Einschätzung der derzeitigen Marktturbulenzen durch Standard Life Investments Das Jahr 2015 ist recht weit fortgeschritten – und allmählich werden die Divergenzen in der globalen Wirtschaft immer deutlicher. Das derzeitige Debakel des chinesischen Aktienmarkts und die durch die Abwertung des chinesischen Renminbi ausgelöste Volatilität sind tatsächlich nur die jüngsten Ursachen für die Berg- und Talfahrt an den Märkten. Zwar werden die spontanen geldpolitischen Entscheidungen in China eine kurzfristige Kaufwelle auslösen, die Zweitrundeneffekte solcher Maßnahmen bleiben jedoch unklar. Aufgrund zunehmender politischer Konflikte und großer Unsicherheiten in Hinsicht auf das weitere Wachstum – was naturgemäß Druck auf überbewertete Märkte ausübt – konnten wir seit Jahresbeginn eine Zunahme der Volatilität an den Anlagemärkten beobachten. Jedoch sind wir nach wir vor der Meinung, dass die globale Wachstumsentwicklung nur bedingt die Ungleichgewichte aufweist, die normalerweise das Ende eines Zyklus an den Anlagemärkten einläuten. Wir sehen die von Volatilität an den Märkten geprägte momentane Phase nicht als den Beginn eines Bärenmarktes. Vielmehr verstehen wir die derzeitigen Entwicklungen in China im Kontext des für Anlagemärkte typischen Anpassungsprozesses, der unter anderem darauf ausgerichtet ist, die Wahrscheinlichkeit von im weiteren Jahresverlauf anstehenden Zinserhöhungen durch die US-Notenbank (Fed) entsprechend einzupreisen. Demzufolge könnte sich die Marktkorrektur noch eine Weile hinziehen, auch wenn kurzfristig gesehen einige Anlagen überverkauft erscheinen. In Anbetracht der jüngsten Schwankungen und ihrer Auswirkungen auf die Investments unserer Kunden werden wir die Ereignisse auch weiterhin sorgfältig beobachten und, falls notwendig, die Risikostufen geringfügig herauf- oder herabsetzen. Mit Blick auf die jüngste Entwicklung schätzen wir die Lage an den Aktien- und Immobilienmärkten weiterhin vorsichtig optimistisch ein. Dieser Befund stützt sich unter anderem auf den an Fahrt aufnehmenden Gewinnzyklus der Unternehmen. Innerhalb des Aktienbereichs favorisieren wir Werte aus Europa und Japan, wo sich eine wirtschaftliche Erholung abzeichnet, die Zentralbanken ihre Geldpolitik lockern und die Bankensysteme mittlerweile gesünder sind. In den USA erweisen sich die Unternehmensgewinne in dieser Phase des Zyklus unserer Meinung nach als weniger stützend. Unterdessen nehmen wir eine untergewichtete Position bei Werten aus Asien und den Schwellenländern ein, da wir davon ausgehen, dass das volle Ausmaß der Aufwertung des US-Dollar, die Anpassungen der Rohstoffpreise und die konjunkturelle Verlangsamung in China noch nicht vollständig eingepreist sind. Unsere Analyse Die Ursachen für den Abschwung sind komplex und beinhalten unter anderem • • • • Befürchtungen, dass sich das Kapital der Aktienmärkte aussichtsreicheren Anlageformen zuwenden wird Sorgen um die Weltwirtschaft angesichts der Zweifel über die Fähigkeit chinesischer Entscheidungsträger, die heimische Wirtschaft und die Finanzmärkte zu stützen Bedenken in Bezug auf die Stärke anderer größerer Emerging-Market-Länder in Anbetracht fallender Rohstoffpreise und Besorgnisse über die möglichen Auswirkungen der ersten geldpolitischen Straffungsmaßnahmen in den USA seit 2006. Bewertungen der Aktienmärkte – Wenn die Bewertungen an den Börsen historisch gesehen hoch erscheinen, hat selbst die Sorge um einen moderaten Rückgang des Wachstums einen Effekt auf den Markt. Der US-Aktienmarkt hat gerade die drittlängste Periode ohne 10-Prozent-Korrektur durchlaufen. Bis vor Kurzem wurden europäische Aktien mit einem 20-fachen Kurs-Gewinn-Verhältnis (auf 12-MonatsForward-Basis) gehandelt, was den europäischen Markt zu einem der eher teuren Märkte machte. Allerdings war die Berichtssaison für Japan und in geringerem Maße auch für Europa weitestgehend positiv. So sollte sich in der Tat in beiden Märkten der positive Trend beim Umsatzwachstum als nützlicher Treiber für eine weitere Steigerung der Gewinne erweisen. Globales Wachstum – Was die mittelfristigen Aussichten für risikobehaftete Anlagen angeht, sind wir zuversichtlich, da wir nicht glauben, dass die jüngsten Turbulenzen an den Märkten einen drastischen Rückgang oder eine Rezession der Weltwirtschaft bewirken werden. Zweifellos war das globale Wachstum dieses Jahr enttäuschend, wobei Handels- und industrielle Produktionszyklen besonders schwach ausfielen. Darüber hinaus sind die niedrigen Rohstoffpreise der letzten Monate wahrscheinlich auf eine Kombination aus geringerer Nachfrage (insbesondere aus einigen Schwellenländern) und günstiger Entwicklung der Angebotssituation zurückzuführen. Dagegen ist es dem Dienstleistungssektor, der einen großen Anteil an der globalen Wirtschaftstätigkeit besitzt, besser ergangen. Das weltweite Bruttoinlandsprodukt für 2015 wird sich im Vergleich zum Vorjahr voraussichtlich kaum verändern. Konjunktur wird zweifellos uneinheitlicher – Für die USA und Großbritannien dürfte weiterhin mit einem ausreichend soliden Wachstum zu rechnen sein, sodass die Entscheidungsträger in nicht allzu ferner Zukunft eine Straffung der Geldpolitik in Erwägung ziehen können. Die gegenwärtigen Handelsbeziehungen sollten in den richtigen Kontext gestellt werden: So geht beispielsweise circa ein Drittel der USExporte in die Schwellenländer, wobei China etwa 5 Prozent der Gesamtexporte ausmacht (oder weniger als 1 Prozent des US-BIP). Indessen verfestigt sich die inländische Erholung in Europa immer mehr, während wir mit einer Besserung der Konjunktur in Japan rechnen, obwohl sie in letzter Zeit eher enttäuscht hat. In der chinesischen Wirtschaft kommt es zu einer deutlichen Verlangsamung; doch der Sorge um die exportorientierten und dem Fertigungsbereich zuzurechnenden Sektoren sollten die Beständigkeit des Dienstleistungssektors und die stabilen Ausgaben für den Konsum entgegengestellt werden. Brasilien und Russland stecken in einer schweren Rezession. Dabei wird sich der weitere Rückgang der Rohstoffpreise als nicht gerade hilfreich erweisen. Die Schwellenländer haben generell zu kämpfen – angesichts der Verlangsamung in China, der schwachen Rohstoffpreise, des schleppenden Welthandels und der erwarteten Straffung der Dollar-Liquidität. Insgesamt ist die Weltkonjunktur mit eindeutigen Risiken behaftet, die vor allem von den Emerging Markets (EM) ausgehen. Doch trotz der holprigen und ungleichmäßigen Entwicklung des Wachstums glauben wir nicht, dass dies auf den Beginn eines ausgeprägteren globalen Abschwungs hindeutet. Aus unserer Sicht ist die weltweite Schwäche der Fertigungsindustrie, in der es Anzeichen für einen Aufbau von Lagerbeständen gibt, weniger bedeutend als die anhaltende globale Stärke des Dienstleistungssektors, die durch den Anstieg von Realeinkommen und Beschäftigung sowie niedrigere Energiekosten gestützt wird. All dies bietet eine gewisse Sicherheit in Hinblick auf die mittelfristigen Aussichten für ausgewählte Unternehmensgewinne und Risikoanlagen. Chinesische Aktien- und Währungsmärkte – Die aktuelle Kursentwicklung am Aktienmarkt spiegelt die natürliche Entspannung einer klassischen von Privatanlegern ausgelösten Blase wider; dieser Prozess läuft bereits seit mehreren Monaten und könnte noch eine Weile andauern. Auch nach den jüngsten Rückgängen liegt der CSl-300-Index immer noch um 30 bis 40 Prozent höher als vor einem Jahr. Die Steuerung einer solchen Situation ist für Regierungen generell äußerst schwierig. Nachdem die chinesische Regierung anfangs rund 200 Milliarden US-Dollar in die Märkte gepumpt hatte, entschied sie schließlich, kein Geld mehr zu investieren und stattdessen zu versuchen, den Abwärtstrend zu bremsen – daher die Ankündigung am Wochenende, dass die chinesischen Pensionsfonds nun bis zu 30 Prozent ihrer Vermögenswerte in Aktien investieren können. Das Platzen der Aktienblase sagt sehr wenig über den Zustand der chinesischen Wirtschaft aus – das Gesamtbild zeigt jedenfalls ein Land im Übergang. Obwohl der Ausverkauf am Aktienmarkt keinen so großen Einfluss auf das Wachstum haben wird, wie es in den meisten Industrieländern der Fall wäre, sollten seine Auswirkungen auf das Vertrauen der Haushalte, die Stimmung in der Wirtschaft und die Glaubwürdigkeit der Regierung nicht unterschätzt werden. So mag es zwar sein, dass es keinen erkennbaren „Vermögenseffekt“ in China gibt, aber die Unsicherheit über politische Maßnahmen nach einem fehlgeschlagenen Versuch der Regierung, die Märkte zu stützen, könnte sich dennoch negativ auf die Unternehmensinvestitionen und den Konsum von Gebrauchsgütern auswirken. In Hinblick auf die chinesische Währung sind wir der Ansicht, dass es bei der Entscheidung der Behörden im Reich der Mitte, einen am Markt orientierten Wechselkurs einzuführen, weniger um die Förderung der Exporte und mehr um die Notwendigkeit eines flexiblen Wechselkurses vor allem gegenüber dem US-Dollar ging. Schlagzeilen, in denen von einem „Währungskrieg“ die Rede ist, sind aus der Luft gegriffen, da in China eine viel stärkere Abwertung vonnöten wäre als die momentanen 3 bis 4 Prozent, um die Exporte deutlich steigern zu können. Als wichtigere Gründe für diese jüngste Entscheidung sehen wir daher zum einen die Bereitschaft, eine höhere Währungsvolatilität zu schaffen, um die von China angestrebte Aufnahme des Renminbi in den Korb von Sonderziehungsrechten des IWF zu unterstützen, und zum anderen den Wunsch nach stärkerer geldpolitischer Autonomie angesichts der bevorstehenden Leitzinsanhebung in den USA. Dennoch ließ die Entscheidung die Anleger vor dem Hintergrund der dünnen Märkte im August aufschrecken und veranlasste einige dazu, jene asiatischen Währungen zu shorten, die sie als gefährdet wahrnehmen. Emerging Markets – Die Vorhersagen eines drohenden finanziellen Kollaps ähnlich wie 1997/98 scheinen ziemlich verfehlt. Bereits im vergangenen Jahr diskutierten wir im Rahmen einer – in diesem Frühjahr aktualisierten – Studie für unsere Publikation „Global Horizons“ die verschiedenen Belastungen, denen die Schwellenländer ausgesetzt sind. Obwohl wir einzelne Problemländer identifizierten, die mit negativen Auswirkungen der Verschuldung zu kämpfen haben wie Brasilien oder vom drastischen Rückgang der Rohstoffpreise betroffen sind wie Russland, gelangten wir doch zu der zentralen Schlussfolgerung, dass die systemischen Risiken für diese Nationen eher niedrig sind. Das Risiko eines Anstiegs der Inflation in den Schwellenländern ist gering, während ihre Verschuldungsgrade/Leistungsbilanzen in der Regel optimistische Aussichten zulassen. Wir sind uns jedoch der sehr realen Probleme bewusst, mit denen bestimmte Länder konfrontiert sind, darunter die Notwendigkeit für Unternehmen in manchen Emerging-Market-Ländern, ihre Schuldenpläne zu bewältigen. Bis die EM-Aktien-Indizes die Auswirkungen des strukturellen Wachstumsrückgangs, der niedrigeren Rohstoffpreise und der damit verbundenen Effekte auf die Eigenkapitalrendite vollständig antizipiert haben, dienen diese Märkte als wertvolles Mittel zum Hedge der Volatilität in den entwickelten Märkten. Unsere House View Seit Anfang des Jahres haben wir Risikopositionen allmählich aus unserem HouseView-Portfolio abgezogen, beispielsweise im Kredit- und Aktienbereich. Die einzigen übergewichteten Aktienpositionen bestehen derzeit in Japan und Europa, wo das Wachstum der Unternehmensgewinne sich im Lauf des Jahres 2016 voraussichtlich günstiger entwickeln wird. Die jüngste Entscheidung unserer Global Investment Group (GIG) favorisierte die Rückkehr zu einer Übergewichtung in europäischen Anleihen, sobald die aktuelle Griechenland-Krise unter Kontrolle gebracht wurde. In Hinblick auf Kredittitel verfolgen wir einen selektiven Ansatz unter Berücksichtigung der Auswirkungen des starken Rückgangs der Rohstoffpreise auf den Energie- und Rohstoffsektor. Wir halten weiterhin an unserer Risikoaffinität fest – gestützt durch die Aussicht auf eine positive Entwicklung der Unternehmensgewinne wie auch die Fähigkeit der Unternehmen, ihre Dividenden- und Kupon-Verpflichtungen zu erfüllen. Eine kleinere Maßnahme zur Straffung der Geldpolitik in der weltweit größten Volkswirtschaft wird sich wahrscheinlich – wenn auch nur in geringem Maße – belastend auf die Unternehmen auswirken und für niedrigere Erträge in der nächsten Phase dieses Bullenmarkts sorgen. Aufgrund der allmählichen Rücknahme der QE-Maßnahmen, die die Risikobereitschaft zuvor unterstützt hatten, werden die Bewertungen wahrscheinlich ebenfalls unter Druck geraten. Auslöser im Rahmen unserer „Focus on Change“Investmentphilosophie Abgesehen von der Möglichkeit, dass es zu einem großen globalen Wachstumsschock kommt, dürfte unserer Sicht nach die Entscheidung der USNotenbank bezüglich Start und Tempo einer schrittweisen Straffung der Geldpolitik in den USA in den nächsten sechs Monaten der bestimmende Faktor für die Entwicklung an den Anlagemärkten sein. Unsere House View geht immer noch davon aus, dass die Fed es vorzieht, die Zinsen vor Ende 2015 zu erhöhen (gefolgt von der Bank of England Anfang 2016). Eine drastische Verlangsamung der USWirtschaft – nicht Bestandteil unserer House View – würde eine Verschärfung dieser Krise bewirken. Vor diesem Hintergrund gewinnen die von der diesjährigen JacksonHole-Konferenz ausgehenden Signale bezüglich des Ausblicks für die US-Geldpolitik, die sich etwa in Aktienmarktbewegungen oder Handelsbeziehungen widerspiegeln können, an Bedeutung. China hat am Dienstag (25. August 2015) eine überraschende geldpolitische Maßnahme verkündet: Die chinesische Zentralbank hat sowohl den Kreditzinssatz als auch den Einlagensatz um je 25 Basispunkte (auf 4,6 Prozent bzw. 1,75 Prozent) und den Mindestreservesatz für Banken um 50 Basispunkte gesenkt. Eine gleichzeitige Anpassung der Leitzinsen wie auch des Mindestreservesatzes ist ungewöhnlich und ein Zeichen dafür, dass die Entscheidungsträger ein deutliches Signal aussenden wollten – wohl auch in Hinblick auf die große Militärparade am 3. September. Neben der Anpassung der Zinssätze und Mindestreserveanforderungen dürfte eine Ausweitung der Liquidität helfen, da die sehr kurzfristigen Zinssätze kürzlich gestiegen sind. Darüber hinaus ist eine stärker stützende Finanzpolitik zu erwarten. Die kürzlich rekapitalisierten staatlichen Banken („Policy Banks“) beginnen eine größere Rolle bei der Finanzierung von Infrastrukturinvestitionen zu spielen, und es ist davon auszugehen, dass die Staatsausgaben entsprechend den Jahreszielen zunehmen werden. Nun stellt sich die Frage nach der Wirksamkeit all dieser Maßnahmen. Zu berücksichtigen sind hier Anzeichen eines Vermögenseffekts auf die Konsumausgaben, insbesondere in Ländern wie den USA und Großbritannien, wo der direkte Besitz von Aktien sehr weit verbreitet ist. Darüber hinaus könnte sich eine länger anhaltende Finanzpanik auf das Vertrauen der Haushalte und Unternehmen und damit auf die Investitionspläne, vor allem in China, auswirken. Fazit Wir sehen die momentane Korrektur an den Aktienmärkten zwar als bedeutsam, nicht aber als Beginn einer größeren Baisse-Bewegung an und suchen daher nach Möglichkeiten, gegebenenfalls Risikopositionen in das Portfolio mitaufzunehmen. Einige der Sorgen in Bezug auf das Wachstum, die dieser Episode zugrunde liegen, sind gerechtfertigt. So ist ein Großteil der verarbeitenden Unternehmen weltweit in schlechter Verfassung, auch die Stimmung in der Wirtschaft und bei den Konsumenten könnte von den Nachwirkungen der gegenwärtigen Entwicklung betroffen sein. Zudem befindet sich die Fed in einer schwierigen Position, denn die globalen Probleme beginnen sich auch im US-amerikanischen Inland niederzuschlagen, selbst wenn der Arbeitsmarkt immer noch gesund scheint. Wir rechnen jedoch nicht mit einer globalen Rezession und erwarten daher noch eine weitere positive Phase für den derzeitigen Bullenmarkt.