Die resektive Parodontal- chirurgie und Furkations

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Die resektive Parodontalchirurgie und Furkationstherapie
Eine Parodontitis als bakterielle Infektionserkrankung äussert sich unter anderem im Abbau
der zahntragenden Strukturen (Desmodont und Knochen). Eine Parodontaltherapie hat das
Ziel, die parodontalpathogenen Bakterien zu beseitigen und die Entzündungsreaktion einzudämmen. Nach der Hygienephase sollte sich, falls notwendig, eine chirurgische Therapie
der Knochendefekte anschliessen.
Autoren:
Oliver Laugisch und Anton
Sculean, Klinik für Parodontologie
der ZMK Bern
Schlüsselwörter:
Parodontologie, Parodontalchirurgie, resektive Parodontalchirurgie,
Furkationsinvolvierung,
Furkationstherapie
Kontakt:
Dr. Oliver Laugisch
Der vorliegende Artikel soll auf der einen Seite
die Möglichkeiten resektiver parodontalchirurgischer Eingriffe im Sinne eines apikal verschobenen Mukoperiostlappens in Kombination mit
einer Knochenchirurgie erläutern und diese den
heute möglichen unterschiedlichen regenerativen Ansätzen (in einem Folgeartikel zusammengestellt) gegenüberstellen. Auf der anderen
Seite soll die resektive Therapie furkationsinvolvierter Molaren vorgestellt und diskutiert werden, da gerade bei Furkationsinvolvierung ein
resektives Vorgehen eine sehr vorhersagbare
Möglichkeit des Zahnerhaltes bietet.
Klinik für Parodontologie,
Universität Bern
Freiburgstrasse 7
CH-3010 Bern
Schweiz
Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Anton
Sculean, M.S.
Klinik für Parodontologie,
Universität Bern
Freiburgstrasse 7
CH-3010 Bern
Schweiz
Einleitung
Die Zerstörung der zahntragenden Gewebe bei
einer Parodontalerkrankung manifestiert sich in
der Regel in einem Abbau des zahntragenden Alveolarknochens. Anhand der Defektmorphologie
unterscheidet man zwar zwischen horizontalen
und vertikalen Defekttypen, die Defekte sind jedoch meist durch eine Kombination horizontaler
und vertikaler Komponenten ausgezeichnet. Da
es nach einer ersten Hygienephase mit Scaling,
Wurzelglätten und einer Optimierung sowie Kontrolle der Mundhygiene in der Regel zu einer Verbesserung der parodontalen Situation kommt, ist
vor der Planung der chirurgischen Phase eine
Reevaluation angezeigt. Durch eine Schrumpfung
der entzündungsfreien Gewebe überwiegen hiernach meist die vertikalen Knochendefekte und die
offenen Furkationen.
Pontoriero und Mitarbeiter [1] haben zwar gezeigt, dass es durch ein regelmässiges Nachinstumentieren der vertikalen Defekte zu einer
natürlichen Regeneration und damit zu einem
«Auffüllen» des Defektes kommen kann, ferner
kann jedoch von einem vertikalen Knochendefekt und Taschenbildung ein weiterer Attach-
mentverlust ausgehen. So wird es notwendig,
diese Defekte, welche Nischen für eine erneute
Besiedlung mit Parodontalpathogenen darstellen, in der chirurgischen Phase der Therapie zu
beseitigen. Dies ist jedoch im Bereich von Furkationen, wo Knochendefekte mit furkationsinvolvierten Wurzeln zusammentreffen, meist eine
besondere Herausforderung in Planung und
Durchführung.
Knochenchirurgie
Bei der Knochenchirurgie werden die Verfahren
zur Elimination von Knochendeformitäten bei
parodontalen aber auch anderen Faktoren, wie
beispielsweise Exostosen, zusammengefasst.
Man unterscheidet hierbei zwischen additiven
und subtraktiven Verfahren.
Bei der subtraktiven Knochenchiurgie wird der
bestehende Alveolarknochen durch eine Beseitigung von Knochenkanten auf ein weiter apikal
gelegenes Niveau reduziert – der additive Ansatz unter Verwendung regenerativer Massnahmen wird im Folgeartikel «Die regenerative Parodontalchirurgie» näher erläutert.
Auswahl der chirurgischen Technik
Die Morphologie und Lokalisation der Knochendefekte samt deren Anzahl sowie Tiefe und Lokalisation der Furkationsinvolvierungen bestimmt die Auswahl der chirurgischen Technik.
Die resektive Knochenchirurgie in Kombination mit apikal verschobenen Lappen
Die resektive Knochenchirurgie ist die vorhersagbarste und sicherste Technik, parodontale
Taschen, welche durch knöcherne Unebenheiten
bedingt sind, zu reduzieren. Das Hauptziel dieser
klassisch resektiven Parodontalchirurgie ist es,
den marginalen Knochen nachzuformen (Osteo-
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tomie und Osteoplastik), damit er nach dem
Eingriff dem Alveolarfortsatz eines nicht durch
Parodontitis zerstörten Fortsatzes entspricht.
Dieser Ansatz der chirurgischen Parodontaltherapie wird in Kombination mit nach apikal verschobenen Mucoperiostlappen angewendet,
sodass zudem auch eine Taschenelimination
vorgenommen und ein besser zu reinigendes
Umfeld geschaffen wird [2].
Zwar konnte gezeigt werden, dass eine Knochenchirurgie in Kombination mit einem apikal
verschobenen Lappen, die am besten vorhersagbare Tascheneliminationstechnik zu sein scheint
[3–5], dennoch konnte in einer Vergleichsstudie
gezeigt werden, dass die Taschentiefen nach 6
Monaten gleichsam reduziert werden konnten,
unabhängig, ob mittels resektiver Knochenchirurgie therapiert wurde oder nicht. Zudem konnte
gezeigt werden, dass das Bluten auf Sondieren
bei modifiziertem Widman-Lappen und resektiver Knochenchirurgie höher lag als ohne Knochenchirurgie [6]. Aus diesem Grund und durch
neue Erkenntnisse der regenerativen Parodontalchirurgie und der verwendeten Biomaterialien ist nachvollziehbar, dass der Therapieansatz
einer resektiven Parodontalchirurgie mehr und
mehr in den Hintergrund gedrängt worden ist
und sich im klassischen Sinn auch nur auf wenige klinische Situationen anwenden lässt.
Die resektive Furkationstherapie
Da über 50 % der Oberkiefermolaren bei Patienten mit einer Parodontalerkrankung mindestens
eine tiefe Furkationsinvolvierung zeigen [7] und
Patienten mit einer generalisiert fortgeschrittenen Parodontitis zu 90 % furkationsinvolvierte
Oberkiefermolaren haben [8], wird der resektiven parodontalchirurgischen Furkationstherapie
eine besondere Bedeutung zugesprochen.
Einer der Hauptgründe dieses Therapieansatzes
ist ein Aufwerten der Langzeitprognose betroffener Zähne, da nachgewiesen werden konnte,
dass Oberkiefermolaren mit Verlust interradiku-
Abb. 1: Sulkuläre Schnittführung bukkale Ansicht
Abb. 2: Paramarginale Schnittführung palatinale Ansicht
Abb. 3: Degranulation bukkale Ansicht
Abb. 4: Degranulation palatinale Ansicht
Abb. 5: Ostektomie und Osteoplastik bukkale Ansicht
Abb. 6: Ostektomie und Osteoplastik palatinale Ansicht
Abb. 7: Nahtverschluss bukkal
Abb. 8: Nahtverschluss palatinal
Abb. 9: Nahtentfernung 7 Tage post OP bukkal
Abb. 10: Nahtentfernung 7 Tage post OP palatinal
Abb. 11: Nahtentfernung 7 Tage post OP bukkal
Abb. 12: Nahtentfernung 7 Tage post OP palatinal
Klinischer Fall: Resektive Parodontalchirurgie mit Osteotomie und Osteoplastik (Dr. Christina Papendorf, Steinfurt)
Abb. 1
Abb. 2
Abb. 3
Abb. 4
Abb. 5
Abb. 6
Abb. 7
Abb. 8
Abb. 9
Abb. 10
Abb. 11
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Klinischer Fall: Resektive Furkationstherapie – Wurzelamputation
(Dr. Marco Aglietta, Bern)
Abb. 13
Abb. 14
Abb. 15
Abb. 16
Abb.17
lären Parodontalgewebes ein erhöhtes Risiko für
weiteren Attachmentverlust haben und diesen
Zähnen aus diesem Grund auch eine schlechtere
Langzeitprognose zugesprochen wird. Bei einer
Gegenüberstellung aller von einer Parodontitis
betroffenen Zähne sind die Oberkiefermolaren
gefolgt von anderen furkationsinvolvierten Zähnen diejenigen, welche am ehesten verlorengehen [9, 10].
Zahlreiche Faktoren beeinflussen hierbei die
Prognose von Zähnen mit einer Furkationsinvolvierung. Die Zähne, sowie die Dentition betreffend sind dies der Schweregrad der Furkationsinvolvierung und die Menge verlorengegangenen
Knochens, sowie die Anzahl verbleibender Molaren im Gebiss [10]. Von der Seite des Patienten
ausgehend sind dies schlechte Mundhygiene
und Rauchen [10, 11].
Abb. 13: Elongierter und furkationsinvolvierter 26.
Abb. 14: Zustand nach Wurzelamputation.
Abb. 15: Kronenversorgung 26, Implantat und Krone 36.
Abb. 16: Furkationsinvolvierter 16 intraoperativ.
Abb.17: Amputation der disto-bukkalen Wurzel.
Abb. 18: Zustand nach Amputation intraoperativ.
Abb. 18
LITERATUR
1.Pontoriero R, Nyman S and Lindhe J, The angular bony defect in the
maintenance of the periodontal patient. J Clin Periodontol, 1988. 15(3):
p. 200–4.
2.Sims T and Ammona W, Carranza: Chapter 66: Resective Osseous Surgery.
3.Kaldahl, W.B., et al., Evaluation of four modalities of periodontal therapy. Mean probing depth, probing attachment level and recession
changes. J Periodontol, 1988. 59(12): p. 783–93.
4.Kaldahl WB et al., Long-term evaluation of periodontal therapy: I. Response to 4 therapeutic modalities. J Periodontol, 1996. 67(2): p. 93–102.
5.Knowles J, Burgett F and Nissle R, Results of periodontal treatment
related to pocket depth and attachment level after 8 years. J Periodontol, 1979. 50: p. 225.
6.Westfelt E et al., Improved periodontal conditions following therapy. J
Clin Periodontol, 1985. 12(4): p. 283–93.
7.Svardstrom G and JL Wennstrom, Prevalence of furcation involvements
in patients referred for periodontal treatment. J Clin Periodontol, 1996.
23(12): p. 1093–9.
8.Ross IF and Thompson RH Jr., Furcation involvement in maxillary and
mandibular molars. J Periodontol, 1980. 51(8): p. 450–4.
9.Hirschfeld L and Wasserman B, A long-term survey of tooth loss in 600
treated periodontal patients. J Periodontol, 1978. 49(5): p. 225–37.
10.McFall WT Jr., Tooth loss in 100 treated patients with periodontal disease. A long-term study. J Periodontol, 1982. 53(9): p. 539–49.
11.Lang NP, Cumming BR and Loe H, Toothbrushing frequency as it relates
to plaque development and gingival health. J Periodontol, 1973. 44(7):
p. 396–405.
12.Feres M et al., Clinical evaluation of tunneled molars: a retrospective
study. J Int Acad Periodontol, 2006. 8(3): p. 96–103.
13.Al-Shammari KF, Kazor CE and Wang HL, Molar root anatomy and management of furcation defects. J Clin Periodontol, 2001. 28(8): p.
730–40.
14.Carnevale G, Pontoriero R and di Febo G, Long-term effects of rootresective therapy in furcation-involved molars. A 10-year longitudinal
study. J Clin Periodontol, 1998. 25(3): p. 209–14.
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Furkationsdiagnostik
Eine genaue Diagnostik furkationsinvolvierter
Zähne ist grundlegend für die Einschätzung der
Langzeitprognose, aber auch für die Planung
einer (resektiven) Furkationstherapie. Um intraoperative Überraschungen zu vermeiden, beinhaltet die Furkationsdignostik die Einschätzung
des Grades horizontaler, wie auch vertikaler
Furkationsinvolvierung, die Beurteilung des inter- und periradikulären Knochens, aber auch
Faktoren wie Wurzelmorphologie, Wurzellänge
oder der Grad an Wurzelseparation. Hierbei
kommen neben der klinischen Untersuchung
auch bildgebende Massnahmen zur Anwendung.
Resektive Therapieoptionen furkationsinvolvierter Zähne
Da sich geringe Furkationsinvolvierungen erfolgreich nichtchirurgisch oder im Sinne eines
Open-Flap-Debridments therapieren lassen, haben resektive Therapieoptionen eher ihren Fokus
auf fortgeschrittene schwere Formen. Eine Ausnahme stellt in diesem Zusammenhang jedoch
das Beispiel eines Furkationseinganges dar, welcher zwar gering beteiligt, jedoch der Mundhygiene nicht zugänglich ist. In dieser Situation
kommen resektive Massnahmen wie Gingivektomie oder Odontoplastiken zum Einsatz, um die
Reinigung und Pflegbarkeit dieser Furkationsregion zu verbessern.
Bei fortgeschrittenen Furkationsinvolvierungen
stellt eine Tunnelierung der Furkation in Kombination mit apikal verschobenem Lappen eine
Möglichkeit dar, die Furkationsregion für Interdentalbürsten zugänglich und damit pflegbar zu
gestalten und eine Taschenelimination vorzunehmen. Es ist jedoch zu bedenken, dass tunnelierte Zähne aufgrund exponierter Wurzeldentinoberfläche ein erhöhtes Risiko für Wurzelkaries
aufweisen [12].
Anstelle einer Tunnelierung stellt auch eine Separation der Wurzeln einen vertretbaren Ansatz
dar, die zuvor schwer zu pflegenden Furkationen
Mundhygienemassnahmen zugänglich zu machen. Je nach Art der Furkationsinvolvierung ist
ferner angezeigt, die separierten Wurzeln zu
belassen, wie es beispielsweise bei einer Pämolarisierung eines Unterkiefermolaren der Fall
sein kann oder aber – wie bei schwer furkationsinvolvierten Oberkiefermolaren – die betroffene
Wurzel im Sinne einer Amputation oder Trisektion zu entfernen. Betrachtet man hierbei die
durchschnittlichen Wurzeloberflächen der oberen Molaren (mb 118 m2, p 115 m2 und db 91 m2)
[13] wird deutlich, dass die distobukkale Wurzel,
Prof. Dr. med. dent. Dr. h.c. mult.
Anton Sculean M.S.
1985–1990 Studium der Zahnheilkunde an der
Semmelweis Universität Budapest
1990–1991 Assistent in freier Praxis
1991–1992 Assistent in der Poliklinik für
Parodontologie der Westfälischen WilhelmsUniversität Münster (Direktor: Prof. Dr. Dieter E.
Lange)
1993–1995 Postgraduierte Ausbildung am Royal
Dental College Aarhus (Dänemark), Abteilung für
Parodontologie (Direktor: Prof. Dr. Thorkild Karring)
1997 Facharztprüfung für Parodontologie (Master of Science in Periodontology) am
Royal Dental College, Aarhus
1998–2002 Oberarzt an der Universitätsklinik Homburg/Saar, Abteilung für Parodontologie und Zahnerhaltung
18. September 1999 Auszeichnung als Spezialist der DGP für Parodontologie im
Rahmen der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Parodontologie
5. Juli 2001 Habilitation im Fach Parodontologie an der Universität des Saarlandes,
Homburg/Saar
2002–2004 Oberarzt und Leiter der Sektion Parodontologie an der Poliklinik für
Zahnerhaltung, der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Gewinner des «Anthony
Rizzo Awards» der International Association for Dental Research
2004–2008 Leiter der Abteilung für Parodontologie an der Universität Nijmegen
2004–2008 Direktor des EFP akkreditierten Weiterbildungsprogramms für Parodontologie
an der Universität Nijmegen
23. Oktober 2007 Ehrendoktorwürde der Victor Babes Universität Timisoara
7. November 2007Ehrendoktorwürde der Semmelweis Universität Budapest
seit 1. Dezember 2008 Direktor der Klinik für Parodontologie, Universität Bern
Dr. med. dent. Oliver Laugisch
2001–2006 Studium der Zahnmedizin an der
Westfälischen Wilhelms Universität in Münster,
Deutschland
2007–2008 Assistent in Privatpraxis in Deutschland
2008–2009 Weiterbildungsassistent Parodontologie in der Praxis von Prof. Dr. Heinz Topoll in
Münster, Deutschland
seit 2009 Weiterbildungsassistent Parodontologie
an der Klinik für Parodontologie der ZMK Bern
(Direktor: Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Anton Sculean,
M.S.)
wenn dies indiziert ist, am ehesten entfernt
wird. Zwar ist Wurzelkaries eine der Hauptkomplikationen der resektiven Furkationstherapie –
nach 3,6 Jahren hatten 13,4 % der tunnelierten
Molaren eine Karies[12] – dennoch hatten furkationsinvolvierte und resektiv therapierte Molaren bei Parodontitispatienten mit 93 % eine
sehr gute Überlebensrate nach 10 Jahren Beobachtungszeitraum [14]. Verglichen mit 99 %
Überlebensrate bei nicht furkationsinvolvierten
Molaren nach 10 Jahren [14] ist dies als sehr gut
vertretbar und die resektive Furkationstherapie
befürwortend zu sehen .
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