Zu allem bereit, zu nichts in der Lage?

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führungskräftekommunikation –
beobachtungen aus der beratungspraxis
Zu allem bereit,
zu nichts in der Lage?
Überzeugte und überzeugende Führungskräfte sind für erfolgreiche Veränderungen unabdingbar.
Doch in den Unternehmen herrscht oft Sprachlosigkeit. Die Klage über nicht funktionierende Kaskaden ist
Standard. Wollen sie nicht oder können sie nicht? Ein Klärungsversuch in fünf Thesen.
D ie Liste scheint endlos. Führungskräfte sollen – gerade in der
Veränderung – schnelle Orientierung geben, die Interessenlage von Unternehmen und Mitarbeitern abgleichen, Missverständnisse auflösen, Vorbehalte frühzeitig adressieren,
Existenzängste ernst nehmen, Chancen sichtbar machen,
Engagement einfordern, Fortschritt erlebbar machen. Doch
in der Praxis trifft man vielerorts auf Sprachlosigkeit und die Klage über
nicht funktionierende Kaskaden. Aber warum ist das so?
these 1
das fachliche change-wissen der
führungskr äfte hat ein hohes niveau!
doch es fehlt an befähigungsangeboten für den tr ansfer in die
konkrete pr a xis.
Die Vielzahl an Veränderungen der vergangenen Jahre hat das Qualifizierungsprogramm der Unternehmen geprägt. Kein Leadership-Curriculum
ohne entsprechende Schulung: Phasen der Veränderung, Werkzeuge des
Change Managements, Umgang mit Widerständen, Einbindung von
Betroffenen ...
Doch viele Angebote gehen an der Unternehmensrealität vorbei.
Die Theorie steht im Fokus. Antworten auf konkrete Fragen bleiben aus:
Wie verteidige ich überzeugend die geplante Strukturveränderung auch
gegen kritische Meinungsführer in der Abteilung? Wie gehe ich mit den
Ängsten von Frau Schmidt um, die sich in den letzten zehn Jahren bereits
mehrfach verändern musste? Wie zeige ich durch mein Verhalten, dass ich
als Führungskraft dem Ziel der Veränderung folge? Führungskräfte brauchen hier konkretes Rüstzeug. Trainingsangebote, die nur als StandardManagementtool angeboten werden und für den nächsten Karriereschritt
abzuhaken sind, greifen zu kurz. Es braucht ein Unterstützungsangebot,
das auf die spezifische Veränderung ausgerichtet und passgenau ausgearbeitet ist. Es braucht also im besten Sinn ein „Training on the Change“.
Angebote müssen einen weiteren erfolgskritischen Aspekt berücksichtigen. Die Kernherausforderung für jede Führungskraft besteht darin,
nicht im eigenen „Tal der Tränen“ zu verharren. Im Gegenteil: Sie müssen
sich aktiv um die Betroffenheiten der Mitarbeiter kümmern, sie unterstützen, die Veränderungen zu verstehen, zu akzeptieren und umzusetzen,
obwohl sie selbst Betroffene sind. Auch diesen Aspekt bedienen die her-
EGBERT DEEKELING ist Senior Partner bei Deekeling Arndt Advisors,
einer der führenden Kommunikationsberatungen in Deutschland.
Der Unternehmensgründer zählt
zu den Experten für Transformations- und Erneuerungsprozesse.
Er hat frühzeitig erkannt, welche
Herausforderungen Unternehmen angesichts des wachsenden
Veränderungsdrucks bewältigen
müssen. Heute konzentriert er
sich vor allem auf Beratung und
Coaching von CEOs und Top
managern.
STEPHAN RAMMELT ist Managing
Director im Beratungsbereich
Change & Leadership bei
Deekeling Arndt Advisors. Er
unterstützt Unternehmen insbesondere bei der Strategievermittlung, bei Restrukturierungen
und Integrationsprozessen. Zu
seinen Arbeitsschwerpunkten
gehören die inhaltliche und prozessuale Gestaltung der Führungskräftekommunikation sowie
die Gestaltung von Maßnahmen
der Mobilisierung und Erfolgswahrnehmung.
Doch genau hierin liegt ein Problem: Auch in der Wahrnehmung
der Führungskräfte wird Change zur Routine. Führungskräfte vergessen,
dass Change immer auch den Charakter einer Ausnahmesituation hat, ja
zu einem gewissen Grad haben muss. Führungskräfte müssen diese Qualität verstehen und ihr Verhalten entsprechend anpassen. Nur dann widmen sie dem Thema genug Aufmerksamkeit, setzen es auf ihre Agenda
und delegieren es nicht an die „Changer“.
Es geht darum, die Kommunikation zu verstärken und die nötige
Erklärarbeit zu leisten. Das erfordert Ressourcen, entsprechend muss das
Tagesgeschäft anders organisiert werden. Es gilt, eigene Prozessroutinen
zu überdenken und zumindest temporär umzustellen. Das verlangt Zeit
zur Reflexion, zur bewussten Auseinandersetzung mit dem eigenen Verhalten, der eigenen Rolle und den Reaktionsmustern der Mitarbeiter. Wer
die Aufgabe „wegdelegiert“, übersieht leicht die Zeichen des Widerstands
und der fehlenden Akzeptanz.
these 3
kömmlichen Seminare kaum. In der Theorie lässt sich die Change-Kurve
einfach verstehen. Doch können die Führungskräfte sich auch selbst auf
dieser Kurve verorten? Denn zunächst gilt es, an den eigenen Betroffenheiten zu arbeiten und sie so weit wie möglich zu überwinden. Erst dann
ist der Blick frei für das Team.
zu oft liegt der fokus auf der
möglichst einheitlichen weitergabe
von konzern-botschaften. erklärung
und interpretation bleiben auf
der strecke.
these 2
Ein Blick in die Praxis: Nach der Führungskräfteveranstaltung
wird die Basispräsentation mit umfassender Tonspur und Aufforderung
zur Kommunikation verschickt. Stichprobenartiges Nachfassen an der
Basis zeigt: Wieder einmal kamen die so wichtigen Botschaften nur zu
einem Bruchteil an. Oft sind die Inhalte und deren Aufbereitung das
Problem. Die Kommunikationsabteilung zieht sich bei der Befähigung
der Führungskräfte zur Kommunikation zu oft auf die „Group-Ebene“
zurück. Hier fühlt sie sich sicher, muss nicht fürchten, sich in den Untiefen der bereichs- und regionenspezifischen Individualisierung zu verlieren.
Das Ergebnis: Konzern-Botschaften ohne Bezug zur Basis, bis zur Irrelevanz abgestimmt, für den Arbeitsalltag und die spürbaren Herausforderungen auf Teamebene ohne direkten Bezug. Zurück bleiben Führungskräfte, die nicht bereit sind, sich mit „teflonbeschichteten“ Folien vor die
Mannschaft zu stellen und sich als Lautsprecher unglaubwürdig zu machen.
change ist alltag in deutschen
unternehmen! so wird er mittlerweile
aber auch von den führungskr äften
behandelt.
Change ist „daily business“: Eine Veränderung folgt auf die nächste, oft
laufen mehrere Veränderungsprojekte gleichzeitig. Entsprechend wird das
Thema institutionalisiert und formatiert. Jedes Veränderungsprojekt bekommt seinen „Change Stream“, Ressourcen aufseiten des internen Changemanagements werden bereitgestellt. Change ist zur Selbstverständlichkeit im Projektgeschäft geworden.
Führungskräftekommunikation muss nicht nur mit Material ausstatten. Sie muss Führungskräfte befähigen, qua zeitlichem und qualitativem Wissensvorsprung Dinge eigenständig für die Mitarbeiter einordnen
zu können. Für die Kommunikationsabteilung bedeutet das, zunächst
einen intensiven Dialog zwischen Vorstand und Führungskräften und
innerhalb des Führungsteams zu organisieren und inhaltlich auszugestalten.
Nur diese inhaltliche Auseinandersetzung ermöglicht es Führungskräften,
die Zusammenhänge der Veränderung wirklich intellektuell nachzuvollziehen. Nur so können sie die Inhalte für ihren Bereich, ihr Team herunterbrechen – durch Bezüge zum Arbeitsalltag und Beispiele aus dem konkreten Umfeld. Die Kommunikation braucht den Mut, die
Führungskräfte zu dieser Konkretisierung anzuregen und durch Formate
zu unterstützen – auch wenn sie so nicht jede Botschaft bis zum Empfänger durchsteuern kann.
these 4
alle welt fokussiert sich auf die
mitarbeiterpartizipation! ohne eine
rolle der führungskr äfte im
einbindungsprozess schwächt diese
jedoch führung.
In fast jeder Veränderung wird heute viel Wert auf die Beteiligung
der Mitarbeiter gelegt. Neue Kommunikationswege lassen dies zu, und
man will schließlich State of the Art sein. Gerade die jüngere Generation
fordert diese Beteiligung auch ein. Grundsätzlich ist das Bemühen um
mehr Beteiligung nicht falsch. Im Gegenteil: Betroffene zu Beteiligten zu
machen, ist ein Erfolgsfaktor der Veränderung. Beteiligung braucht dabei
jedoch immer ein relevantes Ziel, beispielsweise das Expertenwissen der
Mitarbeiter zu nutzen oder Meinungen und Wahrnehmungen zu erheben.
Ein Ziel dieser Qualität ist wichtig, damit man sich nicht in den Instrumenten verliert und über ausbleibende Beteiligung enttäuscht ist.
Ein konkretes Ziel ist aber auch zwingend, wenn man die Führungskräfte mit ins Boot holen will. Beteiligung der Mitarbeiter ohne
Einbindung der Führungskräfte verursacht Angst vor Machtverlust und
Frustration. Führungskräfte lehnen sich dann zurück – die Veränderungen
zu erklären und für sie zu motivieren scheint nicht mehr ihre Aufgabe.
Die Beteiligung wird als „kommunikativer Bypass“ empfunden. Klare
Ziele helfen den Führungskräften zu verstehen, welche Funktion die Einbindung hat und welche eben nicht. Im Idealfall führt sie dazu, dass
Führungskräfte in ihrem Bereich aktiv die Einbindung der Mitarbeiter
unterstützen.
Führungskräfte müssen nicht nur die Ziele der Partizipation akzeptieren, sie müssen selbst beteiligt werden. Gerade sie brauchen die
Möglichkeit, die Veränderung mit auszugestalten. Allzu oft wird ihre
breite Beteiligung übersprungen. Schließlich waren ausgewählte Führungskräfte im Projektteam beteiligt, und es gehört schlicht zum Aufgabenprofil von Führungskräften, die Veränderungen aktiv umzusetzen. Das ist
Beteiligung genug. Doch letztlich untergräbt ein solches Verständnis auch
den Erfolg der Mitarbeiterbeteiligung. Gerade bei Veränderungen bleibt
der erste Ansprechpartner die Führungskraft.
these 5
die kommunik ation ist oft
ceo-zentriert. die als rollenmodell
so wichtige zweite führungsebene
erfährt nur eine unzureichende
unterstützung.
In den DAX-Konzernen und großen mittelständischen Unternehmen sind die Führungskräfte der zweiten Ebene „Vorstände“ ihrer
Einheiten. Sie führen Unternehmen mit 1.000 bis 30.000 Mitarbeitern.
Auf sie kommt es an, wenn die Veränderungen auf Konzernebene auch
wirklich in jeder Einheit, in jedem Team ankommen sollen. Sie müssen
als Rollenmodell agieren, müssen den Change verkörpern, im Prozess
vorangehen.
Doch die Change-Manager im Unternehmen, ob Kommunikations-, Strategie- oder HR-Abteilung, konzentrieren sich oftmals nur auf
den Vorstand. Er erhält die adäquate Bühne, den richtigen Auftritt und
das argumentative Rüst- und Handwerkszeug. Das ist auch richtig so.
Aber hier darf die Arbeit nicht aufhören. Auch die Führungskräfte darunter sind nicht nur Teilnehmer auf Führungskräfteveranstaltungen. Doch
eine entsprechende Unterstützung bleibt oft aus: Niemand bereitet ihnen
das richtige Setting, in dem sie glänzen können, keiner liefert die überzeugenden Inhalte, um die notwendige Veränderung in der jeweiligen
Einheit erklären zu können. Die Corporate-Folien, die für den CEO
erstellt wurden, müssen ausreichen.
Die Folge: Der Change-Prozess wirkt zerfasert und uneinheitlich,
je weiter man sich nach unten bewegt. Die Veränderung verliert an Bedeutung und Konsequenz. In der Praxis agiert die zweite Ebene entsprechend abwartend: „Schauen wir erst mal, ob sich da bei Corporate was
ändert, bevor ich mich hier aus dem Fenster lehne.“ Denn gerade die
Führungskräfte schauen auf „ihren“ Vorstand. Doch sie erleben ihn nicht
in der Veränderung. Die Erfahrung zeigt: Wenn die Führungskräfte der
zweiten Ebene die richtige Bühne und Unterstützung bekommen, werden
sie sie nutzen – und das erhöht die Chance massiv, dass der Change auch
unten ankommt.
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