Sand im Getriebe der Weltwirtschaft

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Sand im Getriebe der Weltwirtschaft
Viele Faktoren beeinträchtigen die internationale Handelsdynamik
02.12.2015 | Von Rudolf Walser | http://www.avenir-suisse.ch/?p=52933
Alles deutet darauf hin, dass in Zukunft nicht mehr auf die gewohnte Dynamik des Welthandels gezählt werden darf.
Kurzfristige Gründe sind etwa die schwächelnde Konjunktur und Unsicherheiten in der Geldpolitik, längerfristige
Risiken liegen im zunehmenden Protektionismus. Die Schweiz muss sich an eine volatile, komplexere und unsichere
Welt anpassen. In einer solchen Situation steigt die Bedeutung eines leistungs- und investitionsfreundlichen
Ordnungsrahmens.
Bis zum Ausbruch der Finanzkrise 2007 galt unter Ökonomen faktisch ein ehernes Gesetz: Das Volumen des
Welthandels wächst über einen längeren Zeitraum etwa doppelt so schnell wie das globale reale Bruttoinlandprodukt
(BIP) (Deutsche Bundesbank, Januar 2015). Die sogenannte Elastizität des Welthandels gegenüber der globalen
Wirtschaftsleistung bezifferte sich folglich auf zwei. Seither hat sich die Expansion des Welthandels deutlich
verlangsamt, und weltweit mutmassen die Ökonomen über die Gründe. An dieser Stelle interessieren nicht die
schwierigen methodischen und statistischen Fragen, die es etwa bei der Berechnung des realen Welt-BIP oder bei der
Bereinigung der Kaufkraftunterschiede zu lösen gilt, sondern vielmehr mögliche zyklische oder strukturelle Ursachen
zur Erklärung der verringerten Welthandelsdynamik.
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Kurz- und mittelfristig moderate Perspektiven
Zu den zyklischen Faktoren mit Wirkung auf den Welthandel gehört die abweichende konjunkturelle Dynamik in den
einzelnen Ländern und Regionen. So fällt auf, dass sich die globalen Wachstumskräfte in jüngster Zeit in Richtung der
Industrieländer – vor allem der USA, Grossbritanniens und teilweise auch der Eurozone – verschoben haben. Japan
befindet sich wegen des demografischen Wandels und der hohen Staatsverschuldung weiterhin in einer besonderen
Situation. In den Schwellenländern (v.a. China und rohstoffexportierende Länder) hat sich die Wachstumsschwäche
fortgesetzt.
Unklar ist, ob mit Blick auf den hohen Verschuldungsgrad und die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit mit einer
anhaltenden Wachstumsabschwächung zu rechnen ist oder nicht. In diesem Zusammenhang spielen auch die
wirtschaftlichen Herausforderungen der Flüchtlingsströme, die sich sehr unterschiedlich auf die Länder und Regionen
verteilen, eine Rolle. Schliesslich werden die kurzfristigen Aussichten auch durch unterschiedliche Ausrichtungen in der
Geldpolitik der Industrieländer beeinflusst.
Offen ist dabei, wie der Ausstieg aus der Niedrigzinspolitik die Konjunktur dämpfen könnte. Eine Normalisierung des
Zinsniveaus hätte auch Auswirkungen auf den Schuldendienst von Staaten, Unternehmen und Privaten. Von der
Geldpolitik hängt zudem das Devisenmarktgeschehen und die globale Finanzstabilität ab. Vor diesem Hintergrund
spricht kurz- und mittelfristig somit einiges für eine eher moderate Entwicklung der Weltwirtschaft.
Unsicherheiten auch in der langen Frist
Zur Kategorie der strukturellen Unsicherheiten zählen etwa die mögliche Ausweitung des Protektionismus, die
nachlassende Dynamik in der Ausweitung der globalen Wertschöpfungsketten oder die wachsende Bedeutung des
Dienstleistungshandels. Nach dem 18. Trade-Alert-Bericht vom November 2015 haben die Länder im laufenden Jahr
mit 539 Aktionen bisher doppelt so häufig Zuflucht zu handelsbeschränkenden Massnahmen genommen wie 2009.
Damals gelobten die G-20 Staats- und Regierungschefs der führenden Industrie- und Schwellenländer feierlich, den
freien Welthandel zu bewahren. Ins gleiche Kapitel gehört der schleppende Verlauf der Gespräche zum Abschluss der
Doha-Runde im Rahmen der WTO, was für die weitere Liberalisierung des Welthandels kein gutes Omen ist.
Der Ausbau der globalen Wertschöpfungsketten erfolgte vor allem in den 1990er Jahren im Zusammenhang mit der
Integration der Schwellenländer in die Weltwirtschaft und dem in der Folge intensiveren Handel mit Vor- und
Zwischenprodukten. Der Welthandel reagiert deshalb heute auf Nachfrageschocks ohne Zweifel sensibler als früher. Es
ist möglich, dass nach dieser hektischen ersten Entwicklungsphase eine Normalisierung stattfindet. So rechnen sowohl
IMF als auch die EZB mit einer Verlangsamung des Wachstums von globalen Wertschöpfungsketten.
Der Dienstleistungssektor ist im Vergleich mit dem Gütersektor viel weniger international integriert. Obwohl er rund
70% zur Weltproduktion beisteuert, ist er am Welthandel nur mit einem Anteil von einem Viertel beteiligt. Selbst im
wirtschaftlich fortgeschrittenen Euro-Raum ist der Anteil grenzüberschreitender Dienstleistungen kaum gestiegen
(Deutsche Bundesbank, 2015).
All diese Entwicklungen und Indizien deuten darauf hin, dass für die weitere Zukunft nicht einfach wieder auf die von
früher gewohnte Dynamik des Welthandels gezählt werden kann. Die Elastizität des Welthandels in Bezug auf die
Produktion wird instabil sein (Sachverständigenrat, 2015). Und sollte auch noch die These einer allgemeinen «säkularen
Stagnation» eintreten, wie das prominente amerikanische Ökonomen voraussagen, würde die Weltwirtschaft wohl vor
einem Wendepunkt stehen.
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Folgen für die Schweiz
Was bedeutet das alles für die Schweiz? Sie muss sich noch viel rascher als bisher angenommen an eine sich ständig
verändernde, komplexere und unsichere Welt anpassen. Das erfordert einen erstklassigen Wirtschaftsstandort mit einem
verlässlichen leistungs- und investitionsfreundlichen Ordnungsrahmen, um wenigstens im eigenen Land stabile
Verhältnisse zu haben.
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