W u n d f i b e l für chronische sekundär heilende Wunden Prof. Dr. med. Günter Hünefeld Arzt für Chirurgie und Visceralchirurgie, Chefarzt der Visceralchirurgie Sankt Marien-Hospital Buer gGmbH Mühlenstraße 5–9 45894 Gelsenkirchen Roman Rogulenko, Arzt für Chirurgie Oberarzt in der Visceralchirurgie Leiter der Wundsprechstunde Wundbehandlungsstandard für chronische sekundär heilende Wunden Stand Januar 2004 ___________________________________________________________________ Inhaltsverzeichnis 1. Die Wunde - Definition - Phasen der Wundheilung - Wundtypen 2. Vorgehensweise beim Verbandswechsel 3. Diagnostik und Therapie bei chronischen Wunden - Diagnostik seltene Ursachen Therapie Wundauflagen Gaze (Kompressen) Aquafaserverbände Alginate Schäume Aktivkohle Hydrokolloide Hydrogele Silikonwundauflage • Vakuumversiegelung • Hyaluronsäure • Wundspülungen 4. Wundverbände 5. Grundsätzliches 6. “best practice“ (feucht / trocken) 2 Wundbehandlungsstandard für chronische sekundär heilende Wunden Stand Januar 2004 3 ___________________________________________________________________ 1. Die Wunde - Definition: Wunde: Ist eine mehr oder weniger klaffende Gewebsdurchtrennung der äußeren Haut, des Subcutan- und Weichteilgewebes mit und ohne Substanzverlust. Wundheilung: Umfasst alle regenerativen Vorgänge zum Verschluss einer Wunde. An diesem Prozess sind eine Vielzahl von Faktoren beteiligt. Die Wundheilung läuft in Phasen ab. Primäre Wundheilung: Die Wundränder legen sich aneinander und vernarben zu neugebildetem Gewebe. Sekundäre Wundheilung: Es besteht ein klaffender Wund- oder Gewebedefekt. Der Defekt Chronische Wunde: Wunde die nach 4 Wochen keine Heilungstendenz zeigt. muss durch Granulationsgewebe ausgefüllt, von den Rändern her epithelisiert werden und vernarben. Der Wundgrund ist häufig bakteriell besiedelt. - Phasen der Wundheilung: (Die Wundheilungsphasen gehen ineinander über und können regional nebeneinander bestehen). 1. Phase - Exsudations- oder Entzündungsphase Es wird ein eiweißreiches Wundexsudat mit Fibrin und Granulozyten gebildet, oberflächliche Keimbesiedlung ist möglich. 2. Phase - Resorptionsphase (kann bei guter Durchblutung fehlen) Nekrosen werden resorbiert oder abgestoßen, können aber auch die weitere Wundheilung behindern. 3. Phase: - Proliferations- oder Granulationsphase Zellen des Wundgrundes führen über die Rekapillarisierung und Kollagenfaserbildung zur Auffüllung des Wunddefektes. Gleichzeitig fördern resorptive Vorgänge die Wundheilung. 4. Phase: - Reparationsphase Epithelisierung des Wunddefektes von den Wundrändern her, Bildung einer Narbe durch Kollagenfaserreifung, Kontraktionen der Wundränder führen zu einer Verkleinerung und zum Verschluß der Wunde. Wundbehandlungsstandard für chronische sekundär heilende Wunden Stand Januar 2004 ___________________________________________________________________ Woran erkennt man die Phasen der Wundheilung? (Die Phasen können unterschiedlich lange dauern und die Phase 2 kann fehlen, dies ist besonders abhängig von der Gewebsdurchblutung und der Gesamtsituation des Organismus. Phase Phase Phase Phase 1: 2: 3: 4: Sekretion, event. Entzündungszeichen nekrotische Beläge, Resorption dunkelrotes Granulationsgewebe, Blutungsneigung glänzende Oberfläche im Randbereich Problem der schlecht und verzögert heilenden Wunde a. schlechte arterielle Blutversorgung – Störung der Durchblutung, z. B. Diabetes mellitus, Arteriosklerose, Druck (Schuhe, Binden, Strümpfe) b. gestörter venöser Blutabfluss, z. B. postthrombotisches Syndrom, Perforansveneninsuffizienz, Status Varikosis c. ungünstige lokale Faktoren – Störung des Wundmilieus, z. B. Gewebsnekrosen, Keiminfiltration, “Taschenbildung“ der Wunde d. “Gewebsunruhe“ (mobiler Patient) - Wundtypen: Berücksichtigt werden soll der Wundzustand und die Phase sowie der Fortgang der Wundheilung: - Farbe der Wunde Infektion Exsudatmenge Tiefe der Wunde Wundumgebung (Hautirritation, Gewebsschwellung) Farbe der Wunde Schwarz = Nekrose Gelb = Fibrin Rot = Granulationsgewebe schwarze Wunde: gelbe Wunde: Bei einer schwarzen Wunde ohne Infektzeichen, ohne Fluktuation und oberflächlicher Ausprägung ist bei sehr oberflächlichem Befund eine Resorption möglich. Falls bei ausgeprägten und dicken Nekrosen keine Aussicht auf Abheilung besteht, erfolgt ein chirurgisches Debridement. Das Exsudat der Gewebsflüssigkeit (Fibrin und toxische Entzündungsprodukte sowie Bakterien) muss entfernt (absorbiert, abgesaugt) werden, um eine weitere Wundheilung zu ermöglichen. Eine trockene Wunde muss feucht gehalten werden um Nekrotisierungen zu vermeiden. feuchtigkeitsaufnehmende bzw. -haltende Verbände: - Aquafaser-Verbände - Silikonwundauflage mit Kompressen - Hydrogel bei trockener Wunde - Polyurethan-Schaumverband 4 Wundbehandlungsstandard für chronische sekundär heilende Wunden Stand Januar 2004 ___________________________________________________________________ rote Wunde: Die druckempfindlichen frischen Granulationen müssen feucht gehalten werden, eine mechanische Irritation besonders beim Verbandswechsel soll vermieden werden. - Aquafaser-Verbände - Abdeckung mit Silikonwundauflage - Gaze, Alginat (bei tiefer Wunde) - Polyurethan-Schaumverband Infektion: (Rötung, Schwellung u. Überwärmung) Entscheidend ist hier die Beurteilung der Haut und der Weichteile der Wundumgebung aber auch des Wundgrundes. - lokalchirurgische Sanierung - eventuell systemische Antibiose - Immobilisation Exsudatmenge: Eine überschüssige Exsudatmenge muss gebunden bzw. absorbiert oder abgesaugt werden, ist die Wundsituation zu trocken, muss ein Verband gewählt werden der Feuchtigkeit abgeben kann. - Aquafaser-Verbände, NaCl-Kompresse, (eventuell bei flächigen Wunden mit leichter Blutungsneigung Silikonwundauflage) - eventuell Vakuumsaugung Tiefe der Wunde: - Wundfüller verwenden (AquafaserVerbände, feuchte Kompressen, Vakuumversiegelung) Wundumgebung: Hautirritation durch Feuchtigkeit der Umgebung unbedingt vermeiden durch: - häufige Verbandswechsel - Trockenhalten der Umgebung (z. B. Cavilon-Stäbchen) - das Verbandsmaterial darf die Wundränder nicht überragen 2. Vorgehensweise beim Verbandswechsel bei chronischen sekundär heilenden Wunden Die Planung der Maßnahmen soll zielorientiert und individuell auf den Patienten und die Wunde ausgerichtet erfolgen. Ziele: - Vermeidung einer Fremd- bzw. Neubesiedlung der Wunde Vermeidung einer Keimverschleppung auf andere Patienten Inspektion und geeignete Versorgung der Wunde Schutz der Wunde durch geeignete Abdeckung Dokumentation zu beachten: - bei großflächigen Wunden evtl. Schutzkittel tragen - während der Wundversorgung Aktivitäten wie Reinigungsarbeiten unterlassen, Zugluft vermeiden - Der Verbandswechsel sollte möglichst von zwei Personen durchgeführt werden. - Hände desinfizieren 5 Wundbehandlungsstandard für chronische sekundär heilende Wunden Stand Januar 2004 6 ___________________________________________________________________ Vorbereitung: - evtl. Schmerzmedikation Handschuhe evtl. sterile Schere evtl. sterile Pinzette ausgewähltes Verbandsmaterial Unterlage Abwurf ggf. Schutzkleidung Durchführung: - Unterlage ausbreiten Handschuhe anziehen alten Verband entfernen ggf. Wundabstrich vornehmen wenn erforderlich, Wunde spülen, Wunde reinigen ausgewählten Wundverband aufbringen Verband, wenn nötig, fixieren Patient lagern und zudecken Nachbereitung: - Material entsorgen - Abwurfbeutel reinigen - Hände desinfizieren 3. Diagnostik und Therapie bei chronischen Wunden • Diagnostik Merke: Therapie einer chronischen Wunde muss immer mit der Therapie der Grunderkrankung verbunden sein. ggf. Gefäßdiagnostik: arteriell: (angiologische bzw. gefäßchirurgische Beurteilung der Durchblutungssituation bei peripheren Ulcerationen) ggf. Histologie: - ggf. Mikrobiologie: - ggf. Röntgen: - venös: Fußpulse (A. dorsalis pedis, A. tibialis posterior, A. femoralis) Doppler transcutane Sauerstoffmessung Duplexsonographie Angiographie Duplexsonographie Venenfunktionstest (Verschlussplethysmographie) Phlebographie Ulkusrandbiopsie zum Ausschluss einer Vaskulitis, eines Malignoms Unterscheidung Kolonisation/Infektion: Infektzeichen (Rötung, Schwellung, Schmerzen, Temperatur, Leukozytose) Unterscheidung lokaler, regionaler, systemischer Infekt Bakterien/Pilze initialer Abstrich zum Nachweis multiresistenter Keime Antibiose falls erforderlich Ausschluss Osteomyelitis Wundbehandlungsstandard für chronische sekundär heilende Wunden Stand Januar 2004 7 ___________________________________________________________________ • seltene Ursachen: atypische Lokalisation und/oder Krankheitsdauer mehr als 1 Jahr immunologisch: - Vasculitis allergica - Periarteriitis nodosa - Crest-Syndorm infectiös: - Leishmaniose - Lupus - Herpes neoplastisch: • - Hautmetastasen - Basalzellkazinom - Spindellzellkarzinom Therapie Die Behandlung der Wunde sollte immer stadiengerecht vorgenommen werden: Debridement, Absorption des Exsudats, Förderung der Granulation, Förderung der Epithelisierung, Rezidivprophylaxe. ggf. lokalchirurgische Maßnahmen: Das Debridement erfolgt so ausgedehnt und intensiv wie nötig und gleichzeitig so schonend wie möglich. - Umwandlung einer chronischen Wunde in eine frische Wunde - Entfernung von Nekrosen, Hyperkeratosen (Hyperkeratosen der gesunden Haut in der Wundumgebung können mit Olivenöl gelöst werden) ggf. unterstützende Maßnahmen: - Immobilisation für 2-3 Tage Entlastung bis 4 Wochen nach Epitheliasierung Entlastung mit Vorfuß-, Fersenentlastungsschuh, Orthese anschließend orthopädischer Schuh Lagerungsmaßnahmen, eventuell Spezialbett Prinzip der feuchten Wundbehandlung Das Prinzip der feuchten Wundbehandlung nach chirurgischer Reinigung ist seit mehr als 100 Jahren bekannt. Es wurden eine Vielzahl von Wundauflagen entwickelt, die auf diesem Prinzip basieren. Bei uns werden lediglich Gaze, Aquafaser-Verbände, Alginate, Silikonwundauflagen, Hydrocolloide und Hydrogele und die Vakuumversiegelung angewandt. Antiseptika kommen nur bei bakteriell besiedelten Wunden zum Einsatz. Lokale Antibiotika und enzymatische Debridementsalben kommen prinzipiell nicht zum Einsatz. Bei verzögerter Wundheilung wird Hyaluronsäure benutzt. Zum Anfeuchten der Gaze und zum Spülen der Wunde wird Ringerlösung verwendet. Wundbehandlungsstandard für chronische sekundär heilende Wunden Stand Januar 2004 8 ___________________________________________________________________ Prinzip der Druckentlastung - Lagern des Patienten bei fehlender Mobilität leichtes Hochlagern der Beine bei peripheren Ulcerationen Vermeiden von Kompressionsbinden und -strümpfen bei liegenden Patienten Vermeiden von Orthostase bei peripheren Ulcerationen beim Laufen gleichmäßige, geringe Kompression bei peripheren Ulcera Zusammenfassend hat sich das Konzept der feuchten Wundbehandlung mit Absorption des überschüssigen Exsudates und Förderung der Granulation als richtig erwiesen. Es gibt eine Vielfalt von Wundauflagen, die grundsätzlich alle für sich beanspruchen, das Prinzip der feuchten Wundbehandlung adäquat umzusetzen. Größere Vergleichsstudien fehlen, die Preisunterschiede sind erheblich, so dass ökonomische Überlegungen bei der Therapieentscheidung mit einfließen sollten (Effektivität der Maßnahmen, Kosten des Materials, Intervall der Verbandswechsel, Pflegeaufwand, Hygiene). In der eigenen Erfahrung hat sich die Kombination einer feuchtigkeitsdurchlässigen und nicht wundhaftenden Grundlage (Silikonwundauflage, z. B. Mepitel®) mit einem Hydrofaserverband (Aquafaser-Verband, z. B. Textus bioaktiv®) in der Behandlung der sekundär heilenden Wunden als effektiv heraus gestellt. Problematisch sind am Wundrand haftende Wundauflagen, da bei ausgeprägter Exsudation der Wunde die zunehmende Spannung auf die Wundumgebung zu einer sekundären Schädigung der Haut führen kann. Der Einsatz von granulationsfördernden Mitteln, wie z.B. Hyaluronsäure, ist bei sauberen Granulationen für einige Tage als “Startermittel“ der Granulationsbildung sinnvoll. Bei sehr tiefen Wunden, insbesondere im Bereich des Sacrums, hat sich die VakuumSaugbehandlung bewährt, bei der Schaumstoff in die Wunde platziert wird und durch eine luftdichte Abgrenzung nach außen ein gleichmäßiger Sog durch ein Unterdrucksystem durchgeführt werden kann. Hierbei wird das Wundexsudat ausgeleitet, dadurch kann die Granulation gefördert werden. Vorraussetzung ist aber auch hier, ein voraus gegangenes Debridement um die oft vorhandenen Nekrosen vorher zu entfernen. Ggf. kann der Wundabschluss durch eine Spalthauttransplantation erfolgen, so dass in der Regel auch eine evtl. über Jahre bestehende Wundheilungsstörung bei Einsatz von geeigneten Maßnahmen innerhalb einiger Wochen oder Monate zum Abschluss gebracht werden kann. • Wundauflagen, Verbandsmaterial, Spülungen sonstige Maßnahmen Gaze (Kompressen) Beschreibung: - 100 % gewobene Baumwolle - Kompressen Indikation: - Schutz - Absorption von Wundsekret - Wundfüller bei tiefen Wunden Wundbehandlungsstandard für chronische sekundär heilende Wunden Stand Januar 2004 9 ___________________________________________________________________ Probleme: - Adhäsion - traumatische Entfernung (Vermeidung durch Silikonwundauflagen) - Gefahr der Austrocknung - begrenzte Saugaktivität (Wechsel 6 – 12 Stunden) Aquafaserverbände Beschreibung: festangelagertem - feine nicht resorbierbare Mikrofasern mit Silber - mit oberflächenaktiver, antibakterieller Wirkung der Silberionen (ohne Silberresorption) Wirkprinzip: - hohe Feuchtigkeitsaufnahme bei gleichzeitiger antibakterieller Wirkung (auch wirksam bei MRSA und Pilzbesiedlungen) - reduzierter Wundgeruch - reduzierte Keimbelastung Indikation: - sezernierende, auch geruchsbildende Wunden - Wunden mit bakterieller Besiedlung - Feuchthalten von trockenen Wunden (Befeuchtung mit Ringerlösung), eventuell direkte Wundauflage mit Silikon (z. B. Mepitel®) Bemerkung: - Anwendbar auch bei trockenen Wunden, dann kann das Feuchthalten durch Hydrierung mit Ringerlösung erfolgen - bei sehr stark sekretbildenden Wunden ist die trockene Anwendung zu empfehlen - meist verhindert der wundseitige semipermeable Polyethylenfilm die Haftung an der Wunde, ergänzend kann eine Silikonwundauflage (z. B. Mepitel) benutzt werden - Verbandswechsel alle 24 Stunden (bei sauberen Wundverhältnissen bis 48 Stunden möglich) Produkt: z. B. Textus bioactiv Alginate Wirkprinzip: Alginatfasern wandeln sich durch Kontakt mit Natriumsalzen Wundsekret unter Quellung in ein feuchtes Hydrogel um. Keime und Zelltrümmer werden in die Gelstruktur eingeschlossen. Beschreibung: - ungewobene Masse aus Natrium-/Calciumalginat Indikation: - Absorption sezernierender Wunden - autolytisches Debridement - Wundfüller bei tiefen Wunden Probleme: - Austrocknung schwach sezernierender Wunden kontraindiziert bei III-gradiger Verbrennung Verklumpen des Materials begrenzte Saugaktivität (Wechsel 12 – 24 Stunden) Wundbehandlungsstandard für chronische sekundär heilende Wunden Stand Januar 2004 10 ___________________________________________________________________ - nur begrenztes autolytisches Debridement Produkt: Schäume z. B. Trionic a. Schaumstoff bei Vakuumverband b. Schaumverband als Platte Wirkprinzip: Sekretaufnahme durch Kapillarwirkung und Sekretverbindung durch Adsorption. Indikation: - Sekretabsorption - Füllsubstanz bei der Vakuumversiegelung (Schaumstoff) - Abdeckung flacher, stärker exsudierender Wunden (Platten) Produkt: z. B. Mepilex (Schaumverband als Platte) selbsthaftender, absorbierender Schaumverband mit Silikonbeschichtung auf der Wundseite Aufrechterhaltung des feuchten Wundmilieus geringes Mazerationsrisiko Probleme: - nur mäßige Sekretaufnahme (Wechsel 24 – 48 Stunden) Produkt: z. B. Textus biofix (Polyurethan-Schaumverband) - semipermeabel, die Wundheilung wird durch Gasaustausch gefördert - geeignet zur Befestigung von feuchten Wundauflagen - flexibel - dehnbar, reißfest und wasserabweisend - lässt sich gut modellieren - lieferbar als Rollenverband Probleme: haftet nicht auf feuchter bzw. fettiger Haut (eventuell Entfettung mit Alkohol Produkt: z. B. KCI -Drainageschwamm (Schaumstoff bei Vakuumverband) Probleme: - hohe Kosten des Saugsystems Aktivkohle Aktivkohle kann als Wundauflage imprägniert mit Silber appliziert werden. Die Wundheilung wird gefördert durch eine Wundreinigung, einerseits durch Bindung der Flüssigkeit, andererseits durch Reduktion der Keimbildung durch Silber. Beschreibung: - Wundauflage aus mit Silber imprägnierter Aktivkohle Indikation: - sezernierende, stark geruchsbildende Wunden Nebeneffekt: - Aktivkohle neutralisiert die Wundgerüche Probleme: - begrenzte Saugkapazität (Wechsel 12 – 24 Stunden) - Verklumpung des Materials Produkt: z. B. Actisorb Silver Wundbehandlungsstandard für chronische sekundär heilende Wunden Stand Januar 2004 11 ___________________________________________________________________ Hydrokolloide Hydrokolloide bestehen aus einer absorbierenden Schicht, diese besteht aus einer Polyurethanmatrix, abgedeckt mit einer Polyurethanfolie, die wasserdampfdurchlässig ist. Wirkprinzip: - Hydrokolloide können Feuchtigkeit binden, - die Abdeckfolie ist durchlässig für Sauerstoff und Wasserdampf - der Wundverband fördert die feuchte Wundheilung Indikation: - oberflächliche, flächige, sekundär heilende Wunden mit mäßiger Sekretbildung ohne Nekrosen - Vorraussetzung für die selbsthaftenden Verbände ist eine intakte Haut der Wundumgebung Problem: - nur bei flächigen, relativ sauberen Wunden geeignet Produkt: z. B. Cutinova Hydro Hydrogele Hydrogele sind Substanzen in denen sich bereits Wasser als Porenfüllung befindet. Das Gel bildet sich aus einem Gerüstbildner und Wasser. Geeignet zum Aufweichen von Schorf und oberflächlichen Nekrosen. Wirkprinzip: Beschreibung: - Wasseraufnahme durch Quellung Wasserabgabe durch Entquellung trockene Wunden werden hydratisiert Vermeidung von Nekrosen durch Feuchthaltung - semipermeables hydrophiles Polmer Indikation: - mäßige Sekretabsorption - sekundäre Abdeckung notwendig (z. B. mit Polyurethan-Schaumverband) Probleme: - nur eingeschränkte Sekretaufnahme - ungeeignet bei relativ trockenen Wunden Produkt: z. B. Intrasite-Gel Silikonwundauflage Wirkprinzip: Drainagefähiger, transparenter Wundverband mit mikrohaftender Eigenschaft, besteht aus Polyamidnetz, welches silikonbeschichtet ist, ist nicht absorbierend. - Der Silikonwundverband (Primärverband) kann nahezu schmerzfrei und ohne frisches Granulationsgewebe zu beschädigen entfernt werden. - Die grobmaschige Netzstruktur gewährleistet den Abfluss von Wundbehandlungsstandard für chronische sekundär heilende Wunden Stand Januar 2004 12 ___________________________________________________________________ Exsudat in den Sekundärverband (Aquafasern, Kompressen). - Das Mazerationsrisiko der umgebenden Haut wird minimiert. - Die Verbandswechselintervalle des Sekundärverbandes kön nen reduziert werden (Verbandswechsel alle 12-24 Stunden, die Silikonauflage kann bis zu drei Tagen benutzt werden). Indikation: Probleme: Produkt: • - Wundabdeckung - zum Feuchthalten durch den Sekundärverband einer flächigen, sekundär heilenden Wunde, besonders geeignet zum Bedecken bzw. zur Fixierung von Haut-Transplantaten und Verbrennungen zweiten Grades. Sollte die Absorptionskapazität des Sekundärverbandes erreicht sein, so ist dieser zu wechseln, der Silikonverband kann auf der Wunde belassen werden. z. B. Mepitel Vakuumversiegelung Beschreibung: Wundbehandlung bei der gleichmäßiger Sog auf die Wundoberfläche einwirkt - Polyvinylschwamm mit eingelegtem Drainagesystem Abdeckung mit transparenter Folie Vakuumquelle mit Unterdruck von ca. 125 mm Hg Absaugung des Wundsekretes Schaffung eines feuchten Wundmilieus Saugung mit Pumpe (z. B. Firma KCI) Indikation: - lokale Wundbehandlung zur Förderung der Granulation und zur Wundverkleinerung (Dekubitus, Abszesshöhlen, postoperative sekundäre Wundheilung) Probleme: - nur wirksam bei vollständigem Kontakt mit der Wunde und permanentem Sog - Dichtigkeit überprüfen, Pumpe verwenden - Wechsel nach 2-3 Tagen - Sog vermindern bei Perfusionsstörungen (AVK, Diabetes) - hohe Kosten • Hyaluronsäure Beschreibung: - Hyaluronsäure ist biokompatibel und Bestandteil des Wundsekretes einer sekundär heilenden Wunde. Bei verzögerter sekundärer Wundheilung ist im natürlichen Sekret die Hyaluronsäure in der Konzentration vermindert, so dass hierdurch die Heilung verzögert werden kann. Die externe Anwendung verhindert das Austrocknen der Wunde und fördert die Granulation und Wundheilung. Indikation: - Förderung der Granulation bei verzögert heilenden Wunden - Vorraussetzung: gereinigte Wunde Produkt: z. B. Textus heal Sprüh-Applikation Wundbehandlungsstandard für chronische sekundär heilende Wunden Stand Januar 2004 13 ___________________________________________________________________ • Wundspülungen Eine topische Anwendung von Antibiotika ist aus folgenden Gründen abzulehnen: - Selektion resistenter Keime - Sensibilisierung des Patienten - Gefahr der Superinfektion mit Pilzen. Antiseptika sollten folgende Anforderungen erfüllen: - schneller Wirkungseintritt keine Resistenzen oder Wirkungslücken keine schmerzhafte Anwendung einfache Aufbewahrung Dauer einer Spülbehandlung: - nicht länger als drei Tage empfehlenswert: z. B. Octenispet : Der Wirkungseintritt erfolgt innerhalb von einer Minute. Bislang sind keine Resistenzen beschrieben worden. Eine Resorption von Octenidin konnte bislang nicht nachgewiesen werden. Die Substanz wird sehr gut auf Schleimhäuten und Wunden vertragen. Zur Eradikation von MRSA Wundinfekten ist es geeignet. Wundbehandlungsstandard für chronische sekundär heilende Wunden Stand Januar 2004 14 ___________________________________________________________________ Wirkstoff Präparate Ethanol, Propanol (event. mit Rückfetter) Rivanol Octenisept Konzentrati Einwirkze Vorteile Nachteile on it in In % Minuten 10 – 50 ½ gute u.breite brennt in der Wirksamkeit Wunde keine Resistenzen bekannt 0,1 >30 starke Färbung schwache Wirksamkeit, schmales Wirkspektrum, allergisierend, mutagenes Potential 0,1 1 breites Wirkungsspe k-trum inkl. MRSA, farblos Lavasept 0,1-0,2 10-15 PVP Iod Betaisodona 0,5-10 5 Quecksilberver- 0,1 bindung Mercurochrom 5 Brillantgrün, Kristallviolett, Pyoktanin Wasserstoffper oxyd H2O2 30 3 10 sehr gut gewebeverträglich, breites Wirkungsspektrum inkl. MRSA farblos breites Wirkungsspektrum preiswert Lösen Blutkrusten & Beläge Fazit effektiv, trocknet die umgebende Haut aus entbehrlic h empfehlen swert teuer, begrenzte Haltbarkeit empfehlens wert percutane Resorption kontraindiziert bei: Schilddrüsenerkrankungen Inaktivierung durch Blut/Eiter, Resistenzen gegen Staphylokokken und Pseudomonas stark austrocknend Wundheilungshem mung Wundheilungshemmend, Allergen minimale Antisepsis durch rasche Inaktivierung, Wundheilungshemmung entbehrlic h obsolet obsolet ungeeigne t Wundbehandlungsstandard für chronische sekundär heilende Wunden Stand Januar 2004 15 ___________________________________________________________________ Folienverbände Wirkungsweise: Wasserdampfdurchlässig, ermöglichen Hautatmung und schützen die Wunde vor dem Eindringen von Flüssigkeiten und Bakterien Indikation: - Wundabdeckung in Kombination mit Wundgaze, Alginat - Fixierung nicht klebender Wundverbände - Wundabdeckung bei Vakuumversiegelung Probleme: - keine Haftung auf fettiger oder feuchter Haut - nicht flexibel semipermeable Folienverbände: • z. B. Opsite flexgrid Larventherapie Die Wirksamkeit gründet auf der Kombination der Sekretausscheidungen der Maden mit der mechanischen Stimulans auf das Gewebe. Das Sekret besteht aus Allantoin, Ammoniak und Kalziumkarbonat in Verbindung mit Enzymen und Wachstumsfaktoren. Es löst ausschließlich nur nekrotisches Gewebe auf und vollzieht dadurch ein präzises, grenznekrotisches Debridement. Gleichzeitig wirkt dieses Sekret gegen eine Vielzahl von Bakterien, so dass insbesondere infizierte Wunden damit therapiert werden können bei gleichzeitiger deodorierender Wirkung. Ein zusätzlicher Effekt entsteht durch die regen Aktivitäten der Larven innerhalb des Wundmilieus. Durch diese mechanische Stimulans auf das Gewebe wird die Durchblutung angeregt und im Abschluss die Granulationsphase beschleunigt eingeleitet. Nach Einbringen der Maden in Wunde werden diese mit dem mitgelieferten Gasegewebe abgedeckt. Darauf erfolgt eine Abdeckung mit Kompressen. Eine Wundkontrolle soll alle zwei Tage erfolgen. Ein Indikator für den Abschluss der Larventherapie ist die Reglosigkeit der Larven. Befindet sich kein nekrotisches Gewebe mehr in der Wunde, dann sterben die Larven ab, weil sie sich von gesundem Gewebe nicht mehr ernähren können. Die Fortsetzung der Wundbehandlung bis zum endgültigen Verschluss kann dann mit feuchter Wundbehandlung oder mit der Vakuumversiegelung erfolgen. Indikation: - tiefe Wunden mit oberflächlichen Nekrosen - Decubutalulcera - Ulcera cruris Kontraindikation: - Wunden, die leicht zu Blutungen neigen - Wunden, die in Verbindung mit eröffneten Körperhöhlen oder inneren Organen stehen Produkt: z. B. Lucilia Sericta Fa. BioMonde Wundbehandlungsstandard für chronische sekundär heilende Wunden Stand Januar 2004 16 ___________________________________________________________________ 4. Wundverbände (feucht/trocken) stark exsudierende Wunden: Bindung größerer Exsudatmengen: Schaumstoff-Verbände mit Vakuumsaugung Aquafaser-Verbände, Baumwollkompressen feuchte Wunden: Aufnahme des anfallenden Exsudates, Erhalt des feuchte Mikroklimas: Aquafaser-Verbände, Baumwollkompressen eventuell mit Silikonwundauflage schwach exsudierende Wunden/ trockene Wunden: Schaffung und Erhaltung eines feuchten Mikroklimas: Aquafaser-Verbände, feuchte Kompressen, Hydrogel, Ringerlösung und Alginat, eventuell Silikonwundauflage 5. Grundsätzliches Grundsätzlich gilt, dass die Art der Wundbehandlung individuell für jeden einzelnen Patienten festgelegt wird. In jedem Fall muss die Grunderkrankung berücksichtigt und wenn möglich, behandelt werden. Die Beurteilung der Wundsituation bzw. die Wirkung der angewandten Maßnahmen sollte einmal am Tag erfolgen. Eine möglichst genaue Dokumentation der Wundverhältnisse und der entsprechenden Maßnahmen ist obligat. 6. “best practice“ (Dieses Behandlungskonzept ist unser Leitfaden für die Behandlung von chronischen, sekundär heilenden Wunden und stellt einen möglichen Weg zur erfolgreichen Therapie dar). Diagnostik: (Erkennen und Beseitigen der Ursache der verzögerten Wundheilung) Debridement der Wunde: (chirurgische Entfernung der Nekrosen, eventuell auch mehrfach) Absorption des Wundexsudates: - bei geringer Exsudation und relativ unproblematischer Wunde: Aquafaserverband plus Ringerlösung, eventuell bei wenig Sekretion Baumwollgaze, Fixierung mit Papierpflaster problematisch: Verschmutzungen der Umgebung möglich, Gefährdung durch Superinfektion bei Baumwollgaze. besser: Fixierung mit Polyurethan-Schaumverband ohne Baumwollkompressen. (z. B. Textus biofix) Wundbehandlungsstandard für chronische sekundär heilende Wunden Stand Januar 2004 17 ___________________________________________________________________ stärkere und starke Exsudation: - Verband mit einer stark absorbierenden Eigenschaft: Aquafaser (Dekontermination des Exsudates durch nicht-resorbierbare Silberionen): - z. B. Textus bioactiv - Verbandswechsel 1 x in 24 Stunden bei nicht so starker Sekretion und sehr flächiger Wunde eventuell Zwischenschicht mit Silikonwundauflage (z. B. Mepitel) - Verbandswechsel 1 x in 24 Stunden (bei sauberen Wunden auch alle 2 Tage möglich) Silikon kann 2-3 Tage benutzt werden. bei sehr tiefen exsudierenden Wunden: - Vakuum- Saugtherapie (z. B. KCI-Drainageschwamm) (Verbandswechsel alle 2-3 Tage) sauber, granulierende Wunde: - Aquafaserverband mit Ringerlösung , Fixierung mit Polyurethan-Schaumverband z. B. Textus biofix® Verbandswechsel 1-2 x in 48 Stunden - bei flächiger Wunde: (Hydrocolloid-Verband) (z. B. Cutinova Hydro) - Förderung der Wundheilung: Hyaluronsäure (z. B. Textus heal) Application 1 x in 24 Stunden (für 3-4 Tage) Wunddeckung: - entweder Epithelisierung abwarten, oder Deckung durch Mesh, in seltenen Fällen sekundärer operativer Wundverschluss oder Schwenklappenplastik. file-Server G:\VCH\Behandlungskonzepte\Wundbehandlungsstandard