Behauptung Contra: "Der Federmechanismus im Bügel führt dazu

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Seite - 1 Stellungnahme zu der Behauptung, die Federung der Elastostep-Steigbügel würde die Funktion der Propriorezeptoren schleichend beeinträchtigen, weil ihnen durch die Federung diese Aufgabe abgenommen würde.
Auszug aus dem noch nicht veröffentlichen Sachbuch "Kompendium für Freizeitreiter"
Autor: Henning Guse
Behauptung Contra: "Der Federmechanismus im Bügel führt dazu, dass die Rezeptoren
(müsste genauer heißen: Propriorezeptoren) in den großen Gelenken (Fuß-, Knie-, Hüft- und
Schultergelenk) ihre Funktionen immer mehr aufgeben, weil ihnen durch die Federung diese
Aufgabe abgenommen wird." Quelle des Zitats: Eckhard Meyners, Medizinische Sattellehre Tanja Schulze, Reiten und Bewegen - Bewegungstraining nach Eckhard Meyners)
Behauptung Pro: In der Ausgabe 11 von "Cavallo", November 2015, wird ab Seite 139 die
Thematik "Bügel-Tipps" über ,mehrere Seiten abgehandelt. Die Überschrift lautet: Steigbügel
gibt es heute in zig Varianten. Damit sie für einen entspannten Reitersitz sorgen, müssen
überraschend viele Details stimmen". In diesem Artikel kommen auch Expertinnen zu Wort.
Die Physiotherapeutin und Sitzexpertin Frauke Behrens gibt hier Unterschiedliches zu Protokoll und schließt mit der Bemerkung: "Mein absoluter Lieblingsbügel ist der gefederte Elastostep-Steigbügel mit breiter Trittfläche. Damit sitzt der Reiter losgelassener, was sich auf das
Pferd positiv auswirkt."
Wer hat nun recht?
Wenn man diese Frage belastbar beantworten will, ist ein Ausflug in die Neurowissenschaft
nötig. Zunächst muss geklärt werden, was Propriorezeptoren sind, wo es sie gibt und welche
Funktion sie haben, sowie, wie sie vernetzt sind, womit sie behindert bzw. geschädigt werden
und wie man sie trainieren kann. Aus diesen Ausführungen ergibt sich, dass die Propriorezeptoren Teil eines umfassenden Wirkungskomplexes sind, der nach dem Prinzip eines komplexen und störanfälligen Regelkreises funktioniert. Aufgabe dieses Komplexes ist das Finden
und Halten der Balance. Die Selbstständigkeit und damit die Lebensqualität eines Menschen
sind maßgeblich von sicherem Stand und sicherer Bewegung abhängig. Jeder gehende, stehende oder sitzende und auch liegende Mensch muss ständig seine Haltung korrigieren, um
nicht hin- bzw. umzufallen. Dazu muss er sich mit der richtigen Körperhaltung gezielt bewegen können. Eine rasche Wahrnehmung und ebenso schnelle Reaktion sind dazu notwendig.
Ferner muss er auf wechselnde Umgebungsbedingungen bei der Bewegung im Raum reagieren. Nur so kann er für einen sicheren aufrechten Stand und Gang sorgen. All diese Prozesse
müssen so miteinander verknüpft sein, dass eine sinnvolle und gezielte Reaktion auf äußere
Einflüsse möglich ist. Die Wissenschaftsgebiete, die sich hiermit beschäftigen, sind die Entwicklungsneurologie, die Neuropädiatrie und die Sportwissenschaften.
Der Systemkomplex des menschlichen Körpers, das hierfür sorgt, wird in der Wissenschaft
"Posturales System" genannt". Dieser Begriff bezeichnet also zusammenfassend alle dynamischen Systeme, die – unter dem Einfluss der Schwerkraft – zur Aufrechterhaltung unserer
Körperhaltung im Liegen, Sitzen, Stehen, Gehen und Laufen beitragen. Dies ist ein komplizierter und störanfälliger kybernetischer Regelkreis.
Die Systemzusammenhänge
Der menschliche Körper befindet sich durch seinen aufrechten Gang bzw. aufrechten Haltung
in einem indifferenten bzw. instabilem Zustand. Bereits in relativer Ruhe, also beim Stand
und in sitzender Position müssen permanent stabilisierende Korrekturen der Körperhaltung er-
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Autor: Henning Guse
folgen, um das (statische) Gleichgewicht aufrecht zu erhalten. Besonders aber bei Bewegungsabläufen muss das Gleichgewicht adäquat reguliert werden, um während und nach der
Lageveränderung due Balance zu erhalten oder wieder herzustellen.
Das Gleichgewichtssystem ist abhängig vom Zusammenwirken mehrerer Teilsysteme des peripheren und zentralen Nervensystems. sowie den Muskeln, Bänder, Sehnen und Gelenke.
Diese integrierte Gesamtheit der Teilsysteme, die Aufgabe der Haltungsstabilität erfüllen,
stellt das"posturales System" dar. Die Aufgabe dieses posturalen Systems ist hochkomplex.
Es muss verschiedene Sinneswahrnehmungen und - reize so weiterleiten bzw. verarbeiten,
dass eine adäquate Reaktion der Bewegungsorgane der Körperschwerpunkt lotrecht über der
Stand- bzw. Sitzfläche ausgerichtet ist, somit also die Balance aufrechterhalten oder wiedergefunden wird. Die wesentlichen Komponenten dieses Systems sind:
(1) das visuelle, vestibuläre (Teile des Innenohres) und propriozeptive System. Über diese
Untersysteme läuft der informelle Input.
(2) das Zentralnervensystem (ZNS - Gehirn-Rückenmark), In diesen Strukturen erfolgt
nach Reizweiterleitung über zuführende (afferente) Nervenbahnen des sensomotorischen Systems die Reizverarbeitung.
(3) die Skelettmuskulatur (quergestreifte Muskulatur). Impulse über wegführende (efferente) Nervenbahnen induziere Längen- und Spannungsveränderungen dieser Muskulatur und damit eine motorische Reaktion.
Ganz besondere Anforderungen an die Gleichgewichtsfähigkeit tritt auf, wenn der Mensch
verschiedene Hilfsmittel benutzt, um schneller oder bequemer voranzukommen. Wie Fahrrad
fahren, Schlittschuh laufen, usw. sowie im Besonderen beim Reiten. Aufgrund der spezifischen Bewegungsdynamik ist zunächst ein gewisses Training nötig, das in der Regel von individueller Intensität und Länge ist, bis ein ausreichender Fertigungsgrad erreicht ist. Das Ziel
dieses Trainings ist es, Bewegungserfahrung zu sammeln und Bewegungsmuster zu erlernen,
die der Aufrechterhaltung bzw. Wiedergewinnung des Gleichgewichtes dienen. Die Gleichgewichtsfähigkeit ist immer auch von motorischen Vorerfahrungen abhängig. Das lässt sich
gut an dem Beispiel des Reitens erklären. Besteigt ein Mensch zum ersten Male ein Pferd, so
hat er allergrößte Schwierigkeiten, die Balance zu halten und nicht zu stürzen. Verändert das
Pferd auch noch die Gangart, erfährt der Mensch, dass der Bewegungsablauf zwischen Pferd
und ihm asynchron verläuft. Schon in der Gangart "Schritt" des Pferdes verschiebt sich das
Gewicht des Menschen im Sattel gegenüber dem Pferderücken immer um einige Millimeter,
manchmal sogar um Zentimeter. Und zwar ständig nach vorn, nach hinten und zur Seite.
Durch die beeinträchtigte Synchronisation beider Lebewesen wird das Pferd in seiner natürlichen Bewegungsharmonie behindert. Um die Auswirkung dieser asynchronen Bewegung
zwischen Reiter und Pferd abzumildern, verwendete beispielsweise die Deutsche, Schweizerische und Französische Kavallerie als traditionelle Sattelunterlage den sogenannten Woilach,
eine 234 cm lange und 200 cm breite Decke aus ungebleichtem, braunem oder grauem Wollkörper von etwa 3400 bis 3500 g Gewicht. Er wird sechsfach oder neunfach gefaltet unter den
Sattel gelegt. Die unterschiedlichen Lagen der zusammengefalteten Wolldecke können durch
das Aneinanderreiben die asynchronen Bewegungen zwischen Pferd und Reiter abmildern.
bzw. ausgleichen. Geht das Pferd in die Gangart Trab, dann erfährt ReiterIn einen weiteren
asynchronen Bewegungsablauf. Und zwar umso mehr. als Pferd und Mensch steif sind und
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der Schwung des Pferdes den Menschen "wirft". Das kann so weit gehen, dass der Bewegungsablauf von Pferd und Mensch zunehmend asynchron wird und schließlich gegenläufig
ist. Die Bewegung des Pferderückens katapultiert sozusagen das Gesäß des Reiters aus dem
Sattel, weil in zunehmendem Maße der rhythmisch hochkommende Rücken des Pferdes auf
das rhythmisch herunterkommende Gesäß des Reiters trifft mit dem Ergebnis, dass das
Gleichgewicht und die Balance des Reiters zunehmend sich verlieren und der Reiter vom
Pferd stürzt.
Nach genügend Übungs- und Trainingsleistungen verfügt der Mensch jedoch über die nötige
motorische Vorerfahrung, die ihn in die Lage versetzt, das Gleichgewicht auf dem Pferd zu
halten.
Neben der personenbezogenen Gleichgewichtsfähigkeit verfügt der Mensch über eine objektbezogene Gleichgewichtsfähigkeit, die den Menschen in die Lage versetzt, objektbezogene
Balanceleistungen zu vollbringen. Zum Beispiel, ein Objekt bzw. ein Gegenstand mit den
Körper im Gleichgewicht zu halten, was ortsgebunden oder freibeweglich sein kann wie z.B.
das Balancieren eines Balls auf dem Fuß oder eines Stabes auf der Hand. Auch die objektbezogene Gleichgewichtsfähigkeit ist ganz wesentlich von den motorischen Vorerfahrungen und
Trainingsleistungen abhängig.
Die Leistungsfähigkeit des posturalen Systems unterliegt intraindividuellen (bei einem selbst)
und interindividuellen (im Vergleich zu Anderen) Schwankungen. Interindividuelle Schwankungen im temporären Bereich werden hervorgerufen durch die Stimmungslage, den Ermüdungsgrad und psychische Stressfaktoren sowie der Konsum von Rauschmittel und Medikamenten. Länger anhaltende Schwankungen treten verstärkt mit zunehmendem Lebensalter
auf. Aufgrund altersbedingter Verlust- und Rückbildungsprozessen verschlechtert sich häufig
das visuelle und propriozeptive Wahrnehmungsvermögen. Aber: Auch bis ins hohe Alter hinein ist die Trainierbarkeit der Komponenten des posturalen Systems gegeben. Die interindividuellen Schwankungen mit Beeinträchtigungen des posturalen Systems basieren meistens auf
Umwelteinflüssen mit intensiven visuellen und sensiblen Reizen wie Lärm, intermittierenden
Blitzen, die ihre Einflüsse entfalten durch Ablenkungs- und Überlagerungsphänomene.
Die Beeinträchtigungen des posturalen Systems liegen in Störungen oder dem Ausfall einzelner Komponenten dieses Systems, was regelmäßig die Gleichgewichtsfähigkeit mindert. Dabei besteht ein hoher Zusammenhang zwischen Gleichgewichtsfähigkeit und Sturzrisiko. Das
bestätigen nicht nur eine Vielzahl von Studien, sondern auch die allgemeine Lebenserfahrung.
Wer schon einen alkoholisierten Menschen gesehen oder selbst einen Rausch erlebt hat, weiß,
was gemeint ist. Deutlich wird dieser Zusammenhang auch, wenn man die Bedeutung einzelner Subsysteme des posturalen Systems näher betrachtet.
Visuelle Wahrnehmung. Die Augen übermitteln eine Vielzahl von Wahrnehmungen aus der
Umwelt. wie Bodenbeschaffenheit, Hindernisse, die Anordnung von Objekten, deren Abstand
zum Betrachtenden. Diese Informationen sind wichtig für die Vorausplanung von Bewegungen. Aufgrund der visuellen Wahrnehmung führt der Mensch beispielsweise Ausweich- und
Abwehrbewegungen durch. Bei fehlender visueller Wahrnehmung reduziert der Mensch die
Bewegungsgeschwindigkeit. So geht der Mensch bei Einsetzen der Dunkelheit auch langsamer.
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Vestibuläre Wahrnehmung: Diese Wahrnehmungen des Gleichgewichtsorgans, ein Teil des
Innenohres, betreffen die Informationen über Balanceverlagerungen. Die vestibulären Rezeptoren registrieren Drehbewegungen, Körperneigung und -beschleunigung bzw. - verlangsamung. Drehschwindel, Übelkeit und andere Missempfindungen basieren auf Wahrnehmungen
bzw. Wahrnehmungsstörungen des Gleichgewichtsorgans.
Propriorezeptive Wahrnehmung (Tiefensensibilität) bedeutet die Wahrnehmung über die
Stellung und die Bewegung des Körpers im Raum. Auch ohne visuelle Wahrnehmung weiß
der Mensch, ob er beispielsweise seine Beine unter dem Tisch ausgestreckt oder angewinkelt
hat. Diese Wahrnehmungen erfolgen über spezielle Rezeptoren, die Propriorezeptoren.
Muskuloskeletale Reaktionen sind die Reaktionen von Muskeln, Bändern und Gelenken.
Diese Reaktionen setzen eine ausreichende Beweglichkeit der Gelenke voraus und hängt weiter von dem Muskelstatur ab. Die Leistung des Bewegungsapparates kann erheblich eingeschränkt sein durch eine Rückbildung der Muskulatur durch Bewegungsarmut, Fehl- und
Mangelernährung sowie Immobilisation.
Zentralnervensystem. Im Rückenmark werden die ankommenden Reize verarbeitet oder in
bestimmten Hirnareale weitergeleitet und dort verarbeitet, was ggfs. eine Reaktion des Bewegungsapparates hervorruft. Unbedingte Voraussetzung ist hierfür ist die Funktionsfähigkeit
der afferenten und efferenten Nervenbahnen. Eine Beeinträchtigung der Reizübermittlung
kann auftreten durch krankheits- und verletzungsbedingte Störungen. Gleiches gilt für die
Reizverarbeitung in den unterschiedlichen Strukturen des Zentralen Nervensystems.
Nach dieser Übersichtsdarstellung geht es mehr ins Detail:
Was sind Propriorezeptoren?
Propriorezeptoren [von Latein. proprius = eigen, receptor = Empfänger], Propriozeptoren, E
proprioceptors] Der Propriorezeptionsbegriff geht ursprünglich auf Sherrington zurück und
beschreibt die Fähigkeit, den Zustand sowie die Veränderung von Gelenkwinkelpositionen
über spezialisierte Sensoren (Propriorezeptoren) zu erfassen. Propriorezeptoren sind Mechanorezeptoren, die der Wahrnehmung von Mechanorezeption dienen. Über mechanisch ausgelöste Verformungen geschieht über sie die Wahrnehmung von Muskellänge und Muskelspannung, Gelenkstellungen und Gelenkbewegungen, Körperhaltung, Schwerkraft, Linearbeschleunigungen und Winkelbeschleunigungen, Blutdruck, Füllungsdruck von Hohlgefäßen,
von Berührung und Vibration von Schallwellen, Wasserströmungen und Luftströmungen.
Propriorezeptoren sind Messfühler von Regelkreisen, die es erlauben, die räumliche Lage
und mechanischen Belastungen des eigenen Körpers und Körperstellungen wahrzunehmen
und zu kontrollieren sowie Bewegungen kontrolliert auszuführen. Ist diese Wahrnehmung gestört, ist beispielsweise ein normales Stehlen oder Gehen nicht mehr möglich.
Eine weitere Aufgabe der Propriorezeptoren besteht darin, in kritischen Situationen eine
Schutzfunktion auszuüben. Ein Charakteristikum verletzungsrelevanter Situationen sind ballistische Krafteinwirkungen, sodass nur kurze Zeitfenster zur Verfügung stehen, um schnell,
unter 400 Millisekunden, muskuläre Schutzkontraktionen zu generieren, die läsionierenden
Effekte, wie z.B. mit dem Fuß umknicken, entgegenwirken. So stellt sich neben dem Aspekt,
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welche sensorische Informationen bei welchen Bewegungsabläufen verarbeitet werden, aus
praktisch-präventiver Sicht vor allem die Frage, wie schnell Informationen über die Position
im Raum in eine funktionale muskuläre Aktion umgesetzt werden können. In kritischen Situationen muss auf schnelle Korrekturmechanismen umgeschaltet werden.
Bezug nehmend auf die ursprüngliche Definition bezieht sich Propriozeption somit nur auf afferente Vorgänge (Erfassung/Wahrnehmung). Bei einem Bewegungsablauf entsteht aber generell ein multimodales Set an afferenten Rückmeldungen. Die propriozeptive Afferenzen
stehen mit koordinativen Leistungen in einem hohen Zusammenhang. Die Verarbeitungskapazität afferenter Informationen ist allerdings begrenzt. Deswegen dominieren bei bestimmten Bewegungsabläufen einzelne sensorische Informationen, allerdings gibt es keine Hinweise, dass dies zwangsweise und generell propriozeptive Signale sein müssen.
Ferner kommt es zu einer Interaktion der Propriorezeptoren mit Exterorezeptoren. Letzteres
sind Sinneszellen, die Reize aus der Außenwelt aufnehmen und sie in Nervenerregungen
transformieren. Sie befinden sich in der Haut, der Netzhaut, dem Innenohr, der Nasen- und
der Mundschleimhaut. Exterorezeptoren stehen im Dienst der Orientierung in der Umwelt im
weitesten Sinn. So geben z.B. bei der visuellen Wahrnehmung Propriorezeptoren eine Rückmeldung über die Blickrichtung und Bewegung der Augen.
Welche Arten von Propriorezeptoren gibt es?
Bei dem Menschen (und den Wirbeltieren) gehören Sehnenrezeptoren, MuskelspindelRezeptoren und Gelenkrezeptoren zu den Propriorezeptoren, auch die Rezeptoren der Gleichgewichtsorgane (Maculae und Cristae) können dazu gerechnet werden.
Muskelrezeptoren
Die Muskelspindeln, E muscle spindles, befinden sich in unseren Skelettmuskeln. Sie bestehen aus spezialisierten bis zu 3 mm langen, von einer lockeren Bindegewebshülle umgebenen
Skelettmuskelfasern, die in ihrer Form an eine Spindel erinnern. Sie sind besonders differenzierte, sogenannte intrafusale Muskelfasern in den Skelettmuskeln von Wirbeltieren und
Menschen. Die Muskelspindel als Dehnungsmessorgan (Dehnungsrezeptoren) registriert eine
Dehnung der Muskelfasern, wodurch das Aktionspotential der Nervenfaser erhöht wird. Das
hat eine gesteigerte Feuerrate der Alpha-Motoneuronen und damit eine Kontraktion des Muskels zur Folge. Die Muskelspindel gibt also als monosynaptischen Dehnungsreflex nervöse
Signale über den Dehnungszustand und Kontraktionsverlauf der betreffenden Muskeln an das
Zentralnervensystem und kann über eine Reflexbogen-Schaltung Verlauf und Ende einer
Muskelkontraktion einem vorgegebenen Sollwert anpassen. Die Sensitivität der zur Gruppe
der Propriorezeptoren gehörenden Muskelspindeln können über eine Alpha-Innervation verändert werden, -deshalb sind auch Trainingseffekte vorstellbar.
Sehnenrezeptoren
Die sogenannten Golgi-Sehnenorgane sitzen in den Skelettmuskeln, und zwar am Übergang
vom Muskel zur Sehne. Im Unterschied zu den Muskelspindeln sind sie nicht parallel zu den
Muskelfasern angeordnet, sondern hintereinander. So können sie die Muskelspannung überwachen. Zusätzliche Informationen liefern mechanosensitive Fasern im Bindegewebe von Gelenken, die auf Veränderungen des Winkels, der Richtung und der Geschwindigkeit reagieren.
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In Zusammenarbeit mit den Muskelspindeln geben in die Sehnen eingebaute Spannungsrezeptoren (Sehnenspindeln) gleichzeitig Meldungen über den Spannungszustand des Muskels an
das Zentralnervensystem.
Rezeptoren der Gleichgewichtsorgane
Die Felder der Rezeptoren Maculae und Cristae sind Rezeptoren des Gleichgewichtsorgans
und werden Vestibularrezeptoren genannt. Sie sitzen im sogenannten Labyrinth im Innenohr
((Labyrinthus vestibularis). Sie registrieren Linearbeschleunigungen und Winkelbeschleunigungen über die Auslenkung der Sinneshärchen. Die Weiterleitung der Reize des Gleichgewichtsorgans nach zentral erfolgt durch einen Teil des VIII Hirnnervs.
Welche Funktion haben Propriorezeptoren?
Die Propriozeption ist rund um die Uhr aktiv. Selbst wenn wir schlafen und entspannt sind,
orten die Sensoren die Lage unseres Körpers und unbewusste Bewegungen. So hilft uns die
Tiefensensibilität dabei, uns in allen Lebenslagen bestens zu positionieren. So korrigieren wir
tagtäglich tausende Male unsere Kopfposition, verändern die Anspannung der Rückenmuskeln, belasten ein Bein kurzzeitig intensiver als das andere. Im Alltag merken wir davon meist
nichts, denn das Gros dieser Bewegungskommandos wird unbewusst ausgeführt. Müssten wir
diese unzähligen winzigen Positionsänderungen bewusst erleben, kämen wir vermutlich kaum
dazu, an etwas anderes zu denken. Die Flut der propriozeptiven Informationen ist schlicht zu
gewaltig – und wird darum zu großen Teilen ins Unbewusste verlegt. Jeder hat schon einmal
eine Beeinträchtigung der Tiefenwahrnehmung erlebt. Wer einmal etwas zu viel getrunken
hat, weiß, dass unter Alkoholeinfluss bisweilen selbst eigentlich simple motorische Aufgaben
wie etwa das Gehen auf einer Linie oder das Berühren der Nase mit einem Finger äußerst
schwierig werden. Denn Alkohol- oder Drogenkonsum stören die reibungslose Verarbeitung
propriozeptiver Informationen. Konsequenz: Wir torkeln beim Gehen, geraten schon im Stehen aus dem Gleichgewicht oder nehmen den Abstand zwischen Füßen und Boden falsch
wahr
Wie sind die Propriorezeptoren vernetzt?
Nach Darstellung der Professoren und Lehrstuhlinhaber für Bewegungs- und Trainingswissenschaften am Institut für Sportwissenschaften der Universität Frankfurt, Haas und Schmidtbleicher, handelt es sich um ein wesentlich komplexeres Beziehungsgefüge, das keineswegs
als eine einfache Reiz-Reaktionsfunktion zu verstehen ist. Der Mensch verlässt sich bei komplexen motorischen Steuerungsaufgaben nicht nur auf eine singuläre afferente Modalität
(Propriozeption), da die Gewinnung von Informationen über die Positionierung im Raum
stark eingeschränkt wäre. Nach der Definition bezieht sich Propriozeption somit zwar nur auf
afferente Vorgänge (Erfassung/Wahrnehmung) und nicht direkt, sondern nur in deren Konsequenz auf die muskuläre Ansteuerung (efferente Abläufe). Eine Beurteilung der propriozeptiven Leistung allein kann dementsprechend auch nicht erfolgen, wenn koordinativ anspruchsvolle Bewegungen – wie bspw. der Einbeinstand auf einem instabilem Untergrund – durchgeführt werden.
Bei diesen Bewegungsabläufen sind afferente und efferente Anteile eng miteinander verknüpft, wodurch keine Differenzierung möglich ist, ob die Leistungserbringung bzw. deren
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Veränderung primär auf den einen (Wahrnehmung) oder anderen (Ausführung) Teil zurückzuführen ist. In Konsequenz werden zur Beurteilung des propriozeptiven Leistungsvermögens
gegenwärtig Verfahren eingesetzt, bei denen ein Körpersegment bzw. Gelenk passiv bewegt
wird (keine efferenten Anteile) oder einfache, eingelenkige Bewegungsabläufe ohne komplexe efferente Anteile durchgeführt werden. Die Parametrisierung der propriozeptiven Leistung
erfolgt in diesen Tests anhand der Genauigkeit der Reproduktion spezieller Gelenkwinkel
oder anhand des Schwellwertes, ab wann eine Bewegung wahrgenommen werden kann. Es
gibt also eine komplexe Interaktionsstruktur zwischen Afferenz und Efferenz. Zwischen verschiedenen Sensoren bestehen Rückwirkungsmechanismen.
Die Axone der Propriorezeptoren ziehen ins Rückenmark, wo manche Informationen ausgewertet und direkt mit Reflexen beantwortet werden, bevor sie Interneurone an das Gehirn weiterleiten. Ein Beispiel für einen solchen propriozeptiven Reflex ist der bekannte Patellarsehnenreflex, bei dem nach einem Schlag unter die Kniescheibe das Schienbein vorschnellt.
Die Informationen der Propriorezeptoren laufen über zwei unterschiedliche Bahnen in das
Gehirn – je nachdem, ob die Reize bewusst oder unbewusst verarbeitet werden.
Die bewusste Tiefensensibilität nutzt die somatosensorische Bahn. Diese verläuft über den
Thalamus und endet im Scheitellappen des Cortex.
Unbewusste Tiefenwahrnehmung hingegen läuft über den Tractus spinocerebellares und endet im Kleinhirn, das für die Bewegungskontrolle zuständig ist.
Das SMS (Sensosomotorisches System) verfügt über drei Strukturebenen: das Rückenmark,
den Hirnstamm und den Cortex. Das Rückenmark ist die untere Strukturebene mit wichtigen
eigenen unbewussten sensomotorischen Leitungen. Der Hirnstamm kann seine sehr komplexen Leistungen für die Regulation von Haltung und Stellung ausschließlich in Kooperation
mit dem Rückenmark erbringen. Hirnstammleistungen sind also Leistungen des Strukturkomplexes Rückenmark-Hirnstamm. Über diese beiden Strukturebenen laufen auch die Verknüpfungen und Interaktionen der Sensomotorik mit den Logistikfunktionen Atmung, HerzKreislauf- und Stoffwechsel. Die verantwortlichen Neuronenstrukturen liegen in enger Nachbarschaft zu denen der Sensomotorik und des Hirnstamms.
Die sogenannte sensorische Schleife ist die sehr vereinfachte Grundstruktur der Informationsverarbeitung des zentralen Nervensystems. Sensorische Organe in der Peripherie leiten die
von ihnen wahrgenommenen Veränderungen der Umwelt über ihre eigenen Bahnen (Hörbahn, Sehbahn, Propriorezeptoren) oder ihre Bahnen im Rückenmark in das Gehirn. Dieser
Vorgang wird auch als Bottom-Up-Prozess bezeichnet. Die erste Umschaltstation sind die
Spinalganglien und die Ganglione der sensorischen Hirnnerven. Die Bahnen erreichen den
Hirnstamm und, gekreuzt auf der Gegenseite, den Thalamus (liegt im Zwischenhirn am oberen Ende des Hirnstamms und hat die sogenannte "Torwächterfunktion") sowie das limbische
System, (liegt über dem Hirnstamm) um von dort den primären somatosensorischen Cortex zu
erreichen, der wie der Thalamus, topisch organisiert ist. In diesem kortikalen Bereich werden
alle einlaufenden Informationen bewertet und abgeglichen. Die Antwort auf die Informationen aus der Peripherie wird in Form adäquater Programme (Top-down-Prozesse) in den prämotorischen Anteilen des Cortex gebildet, die einem Aktionsgenerator ähneln. Die Aktionen
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werden mit Feed-forward- und Feed-back-Informationen gesteuert und in ihrem Ablauf mithilfe der entsprechenden taktil-kinästhetischen (Stellung der Körpergliedmaßen) Sensoren
kontrolliert.
Propriorezeptoren und Kleinhirn
Das Kleinhirn ist wesentlich beteiligt an der Feinkoordination aller Bewegungen. Das Kleinhirn des Menschen hat sich ursprünglich in der Evolution als Koordinationssystem des
Gleichgewichtssinns entwickelt. Deshalb sind Abschnitte des Kleinhirns eng mit dem vestibulären System verschaltet, das auch als afferentes sensorisches System bezeichnet wird und das
zahlreiche Verbindungen zu den Ursprungskernen für die Augen- und Halsmuskeln sowie
dem Rückenmark hat. Die später im Rahmen der Evolution hinzugekommenen Anteile des
Kleinhirns haben zahlreiche Verbindungen mit den übrigen Teilen des Zentralnervensystems,
verarbeiten die Impulse aus dem Rückenmark, Beim Menschen nehmen die Verbindung mit
dem Großhirn, die über die Brücke geschaltet sind, den größten Teil der Kleinhirnhemisphäre
ein. Das Funktionsprinzip der Kleinhirnrinde besteht in einem fein abgestimmten Wechsel
von Erregung, Hemmung und Aufhebung der Hemmung.
Die wichtigste Aufgabe des Kleinhirns ist die Koordination von Bewegungskomponenten und
die Kontrolle von zielgerichteten Bewegungen. Neuere Untersuchungen weisen darauf hin,
dass es beim Erlernen komplexer Bewegungsabfolgen und bei der Planung von motorischen
Aktionen beteiligt ist. Es assoziiert Erregungen aus dem Gleichgewichtssystem (vestibuläres
System; Gleichgewichtsorgan), Informationen von Propriorezeptoren über die Stellung der
Körpergliedmaßen (Kinästhesie) und Afferenzen der allgemeinen Hautsensibilität und koordiniert sie mit den motorischen Antworten des Gehirns, Die Ausgestaltung des Kleinhirns als
zentrales Koordinationsorgan für Gleichgewichtsreaktion und Körperbewegungen steht in direktem Zusammenhang mit der lokomotorischen Aktivität. Aus diesem Grunde haben Menschen ein hoch entwickeltes Kleinhirn.
Das Kleinhirn gewinnt also Informationen aus dem gesamten Nervensystem, einschließlich
dem limbischen System. Mit Rückkopplungen und redundanten Schleifen ist das Kleinhirn
mit allen motorischen Systemen verbunden. Es steuert damit die Gleichgewichtskontrolle, die
Kontrolle bereits abgelaufener Bewegung mit Feed-forward- und Feed-back-Vernetzungen.
Damit unterstützt es die reflektorische Regulation von Haltung und Stellung und damit die
Kopf, Körper, Extremitäten- und Augenmotorik. Das Kleinhirn ist auch fähig, mögliche oder
notwendige Adaptionen an Störungen und Änderungen einer geplanten oder bereits ablaufenden Handlungsstrategie zu organisieren und auch abzusichern. Das Kleinhirn ist hochgradig
lernfähig. außerdem automatisiert es Bewegungsabläufe und entlastet damit motorische Zentren, die primär von den motorischen Cortexarealen gesteuert werden. Mentale Vorstellungen
können vom Kleinhirn in motorische Abläufe transferiert werden, womit ein mentales motorisches Training möglich ist.
Womit werden Propriorezeptoren behindert bzw. wodurch geschädigt?
Propriorezeptoren können geschädigt werden durch mechanische Einflüsse, Alterung und
Schmerzen sowie Krankheit.
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Mechanische Einflüsse - Verletzungen
Bei beispielsweise einem Schleudertrauma der Halswirbelsäule ist das Symptom eines
Schwindels bekannt. Die Ursache des Schwindels ist, dass durch die plötzliche mechanische
Belastung eine Beschleunigungsverletzung entsteht und damit eine Beeinträchtigung der Propriorezeptoren der Hals-Nacken-Region einhergeht, wobei akut ein Defekt in der Gleichgewichtsregulation eingetreten ist. Das ist von der anatomischen Voraussetzung allein über eine
Beeinflussung der afferenten Bahnen des N. vestibularis möglich.
Alter
Dass ein funktionierendes, propriozeptives System mit seinen Anforderungen wächst, sieht
man an den zunächst unkoordinierten Bewegungen von Kleinkindern. Mit dem Wachstum
und den gemeisterten Aufgaben perfektioniert sich die Koordination der Bewegungsabläufe
mit Hilfe der damit geschulten Propriozeption. Die Entwicklung über den gesamten Lebenszeitraum wurde für die der Propriozeption übergeordnete Koordination von Meinel & Schnabel beschrieben. Sie bezeichnen das frühe Erwachsenenalter (etwa 18./20. bis 30. Lebensjahr)
als die Jahre der relativen Erhaltung der motorischen Leistungsfähigkeit und das mittlere Erwachsenenalter (etwa 30. bis 45./50. Lebensjahr) als die Jahre der allmählichen motorischen
Leistungsminderung. Die Abnahme der koordinativen Fähigkeiten ab dem 40. Lebensalter ist
begleitet von einer ungenügenden Orientierung der Erwachsenen im mittleren Alter, wodurch
die Bewegungen unsicher werden. Als Grund hierfür wird angenommen, dass „das Zusammenspiel von Muskulatur und Nervensystem die notwendige Reaktionsschnelligkeit verloren
hat“. Das spätere Erwachsenenalter (etwa 45./50. bis 60./70 Lebensjahr) wird als die Jahre der
verstärkten motorischen Leistungsminderung beschrieben. Das motorische Lernen und die
Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit lassen deutlich nach, so dass man z.T. schon von Unvermögen in diesem Bereichen sprechen kann. Im späten Erwachsenenalter (ab etwa 60./70.
Lebensjahr) sind dann die Jahre des ausgeprägten motorischen Rückschrittes. Für die Ursache
dieser Rückschritte werden der Alterungsprozess aller Organe und des Gewebes verantwortlich gemacht. Vor allem aber verändert sich auch die höhere Nerventätigkeit. Zu nennen sind
besonders die eingeschränkte Beweglichkeit der Nervenprozesse und die verminderte Fähigkeit zur Informationsaufnahme und Informationsverarbeitung. Dadurch werden vor allem die
motorische Steuerungsfähigkeit und noch stärker die Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit
bei Bewegungshandlungen erheblich beeinträchtigt. Die Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin veröffentlichte 2001 eine Untersuchung des physiologischen Institutes der Deutschen
Sporthochschule Köln von Bock, bei der die Mechanismen der sensomotorischen Adaptation
beim Menschen beleuchtet wurden. Das Hauptaugenmerk wurde hier auf das Alter gelegt.
Sensomotorische Leistungen in einer sich ständig ändernden Welt erfordern vom Gehirn ein
hohes Maß an Anpassungsfähigkeit. Die dafür zur Verfügung stehenden Mechanismen sind
„interne Modelle“, die eine der vielen Funktionen eines verteilten neuronalen Systems zur
Bewegungskontrolle darstellt. Sie verbleiben über lange Zeit im Gedächtnis, können bei Bedarf wieder aktiviert werden, auf ungeübte Bewegungen generalisiert, allmählich verändert,
aus Komponenten zusammengesetzt, in diese zerlegt werden und sich einem Zerfall widersetzen. Änderungen sind für das Gehirn rechenaufwendig, wobei sich der Rechenbedarf im
Adaptationsverlauf quantitativ und qualitativ verändert, und ältere Menschen solche Änderungen ebenso gut durchführen können wie jüngere, bis auf eine mögliche Verlangsamung.
Diese Lern- und Anpassungsfähigkeit fällt in den Bereich der Propriozeption, bzw. Kinästhe-
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sie – Erfahrungen, da diese zur Entwicklung von genaueren Bewegungsvorstellungen und zur
Verbesserung des Bewegungsgedächtnisses beitragen. Solche sensomotorischen Adaptationen
wurden im Labor untersucht. Dabei zeigte sich, dass die Folgefehler eines älteren Probanden
zwar grundsätzlich höher sind als die eines jüngeren. Aus der Studie geht hervor, dass Senioren ihre internen Modelle im selben Ausmaß, möglicherweise aber nur langsamer, verändern
können wie junge Menschen. Die Fähigkeit ist also bei Jung und Alt gleich, es wird mit zunehmendem Alter nur mehr Zeit benötigt und mehr propriozeptorisches Training erforderlich.
Schmerzeinflüsse
Der Begriff „Nozizeptive Einflüsse“ beschreibt Einwirkungen, die durch Schmerzmeldungen
auf die Propriozeption und die Bewegungssteuerung gegeben werden. Da die Nozizeption der
Propriozeption in der Wichtigkeit der Steuerung überstellt ist, spricht man auch vom nozizeptiven Blockierungseffekt. Hiermit ist gemeint, dass ein Schmerzreiz die Informationen aus
den Propriorezeptoren überlagen und abweichende Haltungen bzw. nichtphysiologische Bewegungsabläufe hervorrufen kann. Ein Beispiel für den Einfluss eines nozizeptiven Reizes
stellt das sogenannte „Give-away-Phänomen“ dar, bei dem die Überlagerung der Schmerzreize über die propriozeptiven Rückmeldungen zur Gelenkstabilisierung deutlich wird. Die oben
beschriebenen Abläufe führen dazu: „Jede von den Nozizeptoren gemeldete Störung führt zu
einer reflektorischen Veränderung des Bewegungsablaufs.“ Bei längerer Einflussnahme von
Schmerzimpulsen können sich Schutz- bzw. Schonhaltungen ausbilden, die die Körperhaltung
und somit die propriozeptive Verarbeitung bleibend verändern. Häufig führen die eingenommenen Schonhaltungen in einen Teufelskreis aus verstärktem Schmerz und vergrößerten
Schonhaltungen.
Krankheit
Der propriorezeptive Sinn fällt aus, wenn eine schwere, rein sensorische periphere Neuropathie (Polyneuropathie) die myelinisierten sensorischen Nervenfasern zerstört (nicht aber die
motorischen). Eine solche Neuropathie zerstört die Propriorezeption und den Tastsinn, nicht
aber den Schmerzsinn (Schmerz). Der Körper wird zu einem unempfindlichen "Werkzeug".
Für jede zweckgerichtete Bewegung sind eine beständige visuelle Kontrolle und ein bewusstes Planen notwendig. Dies erfordert kontinuierliche Aufmerksamkeit, Konzentration und
geistige Anstrengung; z.B. ist für das Sitzen im Sattel, eine ständige bewusste Rückkopplung
nötig, um nicht herunterzufallen. Zwar ist das Selbstmodell der proprioblinden Personen nicht
ausgelöscht, weil sie ja auf propriorezeptive Informationen aus der Vergangenheit zurückgreifen können und sich ihrer Bewegungen durch andere Sinne noch bewusst sind (auch das vestibuläre System funktioniert noch, ebenso Rezeptoren der inneren Organe usw.). Aber die
große Bedeutung des Körpersinns, dem normalerweise aufgrund seiner "Selbstverständlichkeit" kaum Beachtung geschenkt wird, zeigt sich bei seinem Ausfall doch auf eine sehr dramatische Weise.
Wie kann man Propriorezeptoren trainieren?
Im präventiven und rehabilitativen Bereich haben sich in den letzten Jahren Verfahren entwickelt, die über externe mechanische Einflussnahme eine Veränderung auf propriozeptive
Fehlsteuerungen bewirken sollen. Alle derartigen Verfahren arbeiten nach dem Prinzip von
Muskelketten, deren Muskeln eine einheitliche Reaktion auf einen externen Reiz zeigen.
Durch die Veränderung der propriozeptiven Information eines Muskels am Endpunkt der Ket-
Seite - 11 Stellungnahme zu der Behauptung, die Federung der Elastostep-Steigbügel würde die Funktion der Propriorezeptoren schleichend beeinträchtigen, weil ihnen durch die Federung diese Aufgabe abgenommen würde.
Auszug aus dem noch nicht veröffentlichen Sachbuch "Kompendium für Freizeitreiter"
Autor: Henning Guse
te soll eine Veränderung des Muskeltonus der gesamten Kette bewirkt werden. Als Reaktion
auf die Tonusänderung werden Reaktionen in Gelenkstellungen und der gesamten Körperhaltung erwartet.
Ein wichtiger Ansatzpunkt für die externe Einflussnahme auf die Propriorezeptoren sind neben dem Kiefer mit den Propriorezeptoren in der Kaumuskulatur und die Beeinflussung von
Propriorezeptoren in der Augenmuskulatur sowie die der Füße. Das richtige und ausgewogene
Zusammenspiels von Kiefer, Auge und Fußsohle ist von hoher Wichtigkeit. Über die Muskelketten lösen die anatomischen und funktionellen Veränderungen asymmetrische Anpassungsschemen aus, und im Laufe der Zeit verursachen sie multiple Beschwerden und Schmerzen,
wie z.B. Diskus- und Wirbelpathologien, die alle Menschen, obwohl auf unterschiedliche
Weise, betreffen.
Diese Muskelkettentheorie besagt, dass Ketten den einen Endpunkt in der Muskulatur unter
den Füssen haben und den zweiten in der Augen- bzw. Kiefermuskulatur. Es wird hier bewusst von zwei Endpunkten gesprochen, da die Veränderungen nicht nur in einer Richtung
ablaufen können. In diesem Punkt zeigt sich auch der Zusammenhang mit den externen Einflussfaktoren. Die Theorie besagt nunmehr, dass bei einer Veränderung des Muskeltonus in
einem Fußmuskel alle mit ihm in der Kette befindlichen Muskeln auch eine Tonusänderung
vornehmen. Über die Tonusänderung der gesamten Muskelkette sollen somit Veränderungen
in den Gelenkstellungen und der gesamten Körperstatik und Körperhaltung sowie ein positiver Einfluss auf die Schmerzen bzw. Beschwerden erreicht werden.
Propriorezeption ist sozusagen die Fähigkeit der auf die Gelenke einwirkenden Muskulatur,
sich an die richtige Stellung zu erinnern. Wenn man plötzlich umknickt, versucht sich das Gelenk zu stabilisieren, ohne dass man es mit seinem Willen lenkt. Diese Fähigkeit ist zu schulen, indem man sich beispielsweise auf einen Fuß stellt, das andere Bein anhebt und im Fußgelenk des Standbeins wackelt. Das Wackeln im Fußgelenk des Standfusses ist die Schulung
der Propriorezeption. Die Muskulatur um das Gelenk wird gekräftigt. Das Wackeln, also dieser ständige Gleichgewichtsausgleich ist erwünscht. Erschweren kann man die Übung, indem
man sich einbeinig auf einen Ball stellt.
Das Training auf unebenen und instabilen Untergründen wie Weichmatte und Schaumkissen
sowie anderen Weichböden, Trampolin, Softsteps, Wackelbretter, Rollen, Therapiekreisel
oder die Schwebebank auf Stäben etc. ist insbesondere im Bereich der Prävention und Rehabilitation weit verbreitetet. Dabei werden Verbesserungen in der komplexen motorischen
Leistung (z.B. im Bereich des Gleichgewichts) erzielt.
Die Vibrationseinwirkungen haben beträchtliche nichtlineare biochemische Funktionen.
Schlussfolgerung:
Die Behauptung Contra:
"Der Federmechanismus im Bügel führt dazu, dass die Rezeptoren [müsste genauer heißen:
Propriorezeptoren] in den großen Gelenken (Fuß-, Knie-, Hüft- und Schultergelenk) ihre
Funktionen immer mehr aufgeben, weil ihnen durch die Federung diese Aufgabe abgenommen wird." (Quelle des Zitats: Eckhard Meyners, Medizinische Sattellehre - Tanja Schulze,
Reiten und Bewegen - Bewegungstraining nach Eckhard Meyners)
ist schlicht und ergreifend falsch.
Seite - 12 Stellungnahme zu der Behauptung, die Federung der Elastostep-Steigbügel würde die Funktion der Propriorezeptoren schleichend beeinträchtigen, weil ihnen durch die Federung diese Aufgabe abgenommen würde.
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Autor: Henning Guse
Diese Behauptung, die Federung der Elastostep-Steigbügel würde die Funktion der Propriorezeptoren (langsam) einschränken, ist durch keine empirische Studie belegt. Der Federmechanismus der Elastostep-Steigbügel kann aufgrund der diesbezüglichen Erkenntnisse der
Wissenschaftsgebiete Entwicklungsneurologie, Neuropädiatrie und Sportwissenschaften sowie der an denkgesetzlich möglichen und allgemeinen Erfahrungssätzen orientierten Würdigung der Zusammenhänge überhaupt nicht die Funktion der Propriorezeptoren übernehmen.
Denn diese sind mechanische sensorische Fühler, die bestimmte Zustände erfassen und in das
Zentrale Nervensystem einspeisen, wo diese mit anderen körpereigenen Signalen verarbeitet
und zu den entsprechenden Reaktionen im Bewegungsapparat des Menschen führen, die für
die Aufrechterhaltung bzw. Wiederfinden des Gleichgewichtes nötig sind. Die Propriorezeptoren sind nur ein Teil des posturalen Systems des menschlichen Körpers, das zusammenfassend alle Systeme beinhaltet, die – unter dem Einfluss der Schwerkraft – zur Aufrechterhaltung unserer Körperhaltung im Liegen, Sitzen, Stehen, Gehen und Laufen beitragen. Dies ist
ein komplizierter und störanfälliger kybernetische Regelkreis, der sich zusammensetzt aus:



der Wahrnehmung über die Augen, das Gleichgewichtsorgan im Innenohr und die
Sensibilität der Propriorezeptoren für den informellen Input ,
der Weiterleitung und Verarbeitung dieser Wahrnehmungen über die afferenten (eingehenden) und efferenten (ausgehenden) Bahnen des Zentralen Nervensystems (ZNS)
und das Sensomotorischen Systems (SMS)
der Reaktion der Muskeln.
All diese Prozesse müssen so miteinander verknüpft sein, dass eine sinnvolle und gezielte Reaktion auf äußere Einflüsse möglich ist.
Das System der Propriorezeptoren ist also ein sogenanntes Subsystem des posturalen Systems.
Durch die Federung der Elastostep-Steigbügel wird den Propriorezeptoren keineswegs ihre
Aufgabe abgenommen. Ganz im Gegenteil. Sie werden sogar trainiert. Das zeigen die Erfolge
bestimmter physiotherapeutischer Trainingsmethoden des posturalen Systems , die die beeinträchtigte Sensorik der Propriorezeptoren durch federnde Untergründe wie Sitzbälle, Federbretter, Luft-Schwabbelkissen, Balance-Pads bzw. -Schaukel, Wippen usw. positiv beeinflussen.
Gerade bei älter werdenden und bewegungseingeschränkten sowie infolge von Verschleißerscheinungen unter Schmerzen leidenden Menschen lässt die Funktion der Propriorezeptoren
nach, so dass durch den Einsatz der gefederten Steigbügel "Elastostep" nicht nur eine
Schmerzreduktion erreicht wird, sondern ein rehabilitatives Training der Propriorezeptoren
sowie eine gewisse Kompensation der Funktionseinschränkung ermöglicht wird. Federnde
Steigbügel trainieren nicht nur diese Mechanorezeptoren, sondern das ganze posturale System, was besonders beim älter werdenden Menschen bedeutend ist. Gerade dieser Trainingseffekt ist beim Reiten wichtig, da ReiterIn dem Pferd nicht "in den Rücken fallen" und falsche
sowie kraftaufwändige grobmotorische Hilfen geben sollte, was Ausdruck einer Disharmonie
mit dem Pferd und Störung der Balance von Pferd und ReiterIn wäre. Sondern ReiterIn sollte
in Harmonie mit dem Pferd einfühlsam, geschmeidig und federnd den Bewegungen des Pfer-
Seite - 13 Stellungnahme zu der Behauptung, die Federung der Elastostep-Steigbügel würde die Funktion der Propriorezeptoren schleichend beeinträchtigen, weil ihnen durch die Federung diese Aufgabe abgenommen würde.
Auszug aus dem noch nicht veröffentlichen Sachbuch "Kompendium für Freizeitreiter"
Autor: Henning Guse
des folgen sowie sanfte Gewichts, Schenkel- und Zügelhilfen geben. Das geht aber nur, wenn
ReiterIn und Pferd sich ausbalanciert im Gleichgewicht befinden.
Der Einsatz des federnden Steigbügels Elastostep trägt also im Endeffekt, nach Eingewöhnungszeit von ReiterIn, zu feinem Reiten in Harmonie mit dem Pferd bei, unabhängig von der
Reitweise.
Fazit:
die Contra-These, die Federung der Elastostep-Steigbügel würde die Funktion der Propriorezeptoren schleichend beeinträchtigen, weil ihnen durch die Federung doese Auufgabe abgenommen würde, hat sich aufgrund einer näheren Betrachtung des posturalen Systems als unrichtige und durch nichts bewiesene Behauptung herausgestellt.
Die Behauptung Pro hat also Recht: In der Ausgabe 11 von "Cavallo", November 2015,
wird ab Seite 139 die Thematik "Bügel-Tipps" über ,mehrere Seiten abgehandelt. Die Überschrift lautet: Steigbügel gibt es heute in zig Varianten. Damit sie für einen entspannten Reitersitz sorgen, müssen überraschend viele Details stimmen". In diesem Artikel kommen auch
Expertinnen zu Wort. Die Physiotherapeutin und Sitzexpertin Frauke Behrens gibt hier Unterschiedliches zu Protokoll und schließt mit der Bemerkung: "Mein absoluter Lieblingsbügel ist
der gefederte Elastostep-Steigbügel mit breiter Trittfläche. Damit sitzt der Reiter losgelassener, was sich auf das Pferd positiv auswirkt."
Literatur:
Sensomotorisches System (SMS) Schnittstelle zwischen Mensch und Umwelt, Georg Thieme
Verlag
Entwicklungsneurologie und Neuropädiatrie, Grundlagen und diagnostische Strategien,
Thieme Verlag
Lexikon der Neurowissenschaft, Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg
Eichhorn, Th., Beschwerdebild des sog. Schleudertraumas,
Schramm, Jörn Hendrik, Technische Universität München, Lehrstuhl für Bewegungs - und
Trainingslehre "Empirische Untersuchung zur propriozeptiven Beeinflussung der Körperstatik
- eine Längsschnittuntersuchung bei 20 bis 50jährigen Frauen und Männer", Dissertation
Eckhard Most, Wolfgang Stoll, Martin Tegenthoff gewichtsstörungen
- Medical Schwindel und Gleich-
Tlatlik, Vicky, Training der Gleichgewichtsfähigkeit und Effekte auf die Propriorezeption,
Bachelorarbeit 2014
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