Ein Blick zurück, ein Blick nach vorn

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Preisträger
Max-Planck-Medaille
Ein Blick zurück, ein Blick nach vorn
Jürg Fröhlich
„Ein vielgestaltiger Bau ist er, der Tempel der Wissenschaft. Gar verschieden sind die darin wandelnden Menschen und die seelischen Kräfte, welche sie
dem Tempel zugeführt haben.“
Albert Einstein
I
thank my parents, I thank A for having followed
and supported my career in such an understanding
way, and I thank all those wonderful individuals,
without whom this moment would never have come,
und dann mit freudentränenerstickter Stimme: ... one
human being has contributed more to my success than
anyone else, and I don’t know how to thank her ... –
Schweigen.
Die meisten Anwesenden nehmen natürlich an, es
müsse sich bei diesem menschlichen Wesen um die
vierte Ehefrau des mit einem Oscar Geehrten handeln.
Dabei spricht er tatsächlich von einer Geliebten, die
vielleicht einmal die fünfte Gemahlin werden soll.
Nun, ich selbst bin immer noch mit meiner ersten
Ehefrau verheiratet, und, um nicht den unverzeihlichen
Fehler zu begehen es zu unterlassen, meinen Dank an
sie auszusprechen, danke ich ihr herzlich dafür, dass
sie mich schon bald dreissig Jahre lang fürsorglich und,
zumindest im beruflichen Bereich, mit einem gewissen,
nicht unwillkommenen Desinteresse durch viele Auf
und Ab, Rückwärts und Vorwärts begleitet hat. Freilich
gilt mein besonderer Dank auch meinen Eltern. Einen
etwas beschämten Dank auch an all diejenigen Kollegen, die mich dieser Auszeichnung für würdig befunden haben!
*
Verehrte Anwesende, man kann es dem Gewinner
eines Oscars verzeihen, wenn es ihm während der Verleihungszeremonie die Sprache verschlägt, weil er
weiß, dass vor ihm Grössen wie Marlon Brando, Billy
Wilder oder Kirk Douglas mit einer Statue geehrt wurden. – Letztere stammen übrigens aus dem deutschsprachigen Zentraleuropa, Kirk Douglas aus Hamburg,
und sie teilten mit zahlreichen Trägern von Max-PlanckMedaillen das Schicksal der unfreiwilligen Emigration.
Nun wurde mir freundlicherweise die vollständige
Liste der Max-Planck-Medaillisten zugesandt, die im
Jahre 1929 mit „Max Planck“ und „Albert Einstein“ beginnt und über die Namen vieler Großen der Physik
des zwanzigsten Jahrhunderts mit Einträgen von mir
zumeist bekannten und von mir bewunderten Kollegen
in die jüngere Vergangenheit gelangt. Im Jahre 1972,
als ich meine Dissertation über sein Polaron-Modell
beendete, wurde übrigens der andere, nämlich Herbert
Fröhlich geehrt; und die ETH-Zürich ist, auch ohne Albert Einstein einzuschliessen, durch Wolfgang Pauli,
Markus Fierz und Res Jost schon auf einem Niveau
vertreten, das mich schwindlig werden lässt.
Man könnte es für maliziös halten, dass Medaillenträgern diese Liste bekanntgemacht wird, bevor sie zu
sprechen die Ehre haben. Denn die Namen, die darin
geführt werden, müssen einen verstummen lassen!
∗
Nun erwarten Sie, verehrte Anwesende, allerdings,
dass ich die Sprache sogleich wiederfinde, um ein paar
Kleinigkeiten darüber zu erzählen, als was für einer ich
im Tempel der Wissenschaft wandle.
Neue Etagen dieses Tempels werden von Architekten entworfen. Gebaut werden sie von Baumeistern
und Handwerkern, ausgeschmückt von bildenden
Künstlern. Im Vorhof zum Tempel preisen bekanntlich
Krämer und Händler ihre Ware zum Verkauf an, und
Raumpflegepersonal sorgt überall für Reinlichkeit und
Ordnung.
Als mathematischer Physiker gehöre ich am ehesten
zur Kaste der Künstler und Raumpfleger. – Sieht man
uns mathematische Physiker nicht üblicherweise als die
Putzequipe, die die Spuren und Sandalenabdrücke der
Architekten und Baumeister der Physik verwischt? –
Zum Glück hat es im Tempel für sehr unterschiedliche
Talente ein wenig Platz! Was uns allen gemein ist, hat
V. Weisskopf folgendermaßen ausgedrückt: We are all
working for a common and well defined aim: to get
more insight into the workings of nature. It is a constructive endeavour, where we build upon the achievements of the past; we improve but never destroy the
ideas of our predecessors.1)
∗
Ich habe nicht die Zeit, Ihnen ausführlich über meine Wanderung durch die Landschaft der Wissenschaft
zu berichten – ich habe sie bei anderer Gelegenheit
trefflicher eine Gratwanderung genannt, und das Bild
einer Gebirgslandschaft ziehe ich demjenigen eines
Tempels vor. Sie hat an einem Ort begonnen, der zumindest während der ersten Hälfte des zwanzigsten
Jahrhunderts ein Brennpunkt der Physik war: in
Zürich. Dort haben mich in ihrer grossen Mehrzahl
vortreffliche Lehrer, von denen ich nur Markus Fierz,
Res Jost, Klaus Hepp und Walter Hunziker erwähnen
möchte, in die Wissenschaft eingeführt.
Physikalische Blätter
57 (2001) Nr. 7/8
0031-9279/01/0707-53
$17.50+50/0
© WILEY-VCH Verlag GmbH,
D-69451 Weinheim, 2001
1) V. Weisskopf, „The Privilege of Being a Physicist“, Freeman, New York
1989
Prof. Dr. Jürg Fröhlich, Institut für
Theoretische Physik,
ETH Hönggerberg,
HPZ G 17, CH-8093
Zürich
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Preisträger
Meine Wanderung führte mich über die Republik
Genf, Nordamerika und Frankreich nach zehn Jahren
wieder nach Zürich zurück. Als ein etwas häretischer,
sicher aber dilettantischer mathematischer Physiker
habe ich viele Landschaften der theoretischen Physik
durchwandert oder zumindest aus sicherer Distanz bestaunt. Ohne die wohlwollende Unterstützung durch
meine ehemaligen Lehrer und meine ehemaligen und
heutigen Kollegen, ohne meine zahlreichen Freunde
und Mitarbeiter und, den Blick nach vorn gerichtet,
ohne meine vielen Doktorandinnen und Doktoranden,
wäre ich gestrauchelt, und ich hätte heute sicherlich
nicht die Ehre, eine Max-Planck-Medaille entgegennehmen zu dürfen. Ihnen möchte ich aufrichtig und
von Herzen danken! Sie mögen es mir verzeihen, dass
ich sie nicht alle namentlich erwähnen kann.
Reduktionismus und Emergenz
2) Friedrich Dürrenmatt,
„Zusammenhänge“, Arche Verlag, Zürich 1976
So vermag ich denn nicht ins Einzelne zu gehen, ins
Exakte, sondern bloß ins Allgemeine, Ungefähre. Auch
dort, wo ich verweilen, deutlicher werden sollte, reißt
mich der Fluss der Rede fort ... . 2)
Das Wenige, das ich über Max Planck weiß und das
möglicherweise nicht allen bekannt ist, habe ich als
Student von Res Jost gelernt. Bei ihm hörte ich eine
wissenschaftshistorische Vorlesung über Max Planck,
insbesondere über dessen Kontroversen mit Ludwig
Boltzmann, seine Irrfahrten in das Reich der Irreversibilität, und schließlich seinen großartigen Triumph mit
der Formel für die spektrale Energiedichte der Hohlraumstrahlung. Hier ist sie:
r( n , T )dn =
hn 3
8p
c
3
e
hn / kT
−1
dn .
Aus dieser Formel, der Gaskonstanten R, der Faradayschen Konstanten F für Elektrolyten und dem Newtonschen Kraftgesetz für die Gravitation hat Planck so
etwas wie die Agenda für die Physik des zwanzigsten
und – mit Blick nach vorn und der Unsicherheit, mit
der man über die Zukunft spricht – diejenige des einundzwanzigsten Jahrhunderts destilliert; ohne freilich
die ganze Tragweite seiner einfachen theoretischen
Erörterungen zu erahnen.
In Plancks Formel und dem Newtonschen Gravitationsgesetz kommen alle dimensionsbehafteten fundamentalen Naturkonstanten vor:
왘 Die schon aus Optik und Elektrodynamik bekannte
Lichtgeschwindigkeit c;
왘 die von Planck durch Vergleich seiner Formel mit
dem Experiment erstmalig bestimmten Naturkonstanten k und h, d. h. die Boltzmannsche Konstante und
das Plancksche Wirkungsquantum.
왘 Die Loschmidtsche Zahl, N, der Atome in einem
Mol Gas bestimmt sich dann aus R und k, die Elementarladung, e, aus N und F.
왘 Schließlich bestimmen die im Gravitationsgesetz
auftretende Newtonsche Konstante GN, das Wirkungsquantum und die Lichtgeschwindigkeit zusammen eine
fundamentale Länge, die sog. Planck-Länge ᐉ P.
Jede der vier Konstanten k, c, h und ᐉ P, resp. verschiedene Kombinationen derselben stehen für eine während des zwanzigsten Jahrhunderts stattgefundene Revolution im physikalischen Weltbild; die Kombination
aller vier Konstanten aber steht für eine Revolution,
die, wie durch die verschiedenen „Superstring-Revolutionen“ angedeutet, in näherer oder fernerer Zukunft
stattzufinden hat.
3) Isaac Newton, „Opticks“
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Physikalische Blätter
57 (2001) Nr. 7/8
Es ist ein wichtiger Zug dieser Revolutionen, dass
sie „die Ideen unserer Vorgänger zwar verbessern und
erweitern, aber nie zerstören“; was man bekanntlich
von politischen Revolutionen nicht behaupten kann.
Was haben die Konstanten k, c, h und ᐉ P mit revolutionären Änderungen im physikalischen Weltbild zu
tun? Aus der Erfahrung, die wir aus den Übergängen
von der Newtonschen zur relativistischen Mechanik,
der Thermodynamik in die statistische Mechanik, der
speziellen in die allgemeine Relativitätstheorie und aus
der Hamiltonschen zur Quantenmechanik haben sammeln können, schließen wir, dass die dimensionsbehafteten Naturkonstanten k, c–1, h und ᐉ P, mathematisch
gesprochen, die Rolle von Deformationsparametern
spielen. Sie sind von Verhältnissen zwischen Skalenparametern, wie zwischen dem Rydberg und der QCDSkala, oder der Masse des Z-Bosons und von dimensionslosen Kopplungskonstanten, wie der Feinstrukturkonstanten oder den Yukawa Kopplungskonstanten
des Standard-Modells, zu unterscheiden. Wo letztere
als Moduli, die Familien von Theorien parametrisieren,
interpretiert werden können, erfordert der Übergang
von einer Theorie mit k = 0, h = 0,… zu einer Theorie
mit k > 0, h > 0,… eine fundamentale Veränderung in
der mathematischen Struktur der theoretischen Beschreibung.
Eine Familie von Theorien in eine neue Familie zu
deformieren ist das Thema der Deformationstheorie;
der Übergang von einer effektiven Beschreibung der
Naturvorgänge auf einer mikroskopischen Skala zu einer effektiven Beschreibung auf einer makroskopischen
Skala kann als der zentrale Gegenstand der Renormierungsgruppentheorie verstanden werden. Deformationstheorie ist Algebra, Renormierungsgruppentheorie
ist Analysis. Theoretische Anstrengungen, die den
Konstanten k, c–1, h und ᐉ P entsprechenden Deformationen der mathematischen Struktur physikalischer
Theorien, also letztlich den grundlegenden theoretischen Rahmen physikalischer Naturbeschreibung
aufzufinden, stehen im Zentrum des Programms des
Reduktionismus, der in der Physik des zwanzigsten
Jahrhunderts eine zentrale Rolle gespielt hat. Die Konsequenzen von auf mikroskopischer Ebene bekannten
Theorien in verschiedenen Grenzbereichen, insbesondere auf Ebenen, die der experimentellen Erfahrung
zugänglich sind, aufzuspüren, dies konfrontiert den
Physiker mit dem Phänomen der Emergenz.
Die wesentlichen Fortschritte in der theoretischen
Physik werden auch in Zukunft auf Fortschritten in der
Deformations- und in der Renormierungsgruppentheorie, auf solchen in der Algebra, der Geometrie und der
Analysis und natürlich auf der Interpretation neuer experimenteller Daten beruhen; sie werden mit heuristischen und mathematisch strengen Mitteln erzielt werden, von Reduktionisten und solchen, die emergente
Phänomene studieren – gerade wie im zwanzigsten
Jahrhundert. Der Ideenkrieg „Reduktionismus gegen
Emergenz“ ist nichts mehr als ein Kampf um Stellen
und Mittel.
Deformation und Renormierung
All things being considered, it seems probable to
me that God in the Beginning formed Matter in solid,
massy, hard, impenetrable, moveable Particles ... .3)
Ohne das Newtonsche Theorem für das 1/r2-Kraftgesetz, und wenn die Himmelskörper weniger starr und
kugelsymmetrisch wären, hätte die klassische Mecha-
Preisträger
nik als eine Mechanik kontinuierlicher Medien mit unendlich vielen Freiheitsgraden entstehen müssen, wie
sie schon Euler zu entwickeln unternahm. Obgleich die
Atomhypothese im griechischen Altertum entstand,
und obwohl sie den Chemikern seit Ende des 18. Jahrhunderts selbstverständlich schien, als fundamentales
Element der Naturbeschreibung ist sie erst in die Arbeiten von Maxwell, Boltzmann, Einstein, Smoluchowski und Gibbs eingegangen. Der Übergang von
der Kontinuumstheorie zum Atomismus, von der Thermodynamik zur statistischen Mechanik wird von der
Boltzmannschen Konstanten k signalisiert. Die atomistische Struktur der Materie, kombiniert mit dem Elektromagnetismus, hat das Gebäude der klassischen Physik in seinen Fundamenten erschüttert. Das für die statistische Mechanik fundamentale Liouvillesche Maß
auf dem Phasenraum eines Systems mit f Freiheitsgraden hat die Dimension (Wirkung)f. Um damit dimensionslose Zustandssummen ausrechnen zu können,
muss eine Größe mit der Dimension einer Wirkung in
die Theorie eingeführt werden, und um zu extensiven
thermodynamischen Potentialen zu gelangen, müssen
identische Teilchen als ununterscheidbar behandelt
werden, wie J. W. Gibbs erkannte. Die Deformation
von einer Kontinuumstheorie zu einer atomistischen
Theorie der Materie würde also diejenige von der klassischen zur Quantenmechanik hervorgerufen haben
müssen, hätte Planck die Quantentheorie nicht schon
vor Einstein und Gibbs entdeckt, indem er die Hohlraumstrahlung mit den Regeln einer im Entstehen begriffenen statistischen Mechanik behandeln wollte, was
ja im Rahmen der klassischen Physik nicht konsistent
durchführbar ist.
Die Deformation der klassischen Hamiltonschen zur
Quantenmechanik ist von einer radikalen Wandlung
des Zustandsbegriffs begleitet. Mathematisch ausgedrückt, entspricht sie einer Deformation der symplektischen Geometrie zur nichtkommutativen, unitären
Geometrie „quantenmechanischer Phasenräume“. In
ihr ist auch schon das Eichprinzip verborgen.
Mit den Deformationen von einer Kontinuums- zu
einer atomistischen Theorie der Materie und von der
Hamiltonschen zur Quantenmechanik, unter Beibehaltung des Newtonschen Raum-Zeit-Begriffs, hätte es
sich bequem „leben“ lassen – wäre da nicht die Elektrodynamik, die sich hartnäckig weigerte, sich als
emergentes Phänomen aus einem mechanistischen
Äthermodell herleiten zu lassen. Sie rief nach einer
Deformation der Newtonschen in die Minkowski
Raum-Zeit, der Galilei- zur Poincaré-Gruppe, und
nach einem relativistischen Umbau der Mechanik; Deformationsparamater = c–1 !
Die k, h und c–1 entsprechenden Deformationen
ließen eine relativistische, Poincaré-kovariante Quantentheorie, die relativistische Quantenfeldtheorie entstehen, die ein zentrales Thema der Forschung aller
Theoretiker-Generationen seit 1927, auch meiner eigenen, darstellt. Wo die nicht-relativistische Quantenmechanik auf dem Konzept physikalischer Systeme mit
endlich vielen Freiheitsgraden aufbaut, haben Systeme
der relativistischen Quantentheorie notwendig unendlich viele Freiheitsgrade. Sie ist eine Kontinuumstheorie, die zentral auf dem Feldbegriff beruht. Systeme der
Quantenfeldtheorie können Zustände besetzen, in denen beliebig viele Freiheitsgrade in beliebig kleinen
Raum-Zeit-Gebieten angeregt sind; umso mehr je höher die Energie. Diese Eigenschaft führt auf die wohl-
bekannten Ultraviolett-Divergenzen in der störungstheoretischen Behandlung von Quantenfeldtheorien,
deren Meisterung einer der zentralen Forschungsgegenstände meiner und der Generation meiner Lehrer
war und ist. Ihm ist die Entstehung der Renormierungstheorie, insbesondere der Renormierungsgruppe,
zu verdanken.
Setzt man k = h = 0, jedoch c–1, ᐉ P > 0, so gelangt
man mit Einstein auf eine relativistische Theorie der
Gravitation, die allgemeine Relativitätstheorie. Die
Gravitation wird als Folgeerscheinung der Raum-Zeit
Krümmung verstanden. Die Raum-Zeit wird zu einem
dynamischen, kontinuierlichen Medium mit unendlich
vielen Freiheitsgraden. Mit der Quantenelektrodynamik und der allgemeinen Relativitätstheorie treten zum
ersten Mal unendlich-dimensionale Symmetriegruppen,
die Eich- und Diffeomorphismengruppen, auf die Szene der Physik. Später wird man in diesem Bereich die
Anomalien entdecken.
Für eine mathematisch konsistente Beschreibung
der Natur, in der alle Konstanten, k, h, c–1, und ᐉ P, in
natürlichen, Planckschen Einheiten den Wert 1 haben,
fehlt uns eine gesicherte konzeptuelle Grundlage. Die
relativistische Quantenfeldtheorie versteht sich als eine
lokale, kausale Quantentheorie. Die präzise Formulierung von Lokalität und Kausalität erfordert den Begriff
eines Bündels von Lichtkegeln. Eine relativistische
Theorie der Gravitation entzieht der relativistischen
Quantenfeldtheorie just diese wesentliche Grundlage!
Eines scheint gewiss zu sein: Eine relativistische
Quantentheorie von Materie, Strahlung und Gravitation wird revolutionäre Veränderungen im Raum-ZeitBegriff zur Folge haben. Wie wiederholt, zuletzt von
Doplicher, Fredenhagen und Roberts, argumentiert
wurde, lassen sich in einer solchen Theorie Ereignisse
bestenfalls noch in Raum-Zeit-Gebieten einer „mittleren Ausdehnung“ ⲏᐉ P lokalisieren, was zur Folge haben muss, dass in Raum-Zeit-Zellen endlicher Ausdehnung nur endlich viele Freiheitsgrade angeregt werden
können (und damit alle Ultraviolettdivergenzen beseitigt sein dürften), und dass die Raum-Zeit selbst auf
sehr kleinen Skalen „quantenmechanische Eigenschaften“ haben muss. Die Superstring-Theorie kommt solchen Vorstellungen derzeit am nächsten. Ihr Verhältnis
zu einer relativistischen Quantentheorie von Materie,
Strahlung und Gravitation könnte man plausibel mit
demjenigen der Quantentheorie des Atombaus von
Bohr und Sommerfeld zur Quantenmechanik der Atome, wie sie von Born, Heisenberg, Jordan, Schrödinger
und Pauli entdeckt wurde, vergleichen.
Ich fasse diese Ausführungen in einer graphischen
Darstellung zusammen (siehe Abb. 1).
Einige Zukunftsprobleme der
Theoretischen Physik
Natural science develops along two fronts. The first
may be called the internal front. It is the study of atomic interactions. The nature of these interactions is
known in principle ... The consequences, however, are
so manifold and complex that their study was and
continues to be the object of a widening frontier of research ... [The second front] may be called the external
frontier. It deals with the higher rungs of the quantum
ladder, with the explorations of realms of nature that
lie beyond currently understood principles.4)
Nach unserem Blick zurück in die Vergangenheit
wage ich nun einen Blick nach vorn, in die Zukunft,
Physikalische Blätter
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4) V. F. Weisskopf, „The
Privilege ...“, loc. cit.
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Preisträger
Abb. 1:
„Plancks Hypercube“:
0 Nicht-relativistische Kontinuumsmechanik .
A Hamiltonsche Mechanik, symplektische Geometrie; Newtonsche Raum-Zeit .
B Klassische relativistische Feldtheorie, unendlich-dimensionale symplektische Geometrie; Minkowski Raum-Zeit .
C Nicht-relativistische Quantenmechanik, nichtkommutative
Geometrie quantenmechanischer Phasenräume; Funktionalintegration .
D Speziell-relativistische QFT, nicht-kommutative Geometrie
unendlich-dimensionaler Quanten-Phasenräume; unendlichdimensionale Symmetrien, BRST- und BV-Kohomologie .
E Newtonsche Gravitation und deren Formulierung als geometrische Theorie im Rahmen der Riemannschen Geometrie .
F Allgemeine Relativitätstheorie, Lorentzsche Geometrie .
G „Nicht-relativistische Quantengravitation“, nichtkommutative
Riemannsche Geometrie .
M Quantengravitation, „M-Theorie“, „Quanten- oder StringGeometrie“ .
k, h ↔ Deformationen der „Observablen“ und „Zustandsräume“
c –1, ᐉ P ↔ Deformationen der „Symmetrien“.
eingedenk der Warnung: „Voraussagen zu machen ist
schwierig, speziell wenn sie die Zukunft betreffen.“
Unser Blick zurück und das Zitat aus Weisskopfs
Essay machen klar, dass es für den theoretischen Physiker mindestens viererlei große Zukunftsaufgaben gibt.
1) Neue, umfassendere physikalische Theorien durch
„Deformation“ bekannter Theorien zu entdecken; insbesondere herauszufinden, was unter String- resp. MTheorie zu verstehen ist.
2) Wenn eine umfassendere physikalische Theorie gefunden ist, ihre Struktur und innere Konsistenz besser
zu verstehen und zu explorieren, in welchen Grenzbereichen sie Vorgänger-Theorien reproduziert, aus denen sie hervorgegangen ist.
3) Das Begriffssystem und die Untersuchungsmethoden
im Rahmen bestehender Theorien so zu erweitern, dass
neue Phänomene als Konsequenzen solcher Theorien
beschrieben werden können.
4) Physikalische Methoden und Begriffssysteme auf andere Gebiete wie die Mathematik, die Chemie, die Biologie, die künstliche Intelligenz und die Informatik zu
exportieren, um damit zu neuen Einsichten zu gelangen.
Zu jeder dieser vier Gruppen von Aufgaben will ich
ein paar Beispiele anführen, z. T. solche, mit denen
sich meine Mitarbeiter und ich beschäftigt haben; (solche sind mit einem „*“ gekennzeichnet).
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Physikalische Blätter
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1. Neue Theorien durch „Deformation“
bekannter Theorien entdecken
Der Bogen an Problemen spannt sich von der „Physik jenseits des Standard Modells“, der Physik von „Extra-Dimensionen“ über neue Symmetriebegriffe, wie
die Supersymmetrie und die verschiedenen Quantensymmetrien, bis zur nichtkommutativen Geometrie und
der String- oder M-Theorie. Das zentrale Problem ist,
eine relativistische Quantentheorie von Materie, Strahlung und Gravitation zu entwerfen. Experimentelle
Hinweise auf die Konturen einer solchen Theorie sind,
ist man optimistisch, von zukünftigen Beschleunigerexperimenten und Daten aus der Astrophysik und Kosmologie zu erwarten.
Unterdessen mag sich der Theoretiker mit folgenden, z. T. recht konkreten Problemen auseinandersetzen, entlang der aristotelischen Richtschnur innerer,
mathematischer Konsistenz seiner Überlegungen:
왘 Konzeptuelle Aspekte der String Theorie, wie die
Charakterisierung und Untersuchung von für die
String-Theorie wichtigen „Weltflächentheorien“, deren
Quantensymmetrien * und neue Formen der Quantenstatistik* (Zopf-Statistik), der Randbedingungen *
(„Boundary CFT“ und „D-branes“), „String-Feldtheorie“, Erscheinungsformen nichtkommutativer Geometrie in der String-Theorie*, „Brane Worlds“, StringDualitäten, Holographie, supersymmetrische Eichtheorien und Supersymmetriebrechung, ... .
왘 Anwendung der String-Theorie auf die Thermodynamik schwarzer Löcher und schwarzer Branes sowie auf
die Kosmologie.
Geht man davon aus, dass das, „was die Welt im Innersten zusammenhält“ mit ihrer großräumigen Struktur und Frühgeschichte verknüpft ist, so gehören zum
Themenkreis (1) auch Probleme aus Astrophysik und
Kosmologie; etwa:
왘 Wieso ist das heute sichtbare Universum vier-dimensional und räumlich nahezu flach (V ⯝ 1); wieso ist die
kosmologische Konstante so klein, aber offenbar ≠ 0;
woraus besteht dunkle Materie, und wieso gibt es im
Universum so viel mehr dunkle als leuchtende Materie;
was ist „Quintessenz“; wie gut verstehen wir die Inflation? Gibt es kosmologische Anzeichen für die Existenz von Feldern, die in der String-Theorie vorkommen, wie des Dilaton-Feldes, der Axion-Felder, des
Radions und verschiedener antisymmetrischer Tensorfelder, und welche Rolle spielen sie in der Kosmologie*? Wieso treten sie in Beschleunigerexperimenten
oder in der Form einer „fünften Kraft“ bis jetzt nicht in
Erscheinung?
Man könnte die Liste interessanter Fragestellungen
seitenlang fortsetzen.
2. Die neue Theorie muss die Vorgänger-Theorien
in Grenzbereichen reproduzieren
Beginnen wir mit einer Frage, die erst in der Zukunft präzis gestellt werden kann (wenn sie auch schon
heutzutage bearbeitet wird).
왘 ᐉ P → 0: Wie lassen sich realistische Feldtheorien, wie
das Standard-Modell der Teilchenphysik, im Grenzbereich von gegenüber der Planck-Skala tiefen Energien
aus der M-Theorie herleiten?
Mit mehr Aussicht auf Erfolg lassen sich jetzt schon
Fragen folgender Art bearbeiten.
왘 c–1 → 0: Wie lassen sich Modelle der nicht-relativistischen Quantenmechanik im Grenzbereich schwacher
Kräfte zwischen zusammengesetzten Teilchen und ge-
Preisträger
genüber der Lichtgeschwindigkeit kleinen Geschwindigkeiten aus solchen der relativistischen Quantenfeldtheorie herleiten? (Stichworte dazu sind: Physik von
leichten Atomen, chemische Bindungen, Bethe-Salpeter-Gleichung, ...).
Für eine der wirklich zentralen Fragen – sie wurde
schon 1926 von Schrödinger aufgeworfen und harrt
seither noch immer einer befriedigenden und umfassenden Antwort – halte ich:
왘 h → 0: In welchen experimentell relevanten Bereichen, für welches Ensemble von Zuständen und welche
Klasse beobachtbarer Grössen wird die Dynamik quantenmechanischer Systeme akurat durch eine klassische
(Hamiltonsche) Dynamik approximiert *?
Diese Frage ist eng mit derjenigen nach der Interpretation der Quantenmechanik* verknüpft, die zurecht noch immer zu heftigen Debatten Anlass gibt.
왘 k → 0: In welchem Ensemble von Zuständen lässt
sich die Dynamik eines großen, nicht-relativistischen
Vielteilchensystems durch eine Boltzmann-Gleichung
oder durch hydrodynamische Gleichungen approximieren? – Transporttheorie!
3. Bekannte Theorien erschließen neuartige
Phänomene
Ich komme nun zu Fragen, die die Emergenz kollektiver Phänomene aus bekannten mikroskopischen
Theorien betreffen.
왘 Phasenübergänge und kritische Phänomene im thermischen Gleichgewicht*; nicht-triviale Renormierungsgruppen-Fixpunkte und deren Beschreibung durch
konforme Feldtheorien; Bestimmung kritischer Exponenten und Charakterisierung von „Universalitätsklassen“.
왘 Emergenz irreversiblen Verhaltens aus der unitären
Dynamik offener quantenmechanischer Systeme mit
unendlich vielen Freiheitsgraden *: Relaxation zu einem
Grundzustand (T = 0), Rückkehr zum Gleichgewicht
(T>0), Konvergenz zu stationären Zuständen für Systeme, die an mehrere, unendlich grosse Reservoire gekoppelt sind; Theorie der Resonanzen und metastabilen Zustände*; Implikationen für Antworten auf Frage
2).
왘 Diffusion eines quantenmechanischen Teilchens im
Zufallspotential für geringe Unordnung, in drei oder
mehr Dimensionen; permanente Lokalisierung in einer
oder zwei Dimensionen *. Diffusion eines geladenen
Teilchens, etwa eines Elektrons, in Wechselwirkung mit
thermischer Hohlraumstrahlung; („quantenmechanische Brownsche Bewegung“).
왘 Phasen hoch-korrelierter, nicht-relativistischer quantenmechanischer Materie: Ab-initio Beschreibungen
von Supraleitung, Supraflüssigkeit, verschiedenen Formen des Magnetismus *, Quanten-Hall-Flüssigkeiten *,
Gläsern, ...; Theorie der spezifischen Wärme, der elektrischen Leitfähigkeit und anderer Transportkoeffizienten; quantisierte Leitfähigkeiten * in inkompressiblen
Hall Flüssigkeiten und ballistischen Drähten; Widerstandsfluktuationen; Quantenchaos; Quantenoptik ... .
왘 Eine fundamentale Methode zur Untersuchung physikalischer Systeme mit unendlich vielen Freiheitsgraden, insbesondere zum Studium der vorangehend skizzierten Probleme, ist die Renormierungsgruppe in
ihren verschiedenen Ausführungen. Es ist ein zentrales
Programm der mathematischen Physik, Renormierungsgruppenmethoden zu mathematisch präzisen
Werkzeugen auszugestalten* und auf neue Probleme
anzuwenden. Zum Beispiel auch auf:
왘 QCD bei tiefen Energien: Quark Confinement, chirale Symmetriebrechung und „Kondensate“, CP-Verletzung, Vakuumwinkel und Axion; QCD-Strings (1/NEntwicklung,…); s-Modelle der Mesonen mit Wess-Zumino-Term, und Baryonen als Skyrmionen; effizientere
numerische Methoden für die Gittereichtheorie; Bedeutung topologischer Defekte, ...
왘 Strukturbildung im Universum: Entstehung von Galaxien-Clustern und Galaxien, Charakterisierung typischer Galaxie-Formen; primordiale Magnetfelder *;
Emission von Teilchen Jets; Theorie der Supernovae, gStrahlen-Bursts, Kollision kompakter Objekte; Gravitationswellen ...
왘 Theorie der Turbulenz in der Plasmaphysik und
Flüssigkeitsdynamik; „Roads to Turbulence“; MusterEntstehung und Auswahl; Selbstorganisation ...
왘 Theorie dynamischer Systeme, Transporttheorie, dynamische Prozesse in Systemen kondensierter Materie
(nahe beim und fern vom thermischen Gleichgewicht);
nicht-lineare Gleichungen der Physik* ...
4. Physikalische Methoden dienen anderen Gebieten
Kommen wir mit unserer Sammlung von Zukunftsaufgaben für theoretische Physiker mit wenigen Bemerkungen zu Punkt 4), nämlich dem Export physikalischer Methoden und Begriffssysteme auf andere Gebiete, zum Abschluss. Da ich mich selbst damit nur in
äußerst marginaler Weise beschäftigt habe, möchte ich
längere Ausführungen dazu kompetenteren Kollegen
überlassen und beschränke mich auf ein paar Stichworte.
왘 Ausgestaltung von Methoden aus der theoretischen
Physik zu Werkzeugen der reinen Mathematik. Das 20.
Jahrhundert ist reich an großartigen Beispielen dafür,
die den meisten unter Ihnen bekannt sein dürften. Aktuell sind Beispiele der Übertragung von Methoden aus
der Quantenfeld- und String-Theorie auf Differentialgeometrie, algebraische Geometrie und Topologie *. Sie
stimmen mich für das 21. Jahrhundert optimistisch!
왘 Anwendungen physikalischer Theorien und Methoden in Chemie und Biologie; etwa auf die Strukturbestimmung und die Beschreibung von Eigenschaften
großer organischer Moleküle. Gerade dieses Beispiel
würde sich dazu eignen zu erklären, auf welch gigantische Schwierigkeiten man im Versuch stößt, quantenmechanische ab-initio Rechnungen von Eigenschaften
solcher Moleküle auszuführen: In voller mathematischer Strenge gelangt man gerade einmal bis zum H2Molekül *, einem Vierkörperproblem.
왘 Anwendung von Methoden der Theorie dynamischer
Systeme und der statistischen Physik auf Probleme der
künstlichen Intelligenz und der Neuroinformatik. Auch
in diesem Bereich gilt die gerade ausgesprochene Warnung! Es ist zu lernen wie die Komplexität, der Informationsgehalt, die Aesthetik ..., z. B. eines ebenen Musters zweckmäßig zu definieren sind, also Begriffe, die
in der konventionellen Physik nicht vorkommen; wie
die darin enthaltenen Daten so zu komprimieren sind,
dass sie handzuhaben und zu manipulieren sind, und
dass sich trotzdem die wesentlichen Züge des Musters
daraus rekonstruieren lassen (Bezug zur Renormierungsgruppe) ... .
왘 Kann man funktionstüchtige Quantencomputer bauen, und wozu werden sie nützlich sein?
∗
Physikalische Blätter
57 (2001) Nr. 7/8
57
Preisträger
Meine Damen und Herren, die Liste der Träger von
Max-Planck-Medaillen von 1929 bis heute, auch mit
ihren Jahreszahlen da keine Medaillen verliehen wurden, ist ein Spiegel des 20. Jahrhunderts, seiner
Großartigkeit und seiner Katastrophen. Einige der Geehrten, allen voran derjenige, dessen Name die Medaille trägt, haben großartige Pläne für neue Etagen des
Tempels der Wissenschaft entworfen, andere haben am
Bau solcher Etagen aktiv mitgewirkt, wieder andere
haben sie ausgeschmückt. Einige waren mutig und erlangten moralische Autorität, andere verhielten sich in
dunkler Zeit in zweifelhafter Weise und waren doch
großartige Forscher, viele haben in ihrem persönlichen
Leben unsäglich an den Katastrophen des Jahrhunderts
gelitten.
Es mag einen optimistisch stimmen, dass der neueste Eintrag in die Liste einen betrifft, der keinen Krieg
miterlebt hat oder an den Folgen eines solchen zu leiden hatte, der insgesamt bis heute ein ruhiges, glückliches Leben führen durfte, der der Wissenschaft zuliebe
freiwillig für zehn Jahre in die Welt emigriert ist und
wohl weiterhin herumzigeunert wäre, schiene ein etwas steteres Leben dem Aufziehen von Kindern nicht
förderlicher zu sein. Für dieses Schicksal bin ich zutiefst dankbar!
Es mag auch optimistisch stimmen, dass in mir jemand mit einer Max-Planck-Medaille geehrt wird, der
kaum mehr als ein Dekorationskünstler und Raumpfleger im Tempel der Wissenschaft ist. Denn dies muss bedeuten, dass, zumindest was die Hallen der Physik anbetrifft, dieser Tempel einen geradezu etwas barocken
Grad an Vollständigkeit erreicht hat. Ich hoffe Sie aber
doch davon überzeugt zu haben, dass auch die Physik
noch voller spannender Probleme ist, und dass unter
zukünftigen Medaillisten bestimmt wieder Architekten
und Baumeister zu finden sein werden!
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Nun sind wir zusammen fast ans Ende dieser Ausführungen gelangt. Um nicht das „feine Schweigen“,
von dem Friedrich Nietzsche und, ihm folgend, Fritz
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Physikalische Blätter
57 (2001) Nr. 7/8
Stern in einem seiner Bücher gesprochen haben, an
den Schluss zu stellen, muss ich ein Geständnis ablegen: Spreche ich nicht als Physiker, sondern als Intellektueller, Zeitzeuge und Mensch, so bin ich doch etwas weniger optimistisch, was die Zukunft anbetrifft,
als ich es eben vermuten ließ. Wieso – dies wäre das
Thema für einen anderen, vielleicht interessanteren
Vortrag! Genüge hier ein Plädoyer gegen das „feine
Schweigen“ und für mehr Offenheit, gegen Bierernst
und für mehr sportlichen Geist, für intellektuelle Redlichkeit, für mehr Großzügigkeit, Toleranz und gegenseitigen Respekt, mehr kreativen, ideellen Schwung;
mehr Bereitschaft, in dieser europäischen Sozietät (zu
der auch die schweizerische gehört) kühn zu denken
und mutig zu handeln!
„For me the correct question is what one should do,
not how one should feel ... !“ (R. P. Feynman)
Ich danke Ihnen!
Der Autor
Jürg Martin Fröhlich ist seit Herbst 1982 Professor für
Theoretische Physik an der ETH Zürich. Sein Spezialgebiet ist die mathematische Physik. Schwerpunkte seiner
Forschungen sind die Quantenfeldtheorie, die Quantentheorie von Systemen mit vielen Freiheitsgraden, die statistische Physik sowie verschiedene mathematische Methoden der theoretischen Physik.
Fröhlichs Arbeiten wurden mit dem
nationalen Latsis-Preis (1984), dem
Dannie-Haineman-Preis (1991) und
dem Marcel-Benoist-Preis (1997) gewürdigt. Zu den Freizeitbeschäftigungen von Fröhlich gehören das Wandern und Skilaufen,
Zeichnen und Malen und das Verfassen von allerlei Essays.
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