Thermodznamische Berechnung der Ausbreitung von

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Thermodynamische Berechnung
der Ausbreitung von Flammen
Studienarbeit
vorgelegt
von
Manuel Torrilhon
Institut für Verfahrenstechnik
Fachgruppe Thermodynamik
Technische Universität Berlin
März 1999
ii
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
v
1 Phänomene und Begriffe
1
2 Feldgleichungen
5
2.1
Bilanzgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5
2.2
Materialgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7
2.2.1
Zustandsgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8
2.2.2
Spannungen, Wärmeleitung und Diffusion . . . . . . . . . . . . . . . . . .
9
2.2.3
Massenproduktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
12
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
15
2.3
3 Die Chapman-Jouguet-Theorie
17
3.1
Das Hugoniot-Diagramm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
17
3.2
Flammen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
21
3.2.1
Klassifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
22
3.2.2
Zum Chapman-Jouguet-Punkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
23
3.2.3
Die Flamme als Verdünnungsstoß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
24
Beispiel: Ozonzerfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
25
3.3
iii
iv
INHALTSVERZEICHNIS
4 Einfache Flammen
4.1
4.2
4.3
Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
29
4.1.1
Chemisches Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
30
4.1.2
Materialgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
31
4.1.3
Feldgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
32
4.1.4
Randbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
33
Ergebnisse und Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
33
4.2.1
Der grundlegende Mechanismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
34
4.2.2
Der Flammeneigenwert µ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
35
4.2.3
Isobare Flammen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
35
4.2.4
Die Chapman-Jouguet-Flamme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
37
Zur Berechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
38
4.3.1
Exkurs: Heterokline Orbits . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
38
4.3.2
Schießverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
43
4.3.3
Differenzenverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
45
5 Beispiel einer realistischen Flamme
5.1
29
49
Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
49
5.1.1
Chemisches Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
50
5.1.2
Materialgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
52
5.1.3
Feldgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
53
5.1.4
Anfangs- und Randbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
55
5.2
Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
56
5.3
Zur Berechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
58
5.3.1
Skalenanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
58
5.3.2
Lagrange-Koordinaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
61
5.3.3
Linienmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
63
Einleitung
Flammen bilden Ausbreitungsprozesse in Mischungen von viskosen, wärmeleitenden und diffundierenden Gasen, zwischen denen chemische Reaktionen stattfinden. Viel mehr grundlegende
Effekte gibt es in der Thermodynamik von Gasen wohl nicht. Daher rührt ein theoretisches Interesse an der Behandlung von Flammen, in der sich das Zusammenspiel der einzelnen Effekte
untersuchen läßt.
Flammen bilden außerdem die Grundlage für zahlreiche industrielle Anwendungen, beispielsweise in Verbrennungsmotoren, Triebwerken etc. So kommt es auch zu einem starken technischem
Interesse an der Behandlung von Flammen, um eventuell Verbesserungsmöglichkeiten der entsprechenden Anwendungen zu ermitteln.
Um es gleich vorweg zu nehmen: In dieser Arbeit werden nicht alle thermodynamischen Effekte berücksichtigt und es kommt auch zu keinem Verweis auf eventuelle technische Anwendungen.
Anstoß zur Beschäftigung mit Verbrennungsprozessen war die Idee, mit einer verbesserten Materialtheorie im Sinne der Erweiterten Thermodynamik auch Flammen zu berechnen. Ziel dieser
Arbeit ist es, die klassischen Theorien zur Berechnung von Flammen darzustellen. Ein besonderer Schwerpunkt liegt dabei auf der Erarbeitung der numerischen Verfahren, mit denen Flammen
berechnet werden können. Erste Ergebnisse für die verbesserte Materialtheorie bietet J.Au in [1]
im Falle einer Modellflamme. Die Anwendung entsprechender Theorien auf realistische Flammen
steht noch aus.
Die Arbeit untergliedert sich in fünf Kapitel. Das erste Kapitel führt in die Phänomenologie
von Flammen ein und beschreibt die Experimente, auf die sich die Berechnungen in den nächsten
Kapiteln beziehen. Im zweiten Kapitel werden die zur Berechnung von Flammen benötigten Gleichungen bereitgestellt. Die Chapman-Jouguet-Theorie im dritten Kapitel ist eine der ältesten
Theorien der Verbrennungsvorgänge. In ihr werden qualitative Aussagen zur Klassifikation von
Flammen getroffen. Das vierte Kapitel beschäftigt sich mit einfachen Flammen und stellt die
verwendeten Berechnungsmethoden dar. Die Einfachheit der Flammen liegt dabei in der Reduktion der chemischen Reaktionen auf eine einzelne, modellhafte Zerfallsreaktion. In diesem
Rahmen werden auch die grundlegenden Mechanismen einer Flamme diskutiert. Als Beispiel einer realistischen Flamme wird im fünften Kapitel der Ozonzerfall berechnet. Der Ozon-Flamme
liegt im Gegensatz zu den einfachen Flammen ein detaillierter Reaktionsmechanismus zugrunde.
Mit dem in Kapitel fünf vorgestellten Verfahren ist prinzipiell die Möglichkeit gegeben, auch die
Flammen beispielsweise der Knallgasreaktion oder der Methanverbrennung zu berechnen.
An dieser Stelle möchte ich der gesamten Fachgruppe Thermodynamik meinen Dank für
die fantastische Arbeitsatmosphäre aussprechen. Besonderer Dank gilt Jörg Au, der mir immer
unterstützend zur Seite stand und mich vor manchen Irrwegen bewahrte, die er durch eigene
Rechnungen erst selbst (leidvoll) gegangen war.
v
vi
EINLEITUNG
Kapitel 1
Phänomene und Begriffe
In diesem Kapitel werden die wesentlichen Aspekte der Phänomenologie von Flammen vorgestellt. Der Großteil davon läßt sich in [24] nachlesen. Außerdem werden im Folgenden die
Experimente erläutert, die den Hintergrund für die Berechnungen der nächsten Kapitel bilden.
Grundsätzlich lassen sich zwei Typen von Flammen unterscheiden: Diffusionsflammen und
vorgemischte Flammen. Der Unterschied liegt in der Art und Weise, wie Brennstoff und Oxidationsmittel in der Flamme vorliegen.
In Diffusionsflammen liegen Brennstoff und Oxidationsmittel getrennt vor. Beispiele für Diffusionsflammen sind ein brennendes Stück Holz, eine Kerzenflamme oder ein Benzintropfen, der
in Luft verbrennt. In allen Beispielen liegt der Brennstoff und das Oxidationsmittel in unvermischter Form vor und die Verbrennung beschränkt sich auf den Bereich des unmittelbaren
Kontaktes zwischen ihnen. In dieser Kontakt-Zone kommt es zu chemischen Reaktionen und
es entsteht eine Flamme. Die Reaktionsprodukte diffundieren ihrerseits aus der Flamme heraus und werden dabei durch Brennstoff, bzw. Oxidationsmittel ersetzt. In der Berechnung von
Diffusionsflammen wird die dünne Zone der Reaktion oft als Fläche, das sog. ”Flame-Sheet”,
angenommen. Auf Diffusionsflammen wird beispielsweise in [24] und [2] eingegangen.
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich ausschließlich mit vorgemischten Flammen. In ihnen
liegt der Brennstoff und das Oxidationsmittel als Gemisch vor. Als Beispiele für vorgemischte
Flammen seien die Flamme eines Gasherdes oder eines Bunsenbrenners genannt. In ihnen wird
der Brennstoff bereits vor der Verbrennung mit dem Oxidationsmittel vermischt und erst durch
eine Zündung zur Verbrennung gebracht.
Als physikalisches Modell einer vorgemischten Flamme mit gasförmigen Komponenten betrachten wir Abb. 1.1. Zu Beginn ruht das Gemisch aus Brennstoff und Oxidationsmittel mit
einer festen Zusammensetzung und bei einer festen Temperatur in einem Kanal. Dem Gemisch
wird dann beispielsweise durch einen Funken Wärme zugeführt, wodurch es zur Zündung kommt.
Nach einer Zündungsphase entsteht eine Flammenfront, die sich in das ruhende Gemisch hinein
fortpflanzt. Es stellt sich dabei eine konstante Ausbreitungsgeschwindigkeit ein, die charakteristisch für die jeweilige Flamme ist. D.h. verschiedene Gemische und Verbrennungsprozesse
liefern unterschiedliche Flammengeschwindigkeiten, die a priori unbekannt sind und sich von
selbst einstellen. Nach der Zündungsphase bildet sich außerdem ein Zustand, in dem sich der
Verlauf der Feldgrößen durch die Front hindurch nicht mehr ändert. Die Reaktionsprodukte
werden durch die Flamme stark beschleunigt und mit 5-10facher Flammengeschwindigkeit und
dementsprechend verdünnt hinter der Flamme ausgeworfen.
1
2
KAPITEL 1. PHÄNOMENE UND BEGRIFFE
Abbildung 1.1: Instationäres Flammenexperiment
Abbildung 1.2: Stationäres Flammenexperiment
Sämtliche chemischen Reaktionen und thermodynamischen Prozesse finden nur in dem unmittelbaren Bereich der Flammenfront statt. Die Front läßt sich daher als Trennfläche zwischen
zwei Gleichgewichtszonen des Gasgemisches betrachten.
In dem unverbrannten Gemisch weit vor der Flamme findet keine, bzw. nur eine extrem
langsame chemische Reaktion statt, obwohl es sich in einem starken chemischen Nichtgleichgewicht befindet. Die Reaktion wird durch die niedrige Temperatur verhindert. Dieser Zustand
wird metastabiles Gleichgewicht genannt. (Vergl. Abschnitt 2.2.3) Erst eine hohe Temperatur
löst die Hemmung, das Gemisch beginnt chemisch zu reagieren und geht dabei in den vollständig
stabilen Zustand der Reaktionsprodukte über.
Dieses instationäre Flammenexperiment bildet die Grundlage der Berechnung in Kapitel
5. Falls der Zustand konstanter Profile der Feldgrößen erreicht wurde, können wir uns ein
stationäres Experiment konstruieren, indem das vor der Flamme ruhende Gemisch durch eine Anströmung ersetzt wird. Mathematisch entspricht dies der Transformation in ein mit der
Flammenfront mitbewegtes Koordinatensystem.
In Abb. 1.2 ist ein solches Experiment gezeigt. Wird die Flammenfront genau mit der Flammengeschwindigkeit angeströmt, bleibt sie im Kanal stehen. Da die Flammengeschwindigkeit
nicht bekannt ist, muß im Experiment die Anströmung entsprechend geregelt werden. Ist die
Geschwindigkeit zu niedrig, läuft die Flamme der Anströmung entgegen oder erlischt mitunter.
Eine zu hohe Anströmgeschwindigkeit läßt die Flamme weglaufen oder sie wird ”ausgeblasen”.
In der technischen Realisierung einer stationären, vorgemischten Flamme in einem Bunsenbrenner ist diese Regelung nicht nötig. Die Flamme bildet in diesem Fall an den Öffnungen
des Gasherdes die Flanken eines Dreiecks. Die relevante Flammengeschwindigkeit ist dabei die
3
Normalgeschwindigkeit des Gemisches durch diese Flanken. Durch Veränderung der Form des
Dreiecks kann sich dann die Geschwindigkeit von selbst einstellen, die für die am Herd eingestellte Gemischzusammensetzung benötigt wird.
Das stationäre Experiment wird für die Berechnungen in Kapitel 3 und 4 benutzt.
Im Experiment besitzt die Flammenfront häufig eine 2-dimensionale Struktur. Beispielsweise lassen sich Waben, bzw. Zellenmuster erkennen. Diese Strukturen sind unter anderem auf
hydrodynamische Instabilitäten zurückzuführen. Zusätzlich werden sowohl Diffusionsflammen,
als auch vorgemischte Flammen, in laminare und turbulente Verbrennungen unterschieden. Für
diese Phänomene verweise ich auf [24]. In dieser Arbeit werden die Instabilitäten aufgrund der
verwendeten eindimensionalen Modelle eliminiert und alle Strömungen als laminar angenommen.
4
KAPITEL 1. PHÄNOMENE UND BEGRIFFE
Kapitel 2
Feldgleichungen
In diesem Kapitel werden die grundlegenden, lokalen Gleichungen zur Beschreibung einer viskosen, wärmeleitenden, diffundierenden und chemisch reagierenden Mischung angegeben. Einige
der Gleichungen sind hier nur der Vollständigkeit halber angegeben, sie werden in den nächsten
Kapiteln nicht verwendet.
Für die Materialgleichungen wird das Ergebnis der Thermodynamik irreversibler Prozesse
(TIP) für reagierende Mischungen zugrunde gelegt. Dieses Ergebnis wird dann auf die tatsächlich
verwendeten Gleichungen reduziert.
Im letzten Abschnitt wird der Begriff des metastabilen Gleichgewichts diskutiert.
2.1
Bilanzgleichungen
Um die Bilanzgleichungen einer Mischung zu erhalten, betrachtet man zunächst jede Komponente α der Mischung für sich allein. Jede Komponente hat ihre eigene Massenbilanz
(α)
∂ρα ∂ρα vi
+
∂t
∂xi
= τα
(2.1)
für die Partialdichte ρα , ihre Impulsbilanz
(α)
∂ρα vj
∂t
(α)
für den Partialimpuls ρα vj
+
∂ (α) (α)
(α)
(α)
ρα vj vi − tij = mj
∂xi
(2.2)
und ihre Energiebilanz
(α)
∂
∂ (α) (α)
(α)
ρα εα + 12 vα2 +
ρα εα + 12 vα2 vi − tij vj + qi
= eα
∂t
∂xi
(2.3)
für die Summe aus innerer Energiedichte ρα εα und kinetischer Energiedichte 12 ρα vα2 . Hierin hat
(α)
(α)
jede Komponente außerdem ihren eigenen Spannungstensor tij und Wärmefluß qi . Da in einer
Mischung Masse, Impuls und Energie einer einzelnen Komponente keine Erhaltungsgrößen sind,
hat jede dieser Bilanzen zusätzlich einen Produktionsterm auf der rechten Seite. Beispielsweise
kann durch chemische Reaktion Masse der einen Komponente in Masse einer anderen Komponente umgewandelt werden. Dabei wird auch Impuls und Energie zwischen den Komponenten
ausgetauscht. Genauso findet ein Impuls- und Energietransfer zwischen den Komponenten bei
5
6
KAPITEL 2. FELDGLEICHUNGEN
molekularen Stößen von unterschiedlichen Teilchen statt. Dies ist aber immer nur ein Austasuch
zwischen Komponenten, für die Mischung als Ganzes gilt die Massen-, Impuls- und Energieerhaltung, so daß die Summen über die Produktionen aller Komponenten verschwinden müssen:
X
τα = 0
(2.4)
α
X
(α)
mj
=0
(2.5)
eα = 0
(2.6)
α
X
α
Die Frage ist jetzt wie sich Dichte, Impuls, Energie, Spannungstensor und Wärmefluß der
Mischung als Ganzes aus den entsprechenden Partialgrößen darstellen. Dazu gibt es folgendes
Prinzip (Vergl. [16]): Die Bilanzgleichungen dieser Größen entstehen durch Summation über die
Partialbilanzen und die Größen sind dann so zu definieren, daß die Gesamtbilanzen dieselbe
Form haben, wie die einer einzelnen Komponente.
Die Summation über alle Partialmassenbilanzen ergibt
∂ρ ∂ρvi
+
=0
∂t
∂xi
(2.7)
falls Dichte und Impuls nach
ρ=
P
ρvi =
P
α ρα
(2.8)
(α)
α ρα vi
(2.9)
definiert werden. Mit diesen Darstellungen ergibt die Summation aller Partialimpulsbilanzen die
Form
∂ρvj
∂
+
(ρvj vi − tij ) = 0
(2.10)
∂t
∂xi
mit der Definition des Gesamtspannungstensors
P (α)
(α) (α)
tij = α tij − ρα ui uj
(2.11)
Hierbei wurde die Diffusionsgeschwindigkeit der Komponente α entsprechend
(α)
ui
(α)
= vi
− vi
(2.12)
eingeführt. Damit schreibt sich die Summation aller Partialenergiebilanzen
∂
∂
ρ ε + 12 v 2 +
ρ ε + 12 v 2 vi − tij vj + qi = 0
∂t
∂xi
(2.13)
mit
1 2
ρε = α ρα εα + uα
2
P
1 2
(α)
(α)
(α) (α)
qi = α qi + ρα εα + uα ui − tij uj
2
P
(2.14)
(2.15)
für die innere Energiedichte und den Wärmefluß der Mischung.
Wie sich an (2.11), (2.14) und (2.15) erkennen läßt, setzen sich Spannung, Energie und
Wärmefluß nicht nur aus der Summation der Partialgrößen zusammen, sondern haben zusätzliche
2.2. MATERIALGLEICHUNGEN
7
Anteile aufgrund der Diffusionsbewegung. So erhält der Spannungstensor einen zusätzlichen diffusiven Impulsfluß und die Energiedichte zusätzliche diffusive kinetische Energie. Im Wärmefluß
treten Energietransport und Leistung der Diffusionsbewegung hinzu.
Zur Beschreibung der Mischung werden in dieser Arbeit die Felder der Partialdichten ρα ,
der mittleren Geschwindigkeit vi und der Temperatur T gewählt. Der Berechnung dieser Felder
liegen dann die Bilanzen
(α)
∂ρα ∂ρα vi
= τα
(2.16)
+
∂t
∂xi
∂ρvj
∂
(ρvj vi − tij ) = 0
+
∂t
∂xi
(2.17)
∂
∂
ρ ε + 12 v 2 +
ρ ε + 12 v 2 vi − tij vj + qi = 0
∂t
∂xi
(2.18)
der Partialmassen, sowie dem Gesamtimpuls und der Gesamtenergie zugrunde. Für die auftretenden Unbekannten werden zusätzlich Materialgleichungen gebraucht.
2.2
Materialgleichungen
Im Sinne einer Materialtheorie, die linear in den Nichtgleichgewichtsgrößen ist, werden die
Darstellungen (2.14), (2.11) und (2.15) für die innere Energie, den Spannungstensor und den
(α)
Wärmefluß linearisiert. Mit der Aufspaltung des Spannungstensors tij in einen isotropen Gleichgewichtsanteil und einen Nichtgleichgewichtsanteil, gemäß
(α)
(α)
tij = −pα δij + τij
(2.19)
erhält man
P ρα
εα
α
ρ
P (α)
tij = α −pα δij + τij
P (α)
(α)
q i = α q i + ρα h α u i
ε=
pα
ρα
Hierin ist pα der Partialdruck und hα = εα +
(2.20)
die Enthalpie der Komponente α.
Wir ersetzen jetzt die Partialdichten durch die Massenkonzentrationen
cα :=
ρα
ρ
(2.21)
sowie die Diffusionsgeschwindigkeiten durch die Diffusionsströme
(α)
Ji
(α)
:= ρα ui
(2.22)
mit den Eigenschaften
P
α cα
(α)
α Ji
P
=1
(2.23)
=0
(2.24)
8
KAPITEL 2. FELDGLEICHUNGEN
P
Falls der Gesamtdruck der Mischung p = α pα eingeführt wird, sowie der NichtgleichgewichtsP (α)
P (α)
anteil des Spannungstensors τij = α τij und der reduzierte Wärmefluß qei = α qi , ergibt
sich dann aus (2.20)
ε=
P
α cα εα
(2.25)
tij = −p δij + τij
P
(α)
qi = qei + α hα Ji
(2.26)
(2.27)
Die Felder sind jetzt ρ, cα , vi , T , wobei die Konzentrationen nach (2.23) nicht unabhängig
von einander sind. Als Gleichung für die Dichte ist wird die Gesamtmassenbilanz verwendet. Die
Gleichungen für die Konzentrationen entstehen aus einer identischen Umformung der Partialmassenbilanzen. Die Bilanzgleichungen lauten dann
∂
∂t
∂ρ ∂ρvi
=0
+
∂t
∂xi
(2.28)
∂ρcα
∂ (α)
+
ρcα vi + Ji
= τα
∂t
∂xi
(2.29)
∂ρvj
∂
+
(ρvj vi + pδij − τij ) = 0
∂t
∂xi
(2.30)
P
P
P
∂
(α)
1 2
1 2
cα εα + 2 v
ρ
cα hα + 2 v vi + qei + α hα Ji − τij vj = 0 (2.31)
+
ρ
∂xi
α
α
Als Materialgleichungen werden hierin Zustandsgleichungen für den Gesamtdruck p und
die innere Energie einer Komponente εα , bzw. deren Enthalpie hα , sowie Gleichungen für die
(α)
Spannungen τij , den Wärmefluß qei , die Diffusionsströme Ji und die Massenproduktionen τα
gebraucht.
2.2.1
Zustandsgleichungen
Für die Zustandsgleichungen nehmen wir an, daß es sich um eine Mischung idealer Gase handelt,
für die das Daltonsche Gesetz gilt. Die Partialgrößen hängen dann höchstens von ihren eigenen
Dichten und der Temperatur ab und diese Abhängigkeit entspricht der des Reinstoffs, also der
eines idealen Gases. (Siehe [17])
Die Zustandsgleichung des Partialdruckes lautet damit
pα (ρ, T, cα ) = ρ
cα
RT
Mα
(2.32)
mit Mα der Molzahl der Komponente α und der universellen Gaskonstanten R = 8314 kgJK . Der
Gesamtdruck ist die Summe der Partialdrücke
p (ρ, T, cα ) = ρ
wobei mit
R
T
f
M (cα )
P cα
1
= α
f
Mα
M
(2.33)
(2.34)
2.2. MATERIALGLEICHUNGEN
9
f eingeführt wurde.
die effektive Molzahl der Mischung M
Die innere Energie und Enthalpie einer Komponente α hängen nur von der Temperatur ab.
(α)
(α)
Allgemein schreiben sie sich als Integral über die spezifischen Wärmen cp (T ) und cv (T )
Z T
(α)
e e
εα (T ) =
c(α)
(2.35)
v (T ) dT + εR
TR
T
Z
hα (T ) =
TR
(α)
(α)
e e
c(α)
p (T ) dT + hR
(2.36)
(α)
Die Konstanten εR und hR sind die innere Energie und Enthalpie bei Referenzbedingungen
TR = 298 K
pR = 1, 013 bar
Die Beziehung zwischen ihnen ist
(α)
(α)
ε R = hR −
R
TR
Mα
(α)
(2.37)
(α)
was aus der Beziehung hα = εα + MRα T , bzw. cp = cv + MRα für ein ideales Gas folgt. Die
Enthalpiekonstanten und spezifischen Wärmen sind beispielsweise in [6], [18] oder [15] tabelliert,
bzw. als Polynomfit verfügbar.
Im Verlauf dieser Arbeit werden die spezifischen Wärmen als konstant angenommen. Damit
ergeben sich die Gleichungen (2.35) und (2.36) zu
(α)
(2.38)
(α)
(2.39)
εα (T ) = c(α)
v (T − TR ) + εR
hα (T ) = c(α)
p (T − TR ) + hR
Die Zahlenwerte der spezifischen Wärmen werden nach der Formel
c(α)
v = zα
R
Mα
(2.40)
c(α)
p = (zα + 1)
mit
zα =


3
2
5
2

3
R
Mα
(2.41)
einatomige Gase
zweiatomige Gase
mehratomige Gase
(2.42)
berechnet.
2.2.2
Spannungen, Wärmeleitung und Diffusion
Das Ergebnis der TIP (siehe z.B. [16] oder [10]) für den Spannungstensor, den Wärmefluß und
den Diffusionsströmen einer Mischung mit ν Komponenten lautet
τhiji = 2 µ
∂v<i
∂xj>
(2.43)
ν−1
X
∂1
qei = L T +
Lβ
∂xi
−
∂
µβ −µν
T
ν−1
1
X
eα ∂ T +
=L
Lαβ
∂xi
β=1
(2.44)
∂xi
β=1
(α)
Ji
!
−
∂
µβ −µν
T
∂xi
!
.
(2.45)
10
KAPITEL 2. FELDGLEICHUNGEN
Hierin ist µα das chemische Potential der Komponente α. Die auftretenden phenomenologischen Koeffizienten können von den Zustandsgrößen der Mischung abhängen und müssen die
Bedingungen
µ≥0
(2.46)
sowie
L Lβ
e
Lα Lαβ
− positiv definit
(2.47)
erfüllen. Zusätzlich wird in der TIP eine Gleichung für den dynamischen Druck 31 τii angegeben.
Wir vernachlässigen die Effekte von Volumen- und chemischer Viskosität und setzen den dynamischen Druck null. Ebenso werden die Kopplungsterme in den Gleichungen für den Wärmefluß
und den Diffusionsströmen vernachlässigt, d.h. die Thermo-Diffusion und Diffusions-ThermoEffekte.
Mit der Einführung der Wärmeleitfähigkeit durch
L
T2
λ :=
(2.48)
erhalten wir mit
∂v<i
∂xj>
∂T
qei = −λ
∂xi
τhiji = 2 µ
(2.49)
(2.50)
die Gesetze von Navier-Stokes und Fourier für die Spannungen und den Wärmefluß. Die Koeffizienten µ und λ sind als Viskosität und Wärmeleitfähigkeit der Mischung als Ganzes zu verstehen.
In [19] und [11] werden handhabbare empirische Formeln angegeben mit denen sich diese Koeffizienten aus den Viskositäten, bzw. Wärmeleitfähigkeiten der Reinstoffe berechnen läßt. Eine
davon lautet
X cα µα (T )
P
(µ)
α
β cβ φαβ
X cα λα (T )
λ (T, cα ) =
P
(λ)
α
β cβ φαβ
µ (T, cα ) =
(2.51)
(2.52)
(µ)
Hierin sind die Koeffizienten φαβ durch
Mα
Mβ
(µ)
φαβ =
q
µα
µβ
1+
r 8 1+
Mβ
Mα
1 2
4
(2.53)
Mα
Mβ
(λ)
bzw. einen analogen Ausdruck für φαβ , gegeben.
Die Gleichung für die Diffusionsströme schreibt sich jetzt
(α)
Ji
=−
ν
X
β=1
µ
L∗αβ
∂ Tβ
∂xi
(2.54)
2.2. MATERIALGLEICHUNGEN
11
mit den Koeffizienten
L∗αβ
β ≤ν−1


 Lαβ
ν−1
X
:=
−
Lαβ


β=ν
.
(2.55)
β=1
µβ
T
liefert wegen µβ = µβ (p, T, cα ) bei der Differentiation zusätzliche Terme, die
Der Term
zur Thermo-Diffusion beitragen, sowie einen Term proportional zum Druckgradienten. Letzterer
beschreibt einen Diffusionsstrom, der durch Druckunterschiede erzeugt wird. Wir berücksichtigen
hier nur die Diffusion durch Konzentrationsgradienten und erhalten das Fick’sche Gesetz
X
∂cβ
(α)
(2.56)
Ji = −
Dαβ
∂xi
β
mit den Diffusionskoeffizienten
Dαβ :=
ν
X
Lαδ
δ=1
∂ µTδ
∂cβ
(2.57)
In vielen Veröffentlichungen zur Berechnung von Flammen (z.B. [11], [9], [20]) wird das Diffusionsgesetz in der Form
∂X
X Xα Xβ (β)
(α)
α
vi − vi
=
(2.58)
Dαβ
∂xi
β
verwendet. Diese Form wird von Hirschfelder in [8] aus der kinetischen Gastheorie abgeleitet.
Der auftretende Molenbruch der Komponente α ist durch
cα /Mα
Xα = P
β cβ /Mβ
(2.59)
gegeben. Die binären Diffusionskoeffizienten Dαβ werden in [8] durch Stoß-Integrale berechnet.
(α)
Die Umrechnung von (2.58) auf Konzentrationen cα und Diffusionsströme Ji ergibt
X
e αβ J (β) = −
D
i
β
X
Mαβ
β
∂cβ
.
∂xi
(2.60)
e αβ und Mαβ sind Funktionen der Dichte und Konzentrationen und berechnen
Die Matritzen D
sich aus

P M
f cα
f cα
 M
−
α=β
γ Mγ ρDαγ
M
ρD
α
αα
e
Dαβ =
(2.61)
f
 M cα
sonst
Mβ ρDαβ
( f
M
α=β
Mα cα − 1
Mαβ =
(2.62)
f
M
sonst
Mβ cα
Durch Vergleich mit (2.56) identifizieren wir formal
X
e −1 Mδβ .
Dαβ ≡
D
αδ
(2.63)
δ
In den Berechnungen in dieser Arbeit werden zusätzlich die Nebendiagonalelemente der Matrix der Diffusionskoeffizienten in (2.56) vernachlässigt, so daß die stark vereinfachte Form
(α)
Ji
des Fick’schen Gesetzes entsteht.
= −Dα
∂cα
∂xi
(2.64)
12
KAPITEL 2. FELDGLEICHUNGEN
2.2.3
Massenproduktionen
Für die Massenproduktionen betrachten wir eine chemische Reaktion m in der generischen Form
X
λm
0
γα,m
A(α) X
α
00
γα,m
A(α)
(2.65)
α
Sämtliche in der Mischung vorkommende Komponenten sind hier zu A(α) zusammengefaßt. Die
0
00
γα,m
bzw. γα,m
sind die stöchiometrischen Koeffizienten der Edukte bzw. Produkte. Sie sind
positiv oder null, falls die Komponente α nicht an der Reaktion m beteiligt ist. Die NettoReaktionslaufzahl λm ist positiv, falls mehr Reaktionen in (2.65) von links nach rechts ablaufen
als umgekehrt.
Das übliche Ergebnis der TIP (siehe z.B. [10]) für die Reaktionslaufzahlen lautet
λm =
X
Cnm
n
A0m − A00m
RT
(2.66)
Hierin ist R die universelle Gaskonstante und Cnm eine positiv definite Koeffizientenmatrix, die
noch von den Zustandsgrößen der Mischung abhängen kann. Die Affinitäten der Edukte A0m und
der Produkte A00m der Reaktion m sind durch
0
α γα,m Mα µα
(2.67)
00
α γα,m Mα µα
(2.68)
A0m =
P
A00m =
P
bzw.
gegeben. Zusätzlich tritt in der TIP eine Abhängigkeit von der Divergenz der Geschwindigkeit
auf den wir hier vernachlässigen. Wir vernachlässigen weiterhin die Kopplung der einzelnen
Reaktionen untereinander, so daß wir
A0m − A00m
C>0
(2.69)
RT
erhalten. Für λm = 0, also Gleichgewicht der Hin- und Rückreaktion, erhalten wir die Gleichheit
der Affinitäten, was dem Massenwirkungsgesetz entspricht. Für die breite Beschreibung von
chemischen Reaktionen ist dieser Ansatz allerdings ungeeignet. Ein mit der TIP verträglicher
nichtlinearer Ansatz lautet
0
Am
A00
m
λm = C e RT − e RT
C>0
(2.70)
λm = C
mit einer Funktion C wie oben. Auch hierin ist das Massenwirkungsgesetz enthalten.
Wir wollen hier die Affinitäten einsetzen und betrachten dazu das chemische Potential eines
idaelen Gases
R
nα
µα (T, p, nβ ) = gα (T, p) +
T ln P
(2.71)
Mα
β nβ
Der zweite Term auf der rechten Seite ist der Anteil der Komponente α zur Mischungsentropie
ausgedrückt durch die Teilchenzahldichten und gα (T, p) ist die freie Enthalpie des Reinstoffs α..
Die Druckabhängigkeit der freien Enthalpie hat die Form
gα (T, p) = geα (T ) +
R
p
T ln
Mα
pR
(2.72)
2.2. MATERIALGLEICHUNGEN
13
in der sich das auftretende Druckverhältnis mit der idealen Gasgleichung in der Form p =
P
α nα k T auf die Temperatur und die Teilchenzahldichte zurückführen läßt. Damit ergibt sich
für das chemische Potential
µα (T, nα ) = µ
eα (T ) +
R
T ln nα
Mα
(2.73)
Dies, eingesetzt in die Affinitäten und den nichtlinearen Ansatz (2.70), ergibt sich für die Reaktionslaufzahl
0
00
Y γβ,m
Y γβ,m
0
00
λm = km
nβ − km
nβ
(2.74)
α
β
mit den sogenannten Geschwindigkeitskonstanten
1
0
γα,m
Mα µ
eα (T )
(2.75)
00
eα (T )
α γα,m Mα µ
(2.76)
0
km
= C e RT
P
1
RT
P
00
km
=Ce
α
für die Hin- bzw. Rückreaktion.
Die Teilchenzahldichten nα , sowie die Reaktionslaufzahl werden hier und im folgenden dieser
Arbeit in kmol angegeben. Damit hängen sie durch
nα =
ρ
cα
Mα
(2.77)
mit der Dichte und den Konzentrationen zusammen.
Anschaulich entsprechen die Produkte in der Formel für die Reaktionslaufzahl den Wahrscheinlichkeiten, daß sich die Moleküle einer Seite der Reaktion überhaupt treffen und die Faktoren km beschreiben die Wahrscheinlichkeit, daß es bei einem Treffen auch zur Reaktion kommt.
Die TIP liefert mit (2.75) und (2.76) eine, bis auf die Funktion C, explizite Angabe der Geschwindigkeitskonstanten. Für die meisten chemischen Reaktionen ist die Temperaturabhängigkeit
von C jedoch so deutlich, daß den empirischen Formeln
0
Em
0
km
(T ) = a0m (T ) e− RT
(2.78)
00
Em
− RT
(2.79)
00
km
(T ) = a00m (T ) e
der Vorzug gegeben wird. Hierin ist R wieder die universelle Gaskonstante und die Faktoren
am und Em sind für zahlreiche Reaktionen gemessen worden und beispielsweise in [3], [6] oder
[18] tabelliert. Diese Darstellungen werden oft als Arrhenius-Ansätze bezeichnet, in denen der
Parameter E die Rolle einer Aktivierungsenergie für die jeweilige Reaktion hat. Die Messungen
der Geschwindigkeitskonstanten sind sehr schwierig, so daß Unterschiede der Daten von 200%
oder mehr bei den verschiedenen Messungen keine Seltenheit sind. (Siehe [3]) Diesen Umstand
gilt es bei der Beurteilung von Berechnungen, in denen chemischen Reaktionen behandelt werden,
zu berücksichtigen.
Die Massenproduktion der Komponente α berechnet sich nach
X
00
0
τ α = Mα
γα,m
− γα,m
λm
(2.80)
m
als Summe der Reaktionslaufzahlen über alle Reaktionen. Das Vorzeichen der Differenz der
stöchiometrischen Koeffizienten gibt hierbei an, ob die Komponente α bei der Reaktion m produziert oder verbraucht wird.
14
KAPITEL 2. FELDGLEICHUNGEN
Zum Begriff des metastabilen Gleichgewichts
Vor der Flamme herrscht in dem Brennstoffgemisch ein, sogenanntes, metastabiles Gleichgewicht. Thermodynamisch befindet sich das System im Gleichgewicht, da Wärmeleitung, Diffusion, etc. verschwinden. Chemisch jedoch ist das Brennstoffgemisch gegenüber den Reaktionsprodukten im Ungleichgewicht, trotzdem ist die Massenproduktion gehemmt, daher der Begriff
metastabil. Das Wesen dieser Hemmung hängt von der chemischen Modellierung ab. Im folgenden möchte ich eine Darstellung meiner Überlegungen zu dieser Problematik geben.
Betrachten wir eine Flamme in der zwei Komponenten gemäß
k
A2 + B2 −→ 2AB
(2.81)
zu einer dritten reagieren, ähnlich der Knallgasreaktion. Für diese Reaktion lautet nach (2.74)
und (2.80) die Massenproduktion
(2.82)
τAB = 2 MAB k nA2 nB2
mit der Geschwindigkeitskonstanten nach (2.78)
E
k = A e− RT
(2.83)
e ergibt sich
Zusammengefaßt ergibt sich mit einer neuer Konstanten A
E
e nA nB e− RT
τAB = A
2
2
(2.84)
Im Gleichgewicht muß die Massenproduktion verschwinden, also τAB = 0 gelten. Dies kann auf
zwei verschiedene Arten geschehen: Zum einen durch das Verschwinden der Teilchenzahldichten
von A2 und B2 . Dies entspricht der vollständigen Verbrennung wie sie hinter der Flamme vorzufinden ist. Zum anderen läßt sich die Massenproduktion auch durch eine kleine Temperatur bei
E
beliebigen Teilchenzahldichten von A2 und B2 zum Verschwinden bringen. Der Faktor e− RT wird
hier nämlich durch die Aktivierungsenergie E zu einem Schalter, der bei kleinen Temperaturen
keine Reaktion zuläßt. Dies entspricht dem metastabilen Gleichgewicht vor der Flamme.
Nach der Reaktionsgleichung (2.81) wird die Reaktion in der Flamme allerdings kaum ablaufen. Beispielsweise existiert auch eine Rückreaktion und wir müßten (2.81) als
k0
A2 + B2 2AB
(2.85)
k00
schreiben. Hier gilt für die Massenproduktion der Ausdruck
τAB = 2 MAB
k 0 nA2 nB2 − k 00 n2AB
(2.86)
und für das Gleichgewicht entsteht mit
τAB = 0
⇐⇒
nA2 nB2
k 00
=
≡ Kp (T )
k0
n2AB
(2.87)
das Massenwirkungsgesetz der Reaktion (2.85). Für Flammenreaktionen wird die Gleichgewichtskonstante Kp (T ) in dem relevanten Temperaturbereich sehr klein sein, und damit das
Gleichgewicht auf der Seite von verschwindenen Teilchenzahldichten von A2 und B2 liegen. Hier
existiert keine Hemmung: Ein Gemisch aus A2 und B2 würde sofort anfangen zu reagieren.
2.3. ZUSAMMENFASSUNG
15
Eine realistische Modellierung von (2.81) ist
A2 2A
B2 2B
A + B AB
(2.88)
Hier werden die Komponenten A2 und B2 zunächst in sogenannte Radikale zerschlagen, die dann
ihrerseits zum Endprodukt reagieren. Das Gleichgewicht der ersten beiden Reaktionen liegt bei
tiefen Temperaturen sehr stark auf der linken Seite. Damit werden in einer Mischung aus A2
und B2 die Massenproduktionen der ersten beiden Reaktionen verschwinden. Da aber praktisch
keine Radikale vorhanden sind, verschwindet auch die Massenproduktion der letzten Reaktion.
Erst bei höheren Temperaturen entstehen soviel Radikale, daß die Reaktion nach (2.81) in Gang
kommt. In dieser Modellierung scheint der Begriff des metastabilen Gleichgewichts überflüssig:
Es existiert eine Hemmung, aber alle Reaktionen sind mit verschwindener Massenproduktion im
Gleichgewicht.
2.3
Zusammenfassung
Dieser Abschnitt faßt die Gleichungen, die im weiteren Verlauf der Arbeit verwendet werden,
zusammen.
Die Bilanzgleichungen für Dichte, Konzentrationen, Impuls und Gesamtenergie:
∂
∂t
∂ρ ∂ρvi
+
=0
∂t
∂xi
(2.89)
∂ρcα
∂ (α)
+
ρcα vi + Ji
= τα
∂t
∂xi
(2.90)
∂ρvj
∂
+
(ρvj vi + pδij − τij ) = 0
∂t
∂xi
(2.91)
P
P
P
∂
(α)
1 2
1 2
ρ
cα εα + 2 v
+
ρ
cα hα + 2 v vi + qei + α hα Ji − τij vj = 0 (2.92)
∂xi
α
α
Der Gesamtdruck
p (ρ, T, cα ) = ρ
mit der effektiven Molzahl
R
T
f
M (cα )
(2.93)
P cα
1
= α
f
Mα
M
(2.94)
Die innere Energie und Enthalpie einer Komponente
(α)
(2.95)
(α)
(2.96)
εα (T ) = c(α)
v (T − TR ) + εR
hα (T ) = c(α)
p (T − TR ) + hR
mit den spezifischen Wärmen eines idealen Gases entsprechend der Atomanzahl nach
c(α)
v = zα
R
Mα
c(α)
p = (zα + 1)
(2.97)
R
Mα
(2.98)
16
KAPITEL 2. FELDGLEICHUNGEN
Die Materialgleichungen für die Spannungen, Wärmefluß und Diffusionsflüsse
∂v<i
∂xj>
∂T
qei = −λ
∂xi
∂cα
(α)
Ji = −Dα
∂xi
(2.99)
τij = 2 µ
(2.100)
(2.101)
sowie die Massenproduktionen
τα = Mα
X
00
0
γα,m
− γα,m
λm
(2.102)
m
mit den Reaktionslaufzahlen
0
λm = km
Y
γ0
00
nββ,m − km
β
Y
γ 00
nββ,m
(2.103)
β
in Abhängigkeit der Teilchenzahldichten und Geschwindigkeitskonstanten
0
Em
0
km
(T ) = a0m (T ) e− RT
(2.104)
00
Em
− RT
(2.105)
00
km
(T ) = a00m (T ) e
Kapitel 3
Die Chapman-Jouguet-Theorie
Weit vor und weit hinter der Flammenfront herrscht thermodynamisches Gleichgewicht. Diese
Zustände allerdings sind nicht unabhängig von einander, sondern durch Beziehungen verknüpft,
die in der Chapman-Jouguet-Theorie abgeleitet werden. Die Theorie liefert damit die Randbedingungen für einen Verbrennungsprozess.
Die Chapman-Jouguet-Theorie stellt eine Erweiterung der Rankine-Hugoniot-Beziehungen
aus der Theorie der Verdichtungsstöße ohne chemische Reaktion auf den Fall von reagierenden Mischungen dar. Für verschwindende chemische Reaktion reduziert sich das Ergebnis der
Chapman-Jouguet-Theorie auf die Rankine-Hugoniot-Beziehungen.
Über den Verlauf der Feldgrößen durch die Verbrennungsfront hindurch trifft die ChapmanJouguet-Theorie keine Aussage. Trotzdem liefert die Theorie grundsätzliche Ergebnisse an Hand
derer Flammen klassifiziert werden. Eine gute Darstellung der Chapman-Jouguet-Theorie findet
sich in [2].
In diesem Kapitel stelle ich zuerst die Chapman-Jouguet-Theorie und die Klassifikation von
Flammen vor und gebe dann einige Ergebnisse der Theorie für das Beispiel des Ozonzerfalls an.
3.1
Das Hugoniot-Diagramm
Im folgenden wird das stationäre Szenario entsprechend Abb. 1.2 zugrunde gelegt. Die Zustände
links, bzw. weit vor der Front werden mit dem Index 0, die rechts bzw. weit hinter der Front
mit dem Index 1 bezeichnet.
Die Bilanzgleichungen für die Dichte (2.89), den Impuls (2.91) und die Gesamtenergie (2.92)
lauten im stationären Fall:
∂ρvi
=0
(3.1)
∂xi
∂
(ρ vj vi + p δij − τij ) = 0
∂xi
P
P
∂
(α)
1 2
ρ
cα hα + 2 v vi + qei + α hα Ji − τij vj = 0
∂xi
α
(3.2)
(3.3)
Diese Gleichungen werden jetzt über das gesamte Volumen des Kanals von weit vor bis weit hinter
der Verbrennungsfront integriert. Die Wand des Kanals sei adiabat und außerhalb herrsche ein
17
18
KAPITEL 3. DIE CHAPMAN-JOUGUET-THEORIE
konstanter Außendruck, damit bleiben nach Anwendung des Gauß’schen Satzes nur die Ein- und
Austrittsflächen vor und hinter der Front.
Z
ρvi dAi = 0
(3.4)
A0 +A1
Z
(ρ vj vi + p δij − τij ) dAi = 0
(3.5)
P
P
(α)
ρ
cα hα + 21 v 2 vi + qei + α hα Ji − τij vj dAi = 0
(3.6)
A0 +A1
Z
α
A0 +A1
Die Flächen sind so weit von dem Bereich der Verbrennung entfernt, daß sich die Strömung dort
im thermodynamisches Gleichgewicht befindet, d.h. es gilt:
τij ≡ 0
qei ≡ 0
(α)
Ji
(3.7)
≡0
Außerdem nehmen wir eine homogene Verteilung der Felder über die Flächen an, womit sich bei
konstantem Querschnitt des Kanals die Gleichungen
ρ0 v0
2
ρ0 v0 + p0
1 2
2 v0 + h0
= ρ1 v1
=
=
ρ1 v12 + p1
1 2
2 v1 + h1
(3.8)
(3.9)
(3.10)
ergeben. Die Summe über die Konzentrationen und Enthalpien der Komponenten wurde zu einer
Gesamtenthalpie h zusammengefaßt. Mit der Materialgeichung (2.96) ist diese durch
X
h(T, cα ) =
cα hα (T )
α
=
X
(α)
cα c(α)
(T
−
T
)
+
h
R
p
R
(3.11)
α
gegeben. Der Druck p berechnet sich durch (2.93)
p(ρ, T, cα ) = ρ
R
T
f
M
(3.12)
f nach (2.94).
mit der effektiven Molzahl M
In einigen Darstellungen der Chapman-Jouguet-Theorie wird die räumliche Ausdehnung des
Bereichs der Verbrennung vernachlässigt und die Flammenfront so als Diskontinuität betrachtet.
Die Gleichungen (3.8)-(3.10) bilden dann die Sprungbedingungen der Bilanzgleichungen an einer
singulären Fläche.
Ein Vergleich mit der Herleitung der Rankine-Hugoniot-Beziehungen für Verdichtungsstöße
zeigt, das dort formal die selben Gleichungen wie in (3.8)-(3.10) verwendet werden. Ein Unterschied macht sich erst in der Gleichung für die Enthalpie (3.11) bemerkbar: In der ChapmanJouguet-Theorie werden die Enthalpie-Konstanten berücksichtigt, da diese durch chemische Reaktionen Energie freisetzen.
3.1. DAS HUGONIOT-DIAGRAMM
19
Zusammen mit den Gleichungen für die Enthalpie und den Druck bilden die Gleichungen
(3.8)-(3.10) ein algebraisches System, um die Dichte ρ, Geschwindigkeit v und Temperatur T
hinter der Front aus ihren Werten vor der Front auszurechnen. Hierzu müssen außerdem die
Konzentrationen cα sowohl vor als auch hinter der Verbrennung bekannt sein. Vor der Verbrennung ist die Zusammensetzung des Brennstoffgemischs üblicherweise gegeben. Im allgemeinen
ist die Zusammensetzung der Mischung an der Stelle 1 allerdings nicht von vornherein bekannt,
sondern sind durch das Massenwirkungsgesetz an die anderen Feldgrößen gekoppelt. Im Prinzip
tritt also das Massenwirkungsgesetz als Bestimmungsgleichung der Konzentrationen hinter der
Front zu den Gleichungen (3.8)-(3.10) hinzu. Um der oft komplizierten Nichtlinearität des Massenwirkungsgesetzes zu entgehen, werden in der Chapman-Jouguet-Theorie die Konzentrationen
hinter der Verbrennung als bekannt vorausgesetzt. Dies ist zum Beispiel für Flammen der Fall,
in denen die Reaktion praktisch voll durchläuft.
Mit Hilfe der Massenbilanz (3.8) können wir die Geschwindigkeit nach v1 =
anderen Gleichungen ersetzen und erhalten
1
1
− )
ρ0 ρ1
1 1
1
h1 − h0 = ( + )(p1 − p0 )
2 ρ1 ρ0
p1 − p0 = (ρ0 v0 )2 (
ρ0
ρ1 v0
in den
(3.13)
(3.14)
Die Enthalpiedifferenz läßt sich als
h1 − h0 = cp |0 T0
f0
cp |1 M
f1
cp | M
0
p 1 ρ0
−1−Q
p 0 ρ1
(3.15)
schreiben, wobei die aus der idealen Gasgleichung folgende Beziehung
T1
=
T0
f0
M
f1
M
p1 ρ 0
p0 ρ 1
(3.16)
eingesetzt wurde. Ich habe hier mit
cp :=
(α)
α ca cp
(α)
(α)
α ( ca |0 − ca |1 ) hR −cp TR
P
P
Q :=
(3.17)
cp |0 T0
eine massengewichtete spezifische Wärme cp der Mischung und eine dimensionlose Reaktionswärme
Q eingeführt. Letztere umfaßt im wesentlichen die Differenz der Enthalpiekonstanten vor und
nach der Front, also die chemisch frei werdende Energie.
Damit werden die beiden Gleichungen (3.13) und (3.14) ein System zur Bestimmung der
Quotienten von Druck und Dichte. Es ergibt sich die Form
p1
ρ0
2
− 1 = κ0 M0 1 −
(3.18)
p0
ρ1
p 1 ρ0
ρ0
p1
κ0 −1
λ
− 1 − Q = κ0
+1
−1
(3.19)
p 0 ρ1
ρ1
p0
mit κ dem Verhältnis der spezifischen Wärmen der Mischung
κ=
und der Machzahl M der Strömung
cp
cp −
R
f
M
v
M=q
κ ρp
(3.20)
(3.21)
20
KAPITEL 3. DIE CHAPMAN-JOUGUET-THEORIE
jeweils vor der Front. Außerdem erhalten wir einen Parameter
λ :=
f0
c p |1 M
f1
cp | M
(3.22)
0
der die Veränderungen der spezifischen Wärmen und Molzahlen vor und nach der Diskontinuität berücksichtigt. Sind Druck und Dichte ausgerechnet, ergeben sich die Verhältnisse von
Temperatur und Geschwindigkeit aus (3.16), bzw. der Massenbilanz (3.8).
In der Chapman-Jouguet-Theorie werden die Verhältnisse von Druck
p1
p0
(3.23)
v1
ρ0
=
v0
ρ1
(3.24)
p :=
und spezifischen Volumina
v :=
als dimensionslose Größen eingeführt und die beiden Gleichungen (3.18) und (3.19) dann als
Funktionen im (p, v)-Diagramm interpretiert. Aus der ersten Gleichung ergibt sich die sogenannte Rayleigh-Gerade
pRay (v) = 1 + κ0 M02 (1 − v)
(3.25)
und aus der zweiten die Hugoniot-Kurve
pHug (v) =
κ0 +1
2 κ0
κ0 −1 − v + κ0 −1 Q
(2λ−1) κ0 +1
v−1
κ0 −1
(3.26)
Im (p, v)-Diagramm bilden diese Funktionen das sogenannte Hugoniot-Diagramm.
Anschaulich gesprochen liegen auf der Rayleigh-Gerade all die Verhältnisse pp10 und vv10 , die die
Impulsbilanz erfüllen und auf der Hugoniot-Kurve all jene, die der Energiebilanz genügen. Die
Schnittpunkte der beiden Graphen sind damit Lösungen der Gleichungen (3.8)-(3.10), wobei die
Massenbilanz durch das noch unbekannte Verhältnis der Geschwindigkeiten erfüllt wird. Diese
Schnittpunkte bilden dann Endpunkte von Verbrennungen, die durch die jeweilige Machzahl der
Anströmung Mo und der jeweiligen Reaktionswärme Q charakterisiert sind.
Im Fall der verschwindenden chemischen Reaktion ist die Zusammensetzung der Mischung
vor und nach der Front identisch, d.h. die Konzentrationen sind gleich und die Reaktionswärme
entsprechend ihrer Definition (3.17) null. Ebenso wird der Parameter λ = 1. Die Hugoniot-Kurve
reduziert sich dann auf die Stoßadiabate aus der Theorie der Verdichtungsstöße ohne Reaktion.
In die Rayleigh-Gerade geht die chemische Reaktion überhaupt nicht ein: Sie entsteht identisch
zu (3.25) auch bei der Behandlung von Verdichtungsstößen. Ganz analog zum vorhergehenden
Absatz bilden dann die Schnittpunkte zwischen Rayleigh-Gerade und Stoßadiabate Lösungen
der Sprungbedingungen, die sogenannten Rankine-Hugoniot-Beziehungen.
Abb. 3.1 zeigt ein Hugoniot-Diagramm mit verschiedenen Hugoniot-Kurven und zwei RayleighGeraden.
Für verschiedene Machzahlen bilden die Rayleigh-Geraden eine Schar, die durch den Punkt
(1|1) gehen und, da κ0 M02 > 0 ist, negative Steigungen haben. Damit werden alle Punkte mit
p > 1 und v > 1 von der Rayleigh-Gerade nicht erreicht.
Die Hugoniot-Kurve bildet für verschiedene Reaktionswärmen Q eine Schar von Hyperbeln,
dessen Mittelpunkt bei
κ0 −1
κ0 −1
−
(3.27)
(2λ−1) κ0 +1
(2λ−1) κ0 +1
3.2. FLAMMEN
21
Abbildung 3.1: Hugoniot-Diagramm
also im 4.Quadranten liegt. Sie schneidet damit die v-Achse bei
vN ST =
κ0 (1+2Q)+1
κ0 −1
(3.28)
In der Abbildung werden die Nullstellen nicht erreicht.
Die Schnittpunkte zwischen Rayleigh-Gerade und Hugoniot-Kurve lassen sich in zwei grundsätzliche
Bereiche einteilen, die sich durch die Stellung der Rayleigh-Geraden unterscheiden: Zum einen
der Bereich mit Unterschall-Anströmungen, d.h. Machzahlen M0 < 1, bei dem das Volumenverhältnis steigt. Die Lösungen hier werden als Flammen definiert. Das macht Sinn, da bei den im
Experiment beobachteten Flammen das Verhältnis der spezifischen Volumina in der Tat steigt.
In der Abbildung sind die Punkte E und F Flammen. Zum anderen gibt es den ÜberschallBereich mit M0 > 1 und fallendem Volumenverhältnis. Hier entsprechen die Lösungen Detonationen. Dies sind die Punkte B und C. Im Zusammenhang mit diesen Bereichen wird auch vom
Flammen- bzw. Detonationsast der Hugoniot-Kurve gesprochen.
In der Abbildung ist auch die Stoßadiabate, d.h. die Hugoniot-Kurve mit Q = 0 zu sehen.
Der Schnittpunkt D bildet einen Verdichtungsstoß. Ein Vergleich mit Punkt C macht noch einmal den Umstand deutlich, daß ein Verdichtungsstoß im Rahmen der Chapman-Jouguet-Theorie
als der Grenzfall einer Verbrennung, genauer: einer Detonation, bei verschwindener chemischen
Reaktion interpretiert werden kann. Im Prinzip läßt sich eine Detonation auch als Verdichtungsstoß und nachfolgender Flamme betrachten. Detonationen sind allerdings ein Gegenstand für
sich: Ich werde hier nicht weiter darauf eingehen.
3.2
Flammen
Schon in Abb. 3.1 läßt sich erkennen, daß es im allgemeinen zwei Schnittpunkte zwischen
Rayleigh-Gerade und Hugoniot-Kurve gibt. Darauf wird im folgenden eingegangen.
22
KAPITEL 3. DIE CHAPMAN-JOUGUET-THEORIE
Abbildung 3.2: Klassifikation von Flammen
3.2.1
Klassifikation
Für den Schnittpunkt erhält man durch Gleichsetzen von (3.25) und (3.26)
r
1+κ0 M02
(2λ−1)κ0 +1
1,2
λ
2
2
v = (2λ−1)κ0 +1 M 2
1± 1− 2
2 M0 2 (1 + Q) + (κ0 − 1) M0
λ (1+κ0 M02 )
0
p1,2 = 1 + κ0 M02 1 − v1,2
(3.29)
(3.30)
Oft wird zur Vereinfachung angenommen, daß sich die Molzahlen und spezifische Wärmen
durch die Flamme hindurch nicht ändern, d.h. daß der Parameter λ = 1 ist, womit sich das
obige Ergebnis in die etwas kompaktere Form
q
2
2
1,2
1
2
2
(3.31)
M0 − 1 − 2 (κ0 + 1) M0 Q
v = M 2 (κ +1) 1 + κ0 M0 ±
0
0
q
2
1,2
2
1
2
2
p = κ0 +1 1 + κ0 M0 ∓ κ0
(3.32)
M0 − 1 − 2 (κ0 + 1) M0 Q
bringen läßt. Das Temperaturverhältnis wird dann mit
T 1,2 =
f0
M
p1,2 v1,2
f1
M
(3.33)
aus dem Druck- und Volumenverhältnis nach (3.16) ausgerechnet. In Abhängigkeit von der
Anströmmachzahl M0 , sowie der Reaktionswärme Q gibt es entweder zwei Lösungen, genau
eine oder keine Lösung, jenachdem ob der Radikand in (3.29) positiv, null oder negativ ist.
In Abb. 3.2 sind die verschiedenen Fälle für eine Hugoniot-Kurve, d.h. für feste Reaktionswärme, dargestellt. Es wird nur der Flammenast betrachtet. Für eine gewisse Machzahl, die
Chapman-Jouguet-Machzahl M0CJ , gibt es genau einen Schnittpunkt, der demgemäß ChapmanJouguet-Punkt genannt wird. Die Lösung, eine Chapman-Jouguet-Flamme, ist durch eine praktisch eins werdende Machzahl M1 hinter der Flamme gekennzeichnet (Vgl. 3.2.2). Wie sich
zeigen läßt, trennt der Chapman-Jouguet-Punkt damit den Flammenast in ein Gebiet der
Überschallverbrennung mit Machzahlen hinter der Flamme M1 > 1 (unterer Flammenast) und
ein Gebiet der Unterschallverbennung mit M1 < 1 (oberer Flammenast). Für Anströmmachzahlen
M0 < M0CJ existiert jeweils eine Lösung auf dem oberen und eine auf dem unteren Flammenast.
Für Machzahlen M0 > M0CJ gibt es keine Lösung mehr.
3.2. FLAMMEN
23
Im Experiment werden überhaupt keine Überschallverbrennungen beobachtet. Eine Erklärung
für diesen Umstand gibt die Chapman-Jouguet-Theorie nicht und auch außerhalb der Theorie
ist mir keine befriedigende Erklärung bekannt. Von den Unterschallverbrennungen verläuft im
Experiment unter Normalbedingungen der Großteil näherungsweise isobar, d.h. mit so kleiner
Anströmmachzahl, daß die Änderung des Druckverhältnisses entlang der Rayleigh-Gerade vernachlässigt werden kann. Durch entsprechende Randbedingungen lassen sich aber auch schnelle
Flammen, bis hin zur Chapman-Jouguet-Flamme, erzeugen.
In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, daß mit der Anströmgeschwindigkeit auch
die Machzahl M0 für eine Flamme nicht von vorn herein bekannt ist. Zu einer gegebenen Verbrennung stellt sich im Experiment die Flammengeschwindigkeit von selbst ein. (Vgl. Kapitel 1
und Abschnitt 4.2.2) Zu jeder Flamme steht damit die Anströmmachzahl fest. In der ChapmanJouguet-Theorie ist daher die Sprechweise ”zu einer Machzahl M0 gibt es verschiedene Flammenlösungen” vielleicht etwas irreführend. Gemeint sind Experimente mit unterschiedlichen Verbrennungen, die die entsprechenden Flammengeschwindigkeiten realisieren.
3.2.2
Zum Chapman-Jouguet-Punkt
Die zum Chapman-Jouguet-Punkt gehörende Machzahl, sowie Reaktionswärme ergeben sich
durch Nullsetzen des Radikanden in 3.29. Bei fester Reaktionswärme muß die Chapman-JouguetMachzahl dann der biquadratischen Gleichung
κ2 λ2 − (κ − 1) ((2λ − 1) κ + 1) M04 + 2 κλ2 − (1 − Q) ((2λ − 1) κ + 1) M02 + λ2 = 0 (3.34)
genügen. Von den vier Lösungen liegt genau eine im Intervall [0|1]. Diese gibt dann den Wert
von M0CJ an. Ich verzichte hier auf die Angabe der etwas länglichen allgemeinen Form. Für den
Fall konstanter Molzahlen und spezifischer Wärmen durch die Flamme hindurch, d.h. λ = 1
lautet die Chapman-Jouguet-Machzahl
r
q
M0CJ =
1 − Q (κ + 1) −
(1 − Q (κ + 1))2 − 1
(3.35)
Um die Machzahl hinter einer Chapman-Jouguet-Flamme auszurechnen, betrachte ich zunächst
die Ableitungen der Rayleigh-Geraden und der Hugoniot-Kurve in der Form
dpRay
= −κ0 M02
dv
(3.36)
(2λ−1) κ0 +1
p+1
dpHug
κ0 −1
= − (2λ−1)
κ
+1
0
dv
v−1
(3.37)
und
κ0 −1
Am Chapman-Jouguet-Punkt müssen beide Ableitungen gleich sein, da die Rayleigh-Gerade die
Hugoniot-Kurve tangiert. Es ergibt sich die Beziehung
(2λ−1) κ0 +1
κ0 −1
κ0 M02 vCJ − pCJ = 1 + κ0 M02 ,
(3.38)
in der die rechte Seite mit der Rayleigh-Geraden in der Form
1 + κ0 M02 = κ0 M02 v + p
(3.39)
24
KAPITEL 3. DIE CHAPMAN-JOUGUET-THEORIE
ersetzt wird. Diese Form gilt insbesondere für v = vCJ und p = pCJ . Damit laßt sich die Gleichung
(3.38) in die Form
pCJ
(λ − 1) κ0 + 1
= M02
(3.40)
CJ
v
λ
bringen, die das Verhältnis der Quotienten von Druck und Volumen im Chapman-Jouguet-Punkt
angibt. Aus diesem Verhältnis berechnet sich ganz allgemein die Machzahl hinter der Flamme
r
κ0 v
M1 =
M0
(3.41)
κ1 p
was sich durch Einsetzen der Definition (3.21) leicht überprüfen läßt. Mit (3.40) erhalte ich für
die Machzahl hinter einer Chapman-Jouguet-Flamme
s
λ
κ0
(3.42)
M1CJ =
κ1 (λ − 1) κ0 + 1
In der mir bekannten Literatur wird M1CJ = 1 angegeben. (Siehe z.B. [2] und [24]) Im allgemeinen ist das falsch, nur unter der verbreiteten Annahme konstanter Molzahlen und spezifischer
Wärmen durch die Flamme hindurch, d.h. λ = 1 und κ0 = κ1 , ergibt sich die rechte Seite von
(3.42) zu eins.
3.2.3
Die Flamme als Verdünnungsstoß
Wir betrachten nun zunächst noch einmal das Hugoniot-Diagramm in Abb. 3.1. In ihr ist der
Punkt D als Endpunkt eines Verdichtungsstoßes eingetragen. Dieser Punkt ist der Schnittpunkt
von Rayleigh-Gerade und Stoßadiabate, was den Rankine-Hugoniot-Beziehungen entspricht. Es
gibt allerdings noch einen zweiten Schnittpunkt von Rayleigh-Gerade und Stoßadiabate: Dieser
liegt auf der Stoßadiabaten bei Volumenverhältnissen v > 1 und wird von der Rayleigh-Geraden
für Machzahlen M0 < 1 erreicht. In der Abb. 3.1 liegt dieser Schnittpunkt jenseits des rechten
Rand. Dieser Endpunkt ist eine gültige Lösung der Rankine-Hugoniot-Beziehungen und bildet
einen sogenannten Verdünnungsstoß. Bekanntermaßen ist dieser Verdünnungsstoß allerdings ein
adiabater Prozeß mit Entropieverlust und wird daher durch den 2.Hauptsatz ausgeschlossen.
Die Abb. 3.3 verdeutlicht diese Tatsache. In ihr ist das Hugoniot-Diagramm zusammen mit der
Isentrope durch den Punkt (1|1) zu sehen. Falls keine chemische Reaktion stattfindet, unterteilt diese Isentrope das Diagramm in Punkte, in denen die Entropie gegenüber dem Punkt
(1|1) zunimmt (oberhalb der Isentrope) und in Punkte, in denen die Entropie abnimmt. Die
Isentrope fällt etwas langsamer ab als die Stoßadiabate und dadurch liegt der Endpunkt des
Verdünnungsstoßes im Gebiet der Entropieerniedrigung.
Der Vergleich der Punkte C und D in Abb. 3.1 legt die Interpretation einer Flamme als
Verdünnungsstoß mit chemischer Reaktion nahe. Im allgemeinen wird die Flamme jetzt nicht
mehr wie der Verdünnungsstoß durch den 2.Hauptsatz ausgeschlossen. Durch die chemische
Reaktion kann der Schnittpunkt zwischen Rayleigh-Gerade und Hugoniot-Kurve in ein Gebiet
mit Entropieerhöhung verschoben werden. Abb. 3.1 macht das plausibel, da beispielsweise der
Endpunkt C einer Flamme oberhalb der Isentropen liegt. Problematisch ist allerdings, daß die
Isentrope in der Abbildung nur für den Fall ohne chemische Reaktion gilt. Für eine bestimmte
Flamme gilt immer eine spezifische Isentrope, die von der Reaktionsentropie und der Mischungsentropie des jeweiligen Verbrennungsprozesses abhängt.
3.3. BEISPIEL: OZONZERFALL
25
Abbildung 3.3: Zur Entropiebedingung
Um die Entropieänderung bei einer Verbrennung auszurechnen, wird die Entropie einer Mischung idealer Gase in der Form
!
!
1−κ
X
(α)
κ
p
T
s(p, T, cα ) =
+ sR
+ sM ix
(3.43)
cα c(α)
p ln TR pR
α
verwendet. (Hierin ist p der tatsächliche Druck, nicht das Verhältnis wie oben.) Die Mischungsentropie berechnet sich aus den Konzentrationen nach
c
sM ix (cα ) = −
X
α
cα
α
R
ln PMαcβ .
Mα
β M
(3.44)
β
Damit schreibt sich die Entropieänderung in einer Verbrennung
!
!
1−κ1
1−κ0
κ
κ
p
p
1
0
s1 − s0 = cp |1 ln TTR1 pR1
− cp |0 ln TTR0 pR0
+ ∆sR + ∆sM ix
(3.45)
mit der freiwerdenden Reaktionsentropie
∆sR =
X
(α)
( cα |1 − cα |0 ) sR
(3.46)
α
sowie der Differenz der Mischungsentropie
∆sM ix = sM ix ( cα |1 ) − sM ix ( cα |1 )
(3.47)
Um festzustellen, daß eine Flamme dem 2.Hauptsatz nicht widerspricht, muß der von der
Chapman-Jouguet-Theorie gelieferte Endpunkt, eingesetzt in (3.45), die Bedingung
s1 − s0 > 0
erfüllen.
3.3
Beispiel: Ozonzerfall
Um eine Vorstellung von den Größenordnungen der in einer Flamme auftretenden Größen zu
bekommen, gebe ich hier einige Ergebnisse der Chapman-Jouguet-Theorie am Beispiel des Ozonzerfalls an.
26
KAPITEL 3. DIE CHAPMAN-JOUGUET-THEORIE
Die Reaktionsgleichung für die Zersetzung der Ozons lautet
2O3 −→ 3O2
Die benötigten Konstanten sind in den folgenden Tabellen zusammen gefaßt:
Sauerstoff O2
Enthalpiekonstante
(2)
J
hR = 0 kg
Ozon O3
J
hR = 3, 0 · 106 kg
Entropiekonstante
(2)
sR = 6, 4 · 103 kgJK
(3)
(3)
sR = 5, 0 · 103 kgJK
Sauerstoff O2
Molzahl
M2 = 32
Spezifische Wärme
(2)
cp = 72 MR2 = 909 kgJK
Ozon O3
M3 = 48
cp = 4 MR3 = 693 kgJK
(3)
Die Enthalpiekonstante einer Substanz im Standardzustand, d.h. in dem Zustand, in dem es sich
bei Standardbedingungen befindet, wird null gesetzt. Die Enthalpiekonstante von Derivaten, hier
das Ozon, wird dann in Bezug auf den Standardzustand angegeben.
In diesem Beispiel soll eine Mischung aus 50% Ozon und 50% Sauerstoff (massengewichtet) komplett zu Sauerstoff zerfallen. Die Konstanten der Mischungen jeweils vor und nach der
Flamme sind dann wie folgt gegeben:
Vorher
c2 |0 = 12
c3 |0 = 12
f0 = 38, 4
M
cp |0 = 801 kgJK
κ0 = 1, 37
O2 -Konzentration
O3 -Konzentration
Molzahl
Spezifische Wärme
Adiabaten-Koeffizient
Nachher
c2 |1 = 1
c3 |1 = 0
f1 = 32
M
cp |1 = 909 kgJK
κ1 = 1, 4
Der in der Hugoniot-Kurve benötigte Parameter λ, sowie die Reaktionswärme Q lauten
λ = 0, 946
Q = 5, 789
Außerdem wird die Reaktionsentropie und die Differenz der Mischungsentropie
∆sR
c p |0
∆sM ix
cp |0
= 0, 874
= −0, 908
benötigt, um die Entropieänderung auszurechnen. Beachtenswert ist hier, daß in der Reaktion
Entropie frei wird, was wohl auf die Zerstörung der ”geordneten” Ozon-Moleküle zurück zu
führen ist. Außerdem dürfte die Flamme, wenn es nur auf die Mischungsentropie ankäme, nicht
existieren, da eine Entmischung stattfindet. Erst durch die anderen Terme in (3.45) kommt es
zu einem Entropiegewinn.
Die Ergebnisse der Chapman-Jouguet-Theorie für verschiedene Machzahlen stellt folgende
Tabelle dar:
M0
v0
0,001
0,01
0,1
0,17425...
0,297 m
s
2,97 m
s
29,7 m
s
51,8 m
s
ρ1
ρ0
v1
2,147
21,48
233,0
585,9
m
s
m
s
m
s
m
s
0,14
0,14
0,13
0,09
p1
1,013
1,012
0,919
0,585
∆s
c p |0
T1
bar
bar
bar
bar
2138
2138
2104
1920
K
K
K
K
2,20
2,20
2,22
2,26
3.3. BEISPIEL: OZONZERFALL
27
Für kleine Machzahlen ist die Flamme nahezu isobar. Der Dichtesprung auf 14% der ursprünglichen Dichte zeigt die starke Verdünnung an, die durch den schnelle Abtransport aufgrund der hohen Geschwindigkeit v1 hinter der Flamme zu erklären ist. Die Endtemperatur sinkt
mit steigender Machzahl, da immer mehr Energie für die Beschleunigung des Sauerstoffs auf die
Endgeschwindigkeit benötigt wird. Die Chapman-Jouguet-Machzahl liegt für diese Flamme bei
M0CJ = 0.17425..., für größere Machzahlen gibt es keine Lösung mehr.
28
KAPITEL 3. DIE CHAPMAN-JOUGUET-THEORIE
Kapitel 4
Einfache Flammen
Im Folgenden werden wir uns mit dem sehr einfachen Flammenmodell der Form A → B
beschäftigen. Obwohl dieses Modell sehr grob ist, lassen sich qualitativ einige Aussagen über
das Verhalten und die Mechanismen in Flammen machen, die auch für realistischere Reaktionsmodelle gelten.. (Siehe auch [24] und [8])
Die vorausgesetzte stätionäre Betrachtungsweise bringt bemerkenswerte mathematische Aspekte mit sich. Diese und die verwendeten Lösungsverfahren werden im letzten Abschnitt dieses
Kapitels vorgestellt.
4.1
Gleichungen
Wir betrachten die stationäre Flammenfront wie sie in Abb. 1.2 zu sehen ist. Die Anströmbedingungen
sind Normalbedingungen mit T0 = 298 K und p0 = 1, 013 bar. Die Front habe in der Mitte
einen Bereich in dem sich die Veränderlichkeit der Größen quer zur Ausbreitungsrichtung vernachlässigen läßt. Damit wird das Problem eindimensional: Alle Größen hängen nur von der
Ausbreitungsrichtung x ab und nur die Komponente der Geschwindigkeit in dieser Richtung ist
von null verschieden. Sie wird mit v bezeichnet.
Als weitere Einschränkung werden die viskosen Effekte vernachlässigt. Dies dient einerseits
zur Vereinfachung getan, andererseits ist es für langsame Flammen keine schlechte Annahme.
Die Gleichungen (2.89)-(2.92) reduzieren sich damit zu
dρv
=0
dx
(4.1)
d
(ρvcα + Jα ) = τα
dx
(4.2)
d
ρv 2 + p = 0
dx
(4.3)
P
P
d
1 2
ρv
+ qe + α hα Jα = 0
α cα hα + 2 v
dx
(4.4)
Im stationären Fall empfiehlt es sich, den Diffusionsstrom durch den Partialmassenstrom gα
einer Komponente α nach
gα := ρα vα = ρvcα + Jα
(4.5)
29
30
KAPITEL 4. EINFACHE FLAMMEN
zu ersetzen. Die Gleichungen (4.1), (4.3) und (4.4) lassen sich aufintegrieren. Als Integrationskonstanten wählen wir die Integranden an einer Stelle weit vor der Flamme (Index 0), an der
sich die Strömung im thermodynamischen Gleichgewicht befindet, d.h. der Wärmestrom qe und
der Diffusionsstrom Jα verschwinden. Es entstehen die Gleichungen
ρv = ρ0 v0
2
ρv + p =
P
α gα hα
+ 21 ρv 3 + qe =
(4.6)
ρ0 v02
+ p0
(4.7)
P
gα |0 hα |0 + 12 ρ0 v03
(4.8)
α
zu denen die Partialmassenbilanz
dgα
= τα
(4.9)
dx
hinzutritt. Hierin werden Materialgleichungen für den Druck p, die Enthalpien hα , den Wärmestrom
qe, die Partialmassenströme gα , oder die Diffusionsströme Jα und die Massenproduktionen τα gebraucht.
Die Gleichungen (4.6) und (4.7) sind den Gleichungen (3.8) und (3.9) sehr ähnlich. In der
Chapman-Jouguet-Theorie galten die Gleichungen nur zwischen den Zuständen weit vor und weit
hinter der Flamme, hier gelten sie für beliebige Punkte in der Flamme, da wir die Viskosität
durch die gesamte Flamme hindurch vernachlässigt haben. In der Chapman-Jouguet-Theorie
entsteht aus diesen beiden Gleichungen die Rayleigh-Gerade. Für das vorliegende Flammenmodell heißt das, daß sich die Feldgrößen durch die Flamme hindurch immer entlang der RayleighGerade im Hugoniot-Diagramm bewegen.
4.1.1
Chemisches Modell
Als chemisches Modell legen wir die Reaktion zwischen den Komponenten A, dem Brennstoff
(Index 1), und B, dem Produkt (Index 2), nach
k
A −→ B
(4.10)
zugrunde. In der Literatur wird hierbei manchmal von einer Umordnungsreaktion gesprochen,
in der sich ein angeregtes Molekül in ein anderes umordnet.
Die beiden Komponenten besitzen aus Konsistenzgründen die gleichen Molzahlen M1 =
M2 ≡ M . Es wird im folgenden nur noch die Komponente 1, der Brennstoff, betrachtet. Da
sich die Konzentrationen zu eins summieren, läßt sich aus der Konzentration der Komponente
1 jederzeit die der Komponente 2 ausrechnen.
Die Massenproduktion des Brennstoffs ergibt sich dann nach (2.102) und (2.103) zu
τ1 = −M k n1
(4.11)
mit der Teilchenzahldichte n1 , die über
n1 =
ρ
c1
M
(4.12)
mit der Konzentration zusammenhängt. Für die Geschwindigkeitskonstante k wird nach (2.104)
ein Arrhenius-Ansatz
E
k (T ) = a (T ) e− RT
(4.13)
4.1. GLEICHUNGEN
31
gemacht. Die Massenproduktion hat damit die Form
E
τ1 = −b
a c1 e− RT
(4.14)
Für die Funktion a (T ) im Arrhenius-Ansatz nehmen wir zur Vereinfachung gerade solch eine
Abhängigkeit an, daß
ρ
b
a=
a (T ) = const
(4.15)
M
gilt. Das ist eine harte Annahme: Sie kann dadurch gerechtfertigt werden, daß die Geschwindigkeitskonstanten der chemischen Reaktionen oft eine leichte Druckabhängigkeit zeigen, sodaß b
a
tatsächlich eine Konstante wird.
Die gesamte chemische Modellierung ist hier ein sehr stark vereinfachtes Modell. Im vorliegenden Beispiel einer Flamme kommt es nicht auf naturgetreue Abbildung, sondern auf die
wesentlichen Effekte an.
4.1.2
Materialgleichungen
Für die Enthalpie der Komponenten wird der lineare Zusammenhang (2.96)
(α)
hα (T ) = c(α)
p (T − TR ) + hR
(4.16)
benutzt. Hierin wird die zusätzliche Annahme
c(α)
p = cp = const
(4.17)
gemacht, d.h. die spezifischen Wärmen der beiden Komponenten unterscheiden sich nicht. Die
(1)
(2)
Enthalpiekonstanten sind für beide Stoffe unterschiedlich und zwar hR > hR , denn bei der
Reaktion (4.10) soll Wärme frei werden.
Mit der Eigenschaft
P
α gα
= ρv
(4.18)
der Partialmassenströme, läßt sich in unserem Beispiel mit g2 = ρv − g1 der Partialmassenstrom der Komponente 2 eliminieren. Die in der Gleichung (4.8) auftretende Summe über die
Enthalpien schreibt sich damit
P
(1)
(2)
g
h
=
ρv
c
T
+
g
h
−
h
+ const ,
(4.19)
p
1
α α α
R
R
wobei der konstante Term auf beiden Seiten von (4.8) herausfällt.
Für den Druck mit (2.93) gilt einfach
p=ρ
R
T ,
M
(4.20)
da sich die Molzahlen der Komponenten nicht unterscheiden.
Im Fourier’schen Gesetz (2.100) für den Wärmestrom
qe = −λ
dT
dx
wird die Wärmeleitfähigkeit λ als konstant angenommen.
(4.21)
32
KAPITEL 4. EINFACHE FLAMMEN
Da die Diffusionsströme Jα durch die Partialmassenströme gα ersetzt wurden, schreibt sich
das Fick’sche Gesetz (2.101) in der Form
g1 = ρv c1 − D
dc1
dx
(4.22)
Der Diffusionskoeffizient wird konstant gesetzt. Da nur die Konzentration des Brennstoffs betrachtet wird, ist auch nur das Fick’sche Gesetz für die erste Komponente notwendig.
Üblicherweise werden die Materialgleichungen alle in (4.6)-(4.9) eingesetzt, so daß ein geschlossenes System von Feldgleichungen entsteht. In diesem Fall ist es günstiger den Partialmassenstrom g1 als Variable zu betrachten und das Fick’sche Gesetz (4.22) als seine Bestimmungsgleichung den Gleichungen (4.6)-(4.9) hinzuzufügen. Der Vorteil ist, daß die entstehenden
Diferentialgleichungen damit nur von 1.Ordnung sind.
4.1.3
Feldgleichungen
Es werden die folgenden dimensionslose Größen eingeführt
Tb = TT0
gb = ρ0gv0
vb =
x
b=
v
v0
x
x0
mit x0 =
λ
ρ0 v 0 c p
,
(4.23)
wobei ρ0 , v0 und T0 die Dichte, Geschwindigkeit und Temperatur der Anstömung weit vor der
Flamme sind.
Die Dichte läßt sich mit Hilfe der Massenbilanz (4.6) aus allen anderen Gleichungen eliminieren. In dimensionloser Darstellung ergeben sich die übrigen Gleichungen zu
κM02 vb +
Tb
= κM02 + 1
vb
dTb
= Tb − 1 + (b
g − gb|0 ) Q +
db
x
2
κ−1
2 M0
(4.24)
vb2 − 1
b
T
db
g
− akt
= −µ c e Tb
db
x
(4.25)
(4.26)
dc
= c − gb
(4.27)
db
x
Die ersten drei sind die Bilanzgleichungen aus (4.7)-(4.9), die letzte ist das Fick’sche Gesetz
(4.22), da wir den Partialmassenstrom als Variable betrachten. Die Impulsbilanz (4.24) bildet
keine Differentialgleichung, sondern liefert lediglich einen algebraischen Zusammenhang zwischen der Temperatur und der Geschwindigkeit. Der Komponenten-Index wurde weggelassen,
da jeweils nur die erste Komponente betrachtet wird.
Le
Die auftretenden Parameter sind durch
M0 = q
v0
R
T0
κM
λb
a
µ=
(ρ0 v0 )2 cp
(1)
(2)
h − hR
Q= R
cp T0
κ=
cp
R
cp − M
E
Tbakt =
R T0
Le =
D cp
λ
(4.28)
4.2. ERGEBNISSE UND DISKUSSION
33
definiert. Es sind dies die Machzahl der Anströmung M0 , das Verhältnis der spezifischen Wärmen
κ, der sogenannte Flammeneigenwert µ, eine dimensionslose Aktivierungstemperatur Tbakt , die dimensionslose Reaktionswärme Q und die Lewiszahl der Diffusion Le, die die relative Wichtigkeit
von Diffusion und Wärmeleitung charakterisiert. Eine besondere Rolle spielt der Flammeneigenwert µ; auf ihn wird im folgenden noch eingegangen.
Die obigen Gleichungen bilden jetzt ein System zur Bestimmung von Geschwindigkeit vb,
Temperatur Tb, Konzentration c und Partialmassenstrom gb.
4.1.4
Randbedingungen
Als Randbedingungen sind die Zustände vor und nach der Flamme gegeben. Vor der Flamme
lauten sie
vb|0 = 1
Tb = 1
0
b
c|0 = c0
(4.29)
gb|0 = c0
wobei c0 die gegebene Anfangskonzentration des Brennstoffs ist und gb|0 durch
gb|0 =
g|0
ρ0 c|0 v0
=
= c|0
ρ0 v0
ρ0 v0
(4.30)
gegeben ist, da der Diffusionsstrom verschwindet.
Hinter der Flamme herrscht chemisches Gleichgewicht. Deshalb verschwindet die Massenproduktion und wir schließen aus (4.14)
c|1 = 0
(4.31)
d.h. die Reaktion ist vollständig abgelaufen. Für den Partialmassenstrom gilt wie oben
gb|1 =
g|1
g|1
=
= c|1 .
ρ0 v0
ρ1 v1
(4.32)
Außerdem verschwindet der Temperaturgradient und (4.24) und (4.25) bilden dann ein Gleichungssystem für die Temperatur und Geschwindigkeit hinter der Flamme. Das Ergebnis entspricht dem der Chapman-Jouguet-Theorie mit den entsprechenden Werten für Machzahl, sowie
Anfangs- und Endkonzentrationen. Insgesamt gilt also
vb|1 → Chapman-Jouguet
Tb → Chapman-Jouguet
1
c|1 = 0
(4.33)
gb|1 = 0
4.2
Ergebnisse und Diskussion
In diesem Abschnitt werden zunächst die abgeleiteten Gleichungen diskutiert. Im Anschluß werden einige Lösungen präsentiert, ohne jedoch auf die Berechnung einzugehen.
34
KAPITEL 4. EINFACHE FLAMMEN
Abbildung 4.1: Prinzipieller Aufbau einer Flammenfront
4.2.1
Der grundlegende Mechanismus
Um die wesentlichen Effekte in einer Flamme zu diskutieren, betrachten wir die Gleichungen
(4.24)-(4.27) unter zwei weiteren Annahmen: Zum einen sei die Machzahl der Anströmung so
klein, daß M02 ≈ 0 gilt, d.h die Geschwindigkeitsterme in (4.25) vernachlässigt werden können.
Zum anderen wird die Diffusion null gesetzt, womit dann wegen Le = 0 aus (4.27)
gb = c .
(4.34)
folgt. Setzen wir außerdem die Anfangskonzentration c0 = 1, lassen sich die verbleibenden
Gleichungen (4.25) und (4.26) folgendermaßen schreiben:
dTb b
= T + c Q − (1 + Q)
db
x
(4.35)
b
T
dc
− akt
= −µ c e Tb
db
x
(4.36)
Die erste Gleichung repräsentiert den 1.Hauptsatz. Auf der rechten Seite steht die Differenz zwischen der lokalen Enthalpie und der Enthalpie der unverbrannten Mischung und auf
der linken Seite die lokale Wärmeabfuhr, die proportional zum Temperaturgradienten ist. Die
zweite Gleichung beschreibt das Verhalten der Brennstoff-Konzentration von Ort zu Ort, die
falls Brennstoff vorhanden ist umso stärker fällt, je höher die Temperatur ist.
Damit läßt sich der grundlegende Mechanismus einer Flamme erklären: Wenn die Temperatur
hoch genug ist, zerfällt der Brennstoff und es ergibt sich eine Enthalpiedifferenz, die als Wärme
in Bereiche mit niedriger Temperatur abgeführt wird. Dadurch wird in diesen Bereichen der
Brennstoff aufgeheizt und kann auch zerfallen, wodurch es wieder zu einer Enthalpiedifferenz
kommt, usw. So entsteht der selbsterhaltende Prozeß einer Flamme.
In Abb. 4.1 ist die Lösung der Gleichungen (4.35) und (4.36) qualitativ dargestellt. Es lassen sich deutlich zwei Zonen unterscheiden: In der Vorwärmzone wird der Brennstoff durch
Wärmeleitung aufgeheizt. Die Temperatur steigt langsam an, bis die Reaktion einsetzt und
der Brennstoff in der Reaktionszone schlagartig verbrennt. Die Temperatur erreicht dann ihren
Endwert, der durch die freiwerdende Reaktionswärme bestimmt ist.
4.2. ERGEBNISSE UND DISKUSSION
4.2.2
35
Der Flammeneigenwert µ
Bei der Berechnung von stationären Flammen spielt der in der Gleichung (4.26) auftauchende
Parameter µ eine ausgezeichnete Rolle: Zu gegebenen Werten der Machzahl, Aktivierungstemperatur, Anfangskonzentration, etc. gibt es nur genau einen Wert von µ für den eine Lösung
der Gleichungen mit den entsprechenden Randbedingungen (4.29) und (4.33) existiert. Mathematisch hat der Parameter µ damit die Funktion eines Eigenwertes.
Um diese Tatsache zu verstehen, betrachten wir die Definition des Parameters. Es gilt
µ=
b
a x0
λb
a
=
2
ρ
(ρ0 v0 ) cp
0 v0
(4.37)
mit der entsprechenden Definition von x0 nach (4.23). Hierin stammt b
a aus der Massenproduktion (4.14) und ρ0 v0 ist der Massenstrom. Der Parameter µ läßt sich dadurch folgendermaßen
interpretieren:
Massenproduktionsdichte
µ=
(4.38)
Massentransportdichte
Die Massenproduktionsdichte beschreibt, wieviel Brennstoff pro Zeit- und Flächeneinheit in
der Flammenfront vernichtet wird. Dieser Wert ist durch die chemische Reaktion fest vorgegeben.
Mit dieser Einsicht ist jetzt klar, warum die Geschwindigkeit der Anströmung nicht beliebige
Werte annehmen kann (Vergl. Kapitel 1): Ist die Geschwindigkeit zu hoch, wird mehr Brennstoff
in die Flammenfront transportiert als die chemische Reaktion vernichten kann. Die Flamme wird
quasi ausgeblasen. Ist die Geschwindigkeit zu niedrig, erreicht weniger Brennstoff die Flamme
als die Reaktion benötigt und die Flamme erstickt. Nach (4.38) beschreibt der Parameter µ
gerade das Verhältnis von Massenproduktions- zu Massentransportdichte.
Das tatsächlich benötigte Verhältnis ist von vornherein nicht bekannt. Es hängt von den
übrigen Parametern des Systems, wie Reaktionswärme, Lewis-Zahl, etc. ab.
In dem Eigenwertverhalten von µ spiegelt sich also die physikalische Tatsache wieder, daß die
Anströmung zu einer Flamme erst richtig eingestellt werden muß, bevor ein stationärer Zustand
überhaupt existiert.
4.2.3
Isobare Flammen
Wir beschäftigen uns nun zunächst mit sehr langsamen Flammen, d.h es handelt sich um Anströmungen mit sehr kleinen Machzahlen, so daß M02 ≈ 0 gilt. Damit lassen sich die Geschwindigkeitsterme in (4.25) vernachlässigen und die Geschwindigkeit folgt nach (4.24) dem selben
Verlauf wie die Temperatur. Nach der Chapman-Jouguet-Theorie sind diese Flammen isobar.
Abb. 4.2 zeigt das Temperatur- und Konzentrationsprofil von isobaren Flammen für verschiedene Parametersätze. (Zur Berechnung siehe Abschnitt 4.3) Allen gemeinsam ist die Reaktionswärme und Anfangskonzentration
Q = 10
c0 =
1
2
.
Zwischen rechts und links wurde die Aktivierungtemperatur gemäß
links :
rechts :
Tbakt = 20
Tbakt = 50
36
KAPITEL 4. EINFACHE FLAMMEN
Abbildung 4.2: Isobare Flammen
verändert. Die Diffusion wurde mit
Le = 1
berücksichtigt. Dies ist für die meisten Fälle eine gute Schätzung des Diffusionskoeffizienten.
Bei den Kurven ohne Diffusion wurde die Lewiszahl null gesetzt. Zum Vergleich der Kurven mit
und ohne Diffusion sollte bemerkt werden, daß sämtliche Lösungen nur bis auf eine beliebige
Verschiebung entlang der x-Achse bestimmt sind. Dies beruht auf der Invarianz der Gleichungen
(4.24)-(4.27) bezüglich einer Verschiebung der x-Koordinate.
Bei den Lösungen mit hoher Aktivierungstemperatur und ohne Diffusion zeigt sich eine
deutliche Verkleinerung der Reaktionszone. Dies ist auf das Verhalten des Arrhenius-Ansatzes
zurückzuführen, der bei hohen Aktivierungstemperaturen die Reaktion schlagartiger ”einschaltet”.
Die Diffusion trägt zu einer generellen Abrundung der Kurven bei. An den Konzentrationsprofilen erkennt man, daß der Brennstoff von vor der Flamme stark in die Flamme hineindiffundiert. Dies zeigt auch der Verlauf des Diffusionsstroms J, der in den Konzentrationdiagrammen
als gepunktete Linie zu sehen ist.
Der nicht gezeigte Partialmassenstrom hat qualitativ den selben Verlauf wie die Konzentration.
Die benötigten Werte des Eigenwertes µ sind in der folgenden Tabelle zusammengefaßt:
Tbakt
20
20
50
50
Le
0
1
0
1
µ
74,923
174,43
28711,9
129235,0
4.2. ERGEBNISSE UND DISKUSSION
37
Abbildung 4.3: Nicht-Isobare Flammen
Wie wir sehen ist im Sinne von Gleichung (4.38) bei Diffusion, sowie bei höherer Aktivierungstemperatur deutlich weniger Massentransport notwendig. Wäre der Wert der Konstanten in
(4.14) explizit vorgegeben, ließe sich jetzt aus den Werten für µ und dessen Definition in (4.28)
die jeweiligen Flammengeschwindigkeiten ausrechnen.
4.2.4
Die Chapman-Jouguet-Flamme
Wir betrachten jetzt nicht-isobare Flammen und variieren die Machzahl M0 der Anströmung.
Die Diffusion wird mit Le = 0 weggelassen. Für einen großen Bereich von Machzahlen ändert
sich die Form der Profile von Temperatur, Geschwindigkeit und Konzentration kaum. Einzig
die Endwerte von Temperatur und Geschwindigkeit ändern sich entsprechend der ChapmanJouguet-Theorie. Erst in der Nähe der Chapman-Jouguet-Machzahl (vergl. Kapitel 3) erscheint
ein interessantes Phänomen.
In Abb. 4.3 sind die Temperatur- und Geschwindigkeitsverläufe für drei nicht-isobare Flammen dargestellt. Die Felder bei den verschiedenen Machzahlen sind dort so skaliert, daß sie alle
zwischen 0 und 1 verlaufen. Die Reaktionswärme, Anfangskonzentration und Aktivierungstemperatur sind
Q=6
c0 =
1
2
Tbakt = 30 .
Die Machzahlen der gezeigten Kurven lauten M0 = 0, 24 / 0, 245 / 0, 24739. Letztere entspricht
für diesen Fall etwa der Chapman-Jouguet-Machzahl. Die Kurven für niedrigere Machzahlen
würden sich nicht mehr sichtbar von der für M0 = 0, 24 unterscheiden.
38
KAPITEL 4. EINFACHE FLAMMEN
Abbildung 4.4: Zur Chapman-Jouguet-Flamme
Bemerkenswert ist das Temperaturmaximum, welches sich schon bei M0 = 0, 245 andeutet
und für die Chapman-Jouguet-Machzahl voll ausgeprägt ist. Es ist charakteristisch für ChapmanJouguet-Flammen und läßt sich bereits im Rahmen der Chapman-Jouguet-Theorie voraussagen.
In Abb. 4.4 sehen wir ein Hugoniot-Diagramm mit Rayleigh-Geraden und Hugoniot-Kurve für
eine Chapman-Jouguet-Flamme. Außerdem sind einige Isothermen eingezeichnet. Im Falle einer
nicht-viskosen Flamme bewegen sich die Felder durch die Flammenfront hindurch genau auf der
Rayleigh-Geraden. (Siehe Abschnitt 4.1) Wie sich erkennen läßt, schneidet die Rayleigh-Gerade
zweimal die selbe Isotherme. Zwischen Anfangs- und Endpunkt muß daher die Temperatur in
der Flamme ein Maximum besitzen.
Die für diese Flammen benötigten Werte des Eigenwertes µ sind
M0
0,24
0,245
0,24739
µ
25750
29700
33300
Bei gleicher chemischer Reaktionsgeschwindigkeit sinkt nach (4.38) die benötigte Massentransportdichte mit wachsender Machzahl der Anströmung.
4.3
Zur Berechnung
Wir wenden uns nun den Verfahren zu, mit denen die Gleichungen (4.24)-(4.25) gelöst werden
können. Dazu folgt zunächst ein Exkurs über die mathematischen Strukturen, die hinter den
Gleichungen stehen.
4.3.1
Exkurs: Heterokline Orbits
”Heterokliner Orbit” ist der mathematische Name für den physikalischen Begriff der stetigen
Stoßstruktur, die zwei Gleichgewichtszustände miteinander verbindet. Eine mathematische Abhandlung dieses Themas findet sich in [4].
4.3. ZUR BERECHNUNG
39
Definitionen
Betrachten wir ein System von gewöhnlichen Differentialgleichungen in der Form
dy (x)
=F y
dx
Hierin wird

y1
y2
..
.


y=

(4.39)





(4.40)
yN
als Zustandsvektor, oder kurz, Zustand, bezeichnet. Jeder Zustand ist ein Punkt im Zustandsraum, der durch die N Achsen aufgespannt wird, auf denen die Größen y1 , y2 , ..., yN aufgetragen
sind. Eine Lösung y(x) des Systems (4.39) zu bestimmten Anfangsbedingungen beschreibt in diesem Raum eine Kurve, die auch als Trajektorie bezeichnet wird. Die Menge aller Lösungskurven
bilden das Phasendiagramm von (4.39). Im Phasendiagramm ist die unabhängige Variable x
eliminiert, bzw. taucht nur noch als Kurvenparameter der Trajektorien auf.
Die Punkte des Zustandsraum, in denen die rechte Seite von (4.39) verschwindet, werden
Fixpunkte genannt.
F y0 = 0
⇐⇒
y 0 Fixpunkt
(4.41)
Oft werden auch die Begriffe stationäre, singuläre oder Gleichgewichtspunkte verwendet. Fixpunkte werden von Lösungskurven erst für x → ±∞ erreicht, da mit F die Änderung von
y beliebig klein wird. Wird ein Fixpunkt als Anfangswert für (4.39) benutzt, gibt es nur die
konstante Lösung, die dem Verharren im Fixpunkt für alle x entspricht.
Die Fixpunkte werden durch das Verhalten der Trajektorien in dessen Nähe charakterisiert.
Dieses Verhalten wird durch die Linearisierung von (4.39)
y
e
y0 = A e
(4.42)
∂F A=
= const
∂y y
(4.43)
e
y = y − y0
(4.44)
mit
0
beschrieben. (4.42) ist jetzt ein lineares System, dessen Lösungen durch die Eigenwerte und Eigenvektoren der Jacobi-Matrix A bestimmt werden. Zwei grundsätzliche Sorten von Fixpunkten
werden entsprechend der folgenden Tabelle unterschieden.
Eigenwerte λi von A
alle dasselbe Vorzeichen
unterschiedliche Vorzeichen
mind. einmal λi = 0
Fixpunkt y 0
Knoten
Sattel
entarteter Knoten
In Abb. 4.5 sind ein entarteter Knoten, ein Knoten und ein Sattel im 2-Dimensionalen zu sehen. Die Lösungskurven liegen prinzipiell beliebig dicht beieinander. In der Abbildung ist nur
eine Auswahl gezeigt. Die Koordinatenachsen entsprechen den Eigenvektoren der zum jeweiligen
Fixpunkt gehörenden Matrix A. Sattel sind dadurch gekennzeichnet, daß nur wenige Trajektorien in sie hineinlaufen, im Bild sind dies die Achsen, während in einen Knoten unendlich viele
40
KAPITEL 4. EINFACHE FLAMMEN
Abbildung 4.5: Drei Fixpunkte
Lösungskurven hineinführen. In einem enarteten Knoten findet keine Bewegung der Trajektorien
mehr in die Richtung statt, die zu dem Eigenwert gehört, der null ist. Die Trajektorien bewegen sich entlang der Richtung, die zum nichtverschwindenden Eigenwert gehört und verharren
sobald sie auf die Linie der Nullrichtung treffen. Der Fixpunkt entartet so zu unendlich vielen
Fixpunkten entlang der Linie der Nullrichtung.
Obwohl ein Fixpunkt als Anfangswert nur die konstante Lösung liefert, kann nach einer
Lösung von (4.39) gefragt werden, die zwei Fixpunkte asymptotisch, d.h. für x → ±∞, miteinander verbindet. Diese Lösung wird als heterokliner Orbit bezeichnet. Gemeint ist dabei
die Lösung entlang einer Trajektorie, die die beiden Fixpunkte mit einander verbindet. Diese
Trajektorie muß im allgemeinen weder existieren, noch eindeutig sein.
Die Aufgabenstellung für einen heteroklinen Orbit lautet also: Finde die Lösung von (4.39)
mit den beiden Fixpunkten als Randbedingungen! Dies führt auf ein Randwertproblem in dem
doppelt soviele Randbedingungen gegeben sind wie von der Ordnung des Differentialgleichungssystem eigentlich nötig sind. Aber die Randwerte sind Fixpunkte in denen sich mindestens
zwei Trajektorien schneiden. Eine mögliche Interpretation der Überbestimmtheit besagt, daß
die zusätzlichen Bedingungen notwendig sind, um die Trajektorie festzulegen, entlang der der
Fixpunkt verlassen werden soll.
Wenn wir mit den Gleichungen (4.24)-(4.27) und den Randbedingungen (4.29) und (4.33) eine
Flamme beschreiben, entspricht dies mathematisch der Suche nach einem heteroklinen Orbit.
Das Gleichungssystem hat die Form von (4.39) und die Randbedingungen sind Fixpunkte, da
sie die Gradienten zum Verschwinden bringen.
Analytisches Beispiel
Als analytisches Beispiel ist das 2-dimensionale Differentialgleichungssystem
dy
= (y − z)2 y + z
dx
dz
= (y − z)2 z + y
dx
(4.45)
gegeben. Es besitzt drei Fixpunkte, nämlich
P1 = (0|0)
P2 =
1
2|
P3 =
− 12 | 12
−
1
2
(4.46)
4.3. ZUR BERECHNUNG
41
Abbildung 4.6: Ein Phasendiagramm
Die Jacobi-Matrix der rechten Seite ergibt sich zu
(y − z) (3y − z) 1 − 2y (y − z)
A=
1 + 2z (y − z) (z − y) (3z − y)
(4.47)
Damit erhalten wir für P1 einen Sattel und für P2 , sowie P3 einen Knoten.
In diesem Beispiel läßt sich das Phasendiagramm analytisch ausrechnen. Wir formen (4.45)
um zu
dy
(y − z)2 y + z
(4.48)
=
dz
(y − z)2 z + y
bzw. als Differential
(y − z)2 z + y dy − (y − z)2 y + z dz = 0 .
(4.49)
Dieses Differential ist nicht integrabel, besitzt aber den integrierenden Faktor M mit
M (y, z) = 2
(y − z)2 − 1
(4.50)
2
Das damit vollständige Differntial
dϕ = 2
(y−z)2 z+y
((y−z)
2
2
−1)
dy − 2
(y−z)2 y+z
2
((y−z)2 −1)
dz = 0
(4.51)
hat die Lösung
ϕ (y, z) =
y2 − z2
= const
(y − z)2 − 1
(4.52)
Für jede Konstante der rechten Seite stellt die dann gewonnene Beziehung zwischen y und z
eine Trajektorie dar. In Abb. 4.6 ist das Phasendiagramm dargestellt. Auch hier ist nur eine
Auswahl der Lösungskurven gezeigt.
Die verbindene Trajektorie zwischen P1 und P2 lautet hier z = −y, dies eingesetzt in die
erste Gleichung von (4.45) ergibt eine Differentialgleichung für den heteroklinen Orbit, bzw. die
Stoßstruktur y (x). Daraus folgt dann der entsprechende Verlauf von z (x) = −y (x). Die Lösung
ist
!
√ −1
y (x)
2x
e +4
=
(4.53)
√ 1
z (x)
e2x +4
mit den gewünschten Eigenschaften (y | z) → P1 für x → −∞ und (y | z) → P2 für x → +∞.
42
KAPITEL 4. EINFACHE FLAMMEN
Phasendiagramm einer einfache Flamme
Im Falle von verschwindender Machzahl und Diffusion lassen sich die verbleibenden Gleichungen
(4.35) und (4.36) für die Temperatur und Konzentration in der Form


b, c
T
F
b
T
d
T

=
c
dx
Fc Tb, c
!
Tb − 1 + Q (c − c0 )
b
=
(4.54)
T
− akt
−µ c e Tb
schreiben. Der Vektor aus Temperatur und Konzentration ist hier der Zustand des Systems. Die
Randbedingungen für diesen Fall lauten
Tb = 1
Tb = Q c0 + 1
(4.55)
0
1
c|0 = c0
c|1 = 0
Diese stimmen mit den Fixpunkte
P0 = (1 | c0 )
P1 = (Q c0 + 1 | 0)
des Systems (4.54) überein. Dabei wurde
e−Takt ≈ 0
(4.56)
b
angenommen, was der Tatsache entspricht, daß die Massenproduktion (4.14) vor der Flamme
praktisch null liefert. Um das Wesen der Fixpunkte zu bestimmen, bilden wir nach
!
A=
∂FT
∂ Tb
∂Fc
∂ Tb
∂FT
∂c
∂Fc
∂c
1
=
−
−µ c Tbakt
e
2
b
T
!
Q
b
T
akt
b
T
−
−µ e
b
T
akt
b
T
(4.57)
die Ableitung der rechten Seite.
Am Anfangspunkt der Flamme ergibt sich
1 Q
A0 =
0 0
mit
λ1 = 0
λ2 = 1
−Q
v1 =
1
1
v2 =
0
(4.58)
(4.59)
als Eigenwerte, bzw. Eigenvektoren. Der Anfangspunkt ist ein entarteter Knoten, da ein Eigenwert null ist. Das bedeutet, daß in einer Umgebung von P0 alle Punkte entlang der Nullrichtung
v1 Fixpunkte sind. Alle Trajektorien laufen entlang der v2 -Richtung bis sie auf die Linie durch
P0 entlang der Nullrichtung stoßen; dort verharren sie.
4.3. ZUR BERECHNUNG
43
Am Endpunkt lautet die Jacobi-Matrix
1
A1 =
!
Q
−
0 −µ e
(4.60)
b
T
akt
b
T
1
mit den Eigenwerten und -vektoren
λ1 = 1
v1 =
−
λ2 = −µ e
b
T
akt
b
T
1
1
0
−Q
v2 =
!
(4.61)
b
T
− akt
b
T
1
1 + µe
Die Eigenwerte sind unterschiedlichen Vorzeichens, woraus sich erschließt, daß der Endpunkt
einen Sattel bildet. Das Phasendiagramm läßt sich hier analytisch nicht ausrechnen, numerisch
können aber die Lösungskurven zu verschiedenen Anfangswerten gezeichnet werden.
In Abb. 4.7 ist sind zwei Phasendiagramme von (4.54) mit jeweils verschiedenen Werten des
Parameters µ gezeigt.Die Werte für die Reaktionswärme, Anfangskonzentration und Aktivierungstemperatur sind
Q = 10
c0 =
1
2
Tbakt = 20 .
In den Sattel bei Tb = 6 und c = 0 mündet nur die gestrichelte Trajektorie. Bei T = 1 und c = 12
läßt sich der entartete Knoten erkennen. In dessen Umgebung treffen alle Trajektorien auf die
Nullrichtung und verharren dort.
Als Flamme ist die Lösung entlang einer Trajektorie gesucht, die Anfangs- und Endpunkt
miteinander verbindet. Damit wird in der Abb. 4.7 nochmals der Eigenwert-Charakter des Parameters µ deutlich. Wäre der Fixpunkt P0 vor der Flamme ein normaler Knoten wie in Abb. 4.5
(Mitte), dann gäbe es kein Eigenwert, denn alle Trajektorien liefen in den Punkt P0 hinein und
es gäbe immer eine verbindende Trajektorie zwischen P0 und P1 . Dadurch aber, daß P0 einen
entarteten Knoten bildet, erreicht nur noch eine Trajektorie genau den Punkt P0 , alle anderen
verharren in dessen Umgebung. Nur für einen bestimmten Wert des Eigenwertes µ stimmt die
Trajektorie, die genau den Punkt P0 erreicht mit der Trajektorie durch den Endpunkt P1 überein
und es existiert eine Verbindung der beiden Punkte. Falls der Wert von µ aber vom tatsächlich
für die Flamme benötigten Wert µ0 abweicht, existiert überhaupt keine Trajektorie, die beide
Punkte miteinander verbindet.
In der Abb. 4.7 sind zwei Fehlschläge gezeigt. Das eine Mal verläuft die Trajektorie durch
den Punkt P1 (gestrichelt) zu weit links von P0 , das andere Mal zu weit rechts. In beiden Fällen
trifft sie in der Umgebung von P0 auf die Linie entlang der Nullrichtung und verharrt dort. In
der oberen Ecke der Phasendiagramme ist jeweils die Konzentration für die Lösung entlang der
gestrichelten Trajektorie dargestellt. In beiden Fällen wird die Anfangskonzentration verfehlt.
4.3.2
Schießverfahren
Das einfachste Verfahren zur Lösung der Gleichungen (4.24)-(4.27) funktioniert nach folgendem
Schema: Zunächst wird eine Seite der Randbedingungen, d.h. der Anfangs- oder Endpunkt, ignoriert und das Differentialgleichungssystem mit der übrigbleibenden Seite als gewöhnliches Anfangswertproblem gelöst. Dazu muß zusätzlich ein Wert für µ vorgegeben werden. Anschließend
44
KAPITEL 4. EINFACHE FLAMMEN
Abbildung 4.7: Phasendiagramme einer einfachen Flamme
wird überprüft, ob die gewonnene Lösung den ignorierten Randbedingungen genügt. Falls nicht,
muß der Parameter µ variiert und die Prozedur so oft wiederholt werden, bis die zusätzlichen
Randbedingungen erfüllt sind.
In diesem Verfahren sind zwei Fragen zu beachten:
1. Welche Seite der Randbedingungen wird ignoriert ?
2. Wie wird aus der übrigbleibenden Seite, die ja einen Fixpunkt des Systems darstellt, eine
reguläre Anfangsbedingung ?
Um die erste Frage zu beantworten, berufen wir uns auf die Charakteristiken der Anfangsund Endpunkte im Phasendiagramm. Wird das Differentialgleichungssystem von vor der Flamme
aus integriert, startet die Lösung in einem Knoten und muß in einen Sattel gelangen. In den Sattel
führt allerdings nur genau eine Trajektorie und bei kleinsten Abweichungen verfehlt die Lösung
den Sattel und divergiert. Solche Abweichungen sind durch die numerischen Ungenauigkeiten
immer gegeben. Es empfiehlt sich daher immer die Seite der Randbedingungen zu ignorieren,
die einen Knoten darstellt. Damit startet die Lösung im Sattel und wandert in den Knoten.
Numerische Störungen fallen dabei nicht ins Gewicht, da in der Umgebung des Knotens alle
Trajektorien in ihn hinein laufen.
Falls beide Seiten der Randbedingungen Sattel, bzw. Knoten sind, ist das Verfahren nicht
anwendbar. In den Gleichungen (4.24)-(4.27) stellt jedoch für sämtliche Parameter-Variationen
der Endpunkt der Flamme einen Sattel und der Anfangspunkt einen Knoten dar. Im Schießverfahren wird in diesem Fall also hinter der Flamme mit der Integration begonnen.
Um aus dem gewählten Fixpunkt y 0 eine reguläre Anfangsbedingung des Differentialgleichungssystem zu machen wird er nach
y Anf = y 0 + ε v
(4.62)
gestört. Hierin ist ε eine kleine Zahl und v ist die Richtung in die sich die Lösung erwartungsgemäß bewegen wird. Da es sich bei dem Startpunkt um einen Sattel handelt, ist v einer der
Eigenvektoren, von denen der Sattel aufgespannt wird. Nur entlang dieser Richtungen gelangen
Lösungen aus dem Sattel hinaus. Aus den Eigenvektoren muß derjenige ausgewählt werden, der
der Trajektorie entspricht, die am wahrscheinlichsten den Sattel mit dem gewünschten Knoten
verbindet.
4.3. ZUR BERECHNUNG
45
Für die Gleichungen der Flammen ist die exakte Bestimmung der Richtung allerdings nicht
notwendig. Es stellte sich die plausible Näherung
 


−1
vT
(4.63)
v =  vc  =  +1 
+1
vg
als zweckmäßig heraus. Diese Darstellung entspricht dem Wissen, daß vom Endpunkt der Flamme aus die Temperatur ab- und die Konzentration, sowie der Partialmassenstrom, zunehmen
muß.
Die Schwierigkeit des Verfahrens liegt in der Wahl und Variation des Parameters µ. Für Werte
von µ, die stark vom tatsächlich benötigen Wert abweichen, liefert das Anfangswertproblem
überhaupt gar keine brauchbare Lösung, sondern divergiert sofort. Erst in einem sogenannten
Konvergenzbereich ergeben sich Lösungen, an denen sich eine Variation von µ sinnvoll bemerkbar
macht.
Die Mehrzahl der in diesem Kapitel gezeigten Ergebnisse sind mit diesem Verfahren und dem
Programm Mathematica erzeugt worden. Der Parameter µ wurde dabei von Hand variiert. Als
Faustregel ergab sich: Je größer µ, desto höher die am Anfangspunkt erreichte Konzentration.
Bei der Chapman-Jouguet-Flamme ließ sich dieses Verfahren allerdings nicht anwenden, denn
das Anfangswertproblem lieferte keine sinnvolle Lösung mehr, sondern lies die Lösungen divergieren. Dies könnte mit dem nicht-monotonen Verlauf des Temperaturprofils zusammenhängen.
Zur Lösung der Chapman-Jouguet-Flamme wurde das Differenzenverfahren benutzt.
4.3.3
Differenzenverfahren
Das Grundprinzip des Differenzenverfahrens beruht auf der Diskretisierung der Felder entlang
der x-Achse und dem Ersetzen der Ableitungen durch die Differenzenquotienten. Die für jeden
diskreten Punkt ausgewerteten Gleichungen (4.24)-(4.27) bilden dann ein gekoppeltes algebraisches Gleichungssystem für die Werte der Felder an diesen Punkten.
Formal schreiben wir die Diskretisierung
y i = y (xi ) ,
(4.64)
wobei die Felder zu dem Vektor y zusammengefaßt werden. Der Index i läuft von 0 bis N + 1
und kennzeichnet die i-te Stelle entlang der diskreten x-Achse. Die Diskretisierung sei hier
äquidistant, d.h.
xi+1 = xi + h
(4.65)
mit konstanter Schrittweite h. Die Differentialgleichungen (4.25)-(4.27) werden jetzt nach
dy
= F yi
(4.66)
dx i
an jeder diskreten Stelle i ausgewertet. Hierin wurden die rechten Seiten in der Vektorfunktion
F zusammengefaßt. Die eckigen Klammern markieren das Ersetzen der Ableitung durch den
Differenzenquotienten. Wir wählen hierfür den zentralen Differenzenquotient
y
− y i−1
dy
= i+1
(4.67)
dx i
2h
46
KAPITEL 4. EINFACHE FLAMMEN
Abbildung 4.8: Transformation des unendlichen Intervalls
Wenn wir dies in (4.66) einsetzen und den Index i von 1 bis N laufen lassen, entsteht das folgende
Gleichungssystem
2 h F y1 − y2 + y0 = 0
2 h F y2 − y3 + y1 = 0
(4.68)
..
.
2 h F y N − y N +1 + y N −1 = 0
für die unbekannten Felder y 1 bis y N . Für die zusätzlich auftretenden Felder an den Stellen 0
und N + 1 werden die Randbedingungen
y 0 ≈ y 0
(4.69)
y N −1 ≈ y 1
angenommen, wobei mit y 0 und y 1 die entsprechenden Werte der Felder vor und nach der
Flamme aus (4.29) und (4.33) gemeint sind. Damit ist das Gleichungssystem geschlossen und
läßt sich mit Hilfe von numerischen Algorithmen lösen.
Es ist verblüffend, daß es möglich war sämtliche Randbedingungen zu verarbeitet, obwohl das
zugrundeliegende Differentialgleichungssystem nur erster Ordnung ist. Dies liegt an der Verwendung von zentraler Differenzen, wodurch wir Freiheiten an beiden Rändern gewinnen. Die Idee
dieses Verfahrens stammt aus [22]. Dort wurden damit die Strukturen von Verdichtungsstößen
ausgerechnet.
Ein entscheidendes Problem ist die Annahme (4.69), d.h. daß die Felder bereits an den Stellen
x0 und xN +1 ihre Anfangs- bzw. Endwerte erreicht haben. Prinzipiell gelten diese Werte aufgrund
des Fixpunkt-Charakters der Randbedingungen erst für x → ±∞. In manchen Fällen ist dieses
Abschneiden der Lösung bei x0 und xN +1 unproblematisch, im allgemeinen kommt es jedoch
zu folgendem Dilemma: Wenn bei gleicher Anzahl von Diskretisierungspunkten das Intervall
vergrößert wird, um die Anfangs- und Endwerte genügend gut zu erreichen, wird gleichzeitig die
Auflösung des eigentlichen Profils durch die angewachsene Schrittweite immer schlechter. Setzt
man allerdings dann die Schrittweite herab, wird die numerische Lösung des Gleichungssystem
durch die hohe Anzahl der Gleichungen immer mühsamer.
Um dieses Dilemma zu umgehen, wird die unendlich ausgedehnte x-Achse auf das Intervall
[−1, 1] transformiert. In Abb. 4.8 ist diese Transformation verdeutlicht. Die transformierte Variable nennen wir ξ, aus ihr wird durch die Funktion ϕ die entsprechende Stelle der x-Achse
ausgerechnet. Mit Hilfe einer solchen Transformation wird eine äquidistante Diskretisierung in
ξ in eine nicht-äquidistante Diskretisierung in x abgebildet. Die in dem Graphen auf der rechten Seite der Abbildung gezeigte Funktion konzentriert viele Diskretisierungspunkte in einem
Bereich um null, während außerhalb dieses Bereiches nur wenige, immer weiter auseinander
liegende Punkte vorhanden sind.
4.3. ZUR BERECHNUNG
47
Damit läßt sich das beschriebene Problem, daß die eigentlichen Profile schlecht aufgelöst
werden, geschickt ausräumen: Die Transformation wird so gewählt, daß in dem Bereich der
starken Gradienten viele Punkte und jenseits davon wenige liegen.
Für ϕ wurde in der Berechnung die flexible Form

aξ

 xm +
1 − |ξ|s−
ϕ (ξ) =
aξ

 xm +
1 − |ξ|s+
ξ<0
(4.70)
ξ≥0
verwendet. Der Parameter xm ist ungefähr auf den Wert der x-Achse zu setzen, an dem die Profile
ihren stärksten Gradienten haben. Dort entsteht eine dichte Diskretisierung. Der Parameter a
beschreibt, wie stark die Diskretisierung auf den Bereich um xm konzentriert werden soll. Mit
den Parametern s+ > 0 und s− > 0 läßt sich das Verhalten der Diskretisierung jeweils rechts
und links von xm steuern. Große Werte von s lassen die Abstände der Punkte schnell wachsen.
Außerdem wird durch eine solche Transformation das Problem der Randbedingungen aufgehoben. Die Gleichungen (4.25)-(4.27) in der kompakten Schreibweise
werden zu
dy (x)
=F y
dx
(4.71)
de
y (ξ)
= ϕ0 (ξ) F e
y
dξ
(4.72)
transformiert und die Randbedingungen lauten jetzt
e
y (ξ = −1) = y 0
e
y (ξ = 1) = y 1
(4.73)
wobei mit y 0 und y 1 wieder die entsprechenden Werte der Felder vor und nach der Flamme gemeint sind. Wird jetzt eine äquidistante Diskretisierung von ξ mit der Schrittweite h eingeführt,
für die ξ0 = −1, sowie ξN +1 = 1 gilt, ergeben sich mit
e
yi = e
y (ξi )
(4.74)
ϕ0i = ϕ0 (ξi )
(4.75)
y1 − e
2 h ϕ01 F e
y 2 + y 0 = 0
2 h ϕ02 F e
y2 − e
y3 + e
y1 = 0
..
.
y N −1 = 0
2 h ϕ0N F e
y N − y N +1 + e
(4.76)
die Gleichungen (4.68) zu
Hier konnten jetzt die Randbedingungen y 0 und y 1 ohne Annahmen eingesetzt werden, denn
nach der Transformation gelten jetzt die Randbedingungen (4.73) exakt.
Das Differenzenverfahren bietet in einem gewissen Rahmen auch die Möglichkeit den Flammeneigenwert µ auszurechnen. Er bildet eine zusätzliche Unbekannte für die aus der Partialmassenbilanz (4.26)
b
T
db
g
− akt
= −µ c e Tb
(4.77)
db
x
48
KAPITEL 4. EINFACHE FLAMMEN
durch Integration eine Gleichung folgt. Es gilt zunächst
Z ∞
db
g
db
x = gb|1 − gb|0 = −c0
x
−∞ db
(4.78)
wobei die Randbedingungen aus (4.29) und (4.33) für den Partialmassenstrom eingesetzt wurden.
Damit folgt aus (4.78)
Z
∞
c0 − µ
−
ce
b
T
akt
b
T
db
x=0
(4.79)
−∞
als eine Bestimmungsgleichung für µ in Abhängigkeit von den Feldern der Temperatur und der
Konzentration. In transformierter Form
Z 1
b
T
− akt
c e Tb ϕ0 (ξ) dξ = 0
c0 − µ
(4.80)
−1
wird diese Gleichung den Geichungen (4.76) hinzugefügt, wodurch ein System für die Bestimmung der Felder und des Eigenwertes µ entsteht.
Im Berechnungsprogramm wurde ein Löser für nichtlineare Gleichungssysteme der NAGBibliothek benutzt. Das Integral in (4.80) wurde mit der Trapez-Regel ausgerechnet.
Ein wesentlicher Nachteil des Differenzenverfahrens ist die Notwendigkeit eines Schätzers für
die Felder und den Eigenwert, da das Glechungssystem numerisch nur durch einen Iterationsprozeß gelöst werden kann. Dieser Schätzer, besonders für den Eigenwert, muß oft bereits sehr nah
an der tatsächlichen Lösung liegen, ansonsten konvergiert der numerische Löser nicht. Außerdem
reagiert das Verfahren empfindlich auf die Einstellung der Parameter für die Transformation in
(4.70). Auch hier ließen suboptimale Werte den Löser nicht konvergieren.
Trotz allem konnte die in diesem Kapitel gezeigte Chapman-Jouguet-Flamme mit diesem
Verfahren ausgerechnet werden. Die für die Transformation (4.70) benutzten Werte sind
xm = 5
a=6
s− = 4
s+ = 1, 5
Für die Diskretisierung von ξ wurden 300 Punkte verwendet. In der Berechnung wurde außerdem nicht mit dem naheliegenden Feld der Temperatur gerechnet, sondern mit dem Feld der
Geschwindigkeit. Die algebraische Beziehung (4.24) zwischen Temperatur und Geschwindigkeit
wurde dann dazu benutzt, die Temperatur aus der jeweiligen Geschwindigkeit auszurechnen.
Dies war nötig, da die aus (4.24) folgende Beziehung v (T ) in der Chapman-Jouguet-Flamme
mehrdeutig wird, während die Umkehrfunktion T (v) eindeutig bleibt. Für den Schätzer wurden die Gleichungen zunächst für eine sehr kleine Machzahl mit dem Schießverfahren gelöst.
Die Machzahl wurde dann ein wenig erhöht und die dann gewonnene Lösung entsprechend dem
Domino-Prinzip als Schätzer für eine weitere Erhöhung der Machzahl benutzt.
Kapitel 5
Beispiel einer realistischen Flamme
In diesem Kapitel wird der Ozonzerfall als Beispiel einer realistischen Flamme berechnet. Als
Grundlage wird diesmal die instatiönäre Betrachtungsweise benutzt. Die stationäre Methode,
wie sie im letzten Kapitel für einfache Flammen beschrieben wurde, erwies sich für realistische
Flammen als unbrauchbar. Dies hat zwei Gründe: Zum einen existieren in der Flamme Prozesse (Rekombination der Radikale), die im Vergleich zur Temperatur extrem langsam relaxieren,
ihren Gleichgewichtswert also erst weit hinter der Reaktionszone erreichen. Eine hinreichend
gute Transformation nach (4.70) ließ sich nicht finden, da bei einer sehr breiten Transformation
die Profile der schnellen Prozesse, wie zum Beispiel das der Temperatur, nicht mehr aufgelöst
wurden. Zum anderen machte sich die Unwissenheit bezüglich des Flammeneigenwertes bei realistischen Flammen viel stärker bemerkbar. Das Differenzenverfahren aus Abschnitt 4.3.3 konvergierte nur noch für sehr gute Anfangsschätzer und diese waren für die realistische Flamme
nicht verfügbar.
Wie sich zeigt entfallen diese Schwierigkeiten in der instationären Methode. Das Erreichen
der Gleichgewichtszustände hinter der Flamme wird flexibler und der Eigenwert existiert nicht,
denn die Flammengeschwindigkeit stellt sich wie im Experiment von selbst ein.
Das Hauptinteresse liegt dabei auch im instationären Fall auf dem stationären Zustand der
Flammenfront, der nach einiger Zeit erreicht wird. Die naturgetreue Abbildung des Zündungsverlaufes
wird im folgenden nicht erbracht.
Der Ozonzerfall ist eine realistische Flamme, die dennoch eine sehr einfache chemische Modellierung besitzt. Erstmalig wurde die Ozon-Flamme in den 30er Jahren von Lewis und v. Elbe
([12], [13]) experimentell und theoretisch untersucht. Nachdem Hirschfelder sie in [9] behandelt
hat, wurde sie in den letzten 20-30 Jahren von zahlreichen Numerikern (z.B. [5], [11], [14], [20]
und [23]) als Benchmark-Problem für numerische Verfahren benutzt. Die Darstellung in diesem Kapitel entspricht am ehesten der in [14], hier wurde allerdings das dort zugrunde liegende
Experiment durch ein plausibleres ersetzt.
5.1
Gleichungen
Grundlage der Berechnung ist also das instationäre Experiment, wie es in Abb. 1.1 zu sehen ist.
Wie im stationären Fall (siehe Kapitel 4) sind die Rahmenbedingungen gekennzeichnet durch
T0 = 293 K und p0 = 1, 013 bar. Wir betrachten wieder einen Bereich in der Mitte des Kanals,
in dem die Felder als eindimensional angenommen werden können. Ebenso werden die viskosen
Effekte vernachlässigt.
49
50
KAPITEL 5. BEISPIEL EINER REALISTISCHEN FLAMME
Die Bilanzgleichungen (2.89)-(2.92) vereinfachen sich damit zu
∂ρ ∂ρv
+
=0
∂t
∂x
(5.1)
∂ρcα
∂
+
(ρcα v + Jα ) = τα
∂t
∂x
(5.2)
∂ρv
∂
+
ρv 2 + p = 0
∂t
∂x
(5.3)
P
P
P
∂
∂
1 2
1 2
ρ
ρv
+
+ qe + α Jα hα = 0
(5.4)
α cα εα + 2 v
α cα hα + 2 v
∂t
∂x
Hierin brauchen wir wieder Materialgleichungen für den Druck p, die Enthalpien hα , bzw. die
innere Energien εα , sowie für den Wärmefluß qe, den Diffusionströmen Jα und den Massenproduktionen τα .
5.1.1
Chemisches Modell
Der Ozonzerfall ist chemisch einer der einfachsten Reaktionsmechanismen. Wie bereits in Abschnitt 3.3 soll hier das Ozon in einer Mischung aus 50% Sauerstoff und 50% Ozon nach der
Gesamtreaktion
2 O3 → 3O2
(5.5)
zerfallen. Im Folgenden wird der Index 1 für atomaren Sauerstoff O, der Index 2 für molekularen Sauerstoff O2 und der Index 3 für Ozon O3 verwendet. In den Bilanzgleichungen werden
die Konzentrationen von Ozon c3 und Sauerstoffatomen c1 verwendet und die Konzentration
der Sauerstoffmoleküle c2 mit c2 = 1 − c1 − c3 eliminiert. Dementsprechend werden nur die
Massenproduktionen τ1 und τ3 benötigt.
Die Reaktion untergliedert sich in drei Teilreaktionen. Die erste Reaktion beschreibt den
tatsächlichen Zerfall eines Ozon-Moleküls, das durch ein anderes Molekül in ein Sauerstoffatom
und ein Sauerstoffmolekül zerschlagen wird. Die Reaktionsgleichung lautet
k10
O3 + M O2 + O + M
(5.6)
k100
Hierin ist M der beliebige Stoßpartner, in unserem Fall entweder ein Sauerstoffmolekül oder atom, oder ein anderes Ozonmolekül. Die Sauerstoffatome sind hier die freiwerdenden Radikale,
die durch die übrigen Reaktionen wieder vernichtet werden. Deren Konzentration verschwindet
also vor und hinter der Flamme. Reaktion (5.6) kann in beide Richtungen ablaufen und die
Reaktionslaufzahl schreibt sich nach (2.103)
λ1 = k10 n3 n − k100 n2 n1 n
(5.7)
mit nα der Teilchenzahldichte der Komponente α und n der Gesamtteilchenzahldichte, entsprechend
ρ
cα
Mα
P
n = α nα
nα =
(5.8)
(5.9)
5.1. GLEICHUNGEN
51
Die Geschwindigkeitskonstanten
k10 = 2, 48 · 1011 e−
k100 = 2, 22 · 108
11430 K
T
m3
kmol s
m6
kmol2 s
sind in [3] tabelliert. Die Rückreaktion besitzt keinen Exponentialfaktor, da sie keine Energiebarriere zu überwinden hat.
In der zweiten Reaktion vereinigen sich ein Sauerstoffatom und ein Ozonmolekül zu zwei
Sauerstoffmolekülen.
k2
O + O3 −→
2 O2
(5.10)
Hiervon betrachten wir nur die Hinreaktion, da sich die Rückreaktion erst bei sehr hohen Temperaturen bemerkbar macht, die in der Flamme nicht erreicht werden. Damit ergibt sich die
Reaktionslaufzahl zu
λ2 = k2 n1 n3
(5.11)
mit der Geschwindigkeitskonstanten
k2 = 5, 2 · 109 e−
2090 K
T
m3
kg s
,
wieder nach [3].
In der dritten Reaktion rekombinieren zwei Sauerstoffatome zu einem Sauerstoffmolekül,
gemäß
k3
2 O + M −→
O2 + M
(5.12)
In dieser Reaktion tritt wieder ein Stoßpartner M auf, der wie in der Rückreaktion von Reaktion
(5.6) zunächst überflüssig erscheint, da es sich bereits um Zweierstöße handelt. Allerdings ist
das Produkt in beiden Fällen nur ein einzelnes Teilchen und in einer Reaktion von zwei Teilchen
zu einem lassen sich die Impuls- und Energieerhaltung nicht gleichzeitig erfüllen. Mit gegebenen
Geschwindigkeiten der beiden Eduktteilchen, läßt sich mit der unbekannten Geschwindigkeit des
Produktteilchen nur entweder die Impuls- oder die Energiebilanz erfüllen. Damit ist ein dritter
Stoßpartner notwendig, der die überbleibende Energie, bzw. den Impuls, aufnimmt.
Die Rückreaktion von Reaktion (5.12) tritt wieder erst bei sehr hohen Temperaturen auf
und wird wie die der Reaktion (5.10) vernachlässigt. Die Reaktionslaufzahl, sowie Geschwindigkeitskonstante sind durch
λ3 = k3 n21 n
(5.13)
und
k3 = 1, 9 · 107 e+
900 K
T
m6
kg 2 s
gegeben (wieder [3]). Bemerkenswert ist der positive Exponent in k3 : Dies ist so gemessen worden.
Damit verliert die Geschwindigkeitskonstante in diesem Fall die Interpretation als ArrheniusFaktor mit Aktivierungsenergie.
Die in den Bilanzgleichungen gebrauchten Massenproduktionen für Atome und Ozon lauten
nach (2.102)
τ1 = M1 (λ1 − λ2 − 2 λ3 )
(5.14)
τ3 = M3 (−λ1 − λ2 )
(5.15)
Aus rechentechnischer Sicht sei hier davor gewarnt, die Reaktionslaufzahlen einzusetzen,
analytisch auf die Dichte und die Konzentrationen umzurechnen und eventuell noch dimensionslos zu machen. Ich habe im numerischen Programm bei Bedarf sämtliche dimensionsbehafteten
52
KAPITEL 5. BEISPIEL EINER REALISTISCHEN FLAMME
Teilchenzahldichten aus der Dichte und den Konzentrationen ausrechnen lassen und die Massenproduktionen dann aus Funktionen für die Reaktionslaufzahlen zusammengesetzt. Es ist dadurch
sehr viel einfacher möglich andere Geschwindigkeitskonstanten oder ein anderes Reaktionsmodell
zu verwenden, für die sonst komplett neue Rechnungen notwendig wären.
5.1.2
Materialgleichungen
In den Zustandsgleichungen werden alle Molzahlen durch
M1 = 21 M2
(5.16)
3
2 M2
(5.17)
M3 =
auf die Molzahl des molekularen Sauerstoffs bezogen. Außerdem wird die O2 -Konzentration
durch die beiden übrigen ersetzt. Für den Druck erhalten wir nach (2.93)
p=ρ
R
1 + c1 − 13 c3 T .
M2
(5.18)
Der Enthalpie und inneren Energie werden die Gleichungen (2.95)-(2.96) mit den entsprechenden
Werten der zα für die spezifischen Wärmen aus (2.98) zugrunde gelegt. Es ergibt sich
X
R
R
R
(1)
(2)
(3)
(2)
h :=
cα hα = 72
T + c1 32
T + h0 − h 0
T + h 0 − h0
+ c3 − 56
(5.19)
M
M
M
2
2
2
α
X
p
ε :=
cα εα = h −
(5.20)
ρ
α
(α)
Die auftretenden Nullpunktsenthalpien h0
(α)
h0
berechnen sich in diesem Fall nach
(α)
= h R − zα
R
TR
Mα
(5.21)
(α)
aus der Referenzenthalpie hR und der Referenztemperatur TR .
Mit
P
α Jα
=0
(5.22)
läßt sich auch der Diffusionsstrom J2 durch die anderen ersetzen und man erhält für die Summe
der Enthalpien und Diffusionsströme
X
(1)
(2)
(3)
(2)
3 R
5 R
Jα hα = J1 2
T + h 0 − h0
+ J3 − 6
T + h0 − h 0
(5.23)
M2
M2
α
Die Enthalpiekonstanten sind in folgender Tabelle aufgelistet:
atomarer Sauerstoff
Enthalpiekonstante
(1)
J
h0 = 5, 2 · 106 kg
molekularer Sauerstoff
h0 = −0, 3 · 106
Ozon
(2)
(3)
h0 = 3 · 106
J
kg
J
kg
Für die dissipativen Effekte benutzen wir wie im stationären Fall die Gesetze von Fourier
(2.100)
∂T
qe = −λ
λ = const
(5.24)
∂x
5.1. GLEICHUNGEN
53
und Fick (2.101)
∂cα
D = const
(5.25)
∂x
jeweils mit konstanten Koeffizienten. Die Diffusionskoeffizienten sind zusätzlich auch für alle
Komponenten identisch.
Jα = −D
5.1.3
Feldgleichungen
Physikalisch sind die Gleichungen (5.1)-(5.4) jetzt komplett und können mit entsprechenden
Randbedingungen gelöst werden. Numerisch bereitet die Lösung allerdings Schwierigkeiten, sodaß noch Modifikationen der Gleichungen vorgenommen werden. Auf das Wesen dieser Modifikationen wird im letzten Abschnitt dieses Kapitels eingegangen. Hier werden nur die entsprechenden Ergebnisse zusammengefaßt und auf ihrer Basis dann die endgültigen Feldgleichungen
abgeleitet.
1. Eine Analyse der im Problem auftretenden Skalen (siehe Abschnitt 5.3.1) veranlaßt uns
die gesamte Impulsbilanz auf die Aussage zu reduzieren, daß der Druck eine räumliche
und zeitliche Konstante ist. Dies ist eine Näherung, die besonders für Zeiten jenseits der
Zündung gut ist. Physikalisch entspricht dieses Ergebnis der Skalenanalyse der Tatsache,
daß die Ozonflamme im Experiment relativ langsam ist und daher praktisch isobar verläuft.
2. Mit der Reduktion der Impulsbilanz gewinnen wir aus der Konstanz des Druckes eine
Gleichung für die Dichte, die die Massenbilanz ersetzt, verlieren aber die Gleichung für die
Geschwindigkeit. Diese kommt in den verbleibenden Gleichungen allerdings nur in Form
von substantiellen Ableitungen vor. Diese Ableitungen werden zu partiellen Zeitableitungen, falls die Ortskoordinate x durch die Teilchenkoordinate ψ ersetzt wird (siehe Abschnitt
5.3.2). Durch Transformation der Felder auf diese sogenannten Lagrange-Koordinaten läßt
sich die Geschwindigkeit vollständig eliminieren und wir erhalten wieder ein geschlossenes
Gleichungssystem.
Mit dem Druck der Anströmung nach (5.18) p|0 = 56 MR2 ρ0 T0 folgt aus insgesamt konstantem
Druck
p = p|0 = const
(5.26)
eine Gleichung für die Dichte
ρ (T, c1 , c3 ) =
5
6 ρ0 T 0
T 1 + c1 − 13 c3
(5.27)
bei gegebener Temperatur und Zusammensetzung.
Mit der aus der Massenbilanz folgenden Beziehung
∂ρA ∂ρAv
∂A
∂A
+
=ρ
+v
∂t
∂x
∂t
∂x
(5.28)
für ein beliebiges Feld A, tritt die Geschwindigkeit in der Partialmassenbilanz (5.2) in der Tat nur
noch als substantielle Ableitung auf. In der Energiebilanz (5.4) muß zuerst noch die Beziehung
∂ρε
∂ρh
=
∂t
∂t
(5.29)
54
KAPITEL 5. BEISPIEL EINER REALISTISCHEN FLAMME
eingesetzt werden, die aus ρε = ρh − p bei konstantem Druck folgt.
Beim Übergang auf Lagrange-Koordinaten x → ψ transformieren sich die Diferentialoperatoren gemäß
∂
∂
∂
+v
→
∂t
∂x
∂t
∂
∂
→ρ
∂x
∂ψ
(5.30)
(5.31)
(Vergl. Abschnitt 5.3.2) Damit ergeben sich dann die Gleichungen
∂cα
∂cα
1
∂
ρ
= τα
−
∂t
∂ψ
∂ψ
ρ
∂h
∂
−λ
∂t
∂ψ
∂T
ρ
∂ψ
−
P
∂
(ρ α Jα hα ) = 0
∂ψ
(5.32)
(5.33)
zu denen die Beziehungen (5.27) für die Dichte, (5.19) für die Enthalpie, sowie (5.23) für die
Summe der Diffusionsströme hinzutreten.
Es werden nun dimensionslose Größen nach
ρ
ρb =
ρ0
T
Tb =
T0
ψ
ψb =
ρ0
t τ0
b
t=
ρ0
r
τ0
7 R
2 M2
λ
(5.34)
eingeführt. Hierin sind ρ0 und T0 Dichte und Temperatur der Anströmung. Der Wert τ0 ist der,
mit dem die Massenproduktionen entsprechend
τbα =
τα
τ0
(5.35)
dimensionslos gemacht werden. In den Rechnungen wurde
τ0 = 106
kg
m3 s
verwendet. (Vergl. Abschnitt 5.3.1)
Die Feldgleichungen für die übrigbleibenden Felder der Temperatur T und der Konzentrationen c1 , bzw. c3 lauten dann
∂cα
∂
∂cα
1
− Le
(5.36)
ρb
= τbα
b
b
b
ρ
b
∂t
∂ψ
∂ψ
!
∂c
∂c ∂b
h
∂
∂ Tb
∂ 3 b
1
3
5 b
−
ρb
− Le
b
+ − 21 T + Q3 ρb
=0
(5.37)
7 T + Q1 ρ
b
b
b
b
b
b
∂t
∂ψ
∂ψ
∂ψ
∂ψ
∂ψ
wobei die erste Gleichung für α = 1 und α = 3 mit den Massenproduktionen nach (5.14) und
(5.15) genommen wird. Hinzu kommen die Gleichungen für die Enthalpie
5 b
b
h Tb, c1 , c3 = Tb + c1 37 Tb + Q1 + c3 − 21
T + Q3
(5.38)
und die Dichte
ρb Tb, c1 , c3 =
5
6
Tb 1 + c1 − 31 c3
(5.39)
5.1. GLEICHUNGEN
55
Die auftretenden Parameter sind die Reaktionswärmen und die Lewiszahl
(1)
(2)
h −h
Q1 = 07 R 0
2 M2 T0
(3)
Q3 =
Le =
(2)
h0 − h 0
7 R
2 M2 T0
D
(5.40)
7 R
2 M2
λ
(5.41)
(5.42)
mit den Werten
Q1 = 19
Q3 = 10
Le = 1
5.1.4
Anfangs- und Randbedingungen
Für die Temperatur T , sowie die Konzentrationen c1 und c3 werden am linken (Index 0) und
rechten (Index 1) Rand des betrachteten Intervalls Randbedingungen gebraucht. Dazu rufen wir
uns nochmal das zugrunde liegende Bild 1.1 ins Gedächtnis.
Am linken Rand entsprechen die Felder denen der Anströmung
Tb = 1
0
c1 |0 = 0
c3 |0 =
(5.43)
1
2
Dazu ist der linke Rand so zu wählen, daß er im Verlauf der Rechnung immer hinreichend weit
vor der Flamme liegt.
Am rechten Rand wird die Flamme durch einen zugeführten Wärmestrom qe gezündet. Nach
einer Zündzeit wird der Wärmestrom abgeschaltet und der Rand dann als adiabat angenommen.
Über das Fourier’sche Gesetz ist der Wärmestrom an den Temperaturgradienten gekoppelt und
damit schreibt sich die rechte Randbedingung für die Temperatur
∂ Tb ρb
t
(5.44)
= qbe S b
∂ ψb 1
Der Gradient wurde hier sofort in Lagrange-Koordinaten geschrieben. Die Schalterfunktion S b
t
liefert für die Dauer der Zündzeit b
tq den Wert eins und dann null.
Für die Randbedingungen der Konzentrationen wird angenommen, daß der Diffusionsstrom
am rechten Rand für alle Zeiten verschwindet. Diese Annahme ist für die Zeit der Zündung
sicher schlecht, wird aber immer besser je weiter sich die Flamme vom rechten Rand entfernt.
Nach dem Fick’schen Gesetz sind daher die Konzentrationsgradienten am rechten Rand null.
56
KAPITEL 5. BEISPIEL EINER REALISTISCHEN FLAMME
Abbildung 5.1: Zeitliche Entwicklung der Ozon-Flamme
Insgesamt lauten die Bedingungen für den rechten
∂ Tb 1
= qbe S
b
∂ ψ 1 ρb
∂c1 =0
∂ ψb 1
∂c3 =0
∂ ψb 1
Rand damit
b
t
(5.45)
Zu Beginn der Rechnung sind die Felder der Temperatur und Konzentrationen homogen
verteilt. Die Werte sind
Tb
=1
t=0
c1 |t=0 = 0
c3 |t=0 =
5.2
(5.46)
1
2
Ergebnisse
In Abb. 5.1 ist die zeitliche Entwicklung der Profile von Temperatur und Konzentrationen dargestellt. Die für den zugeführten Wärmestrom verwendeten Werte sind
qbe = 0, 8
b
tq = 45
5.2. ERGEBNISSE
57
Abbildung 5.2: Stationäre Profile der Ozon-Flamme
Diese Werte sind durch Versuch und Irrtum von Hand eingestellt worden. Zu kleine Werte von
qbe und b
tq ließen die Flamme nicht zünden: In solchen Fällen entstand nur eine Temperaturauslenkung am rechten Rand, die sich langsam ausglich.
Obwohl die Zündung durch die gemachten Annahmen in unseren Gleichungen nicht besonders
gut abgebildet wird, lassen sich dennoch einige vorsichtige Deutungen der Kurven in Abb. 5.1
machen.
Bis zu einer Zeit t = 35 (die Dächer werden hier weggelassen) verändern sich die Profile der
Konzentrationen kaum. Der zugeführte Wärmestrom bewirkt ein Ansteigen der Temperatur,
welches sich durch Wärmeleitung in den Bereich hinein ausbreitet. Zwischen den Kurven b und
c wurde die Zündtemperatur überschritten und die einsetzende Reaktion läßt die Konzentration
des Ozons schlagartig sinken. Außerdem steigt die Konzentration der Sauerstoffatome an, da sie
im Zuge der Reaktion produziert werden.
Die Flammenfront wandert nun nach links in den Kanal hinein. Der zunächst entstandene
Temperaturüberschuß gleicht sich aus und es entsteht ein stationäres Profil, welches sich mit
einer konstanten Geschwindigkeit aubreitet.
In Abb. 5.2 sind die stationären Profile für die Zeit t = 150 nochmal alleine gezeigt.
Am interessantesten ist wohl das sehr langsam abfallende Profil der Radikal-Konzentration.
Die Sauerstoffatome werden beim Ozon-Zerfall zunächst sehr schnell produziert. Sobald sämtliches
Ozon verschwunden ist, können die Atome nur noch untereinander nach Reaktion (5.12) rekombinieren. Wegen des benötigten Dreierstoßes (Vergl. Abschnitt 5.1.1) ist dies eine sehr langsame
Reaktion, wodurch sich die langsame Relaxation erklärt.
Die langsame Abnahme der Konzentration der Sauerstoffatome macht sich auch im Temperaturprofil bemerkbar. Nachdem das Ozon vollständig zerfallen ist, hat die Temperatur ihren
Endwert noch nicht erreicht, sondern steigt weiterhin langsam an. Die Erklärung dafür ist, daß
in den noch vorhandenen Sauerstoffatomen Enthalpie gespeichert ist, die bei der Rekombination
zu Molekülen frei wird und zu einem Ansteigen der Temperatur führt.
58
KAPITEL 5. BEISPIEL EINER REALISTISCHEN FLAMME
Zusätzlich ist in Abb. 5.2 das Dichte-Profil zu sehen. Da der Druck konstant ist, entspricht
es in etwa dem Inversen der Temperatur. Die Dichte zeigt durch die Abnahme auf fast 10% der
Ausgangsdichte die starke Verdünnung an, die durch eine Flamme stattfindet.
5.3
5.3.1
Zur Berechnung
Skalenanalyse
Könnten wir die Feldgleichungen komplett lösen und würden dann mit den ausgerechneten Feldern die Terme in den Feldgleichungen zahlenmäßig auswerten, dann würde sich herausstellen,
daß die einzelnen Terme teilweise völlig unterschiedliche Größenordnungen haben. Im Prinzip
könnten wir damit sagen, welche Terme wir gegenüber anderen vernachlässigen dürften. Diese Aussage hängt dann allerdings davon ab, wie genau der Prozeß betrachtet wird, also ”auf
welcher Skala er stattfindet”. Die Stöße einzelner Moleküle finden beispielsweise auf einer sehr
feinen Skala statt, die Ausbreitung der Flamme durch den Kanal auf einer sehr groben. Dementsprechend können wir auf einer sehr groben Skala andere Effekte vernachlässigen als auf einer
sehr feinen.
Die Lösung der Feldgleichungen steht allerdings nicht zur Verfügung und wir müssen durch
eine a priori Skalenanalyse eine Abschätzung der im Prozeß auftretenden Skalen machen, um
dann zu entscheiden, welche Effekte vernachlässigt werden können.
Dazu werden alle in den Gleichungen auftretenden Größen nach dem Schema
b
Φ = Φ0 Φ
(5.47)
ersetzt. Hierin ist Φ0 die konstante Größenordnung, bzw. die Skala von einer Größe Φ und in
b steckt der variable Anteil von Φ. Der variable Anteil Φ
b hat dadurch die Großenordnung eins.
Φ
Für die Flamme läßt sich über einige Skalen bereits eine Aussage machen. Es gilt
ρ = ρ0 ρb
(2)
p = ρ0 cp T0 pb
(2)
h = cp T0 b
h
(2)
ε = cp T0 εb
(5.48)
mit ρ0 und T0 der Dichte und Temperatur der Mischung vor der Flamme. Zwar ändern sich
die Temperatur und die Dichte in der Flamme, aber die Größenordnungen ρ0 und T0 bleiben
erhalten.
Die benötigten Zahlenwerte sind
kg
ρ0 = 1, 5 m
3
T0 = 298 K
J
c(2)
p = 910 kg K
λ = 2 · 10−2 sNK
wobei sich die Dichte aus dem Druck von 1, 013 bar und (5.18) ausrechnet. Die Wärmeleitfähigkeit
λ wird weiter unten gebraucht. Für die Massenproduktion legen wir die Größenordnung
τ0 = 106 skg
m3
5.3. ZUR BERECHNUNG
59
zugrunde. Dies entspricht der Massenproduktion der ersten Reaktion bei etwa 1500 K. Über die
Skalen der Zeit, des Ortes und der Geschwindigkeit
t = t0 b
t
x = x0 x
b
(5.49)
v = v0 vb
läßt sich noch keine Aussage machen. Diese werden im folgenden bestimmt.
Werden nun diese Größen in den Feldgleichungen (5.1)-(5.4) eingesetzt, so treten die Skalen
immer in bestimmten Kombinationen auf, die sich zu vier Konstanten zusammenfassen lassen.
Für die Gleichungen ergibt sich
∂ ρb
∂ ρbvb
+ A0
=0
(5.50)
b
∂b
x
∂t
∂ ρbcα vb
∂ ρbcα
+ A0
= B0 τbα
b
∂b
x
∂t
(5.51)
∂ ρbvb
∂ ρbvb2 A0 ∂ pb
+
=0
+ A0
∂b
x
C0 ∂b
x
∂b
t
(5.52)
∂ b
∂ 2 Tb
∂
ρb εb + C0 12 vb2 + A0
ρb h + C0 12 vb2 + D0
=0
∂b
x
∂b
x2
∂b
t
(5.53)
Hierin wurden der Übersicht halber die Diffusionsterme weggelassen. Sie bringen außer der
bekannten Lewiszahl keine neuen Kombinationen der Skalen in die Gleichungen hinein. Die
Konstanten sind durch
t0 v0
v2
A0 =
C0 = (2)0
x0
cp T0
(5.54)
λ t0
t0 τ 0
D0 = (2)
B0 =
ρ0
cp ρ0 x2
0
gegeben.
Für die nun folgende Argumentation ist der Begriff der Ausgewogenheit wesentlich: Zwei
Effekte heißen ausgewogen, wenn sie bei gegebener Skala von gleicher Größenordnung sind.
Eine Gleichung heißt ausgewogen, falls alle Summanden in ihr, d.h. alle Effekte, von gleicher
Großenordnung sind. Synonym wird neben Ausgewogenheit der Begriff Balance verwendet.
Wir nehmen an, daß die Ableitungen die variablen Anteile der Größen nicht verändert,
b die
so daß alle Differentialquotienten in den Gleichungen genau wie die variablen Anteile Φ
Großenordnung eins haben. Die Ausgewogenheit der einzelnen Effekte bei gegebenen Skalen
spiegelt sich jetzt nur noch in den Werten der Konstanten A0 , B0 , C0 und D0 wieder. Durch die
Wahl der Werte dieser Konstanten, balancieren wir die einzelnen Effekte aus und wählen damit
einen Prozess aus, für den wir dann aus (5.54) die entprechenden Skalen ausrechnen können.
Da in (5.54) nur die drei unbekannten Skalen x0 , t0 und v0 auftreten, müssen auch nur für
drei der Konstanten Werte vorgegeben sein, um diese Skalen auszurechnen. Aus ihnen ergibt
sich dann der Wert der vierten Konstante. Er beschreibt die Wichtigkeit der Terme an denen
die Konstante in den Gleichungen zu finden ist, d.h. die Ausgewogenheit der entsprechenden
Effekte in der ausgerechneten Skala.
Es lassen sich zunächst zwei Aussagen über diese Konstanten treffen: Zum einen müssen die
beiden Terme in der Massenbilanz von gleicher Größenordnung sein. Wäre dies nicht der Fall,
müßten sie jeder für sich verschwinden, da die Summe null sein muß. Dies hätte eine konstante
60
KAPITEL 5. BEISPIEL EINER REALISTISCHEN FLAMME
Dichte zur Folge und das ist nicht zu erwarten. Die Konstante A0 läßt sich also ungefähr eins
setzen. Ebenso muß die Konstante D0 in etwa eins sein, da eine Flamme durch die Balance von
Wärmeleitung und Energietransport entsteht.
Damit bleiben noch die Konstanten B0 und C0 übrig. Für sie werden nun zwei Möglichkeiten
betrachtet: Zunächst wird C0 ungefähr eins gesetzt. Dies entspricht der Ausgewogenheit der
Impulsbilanz. Aus A0 , D0 , C0 ≈ 1 folgt
t0 ≈ 6 · 10−11 s
x0 ≈ 3 · 10−8 m
v0 ≈ 500 m
s
und
B0 ≈ 4 · 10−5
Dies ist die Skala der Schallwellen, da auf ihr die Druckschwankungen mit dem konvektiven
Impulstransport in Balance steht. Der kleine Wert der Konstanten B0 zeigt, daß die Massenproduktion in (5.51) auf der Skala der Schallwellen völlig bedeutungslos ist.
Als zweite Möglichkeit läßt sich mit B0 ≈ 1 die Ausgewogenheit der Partialmassenbilanz
fordern. Wir erhalten dann aus A0 , D0 , B0 ≈ 1
t0 ≈ 10−6 s
x0 ≈ 3 · 10−6 m
v0 ≈ 3 m
s
und
C0 ≈ 3 · 10−5
Dies ist die Skala der chemischen Reaktion, da jetzt die Massenproduktion von gleicher Größenordnung
wie der Partialmassentransport ist. Setzen wir den kleinen Wert für C0 zusammen mit A0 ≈ 1
in die Impulsbilanz ein, ergibt sich
bvb ∂ ρbvb2
∂ pb
∂ pb
−5 ∂ ρ
+
10
+
=0
⇒
≈0
(5.55)
∂b
x
∂b
x
∂b
x
∂b
t
Auf der Skala der chemischen Reaktion ist der Druck also praktisch homogen. Dies bedeutet
nicht, daß der Druck im Experiment nicht schwankt, die Schwankungen finden allerdings auf der
Schallwellen-Skala statt und diese Skala ist so fein, daß die Schwankungen von der chemischen
Reaktion überhaupt nicht bemerkt werden.
Prozesse in denen wie hier physikalische Phänomene auf verschiedenen Skalen auftreten, sind
als Mehr-Skalen-Probleme bekannt. Numerisch sind sie sehr schwer zu handhaben. In unserem
Fall beschränken wir uns auf die Skala der chemischen Reaktion, indem wir den Druck als
konstant annehmen. Für die Zeit der Zündung ist diese Annahme allerdings problematisch,
da dann die anderen Ableitungen in der Klammer von (5.55) sehr groß werden. Die gemachte
Skalenanalyse ist für diese Zeit ungültig.
Trotz der Reduktion auf die Skala der chemischen Reaktion treten in der Flamme allerdings
noch verschiedene Skalen auf. Das liegt an der Tatsache, daß sich die Massenproduktion durch
P
τα = m τa(m)
(5.56)
aus den Massenproduktionen der einzelnen Reaktionen zusammensetzt. Die Skala τ0 ist nur eine
(m)
Schätzung aus der ersten Reaktion (der schnellsten), jede andere Wahl, z.B. τ0 hätte oben
eine entsprechend andere Skala ergeben. Die erhaltene Skala der chemischen Reaktion fächert
sich also noch zusätzlich in die Skalen der einzelnen Reaktionen auf. Dies macht sich auch im
Ergebnis durch die unterschiedlich schnell abfallenden Konzentrationsprofile bemerkbar.
5.3. ZUR BERECHNUNG
5.3.2
61
Lagrange-Koordinaten
In Lagrange- oder Teilchenkoordinaten sind die Felder keine Funktionen des Ortes x, sondern
der Teilchen ψ. Anschaulich gesprochen, werden zum Zeitpunkt t = 0 alle Teilchen mit einer
Nummer ψ versehen und dann über die Zeit hinweg verfolgt. Zu einem späteren Zeitpunkt
bedeutet dann beispielsweise T (ψ, t) die Temperatur des Teilchens mit der Nummer ψ zum
Zeitpunkt t.
Wir fragen jetzt nach den beiden Funktionen
ψ (x, t) ←→ x (ψ, t)
(5.57)
d.h. das Teilchen zu einem gegebenen Ort, sowie den Ort zu einem gegebenen Teilchen.
Der Ort ist durch die Geschwindigkeit des Teilchens durch
Z t
1
v ψ, e
t de
t+ ψ
x (ψ, t) =
ρ0
0
(5.58)
gegeben. Zum Zeitpunkt t = 0 sind die Teilchen homogen mit der Dichte ρ0 über den Ort
verteilt und jedes Teilchen wird durch seinen Ort x (ψ, t = 0) identifiziert. Das Auftreten von ρ0
in (5.58) dient hier nur der späteren Bequemlichkeit. Um zu der Umkehrung ψ (x, t) zu gelangen,
eliminieren wir in dieser Gleichung zunächst die Geschwindigkeit. Dazu leiten wir (5.58) einmal
nach ψ und einmal nach t, gemäß
Z t
∂v ψ, e
t
∂x (ψ, t)
1
=
de
t+
(5.59)
∂ψ
∂ψ
ρ0
0
∂v (ψ, t)
∂v (x, t) ∂x (ψ, t)
∂ ∂x (ψ, t)
=
=
(5.60)
∂t ∂ψ
∂ψ
∂x
∂ψ
ab. Die Ableitung der Geschwindigkeit läßt sich mit Hilfe der Massenbilanz
ersetzen. Dazu wird sie zu
∂ρ (ψ, t)
∂v (x, t)
+ρ
=0
∂t
∂x
(5.61)
∂v (x, t)
∂
1
=
ln
∂x
∂t ρ (ψ, t)
(5.62)
umgeformt. In (5.60) eingesetzt ergibt sich
∂
∂x (ψ, t)
∂
1
ln
=
ln
.
∂t
∂ψ
∂t ρ (ψ, t)
(5.63)
Dies läßt sich hochintegrieren und wir erhalten
∂x (ψ, t) ∂x (ψ, t)
ρ (ψ, t)
= ρ (ψ, t)|t=0
∂ψ
∂ψ t=0
Der Term auf der rechten Seite ist nach (5.59) gleich eins. Damit folgt
Z ψ
1
dψe + x0 (t)
x (ψ, t) =
et
0 ρ ψ,
als alternative Darstellung zu (5.58). Hierin ist x0 (t) nach
Z t
x0 (t) = x (ψ, t)|ψ=0 =
v ψ, e
t ψ=0 de
t
0
(5.64)
(5.65)
(5.66)
62
KAPITEL 5. BEISPIEL EINER REALISTISCHEN FLAMME
der Ort des Teilchens ψ = 0 zum Zeitpunkt t.
Für die Umkehrung benutzen wir
∂x (ψ, t)
∂ψ
t
1
=
ρ (ψ, t)
⇔
∂ψ (x, t)
∂x
= ρ (x, t)
(5.67)
t
woraus sich
Z
x
ρ (e
x, t) de
x
ψ (x, t) =
(5.68)
x0 (t)
durch Integration ergibt.
Für die Transformation der Differentialoperatoren werden die Ableitungen von (5.68) gebraucht. Die Ableitung nach dem Ort ist einfach
∂ψ (x, t)
= ρ.
∂x
(5.69)
Für die Ableitung nach der Zeit wird die Leibniz’sche Regel benutzt:
Z
x
∂ρ (e
x, t)
∂x0 (t)
de
x − ρ (x0 (t) , t)
∂t
∂t
x0 (t)
Z x
∂ρv
=−
de
x − ρ (x0 (t) , t) v (x0 (t) , t) = −ρv
x0 (t) ∂x
∂ψ (x, t)
=
∂t
(5.70)
Hierin wurde außerdem die Zeitableitung der Dichte mit der Massenbilanz ersetzt. Damit erhalten wir für die Zeitableitung eines Feldes A in Ortskoordinaten den Ausdruck
∂A (x, t)
∂A (ψ, t) ∂A (ψ, t) ∂ψ
=
+
∂t
∂t
∂ψ
∂t
∂A (ψ, t)
∂A (ψ, t)
=
− ρv
∂t
∂ψ
(5.71)
in Lagrange-Koordinaten und für die Ortsableitung entsprechend
∂A (x, t)
∂A (ψ, t) ∂ψ
=
∂x
∂ψ
∂x
∂A (ψ, t)
=ρ
∂ψ
(5.72)
Mit diesen Ausdrücken lassen sich jetzt Feldgleichungen von Orts- auf Lagrange-Koordinaten
transformieren. Besonders einfach werden die substantiellen Ableitungen, die wegen
∂A (x, t)
∂A (x, t)
∂A (ψ, t)
+v
=
∂t
∂x
∂t
(5.73)
einfach zur partiellen Zeitableitungen werden. Dies war allerdings auch schon vorher bekannt.
Beachtenswert ist, daß die Ortsableitungen nach (5.72) transformiert werden müssen.
5.3. ZUR BERECHNUNG
5.3.3
63
Linienmethode
Mit den resultierende Gleichungen (5.36) und (5.37) erhalten wir ein System partieller Differentialgleichungen in der Zeit t und einer Ortsvariablen ψ. Zur Lösung dieser Gleichungen wurde
die Linienmethode verwendet. (Siehe [21]) In dieser Methode wird zunächst nur die Ortsvariable
diskretisiert, wodurch für die Feldgrößen an jedem Diskretisierungspunkt ein gewöhnliches Differentialgleichungssystem in der Zeit entsteht. Mit dieser Halbdiskretisierung wurde das numerisch
komplizierte partielle System in ein einfaches gewöhnliches Anfangswertproblem umgewandelt,
für das jetzt ein Standardalgorithmus benutzt werden kann.
Die Feldgleichungen (5.36) und (5.37) lassen sich ohne Diskretisierung zunächst in der Form
∂F y (ψ, t)
∂y (ψ, t)
= G y (ψ, t) ,
, ...
(5.74)
∂t
∂ψ
schreiben. Hierin steht der Vektor y wieder für die Felder der Temperatur und Konzentrationen
und die Funktion F ist durch


c1

c3
F y =
(5.75)
h (T, c1 , c3 )
mit der Enthalpie h nach (5.38), definiert. (Die ”Dimensionslos-Dächer” sind hier weggelassen
worden) Die Funktion G faßt die rechten Seiten von (5.36) und (5.37), sowie die Ortsableitungen
auf den linken Seiten zusammen. Wir führen jetzt eine Diskretisierung der Form
y i (t) = y (ψi , t)
(5.76)
ψi+1 = ψi + h
(5.77)
mit der konstanten Schritweite h nach
ein und erhalten aus (5.74)
dF y i (t)
dt
∂y
= G y i (t) ,
∂ψ
, ...
(5.78)
i
für die Feldgrößen am Diskretisierungspunkt i. Die eckigen Klammern kennzeichnen das Ersetzen der Ableitungen durch Differenzenquotienten. In der Linienmethode ist hierbei auf die Wahl
der Differenzenquotienten zu achten, da das Lösungsverhalten des entstehenden Anfangswertproblems von dieser Wahl abhängen kann.
In (5.36) und (5.37) treten die Ortsableitungen ausschließlich in der Form von sogenannten
Diffusionstermen auf:
∂y
∂
D y
∂ψ
∂ψ
In der Partialmassenbilanz entspricht die Funktion D beispielsweise der Dichte ρ und in der
aus der Wärmeleitung stammenden zweiten Ableitung der Temperatur ist D ≡ 1. Um eine
vernünftige Diskretisierung dieser Terme abzuleiten, betrachten wir zunächst die identische Umformung
∂
∂y
∂D ∂y
∂2y
D
=
+D 2 .
(5.79)
∂ψ
∂ψ
∂ψ ∂ψ
∂ψ
64
KAPITEL 5. BEISPIEL EINER REALISTISCHEN FLAMME
Analytisch sind beide Seiten äquivalent, die Diskretisierungen der beiden Seiten sind allerdings
unterschiedlich. Um die Approximationsgüte für die Diffusionsterme zu erhöhen, bilden wir den
Mittelwert zwischen den Diskretisierungen beider Seiten.
∂
∂y 1
∂
∂y
∂D ∂y
∂2y
D
≈
D
.
(5.80)
+
+D 2
∂ψ
∂ψ i 2
∂ψ
∂ψ i
∂ψ ∂ψ
∂ψ i
Aus Konsistenzgründen soll dabei die Auswertung in den Diskretisierungen auf die gleiche Anzahl von Punkten beschränkt bleiben. In unserem Fall reichen drei Punkte, d.h. außer dem Punkt
i sollen nur noch die Punkte i − 1 und i + 1 in den Differenzenqoutienten auftreten. Für die frei
auftretenden ersten und die zweiten Ableitungen werden die zentralen Differenzen
∂u
ui+1 − ui−1
=
(5.81)
∂ψ i
2h
2 ∂ u
ui+1 − 2 ui + ui−1
=
(5.82)
2
∂ψ i
h2
benutzt. Damit ergibt sich
∂D ∂y
=
∂ψ ∂ψ i
∂2y
D 2 =
∂ψ i
∂
∂y
D
=
∂ψ
∂ψ i
1
4 h2
(Di+1 − Di−1 ) (yi+1 − yi−1 )
(5.83)
(Di yi+1 − 2 Di yi + Di yi−1 )
∂y ∂y 1
− Di−1
2 h Di+1 ∂ψ ∂ψ i−1
i+1
(5.84)
1
h2
(5.85)
für die einzelnen Summanden in (5.80). Die in der letzten Zeile auftretenden ersten Ableitungen
lassen sich dort nicht durch zentrale Differenzen ersetzen, da sonst die zusätzlichen Punkte i − 2
bzw. i + 2 mit einbezogen werden. An deren Stelle werden die asymmetrischen 3-Punkt-Formeln
3 ui+1 − 4 ui + ui−1
∂u
=
(5.86)
∂ψ i+1
2h
∂u
−3 ui−1 + 4 ui − ui+1
=
(5.87)
∂ψ i−1
2h
verwendet. Alles zusammen gesetzt erhalten wir für (5.80)
∂
∂y yi+1 − yi
yi − yi−1
1
D
≈
Di+ 1
− Di− 1
2
2
∂ψ
∂ψ i h
h
h
(5.88)
mit
Di+ 1 =
2
1
2
(Di+1 + Di ) .
(5.89)
Für konstantes D reduziert sich diese Form wieder auf die gewöhnlichen zentralen Differenzen
für die zweite Ableitung. Diese Diskretisierung findet sich beispielsweise in [19].
Wird die Gleichung (5.78) nun für die Punkte 1 bis N hingeschrieben, so entsteht ein gekoppeltes gewöhnliches Differentialgleichungssystem für die Felder y 1 (t) bis y N (t). Die Anfangsbedingungen sind die homogenen Verteilungen der Felder nach (5.46). Zusätzlich treten in der
Gleichung für Punkt 1 durch die Diskretisierung der Diffusionsterme die Felder am Punkt 0
und in der letzten Gleichung entsprechend die Felder am Punkt N + 1 auf. Diese Werte sind
durch die Randbedingungen (5.43) und (5.45) festgelegt. Die Gradienten werden darin durch
5.3. ZUR BERECHNUNG
65
die asymmetrische 3-Punkt-Formel (5.86) diskretisiert und damit der Wert der Felder am Rand
mit den Feldern im Inneren verknüpft:
∂y
2h
(5.90)
⇐⇒
y N +1 =
= R (t)
R (t) + 4 y N − y N −1
∂ψ N +1
3
Die Funktion R ist nach (5.45) durch


qe S (t)

0
R (t) = 
0
(5.91)
gegeben. Die in (5.45) auftretende Dichte wurde hier und in den Rechnungen zur Vereinfachung
identisch gleich eins gesetzt. Ansonsten wäre R von y N +1 abhängig und für die Felder am Punkt
N + 1 müßte ein nichtlineares Gleichungssystem gelöst werden. Für den Schalter S (t) (vergl.
Abschnitt 5.1.4) wurde in den Rechnungen die glatte Funktion
 1
πt
1
−
cos
t < ∆s

2
∆s


 1
∆s < t < tq
S (t) =
(5.92)
π(t−tq )
1
1 + cos ∆s
tq < t < tq + ∆s


2


0
sonst
benutzt, da eine unstetige Version der Numerik Schwierigkeiten bereitete. Hierin ist ∆s die Zeit
in der die Funktion auf den Wert eins ansteigt bzw. wieder auf null abfällt. Der verwendete Wert
ist ∆s = 15 .
Damit ist das Anfangswertproblem komplett. In der numerischen Rechnung wurde das in
[7] frei verfügbare implizite Verfahren RADAU5 benutzt. Explizite Verfahren erwiesen sich als
unbrauchbar, wodurch das Problem als steif eingestuft werden kann. Dies ist typisch für Gleichungen mit unterschiedlichen chemischen Reaktionen. (Vergl. [19]) Für die Anzahl der Diskretisierungspunkte wurde anfänglich mit N zwischen 200 und 300, für die Abbildungen mit
N = 600, gearbeitet.
66
KAPITEL 5. BEISPIEL EINER REALISTISCHEN FLAMME
Literaturverzeichnis
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