Teilchen und Kräfte im Universum KIT-ZENTRUM ELEMENTARTEILCHEN- UND ASTROTEILCHENPHYSIK KIT – die Kooperation von Forschungszentrum Karlsruhe GmbH und Universität Karlsruhe (TH) 2 Der Krebsnebel entstand aus der SupernovaExplosion eines Sternes. Bei solchen Explosionen werden unvorstellbare Mengen von Teilchen und Strahlung frei. Zurück bleibt ein Pulsar (wie beim Krebsnebel) oder ein Schwarzes Loch. Elementarteilchen- und Astroteilchenphysik am Karlsruher Institut für Technologie Schon immer haben Menschen versucht, die Entwicklung des Universums, seine Bausteine und die Kräfte zwischen ihnen zu verstehen. Heute wissen wir, dass die Strukturen im Universum eng mit den fundamentalen Wechselwirkungen zwischen den Elementarteilchen verknüpft sind. Das KIT-Zentrum Elementarteilchen- und Astroteilchenphysik (KCETA) führt theoretische Grundlagenuntersuchungen und international verankerte Großprojekte durch, um grundlegende Fragen beispielsweise nach dem Ursprung der Masse, der Asymmetrie zwischen Materie und Antimaterie, der Zusammensetzung von Dunkler Energie und Dunkler Materie, der Masse der Neutrinos oder dem Ursprung der kosmischen Strahlung zu beantworten. KIT-Zentrum Elementarteilchen- und Astroteilchenphysik Das KIT-Zentrum Elementarteilchen- und Astroteilchenphysik KCETA wird von Instituten des Forschungszentrums Karlsruhe und der Universität Karlsruhe getragen. Forschung und Lehre in KCETA werden durch das Land Baden-Württemberg, die Helmholtz-Gemeinschaft, das BMBF, die DFG und die Europäische Union gefördert. KIT setzt auf das Wissensdreieck Forschung – Lehre – Innovation. Die Nähe zur Spitzenforschung macht die Ausbildung am KIT attraktiv. Lebhafter internationaler Austausch bereits für Doktoranden und Nachwuchswissenschaftler ist daher ebenso selbstverständlich wie Forschungsaufenthalte im Ausland und Besuche zahlreicher Gastwissenschaftler. Die Arbeitsbereiche des KCETA gliedern sich in neun Topics: ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ Kosmische Strahlung Dunkle Materie Quantenfeldtheorie Experimentelle Kolliderphysik Theoretische Kolliderphysik Flavourphysik Neutrinophysik Computergestützte Physik Technologieentwicklungen Das Bild zeigt die Spuren, die bei der Erzeugung eines Higgs-Bosons im CMS-Detektor erwartet werden. Das Higgs-Boson ist im Rahmen des Standardmodells für die Masse von Elementarteilchen verantwortlich. 3 TOPIC 1: 4 Das Pierre Auger-Observatorium auf einer Fläche von 3000 Quadratkilometern in der argentinischen Pampa besteht aus über 1600 autarken Tanks: In hochreinem Wasser lösen energetische Teilchen Lichtblitze aus. Daneben beobachten am Rand des Detektorfeldes vier Teleskopstationen die Leuchtspuren der kosmischen Teilchenschauer. Kosmische Strahlung Die Erde ist einem ständigen Strom von energiereichen Partikeln aus dem Weltraum ausgesetzt, deren Entstehung, Beschleunigung, Ausbreitung und Wechselwirkung mit der Lufthülle der Erde nach wie vor ungeklärt ist. Die hohe Primärenergie der Partikel wird beim Durchdringen der Erdatmosphäre in entsprechend viele Sekundärteilchen („Luftschauer“) umgesetzt, die dann am Boden nachweisbar sind. Das KIT konzentriert sich auf die besonders hochenergetischen Ereignisse. Pierre Auger-Observatorium Je höher die Energie der kosmischen Partikel ist, desto seltener sind sie. Von den höchstenergetischen trifft nur ein Teilchen pro Quadratkilometer und Jahrhundert auf die Erdatmosphäre. Deshalb hat eine internationale Forscher-Kollaboration aus 17 Ländern, bei der das KIT die stärkste Gruppe stellt, in der argentinischen Pampa das Pierre Auger-Observatorium aufgebaut, den weltweit größten Detektor für kosmische Strahlung. Teilchenastronomie Die ersten Resultate des AugerObservatoriums sind so spannend, dass ein zweites Instrument auf der Nordhalbkugel in Colorado/USA errichtet werden soll. Eine instrumentierte Fläche von 20.000 Quadratkilometern könnte dann die extragalaktischen Teilchen am gesamten Himmel und in ausreichender Anzahl beobachten. Neue Technologie Die positiv und negativ geladenen Teilchen in Luftschauern werden im Magnetfeld der Erde abgelenkt und erzeugen dabei Radiostrahlung. Aus diesem Effekt entwickeln KIT-Forscher mit Hilfe von Radio2 antennen und dem 0,5 km großen KASCADE-Grande-Detektor eine neuartige Nachweismethode für kosmische Strahlung. Im Jahr 2007 konnte mit dem Pierre Auger-Observatorium erstmals eine Himmelskarte für die Ankunftsrichtungen der energiereichsten Teilchen erstellt werden. Sie zeigt deutliche Abweichungen von einer gleichmäßigen Verteilung: die Teilchenrichtungen korrelieren mit aktiven Galaxien in unserer kosmischen Nachbarschaft. 5 TOPIC 2: 6 Im Experiment EDELWEISS werden mehr als 30 je 320 g schwere Germaniumdetektoren auf extrem tiefe Temperaturen abgekühlt (20 Millikelvin). Stößt ein WIMP mit einem Germaniumkern zusammen, wird dabei Energie deponiert: Die Temperatur des Kristalls erhöht sich dadurch geringfügig, außerdem wird die Umgebung des Zusammenstoßes ionisiert. Beide Signale werden gemessen und verarbeitet. Dunkle Materie Was wir mit Teleskopen sehen, beispielsweise Sterne und Planeten, macht nach neuesten Erkenntnissen der Kosmologie nur rund fünf Prozent der Energiedichte und Materie im Universum aus. 95 Prozent bilden so genannte Dunkle Energie und Dunkle Materie, deren physikalische Natur bislang völlig ungeklärt ist. Die Dunkle Energie erfüllt das Universum homogen und bewirkt, dass es beschleunigt expandiert. Die Dunkle Materie macht sich bei vielen astrophysikalischen Beobachtungen durch ihre Schwerkraftwirkung bemerkbar. Das KIT ist maßgeblich an Experimenten zur Suche nach Dunkler Materie beteiligt – mit kryogenen Detektoren wie dem EDELWEISS-Detektor oder mit dem CMSExperiment am Large Hadron Collider LHC. WIMPS Erweiterungen des Standardmodells der Teilchenphysik sagen die Existenz eines Teilchens voraus, dem die Physiker den Arbeitstitel „WIMP“ gegeben haben: „Weakly Interacting Massive Particle“, schwach wechselwirkendes massives Teilchen. Diese WIMPS gelten als wichtigste Anwärter für die Erklärung der Dunklen Materie. Es wird erwartet, dass sie sich in Teilchenwolken um Galaxien konzentrieren. Kosmische Strahlung In seltenen Fällen kommt es in Regionen hoher WIMP-Dichte, beispielsweise in der Milchstraße, zur direkten Wechselwirkung zweier WIMPS, die sich dabei gegenseitig vernichten. Die dabei entstehende Energie kann durch Satelliten als zusätzliche kosmische Strahlung nachgewiesen werden. EDELWEISS Für die Suche nach den WIMPS entstand im französisch-italienischen FréjusTunnel, durch 1800 Meter Gestein von der kosmischen Strahlung abgeschirmt, das Experiment EDELWEISS (Expérience pour detecter les WIMPS en Site Souterrain). Das EDELWEISS-Experiment: Das KIT ist unter anderem für den 100 Quadratmeter großen Myon-Vetozähler verantwortlich. 7 TOPIC 3: 8 Die mathematische Beschreibung der Wechselwirkungen der Bausteine der Materie beruht auf relativistischen Quantenfeldtheorien, einer Synthese von spezieller Relativitätstheorie und Quantenmechanik. Quantenfeldtheorie Die fundamentalen Bausteine der Materie, die Elementarteilchen, werden im so genannten Standardmodell beschrieben: Es gibt Auskunft über ihre Eigenschaften und die zwischen ihnen wirkenden Kräfte von den kleinsten Abständen bis zu astronomischen Entfernungen. eine wichtige Voraussetzung für die Tests der Theorie ebenso wie für die Entwicklung neuer theoretischer Modelle. Die weltweit genauesten Werte für die starke Kopplung und die Masse der schweren Charm- und Bottom-Quarks wurden kürzlich am KIT bestimmt. Produktions- und Zerfallsraten von Elementarteilchen Relativistische Quantenfeldtheorien sind meist nur näherungsweise lösbar, ermöglichen aber oft Vorhersagen mit beliebig hoher Genauigkeit. Das KIT hat sich hier mit Hilfe neuer mathematischer Methoden, innovativer Algorithmen und durch die Entwicklung von Computeralgebra eine international führende Rolle erarbeitet. Vereinheitlichte Feldtheorie Die Werte der drei Kopplungskonstanten lassen sich im Rahmen einer großen vereinheitlichten Theorie auf einen einzigen Parameter zurückführen. Untersuchungen am KIT liefern indirekt Aufschlüsse über die Struktur dieser übergeordneten Theorie. Quarkmassen und Kopplungskonstanten Der Vergleich von Vorhersagen und Messungen ermöglicht die Bestimmung der Kopplungskonstanten und Quarkmassen, Nicht-störungstheoretische Effekte Die anomale Baryonenzahlverletzung in der elektroschwachen Theorie, die vermutlich eine Rolle im Ursprung der kosmischen Teilchen-Antiteilchenasymmetrie spielt, wird am KIT mit nicht-störungstheoretischen Methoden untersucht. Leptonen Quarks Elektron Masse 0,0005 GeV Elektron-Neutrino Masse unbekannt Up Masse 0,004 GeV Down Masse 0,007 GeV Myon Masse 0,1 GeV Myon-Neutrino Masse unbekannt Charm Masse 1,5 GeV Strange Masse 0,15 GeV Tau Masse 1,8 GeV Tau-Neutrino Masse unbekannt Top Masse 174 GeV Bottom Masse 4,7 GeV Atomkern Atom Radioaktivität Sonnensystem Maßgebliches Kraftteilchen Gluon Photon W- und Z-Boson Graviton Masse 0 Lichtteilchen Masse 0 Masse 80,3 GeV (W) 91,2 GeV (Z) Masse 0 Die fundamentalen Bausteine der Materie sind Quarks und Leptonen. 9 TOPIC 4: 10 Im Large Hadron Collider (LHC) werden Bedingungen für Reaktionen erzeugt, die –13 zu Zeiten von etwa 10 Sekunden nach dem Urknall stattfanden. Der CMS-Detektor ist einer von vier großen Detektoren, die am LHC installiert wurden. Experimentelle Kolliderphysik Das KIT ist an den weltweit leistungsfähigsten Teilchenbeschleunigern tätig, am Tevatron im Fermilab (USA) und am Large Hadron Collider (LHC) in Genf. Das CDF-Experiment am Tevatron Am Tevatron im Fermilab bei Chicago werden Protonen auf Antiprotonen geschossen. Hier wurde das schwerste bekannte Elementarteilchen, das Top-Quark, entdeckt. Weitere wichtige Entdeckungen waren die CP-Verletzung in Beauty-HadronZerfällen sowie die Beobachtung von Materie-Antimaterie-Oszillationen. An beiden Entdeckungen waren Gruppen aus Karlsruhe beteiligt. Das CMS-Experiment am Large Hadron Collider (LHC) Der Large Hadron Collider am CERN in Genf hat im August 2008 seinen Betrieb aufgenommen und wird für lange Zeit der welt- weit leistungsfähigste Teilchenbeschleuniger sein. Hier kollidieren Protonen mit Protonen. Das KIT leistet mit Entwicklungsarbeiten und der Konstruktion von rund zwanzig Prozent des Siliziumspurdetektors einen wesentlichen Beitrag zum so genannten CMS-Experiment, einem der beiden großen Universaldetektoren am LHC. Zu den physikalischen Fragen, die am KIT erforscht werden, gehören die Suche nach dem Higgs-Boson und nach Teilchen der Dunklen Materie. Weitere Schwerpunkte sind die Suche nach neuen Kräften und Teilchen, die in TopQuarks zerfallen, oder für die Top-Quarks einen wichtigen Untergrund darstellen. Der Super-LHC Nach einigen Jahren soll die Kollisionsrate am LHC noch einmal verfünffacht werden. Die dann auftretende hohe Strahlungsbelastung erfordert neue Materialien und Verfahren für den Teilchennachweis, die am KIT erforscht werden. Präszisionsvermessung von Siliziumstreifendetektoren am KIT. Konstruktion des CMS-Siliziumstreifendetektors, zu dem das KIT erhebliche Beiträge geleistet hat. 11 TOPIC 5: 12 Simulation eines Higgs-Zerfalls in zwei Z-Bosonen, die ihrerseits in zwei Myonen zerfallen (H ➔ ZZ ➔ 4µ). Theoretische Kolliderphysik Informationen über die Kräfte zwischen Elementarteilchen werden durch Experimente gewonnen, bei denen Teilchen sehr hoher Energie gestreut werden. Die höchsten Energien und damit die kleinsten Abstände werden an den modernen Kollidern wie dem LHC in Genf erreicht. Die theoretische Kolliderphysik macht Vorhersagen für diese Experimente und hilft bei der Interpretation der Daten. Messgrößen Streuexperimente liefern Teilchenströme mit sehr komplexen Mustern, die durch optimale Messgrößen mit theoretischen Modellen in Verbindung zu setzen sind. Theoretiker des KIT haben hier wichtige Beiträge geleistet, insbesondere für die Suche nach dem Higgs-Boson, das direkt für die Massen aller Elementarteilchen verantwortlich ist. Quantenkorrekturen Für eine genaue Vorhersage von Messungen müssen Quantenkorrekturen zu den Produktionsraten komplexer Prozesse berechnet werden. Diese Rechnungen werden für die Streuung von Quarks, Gluonen und Leptonen durchgeführt. Monte Carlo-Entwicklung Die Transformation der Quarks und Leptonen in den theoretischen Rechnungen zu den an Kollidern direkt beobachtbaren Teilchen erfordert die Simulation der stochastischen Prozesse mit so genannten Monte Carlo-Programmen, die diesen Übergang beschreiben. Neue Phänomene Ein Ziel der Experimente am LHC ist die Suche nach neuen Phänomenen. Am KIT werden unter anderem Modelle mit zusätzlichen Raumdimensionen oder mit Supersymmetrie untersucht und Vorhersagen für die zu erwartenden Signale solcher „neuer Physik“ gemacht. Wissenschaftler am KCETA diskutieren die Berechnung von Ereignisraten am LHC. 13 TOPIC 6: 14 Der unter starker Karlsruher Beteiligung gebaute Siliziumdetektor ISL (Intermediate Silicon Layers) für das CDF-II-Experiment am Fermilab (USA). Das CDF-II-Experiment hat unter anderem das Top-Quark gefunden und die Teilchen-Antiteilchen-Oszillationen des so genannten Bs-Mesons entdeckt, das sich 2,8 Billionen Mal pro Sekunde in sein eigenes Antiteilchen und wieder zurück umwandelt. Flavourphysik Die Grundbausteine der Materie sind Quarks (aus denen Protonen und Neutronen aufgebaut sind) und Leptonen (Elektronen und Neutrinos). Von beiden Klassen gibt es sechs unterschiedliche Sorten, genannt Flavours („Geschmacksrichtungen“). Diese gruppieren sich in drei Generationen mit jeweils zwei Teilchen. Die uns umgebende Natur besteht nur aus den Teilchen der ersten, leichtesten Generation; die der beiden anderen Generationen haben viel höhere Massen, sind instabil und zerfallen in kürzester Zeit in die leichten Teilchen. Zerfälle Nur mit Beschleunigern können auch die schwereren Partikel erzeugt werden. Die Flavourphysik studiert deren Zerfälle, um aus Präzisionsmessungen Naturkonstanten zu bestimmen, das derzeitige Standardmodell zu testen und Hinweise auf neue Naturgesetze zu finden, die die Physik auf Längenskalen bestimmen, die kleiner sind als 1/10000 des AtomkernDurchmessers. Solche Messungen führten beispielsweise zur Vorhersage von Existenz und Masse des Charm- und des TopQuarks, lange bevor diese direkt entdeckt wurden. Wissenschaftler des KCETA im Kontrollraum des CDF-II-Experiments am Fermilab (USA). CP-Verletzung Spektakulär und für die Grundlagenphysik von großer Bedeutung ist die Entdeckung der so genannten CP-Verletzung: Die Naturgesetze für Materie und Antimaterie sind leicht unterschiedlich. Solche Effekte sind dafür verantwortlich, dass unser heutiges Universum, das praktisch nur aus Materie und nicht aus Antimaterie besteht, aus dem Urknall entstehen konnte. Die bisher gefundenen Quellen von CP-Verletzung reichen zur alleinigen Erklärung jedoch nicht aus; hier sind noch viele interessante Fragen zu erforschen. 15 TOPIC 7: 16 KATRIN – die Waage für Neutrinos: Das Hauptspektrometer von KATRIN ist ein Zylinder mit 10 Metern Durchmesser und 25 Metern Länge und ist damit die größte Ultrahochvakuumkammer der Welt. Die Wände sind elektrisch blank poliert. Das gesamte KATRINExperiment ist 70 Meter lang und besteht aus mehreren Komponenten: der Tritiumquelle, einer Pumpstrecke, einem Vor- und dem Hauptspektrometer sowie einem Detektor zum Nachweis der Elektronen. Neutrinophysik Neutrinos sind die häufigsten massiven Teilchen im Universum: jeder Kubikzentimeter enthält 336 Neutrinos. Ihre Erforschung führt zu fundamentalen Fragen der Teilchenphysik und Kosmologie. So spielen Neutrinos eine wichtige Rolle bei der Untersuchung des Ursprungs der Masse. Als kosmische Architekten sind sie an der Gestaltung der sichtbaren Strukturen des Kosmos beteiligt. KATRIN Seit einigen Jahren ist bekannt, dass Neutrinos eine Ruhemasse besitzen. Das Karlsruher Tritium Neutrino Experiment KATRIN wird weltweit erstmals in der Lage sein, die Masse von Neutrinos direkt zu messen. KATRIN wird in internationaler Kooperation beim Tritiumlabor Karlsruhe (TLK) im KIT aufgebaut. Das experimentelle Messprinzip ist die extrem genaue Spektroskopie der höchstenergetischen Elektronen aus dem Beta-Zerfall von Tritium. KATRIN-Aufbau KATRIN ist weltweit nur am Standort Karlsruhe zu realisieren. Nur hier sind alle notwendigen fachlichen Voraussetzungen zu finden: das europaweit einmalige TLK, Erfahrungen mit Hochvakuum- und Kryotechnik für große wissenschaftliche Apparaturen, Experten in der Supraleiterentwicklung, Know-how und Infrastruktur für Bau und Betrieb von Großanlagen und Exzellenz in Neutrino- und AstroteilchenPhysik. Für Studierende am KIT bietet KATRIN ein hervorragendes Umfeld für den Erwerb unterschiedlicher Schlüsselqualifikationen. Nach dem spektakulären Transport des Hauptspektrometers rund um Europa nach Karlsruhe laufen nun die Aufbauarbeiten des Gesamtexperiments. Die Messungen werden im Jahr 2011 beginnen. Spektakulärer Höhepunkt des Transports des Hauptspektrometers rund um Europa war die Ortsdurchfahrt durch Eggenstein-Leopoldshafen. 17 TOPIC 8: 18 Simulation von Teilchen-Kollisionen im LHC Computergestützte Physik Ohne den Einsatz leistungsfähiger Computer ist die Forschung im Bereich der Teilchen- und Astroteilchenphysik nicht mehr denkbar. Zur optimalen Ausnutzung der Computer-Ressourcen ist es jedoch notwendig, effektive Algorithmen in spezialisierten Computerprogrammen umzusetzen. Am KIT wird daher auf verschiedenen Ebenen intensiv an der Entwicklung von Software gearbeitet, die dann für physikalische Fragestellungen in der Teilchenund Astroteilchenphysik eingesetzt wird. Quantenkorrekturen Die hohe experimentelle Genauigkeit verlangt es, Quanteneffekte in theoretischen Vorhersagen einzubauen. Die Forscher des KIT arbeiten an einer weitestgehend automatisierten Berechnung von Quantenkorrekturen basierend auf störungstheoretischen Methoden. Parallele Computeralgebra Bei der Berechnung von Streuquerschnitten innerhalb einer mathematischen Theorie, die die Wechselwirkung von Elementarteilchen beschreibt, werden sehr oft riesige Datenmengen erzeugt, die effizient verarbeitet werden müssen. Am KIT wird an einem weltweit einzigartigen Projekt gearbeitet, das die parallele Verarbeitung großer Datenströme mit Hilfe eines Computeralgebrasystems erlaubt. Simulation von Teilchenkollisionen Zur Interpretation der experimentellen Resultate des LHC werden Teilchenkollisionen simuliert und mit dem Experiment verglichen. In einer internationalen Kollaboration arbeiten Forscher des KIT an der Entwicklung eines Softwarepakets, das solche Simulationen mit hoher Präzision durchführt. Computer sind zentrale Hilfsmittel der modernen Physik. 19 TOPIC 9: 20 GridKa, das Grid Computing Centre Karlsruhe, übernimmt die Verantwortung für experimentspezifischen Dienste und Ressourcen, um die optimale Nutzung der umfangreichen Karlsruher Computing-Infrastruktur sowohl für die lokalen Gruppen als auch für ihre jeweiligen Kollaborationen sicher zu stellen. Technologieentwicklungen Um den zentralen Fragen nach den Grundbausteinen der Materie und der Entstehung und Entwicklung des Universums mit Erfolg nachgehen zu können, müssen die Elementarteilchen- und Astroteilchenphysiker ihre Werkzeuge ständig weiterentwickeln und verbessern. Schon im Jahr 2008, dem Zeitpunkt der Inbetriebnahme des größten Teilchenbeschleunigers der Welt, des LHC am CERN in Genf, arbeiten Wissenschaftler des KCETA an der Entwicklung von neuen Detektoren für die nächste Beschleunigergeneration. Dabei geht es darum, die Detektoren resistenter gegen Strahlenschäden zu machen und durch Wahl neuartiger Kühltechniken deren effektive Fläche zu vergrößern. Mit dem Nachweis von Radiosignalen in Luftschauern werden dem Studium der kosmischen Strahlung viel versprechende Wege eröffnet. In prototypischen Experimenten wird die Methode optimiert. Für das KATRIN-Experiment werden bisher beispiellose Hochvakuumsysteme und kryogene Anlagen konzipiert und in Betrieb genommen. In allen Experimenten des KCETA spielen Trigger-Algorithmen eine wichtige Rolle, die unter anderem das schnelle Unterscheiden zwischen echten und Untergrundereignissen ermöglichen. Diese Algorithmen müssen den stets wachsenden Datenflüssen neuer Experimente angepasst werden. Den trotz dieser Algorithmen immer gewaltigeren Datenmengen kann man nur mit einer Revolution der Datenanalyse Herr werden, mit dem „World Wide Grid“. Es wird die Qualität von Forschung und Wissenschaft und auch die Wettbewerbsfähigkeit vieler Industriezweige nachhaltig beeinflussen. Für den Einzelnen soll das Grid auf transparente und intuitive Weise Radioantennen im Messfeld für kosmische Strahlung KASCADE. nutzbar sein, indem sich alle Daten an einem Ort zu befinden scheinen und auf einem virtuellen Supercomputer prozessiert werden. Das KIT betreibt einen der weltweit größten Grid-Knoten: das zentrale Rechenzentrum der deutschen Teilchenphysiker, GridKa, das auch die Astroteilchenphysik und andere Wissenschaftsgebiete unterstützt. 21 Das KIT-Zentrum für Elementarteilchen- und Astroteilchenphysik KCETA Die tragenden Einrichtungen von KCETA sind auf Seiten der Universität das Institut für Experimentelle Kernphysik, das Institut für Theoretische Teilchenphysik und das Institut für Theoretische Physik, sowie auf Seiten des Forschungszentrums Karlsruhe das Institut für Kernphysik. Assoziiert sind Institute des Forschungszentrums, die sich mit Schlüsseltechnologien an KCETA beteiligen: das Institut für Technische Physik, das Institut für Prozessdatenverarbeitung und Elektronik, sowie das Steinbuch Centre for Computing. Fachliche Koordination und Planung liegen bei einem wissenschaftlich geführten Lenkungsgremium. Ein international besetzter Beirat begleitet die strategische Weiterentwicklung von KCETA. 22 Die Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses ist eine zentrale Aufgabe von KCETA und der Fakultät für Physik. Aufgrund der Attraktivität des Lehrangebotes gehört sie seit Jahren zu den größten Physikfakultäten Deutschlands. Das umfassende Lehrprogramm von KCETA wird durch eine Vielzahl von Seminaren und Kolloquien und ein internationales Gastwissenschaftlerprogramm ergänzt. und Können. Die Kollegiaten übernehmen wichtige Rollen im Forschungsprogramm des KCETA, wobei Synergieeffekte durch die enge Zusammenarbeit erzielt werden. Kernzelle der Doktorandenausbildung ist das DFG-Graduiertenkolleg Hochenergiephysik und Astroteilchenphysik mit ca. 70 Kollegiaten. Das Graduiertenkolleg ist Zentrum eines umfangreichen, koordinierten Ausbildungsprogramms und des Austauschs von Ideen, Gedanken, Wissen Die Doktoranden des KCETA waren in den letzten Jahren äußerst erfolgreich in Wissenschaft und Wirtschaft. Karlsruher Institut für Technologie (KIT) Im Karlsruher Institut für Technologie (KIT) haben sich die Universität Karlsruhe (TH) und das Forschungszentrum Karlsruhe GmbH zusammengeschlossen. Das KIT ist eine Institution mit zwei Missionen, nämlich der Mission einer Landesuniversität mit Forschung und Lehre und der Mission einer Großforschungseinrichtung der HelmholtzGemeinschaft mit programmatischer Vorsorgeforschung. Damit wurde eine Einrichtung international herausragender Forschung, Lehre und Innovation in den Natur- und Ingenieurwissenschaften aufgebaut. Im KIT arbeiten insgesamt rund 8 000 Beschäftigte mit einem jährlichen Budget von 700 Millionen Euro. KIT zieht Spitzenwissenschaftler aus aller Welt an. Die Karlsruher Einrichtung setzt neue Maßstäbe in der Lehre und Nachwuchsförderung. Das KIT ist ein führendes europäisches Zentrum der Energieforschung und spielt in den Nanowissen- schaften eine weltweit sichtbare Rolle. Zudem fungiert das KIT als wichtiger Forschungs- und Entwicklungspartner der Wirtschaft. Impressum Karlsruher Institut für Technologie (KIT) Presse, Kommunikation und Marketing (PKM) Forschungszentrum Karlsruhe GmbH in der Helmholtz-Gemeinschaft Hermann-von-Helmholtz-Platz 1 76344 Eggenstein-Leopoldshafen Telefon 07247 82-2861 Universität Karlsruhe (TH) Kaiserstraße 12, 76131 Karlsruhe Telefon 0721 608-7414 E-Mail: [email protected] www.kit.edu Redaktion: Dr. Joachim Hoffmann Fotos: Gabi Zachmann, Markus Breig, Martin Lober Gestaltung, Layout: Stolz Graphisches Atelier Druck: Wilhelm Stober GmbH, Eggenstein Oktober 2008 23 www.kit.edu