Kooperatives Personalmanagement – ein Beitrag zur Fachkräftesicherung für kleinere Unternehmen Thomas Hartmann – tamen. Entwicklungsbüro Arbeit und Umwelt GmbH – Juni 2008 Die Bedeutung der Kleinst- und Kleinunternehmen 96,3 Prozent der Brandenburger Betriebe mit sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten sind Kleinst- (1-9 Beschäftigte) und Kleinunternehmen (10-49 Beschäftigte) mit einem bis 49 Beschäftigten. Diese Betriebe stellen fast die Hälfte aller Arbeitsplätze (48 %). In Großunternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten arbeiten lediglich 21 % der Brandenburger Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. In der Summe gab es in den letzten Jahren einen Zuwachs an Beschäftigung lediglich in den kleinsten Unternehmen, große Unternehmen bauten dagegen kontinuierlich Arbeitsplätze ab (vgl. die jährlichen Betriebspanels – MASGF Forschungsberichte Nr. 29, 28, 27, 23; vgl. auch Bauer u.a. 2008). Die Ursachen dafür bzw. auch die Abhängigkeiten der Beschäftigungsgewinne und -verluste von konjunkturellen Schwankungen sowie Vergleiche zwischen regionalen Wirtschaftsräumen etc. können hier nicht diskutiert werden. Es soll an dieser Stelle lediglich die Bedeutung von kleineren Betrieben in der Schaffung und Stabilisierung von regionaler Beschäftigung betont werden. Insofern ist die Beachtung der Besonderheiten von kleineren Unternehmen gerade in ihrer Funktion als Arbeitgeber von großer Bedeutung, wenn es um Strategien und Konzepte der Fachkräftesicherung und des Managements des regionalen Arbeitsvermögens geht. Worin bestehen die Besonderheiten der kleineren Unternehmen, was gilt es bei der Bindung und Entwicklung von Fachkräften zu beachten? Erweiterung der Ressourcen durch Kooperation In der Regel besitzen kleinere Unternehmen nicht die zeitlichen, personellen und finanziellen Ressourcen für eine vorausschauende Personalentwicklung und planung. Um in einem sich verschärfenden Wettbewerb um knapper werdende gut qualifizierte Fachkräfte mithalten zu können, benötigen sie Unterstützung. Das Eingehen von Kooperationen mit anderen Unternehmen stellt eine Unterstützungsmöglichkeit in Form einer Selbsthilfe dar, um über Synergiegewinne zusätzliche Ressourcen zu erhalten. Arbeitgeberzusammenschlüsse (siehe www.arbeitgeberzusammenschluesse.de sowie MASGF Forschungsbericht Nr. 31, April 2008) sind feste Kooperationen zwischen Unternehmen, um Fachkräfte, die das einzelne Unternehmen allein nicht auslasten kann, gemeinsam einzustellen und zu binden. Allerdings entstehen Arbeitgeberzusammenschlüsse wie viele anderen Kooperationen nicht allein auf Initiative der Unternehmen, sondern bedürfen oft eines externen Anschubs in Form von Engagement und auch finanzieller Unterstützung. Das Land Brandenburg ermöglicht mit der „Richtlinie des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Familie zur Förderung von Kooperationen zwischen kleinen und mittleren Unternehmen in Qualifizierungsnetzwerken und in Arbeitgeberzusammenschlüssen im Land Brandenburg“ vom 05. Februar 2008 die anteilige Finanzierung eines externen Netzwerkmanagements zum Aufbau von Arbeitgeberzusammenschlüssen über zwei Jahre. Innerhalb einer solchen Förderzeit sollte sich ein neu gegründeter Arbeitgeberzusammenschluss soweit konsolidiert haben, dass er sich und ein entsprechend notwendige Management selbst trägt. Was sind Arbeitgeberzusammenschlüsse? Für Betriebe ist es oft schwierig, für saisonale und befristete Beschäftigung sowie für spezifischen Teilbedarf gute und zuverlässige Fachkräfte zu rekrutieren und zu binden. In Frankreich wurde deshalb zu Beginn der 1980er Jahre das Modell der "Groupements d‘employeurs" - „Arbeitgeberzusammenschlüsse“ (AGZ) entwickelt. AGZ sind Zusammenschlüsse von Betrieben, die sich qualifizierte Arbeitskräfte teilen. Im Sinne eines kooperativen Personalmanagements bringen sie den Arbeitskräftebedarf, der über das Stammpersonal der Mitgliedsbetriebe hinausgeht, zusammen und stimmen ihn ab. Aus diesen Teilbedarfen mehrerer Betriebe lassen sich Arbeitsplätze, in der Regel Vollzeitarbeitsplätze, kombinieren. Die Beschäftigten werden erst dann beim Arbeitgeberzusammenschluss eingestellt, wenn die Stellen durch die Nachfrage der Mitgliedsbetriebe abgesichert sind. Für die flexibel in den Mitgliedsbetrieben eingesetzten Beschäftigten ist der Arbeitgeberzusammenschluss der alleinige Arbeitgeber. 1985 wurden die Arbeitgeberzusammenschlüsse in Frankreich auf eine gesetzliche Grundlage gestellt. Ein Arbeitgeberzusammenschluss stellt für die Mitgliedsbetriebe gemäß ihrer zusätzlichen Bedarfe Arbeitskräfte ein, qualifiziert sie entsprechend den Anforderungen weiter und managt den Einsatz in den beteiligten Betrieben. In Frankreich existieren derzeit etwa 5.000 solcher Zusammenschlüsse, in denen mehr als 40.000 Beschäftigte arbeiten. In Deutschland gibt es mittlerweile fünf Arbeitgeberzusammenschlüsse (vier in Brandenburg und einen in Thüringen) und mehrere Initiativen zum Aufbau von AGZ (in Brandenburg, Sachsen und Nordrhein-Westfalen). Es wurden Leitfäden zum Aufbau von AGZ entwickelt sowie juristische Gutachten zur Umsetzung des Modells unter deutschen Bedingungen erarbeitet. Die Genossenschaft ist hier die geeignete juristische Form, es kann aber auch eine GmbH sein mit über Kooperationsverträge gebundenen Betrieben. Arbeitgeberzusammenschlüsse bieten Vorteile für die Betriebe und die Beschäftigten Die gemeinsame Verantwortlichkeit der Betriebe für den Zusammenschluss und sein Personal ist ein wesentliches Merkmal von Arbeitgeberzusammenschlüssen. Die Betriebe werden von Personalmanagementaufgaben entlastet und sie haben eingearbeitete Fachkräfte für Teilbedarfe bzw. die Zeit ihres erhöhten Arbeitsaufkommens. Durch die gemeinsame Verantwortlichkeit, die Teilung des Beschäftigungsrisikos und die Sicherheit, dass für die Beschäftigten Einsatzbetriebe zur Verfügung stehen, kann der Zusammenschluss kostengünstig arbeiten, Fachkräfte binden, Kompetenzen entwickeln und den Beschäftigten eine hohe Arbeitsplatzsicherheit bieten. Arbeitgeberzusammenschlüsse finanzieren sich in der Regel über einen prozentualen Aufschlag auf die von den Betrieben in Anspruch genommenen Arbeitsstunden. Größere Zusammenschlüsse werden von einem eigenen Management geleitet, bei kleineren übernimmt das Management üblicherweise ein Mitgliedsbetrieb. Hauptaufgaben des Managements sind die Identifikation von Teilbedarfen der Betriebe, die Kombination dieser Nachfrage zu Arbeitsstellen für die Beschäftigten, das Management des Arbeitseinsatzes, die Personalentwicklung und akquisition. Arbeitgeberzusammenschlüsse sind ein Instrument der regionalen Fachkräftesicherung, da sie mit ihrem überbetrieblichen Blick und ihrem integrativen Vorgehen sowohl die Situation der Region, der Betriebe als auch von Beschäftigten sowie Zielgruppen des Arbeitsmarktes mit berücksichtigen und bearbeiten können. Aspekte der Sicherung von Fachkräften für kleinere Betriebe durch AGZ Ein Großteil der derzeit neu entstehenden Arbeitsplätze sind so genannte „nicht standardisierte“ und oftmals prekäre Arbeitsverhältnisse: „Mitte 2006 waren in Brandenburg ebenso wie in Ost- und in Westdeutschland 34 Prozent aller Beschäftigungsverhältnisse nicht standardisiert. Bei den Frauen lag dieser Anteil in Brandenburg mit 48 Prozent deutlich höher, denn insbesondere in „frauendominierten“ Branchen spielen nicht standardisierte Beschäftigungsverhältnisse eine große Rolle. Während die Gesamtrelationen zwischen standardisierten und nicht standardisierten Beschäftigungsverhältnissen zwischen Brandenburg, Ost und West ähnlich sind, zeigen sich in der Struktur der flexiblen Beschäftigungsverhältnisse einige Unterschiede. So sind sozialversicherungspflichtige Teilzeit, geförderte Arbeitsverhältnisse und befristete ungeförderte Arbeitsverhältnisse in Brandenburg etwas stärker ausgeprägt, MiniJobs demgegenüber deutlich stärker in Westdeutschland.“ (MASGF: Reihe Forschungsberichte Nr. 29, Juni 2007, S. 5) Viele kleinere Unternehmen schaffen gezwungenermaßen solche prekäre Arbeitsverhältnisse, da sie für das von ihnen benötigte Personal bzw. für einen Teil des Personals das Beschäftigungsrisiko nicht tragen können. Die Gründe dafür liegen in der oftmals unsicheren Situation des gesamten Unternehmens, in schwankenden Auftragslagen, saisonalen Schwankungen oder/und in einer unzureichenden finanziellen Ressourcenlage. Arbeitsplatzsicherheit, Möglichkeiten der beruflichen Weiterentwicklung, die Vielfalt und Qualität der Arbeit und eine gute Bezahlung sind jedoch die ausschlaggebenden Gründe für eine erfolgreiche Bindung von qualifizierten Fachkräften. Für kleinere Unternehmen oft ein Teufelskreis: Eine prekäre Situation des Unternehmens hat unsichere Arbeitsverhältnisse zur Folge, es gibt keine Ressourcen und Kompetenzen für eine perspektivische Personalentwicklung und -planung, Investitionen in Aus- und Weiterbildung werden vernachlässigt, die Bindung und Entwicklung guter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gelingt nur unvollständig, die unsichere Situation des Unternehmens verstärkt sich. Hier können Arbeitgeberzusammenschlüsse einen Ausweg und eine langfristige und auf Kontinuität angelegte Lösung bieten. Durch die Kombination von Teilbedarfen im Personalbereich werden sichere und perspektivreiche Arbeitsverhältnisse geschaffen, für die die beteiligten Unternehmen das Beschäftigungsrisiko gemeinsam tragen. Arbeitsverhältnisse werden dadurch aber nicht nur sicherer, auch die Attraktivität und Qualität der Arbeit kann sich durch Kombinationen, unterschiedliche Arbeitsumgebungen und gezielte Nutzung der vorhandenen Kompetenzen erhöhen. Die dadurch verstärkte Bindung von Personal macht Investitionen in Weiterbildung und Kompetenzentwicklung für die Betriebe lohnend und erfordert die Ausbildung von Strukturen und Kompetenzen für eine abgestimmte Personalplanung und strategische Personalentwicklung. Dabei erhalten die Betriebe Unterstützung und Entlastung durch das Management des AGZ, das die Erfahrungen aus den beteiligten Betrieben bündelt und mit seinem überbetrieblichen Blick zur Erhöhung der Antizipationsfähigkeit des Zusammenschlusses beiträgt. Unterschiedliche Funktionen eines AGZ für die Beschäftigten und die Betriebe Ein Arbeitgeberzusammenschluss erfüllt unterschiedliche Funktionen, von denen einige im Folgenden skizziert werden sollen: Die Kernfunktion ist die Schaffung und Sicherung von Arbeitsverhältnissen durch die Kombination betrieblicher Bedarfe, die jeweils für sich allein keine Arbeitsstelle begründen können. Dies ermöglicht für die Betriebe die Flexibilisierung von Arbeit bei gleichzeitiger Bindung und Entwicklung von Fachkräften. Für die Beschäftigten in den Zusammenschlüssen erhöht sich die Sicherheit des Arbeitsverhältnisses, und durch gezielte Bildungsmaßnahmen und Kompetenzentwicklung erweitern sich ihre beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten. Das Teilen von „Spezialisten“ eröffnet Alternativen zur Selbständigkeit. Beispiele dafür sind Bereiche der Qualitätssicherung und Überwachung, Einrichtung und Pflege von Informations- und Kommunikationssystemen, Logistik, aber auch Marketing und Akquisition oder die Instandhaltung von Gebäuden und Anlagen. Einerseits vernachlässigen viele Betriebe solche Bereiche, da sie sich entsprechende Leistungen teuer einkaufen müssten. Andererseits entstehen in diesen Dienstleistungsbereichen oftmals unsichere und prekäre Selbständigkeiten. Das gemeinsame Anstellen und Auslasten von Spezialisten in einem Arbeitgeberzusammenschluss schafft Sicherheit und Verlässlichkeit auf beiden Seiten. Arbeitgeberzusammenschlüsse können auch eine Integrationsfunktion für schwer vermittelbare Arbeitskräfte ausüben. Oftmals scheuen sich Betriebe trotz eines vorhandenen Bedarfes Menschen aus den so genannten „Zielgruppen des Arbeitsmarktes“, z.B. Langzeitarbeitslose, einzustellen, da der Aufwand für die Einarbeitung für sie zu hoch und die Gefahr des Scheiterns eines Arbeitsverhältnisses als zu groß eingeschätzt wird. Hier kann das Teilen des „Risikos“ zwischen mehreren Betrieben in einem AGZ die Einstellungsschwelle absenken, zumal das AGZ-Management als Intermediär zwischen Betrieb und Beschäftigten eine zusätzliche Betreuungsfunktion übernehmen kann. Diese Integrationsfunktion von Arbeitgeberzusammenschlüssen gewinnt in Zeiten eines zunehmenden Fachkräftebedarfs an Bedeutung, da die Entwicklung von Fachkräften auch aus den Zielgruppen für die Betriebe immer mehr zu einer Notwendigkeit wird. Im Bereich der Ausbildung bietet ein Arbeitgeberzusammenschluss für die Mitgliedsbetriebe Unterstützung bei der Organisation von Verbundausbildung, er ermöglicht das „Teilen“ von Ausbildern zwischen mehreren Betrieben und sorgt auch hier durch das Senken der Einstellungsschwelle für eine Erleichterung des Übergangs nach der Ausbildung in eine Festanstellung. Zudem sorgt er für eine strukturelle Verbindung von Aus- und Weiterbildung. Nicht zuletzt hat ein Arbeitgeberzusammenschluss auch die Funktion eines regionalen Akteurs. Mit seinem überbetrieblichen Blick auf die Personalsituation seiner Mitgliedsbetriebe und seine Aufgaben im Bereich der Personalrekrutierung versteht er sich als Teil eines Managements des regionalen Arbeitsvermögens. Das beinhaltet die aktive Gestaltung von entsprechenden Rahmenbedingungen, weichen Standortfaktoren ebenso wie den Ausbau einer regionalen Lerninfrastruktur. Fazit Arbeitgeberzusammenschlüsse sind ein Instrument im Rahmen einer regionalen Strategie der Fachkräftesicherung. Gerade für kleinere Betriebe sind sie eine Möglichkeit, über Kooperation die Wettbewerbsfähigkeit in der Konkurrenz um gutes Personal zu erhöhen und über eine dauerhafte Unterstützung des Personalmanagements, der Personalplanung und -entwicklung die betriebliche Wettbewerbsfähigkeit zu sichern.