Geschwindigkeitsfelder und Dichteverteilungen in der Umgebung von Galaxienhaufen Wolfgang Salzmann Dezember 1997 Kurzfassung In dieser Arbeit werden Dichteverteilungen von Massen in der Größenordnung von Galaxienhaufen zu verschiedenen kosmischen Zeiten untersucht. Der Begriff Masse umfaßt dabei leuchtende und nicht leuchtende baryonische Materie als auch dunkle Materie, deren Evidenz z.B. aus Rotationskurven von Galaxien erschlossen werden kann. Die in dieser Arbeit zur Erklärung von Strukturbildung im Kosmos referenzierten Modelle legen ebenfalls die Existenz dunkler Materie nahe und liefern Hinweise auf die Größenordnung initialer Dichteschwankungen zu früheren Zeiten im Kosmos. Diese Dichteschwankungen werden als Ursache späterer Strukturbildung angesehen. Dabei reichen lineare Modelle zur Beschreibung evolutionärer Entwicklungen nicht aus, man benötigt nicht lineare Ansätze, wie z.B. das sphärische Modell, das in dieser Arbeit verwendet wird. Die initialen Schwankungen werden als Gaussförmig vorausgesetzt. Eine initiale Gesamtmasse wird in eine ineinandergeschachtelte Folge von Massenkugeln zerlegt. Die durchschnittliche Dichteschwankung innerhalb einer solchen Vollkugel ergibt sich als bedingte Wahrscheinlichkeit unter Berücksichtigung der durchschnittlichen Dichteschwankung ihrer inneren Vollkugel. Zur Berechnung der bedingten Wahrscheinlichkeiten und zur Berechnung von Standardabweichungen wird das "Cold Dark Matter" Potenzspektrum (CDM power spectrum) verwendet. Damit eine der beschriebenen Massenkugeln zur Strukturbildung beitragen kann, muß ihre Massendichte zu jeder Zeit oberhalb der kritischen Massendichte liegen. Unter dem Einfluß ihrer Eigengravitation wird eine solche Kugel zu einem späteren Zeitpunkt kollabieren und sich damit von der generellen kosmologischen Hintergrundexpansion abspalten. Der zentralsymmetrische spärische Kollaps einer rotationsfreien und ladungsfreien Massenkugel führt zu einem schwarzen Loch, in realistischen Szenarien sind diese Symmetrieeigenschaften in der Regel nicht gegeben und es treten repulsive Kräfte auf, so daß ein finaler Gleichgewichtszustand angenommen werden kann. Solche Gleichgewichtszustände werden unter Anwendung des Virialsatzes berechnet. Die in dieser Arbeit berechneten finalen Massenverteilungen beinhalten in ihrem Zentrum einen solchen finalen Zustand und geben die Verteilung außerhalb eines Zentralbereiches wieder. 1 1 Einführung Der algorithmische Teil dieser Arbeit beschreibt die Entwicklung sphärischer Massenverteilungen mit Überdichte innerhalb eines expandierenden kosmischen Hintergrundes. Über den Hintergrund wird vorausgesetzt, daß er homogen und isotrop ist. Der Hintergrund repräsentiert die durchschnittliche Massenverteilung des gesamten Universums zu einer Zeit t. Damit ist die Voraussetzung im Einklang mit kosmologischen Beobachtungen: oberhalb der Größenordnung von Superhaufen ist keine weitere Strukturbildung erkennbar, unterhalb dieser Größenordnung können Strukturen als lokale Dichteschwankungen betrachtet werden. Zur Beschreibung eines homogenen und isotropen Universums wird die Robertson Walker Metrik verwendet. Zusammen mit den Einsteinschen Feldgleichungen resultieren, unter bestimmten Vereinfachungen, die Friedmann Gleichungen zur Beschreibung des Kosmos. Mit Hilfe der Friedmann Gleichungen kann das Problem der Entwicklung einer kugelförmigen Massenverteilung innerhalb des expandierenden Hintergrundes gelöst werden. Eine Analyse der Bewegungsgleichungen zeigt, daß zur Beschreibung dieser Entwicklung die Newtonsche Gravitationstheorie ausreicht. Ausgehend von einer initialen Gesamtenergie E < 0 wird die Entwicklung einer Massenkugel mit Überdichte folgendermaßen beschrieben: 2 1 dr GM E 2 dt r Dabei ist M die Gesamtmasse, r der Radius der Vollkugel. Eine Begründung für dieses Vorgehen findet man in [Fließbach, Kap. 59]. Fliessbach leitet die angegebene Beziehung aus den Friedmann Gleichungen für ein Einstein de Sitter Universum her ( = 0, = 1), verwendet für r allerdings den kosmischen Expansionsparameter. Fliessbach: "multipliziert man die linke Seite mit einer beliebigen Masse (etwa einer Galaxie), so kann sie als Summe aus kinetischer und potentieller Energie interpretiert werden." Man kann eine Proportionalität zwischen physikalischem Radius r(t) und Expansionsparameter a(t) ableiten, wenn man konstante mitbewegte Koordinaten verwendet: r(t) = a(t)x. Der Bezug der Energiegleichung zu den kosmischen Parametern wird von /Padmanabhan/ folgendermaßen hergestellt: es gilt E = 2A mit A Ri 1 Fs 2 1 1 Fs i Ri bzeichnet den initialen Radius der Massenkugel, Fs die mittlere initiale Dichteschwankung innerhalb der Vollkugel, i den Dichteparameter zur initialen Zeit ti. Die initiale Zeit entspricht einer Rotverschiebung von zi = 1000. 4 3 Für M gilt folgende Beziehung: M b ( t i ) r 1 Fs 3 i 2 (b,i = b(ti)) mit der Hintergrunddichte b,i zur Zeit ti. Eine Überdichte der Form (1 + Fs) kann z.B. durch Akkredition von Materie aus der Umgebung der Vollkugel bewirkt werden. Negative Werte für Fs deuten auf "leergefegte" Bereiche hin. Verwendet man die oben angegebene Energiegleichung um die Evolution einer Masse M über die Zeit zu berechnen, so wird die Konstanz der Gesamtmasse innerhalb der sich entwickelnden Vollkugeln vorausgesetzt. Dieses Vorgehen bereitet Probleme, da auf Grund der Gravitationswechselwirkung Materie in die Vollkugel einfallen kann, auch wenn die mittlere Massendichte außerhalb der Vollkugel geringer ist, und daher dem Einfluß der kosmischen Hintergrundexpansion im stärkeren Maße unterliegt, als die Vollkugel selbst. Mit der Kontinuitätsgleichung kann man man (unter bestimmten Voraussetzungen) zeigen, daß das Produkt (t)R(t)3 für eine sich entwickelnde Vollkugel konstant bleibt. ((t): Massendichte der Kugel, R(t): Radius der Kugel) In dieser Arbeit wird eine initiale Masse M in eine Folge ineinandergeschachtelter Vollkugeln zerlegt. Dabei wird für jede der initialen Vollkugeln Mi zunächst ein initialer 4 Radius Ri ermittelt, der sich folgendermaßen ergibt: b,i Ri3 M i . 3 Der Begriff "initial" bezieht sich auf die Zeit der Rekombination, dem entspricht eine Rotverschiebung zi von etwa 1000. Für diese Zeit werden Gaussförmige Dichteschwankungen der Materie vorausgesetzt. Es werden nur mittlere Dichteschwankungen Fs betrachtet, so daß sich für die initiale Vollkugel mit Radius Ri eine mittlere Dichte von b,i(1 + Fs) ergibt. Die Bezeichnung Fs wurde entsprechend der Terminologie von /BBKA/ gewählt. Für die Strukturbildung sind nur solche Mi von Interresse, für die Fs > 0 ist und für die insgesamt eine Materiedichte vorherrscht, die über der kritischen Dichte zur Zeit ti liegt. Dem entspricht die Vorstellung, daß Materiekugeln mit Überdichte unter dem Einfluß ihrer Eigengravitation zu einem späteren Zeitpunkt kollabieren, d.h. in einen finalen Gleichgewichtszustand übergehen. Die Dichteschwankung für Mi+1 > Mi wird über zweidimensionale bedingte Wahrscheinlichkeiten ermittelt. Die dabei verwendeten Standardabweichungen und Korrelationsfunktionen entsprechen der in der Kosmologie üblichen Norm, speziell wird das CDM (Cold Dark Matter) power spectrum verwendet. Es wird angenommen, daß das berechnete finale Dichteprofil einen dunklen Halo beschreibt. Die Ergebnisse werden mit einer 2 Punkte Korrelationsfunktion verglichen, die die Materieverteilung wiedergibt. Der sich ergebende Unterschied wird durch einen Bias Parameter beschrieben. Auf diese Weise ist es möglich, die algorithmisch ermittelten Dichteprofile mit theoretischen Modellen zu vergleichen. Diese Arbeit ist folgendermaßen untergliedert: In Kapitel 2 werden die Grundlagen der Hintergrundkosmologie diskutiert. Dabei wird vor allem die im Anhang zur Allgemeinen Relativitätstheorie und Kosmologie angegebene Literatur verwendet. 3 Kapitel 3 gibt einen Überblick, wie die Entwicklung von Massenverteilungen innerhalb eines expandierenden Hintergrundes beschrieben werden kann. Grundlage der Überlegungen ist das Buch von Padmanabhan. Hier wird die Bedeutung verschiedener Zahlenangaben geklärt, die für das Studium der Kosmologie wichtig sind. Kapitel 4 beschreibt die Grundlagen der in dieser Arbeit verwendeten Statistik. Es werden zweidimensionale Gaussfelder diskutiert, über die bedingte Wahrscheinlichkeiten und Korrelationsgrößen definiert werden können. Die Ausführungen sind durch die Artikel von [BBKS] und [Lilje & Lahav] motiviert. Innerhalb der betrachteten Massenkugeln werden (im Gegensatz zu [BBKS]) in dieser Arbeit durchschnittliche Massendichten und durchschnittliche Dichtefluktuationen als Eingangsgrößen für die Berechnungen verwendet. Kapitel 5 beschreibt das Energiespektrum der Dichtefluktuationen. Kapitel 6 gibt eine Beschreibung des sphärischen Modells und zeigt, wie die Energiegleichung gelöst werden kann. Auf der Grundlage der in Kapitel 4 und 5 durchgeführten Überlegungen wurde ein initiales Massendichteprofil berechnet, das nun mittels des sphärischen Modells in eine finale Massenverteilung überführt wird. Kapitel 7 beschreibt die 2 Punkte Korrelationsfunktion, die für die Identifikation von Strukturbildung im Kosmos verwendet werden kann. Mit dieser Funktion werden die in dieser Arbeit durchgeführten Berechnungen verglichen. Dabei wird zwischen einer initialen und einer finalen Korrelationsfunktion unterschieden. Kapitel 8 präsentiert und diskutiert die in dieser Arbeit berechneten Ergebnisse. Anhang A enthält Berechnungen, die auf Grund der besseren Lesbarkeit aus dem laufenden Text ausgelagert wurden. Anhang B enthält Beschreibungen alternativer Ansätze Anhang C enthält eine Liste von Symbolen und Erklärungen zu Begriffen. Anhang D enthält Literaturreferenzen und Anhang E enthält die zur Berechnung verwendeten Fortran Programme und Maple Worksheets. 4 5