25 Aufreinigung O.-W. Reif, T. Scheper 25.1 25.2 25.3 25.3.1 25.3.2 25.3.3 25.4 Einleitung 430 Wo ist das Produkt? 431 Zellabtrennung 432 Sedimentation 432 Zentrifugation 432 Filtration 432 Produktaufreinigung 435 25.4.1 25.4.2 25.4.3 25.4.4 25.4.5 25.4.6 25.4.7 Fällung 435 Extraktion 436 Chromatographische Methoden 436 Membranadsorbertechnik 441 Filtration 444 Kontaminanteninaktivierung 444 Kristallisation 445 430 O.-W. Reif, T. Scheper 25.1 Einleitung Das Ziel der Aufarbeitung ist es, das Produkt schnell und effizient in einer definiert reinen Form aus der komplexen Fermentationsbrühe zu isolieren. Dazu ist eine Vielzahl von Aufarbeitungsschritten nötig, in denen das Zielprodukt aufgereinigt und Störkomponenten abgereichert werden. Die Einzelschritte sind in Abb. 25.1 zu sehen, wobei die Aufarbeitung im Allgemeinen die Schritte der Zellabtrennung, der Isolierung und schließlich der Feinreinigung des Produktes umfasst. Die Zahl der Einzelschritte macht verständlich, weshalb die Aufarbeitungskosten oftmals im Bereich von 40–60% oder bei rekombinanten Pro- teinen und monoklonalen Antikörpern im Bereich bis zu 80% der Herstellungskosten liegen. Je höher die Produktkonzentration im Prozessmedium, desto günstiger sind die Aufarbeitungskosten. Je höher die geforderte Produktreinheit ist, desto mehr Aufreinigungsschritte werden benötigt. Dabei gilt meist, dass mit zunehmender Zahl von Reinigungsschritten der Zuwachs an Reinheit pro Schritt kleiner wird (Abb. 25.2). Da mit jeder Prozessstufe ein Produktverlust verbunden ist, nimmt die Ausbeute über den gesamten Prozess mit der Anzahl der Aufreinigungsschritte ab. Abb. 25.1. Schema der Produktaufreinigung Abb. 25.2. Verhältnis der Zahl der Reinigungsschritte zum Reinigungszuwachs 25 Aufreinigung 25.2 Wo ist das Produkt? Wenn die löslichen biotechnologischen Produkte in einem Fermentationsprozess hergestellt wurden, liegt am Prozessende eine Fermentationsbrühe vor. In dieser kann das lösliche Produkt extrazellulär, also außerhalb der Zellen im reinen Medium vorliegen oder konzentriert in den Zellen. Oftmals sind die Produkte teilweise im extrazellulären Raum, teilweise im intrazellulären Raum. Liegt nur extrazelluläres Produkt vor, muss vor der Aufarbeitung eine Abtrennung der Zellen vom Produktmedium erfolgen. Ansonsten müssen die Zellen aufgeschlossen werden, um das Produkt in das Medium freizusetzen. Abb. 25.3 zeigt prinzipiell die Möglichkeiten eines Zellaufschlusses zur Produktfreisetzung. Hier wird unterschieden in physikalisch-mechanische, chemische und biochemische Methoden. Durch alle Verfahren werden Zellwände und Zellmembranen zerstört und die Produkte ins Medium ausgeschüttet. Physikalische Methoden sind sicherlich vorzuziehen, da bei den chemischen und enzymatischen Methoden weitere Additive ins Me- Abb. 25.3. Übersicht über mögliche Methoden zum Zellaufschluss dium gelangen, von denen das Produkt später abgetrennt werden muss. Die physikalisch-mechanischen Methoden sind speziell in der biotechnologischen Produktion von Bedeutung. Mit Kugelmühlen kann beispielsweise über Glas- oder Metallperlen mechanischer Stress auf die Zellen ausgeübt werden. Durch dieses Vermahlen werden die Zellen stark belastet und aufgebrochen. Prinzipiell ist es auch möglich, die Scherkräfte direkt in Lösung aufzugeben. Dies kann durch Homogenisatoren (beispielsweise French Press) oder Ultraschall geschehen. Auch hydrodynamische Methoden, die mit unterschiedlichen Drücken oder kollidierenden Hochdruckstrahlen arbeiten finden zunehmend Verwendung. Auch hier wird ein Aufbrechen der Zellen erreicht und die Inhaltsstoffe werden ins Medium freigesetzt. Nach dem Zellaufschluss muss eine Trennung der Zelltrümmer vom produkthaltigen Medium erfolgen. 431 432 O.-W. Reif, T. Scheper 25.3 Zellabtrennung Um Zellen und Zelltrümmer vom produkthaltigen Medium zu trennen, werden verschiedene Techniken eingesetzt. Hierzu gehören hauptsächlich: > > > Sedimentation Zentrifugation Filtration Diese Verfahren werden im Satz- oder im kontinuierlichen Betrieb gefahren. 25.3.1 Sedimentation Abb. 25.4. Aufbau und Wirkungsweise einer Tellerzentrifuge Zellen und Zelltrümmer haben die Eigenschaft zu aggregieren. Durch den Zusatz von Flockulationsmitteln kann dieser Prozess beschleunigt werden. Die Aggregate sinken durch die Gravitation zum Boden. Der Überstand wird zellarm oder gar zellfrei. Diese Verfahren sind kostengünstig und werden beispielsweise in der Klärwerktechnik und in den Brauereiprozessen eingesetzt. Oftmals führen sie aber nur zu einer Reduktion der Zellen im Überstand und nicht zu zellfreien Medien. Der Sedimentationsprozess kann dort eingesetzt werden, wo kostengünstig eine Zellreduktion erfolgen muss und ausreichend Zeit vorhanden ist, um die langsamen Sedimentationsprozesse ablaufen zu lassen. 25.3.2 Zentrifugation Die Zentrifugation kann ähnlich der Sedimentation beschrieben werden. Hier wird die Absetzgeschwindigkeit dadurch erhöht, da nicht die Gravitationskraft allein, sondern die Zentrifugalkraft für die Absetzgeschwindigkeit verantwortlich ist. Im Labormaßstab wird die Zentrifugation in diversen Zentrifugentypen satzweise durchgeführt. Für die kontinuierliche Zentrifugation stehen Tellerzentrifugen (Abb. 25.4) zur Verfügung. In diese wird das zellhaltige Medium einge- speist und die Trennung erfolgt in jedem einzelnen Tellerzwischenraum. Die Feststoffe sinken ab während das zellfreie bzw. zellreduzierte Medium nach oben strömt. Die stark zellhaltigen Medien können entweder an der Seite oder am oberen Ausgang abgezogen werden. Durch Flockulationszusätze kann die Effizienz gesteigert werden. Auch hier kann nicht sichergestellt werden, dass zellfreie Medien am Ausgang des Tellerseparators anfallen. 25.3.3 Filtration Um Zellen bzw. Zellbruchstücke vom produkthaltigen Medium zu trennen, werden in immer stärkerem Maße Filtrationstechniken eingesetzt. Diese haben nicht nur den Vorteil der Zellabtrennung, sondern können auf Grund ihrer Materialeigenschaften auch einen wesentlichen Beitrag zur Abreicherung von Kontaminanten wie z. B. Endotoxine, DNA usw. leisten. Hier sind im Allgemeinen Dead-End-Filtrationen als Batch-Prozess oder Crossflow-Filtrationen als dynamischer Prozess in der Verwendung (Abb. 25.5). Bei der Dead-end-Filtration wird das gesamte zu filtrierende Volumen durch das Filterhilfsmittel gepresst. Die Festbestandteile werden hier nach Ei- 25 Aufreinigung Abb. 25.5. Schematische Darstellung der Wirkungsweise von Dead-Endund Crossflow-Filtration genschaften des Filtrationsmittels zurückgehalten. Bei der Crossflow-Filtration wird das zu filtrierende Volumen (auch Trübe oder Feed genannt) tangential am Filtrationsmittel vorbeigeführt. Die Porengröße der Filtermaterialien (Abb. 25.6) bestimmt die Ausschlussgrenze. Die für die Biotechnologie wichtigsten Filtrationssysteme sind Mikrofiltration, Ultrafiltration und Nanofiltration. Die reverse Osmose wird für die Wasseraufbereitung eingesetzt. Bei der Dead-End-Filtration unterscheidet man in Tiefen- und Kuchenfiltration. In der Tiefenfiltration werden die Zellen auf der Oberfläche und in der Tiefe des Filtermediums zurückgehalten. Der Filterwiderstand nimmt in diesem Fall schlagartig beim Auftreten einer Verblockung des Filtermedium sehr stark zu. Hier werden zunehmend verschiedene adsorptive grobe Filtermedien (Schichtenfilter) verwendet, die eine nachfolgenden Klär- und Sterilfiltration schützen. Bei der Kuchen- bzw. Anschwemmfiltration sieht man, dass während der Filtration der Filterwiderstand durch die Zunahme des Filterkuchens anwächst. Um weiter hohe Durchflussraten für das Filtrat zu ermöglichen, ist es deshalb unerlässlich, einen steigenden Druckunterschied über den Fil- terkuchen anzulegen. Dies kann durch Aufgeben von Überdruck auf der Aufgabeseite oder durch Anlegen von Unterdruck auf der Filtratseite geschehen. Bei biotechnologischen Medien erweist sich die Filtration oftmals als problematisch, da die Partikel unter Druck zusammengepresst werden und oftmals schleimige gelatinöse Materialien vorhanden sind, die einen weiteren Anstieg des Druckverlusts über den Filterkuchen zur Folge haben. Die Zugabe von Filterhilfsmitteln, beispielsweise von Kieselgur ermöglicht es, die Porosität des Filterkuchens größer zu halten, um bessere Filtrationsraten zu erreichen. Dies wird aus der Abb. 25.7 deutlich. Oftmals wird der Filter selbst mit einer Schicht des Filterhilfsmittels bedeckt, bevor die Filtration beginnt. Dabei ist zu beachten, dass das Filterhilfsmittel nicht die Produkte adsorbiert und somit die Filtration ineffizient gestaltet. Zu beachten ist auch, dass der Filterkuchen dann mit dem Filterhilfsmittel belastet ist und oftmals nicht einfach entsorgt werden kann. Darüber hinaus kann es unter nicht sterilen Bedingungen bei längeren Filtrationszeiten zu Fouling-Problemen kommen. Falls Sterilfilter verwendet werden, lässt sich das Filtrat unter sterilen Bedingungen gewinnen. 433 434 O.-W. Reif, T. Scheper Abb. 25.6. Porengröße und herausgefilterte Materialien bei der Crossflow-Filtration Abb. 25.7. Einsatz von Filterhilfsmitteln in der Kuchenfiltration, um gute Filtrationsraten zu erzielen Die Filtrationsleistung eines solchen Filters kann relativ einfach beschrieben werden. Die Abb. 25.8 zeigt, dass der Filtrationskuchen als poröses zylinderförmiges System betrachtet werden kann. Durch die Poren mit einem Durchmesser r fließt das Filtrat, getrieben von einer Druckdifferenz Dp. Die Höhe des Filterkuchens ist h. Die laminare Strömung durch die Poren kann mit dem Hagen-Poiseuillschen Gesetz beschrieben werden: Dp p r V_ 8l h 4 25:1 Hier ist V_ der Volumenstrom des Filtrats und l die dynamische Viskosität des Mediums. Bei diesem Ansatz ist zu bedenken, dass die Höhe h und der Druckabfall nicht konstant sind. Der Porenradius r wird sich verringern, wenn der Filterkuchen komprimiert wird. Um die Abweichung der Poren vom Idealzustand zu beschreiben, wird der Labyrinthfaktor a ≥ 1 eingeführt. Die Länge 25 Aufreinigung Abb. 25.8. Strömung des Filtrats durch den Filter der Poren wird damit a · h und im Filterkuchen sind Z Poren insgesamt vorhanden. Die Gesamtfläche des Filterkuchens ist mit dem Porositätsfaktor e insgesamt: A e Z p r2 25:2 Somit ergibt sich mit: A Dp r2 V_ e 8l a h 25:3 Bei Einführung der Durchlässigkeitskonstanten k erhält man die D’Arcy-Filtergleichung Dp V_ A k lh 25:4 24.4 Produktaufreinigung Sobald die Fermentationsproduktlösung partikelfrei vorliegt, kann mit der eigentlichen Produktaufarbeitung begonnen werden. Hierzu gehören im Allgemeinen: > > > > > Fällung Extraktion Chromatographie Membranadsorber Filtration > > Kontaminanteninkativierung Kristallisation 25.4.1 Fällung Fällungsverfahren und Kristallisationsverfahren sind in der industriellen Chemie und Pharmazie weit verbreitet. Bei biotechnologischen Prozessen werden solche Systeme häufig für die Darstellung vonAminosäurenausdenProzesslösungenverwendet. Dazu werden im Allgemeinen die produkthaltigen Lösungen bei höheren Temperaturen eingeengt und abgekühlt. Sobald die Löslichkeit der einzelnen Produkte überschritten ist, kristallisiert das Produkt aus und eine Mutterlauge bleibt zurück. Auch für die Darstellung von Proteinen in reiner Form werden Fällungsverfahren verwendet. Über fraktionierte Fällungsmethoden können die Zielproteine auch von Verunreinigungen abgetrennt werden. Manchmal bietet sich eine Hitzedenaturierung an, um Störkomponenten von dem Zielprodukt abzutrennen. Für die Trennung von Proteinen stehen verschiedenste Techniken aus der Proteinbiochemie zur Verfügung. Beispielsweise kann durch eine Erhöhung der Salzkonzentration die Hydrathülle der Proteinmoleküle verringert werden. Die Proteine fallen so aus. Für verschiedenste Fällungsmittel wie Natrium oder Ammoniumsulfat können definierte Grenzwerte für die Fällung einzelner Proteine ermittelt werden. 435 436 O.-W. Reif, T. Scheper Die Fällung über den pH-Wert in der Proteinlösung wird seltener angewandt. Im Allgemeinen gilt, dass am isoelektrischen Punkt die geringste Löslichkeit der Proteine in polaren wässrigen Medien besteht. Organische Lösungsmittel wie Alkohole (Ethanol, Methanol, Isopropanol oder Aceton) werden bei niedrigen Temperaturen eingesetzt. Dabei wird die Konzentration des Fällungsmittels langsam erhöht bis Verunreinigungen oder das Zielprodukt ausfallen. Auch die für Mehrphasensysteme verwendeten Polymere können prinzipiell für das Ausfällen von Proteinen verwendet werden, da können sie die Proteinlöslichkeit beeinflussen. 25.4.2 Extraktion Flüssigphasen-Extraktionssysteme werden in verschiedenen Bereichen der Biotechnologie eingesetzt. Hier wird das Verteilungsgleichgewicht zwischen einzelnen, nicht mischbaren Phasen (wässrig-organisch, wässrig-wässrig) ausgenutzt. Penicillin wird über Extraktionsprozesse aus der wässrigen Fermentationsbrühe in Butylacetat, Amylacetat oder Methylethylacetat unter Zusatz von verschiedenen oberflächenaktiven Substanzen extrahiert. Auch die Darstellung von Steroiden, die Aufarbeitung von Vitaminen und die Isolierung von Alkaloiden werden mit Flüssigextraktionssystemen durchgeführt. In Laborversuchen kann mit Schütteltrichtern das Verteilungsgleichgewicht bestimmt werden. Dazu werden die beiden Phasen miteinander vermischt. Nach erfolgter Entmischung kann in der Extrakt- und Raffinatphase die Konzentration des zu extrahierenden Stoffes bestimmt werden. Das Nernst’sche-Verteilungsgesetz beschreibt die Verteilung. Für eine effiziente Extraktion ist ein mehrfacher Kontakt zwischen Extrakt- und Raffinatphase nötig. Hier werden normalerweise Gegenstromsysteme verwendet. Mit Mixer-SettlerSystemen, Gegenstromkolonnen und Extraktionszentrifugen wird das Lösungsmittel und das zu trennende Gemisch im Gegenstrom gefahren. So lassen sich kontinuierlich die Extrakte bzw. Raffinatphase erhalten. Organische Lösungsmittel werden hauptsächlich zur Extraktion niedermolekularer Komponenten wie Antibiotika und Vitamine verwendet. Für die Aufreinigung von Proteinen sind organische Phasen nicht geeignet. Für diesen Zweck wurden mischbare wässrige 2-Phasensysteme entwickelt. Für biotechnologische Aufgabenstellungen sind wässrige Mehrphasensysteme von Interesse, die aus geeigneten Polymerphasen (beispielsweise Dextranphase und Polyethylenglycolphase) bestehen aus einer Polymerphase (Polyethylenglycol) und einer Hochsalzphase (beispielsweise Phosphat). Die daraus resultierenden 2-Phasensysteme enthalten zwischen 80 und 95% Wasser. Proteine verteilen sich in diesen Phasen unterschiedlich je nach ihren Eigenschaften. Es ist durchaus möglich, auch Zelltrümmer von den Proteinen über diese Extraktionstechniken zu trennen. Besonders häufig werden solche Extraktionssysteme zur Darstellung von industriellen Enzymen verwendet. In einem einfachen Schritt können die Enzyme von den Zelltrümmern entfernt und später kristallisiert oder ausgefällt werden. 25.4.3 Chromatographische Methoden Die Chromatographie ist eine Trennmethode, mit der Gemische aufzutrennen oder einzelne Produkte zu isolieren sind. Sie ist in der Biotechnologie sicher die am weitesten verbreitete Methode, Chromatographiesysteme lassen sich auf einzelne Reinigungsprobleme gut anpassen. Im Allgemeinen werden die aus der Adsorption bekannten Effekte verwendet, um Chromatographieprozesse zu beschreiben. Die verschiedenen Inhaltsstoffe eines Gemisches weisen ein unterschiedliches Adsorptionsverhalten an der festen Phase auf, so dass es zu einer Aufteilung der Inhaltsstoffe zwischen dem kontinuierlich fließenden Medium und der Oberfläche des Trenngels kommt. Dieser Effekt ist exemplarisch in Abb. 25.9 dargestellt. Die mit dreieckigen Symbolen dargestellten In- 25 Aufreinigung Adsorptionschromatographie Polare Adsorbentien wie Silicate, Aluminiumoxide, Hydroxyapatite oder synthetische Polymere werden hier verwendet. Die Affinität der Inhaltsstoffe des aufzutrennenden Gemisches hängt stark von den Polaritätsunterschieden der festen Phase und der mobilen wässrigen Phase ab. Über die Einstellung der Polarität und ganz allgemein der Solvenzeigenschaften der mobilen Phase kann die Auftrennung optimiert werden. Substanzen mit einer geringen Affinität zur Festphase werden eher am Ausgang der Aufarbeitungssäule erscheinen als die Substanzen, die eine hohe Affinität haben. Während des chromatographischen Prozesses können auch die Solvenzeigenschaften der mobilen Phase auch verändert werden. Verschiedenste Gradienten lassen sich einstellen, um eine optimale Trennung in kurzen Zeiträumen zu erreichen. Verteilungschromatographie Abb. 25.9. Schematische Darstellung der Chromatographie. Nähere Erläuterungen im Text haltsstoffe haben eine hohe Affinität zum Trennmaterial und bewegen sich deshalb nur langsam mit dem Medium voran. Die kugelförmig dargestellten Inhaltsstoffe weisen nur eine niedrige Affinität zum Trenngel auf und erscheinen deshalb zuerst am Ausgang der Trennsäule. Im Folgenden sollen einige Chromatographieverfahren exemplarisch vorgestellt werden: > > > > > Adsorptionschromatographie Verteilungschromatographie Ionenaustauschchromatographie Gelchromatographie Affinitätschromatographie. Hier wird die unterschiedliche Verteilung von Substanzen in zwei flüssigen Phasen für die Auftrennung ausgenutzt. Eine der flüssigen Phasen befindet sich fixiert auf der festen Phase und ist dadurch im Prozess immobil. Eine hydrophile stationäre Phase hält eine wässrige Phase fest. Als mobile Phase wird dann eine organische Phase eingesetzt. Die Auftrennung bei der Verteilungschromatographie ist vom Verteilungskoeffizienten abhängig. Er beschreibt das Verteilungsgleichgewicht der zu trennenden Komponenten zwischen der stationären Phase und der mobilen Phase. Da sich für eine optimale Trennung in jedem Bereich der Chromatographiesäule ein Gleichgewicht einstellen muss, erfolgt die Auftrennung langsam. Die Temperatur spielt eine wichtige Rolle und auch hier können Gradientensysteme in der mobilen Phase eingesetzt werden, um die Auftrennung abzukürzen. Bei der oftmals verwendeten „Reversed-Phase-Chromatographie“ wird auf einem hydrophoben Trägermaterial eine stationäre organische Phase aufgebracht und ein wässriges System 437 438 O.-W. Reif, T. Scheper als mobile Phase verwendet. Als hydrophobe Phase werden Kohlenwasserstoffketten mit einer Länge von 8–18 Kohlenstoffatome verwendet, die auf den Trägermaterialien fixiert sind. Ähnlich funktioniert die Hydrophobic-Interaction-Chromatography, bei der eine Hochsalzphase eine Bindung von Proteinen an schwach hydrophoben Liganden der stationären Phase fördert, während die Elution durch einen Wechsel in eine Niedersalzphase hervorgerufen wird. Diese ChromatographieTechnologie wird zunehmend im direkten Anschluss an eine Ionenaustauschchromatographie eingesetzt. Ionenaustauschchromatographie Hier basiert der Trenneffekt auf elektrostatischen Wechselwirkungen. Die meisten Ionenaustauscherharze basieren auf synthetischen Polymeren oder es handelt sich um modifizierte Dextrane und Cellulosematerialien. Auf diesen sind Anionen- oder Kationenaustauschergruppen fixiert. Anionentauscher tragen kationische Gruppen wie quartäre oder tertiäre Amine, während Kationenaustauscherharze anionischen Gruppen wie Sulfonsäuregruppen bzw. Carboxygruppen tragen. An diese binden die einzelnen geladene Inhaltsstoffe der aufzutrennenden Gemische. Sobald alle Austauschergruppen beladen sind, ist die Kapazität des Materials erschöpft. Eine Elution erfolgt über eine Änderung des pH-Wertes oder der Ionenstärke der flüssigen Phase. Besonderes zur Trennung von Proteinen werden Ionenaustau- scherharze verwendet, da sich die Ladung der Proteine über den pH-Wert einfach einstellen lässt. Gelchromatographie Hier wandern Moleküle durch eine Säule, die mit einem porösen Material gefüllt ist. Die Trennung erfolgt auf Grund eines Siebeffektes. Für die Gelchromatographie werden verschiedene Arten von Materialien verwendet: Quervernetzte Dextrane, Agarosematerialien, Acrylamide, und Polysterole. Wie aus Abb. 25.10 zu erkennen, beruht der Trenneffekt darauf, dass Partikel nach ihrer Größe in die definierten Poren der festen Phasen diffundieren können. Dadurch ergeben sich verschiedene Aufenthaltszeiten im System. Große Moleküle, die gar nicht oder nur wenig in die Hohlräume eindringen können, wandern in der mobilen Phase schneller durch das System als kleine Substanzen, die eine höhere Aufenthaltswahrscheinlichkeit und Aufenthaltszeit in den Hohlräumen des Gelmaterials haben. Die Trennung erfolgt also nach Größe der Substanzen in einer wässrigen Phase. Die Abb. 25.11 zeigt den Gesamtvorgang schematisch. Affinitätschromatographie Hier werden auf den Chromatographiematerialien hoch spezifische und hoch selektive Bindungsgruppen angebracht, die mit der in der Lösung befindlichen aufzutrennenden Substanz spezifische Bindungen eingehen. Als Liganden kom- Abb. 25.10. Partikeltrennung mit der Methode der Gelchromatographie 25 Aufreinigung Abb. 25.11. Verhältnis von Größe und Aufenthaltszeiten der Partikel IM Trennmedium der Gelchromatographie men beispielsweise Antikörper, Protein A (zur Auftrennung von Antikörpern), Concanavalin A (zur Auftrennung von glykosylierten Proteinen), Biotin (zur Auftrennung von Streptavidin oder Streptavidin getagten Proteinen), RNA- oder DNA-Aptamere (zur Aufreinigung von Plasmiden oder Proteinen), Farbliganden für verschiedene Zellmoleküle (z. B. Cibacron Blue für Albumin) oder Metallgelate von Cu2+ und Ni2+ (zur Aufreinigung von His-getagten Proteinen) zum Einsatz. Auch hier beladen die aufzutrennenden Substanzen die Liganden bis zur maximalen Kapazität, um anschließend über eine gezielte Elution (pH-, Ionenstärke, Pufferzusammensetzung oder Additive) aufgereinigt zu werden. Bei der Herstellung der Affinitätsmaterialien ist darauf zu achten, dass die Liganden so an die feste Phase gebunden werden, dass die selektiven Bindungseinheiten ohne Einschränkung einer sterischen Hinderung für die Bindung zur Verfügung stehen. Hier muss insbesondere die Matrix und die Koppelungsreaktion zwischen Matrix und Ligandentsprechend beachtet werden. Die Elution muss so verlaufen, dass nach einer Equilibrierung das Material für eine erneute Bindung verwendet werden kann, die Bindung also reversibel ist. Mit Affinitätsmaterialien können höchste Reinheitsgrade erzielt werden. Die Materialien sind meist durch die Verwendung der oftmals schwer zugänglichen Liganden teuer. Chromatographieverfahren Normalerweise werden chromatographische Prozesse in Säulenreaktoren durchgeführt. Hier muss das Chromatographiematerial in einer kanalfreien Schüttung gleichmäßig in der Säule gepackt sein. In einen kontinuierlichen Flüssigkeitsstrom wird die aufzuarbeitende Probe aufgegeben. Dabei ist es wichtig, dass die Verteilung der Probe auf das Festbett gleichmäßig erfolgt. Dies ist speziell in Säulen mit großen Durchmessern schwierig. Nur wenn die Probe gleichmäßig über den Querschnitt aufgetragen ist, kann eine opti- 439 440 O.-W. Reif, T. Scheper male Auftrennung erreicht werden. Bei Scale-up von Chromatographieprozessen wird nicht die Länge der Säule sondern der Querschnitt vergrößert, da ansonsten die Verweilzeit im Chromatographiebett verändert und zudem erhebliche Druckverluste über ein tieferes Chromatographiebett auftreten würden. Als Schlüsselparameter wird grundsätzlich die Strömungsgeschwindigkeit im Bett (cm/h) konstant gehalten. Dies bedeutet, dass das gleichmäßige Auftragen der Probe noch schwieriger wird und durch komplexe Strömungsverteiler auf der Oberflache gewährleistet werden muss. Zudem wird das reproduzierbare Packen einer Säule mit zunehmender Oberfläche schwierig und birgt die Gefahren von Inhomogenitäten im Säulenbett. Das Upscaling eines Chromatographieprozesses vom Labor in den Produktionsbereich ist technisch aufwendig. Simulated-Moving-Bed-Chromatographie In den letzten Jahren hat sich eine interessante Methode für die Aufarbeitung biotechnologischer Medien etabliert. Hier ist nicht nur die Trägerflüssigkeit, sondern auch das Chromatographiematerial in Bewegung. Das Prinzip dieser Technik sei in der Abb. 25.12 verdeutlicht. Dabei muss bedacht werden, dass in einem 2-Komponentengemisch die beiden Einzelkomponenten unterschiedliche Affinität zur stationären Phase haben, d. h. sie würden in einem Festbett unterschiedlich schnell (vA, vB) wandern, und am Ausgang der Säule zu verschiedenen Zeiten ankommen. In Abb. 25.12 sind diese beiden Komponenten als Schildkröte und Hase dargestellt, die mit dem Feedstrom auf ein Laufband fallen. Das Laufband verdeutlicht die Bewegung des Chromato- Abb. 25.12. Schildkröte und Hase als Sinnbilder unterschiedlicher Geschwindigkeiten der Komponenten eines aufzutrennenden Gemischs im Feed-Strom 25 Aufreinigung graphiematerials mit der Geschwindigkeit vl. Solange die Geschwindigkeit der Schildkröte vA kleiner als vL ist, wird sie sich mit der Zeit nach links bewegen (auch wenn sie nach rechts läuft) und die Geschwindigkeit des Hasen mit vB größer als vl eine effektive Bewegung nach rechts bewirkt. Nach einer gewissen Zeit wird die Schildkröte links vom Förderband, der Hase rechts vom Förderband herabfallen. Eine Auftrennung des Gemisches in zwei reine Fraktionen ist damit gewährleistet. Das ist im unteren Teil der Abb. 25.12 noch einmal dargestellt. Kontinuierlich wird im Feed das 2-Komponentengemisch A, B zugegeben, wenn in den Entnahmestellen A bzw. B in reiner Form abgenommen hat. Die Entnahmepunkte hängen vom Verhältnis der einzelnen Geschwindigkeiten zueinander ab. Bemerkenswert ist, dass eine kontinuierliche Auftrennung in die reinen Substanzen auch dann möglich ist, wenn die Laufgeschwindigkeiten nur wenig differieren. Der Nachteil dieser Technik ist, dass nur zwei Komponentensysteme aufgetrennt werden können. Die technische Realisierung eines solchen Systems, in dem sowohl die Trägerflüssigkeit a und im Gegenstrom das Chromatographiematerial im Gegenstrom geführt werden, ist extrem schwierig. Verschiedene Verfahrensvorschläge sind gemacht worden, nur eine soll hier kurz vorgestellt werden. Bei der Simulated-Moving-Bed-(SME-)Technik verwendet man eine feste Chromatographiesäule, die in einzelne Abschnitte unterteilt ist. Diese Abschnitte sind in Abb. 25.13 zu sehen. Jeder Abschnitt hat einen Zu- und Ablauf. An verschiedenen Stellen werden der Trägerstrom und die Feedlösung zugegeben bzw. die Komponenten A und B entnommen. Zusätzlich durchströmt das System der Gesamtträgerstrom wie angegeben. Nacheinander wandern die Zu- und Entnahmepunkte in gleicher Richtung wie der Gesamtträgerstrom, so dass sich eine scheinbare Bewegung des Chromatographiematerials in Gegenrichtung ergibt. Dies ist in der Abb. 25.13 in vier Abschnitten verdeutlicht. Man erkennt, dass die Entnahmepunkte die Auftrennung des Systems von links nach rechts durch das System wandern, was einer effektiven Bewegung des Chromatographiematerials entgegen dem Flüssigkeitsstrom entspricht. Dieser Aufbau ist technisch zu realisieren, auch wenn eine feine Abstimmung der Zu- und Entnahmepunkte nötig ist. 15.4.4 Membranadsorbertechnik Eine weitere Aufarbeitungstechnik speziell für die Aufarbeitung von Proteinen, die in den letzten Jahren entwickelt wurde, ist die Membranadsorbertechnik. Hier werden nicht poröse Materialien sondern Mikrofiltrationsmembranen für die Auftrennung verwendet. Auf der Oberfläche der Membranporen befinden sich die Austauschergruppen, an die einzelne Komponenten der aufzutrennende Medien binden können (Abb. 25.14). Durch die Vielzahl von Poren in der Filtrationsmembran stehen hohe Kapazitäten zur Verfügung. Vorteilhaft ist, dass das gesamte aufzutrennende Volumen die Poren passieren muss und so im Gegensatz zu den Chromatographiematerialien ein konvektiver Transport der aufzutrennenden Komponenten zu den Austauschergruppen erfolgt. In den Chromatographiematerialien erfolgt der Stofftransport zu den Austauschergruppen durch Diffusion und ist damit langsamer. Zudem erlaubt die Membranchromatographie die Trennung auch von großen Molekülen, wie Viren, DNA usw., da die Porengröße der Membran im Gegensatz zu den meisten Medien kein Größenausschlusskriterium bietet. Prinzipiell können in die Membranen alle Arten von Austauschergruppen (schwache, starke Kationen, Anionenaustauscher und Affinitätsgruppen (Antikörper, Lectine etc.) aufgebracht werden. Erst wenn alle Bindungsplätze besetzt sind, erfolgt der Durchbruch und die aufzureinigende Komponente befindet sich zu 100% im Durchfluss. Die Abb. 25.15 zeigt eine solche Durchbruchkurve. Hier korreliert die Zeit mit der durchgesetzten Feedmenge. Dabei wird die Zielkomponente im Ausgang des Aufarbeitungsmoduls gemessen. Sobald die Konzentration im Durchfluss eine bestimmte Konzentration über- 441 442 O.-W. Reif, T. Scheper Abb. 25.13. Chromatographiesäule in der Simulated-Moving-Bed-Technik 25 Aufreinigung Abb. 25.14. Wirkungsweise der Membranadsorbertechnik. Näheres im Haupttext Abb. 25.15. Verlauf der Durchbruchkurve in einem Membranadsorbersystem schreitet, ist der Durchbruch erfolgt, d. h. die Kapazität des Systems ist erschöpft. Die Kapazität eines solchen Membranadsorbersystem kann – wie in Abb. 25.14 gezeigt – durch ein Übereinanderstapeln oder auf Rollen von Membranen erfolgen. Ein Scale-up dieser Systeme vom Labormaß- stab in einen Produktionsmaßstab ist relativ einfach, verglichen mit Chromatographiesystemen, da nur die Filtrationsfläche vergrößert werden muss. Für detailliertere Informationen über diese Systeme sei auf die relevante Literatur verwiesen. 443 444 O.-W. Reif, T. Scheper 25.4.5 Filtration In der Aufreinigung von biotechnologischen Produkten werden mit der Ultra- und der Sterilfiltration zwei membranbasierte Methoden generell genutzt. Die Ultrafiltration (UF) ist wie bereits geschildert ein dynamisches Filtrationsverfahren, bei dem die trennende Membran überströmt wird. Die UF wird überwiegend bei dem Pufferaustausch (Diafiltration nach Elution von Chromatographiesäulen) oder Aufkonzentrierung des Produktes genutzt. Die Sterilfiltration wird generell als letzter Filtration vor der Abfüllung des zu sterilisierenden Produktes durchgeführt und ist eine klassische Dead-End-Filtration. Verschiedenste andere Membransysteme wie Pervaporationssysteme und Elektrodialyse sollen hier nicht weiter behandelt werden. Einige Einsatzgebiete solcher Membrantrennverfahren bei biotechnologischen Prozessen sind in Abb. 25.16 gezeigt. 25.4.6 Kontaminanteninaktivierung Ein wesentlicher Punkt in dem Aufarbeitungsprozess ist neben dem zuvor geschilderten Aufreinigen des Produktes, beziehungsweise dem Entfernen von Kontaminanten auch die chemischphysikalische Inaktivierung derselben. Dies ist insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Virus- Abb. 25.16. Übersicht über die Einsatzgebiete von Membrantrennverfahren bei biotechnologischen Prozessen 25 Aufreinigung sicherheit biotechnologischer Produkte relevant. Neben der chromatographischen und filtrativen Abtrennung von Viren ist die pH- und Lösungsmittelbasierte Inaktivierung von Viren ein Standardschritt in der modernen Biotechnologie. Hierfür wird das Produkt über einen definierten Zeitraum dem Lösungsmittel (Ethanol, etc.) oder einem extremen pH (z. B. pH 2-3 bei der Antikörperaufreinigung) ausgesetzt. Entscheidend ist hierbei die Stabilität des Produktes, sowie die Inaktivierungsrate des Virus. Andere physikalische Methoden sind thermische oder UV und Ultraschallbasierte Systeme. Auch hierbei ist der entscheidende Faktor bei der Auswahl der Methoden die Produkttoleranz sowie die Inaktivierungseffienzienz gegenüber Viren. 25.4.7 Kristallisation Eine neuere Methode zur Aufreinigung von biotechnologischen Produkten ist die Kristallisation. Hierbei wird das Produkt durch eine gezielte temperatur- oder druckgesteuerte Evaporation des Lösungsmittels in Reinform kristalliert und von nicht-kristallierenden Verunreinigungen physikalisch abgetrennt. Diese Verfahren werden zunehmend bei kleinen Molekülen, wie z. B. Vitaminen eingesetzt und auch für komplexere Systeme wie Antikörper erprobt. 445