Reduktion, Bearbeitung und Auswertung von Sternspektren Teil 1: Spektrenbearbeitung und Spektrenreduktion Teil 2: Auswertung von Sternspektren Moderation: Ernst Pollmann Internationale Arbeitsgemeinschaft ASPA Aktive SPektroskopie in der Astronomie http://www.astrospectroscopy.de 1 Teil 1: Spektrenbearbeitung und Spektrenreduktion Erzeugung eines Summenspektrums Erzeugung von Flat/Dark/Bias Wellenlängenkalibration Instrumentenfunktion 2 Ein Sternspektrum enthält grundsätzlich zwei (in manchen Fällen drei) Bestandteile, die überlagert in Erscheinung treten: das Sternkontinuum Absorptionslinien in manchen Fällen Emissionslinien Das kontinuierliche Sternspektrum Das Absorptionslinienspektrum Das Emissionslinienspektrum 3 Kontinuierliche Spektren Feste oder flüssige Glühlichtquellen senden ähnlich einem Schwarzkörperstrahler ein kontinuierliches, rein temperaturabhängiges Spektrum (Kontinuum) aus, z. B. Glühlampen, glühendes Eisen. Das Intensitätsmaximum und der Kontinuumsverlauf gehorchen dem Planckschen Strahlungsgesetz eines schwarzen Strahlers (Körpers): h= Plancksche Konstante k= Boltzmann Konstante c= Lichtgeschwindigkeit 4 Absorptionsspektren Astronomisch entstehen Absorptionsspektren meistens in Regionen, in denen vergleichsweise „kühleres“ Gas zwischen uns und einer sehr heißen Strahlungsquelle liegt. Im überwiegenden Teil der Fälle ist die Strahlungsquelle ein Stern und die zu durchlaufende Gasschicht seine eigene Atmosphäre. Abhängig von der chemischen Zusammensetzung des Gases werden dabei Photonen spezifischer Wellenlängen absorbiert. Die so absorbierten Photonen fehlen bei diesen Wellenlängen und hinterlassen im Spektrum charakteristische dunkle Lücken, die sog. Absorptionslinien. Das Beispiel zeigt Absorptionslinien im grünen Bereich des Sonnenspektrums (DADOS 900L/mm) 5 Emissionsspektren Ein Emissionsspektrum entsteht, wenn in einem dünnen Gas die Atome so erhitzt oder angeregt werden, dass Photonen mit bestimmter, diskreter Wellenlänge abgestrahlt werden, z.B. Neon Glimmlampen, Energiesparlampen, Natrium-Dampflampen der Straßenbeleuchtung etc. Abhängig von der chemischen Gaszusammensetzung werden die Elektronen durch thermische Anregung oder Photonen passender Wellenlänge, zuerst auf ein höheres Niveau angehoben oder gar völlig freigesetzt, d.h. ionisiert. Die Emission erfolgt anschließend bei der Rekombination oder wenn das Elektron von höheren auf tiefere Niveaus „zurückfällt“ und dabei ein Photon spezifischer Wellenlänge emittiert. Astronomisch stammt dieser Linientyp meistens von ionisierten Gasnebeln in der Umgebung sehr heißer Sterne, Planetarischer Nebel, oder extrem heisser Sterne, welche Gashüllen abstoßen. Das Beispiel zeigt ein Emissionsspektrum des Planetarischen Nebels NGC6210, welcher durch einen ca. 58.000 K heißen Zentralstern ionisiert wird. 6 (DADOS 200L/mm) Reduktion von Sternspektren Warum? Die nach einigen zehntausenden bzw. Millionen von Jahren nach außen zur Sternoberfläche vorgedrungene Strahlung kann in guter Näherung mit der Planckschen Strahlungsfunktion beschrieben werden. Der Kontinuums-Verlauf unbearbeiteter Rohspektren, egal ob mit professionellen der Amateurmitteln gewonnen, weicht immer stark vom theoretischen, idealen Sollverlauf ab. Die Gründe dafür sind interstellare, atmosphärische und Einflüsse der Aufnahmeinstrumente (Teleskop, Spektrograph, Kamera), die den originalen Profilverlauf zu einem Pseudokontinuum verfälschen. Jeder Detektor (ob CCD oder Film) und jeder Spektrograph (ob Gitter, Prisma usw.) besitzt seine eigenen Charakteristiken, die im Verlauf der Spektrenreduktion berücksichtigt und korrigiert werden müssen. 7 Hier ist gut erkennbar, dass die Maximalintensitäten der Spektren nicht übereinander liegen. Im korrigierten Profispektrum liegt sie im nahen Infrarot, im Amateurspektrum bei ca. 6000Å 8 unkalibriertes Spektrum Spektrum: A0V Das von uns aufgenommene Rohspektrum ist das Ergebnis einer Überlagerung des wahren Kontinuums mit der speziellen Instrumentenfunktion Instrumentenfunktion = eigenes Rohspektrum flußkalibriertes Spektrum kalibriertes Spektrum 9 Instrum. Funktion = eigenes Rohspektrum / flußkalib. Spektrum Instrum. Funktion Flußkalib. Spektrum Eigenes Rohspektrum = : 10 Warum weitere Reduktion des Spektrums ? Das Rohbild, so wie es vom CCD kommt, ist geprägt von: 1. Dunkelstrom (thermisches Rauschen des CCD´s ohne Licht 2. Ausleserauschen & Nullabgleichfehler des Verstärkers 3. Lokale Empfindlichkeitsunterschiede der CCD-Pixel 4. Vignetierung 5. spektralen Empfindlichkeitsfunktion des CCD 6. Streulicht im Spektrographen 7. wellenlängenabhängige Quanteneffizienz des CCD 8. Licht vom Himmelshintergrund 9. Sternsignal 11 Verstärkerrauschen / Verstärkerfehler (Bias-frame) Hierunter versteht man das Ausleserauschen und den offset-Fehler des Verstärkers. Bei vielen Amateurkameras kann man ein Bias-frame nur selten gesondert aufnehmen. Es ist meist zusammen mit dem Wärmebild im Dunkelbild enthalten. Dies vereinfacht insgesamt die Aufnahmevorbereitungen. Dunkelstrom (thermisches Rauschen, Wärmebild) Der Dunkelstrom des CCD-Chip ist nicht nur abhängig von der Temperatur, sondern auch von der Zeit. Er wird angegeben in Elektronen pro Pixel und Sekunde. Wenn die Aufnahme des Wärmebildes nicht im anschließenden Dunkelbild enthalten ist, muss es abgezogen werden. Was Wärmebild wird ebenso lange belichtet, wie die Belichtungszeit der effektiven Aufnahme. Flat Frame (Weißbild) Ein Weißbild ist dazu vorgesehen, lokale Empfindlichkeitsunterschiede einzelner Pixel aufzuzeichnen. Wenn die ganze Optik mit einbezogen wird, kann der Einfluss von Schmutzund Staubteilchen, die sich möglicherweise im System befinden, kompensiert werden. Um ein Weißbild aufzunehmen bietet sich der Dämmerungshimmel (ohne Wolken) oder die Aufnahme einer gleichmäßig beleuchteten weißen Folie an. Rauschen Jede CCD-Aufnahme enthält zusätzlich zum erwünschten Signal auch noch Rauschen. Das Rauschen kann reduziert werden, wenn man Einzelbilder mittelt. Bei der Addition von N Aufnahmen steigt die Signalstärke um den Faktor N, das Rauschen aber nur um √N.12Im gemittelten Bild wird also das Rauschen vermindert. Der Himmelshintergrund Die Linien des Nachthimmels verlaufen nicht nur im Bereich neben dem Sternspektrum, sondern auch über dieses hinweg. Ohne Korrektur würden somit dort Linien vorgetäuscht werden, die gar nicht vom Stern herrühren. 13 Bevor wir also das eindimensionale Spektrum erzeugen, werden Streulicht und Himmelshintergrund entfernt. In den Flächen oberhalb und unterhalb des Spektrums bestimmt man den Mittelwert der Pixelintensitäten und zieht diesen von allen Pixeln des Spektrums ab. Um nun ein eindimensionales Spektrum zu erzeugen, könnte man einfach die Zeile mit der höchsten Intensität extrahieren. Besser ist jedoch, über mehrere Pixelzeilen zu mitteln oder diese einfach aufzuaddieren. Damit unterdrückt man wirksam das Rauschen, weil Informationen aus einem größeren Bereich des Spektrums verwendet werden. 14 Das Ergebnis einer solchen Extraktion Spektrumscannung über mehrere Pixelzeilen 15 Intensität Spektrum Himmel Wellenlänge [Å] Subtraktion: Spektrum - Himmel 16 Wenn man nun nach Abzug des Himmelshintergrundes ein eindimensionales Spektrum erhalten hat, muss der Kontinuumsverlauf gefittet werden. Gewöhnlich bestimmt man per Mausklick interaktiv den Verlauf des Kontinuums im Spektrum. Das ist in linienarmen Spektren sicher leichter, als im linienreichen Spektren Achtung: die Absorptionslinien mancher Sterne haben sehr breite Flügel, besonders bei Sternen mit hohen Schwerebeschleunigungen (z. B. Weiße Zwerge), man darf daher nicht zu sehr in der Nähe dieser Spektrallinien den Verlauf des Kontinuums festmachen. 17 + + + + ++ + ++ + + + + + Spektrumscan + +++ + + ++ + + + + + + Pseudokontinuum Normierung = Spektrum/Pseudokontinuum 18 Kontinuumnormiertes Spektrum als Basis zur Messung von Linienintensitäten Die Intensitäten des Kontinuums liegen auf oder in der Nähe des Wertes 1 19 Ablaufschema zur Spektrenreduktion Addition einer Spektrenserie zum Summenspektrum Programm: GIOTTO Scannung des Summenspektrums Programm: VSPEC Kalibration mit Neon-Spektrum oder intern mit H2O-Linien Programm: VSPEC Instrumenten Funktion Programm: VSPEC Messung Äquivalentbreite Programm: VSPEC 20 Spektrenaddition Erzeugung eines Summenspektrums Anwendung des Programmes GIOTTO 21 Scannung eines CCD-Summenspektrums Anwendung des Programmes VSpec Relative Intensität α Lyr Horizontale Pixelzahlen 22 Wellenlängen-Kalibration eines CCD-Summenspektrums interne Kalibration im Spektrum mit bekannten Linien Kalibration mit Referenzlicht (z. B. Neon) Kalibration mit tellurischen Linien 23 Wellenlängenkalibration Auf der x-Achse findet sich in unserem Sternspektrum zunächst die Angabe der Pixelnummer, die fortlaufend nummeriert erscheint. Wir wissen, dass zu jeder Pixelnummer eine bestimmte Wellenlänge gehört. Mit Hilfe eines Vergleichsspektrums (Neon-Glimmlampe) können den Pixelzahlen Wellenlängen zugeordnet werden. Dieser Schritt wird als „Wellenlängenkalibration“ bezeichnet. 24 atm. O2 7605 atm. O2 7605 Hα 6562.8 Hβ 4861.3 Hγ 4340.5 Hδ 3970.1 Relative Intensität Interne Wellenlängenkalibration mit bekannten Spektrallinien Wellenlänge [Angstr.] 25 Kalibration mit Referenzlicht (z. B. einer Neon-Glimmlampe) Neon 7032.41 Å Neon 5852.49 Å Sternspektrum 26 Kalibration mit den tellurischen (atmospärischen) Linien der Erdatmosphäre Wasserdampflinien der Erdatmosphäre Hα-Spektrum von Prokyon Sp F5 27 Erstellung flusskalibrierter Spektrum Referenzspektren aus professionellen Datenbanken (MILES, ELODIE, VSpec) Instrum. Funktion Flußkalib. Spektrum Eigenes Rohspektrum = : 28 29 Abschätzung der Effektiv-Temperatur durch Wien´sches Gesetz: λmax * T = 2.898 mK λ = 4800 Å = 6000 K 4000 K Relative Intensität 5000 K Flußkalibriertes Spektrum eines G2V-Sterns (Teff ~ 6000 K) Wellenlänge [Angström] 30