H a s l i n g e r, K e c k . Die Lösung liegt im Code. Das Verhalten jedes Menschen wird durch drei Parameter bestimmt: Die biologischen Vorgaben, das kulturelle Umfeld und die individuelle Struktur. Innerhalb ihrer biologischen Vorgaben kann sich eine Kultur frei bewegen und ihre einzigartige Identität herausbilden: Normen, Riten, Sprache, Kunst. Gemeinsam mit den unendlichen Möglichkeiten innerhalb der menschlichen DNS ergibt das eine außergewöhnliche Vielzahl an wahrnehmbaren Verhaltensmustern. Was hat Sie geprägt? So weit, so bekannt. Doch was hat diese Tatsache nun mit der Erkenntnis zu tun, dass die Lösung für viele (nicht zuletzt auch Marketing-) Probleme in den Codes einer bestimmten Kultur verborgen liegt. Um zu einer knappen Definition dessen, was einen Kultur-Code ausmacht zu kommen, lassen wir an dieser Stelle am besten den Experten selbst zu Wort kommen: „Der KulturCode ist die Bedeutung, die wir einer Sache auf dem Wege über die Kultur, in der wir aufwachsen, unbewusst beimessen – einem Auto, einer bestimmten Art von Essen, einer Beziehung und sogar einem Land.“ Um diese Bedeutung zu entschlüsseln, destilliert Rapaille die Erkenntnisse seiner Studien solange, bis sich der Code in Form eines einzigen Wortes oder eines kurzen Satzes herauskristallisiert. Den meisten Menschen ist heute klar, dass sich unterschiedliche Kulturen voneinander unterscheiden. Vielfach übersehen sie dabei allerdings die Tatsache, dass diese Unterschiede zu einer völlig anderen Verarbeitung ein und derselben Information führen. Oder, um es anders auszudrücken: Ein Amerikaner verbindet mit Essen ganz andere Dinge als ein Österreicher, ein Italiener oder ein Franzose. Grundlagen jedes kulturellen Codes sind laut Rapaille Prägungen – vor allem jene in der frühen Kindheit. Konrad Lorenz hat diesen Begriff als Erster benutzt und damit die Kombination aus Erfahrung und begleitender Emotion gemeint. Je stärker dabei die Emotion ist, desto intensiver prägt sich auch die Erfahrung ein. Das altbekannte Beispiel eines Kindes und der heißen Herdplatte illustriert sehr anschaulich, was damit gemeint ist. Und nicht umsonst heißt es im Volksmund: „Aus Schaden wird man klug.“ Hören Sie auf Ihr Reptilienhirn Warum Prägungen unser Verhalten unbewusst und kraftvoll steuern, liegt für Rapaille in der Beschaffenheit des menschlichen Gehirns, das grundsätzlich in drei Teile unterteilt ist. Der erste Teil, der Kortex (auch Hirnrinde) ist dabei für alle höheren Denkvorgänge verantwortlich, die uns von der Tierwelt unterscheiden, in ihm regiert die Logik. Der zweite Teil ist das Limbische System, das hauptsächlich für – teilweise sehr widersprüchliche Emotionen – zuständig ist. Der dritte – und für unsere Betrachtung entscheidende – Teil des Hirns ist das so genannte Reptilienhirn (Kleinhirn und Hirnstamm). Dieses ist seit 200 Millionen Jahren praktisch unverändert geblieben. Im Wesentlichen ist es auf zwei Dinge programmiert: Überleben und Fortpflanzen. Mit diesem Wissen ist es auch leicht zu erklären, warum das Reptilienhirn unser Verhalten im Alltag dominiert: Weil das eigene Überleben im Leben eines Menschen eben die entscheidende Rolle spielt. Die wichtige Verbindung zwischen Reptilienhirn und Kultur-Codes erklärt Rapaille wie folgt: „Ebenso wie einzelne Menschen haben auch einzelne Kulturen eine starke Reptilienhirndimension. Man kann eine Kultur als eine Art Survival-Kit betrachten, der von einer Generation an die nächste weiter gegeben wird ... Die jeweilige Entwicklung der Kulturen auf dieser Erde kann also immer auf die Überlebensbedürfnisse der betreffenden Kultur zurückgeführt werden.“ Damit ist nichts anderes gemeint, als das folgende: Bei Entscheidungen, die in einem Wettstreit zwischen Kortex, Limbischem System und Reptilienhirn getroffen werden, wird das Reptilienhirn grundsätzlich die Oberhand behalten. Und mit ihm die archetypischen Kultur-Codes, die ebenfalls unbewusst dem Überleben dienen. Was jetzt? Fasst man diese Erkenntnisse zusammen, kommt man zu einem ganz einfachen (und doch so komplizierten) Schluss: Es ist entscheidend fürs Geschäft, zukünftige Produkt- und Marketingstrategien optimal an die unterschiedlichen Kulturen und ihre Codes anzupassen, ohne dabei das Typische des eigenen Landes zu vernachlässigen. Denn genauso wie wir mit unterschiedlichen Produkten und sozialen Aspekten (wie Schönheit oder Luxus) eine bestimmte Prägung assoziieren, haben wir auch ein bestimmtes Bild von anderen Ländern. Und dasselbe trifft natürlich auch umgekehrt zu. Diese Muster perfekt aufeinander abzustimmen wird eine der wichtigen Aufgaben für die Zukunft sein. Speziell wenn es darum geht, mit neuen Produkten neue Märkte in einer globalisierten Welt zu erobern.