Acupuncture for Chronic Pain: Individual Patient Data Meta

Werbung
DZ A
Journal Club
Auch wenn sich die Anzahl der Tage mit Migräne etwas reduzieren ließ, gab es keinen statistisch signifikanten Unterschied aller
drei Akupunkturgruppen im Vergleich mit der Sham-Akupunkturgruppe in der vierwöchigen Periode (Woche 5–8) nach Durchführung der Randomisierung und der Akupunkturbehandlung.
Allerdings waren die Frequenz und die Intensität der Migräneattacken in den Wochen 5–8 signifikant niedriger in allen drei
Akupunkturgruppen, verglichen mit der Kontrollgruppe (ShamAkupunktur) – somit aber gibt es einen signifikanten Unterschied in dieser Zeit betreffend das sekundäre Outcome.
Zu hinterfragen gilt es aber auch, ob der statistisch signifikante Unterschied für den einzelnen Patienten wirklich klinisch
relevant ist, da sich nach vier Wochen Akupunktur (mit einem
relativ hohen Aufwand: vier Wochen lang erhielt jeder Patient
20 Behandlungen zu je 30 Minuten) in den nachfolgenden
vier Wochen „nur“ das sekundäre Outcome ändern ließ.
Anders verhält es sich allerdings in den nachfolgenden Wochen: In den Wochen 13–16 zeigten alle Patienten in den drei
Akupunkturbehandlungsgruppen statistisch signifikant weniger Tage mit Migräne verglichen mit der Kontrollgruppe.
Zwischen den Akupunkturgruppen fand sich kein relevanter
Unterschied. Allerdings scheint es so zu sein, dass die Akupunktur mit Shaoyang spezifischen Akupunkturpunkten die
Gruppe mit den besten Ergebnissen war (hier könnten auch die
gut genutzten Möglichkeiten der Statistik ein möglicherweise
nicht ganz objektives Bild wiedergeben).
An Nebenwirkungen der Akupunktur sind keine schwerwiegenden Probleme aufgetreten. Insgesamt hatten nur 7,8 % der
gesamten Studien-Population über sogenannte Nebeneffekte
zu berichten, wobei als häufigste die subkutane Blutung beschrieben wurde. Ein Patient berichtete über eine Schwäche im
Bein. Allerdings haben sich alle Patienten vollständig von den
Nebeneffekten erholt
Akupunktur
Deutsche Zeitschrift für
Zusammenfassung
In den ersten acht Wochen nach der Akupunkturbehandlung gab
es keinen statistischen Unterschied zwischen den drei Akupunkturgruppen verglichen mit der Sham-Akupunkturgruppe (primäres Outcome). Erst nach diesen acht Wochen (Woche 13–16) ändert sich der Unterschied: die drei Akupunkturgruppen sind
insgesamt effektiver als die durchgeführte Sham-Akupunktur.
Verglichen mit anderen Studien wurde in dieser Studie die
Akupunktur öfter eingesetzt, allerdings führte dies nicht zu einem besseren klinischen Erfolg [2].
Es ergeben sich daher zwei Diskussionspunkte aus dieser Studie [3]:
1. Welche „Akupunktur-Schule“ hat recht? Im chinesischen
Raum gibt es oft unterschiedliche Auffassungen über die
„richtigen“ Akupunkturpunkte und „mögliche“ Ursachen
von Gesundheit, Krankheit und Heilung, obwohl doch für
fast alle dieser Schulen ihr Ursprung in der Traditionell Chinesischen Medizin zu finden ist.
2. Auch kann sich an dieser Studie die „alte Diskussion“ zwischen „klassischer“ Akupunktur und Sham-Akupunktur
wieder entfachen – da ja in den ersten acht Wochen kein
wesentlicher Unterschied zwischen den Gruppen besteht!
Was heißt das jetzt? Zudem ist bei Sham-Akupunktur die Auswahl der Punkte sehr wichtig. So wurde z. B. ein Sham-Akupunkturpunkt 1–2 cm entfernt von Zusanli gewählt. Ist hier wirklich
gewährleistet, keine Wirkung des Punktes Zusanli zu erwarten?
Weitere Studien sind daher sicher notwendig, um die Effekte
von Sham-Akupunktur zu untersuchen.
Literatur
1. Linde K, Allais G, Brinkhaus B et al. Acupuncture for migraine prophylaxis.
Cochrane Database Syst Rev. 2009 Jan 21;(1):CD001218. Review
2. Jena S, Witt CM, Brinkhaus B et al. Acupuncture in patients with headache.
Cephalalgia 2008;28:969–79
3. Molsberger A. The role of acupuncture in the treatment of migraine. CMAJ. 2012
Mar 6;184(4):391–2. Epub 2012 Jan 9
D O I : 1 0 . 1 0 1 6 / j . d z a . 2 0 1 2 . 1 1 . 0 1 0 2 4 D t. Z t s c h r . f. A k u p u n k t u r 5 5 , 4 / 2 0 1 2
Acupuncture for Chronic Pain: Individual Patient Data Meta-analysis
Vickers AJ1, Cronin AM2, Maschino AC1, Lewith G3, MacPherson H4, Foster NE5, Sherman KJ6, Witt CM7, Linde K8;
for the Acupuncture Trialists’ Collaboration.
1
Memorial Sloan-Kettering Cancer Center, New York, New York; 2Dana-Farber Cancer Institute, Boston, Massachusetts; 3Complementary and Integrated Medicine Research Unit, Southampton Medical School, Southampton, England; 4Complementary Medicine Research Group, University of York, York, England; 5Arthritis Research
UK Primary Care Centre, Keele University, Newcastle-under-Lyme, Staffordshire, England; 6Group Health Research Institute, Seattle, Washington; 7University Medical
Center Charité and Institute for Social Medicine, Epidemiology and Health Economics, Berlin; 8Institute of General Practice, Technische Universität München
Arch Intern Med. 2012 Sep 10:1–10. doi: 10.1001/archinternmed.2012.3654. [Epub ahead of print]
Background: Although acupuncture is widely used for chronic
pain, there remains considerable controversy as to its value. We
aimed to determine the effect size of acupuncture for 4 chronic
pain conditions: back and neck pain, osteoarthritis, chronic
headache, and shoulder pain.
Methods: We conducted a systematic review to identify randomized controlled trials (RCTs) of acupuncture for chronic
pain in which allocation concealment was determined unambiguously to be adequate. Individual patient data meta-analyses were conducted using data from 29 of 31 eligible RCTs,
with a total of 17 922 patients analyzed.
Dr. rer. medic. Holger Cramer
Universität Duisburg-Essen
Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftungsprofessur für Naturheilkunde
Klinik für Naturheilkunde und Integrative Medizin
Results: In the primary analysis, including all eligible RCTs,
acupuncture was superior to both sham and no-acupuncture
control for each pain condition (P < .001 for all comparisons).
After exclusion of an outlying set of RCTs that strongly favored
acupuncture, the effect sizes were similar across pain conditions.
Patients receiving acupuncture had less pain, with scores that
were 0.23 (95% CI, 0.13–0.33), 0.16 (95% CI, 0.07–0.25), and 0.15
(95% CI, 0.07–0.24) SDs lower than sham controls for back and
neck pain, osteoarthritis, and chronic headache, respectively; the
effect sizes in comparison to no-acupuncture controls were 0.55
(95% CI, 0.51–0.58), 0.57 (95% CI, 0.50–0.64), and 0.42 (95% CI,
Kliniken Essen-Mitte, Knappschafts-Krankenhaus
Am Deimelsberg 34a
D-45276 Essen
[email protected]
Journal Club
0.37–0.46) SDs. These results were robust to a variety of sensitivity analyses, including those related to publication bias.
Conclusions: Acupuncture is effective for the treatment
of chronic pain and is therefore a reasonable referral option. Significant differences between true and sham acupuncture indicate that acupuncture is more than a placebo.
However, these differences are relatively modest, suggesting that factors in addition to the specific effects of needling are important contributors to the therapeutic effects of
acupuncture.
H. Cramer
Kommentar
Chronischer Schmerz stellt wohl die häufigste Indikation einer
Akupunkturbehandlung dar [1]. Während groß angelegte Studien, wie etwa die ART- und GERAC-Studien, eine Wirksamkeit der
Akupunktur bei verschiedenen Schmerzsyndromen zeigen konnten, verblieb als hartnäckiger Kritikpunkt ein häufig fehlender
Wirkungsunterschied zwischen Verum- und Sham-Akupunktur
[2]. Daraus erwuchs die landläufige Meinung, Akupunktur sei
letztendlich nur ein hochwirksames Placebo. Tatsächlich können
aber auch groß angelegte Studien einfach zu klein sein, um geringe aber tatsächlich vorhandene Unterschiede zwischen Interventionen aufzudecken. Eine häufig genutzte Methode, die Power eines Gruppenvergleichs zu erhöhen, stellen Metaanalysen dar.
Im Rahmen einer Metaanalyse werden verschiedene Studien zu
vergleichbaren Interventionen bei demselben Krankheitsbild statistisch zusammengefasst. Probleme entstehen jedoch, wenn heterogene Studien mit geringer methodischer Qualität in einer
Metaanalyse zusammengefasst werden, wie es gerade bei der
Akupunktur häufig der Fall ist. Unterschiedliche, zum Teil fragwürdige, Auswertungsstrategien in den Originalstudien erschweren die Vergleichbarkeit und qualitative Mängel wie inadäquate
Randomisierung oder Verblindung können die Ergebnisse systematisch verzerren. Die Acupuncture Trialists‘ Collaboration ist
diesem Problem mit einem innovativen metaanalytischen Verfahren, der „Individual Patient Data Meta-analysis“ begegnet.
Die Autoren der Arbeit schlossen nach einer umfassenden Literaturrecherche 29 randomisierte Studien mit insgesamt 17.922
Patienten mit Rücken-/Nackenschmerz, Schulterschmerz, chronischen Kopfschmerzen oder Arthrose in ihre Metaanalyse ein.
Der Unterschied dieser Arbeit zu früheren Metaanalysen stellte
(neben der Verwendung ausschließlich hoch qualitativer Studien) die Verwendung der Original-Rohdaten der Studien anstelle der publizierten Daten dar. Die Rohdaten wurden adäquat
mithilfe von Kovarianzanalysen reanalysiert, um sicherzustellen, dass tatsächlich alle Ergebnisse vergleichbar waren. Die
Metaanalyse schließlich diente zur Ermittlung der gepoolten
Effekte von Verum-Akupunktur im Vergleich zu a) Sham-Akupunktur und b) keiner Akupunktur bei den vier verschiedenen
Indikationen.
Als Hauptergebnis fanden die Autoren für alle Indikationen signifikante Unterschiede sowohl zwischen Verum- und ShamAkupunktur als auch zwischen Verum-Akupunktur und keiner
Akupunktur (außer Schulterschmerz, für den zu wenige Studien mit Kontrollgruppe ohne Akupunkturbehandlung vorlagen).
Gemäß gängigen Konventionen waren die Unterschiede zwischen Verum-Akupunktur und keiner Akupunktur als moderat
bis groß, die Unterschiede zwischen Verum-Akupunktur und
Sham-Akupunktur hingegen als klein bis moderat zu bewerten.
Zur Verdeutlichung der klinischen Relevanz dieser Ergebnisse
gaben die Autoren an, dass in einer typischen Studie zu Akupunktur bei chronischen Schmerzen mit Responder-Raten von
ca. 30 % bei keiner Akupunktur, 42,5 % bei Sham- und 50 %
bei Verum-Akupunktur zu rechnen sei. Die Ergebnisse erwiesen
sich in einer Reihe von Subgruppen- und Sensitivitäts-Analysen als robust. In einer explorativen Analyse stellten die Autoren zudem fest, dass der Wirkungsunterschied zwischen keiner
Akupunktur und Sham-Akupunktur eher größer war als der
zwischen Sham- und Verum-Akupunktur.
Das wichtigste Ergebnis der vorliegenden Arbeit ist gewiss der signifikante Unterschied zwischen Verum- und Sham-Akupunktur.
Auch wenn die geringe Ausprägung dieser Gruppenunterschiede
verdeutlicht, dass unspezifische Effekte der Nadelung wie auch der
speziellen Arzt-Patienten-Interaktion einen Teil der Effektivität der
Akupunktur ausmachen, spielen spezifische Effekte offenbar ebenfalls eine wichtige Rolle. Akupunktur ist demnach wohl kein reines
Placebo, stattdessen scheint die korrekte Anwendung der Akupunktur gemäß der zu Grunde liegenden Theorien bedeutsam zum
Gesamteffekt beizutragen. Auch wenn diese spezifischen Effekte
offenbar eher kleiner zu sein scheinen als die unspezifischen, disqualifiziert dieser Befund keineswegs die Nutzung von Akupunktur bei chronischen Schmerzen. Einerseits stellt sich schließlich im
Alltag gar nicht die Frage, ob sich Patienten lieber einer Shamoder einer Verum-Akupunktur unterziehen möchten. Anderseits
spielen bekanntlich unspezifische Effekte in jeder Therapie eine
bedeutende – und durchaus auch erwünschte – Rolle [3].
Die Methodik dieser Arbeit ist bisher wohl einzigartig nicht nur
im Bereich der Akupunkturforschung, sondern in der gesamten
komplementärmedizinischen Forschung. Durch die Berücksichtigung ausschließlich hoch qualitativer Arbeiten sowie den
Ausschluss von Studien, zu denen keine Rohdaten erhalten
werden konnten, geht zwar ein gewisses Maß an Evidenz verloren, anderseits reduziert dieses Vorgehen in hohem Maße das
Risiko für systematische Verzerrungen. Akupunktur kann gemäß den Ergebnissen dieser bisher rigorosesten Metaanalyse
zur Akupunktur als wirksam in der Behandlung spinaler und
Schulterschmerzen, chronischer Kopfschmerzen und der Arthrose angesehen werden.
Literatur
1. Burke A, Upchurch DM, Dye C, Chyu L. Acupuncture use in the United States:
findings from the National Health Interview Survey. J Altern Complement Med.
2006;12:639–48.
2. Cummings M. Modellvorhaben Akupunktur – a summary of the ART, ARC and
GERAC trials. Acupunct Med. 2009;27:26–30.
3. Walach H, Sadaghiani C. Plazebo und Plazeboeffekte - Eine Bestandsaufnahme.
Psychother Psych Med. 2002; 52:332–42.
D t Z t s c h r f A k u p. 5 5 , 4 / 2 0 1 2 2 5 D Z A
Herunterladen