspekte charakterisieren: • Eine zentralistische Organisation wird geschaffen; ab einer gewissen Mindestgröße der Organisation erfolgt eine entsprechende Differenzierung und Spezialisierung der Funktionen und eine geregelte Arbeitsteilung; • genau definierte Kompetenzen und Verfahrensweisen regeln die Art und Weise der Aufgabenerfüllung; • zugleich werden Rechte und Pflichten der Organisationsmitglieder durch Regeln und Richtlinien präzise festgelegt; • es gilt das Rationalitätsprinzip, d.h. rational sind alle Handlungsweisen der Organisationsmitglieder, die durch unpersönliche (es gilt eine strenge Trennung von Amt und Person), zielgerichtete Sachlichkeit und Genauigkeit ausgezeichnet sind und kontinuierlich die explizit formulierten Amtspflichten erfüllen; • im Verkehr der Organisationsmitglieder untereinander wird besonders die schriftliche Kommunikation betont (Akten). (Nach Stichwort ”Bürokratie”, HWB der Betriebswirtschaft hrsg. von E. Grochla, W. Wittmann; Poeschl Verlag Stuttgart 1974) 2.2 Weitere Entwicklung der Managementkonzeption In den Jahren 1930 bis 1960 entwickelte sich – angetrieben von der Konkurrenz, von neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen (z.B. Behaviourismus, Automation) und von militärischen Konzepten und Erfahrungen – ein vom bürokratischen Modell verschiedenes Verständnis von Organisation und Management: Verhaltenswissenschaftliche Ansätze (Führungsverhalten, Human Resources, Arbeitszufriedenheit und Motivation) und formalwissenschaftliche Ansätze (Operations research, Kybernetik, systemorientiertes Management) sind zu nennen. Sie wurden hauptsächlich von großen Industriefirmen und Wissenschaftern in den USA entwickelt. Weitere Etappen der Entwicklung der Management-Lehre betreffen die „situationstheoretischen Ansätze“, die offene Systeme mit den Zwängen der wechselnden Konkurrenzverhältnisse sowie anderen Bezügen zur Umwelt zum Gegenstand hatten, sowie die Theorien des evolutionären Managements. Drucker, Peters und Waterman und weitere Forscher und Unternehmensberater formulierten in den siebziger und achtziger Jahren die „Schule des empirischen Management“, die noch heute von großer Aktualität ist. Dazu gehören das „7-S-Modell“5 und die „basic operations“ des Managements von Drucker, die nachfolgend kurz angeführt werden. 5 Siehe dazu: Peters; Waterman: (1982). 6 New Public Management und Public Governance 02.03.06 Abbildung 1: Komponenten des „7-S-Modell“ (vgl. Crainer 1998, S. 120 f) 1 Strategy plan or course of action leading to the allocation of a firm’s scarce resources ... to reach identified goals 2 Structure Features of the organization chart and how the separate entities of an organization are tied together 3 Systems Procedualised reports and routinised processes 4 Staff Important personnel categories within the firm …. 5 Style How key managers behave in achieving the organization’s goals; the cultural style of the organization 6 Shared values The significant meanings or guiding concepts that an organization imbues in its members 7 Skills Distinctive capabilities of key personnel and the firm as a whole Abbildung 2: Basic operations nach Drucker (vgl. Crainer 1998, S. 16) 1 Ziele setzen 2 Organisieren (den Wandel meistern) 3 Motivieren und Kommunizieren 4 Messen und Sichtbarmachen 5 Personal formen und entwickeln (inkl. der Manager) 2.3 Was bieten die Konzepte des Qualitätsmanagement? Um diesen Streifzug durch die Konzepte, Strategien und Instrumente des Managements, die im 20. Jahrhundert entwickelt worden sind, abzuschließen, soll kurz auf das Streben nach Qualität und auf Qualitätsmanagement eingegangen werden. Qualität ist in der modernen Industriegesellschaft und in der Marktwirtschaft ein oft gebrauchtes Schlagwort mit einer nicht klar umrissenen Definition. Es wird in verschiedenen Zusammenhängen verwendet (ursprünglich in der Industrie), wobei die intendierte Bedeutung weit variiert. Feststellen lässt sich jedoch, dass Qualität • eine Menge von Eigenschaften repräsentiert, die einem Produkt oder Verfahren immanent oder beigegeben ist; • einer der Maßstäbe ist, an Hand dessen die Konsumenten ihre Kaufentscheidungen treffen; • ein Faktor ist, der in intensiver Wechselwirkung mit der Wettbewerbssituation und Leistungsfähigkeit eines Anbieters steht; 7 New Public Management und Public Governance 02.03.06 • im Verlauf der letzten Jahrzehnte konzeptionell mehrere Phasen (siehe Abbildung 3) durchlaufen hat - Qualität im Sinn einer bloßen Konformität mit technischen Spezifikationen und sonstigen formalen Vorgaben, Qualität im Sinn der Anforderungen und des vorgesehenen Verwendungszwecks ("fitness for use"), Qualität im Sinn viel weitergehender Erfüllung von Kunden- und Nutzeranforderungen, wobei auch subjektive Nutzenkalküle eine Rolle spielen. Abbildung 3: Zur Entwicklung der Ideen von Qualitätsmanagement Quelle: Sachse (2002), S. 6 Das Übertragen der Konzepte des Qualitätsmanagements auf die öffentlichen Verwaltungen ist nicht einfach, werden doch im öffentlichen Bereich behördliche Leistungen und auch vielfältige Dienstleistungen erbracht. In der Güterproduktion wird in allen Phasen der Produktion getrachtet, die Qualitätserfordernisse zu erfüllen, die Strategie der „Null-Fehler“ wird angewendet. Im Bereich der Dienstleistungen und teilweise im Bereich der hoheitlichen Erledigungen sind dagegen die Erzeugung und der Verbrauch (Nutzung) untrennbar miteinander verbunden und somit insgesamt nicht im Voraus zu steuern. Weiters sind Qualitätseinschätzungen nicht hinsichtlich aller Aspekte objektiv messbar. Je höher der Anteil der menschlichen Arbeit an der Dienstleistung ist, desto vielfältiger fallen die erbrachten Leistungen aus, wobei auch zwischen dem Prozess der Leistungserbringung und dem erzielten Ergebnis oft unterschieden werden muss. Die Qualität einer Betreuungsleistung in der Altenpflege beispielsweise wird nicht nur bezüglich der Zweckmäßigkeit, der Dauer, der Verlässlichkeit ihrer Erbringung, sondern auch bezüglich des gezeigten Respekts zwischen den Beteiligten, der aufgebrachten Geduld, des Vorhandenseins von Sympathie u.a.m. zu beurteilen sein. 8 New Public Management und Public Governance 02.03.06 Kasten 1: Kriterien zur Beurteilung der Qualität von Dienstleistungen Die folgenden Kriterien können für die Qualitätsbeurteilung durch die Kuden/Leistungsempfänger einer Dienstleistung herangezogen werden: Tangibles Credibility Reliability Security Responsiveness Access Competence Communication Courtesy Understanding the consumer Quelle: Zeithaml et al. nach Bovaird/Löffler (2003), S. 139 Die Dimensionen des Qualitätsmanagement im Bereich öffentlicher Aufgaben sind teilweise noch komplizierter, da neben dem individuellen Nutzen auch der Nutzen für die Allgemeinheit oder widersprüchliche Erwartungen einzelner Bürger- und Kundengruppen, weiters die verfügbaren Ressourcen und politische Prioritäten ins Kalkül zu ziehen sind. Oppen (1995, S. 41 ff.) und Schedler/Proeller (2003, S. 69 f.) unterscheiden deshalb folgende „öffentliche“ Qualitätsaspekte: • Produktbezogene Qualität (Erfüllen von Standards, von bestimmten Eigenschaften der Leistung und von Zusatzleistungen); • Kundenbezogene Qualität (Nutzen der Leistungsempfänger); • Prozessbezogene Qualität (Sicherheit der Prozesse, Schnelligkeit, Effizienz; Rechtmäßigkeit der Leistungserstellung); • Wertbezogene Qualität (akzeptables oder gewünschtes Preis-Leistungsverhältnis; KostenWirkungs-Verhältnis); • Politische Qualität (Politik beurteilt die Qualität nach dem sachlichen Nutzen für die Gesellschaft; sozialer Nutzen; Angemessenheit der staatlichen Intervention). 3 New Public Management – eine internationale Strategie zur Reorganisation des Staates Seit dem Ende der Achtziger und dem Beginn der Neunziger Jahre ist die neue Reform- und Reorganisationsstrategie für den Staat und die öffentlichen Verwaltungen, das New Public Management (NPM) sukzessive eingeführt worden. Wenngleich in einzelnen Erdteilen und Staaten (Japan und Teile Südostasiens; Nordamerika, Nord- und Westeuropa) unterschiedliche Schwerpunkte verfolgt werden, basieren diese internationale Reformstrategie doch auf einer einheitlichen Logik, eben jener des modernen Management und des unternehmerischen Denkens. Das einflussreiche Buch von Osborne und Gaebler “Reinventing Government – How the Entrepreneurial Spirit is transforming the Public Sector“ lieferte bereits im Jahr 1992 in den USA und den Reformstaaten der ersten Stunde eine Zusammenstellung der konzeptionellen Ansätze und der ersten praktischen Erfahrungen. 9 New Public Management und Public Governance 3.1 02.03.06 Definition und Annahmen des NPM Unter NPM versteht man eine – besonders aus der Praxis heraus entwickelte – stärker ökonomisch (vor allem betriebswirtschaftlich) definierte Rolle von Staat und öffentlicher Verwaltung und damit verbunden eine neue, an Kategorien des Managements ausgerichtete Steuerung der öffentlichen Aufgabenerfüllung. Wie definieren Wissenschafter NPM? NPM strebt insgesamt eine “Stimulierung neuer Wirkungsmechanismen im öffentlichen Sektor, mit dem Ziel der Verbesserung der Qualität, der Effizienz und der Effektivität der Dienstleistungsproduktion“ an (Naschold/Bogumil 1998, S. 79). Nach Schedler/Proeller (2003, S. 5) ist „NPM der Oberbegriff der weltweit relativ einheitlichen ‚Gesamtbewegung’ der Verwaltungsreformen, die auf einer institutionellen Sichtweise basieren. Charakteristisch für NPM-Reformen ist der Wechsel der Steuerung von der Input- zur Outputorientierung.“ Die Grundannahmen des New Public Management haben Schedler/Proeller (2003, S. 41 ff) anschaulich zusammengestellt. Es sind dies: • ein optimistisches Menschenbild (wonach beispielsweise der Mensch leistungsbereit und durch Erfolge motiviert wird; wenn er einbezogen wird, lässt er sich auch auf Reformen ein); • die Anerkennung der Notwendigkeit von Staat und öffentlicher Verwaltung; • jedoch weisen die öffentlichen Verwaltungen nicht ausreichende Bemühungen um Effizienz und Effektivität auf, im Bereich der Rechtsstaatlichkeit gibt es dagegen wenige Mängel; • die Ansicht, dass rationales Management möglich ist (die Verwaltung ist ein komplexes, soziales Gebilde, das wie andere Organisationen funktioniert); • die Erkenntnis dass Wettbewerb zu mehr Effizienz und Effektivität als Planung und Steuerung führt; • die Überzeugung, dass Politik und Verwaltung „lernfähig“ sind (Politik und Verwaltung sind Systeme, die lernen können). Das Konzept des NPM wurde und wird je nach der vorherrschenden Staatskonzeption, also der grundsätzlichen politischen Einstellung zur öffentlichen Intervention akzentuiert6. So gilt etwa für die USA, Neuseeland, teils auch für Großbritannien, wo neo-liberale Modernisierungspolitiken in markanter Weise verfolgt worden sind und noch werden, eine besonders marktnahe Ausrichtung des NPM. Dabei setzt man auf Deregulierung und Entstaatlichung bzw. Privatisierung öffentlicher Aufgaben ebenso wie auf Benchmarking (Vergleichen und Lernen von den Besten). In den skandinavischen Ländern wiederum stehen andere Reformansätze im Zentrum des NPM; sie werden von Verwaltungsforschern als „Regime der Ergebnissteuerung, das mit Wettbewerbs-, Wahlfreiheitsinstrumenten sowie selektiven Dezentralisierungs- und Privatisierungsvorhaben ausgebaut wird“ (Naschold/Riegler 1997, S. 16), bezeichnet. 6 Heute können vereinfachend drei Staatskonzeptionen unterschieden werden; die in (West-)Europa in den vergangenen Jahrzehnten einander gegenüberstehenden Ideen des Sozial- (Wohlfahrts-)staates und die marktbetonte neo-liberale Staatsidee, die auch in hohem Maße von der Europäischen Union verfochten wird; schließlich formiert sich gegenwärtig eine Konzeption vom „Gewährleistungsstaat“, mit dem eine Synthese der beiden genannten Staatskonzeptionen angepeilt wird: aus den Modellen des Wohlfahrtsstaates und des neo-liberalen Mini-Staates wird ein „schlanker“, wohlfahrtssichernder Staat entwickelt, der sozialstaatliche Verantwortung nicht über Bord wirft, jedoch die gesellschaftlichen Gruppen an der Gestaltung der öffentlichen Aufgaben beteiligt und die Bürgerinnen und Bürger zur Partizipation einlädt. 10 New Public Management und Public Governance 02.03.06 So unterschiedlich die Auffassungen vom Staat, von den Strategien und den einzusetzenden Instrumenten auch sein mögen, zwei Umstände sind konstitutiv für NPM: 1. Man hat erkannt, dass eindimensionale Ansätze der Reform und Reorganisation nicht ausreichen, sondern nur eine ganzheitliche und umfassende Strategie, die wegen der wechselseitigen Abhängigkeiten bei den verschiedenen Führungsfunktionen möglichst gleichzeitig ansetzen muss; so etwa bei einer neuen Aufgabenteilung zwischen Politik und Verwaltung, bei umfassender Kundenorientierung, bei Personalentwicklung, bei der Delegation bzw. beim Schaffen von Verantwortungszentren. 2. Weiters ist klar geworden, dass eine Balance zwischen den gesellschaftlichen Kräften und den Ideologien ebenso gefunden werden muss wie zwischen „Staatsbürokraten“ und „Wettbewerbsfetischisten“. Diese Erkenntnisse haben Ökonomen und Sozialforscher wie Henry Mintzberg und Joseph E. Stiglitz in den USA oder Egon Matzner in Österreich7 formuliert. So betont Stiglitz (2001, S. 219 f.) die Notwendigkeit einer „balanced view of the role of government, one which recognizes both the limitations and failures of markets and government, but which sees the two as working together, in partnership, with the precise nature of the partnership differing among countries, depending on their stages of both political and economic development”. Im folgenden Überblick (Abbildung 4) werden zunächst die wichtigsten Strategien und Gestaltungsansätze des NPM, die auch für mitteleuropäische Staaten wie Österreich und Deutschland heute bedeutsam sind, angeführt. Abbildung 4: Zentrale Strategien und Instrumente des NPM (nach Naschold/Bogumil 1998, S. 83 sowie Rechnungshof 2002, S. 14 f) 7 Strategie Gestaltungsansatz (Instrument) im NPM “Politische“ Steuerung Strategisches Management auf der Ebene der politischen und administrativen Führung; die zentralen öffentlichen Aufgaben und ihre Finanzierung werden jeweils festgelegt (Kontrakte); Trennen von politisch-administrativer Führung und Ausführung der Aufgaben Schlanke, flexiblere organisatorische Strukturen Dezentralisierungs-, Entflechtungs- und/oder Verselbständigungsstrategien (Ausgliedern von Funktionen aus der öffentlichen Verwaltung und Einrichten von rechtlich selbstständigen, jedoch voll im Eigentum der Gebietskörperschaften stehende Gesellschaften); Zusammenführen von Fach- und Ressourcenverantwortung auf der Ebene der ausführenden Organisationseinheiten (Schaffen von Ergebnis-, Verantwortungscenters) und damit auch Reduzieren des „mittleren Managements“; Querschnittseinheiten bieten Service für die strategische Arbeit und für die operativen Einheiten; Siehe hierzu etwa bezogen auf Österreich E. Matzner: „Die vergeudete Republik“ (2001) 11 New Public Management und Public Governance Verfahren 02.03.06 Ergebnisorientierung (Berücksichtigen der Anforderungen und Wünsche von Bürgern und Kundengruppen) durch Festlegen von “Produkten“ (Output) und erforderlichen bzw. gewünschten Wirkungen (“Outcome“); Zielvereinbarungen und Kontraktmanagement mit den Ausführenden; Steuern der Zielerreichung (Controlling) über Leistungsberichte, Kosten- u. Leistungsrechnung, Wirkungsanalysen (Evaluationen); als Motor der Veränderung werden Wettbewerb und wettbewerbsähnliche Verfahren (z.B. Vergleiche zwischen ähnlichen Einrichtungen und Betrieben im öffentlichen Bereich, Vergleiche zwischen öffentlicher und privatwirtschaftlichen Leistungsangeboten) eingeführt oder forciert Führungskräfte auf allen Ebenen erhalten vermehrte Verantwortung für Personal- und Organisationsentwick zielkonformes, kunden-, mitarbeiter- und innovationsorientiertes Handeln; lung Personalentwicklung im Sinn einer verstärkten Befähigung durch Ausbau der Weiterbildung, Mitarbeitergespräche, Karriere- u. Verwendungsplanung; Organisationsentwicklung durch Schaffen einer neuen Corporate Identity, umfassende Delegationsansätze, Betonen von Team- und Projektarbeit Außenverhältnis 3.2 Orientieren an den Umfeldbedingungen; Ausbau der Kundenorientierung durch Marketing und Qualitätsmanagement; Öffnen zu Wettbewerb und Forcieren verwaltungsübergreifender Vergleiche auf Basis Leistungs- und Kostenkennzahlen Hauptdimensionen und Handlungsfelder Der komplexe Ansatz des NPM umfasst mehrere Dimensionen, die im Prinzip in einem modernen und selbstkritischen Managementverständnis enthalten sind, aber auch Bedingungen des Erfüllens öffentlicher Aufgaben gerecht werden müssen. Zunächst handelt es sich um eine veränderte Organisationskultur im öffentlichen Sektor, die neues Vertrauen in die Leistungsfähigkeit des Staates gleichzeitig aber auch die Einsicht in die begrenzte öffentliche Steuerungsfähigkeiten der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung entwickeln muss. Mintzberg hat dies anschaulich wie folgt ausgedrückt: „Der Staat braucht das Engagement seiner Bürger, […] er hat Lebenskraft bitter nötig […] besonders trifft dies auf kundenorientierte qualifizierte Dienstleistungen zu, etwa im Gesundheits- und Bildungswesen. Die Dienste hier können nie besser sein als die Menschen, die sie leisten. Darum gilt es, diese Spezialisten von zweierlei zu befreien: Von den direkten Kontrollen durch die Staatsbürokraten und von den engen Zwängen des Marktwettbewerbs [...]“ (Mintzberg 1996, S. 16). Zu der veränderten Organisationskultur gehören neue Leitbilder von Politik und Verwaltung, ein management-bezogenes Selbstverständnis der Führungskräfte und ein geänderter Umgang mit dem Personal, eine neue „Fehlerkultur“ (möglichst viele Rückmeldungen der Bürger und Leistungsempfänger werden angestrebt, Fehler werden tendenziell als Ansatz zu Verbesserungen angesehen), umfassende Kommunikation und Kooperation anstelle von Geheimhaltung und arbeitsteilig bedingter Informationsmängel und Isolierung der öffentlichen Bediensteten. Eine weitere Dimension betrifft die „Steuerungsphilosophie“, die weg von direkten Anordnungen und Eingriffen von „oben“ in das Handeln der ausführenden Mitarbeiter zu einer 12 New Public Management und Public Governance 02.03.06 indirekten Steuerung über Ziele und Leistungsvereinbarungen („Steuerung auf Abstand“) führt, die Selbststeuerung und umfassendem Qualitätsstreben besondere Bedeutung beimisst. Als logische Konsequenz gewinnen Controlling auf Basis von Leistungsberichten der ausführenden Stellen an die „politischen“ Auftraggeber, durch periodisches Aufstellen und Analysieren von Kennzahlen zur Zielerreichung und Entwickeln von Maßnahmen zur Sicherung der Zielerreichung sowie – am Ende des Managementzyklus – Soll-Ist-Vergleiche großes Gewicht. Weitere Dimensionen sind das Anwenden neuer Organisationsprinzipien, wie z.B. Öffnen nach Außen, Teamarbeit, Arbeiten in Projekten, Matrixmanagement, Delegation von Ergebnisverantwortung und der hiefür notwendigen Handlungskompetenzen möglichst auf die Ebene der ausführenden Mitarbeiter, Ausbau von Budgetierung und der Rechnungslegung und – last but not least - das Heranziehen einer großen Vielfalt von Managementinstrumenten. Zu solchen Instrumenten zählen etwa Qualitätsmanagement und Bewertungen der erreichten Qualität, Stärken- und Schwächenanalysen, Leistungsmessung und Feststellen der Zielerreichung, die Mitarbeitermotivation, die Kosten- und Leistungsrechnung, u.a.m. Die zentralen Handlungsfelder des NPM sind – worauf schon oben hingewiesen worden ist – die starke Ausrichtung an den Bürgern und Kunden (bezüglich der Steuerung der Outputs), teilweise auch der Outcomes, das sind positive gesamtgesellschaftliche Wirkungen, die schlanken und dezentralen Organisationsstrukturen (insbesondere durch das Verknüpfen von fachlicher Verantwortung und von Verantwortung für den wirtschaftlichen Einsatz auf der Ebene der handelnden Organisationseinheiten) sowie die Institutionalisierung von Wettbewerb, Leistungsvergleichen sowie anderen Marktmechanismen. Sie werden in der nachstehenden Abbildung 5 zusammengefasst dargestellt. Abbildung 5: NPM - Strategie S teue run g s ph ilo so phie M an a gem entin s tru m ente E rg e bn is o rie ntieru ng K on tra kte D e ze ntrale R es so urce n V eran tw ortun g W ettb ew erb B ü rg er- / K un den o rie ntieru n g n eue O rgan isa tionsp rin zipie n „K ultur“-V erän de ru ng 4 Die konzeptionelle Vielfalt des NPM ergibt sich aus unterschiedlichen Ausgangspunkten in den einzelnen Staaten, verschiedenen politischen Ansätzen und aus einer gewissen wissenschaftlichen sowie wirtschaftlichen “Konkurrenz“ um die jeweils prägenden Begriffe. Unter NPM zu subsumieren wären etwa die (Teil-)Konzepte: • des „Schlanken Staates“ („lean government“), • des “Neuen Steuerungsmodells“ (NSM, das bei den meisten deutschen Städten und Kreisverwaltungen verbreitet ist), 13 New Public Management und Public Governance 02.03.06 • der „wirkungsorientierten Verwaltungsführung“ (WOV), das in der Schweiz längst in großem Stil umgesetzt, teils auch in Österreich angepeilt wird, • des etwa in der Europäischen Union für die öffentlichen Verwaltungen forcierten Qualitätsmanagements (QM, auch TQM – Total Quality Management), • der Wettbewerbsorientierung sowie • der neuen öffentlichen Budgetierung (z.B. über Globalbudgets) und Rechenschaftslegung für die verschiedenen Anspruchgruppen. Kasten 2: Ein Beispiel für das im NPM erweiterte Steuerungsverständnis bietet die folgende Darstellung „Input“ Steuerung Ressourcenbereitstellung legislative Steuerung Ergebnissteuerung § Organisat. strukturen materielle und immat. Anreize Kultur Leitbild Bisher bildeten die Steuerung über Gesetze und Richtlinien sowie die Steuerung über die öffentlichen Budgets den Kern der Verhaltenslenkung im bürokratischen Modell. Bei der legislativen Steuerung handelt es sich um die Vorgabe von Handlungsgrundlagen mit geringem Ermessensspielraum, die in der Regel in der Form von allgemeinen Verfahrensnormen sowie von fachgesetzlichen Normen zu befolgen sind. Mit verschiedenen anderen Instrumenten wird das Sichern der Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns angestrebt. Über die öffentlichen Budgets wiederum wird auf den Entstehungsprozess von Verwaltungsleistungen durch die Bereitstellung von Ressourcen – in der Regel Geld, Personal und Technik – Einfluss genommen; es erfolgt insgesamt eine “Input“-Steuerung, die häufig ohne expliziten Bezug auf die erforderlichen und/gewünschten Leistungen stattfindet. Das NPM fügt nun weitere Steuerungsformen hinzu, v.a. die Ergebnissteuerung (was erreicht werden soll, wird festgelegt – Ziele), weiters eine vermehrte Delegation von Befugnissen (Kompetenzen) bei gleichzeitiger Ergebnisverantwortung (Steuerung über neue organisatorische Strukturen) sowie Anreize zu einem effizienten und kundenorientierten Verhalten. 14 New Public Management und Public Governance 3.3 02.03.06 Stärken und Schwächen des NPM Nach mehreren Jahren der Umsetzung der NPM – Modernisierung und einer Vielzahl von internationalen Evaluationen zeigen sich im Urteil der Wissenschaft8, teils auch im Urteil von Repräsentanten der politischen Praxis einige übereinstimmende Einschätzungen. Grundsätzlich zeigen die Evaluationen, dass der internationale Wettbewerb sich in den zuletzt vergangenen Jahren auch auf die Staats- und Verwaltungskonzepte ausgeweitet hat. „Auch das europäische Sozialstaatsmodell kann sich diesem Leistungswettbewerb hinsichtlich Qualität, Kosten...und Akzeptanz nicht entziehen“ (Naschold 1999, S. 31), dementsprechend hat NPM in vielen europäischen Staaten Einzug gehalten. Zu den Stärken der Reformen können gezählt werden: • Wirkungsvolle Bekämpfung der Mängel bürokratischer Verwaltungsorganisation und der Produktion von Dienstleistungen, auf den unteren staatlichen Ebenen vor allem. In Österreichs Städten9 wurden viele Aspekte der Bürger- und Kundenorientierung realisiert, ebenso die bessere Steuerung der Outputs (Qualitätsgewinne). Für die deutschen Kommunalverwaltungen bringt der Befund von Wollmann (2001, S. 44) die strategischen Stärken („Verdienste“) des NPM (und des deutschen Neuen Steuerungsmodells – NSM) auf den Punkt: „Die Prinzipien des Managerialismus und der Kostentransparenz haben kaum umkehrbar prägenden Einfluss auf die deutsche Verwaltungswelt gewonnen und damit die traditionelle Dominanz des Typus einer primär rechtsregelgesteuerten, hierarchisch vollziehenden und gewissermaßen kostenblinden Verwaltung korrigiert und überwunden. Allein darin wäre eine tief greifende Metamorphose des überkommenen deutschen Verwaltungssystems und das verwaltungshistorische Verdienst des Neuen Steuerungsmodells als maßgeblicher Auslöser und Treibsatz dieser Entwicklung zu erkennen.“ • Verstärken der konkreten betriebswirtschaftlichen Denk- und Sichtweisen; man spricht häufig von einer gelungenen „Binnenmodernisierung“ vor allem in marktnahen und bürgernahen Leistungsbereichen von Stadt- und Regionalverwaltungen. Besonders die „Bürgernähe“ (z.B. erleichterter Zugang der Bürger zu den Leistungen des Staates), eine erhöhte Flexibilität bei der Leistungserbringung („kundenfreundliche Ermessensauslegung“ (siehe Schedler/Proeller 2003, S. 263) und weit reichende Bemühungen um die Bestimmung der Leistungsergebnisse und der hiefür eingesetzten Ressourcen sind hervorzuheben. Schwächen der Reformprozesse: • Naschold weist auf vier kritische Bereiche hin – Dominanz des Managerialismus (und damit Probleme im Verhältnis Politik und Verwaltung), Anzeichen für eine Blockade der Partizipations- und anderer Demokratisierungspotentiale, zu geringe Einbeziehung des Verwaltungspersonals und Schwierigkeiten des Gewährleistungsregimes (S. 27 ff.) 8 Siehe u.a. Naschold (1999), Wollmann (2001), Schedler/Proeller (2003) und Reichard (2002). 9 Eine Zwischenbilanz zur Verwaltungsmodernisierung der österreichischen Städte im Jahr 2003 erbrachte folgende Einschätzung: „Im Großteil der Städte brachten die Verwaltungsreformen kundenorientierte und gestraffte Strukturen [...] für vier Fünftel der Städte standen Qualitätsverbesserungen im Mittelpunkt, die zumindest teilweise bereits realisiert werden konnten [...] wachsenden Stellenwert haben Kooperationen mit privaten Leistungserbringern (PPP-Projekte sind für die Hälfte der Städte etwa in Realisierung)“ (Biwald et al. 2003, S. 63) 15 New Public Management und Public Governance 02.03.06 • Ein ausgeprägtes Bewusstsein für die Verwaltungskultur fehlt; dieser Mangel an Verwaltungskultur (weiche Faktoren der Modernisierung) ist besonders störend für die teils langwierigen Veränderungsprozesse, was „zur Folge hat, dass Dissonanzen zwischen formalen Eingriffen und kulturellen Gegebenheiten nicht erkannt und zu Fallstricken für die Wandelprozesse werden“ (Schedler/Proeller 2003, S. 272). • Personal wird noch immer in erster Linie als Kostenfaktor gesehen; die Potentiale der Personalentwicklung (z.B. Einrichten neuer, leistungsfördernder Anreizstrukturen, kontinuierliche Weiterbildung der Führungskräfte) werden oft zu wenig ausgeschöpft, die Mitarbeiterorientierung ist im Konfliktfall mit Einsparungszwängen nachrangig (vgl. Dearing 2003, S. 100). • Eine gewisse Abkoppelung der politischen Entscheidungsgremien von der „modernisierten“ Verwaltung; da öffentliche Aufgaben nicht oder nur bedingt nach der betriebswirtschaftlichen Effizienz- und Effektivitätslogik gesteuert werden können, treten zunehmende Spannungen zwischen wirtschaftlicher Steuerung durch die Manager im Verwaltungsbereich und politischer Steuerung durch die hierzu berufenen politischen Instanzen auf10. In demokratischen Systemen gilt es jedoch „die ökonomische Effizienz immer auf demokratischpolitische Ziele zu beziehen“ (Naschold 1999, S. 31). Unterschiedlich bewertet werden in Theorie und Praxis zwei Fragen: 1. das Aushöhlen und Reduzieren der öffentlichen Verwaltungen durch Übertragen von möglichst viel Aufgaben an den Marktsektor, aber auch an Non-Profitorganisationen; 2. das Ausmaß der Übernahme erwerbswirtschaftlicher Strategien und Instrumente. Die Beurteilung hängt von den Gegebenheiten, Traditionen, vorherrschenden politischen Ideologien (Stellenwert der „Neoliberalisierung“) in den einzelnen Staaten ab. Deswegen lässt sich kein sinnvoller internationaler Vergleich aufstellen. 4 Public Governance zur „politischen“ Steuerung Governance im öffentlichen Bereich (zum Unterschied von corporate Governance in der Welt der Konzerne) wurde bis vor einiger Zeit – wenig präzise – als „verantwortungsbewusste und gute Staatsführung und -verwaltung“ verstanden (OECD 2001, S. 259). Im Jahr 1989 wird in einer Studie der Weltbank das Governance-Konzept in Bezug auf die Entwicklungszusammenarbeit der Weltbank mit Ländern der Dritten Welt verwendet (vgl. König 2001, S. 2). Die Weltbank hat damals von Hilfe empfangenden Staaten die stärkere Beachtung verschiedener institutioneller Faktoren verlangt: einen geordneten Staat und eine effektive öffentliche Verwaltung, Aufbauen bzw. Sichern der Grundgebote der Demokratie, Achten der Menschenrechte. In jüngster Zeit wird die Bedeutung von „Public Governance“ betont und zwar im Zusammenhang mit verbesserten politischen Entscheidungsprozessen, der „politischen“ Steuerung der Aufgabenerfüllung, der demokratischen Beteiligung von Bürgern („Bürgergesellschaft“) im Grundsätzlichen ebenso wie an praktischen Fragen des Alltagslebens sowie der Kooperation in gesellschaftlichen Netzwerken. 10 Siehe hierzu: Bovaird/Loefller 2003 a, S. 18: „In the NPM, managers were given a much greater role in policy making than before, essentially at the expense of politicians and service professionals […] it led to a vision of the public sector which often seemed peculiarly empty of political values and political debate” 16 New Public Management und Public Governance 4.1 02.03.06 Gründe für Public Governance Die Diskussion um Public Governance hat sich in den vergangenen fünf Jahren etwa aus folgenden Gründen verstärkt und weitgehend öffentliche Aufmerksamkeit erreicht. • Unzureichende politische Steuerung sowie Mängel in der Umsetzung der Verwaltungsmodernisierung werden erkannt; so etwa das teilweise Vernachlässigen von wirtschaftlichen Grundsätzen und finanzpolitischen Grundzielen durch politische Entscheidungsträger (nicht ausreichend stringenter Umgang mit knappen Mitteln; teilweise mangelndes Einräumen angemessener eigener Gestaltungsansätze auf allen Ebenen des öffentlichen Handelns), einseitiges Ausrichten der Modernisierung an zu engen Effizienzkriterien („Binnenmodernisierung“) mit politischen Entscheidungsdefiziten und/oder durch zu wenig reflektiertes Ausgliedern von öffentlich wahrzunehmenden Aktivitäten auf selbständige Organisationsformen bei anhaltender öffentlicher Finanzierung; • alte, verschärfte Probleme und teils neue Ziele fordern die öffentliche Verwaltung und Politik, die Wirtschaft, die „Zivilgesellschaft“ heraus; so etwa die hohe Arbeitslosigkeit, die erweiterten Kommunikations- und Partizipationsansprüche von BürgerInnen, die mittelfristigen EU-Ziele der Lissabon-Strategie (aus dem Jahr 2000); • Grenzen der Ökonomisierung verschiedener öffentlicher Aufgabenbereiche werden sichtbar; Qualität kann nicht in allen Aspekten gemessen werden, Qualität muss man auch spüren und erfahren können; • ein verstärkter Einfluss der Medien, insbesondere auch der neuen Medien wie Internet, wird spürbar und äußert sich u.a. durch mehr Druck nach Transparenz sowie der Suche nach neuen Dialogqualitäten zwischen Politik, Verwaltung und den BürgerInnen; • Moral und ethische Werte sind auch im öffentlichen Bereich immer wieder zu kommunizieren, zu festigen und weiter zu entwickeln. 4.2 Definition und Ziele von Public Governance Professor Hill von der deutschen Verwaltungshochschule in Speyer versteht Governance als einen ganzheitlichen Ansatz „zur Beurteilung der Qualität der Regulierung und Steuerung, der Problemlösung und der Gestaltung des staatlichen Handlungsfeldes“ (Hill 2000, S. 8). Er hebt damit die Qualitätsperspektive der öffentlichen Aufgabenerfüllung und die institutionellen Aspekte als grundsätzliches Ziel heraus. Hill meint damit die qualitätsvolle Zusammenarbeit und Entscheidungsfindung zwischen Staat und Zivilgesellschaft in Angelegenheiten von öffentlichem Interesse. Die Experten von Governance International11 rücken den Aspekt der Zusammenarbeit mit den verschiedenen stakeholdern in den Vordergrund ihrer Definition: Good Governance verstehen sie als “konstruktive[s] Zusammenwirken der öffentlichen Verwaltung mit wichtigen Akteuren und Organisationen [stakeholder], um die Lebensqualität vor Ort zu verbessern.” (Bovaird, Löffler 2005, S. 35). 11 Governance International in Großbritannien – www.govint.org (zitiert nach Bovaird/Löffler 2003, S. 165) 17 New Public Management und Public Governance 02.03.06 Eine internationale Forschergruppe (Bovaird et al. 2002, S. 12) hat den Governance-Ansatz auf die Kommunalpolitik („local governance“) übertragen und hierbei folgende Definition vorgeschlagen: “Local governance may be defined as the set of formal and informal rules, structures and processes by which local stakeholders collectively solve their problems and meet social needs. This process is inclusive because each local stakeholder brings important qualities, abilities and resources. In this process, it is critical to build and maintain trust, commitment and a system of bargaining”. Als – ein verhältnismäßig pragmatisches – Ziel von Governance im Zusammenhang mit der Verwaltungsmodernisierung könnte gelten: • Durch politisches Handeln den sozialen Frieden und den Zusammenhang von Gemeinwesen zu sichern (Senken des Konflikt-, gegebenenfalls auch des Gewaltpegels um einen gewissen Anteil), • damit wird die Gleichstellungsproblematik verschiedener Bevölkerungssegmente (genderAspekt, ethnische Gruppen, Alter, Religion) besonders aktualisiert, • die partnerschaftliche Kooperation von öffentlichen und privaten Akteuren bei der Lösung von gesellschaftlichen Problemen zu forcieren (Einbeziehen bzw. Fördern von Minderheiten; auch wenig organisierte Gruppen ansprechen; möglichst alle Beteiligten zufrieden stellen) und damit auch • das Vertrauen in die Demokratie zu erhöhen (Akzeptanzrate um ein gewisses Maß steigern; Wahlbeteiligung zu erhöhen). Politik und Verwaltung können somit Governance als eine Denkweise auffassen, wie öffentliche Angelegenheiten im Sinn des Suchens von „win-win-Lösungen“ für alle Beteiligten gehandhabt werden. Dies setzt etwa voraus, dass gesellschaftliche Interaktionen verstärkt an demokratischen Grundwerten wie Fairness und Transparenz ausgerichtet werden, und nicht zuletzt, das Stärken und Fördern der Eigeninitiative der am Gemeinschaftsleben interessierten Personen. Skandinavische, auch deutsche Beispiele zeigen, wie die Bürgerbeteiligung gefördert werden kann. So hat die Stadt Duisburg im Jahr 2002 den Speyerer Qualitätspreis u.a. deswegen erhalten, weil sie Projekte wie „Büro für Bürgerengagement“, „Sozialagenturen“, „Bürgerservicestationen“ und „Call Center“ eng miteinander verknüpft im Modernisierungsprozess integriert hat. BürgerInnen wurden an der lokalen Politik im Rahmen von moderierten „runden Tischen“, Ideenwerkstätten, Beiräten, Arbeitsgemeinschaften beteiligt, verschiedene PublicPrivate-Partnerships wurden gegründet. Politik und Verwaltung sind dabei auch gut beraten, die Dialektik anzuerkennen, dass Engagement (bei den eigenen MitarbeiterInnen ebenso wie bei den BürgerInnen, bei Institutionen und Unternehmungen) zwar angeregt, gestärkt und vernetzt, aber nie abschließend erfasst, geplant und verwaltet werden kann und sollte (vgl. Hummel 2000, zitiert bei Hill, 2002, S. 3). 18 New Public Management und Public Governance 02.03.06 Kasten 3: Zur Rolle der Bürger und der Bürgergesellschaft im Governance-Konzept “A healthy climate for understanding public services requires a clarified understanding of the important concept of citizenship, and an ability to distinguish citizens, voters and taxpayers and ‘customers’. Citizens are bearer of rights and duties in a framework of community. Citizenship aggregates; the concept of ‘customers’ disaggregates. The satisfaction of individual ‘customers’ may not add up to an overarching public good. For this reason …. political accountability must always come higher in the public service hierarchy of values than ‘customer’ or stakeholder accountability. The true role of public servants is not just to serve ‘customers’ but also to balance the interests and preserve the rights of ‘citizens’. It is the sum and balance of these interests, democratically determined, that may add up to something that could be called the public interest.” Canadian Centre… (2000), S. 55 Governance dient dem Festigen und erforderlichenfalls auch der Akzentuierung oder Neuinterpretation grundlegender Wertvorstellungen über öffentliches Handeln. Dies ist im Bereich der Verwaltungsmodernisierung mit teils starkem Übernehmen (durch internationale Berater) von US-amerikanischen Werten, Strategien und Konzepten nicht bedeutungslos, da sich das politische Wertesystem in den USA doch deutlich von europäischen Werten unterscheidet. Letztere hat Matzner (2002, S. 4) Bezug nehmend auf Hutton wie folgt zusammengefasst: Sozialbindung des Eigentums; Eigentum ist in Europa mit sozialen Pflichten verbunden; • Gesellschaftsvertrag; in der europäischen Tradition bindet er alle Bürger ein, denn er verlangt nach Fürsorge für die Schwächeren und Vorsorge für Notfälle; • Bewahren einer öffentlichen Sphäre, das sind meist umfassende öffentliche Infrastrukturen und öffentliche Dienstleistungen, die doch den meisten europäischen Ländern gemeinsam sind und im deutschen Sprachraum mit dem Begriff der „Daseinsvorsorge“ bezeichnet werden. „Öffentliche Gärten, öffentliche Plätze, öffentliches Fernsehen, öffentliche Museen, öffentlicher Verkehr, um nur einige Aufgaben zu nennen, sollten nicht allein als Ausdruck kollektiven Wollens geschätzt werden. Sie sind lebenswichtig auch für das bessere Verständnis unserer privaten Entscheidungen.“ (Hutton 2002, S. 84). Die Betonung von Werthaltungen in Leitbildern und Verhaltenskodices ist ein weiterer Aspekt von Governance. Verschiedene Staaten haben hiefür Leitbilder für den öffentlichen Dienst, Leitbilder für Führungskräfte und Verhaltensregeln (z.B. für öffentliche Kontrolle) verabschiedet und propagiert.12, Governance kann schließlich auch als Aspekt der Politikmodernisierung aufgefasst werden, die in den bisher umgesetzten Management-Reformen eher zu wenig betont worden ist, obwohl beispielsweise die strategischen Aspekte des NPM den Vertretern des politischen Systems aus Legislative und Exekutive viele Handlungsansätze bieten würden. 12 Siehe als Beispiel die kanadischen „Principles of the Conflict of Interest and Post-Employment Code for the Public Service”, Annex 1, S. 65, die “Components of an Ethics Regime”, Annex 2, S. 67 f. beide in: Canadian Centre …. (2000) sowie den UK Civil Service Code (Annex 3, S. 69 f.) 19 New Public Management und Public Governance 4.3 02.03.06 Prinzipien von Public Governance Folgende Prinzipien von Public Governance kann man in Anlehnung an Bovaird/Löffler (2003, S. 10) und an das Weißbuch der Europäischen Union „Gutes Regieren“ anführen: Abbildung 6: Prinzipien von Public Governance Transparenz Entscheidungsprozesse und öffentliche Institutionen sollten transparent sein, z.B. bei Auswahlkriterien von Führungskräften, bei Vergleichen von Leistungen und Kosten für einzelne Produkte und Leistungen. Beteiligung Umfassende Beteiligung ergänzend zur Politik führt zu mehr Vertrauen, zu höherer Prozess- und Ergebnisqualität. Gleichstellung Aufheben der Benachteiligung von Gruppen wegen Geschlecht, Rasse, Religion, Alter Verantwortung für die Qualität der Leistungen, für Effizienz, Nachhaltigkeit etc. gegenüber Stakeholdern, z.B. einzelne Bürger, Kundengruppen, Vereine/NGO’s, Arbeitnehmer- und Unternehmerverbände. Verantwortung (Accountability) Effektivität Kohärenz Nachhaltigkeit Evaluieren Bedarfe müssen effektiv erfüllt bzw. Probleme gelöst werden, basierend auf Objektivität und Evaluierung; z.B. sind etwa therapeutische Ergebnisse und Wirkungen von Maßnahmen im Gesundheitsbereich maßgeblich, nicht die Zahl der Betten, Röntgenbefunde, Behandlungen. Politik und Handlungen müssen zusammenpassen und verständlich sein; politisches und administratives Handeln muss abgestimmt werden; Maßnahmen zur Befähigung sollen mit entsprechenden Ergebnissen korrespondieren. Langfristige Einschätzung der Resultate von öffentlichen Aktivitäten, die üblicherweise ökonomische (z.B. Vollbeschäftigung, Qualität der öffentlichen Finanzen), soziale (z.B. Gleichberechtigung) sowie ökologische Aspekte (z.B. Umweltqualität) berücksichtigt. Die Umsetzung aller genannter Prinzipien ist periodisch zu überprüfen Diese Prinzipien müssen durch Politik und die Bürgerinnen und Bürger, durch die Wissenschaft, und die Medien, durch die öffentlichen Verwaltungen ebenso wie durch NGO’s vertieft diskutiert, umgesetzt und immer wieder auf die Übereinstimmung mit den sich verändernden gesellschaftlichen Gegebenheiten überprüft werden. Zum zentralen Grundsatz der ‚Verantwortung’ (accountability) bestehen etwa verschiedene Interpretationen: Häufig wird Verantwortung als Pflicht oder Bereitschaft zur Rechenschaftslegung verstanden. Es wird einem Vorgesetzten, dem Parlament, der Öffentlichkeit berichtet, wie die auferlegten Pflichten, wie die erteilten Aufträge erledigt worden sind. Immer stärker wird heute auch verlangt, die nachhaltigen Wirkungen die erzielt worden sind, festzustellen und zu zeigen. Verantwortung wird auch – wenngleich kontroversiell diskutiert – im Sinn des Übernehmens personeller Konsequenzen im Fall von Ereignissen, die durch korrektes und aufmerksames Handeln vermieden hätten werden können, verstanden. Diese Verantwortung wird in einigen Staaten überwiegend als politische Verantwortung aufgefasst. In Kanada wird dieser Aspekt besonders hervorgehoben: „Public office holders are responsible for all that occurs within their authority, but are not always subject to personal consequences such as discipline or blame for problems that occur. The issue and degree of blame depend, among other things, on whether office holders were personally involved in activities, or should have been; that is, on a fair assessment of whether they could have avoided the problem or ought to have taken steps to correct it…. Political realities mean that responsibility and accountability are often taken to imply that ministers are to blame when things go wrong. But in fairness, and in terms of common sense, 20 New Public Management und Public Governance 02.03.06 ministers cannot and should not be blamed and certainly should not be compelled to resign for all matters that go wrong which fall within their authority, irrespective of the importance of the problem ore the minister’s knowledge of or influence on it […]” (Canadian Centre for Management Development, 2000, S. 9 f.) Ein weiterer Aspekt von Verantwortung besteht in dem Sinn, dass Führungskräfte in Politik und Verwaltung für die Qualität der Organisationskultur, für das Wohlbefinden, für Gleichbehandlung und für das Engagement der Mitarbeiter, zu sorgen haben. Damit soll der öffentliche Sektor eine Vorbildwirkung für andere Sektoren in Wirtschaft und Gesellschaft übernehmen. Die folgende Gegenüberstellung macht am Beispiel der Kommunalpolitik deutlich, dass die Prinzipien von Public Governance und von Public Management sich substanziell unterscheiden (nach Bovaird/Löffler 2002). Abbildung 7: Public Management <=>Public Governance Functioning of the Local Authority Serving the community by producing policies, services and knowledge (“Service Provider”) Improving internal efficiency of local authorities Increasing users’ satisfaction in local services 4.4 Developing Good Local Governance Enabling the community to plan and manage its own affairs (“Community Developer”) Improving the external effectiveness of local authorities Building public trust in local government through transparent processes, accountability and through democratic dialogue Bürgerbeteiligung und Einbeziehung der Stakeholder13 Das Einbeziehen von BürgerInnen, Interessensgruppen, Wirtschaftstreibenden in die Gestaltung der staatlichen Aufgabenerfüllung ist ein wesentliches Element von Public Governance. Die einzelnen Beiträge im dritten Teil dieses Buches beleuchten unterschiedliche Ausprägungen und Aspekte von Öffentlichkeitsbeteiligung. Die Palette reicht dabei von europäischen Perspektiven der Bürgerbeteiligung, über Bürgereinbindung via Internet, das bürgerschaftliche Engagement von Unternehmen bis zur tatsächlichen Übernahme staatlicher Aufgaben durch private Vereine. Im Beitrag Bürgerbeteiligung – Stand und europäische Perspektiven werden grundsätzliche Rahmenbedingungen und Erfolgsfaktoren wirksamer Bürgerbeteiligung beschrieben und anhand einiger positiver Beispiele aus Europa konkretisiert. Wenn Bürgereinbindung von Verwaltung und Politik oft als Behinderung von Entscheidungsprozessen oder als ohnehin durch die repräsentative Demokratie abgedeckt gesehen wird, stellt sich die Frage nach dem Nutzen. Dieser liegt darin, die Akzeptanz für politische Entscheidungen zu erhöhen, Streitigkeiten, die als Folge getroffener Entscheidungen entstehen, zu vermeiden und soziales Kapital auszubauen. Gerade letzteres ermöglicht der Verwaltung, Verantwortung an die Zivilgesellschaft zu delegieren und so Geld zu sparen. Die Praxisbeispiele lassen den Schluss zu, dass dort, wo man echte Bürgerbeteiligung zulässt, kein Gegensatz zwischen Effizienz und Demokratie besteht. Die Auswahl der passenden Form von Bürgerbeteiligung erfolgt zwischen Information, Konsultation und Zusammenarbeit. Bei der Information kommt es nicht auf die Quantität, sondern auf die Qualität an und darauf, dass diese der Zielgruppe entsprechend aufbereitet wird. Erfolgreiche Konsultation muss beweisen, 13 Bauer, Biwald, Dearing: (2005), S. 391-394. 21 New Public Management und Public Governance 02.03.06 dass zugehört wurde. Dies bedeutet, dass zumindest über die Ergebnisse der Konsultation informiert wird. Eine Zusammenarbeit zwischen den BürgerInnen und der Verwaltung wird dann fruchtbar sein, wenn sich die Ergebnisse unmittelbar auf die Lebensqualität der Beteiligten auswirken. Standards zur Öffentlichkeitsbeteiligung sichern die Qualität von Bürgerbeteiligungsprozessen. Der Beitrag nähert sich dem Thema über die Beschreibung EU-weiter Vorgaben zur Öffentlichkeitsbeteiligung und eines Best Practice-Beispiels aus Großbritannien. Dort werden in einem „Code of Practice on Consultation“ die Erfordernisse für einen erfolgreichen Beteiligungsprozess dargestellt. Als besondere Herausforderung wird die Veränderung von Einstellungen sowie der Verhaltensweisen von Politik und Verwaltung gegenüber der Öffentlichkeit betont. Als förderliche Rahmenbedingungen für die Öffentlichkeitsbeteiligung werden u.a. vereinbarte Standards für Öffentlichkeitsbeteiligung oder die Bereitstellung erforderlicher Ressourcen, um etwa die eingelangten Stellungnahmen adäquat zu bearbeiten, genannt. Nur wenn die Methoden der Bürgereinbindung ständig weiterentwickelt und erweitert werden, wird die Öffentlichkeitsbeteiligung lebendig bleiben. Neben den klassischen Instrumenten, wie Bürgerbefragung oder formale Stellungnahmeverfahren, finden neuere Methoden wie Zukunftskonferenzen, Bürgergutachten oder die schon seit Jahrzehnten fallweise praktizierten „Planungszellen“ zunehmend Anwendung. Die Qualitätsoffensive „klasse:zukunft“ beschreibt die Chancen und Möglichkeiten einer breiten Einbindung Betroffener über das Medium Internet. Im Auftrag der Bildungsministerin sollte ein wissenschaftliches Expertenteam (Zukunftskommission) die Stärken des Schulsystems identifizieren, die Schwächen benennen und Verbesserungen empfehlen. Die Analysen und Vorschläge der Zukunftskommission wurden auf der Internetplattform klasse:zukunft allen Interessierten zur Diskussion zur Verfügung gestellt. In moderierten Diskussionsforen und Chatrooms wurde aktive Beteiligung gelebt. Insgesamt verzeichnete die Plattform nach 220 Tagen Online-Zeit, 499.750 Zugriffe von über 53.000 BesucherInnen, meist LehrerInnen, SchulleiterInnen, SchülerInnen und Eltern. Im Unterschied zu anderen Internetangeboten der öffentlichen Verwaltung, die überwiegend auf Information (Transparenz) setzen, wurden durch die Plattform klasse:zukunft Information und Partizipation gleichermaßen berücksichtigt. Bemerkenswert ist auch, dass über das Internet Anregungen und Ideen für die strategische Planung und die Qualitätsdebatte gewonnen werden konnten, was auch für das demokratiepolitische Potenzial des Mediums spricht. Das Salzburger Kulturleitbild als Beispiel für aktive Bürgerbeteiligung zeigt, dass selbst in einer kleineren Stadt in einem begrenzten Aufgabenfeld (in diesem Fall die Kulturpolitik der Stadt Salzburg) die Einbindung von betroffenen Interessensgruppen in breiten Umfang erfolgen kann. Dabei ist es nicht einfach, die Grenze zwischen einer möglichst großflächigen Einbindung einerseits und der Sicherung der Arbeitsfähigkeit der Gruppe andererseits zu ziehen. Durch die nicht homogene inhaltliche Zusammensetzung der Beteiligungsebenen konnte eine Vernetzung der unterschiedlichsten Kompetenzen und damit auch die Beantwortung der anstehenden Fragen aus unterschiedlichen Perspektiven erzielt werden. Neben einer Vielzahl an moderierten Diskussionsforen wurde auch eine Internetplattform für den Informationsaustausch und die Diskussion genutzt. Aus dem Kulturleitbild entstanden ein Kulturentwicklungsplan, der eine Fülle an Maßnahmen zur Umsetzung des Leitbildes enthält sowie ein internes Leitbild für die städtische Kulturverwaltung. Am Beispiel des Umgangs mit ethischen Minderheiten in der Stadt Wien wurden die Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung dargestellt. In den zuletzt vergangenen Jahren sind hierfür neue organisatorische Formen eingerichtet, bewährte Leistungen fortgeführt und neue Serviceleistungen (teilweise auch nach Innen gerichtet) zum Ausbau der interkulturellen Sensibilität und Kom- 22 New Public Management und Public Governance 02.03.06 petenz entwickelt worden. Man bedient sich dabei des „Diversitätsmanagements“ und fördert durch das in Dienst stellen von MigrantInnen auch die „Aufwärtsmobilität“. Im Rahmen von Stadtteil- Planungs- und -Infrastrukturprojekten setzt man zunehmend auf Einbeziehen von AusländerInnen, vor allem von AnrainerInnen und sonst direkt Betroffenen. Das im Sinn von Good Governance angestrebte Ausländerwahlrecht auf der Ebene der Stadtbezirke in Wien, das durch den Verfassungsgerichtshof als verfassungswidrig erkannt worden ist, gilt weiterhin als politisches Ziel, ebenso das Verstärken von Toleranz und des Respekts gegenüber anderen Kulturen und Lebensformen. Schließlich wird gezeigt, dass zur politischen Steuerung des besseren Umgangs mit ethnischen Minderheiten eine bundesweite Debatte über Art und Ausmaß von Zuwanderung – die auch von Demografen gefordert wird – hilfreich wäre. Bürgerschaftliches Engagement von Unternehmen ist ein immer wichtiger werdendes Element von Good Governance. Deutlich wird dies auch an der Entwicklung vom „schlanken“ zum „aktivierenden“ Staat, der nun zwar grundsätzlich für die Regelung bestimmter gesellschaftlicher Probleme und die Gewährleistung bestimmter Sicherheitsleistungen zuständig bleibt, für die Leistungserstellung aber auf Co-Produktion und selbstverantwortliche Eigenleistung externer AkteurInnen setzt. Der Beitrag befasst sich mit dem Nutzen von bürgerschaftlichem Engagement für Unternehmen und mit den Erwartungen der öffentlichen Hand, an die dann die gezielte Förderung des bürgerschaftliche Engagements durch den Staat geknüpft ist. Anhand von Praxisbeispielen aus Deutschland werden die Ausprägungen bürgerschaftlichen Engagements beleuchtet, die von kostenloser Personalüberlassung über Know-How-Transfer bis zur Vermittlung von Netzwerkkontakten aber auch zur Bereitstellung von Geldmitteln reichen. Als Leistungspotenziale von Corporate Citizenship für das Gemeinwesen werden u.a. Innovation (z.B. Modernisierung von Produktionsprozessen) und Unternehmenskultur (Orientierung am Gemeinwohl wird zum Bestandteil der Unternehmenskultur) genannt. NGO’s im Dialog zwischen Politik und BürgerInnen beschreibt am Beispiel von pro mente kärnten die Erfahrungen von NGO’s, die staatliche Aufgaben übernehmen und diese in einem Netz zwischen Politik, Verwaltung, Betroffenen und BürgerInnen erfüllen müssen. Kritisch wird dabei der Umstand gesehen, dass das Engagement der NGO’s mithilft, die Verabschiedung der Politik aus brennenden gesellschaftlichen Fragen wie Sozial-, Bildungs-, Beschäftigungs-, Umwelt- und Entwicklungspolitik zu verharmlosen. Anstatt professioneller Zusammenarbeit zwischen dem Staat und jenen, die staatliche Aufgaben übernehmen, „verkommen“ die Kommunikationsmuster oft zu einer Kommunikation zwischen Bittsteller (NGO) und Spender (Staat) anstatt sich auf partnerschaftlicher Ebene zu bewegen. Anhand von Beispielen werden bürgernahe Problemlösungsansätze verdeutlicht und die ehrenamtliche Arbeit als immer notwendiger werdende Ergänzung mit Brückenfunktion zur Gesellschaft beschrieben. 4.5 Stärken und Verbesserungsbereiche – Beispiele für Transparenz und Accountability Accountability „Die effizientere Nutzung von Ressourcen ist das Ziel nahezu aller Aspekte von Modernisierungsbestrebungen und des Technikeinsatzes in den öffentlichen Verwaltungen. Vor allem durch die Dezentralisierung der „Ressourcenverantwortung“ wird diesem Prozess zusätzliche Schubkraft verliehen“. 14 14 Brunzel, Marco: (1999), S. 18. 23 New Public Management und Public Governance 02.03.06 Wie bereits erwähnt wurde, ist unter Accountability die Zurechenbarkeit und Verantwortung für die Erstellung, für den Ressourceneinsatz und für die Qualität von Leistungen zu verstehen. Hierbei geht es aber ebenso um die Verantwortung für die Qualität von Prozessen, die Festlegung von Qualitätsstandards und die Verantwortung für Querschnittsmaterien wie Gleichstellung und schonenden Ressourceneinsatz. Prof. Brodtrick interpretiert den Begriff viel umfassender. Zum einen macht er deutlich, dass ein „punktuelles“ Verständnis von Accountability der Sachlage nicht immer dienlich ist, sondern auch Entwicklungen zu betrachten wären: „When we exact accountability, we typically do so in order to get a snapshot view of what happened […]. Very often, though, the snapshot gives us only limited understanding about what occured before, or what occured in parallel with the event we are srcutinizing… and there might be important connections that remain hidden….we might consider therefore to examine trends instead of of snapshots […]”. Zum anderen unterstreicht Brodtrick den Umstand, dass nicht nur Ergebnisse, sondern auch Vorgangsweise und Prozesse der Accountability unterliegen. Er verweist diesbezüglich auf Entscheidungsprozesse, auf integrierte Vorgehensweisen und auf die Verantwortung für Lernprozesse. „ From a Good Governance point of view, accountability should be a positive process to foster learning, change and innovation for the future.”15 Aus dem Bereich der Accountability ist ein praktisches Beispiel vom Treasury Board of Canada bekannt, das so genannte „Management Accountability Framework“16. Die dadurch erreichte verstärkte Verantwortung soll zu: • einem effektiven Management in den Organisationen, • besserem Service für Minister und Regierung und • der Kommunikation der Ergebnisse an die BürgerInnen beitragen. Das Rahmenwerk besteht aus zehn verschiedenen Feldern, wie sie in der untenstehenden Grafik abgebildet sind: 15 Brodtrick, Otto: (2005), S. 58 ff. 16 http://www.tbs-sct.gc.ca/maf-crg/maf-crg_e.asp; Treasury Board of Canada – Management Accountability Framework (Stand: 14.07.2005) 24 New Public Management und Public Governance 02.03.06 Abbildung 8: Management Accountability Framework – Ziele / Erwartungen Quelle: Treasury Board of Canada 2003 Die Ziele, die im Bereich “Governance and Strategic Directions“ vorgegeben sind, führen letztlich zu den „Results and Performances“. Für die Erstellung der Leistungen werden demokratipolitische, ethische und bürgerInnenbezogene Werte („Public Service Values“) vorgegeben – weiters wird das Rahmenwerk durch den Bereich „Learning, Innovation and Change Management“ abgerundet. Die gesetzten Ziele werden über Maßnahmen und Ergebnisse aus den Bereichen „Politik und Programme“, „MitarbeiterInnen“, „BürgerInnenorientierter Service“, „Risiko Management“, „Controlling (stewardship)“ und „Accountability“ angepeilt. Die Ziele und operativen Maßnahmen aus den zehn Bereichen können selbstverständlich nicht alle zur gleichen Zeit erfüllt werden. Weiters können diese auch für Abteilungen und Organisationen unterschiedlich bewertet und definiert werden. Dennoch sollten alle Abteilungen Fortschritte und Verbesserungen in den einzelnen Bereichen nachweisen können. Manager sollten alle Ebenen des Frameworks dazu benutzen, um ihre Abteilung gut zu führen, die MitarbeiterInnen zu engagieren und einzubeziehen, damit durch die so erreichten Vorstellungen die Organisation als Ganzes gut funktioniert. 25 New Public Management und Public Governance 02.03.06 Selbstverständlich unterliegt dieses Rahmenwerk ständigen Veränderungen und entwickelt sich selbst weiter. In einem nächsten Schritt werden für die Ziele Indikatoren und Messgrößen festgelegt. Dieser umfassende Ansatz der „Accountability“ verfolgt das umfassende Ziel, die Leistungen der öffentlichen Verwaltungen modern zu gestalten, wobei: • die Leistungen an den BürgerInnen ausgerichtet sind, • Werte, die mit den öffentlichen Leistungen verbunden sind (wie ethische, demokratische etc.), klar definiert, kommuniziert und umgesetzt werden, • die Politik von der Verwaltung unterstützt wird und die strategische Richtung in Ergebnisse und Wirkungen übersetzt wird, • Entscheidungen transparent und verantwortlich getroffen werden, • MitarbeiterInnen geschätzt und menschliche sowie intellektuelle Kapazitäten entwickelt werden, • mit finanziellen Mittel verantwortungsbewusst umgegangen wird und die • Leistung der Organisation stets durch Lernen, Weiterentwicklung und Innovation aufgewertet wird. In der österreichischen Bundesverwaltung sind derzeit folgende praktische Ansätze im Bereich „Accountability“ bereits vorhanden: Abbildung 9: Projekte auf Basis der Accountability in der Praxis Accountability BKA BMaA BMF BMI BMLFUW BMWA Parlamentsdirektion Kosten-Leistungsrechnung Outsourcen von Hausverwaltungs-, EDV- und anderen Leistungen; Motivationsund Leistungssteigerung der Kulturinstitute und Ö-Bibliotheken durch dezentrale Entscheidungsprozesse und Accountability Flexibilisierungsklausel Flexibilisierungsklausel in der Sicherheitsakademie; Digitalfunk BOS Austria; Ausgliederung des Bundesamtes und Forschungszentrums für Wald; Anwendung der Flexibilisierungsklausel in einer Dienststelle mit Einführung der KostenLeistungsrechnung Management von Auslegungsfragen, Auswahl der Betriebe für die Kontrolle Projektmanagementhandbuch zur Festlegung von Regeln und Standards, Rekrutierungshandbuch zur Festlegung von Standards und Verfahren Quelle: Governance-Umfrage 2005 Das Bundesministerium für Finanzen und die betreffenden Fachressorts setzen hier im Rahmen der Budgeterstellungsprozesse und der Delegation von Fach- und Ressourcenverantwortung über die Flexibilisierungsklausel richtungweisende Schritte, was auch aus dem Interview mit Herrn SC Dr. Steger abgeleitet werden konnte. Die Verantwortung über die Ergebnisse ist einer der zentralen Ansatzpunkte der Flexibilisierungsklausel, die im Jahr 1999 in das Haushaltsrecht des Bundes aufgenommen worden ist. Weitere Schlüsselelemente sind eine mehrjährige Planung mit einem „qualitativen und quantitativen Leistungskatalog, einer mehrjährigen Ausgabenund Einnahmenvorschau sowie einer Planstellenentwicklung, Anreiz- und Sanktionsmechanismen – Ergebnisverbesserungen (gegenüber dem Plan, Anm. d. Verf.) verbleiben teilweise der Dienststelle zur freien Verwendung sowie Begleitung und Evaluierung durch einen Controllingbei- 26 New Public Management und Public Governance 02.03.06 rat“.17 Die Erfahrungen mit der Anwendung der Flexibilisierungsklausel in 14 nachgeordneten Organisationseinheiten des Bundes sind positiv. Dies kann in erster Linie der Verknüpfung von Ergebnis- und Ressourcenverantwortung, also der Umsetzung des „Accountability“-Ansatzes, zugeschrieben werden.18 Wie die Ergebnisse der Umfrage zur Frage der „Accountability“ zeigten, ist lediglich die Verantwortung für die Qualität der Leistungen und Produkte ein breit angewandter Ansatz (85 Prozent der Befragten). Dagegen werden Maßnahmen wie die Festlegung von Leistungsstandards oder die Definition der Qualität von Prozessen in geringerem Umfang praktiziert - lediglich von 50 Prozent der befragten Sektionen/Abteilungen im Fall der Festlegung von Leistungsstandards und von 54 Prozent für den Ansatz der Verantwortung für die Qualität der Prozesse. Vergleichsweise wenig umgesetzt werden Maßnahmen im Bereich der Querschnittsmaterien wie Gleichstellung und schonender Ressourceneinsatz (wird von 42 Prozent der Befragten wahrgenommen). Transparenz In Skandinavien, ähnlich auch in Kanada, Großbritannien etc. wird Offenheit und Transparenz – welche grundlegende Teilbereiche von Public Governance darstellen – groß geschrieben. Für die BürgerInnen ist es ein selbstverständliches Recht, die Möglichkeit der Überprüfung zu haben, wie die Politik und die staatlichen Institutionen ihre Macht ausüben. „Das Öffentlichkeitsprinzip, das in Schweden umfassender ist als in den meisten anderen Ländern, gewährt den Medien und der Öffentlichkeit nicht nur Zugang zum Schriftwechsel der Ministerien, der Städte und Gemeinden sowie der staatlichen Institutionen, sondern schreibt auch vor, dass diese Informationen benutzerfreundlich und kostenfrei zur Verfügung zu stellen sind. International wird dieses Öffentlichkeitsprinzip als so radikal gewertet, dass es ständig zu Reibungen in der EU kommt, wo schwedische Repräsentanten oft auf Widerstand und mangelndes Verständnis stoßen, wenn sie für größere Offenheit und Transparenz eintreten.“19 Beispiele hiefür bietet auch die Bundesebene in Kanada. Es wird dort etwa ein jährlicher Performance Plan dem Parlament vorgelegt, aus dem die Erreichung wichtiger Wirkungsziele nachgewiesen und kommentiert wird. 17 Herbeck, G. (2005), S. 250 f. 18 Vgl. hierzu Steger, G. (2005). 19 http://www.sweden.se; Stand: 30.08.2005 27 New Public Management und Public Governance 02.03.06 Outcome Indicator Canada´s Exonomy An Innovative and Knowledgebased Economy - Innovation - Educational Attainment - Literacy … Income Security and Employment - Employment Rate … Safe Communities - Safety (crime rate, victimization rate) Caring Communities - Volunteerism A Vibrant Canadian Culture and Heritage - Participation in Culture and Heritage Activities Health of Canadiens A Healthy Population - Life Expectancy - Self-Rated Health - Infant Mortality … Canadian Environment Canada has a sustainable Approach to its Natural Resources and Healthy Ecosystems - Biodiversity - Natural Ressources Sustainability Society, Culture and Democracy Nov-05 Area KDZ - Zentrum für Verwaltungsforschung, Managementberatungs- und Weiterbildungs GmbH www.kdz.or.at Canada´s Performance – Annual Report to Parliament 2004 Quelle: Canada´s Performance Plan 2004 (www.tbs-sct.gc.ca) 11 Ebenso wird in Kanada jährlich ein Bericht der Regierung für das Parlament und die BürgerInnensowie andere Stakeholder veröffentlicht, der über den Fortschritt der Maßnahmen zur Steigerung der Lebensqualität der KanadierInnen, das als oberstes Ziel der Regierung gesehen wird, berichtet. Grundlagen hierfür sind unter anderem interne Audits der öffentlichen Verwaltung, die sich auf die Outputorientierung konzentrieren. Gemessen wurde die Leistung der öffentlichen Verwaltung an best practices und Empfehlungen auf Basis des „Capacity Check Tools“, das mit dem europäischen CAF vergleichbar ist. Ziel ist es hierbei auch, den KundInnen und Stakeholdern einen Status-Quo-Bericht darüber abgeben zu können, welcher ManagementAnsatz derzeit verfolgt wird und ob der gesamte „Management-Rahmen“ in klaren Strukturen abläuft. Diese Vorgehensweise ermöglicht Transparenz für die Stakeholder sowie deren Einbeziehung in verschiedene Prozesse und verfolgt vor allem die strategische Planung in der öffentlichen Verwaltung – einige der Hauptaspekte von Public Governance.20 Weitere interessante Beispiele für Maßnahmen zur Erhöhung der Transparenz betreffen etwa den vom Büro des britischen Premierministers herausgegebenen „Code of Practice on Consultation“ sowie die EU-Richtlinien zur Öffentlichkeitsbeteiligung (Richtlinie 2003/35/EG des Europäischen Parlaments) und zur Strategischen Umweltprüfung (Richtlinie 2001/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Juni 2001 über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme.21 Die Ansätze von Transparenz im jeweiligen Verantwortungsbereich zeigen folgende breit gestreute Ergebnisse: • Für die Transparenz im Entstehungsprozess von Gesetzen und Verordnungen wird in 31 Prozent der befragten Sektionen/Abteilungen gesorgt; • auch Ergebnismessungen werden von 35 Prozent der Befragten erst teilweise praktiziert bzw. öffentlich gemacht; 20 http://www.tbs-sct.gc.ca Treasury Board of Canada – Management Accountability Framework (Stand: 14.07.2005) 21 Für weitere Hinweise siehe Arbter, Kerstin; Trattnigg, Rita: (2005), S. 295 ff. 28 New Public Management und Public Governance 02.03.06 • Beschwerdemanagement wird von 38 Prozent der Befragten umgesetzt. Dagegen dürften weiter verbreitet sein: Leistungs- und Kostenvergleiche (73 Prozent), das Sichtbarmachen von Entscheidungsprozessen (ebenfalls 73 Prozent) sowie Maßnahmen zur Erhöhung der internen Transparenz/Kommunikation (85 Prozent). Die Frage nach Beispielen für Transparenz im Bereich der Bundesverwaltung liefert beachtliche Ergebnisse, die auch öffentlich gewürdigt werden. Abbildung 10: Praktische Beispiele aus dem Bereich der Transparenz Transparenz BKA BMaA Leistungsberichte des Bundes Transparente Postenvergabe für die häufigen Funktionswechsel zw. In- und Ausland BMF BMI Elektronischer Akt (ELAK); Neue Budgetunterlagen des Bundes Transparenz bei Entscheidungsprozessen BMJ BMWA Elektronische Sachverständigendatei Benchmarking der Geschäftsstellen des AMS; Informationsbereitstellung über Homepage Quelle: Governance-Umfrage 2005 Als besonders aktuelles Beispiel für einen grundsätzlichen Strategieansatz im Bereich der Transparenz kann das im Jahr 2005 gestartete Projekt des Lebensministeriums und des Bundeskanzleramts Standards zur Öffentlichkeitsbeteiligung genannt werden. Ziel dieses Projektes ist es, „für die Bundesverwaltung verbindliche Mindeststandards und Best-PracticeEmpfehlungen zur Öffentlichkeitsbeteiligung zu entwickeln. Diese Standards sollen in Zukunft bei Öffentlichkeitsbeteiligungsverfahren routinemäßig angewandt werden.“22 Insgesamt kann festgestellt werden, dass die Antworten auf die Frage nach den bestehenden Ansätzen von Transparenz in der Praxis und die hier angeführten Beispiele ein beachtliches Problembewusstsein und vielfältige Maßnahmen zeigen. Dennoch ist im Bereich der Transparenz im Vergleich zu anderen hoch entwickelten Industrieländern noch erhebliches Handlungspotenzial gegeben. 5 Stärken und Schwächen der Maßnahmen im Bereich von Public Governance aus der Sicht der befragten Bundesstellen Die Umfrage galt schließlich auch der Selbsteinschätzung von Stärken und Schwächen im Umgang mit dem Konzept und den vielfältigen Ansatzpunkten und Maßnahmen von Public Governance. Die jeweiligen Antworten, die teils auf die Situation der betreffenden Sektion/Abteilung möglichst objektiv Bezug nehmen, teils als subjektive Einschätzungen der Befragten gelten können, werden im Folgenden Abschnitt dargestellt. Die Zahl in der Klammer hinter der jeweiligen Stärke/Schwäche stellt die Anzahl der Nennungen dar. Stärken • Hohe Akzeptanz in der Öffentlichkeit; idF bessere Umsetzung der Maßnahmen, Bewusstseinsbildung in der Öffentlichkeit (8) 22 Arbter, Kerstin; Trattnigg, Rita: (2005), S. 307. 29 New Public Management und Public Governance 02.03.06 • Qualitätssteigerung der Leistungen/Produkte (7) • Transparenz (5) • Zurechenbarkeit von Erfolg/Misserfolg und Qualität der Aufgaben/ Einbettung in klare Strukturen (5) • Bürgerorientierung/Steigerung der Kundenzufriedenheit (4) • Evaluierung/Kennenlernen der Wirkungen der erbrachten Leistungen (3) • Motivation aller Beteiligten (3) • Nachhaltigkeit von Ergebnissen (3) • Effektivität (2) • Netzwerkbildung (2) • Vergleich/Benchmarking möglich (2) • Hohe Multiplikatorwirkung (1) • Relativ rasche erkennbare Erfolge (1) Es zeigt sich, dass die Stärken der Anwendung von Governance aus der Sicht der befragten Stellen: • überwiegend zu einer erhöhten Akzeptanz/Bewusstseinsbildung in der Öffentlichkeit führen, • zur Erhöhung der Kundenorientierung und damit zur Qualitätssteigerung der Produkte/Leistungen beitragen, • und im Bereich verbesserter Transparenz und Accountability, also einer stringenteren Zurechenbarkeit von Qualität der Leistungen an die LeistungserbringerInnen liegen. Schwächen • Hoher bürokratischer Aufwand, zeitaufwendigere und personalintensivere Umstellungsprozesse/Entscheidungsprozesse (8) • Schwierige Umsetzung in starren Strukturen und mit starren Verhaltensmustern der AkteurInnen (2) • Prioritätensetzung schwierig (2) • Strategische Planungen nur bedingt möglich (2) • Auswirkungen werden nicht abgewartet (1) • Geringere Flexibilität bei der Leistungserbringung (1) • Mangelnde Instrumente zur Reaktion von Abweichungen (1) • Probleme bei der Leistungsmessung (1) • Transparenzforderung führt zu geringerer Dokumentation (1) • Verhältnis Stab/Linie – Einflussnahme des Stabes auf höherer Ebene kann Umsetzung erschweren (1) Die hauptsächlichen Schwächen von Public Governance liegen nach Ansicht der Befragten eindeutig in einem erhöhten bürokratischen Aufwand sowie in personal- und zeitintensiven Umstellungs- und Entscheidungsprozessen. Weiters werden die starren Rahmenbedingungen, innerhalb derer die Leistungen erbracht werden, als Schwäche gesehen. Dies dürfte allerdings nicht als Schwäche der Governance-Strategien und Maßnahmen zu verstehen sein, sondern dass die tradierten „bürokratischen“ Strukturen zentralen Ansatzpunkten von Governance entgegenstehen oder Handeln im Sinn von Governance-Prinzipien eher behindern. Darauf deuten auch die von einzelnen befragten Personen genannten „Risiken“ bei der oder für die Anwendung von Public Governance, wie beispielsweise das starre Haushalts-, Dienst- und Besoldungsrecht oder eine fehlende zielgenaue Einbindung der Zielgruppen. 30 New Public Management und Public Governance 02.03.06 Risiken • Fehlende zielgenaue Einbindung der Zielgruppen • Starrheit von Haushalts-, Dienst- und Besoldungsrecht • Fehlendes Qualitätsmanagement Zur Überwindung der oben genannten Schwächen und Risiken von Public Governance sind seitens der Befragten folgende Chancen – im Sinn unterstützender Maßnahmen etwa - gegeben, um Public Governance besser zu nutzen und weiter zu verbreiten. Chancen • Unterstützung und Interesse der Politik (7) • Nutzen von Governance deutlich machen, verstärkte Zielgruppen- und Öffentlichkeitsarbeit (5) • Flexibilisierung in den Bereichen Budget, Personal und Organisation einführen (4) • MitarbeiterInnen- und Führungskräfteschulung (4) • Ausbau der elektronischen Informationsverbreitung und Zugangserleichterungen (3) • Kosten- und Leistungsrechnung (2) • Hinweise auf best practices / Ergebnisse publizieren (2) • Übergreifende zielführende Koordination der Governance-Maßnahmen (2) • Einsatz von Controlling-Instrumenten (1) Bei diesen Potenzialen und Chancen fällt auf, dass vor allem die Unterstützung und das Interesse seitens der Politik, also im Bereich der politischen Führungskräfte erhofft bzw. eingefordert werden. Die seit längerem als Teile der Verwaltungsmodernisierung diskutierten Flexibilisierungen in den Bereichen Budget, Personal und Organisation sowie die Schulungen von MitarbeiterInnen und Führungskräften sowie verstärkte Zielgruppen- und Öffentlichkeitsarbeit zur Bewusstseinsbildung werden ebenfalls als hilfreich für weiteres Nützen der Potenziale von Governance-Strategien und Maßnahmen gesehen. 6 Resumé – Zur Umsetzung von Public Governance (10 Thesen)23 These 1: Verstärktes Bemühen um das Setzen zeitgemäßer Rahmenbedingungen Public Governance setzt vermehrt auf umfassend und gemeinsam geplante öffentliche Aufgaben und auf eine die Wirkungen im Auge behaltende Umsetzung dieser Aufgaben. Dies ergibt sich aus der Erkenntnis, dass in komplexen Gesellschaften der Staat kein umfassendes Machtmonopol ausüben kann und soll. Vielmehr bedarf es eines gut organisierten Zusammenspiels der verschiedenen gesellschaftlichen Kräfte, die auch vom Gedanken der partnerschaftlichen Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben getragen sind. Allerdings bleibt es dem Gesamtstaat vorbehalten, die Rahmenbedingungen der Aufgabenerfüllung, wie z.B. die Bundesverfassung und die Aufgabenverteilung im föderalen Staatswesen, die Finanzverfassung und die zeitgemäße Interpretation der Prinzipien der Konnexität und der Wahrung der Autonomie zu bestimmen und für zukunftsorientierte abgestimmte staatliche Strukturen (z.B. Verhältnis Bezirkshauptmannschaften und autonome Gemeinden) zu sorgen. 23 Bauer, Biwald, Dearing (Hrsg.): (2005), S. 394-398. 31 New Public Management und Public Governance 02.03.06 These 2: „Politische“ Steuerung ist unersetzbar Während im System des NPM gutes Management oft als Bündel unpolitischer, wissenschaftlicher Techniken aufgefasst wird, zeigt sich, dass bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben selbst scheinbar unpolitische Maßnahmen doch die Politik auf den Plan rufen können. Die politische Steuerung des Verwaltungshandelns ist grundsätzlich wichtig, da „sie sich nicht nur an ökonomischen Kriterien, sondern an gesellschaftlichen Werten orientiert“ (Löffler und Bovaird). Die politische Steuerungsverantwortung sollte allerdings seitens der Politik auch angenommen werden. Gleichzeitig muss erkannt werden, dass die „politische“ Steuerung nicht der Politik allein vorbehalten ist. Wenngleich die PolitikerInnen eine besondere Legitimation zum Treffen von Entscheidungen haben, kommt auch anderen AkteurInnen, wie den Betroffenen, der Verwaltung und ExpertInnen, die Befugnis zur Mitwirkung an der Entscheidungsfindung zu, d.h. die Souveränität muss geteilt werden. These 3: Entwickeln und Festigen ethischer Grundsätze des Handelns im öffentlichen Bereich Ethisches Handeln im öffentlichen Bereich insgesamt bedarf einer gemeinsamen Wertebasis bezüglich Sinn und Ausmaß der staatlichen Interventionen. Dementsprechend gilt es heute, allen Beteiligten Klarheit über das aktuell verfolgte Konzept öffentlicher Aufgabenerfüllung und über die öffentliche Finanzierung von Gemeinschaftsleistungen zu verschaffen. Ethisches Handeln des Einzelnen im öffentlichen Bereich ist in einem offenen System, das auf Selbststeuerung, auf Delegation und direkte Gestaltung der Beziehung zwischen BürgerInnen und den öffentlichen Dienstleistern setzt, verstärkt bewusst zu machen. Hierzu braucht es institutionelle Vorkehrungen, Trainings und anderer Maßnahmen der Personalentwicklung zur Erhöhung interkultureller Sensibilität und Kompetenz von Politik und Verwaltung ebenso wie beispielsweise zur präventiven Bekämpfung von Korruption. These 4: Erfolgsfaktoren und Voraussetzungen für Public Governance Public Governance in fortgeschrittenen demokratischen Systemen ist nicht nur von den Zugängen, begrifflichen Fassungen, sektoralen Ausprägungen (z.B. Local Governance) vielfältig. Es kann auch für verschiedene Einsatzzwecke hilfreich sein: So bietet Governance Leitbilder für Politik und den gesamten öffentlichen Sektor ebenso wie für einzelne Teilbereiche; weiters können „Governance-Konzepte als Analyse- und Diagnoseinstrumente für gutes Staatshandeln genutzt“24 werden. Dabei sollte nicht übersehen werden, dass der jeweilige wirtschaftliche und gesellschaftliche Kontext die Übertragbarkeit von Governance-Konzepten von einem Land auf andere beschränkt. These 5: Anforderungen an ganzheitliches und damit effektiveres Steuern Zentrale Merkmale von Public Governance bestimmen die Anforderungen an ganzheitliches Steuern. Es sind dies zunächst nachhaltige Partizipation und neue Regeln der Konsensbildung, mit denen eine lebendige Demokratie und mehr Lebensqualität erwartet werden. Weiters verbessern strategisches Management, partnerschaftliche Zielentwicklung und das Arbeiten in Netzwerken Effizienz und Effektivität der Aufgabenerfüllung. Dabei wäre die gesamte Organisation in das Steuerungssystem einzubeziehen. Es wird deshalb ein System benötigt, mit dem sowohl auf der 24 Vgl. dazu: Hill: (2004), S. 15. 32 New Public Management und Public Governance 02.03.06 grundsätzlichen (normativen), auf der strategischen wie auch auf der operativen Ebene, sowohl auf politischer wie auch auf Verwaltungsebene, sowohl intern als auch in den Außenbeziehungen zu BürgerInnen und Interessensgruppen, gesteuert werden kann. These 6: Auch die Politik muss Ziele setzen Public Governance erfordert politisch-strategische Ziele – trotz der damit verbundenen Probleme in Politik und Verwaltung zeigen aktuelle Beispiele in diesem Band, dass eine Zielsteuerung möglich und notwendig ist. Für die Umsetzung von Public Governance ist dies eine zentrale Voraussetzung um die Transparenz zu gewährleisten, die Nachvollziehbarkeit von Entscheidungen zu erleichtern sowie auch die Wirkungsorientierung zu ermöglichen. Dafür bedarf es einerseits politischer Visionen, festgehalten in Leitbildern und konkretisiert in strategischen Zielen; weiters sind Bereitschaft und Bekennen der Politik erforderlich, sich mit der Verwaltungsspitze und anderen AkteurInnen in Strategie- und Zielvereinbarungsprozesse einzulassen. These 7: Verknüpfen bewährter Modernisierungsinstrumente für die neue Steuerung Public Governance ist geprägt vom Netzwerkgedanken: Nicht mehr überwiegend hierarchisch strukturierte Organisationen erbringen gesetzlich vorgeschriebene und freiwillige Leistungen. Vielmehr bilden sich Netzwerke und Partnerschaften, um mit komplexen Problemstellungen adäquater umgehen zu können. Diese Netzwerkphilosophie wirkt sowohl innerhalb der Verwaltung als auch gegenüber den BürgerInnen, Interessensgruppen, NGO’s, etc. Dabei wird deutlich, dass Transparenz über die Verwaltung, ihre Leistungen, ihre Kosten, erst eine entsprechende Partizipation der BürgerInnen ermöglicht. Nur wenn man genau weiß, in welcher Sache man wie weit mitgestalten kann, ist Partizipation auch sinnvoll und zielführend. Es bedarf eines systematischen Zusammenspiels jener Instrumente, die zur Messung von Input (Finanzen, Kosten, Personal, etc.), Output (Quantität aber auch Qualität) und Outcome (Wirkung und Nutzen für die Gesellschaft bzw. einzelne Zielgruppen) der Leistungserbringung geeignet sind. Verfahren und Instrumente des NPM, die BSC, wie auch Qualitätsmanagementansätze sind möglichst gut zusammen zu führen, das strategische Management wäre stärker als bisher zu betonen. These 8: Wirkungsorientierung als Schlüsselelement Aus demokratiepolitischen Gründen, aus Gründen der Legitimation staatlichen Handelns und aus Gründen der Sorgfaltspflicht im Umgang mit den „treuhänderisch überantworteten Steuergeldern“ sind Politik und Verwaltung den BürgerInnen und KundInnen ein wirksames Verwaltungshandeln schuldig. Dabei hat die Verwaltung die Aufgabe, durch ihre Leistungen möglichst nahe an die von der Politik vorgegebenen Wirkungen heranzukommen. Es reicht daher nicht aus, lediglich die konkreten Leistungen, wie etwa die Anzahl der Bescheide oder die Dauer von Verfahren zu messen. Vielmehr gilt es angestrebte Wirkungen zu definieren und mit Wirkungsindikatoren messbar zu machen. Durch die so gewonnene Klarheit über Ziele und die Messung der Zielerreichung durch Indikatoren verbessern sich bereits die Leistungen einer Organisation. Wenn man den MitarbeiterInnen klar macht, welche Ziele erreicht werden sollen und was ihr Anteil an der Gesamtleistung der Organisation ist, braucht man sich über die Motivation der Menschen keine Sorgen mehr zu machen. Nicht zuletzt ist der wirkungsorientierte Einsatz von Ressourcen die nachhaltigste Möglichkeit, den Staatshaushalt zu konsolidieren. 33 New Public Management und Public Governance 02.03.06 These 9: Vielfältige Beteiligungen gesellschaftlicher Gruppen bestimmen die Qualität von Public Governance Bürgerbeteiligung erhöht nur dann die Akzeptanz und Effektivität staatlichen Handelns, wenn sie vom Vertrauen zwischen BürgerInnen, Politik und Verwaltung getragen ist, professionell gestaltet und qualitätvoll umgesetzt wird. Nur durch einen kontinuierlichen Dialog zwischen BürgerInnen und Verwaltung/Politik kann die Skepsis etwa von Gemeinderäten gegenüber potenziellen Beiträgen der MitbürgerInnen und die Skepsis der MitbürgerInnen gegenüber unvermittelten Meinungsbefragungen abgebaut werden. Das Internet bietet gute Möglichkeiten, demokratiepolitischen Defiziten entgegenzuwirken. Eine Plattform kann dabei sowohl das Informationsbedürfnis decken als auch die aktive Mitgestaltung durch Anregungen ermöglichen. Das neue Medium lässt darüber hinaus echten Dialog und Interaktion sowohl zwischen den Interessierten, als auch zwischen Verwaltungen und BürgerInnen zu. Auch Unternehmungen können durch bürgerschaftliches Engagement („corporate citizenship“) substanziell an der Mitgestaltung des Gemeinwesens, an der Schaffung neuer Ordnungsmuster bei der Verbesserung der Standort- und Lebensqualität mitwirken. Ein solches Engagement kann weiters einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung einer Unternehmenskultur leisten, in der „die Übernahme sozialer Verantwortung und die Orientierung am Gemeinwohl Kernelement unternehmerischer Aktivitäten“ (M. Oppen) sind. Empirische Studien in Deutschland haben gezeigt, dass die Handlungslogik von Unternehmen bei der Entscheidung für soziale Investitionen weniger irgendwelchen Förder- oder Anreizmechanismen als vielmehr dem Konkurrenzmechanismus folgen. Die Rolle des Staates wird dabei weniger als Entscheider und Produzent gesehen, sondern eher als Mode rator oder Aktivator für gesellschaftliche Entwicklungen, die er nicht selbst bestimmen kann und soll. These 10: Erfolgsfaktoren für Public Governance Wenngleich es keine weltweiten Patentrezepte für Public Governance gibt, kristallisieren sich dennoch mehrere Erfolgsfaktoren hierfür heraus. Sie sind auch aus dem jeweiligen Kontext, in dem der öffentliche Sektor agiert, zu bestimmen. Einige der Erfolgsfaktoren lauten: • ein Wandel in der Einstellung der PolitikerInnen und VerwaltungsmitarbeiterInnen ist zu erreichen; denn diese müssen sich selbst und der Öffentlichkeit eingestehen, dass sie nicht die Lösung aller Probleme kennen und alleine umsetzen können; • verstärktes Einbeziehen der Zivilgesellschaft in informelle Prozesse der Politikgestaltung und der Entscheidungsfindung (z.B. im Rahmen von Stakeholder-Dialogen) ebenso wie bei der Umsetzung von Aufgaben; • (neue) staatliche Aufgaben und Programme sollten der Lösung von gesellschaftlichen Problemen dienen und so auf ihre Wirkung, auf die Nachhaltigkeit, auf die ‚FöderalismusTauglichkeit‘ geprüft werden; • eine von oben nach unten durchgängige Zielvereinbarungskultur und Kontraktmanagement; • eine verstärkte Wahrnehmung der politikberatenden Aufgabe der Verwaltung im Rahmen eines neuen Selbstverständnisses (Verwaltung als ‚Kompetenzzentrum‘); • ein vielfältiges Benchmarking, d.h. Orientieren an wirksamen Lösungen öffentlicher Aufgaben im Sinn einer „offenen Koordinierung“.25 25 Vgl. dazu: Hill: (2004), S. 10. 34 New Public Management und Public Governance 02.03.06 Wichtige Voraussetzungen für das Erreichen der Ziele von Public Governance – mehr noch als im NPM – sind: • ein Wandel in der Organisationskultur, so etwa bezüglich des Vergleichens und des Lernens voneinander, bezüglich des Setzens von Zielen und Entwickelns von Strategien, bezüglich des Beteiligens der MitarbeiterInnen in den Organisationen bei der Suche nach neuen Ideen für mehr Bürgernähe und nach schlankeren Prozessen, • ein abgestimmter und dosierter Einsatz der verfügbaren Instrumente. 7 Fragen zur Diskussion • Arbeiten Sie Hauptelemente des hoheitlichen Regierens, des Dienstleistungsstaates sowie des Gewährleistungsstaates der Betriebe heraus. Welche Entwicklungen in den Teilbereichen lassen sich für die vergangenen fünf Jahre feststellen, welche werden in den nächsten paar Jahren zu erwarten sein? • Welchen Stellenwert genießen Ausbildung, Weiterbildung und etwa Lernen an Reformprojekten im Bereich des Public Management und von Good Governance? • Welche Anreize könnte das Management bereits heute für das Einlösen des Prinzips der „accountability“ im öffentlichen Rechnungswesen setzen? • Die Beteiligung der Bürger an politischen Entscheidungen und am Verwaltungsmanagement soll verstärkt werden. Welche Maßnahmen können hiefür im Bereich der Aufgabenkritik und der Bestimmung der Qualität für öffentliche Leistungen ergriffen werden? • Prüfen Sie in Ihrem Einflussbereich welche Entscheidungsprobleme im Management und in Politik mit dem Ansatz von Public Governance besser gelöst werden könnten als auf die herkömmliche Weise? • Geben Sie bitte zwei Beispiele für erfolgreiche Bürgerbeteilung in Ihrer Verwaltung an! • Welchen Stellenwert nimmt die Selbstbewertung nach CAF im Hinblick auf Good Governance in Ihre Verwaltung ein? 35 New Public Management und Public Governance 02.03.06 Verwendete Literatur Arbter, Kerstin; Trattnigg, Rita (2005): Standards zur Öffentlichkeitsbeteiligung. In: Public Governance. Öffentliche Aufgaben gemeinseam erfüllen und effektiv steuern, hrsg. Von Helfried Bauer, Peter Biwald, Elisabeth Dearing, Wien-Graz 2005 Bauer, Helfried (2002): Quality management in the public sector through the Common Assessment Framework (CAF), in: Caddy/Vintar (eds.) 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