Ermittlung der Strukturformel einer Reinsubstanz

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Ermittlung der Strukturformel einer Reinsubstanz
Unterlagen für das selbstständig zu erarbeitende Ergänzungsthema
des interdisziplinären Erweiterungscurriculums
„Naturwissenschaftliches Denken: Fallbeispiele, Grundlagen und Einflüsse“
Methoden der Naturwissenschaft und Praxis in der Chemie
WS 2016/17
zusammengestellt unter Verwendung von Teilen von Beiträgen aus wikipedia
von
Rudolf Werner Soukup
Quellenangaben zu den Abbildungen auf der Titelseite:
Piper nigrum. Curtis’s botanical magazine; or flower garden displayed. London, 1832, volume 59 (plate 3139):
https://de.wikipedia.org/wiki/Pfeffer#/media/File:Piper_nigrum_drawing_1832.jpg (11.8.2016)
Schwarze Pfefferkörner: Rainer Zenz 2005: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Pfeffer-Gew%C3%BCrz.jpg (11.8.2016)
Piperine crystals extracted from black pepper: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Piperine_crystals.jpg (11.8.2016)
Strukturformel des Piperins
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Einleitung und Überblick
Die Aufstellung einer Formel ist seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts der krönende Abschluss der
Untersuchungen an einer bislang unbekannten Substanz. Voraussetzung dazu ist das Vorliegen einer
Reinsubstanz. Diese muss mittels unterschiedlicher Trennverfahren aus den komplizierten
Substanzgenmischen, die insbesondere in der belebten Natur vorkommen, isoliert werden. Zu den
klassischen Trennmethoden wie Destillation*, Sublimation*, Extraktion*, Filtration kamen im Verlauf
des 20. Jahrhunderts zahlreiche chromatografische Methoden (Papierchromatografie,
Dünnschichtchromatografie (DC), Säulenchromatografie, Gaschromatografie (GC), High Performance
Liquid Chromatography (HPLC) etc.). Kriterien eines Reinstoffes sind: wohldefinierter Schmelz- und
Siedepunkt (keine Schmelz- bzw. Siedeintervalle), nur ein Signal im Chromatogramm.
Mit Hilfe der quantitativen Elementaranalyse, die zu Beginn des 19. Jahrhunderts entwickelt und ab
etwa 1910 im Sinne einer Mikroanalytik verfeinert wurde, kann eine Verhältnisformel aufgestellt
werden. Dabei wird eine abgewogene Probe der Substanz verbrannt. Die gasförmigen
Verbrennungsprodukte werden durch Flüssigkeiten geleitet und zur Reaktion gebracht. Die dabei
entstehenden Produkte werden ausgewogen und die Massenverhältnisse angegeben Da die relativen
Atommassen bekannt sind (siehe Tabelle in Anhang 2), kann eine vorläufige Verhältnisformel
ausgerechnet werden.
Um von der Verhältnisformel zur Summenformel zu kommen, muss die Molekülmasse bestimmt
werden. In früheren Zeiten erfolgte dies über die Bestimmung des Dampfdrucks, bzw. aus der
Erniedrigung des Siedepunkts einer Flüssigkeit nach dem Auflösen der fraglichen Substanz. Heute
bedient man sich der Massenspektrometrie (MS).
Da in der Regel unzählige Substanzen mit der gleichen Summenformel gibt, muss schließlich ermittelt
werden, welche Atome wie miteinander verbunden sind. Man spricht von der Molekültopologie*.
Am Ende des Ermittlungsverfahrens steht die Strukturformel, die als Keilstrichformel auch alle für die
Chemie, die Pharmakologie und Toxikologie relevanten stereochemischen Informationen enthält.
Die wichtigsten Verfahren der instrumentellen Analytik sind - neben der bereits erwähnten
Massenspektrometrie - die Polarimetrie, die Infrarotspektrometrie (IR) und die Kernmagnetische
Resonanzspektroskopie (NMR).
Anhang 1 ist ein Glossar mit Definitionen der mit * versehenen Termini.
Beim Kolloquium ist über die Form und Aussagekraft der erwähnten Formeln zu sprechen. Die hinter
den erwähnten Methoden (wie GC, MS, NMR etc.) stehenden physikalischen Prinzipien sind
anzugeben. Aus vorgelegten Elementaranalysedaten ist eine Summenformel zu berechnen.
Näheres siehe Fragenliste zur LV, zusammen mit diesem Text auf der Infowebpage des EC
http://ec-nwdenken.univie.ac.at/lehrangebot-aktuelle-vb-und-termine/konzeption-derlehrveranstaltungen/
oder nach Registrierung oder Anmeldung in der LV im Moodle.
3
Die Ermittlung der Summenformel aus den Daten der quantitativen Elementaranalyse sowie der
Konstitution am Beispiel des aus der Chinarinde gewonnenen Malariamittels Chinin
Die Quechua-Indianer wussten um die fiebersenkende Wirkung eines Extraktes aus der Rinde des
Chinarindenbaums (Cinchona) bereits in vorkolumbianischer Zeit. Der Name “Chinarinde” wird mit
der peruanischen Bezeichnung “Kina-Kinalt” (Rinde der Rinden) in einen Zusammenhang gebracht.
1631 soll die fiebersenkende Rinde bereits erstmals in Europa zur Bekämpfung einer
Malariaepedemie in Rom eingesetzt worden sein, nachdem der Jesuitenpater Agostino Salumbrino
eine Probe nach Rom geschickt hatte. 1638 ist Ana de Osorio Gräfin Chinchón, die Gattin des
Vizekönigs von Peru, mit Hilfe eines Extraktes des quina-Baumes von der Malaria geheilt worden. Der
Leibarzt der Gräfin Don Juan de Vega brachte 1640 die quina-Rinde nach Spanien. Das in Form eines
weißen, sehr bitter schmeckenden Pulvers in der Chinarinde vorkommende Chinarindenalkaloid
„Chinin“ wurde 1792 von Antoine François de Fourcroy erstmals in einem noch unreinem Zustand
erhalten. 1820 wurde das Chinin von Pierre Joseph Pelletier and Joseph Bienaimé Caventou mit Hilfe
von Ethanol isoliert. 1879 wies der österreichische Chemiker Zdenko Hans Skraup nach, dass dem
Chinin die Summenformel C20H24N2O2 zukommt.
Cinchona calisaya, aus: Franz Eugen Köhler,
Köhler's Medizinal-Pflanzen 1897
Chinarinde: H. Zell - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0,
https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=10672502
Tonicwater enthält in einer Wasser-Alkohol-Mischung gelöstes Chinin. Dieses fluoresziert unter der
UV-Lampe blau.
Abbildung aus Wikipedia (https://de.wikipedia.org/wiki/Chinin#/media/File:Tonic_water_uv.jpg; 8.8.2016)
4
Bestimmung der Summenformel mittels quantitativer Elementaranalyse:
Elementaranalyseapparatur nach Justus von Liebig (aus: Edmond-Jean-Joseph Langlebert, Chimie 1875)
Analyse einer stickstofffreien Substanz.
TT: das links verschlossene Verbrennungsrohr, das die entsprechende Substanz, vermischt mit
Kupferoxid, enthält;
G: Grill, auf dem man die glühende Kohle um das Rohr herumhäufelt;
A ist ein Rohr gefüllt mit Calciumchlorid, das mit Schwefelsäure getränkt ist, um den Wasserdampf
herauszuziehen;
B ist das Rohr mit Kugeln, die eine Lösung von Ätzkali zum Zurückhalten von Kohlendioxid enthalten.
Das Oxidationsprodukt CO2 ist in Wasser schlecht löslich. Wenn es nur durch ein einziges mit KOH
gefülltes Gefäß perlen würde, würde die Absorption nur begrenzt ausfallen. Das war dem Justus von
Liebig sicherlich bekannt. Durch die Anordnung der fünf Kugeln wird die Löslichkeit wesentlich
verbessert.
C ist ein Rohr, das mit Stücken von Ätzkali gefüllt ist, bestimmt dazu, die letzten Reste von
Kohlendioxid, die aus dem vorangegangenen Rohr entweichen konnten, zu absorbieren.
Am Ende des Rohres TT wird bei T etwas Kaliumchlorat aufgehäuft. Man erhitzt es zum Schluss der
Analyse, um daraus Sauerstoff freizusetzen. Der soll Reste von organischer Materie, die der Oxidation
durch das Kupferoxid entkommen konnten, verbrennen. Außerdem soll der Gasstrom die letzten
Reste des Kohlendioxids aus dem Verbrennungsrohr in die Rohre A, B und C treiben.
Zur Auswertung:
Man ermittelt die Differenz der Gewichte von A vor und nach der Messung. Das ergibt die Menge an
gebildetem Wasser, aus dem man die Menge an Wasserstoff berechnet.
Die beiden anderen Rohre B und C wiegt man zusammen vor und nach der Operation. Die Differenz
ergibt den Gehalt als Kohlendioxid, aus dem man den Gehalt an Kohlenstoff berechnet.
Wenn die so erhaltenen Werte nicht exakt die Menge an eingewogener Substanz ergeben, berechnet
man aus der Differenz den Gehalt an Sauerstoff.
5
Bei der Verbrennung von 2,43 mg reinem Chinin (mit einem Schmelzpunkt von 177 oC) wurden die
Verbrennungsprodukte CO2, H2O und N2 festgestellt. SO2 trat nicht auf. Für die einzelnen Elemente
ergaben sich folgende Massen-Prozentsätze:
C
H
N
Summe:
73,99 %
7,41 %
8,65 %
90,05 %
Der Sauerstoffgehalt wird aus der Differenz auf 100 % ermittelt, da keine anderen Elemente
enthalten sind: O … 9,95 %
Nun werden die Massenprozent in eine Beziehung mit den Atommassen der einzelnen Elemente
gebracht (sprich dividiert):
C
H
N
O
73,99 : 12,01 = 6,16
7,41 : 1,01 = 7,34
8,65 : 14,01 = 0,62
9,95 : 16,00 = 0,62
Um zu einer Formel mit ganzzahligen Indizes zu kommen, werden alle Zahlen durch die kleinste
vorkommende (hier 0,62) in Beziehung gesetzt (sprich dividiert):
C
H
N
O
6,16 : 0,62 = 9,94
7,34 : 0,62 = 11,84
0,62 : 0,62 = 1,00
0,62 : 0,62 = 1,00
Daraus ergibt sich (nach Rundungen) die Verhältnisformel C10H12NO. Einer solchen Verbindung käme
die Molmasse 162,2 g/mol zu.1 Die Molmassenbestimmung ergab aber 324 g/mol. Daher lautet die
richtige Summenformel C20H24N2O2.
Der nächste Schritt ist die Ermittlung der sogenannten Konstitution. Im 19. Jahrhundert musste dazu
die Verbindung durch Schmelzen in erhitzter KOH (Kalischmelze) in Bruchstücke bzw. durch
oxidativen Abbau mit einem Oxidationsmittel (z.B. Chrom(VI)-oxid, CrO3) gespalten werden. Im Falle
des Chinins erhielt Skraup die seit ca. 1827 bekannte Chininsäure C11H9NO3, deren Formel er angibt:2
Die Chininsäure ist ein Derivat des Chinolins.
1
23
Mol (Einheitenzeichen: mol) ist die SI-Basiseinheit der Stoffmenge. Ein Mol enthält 6,022.10 Teilchen. Diese
Zahl ist so definiert, dass 12,00 g Kohlenstoff des Isotops C-12 genau einem Mol entsprechen. Der Zahlenwert
der Masse eines Mols eines Stoffs angegeben in Gramm ist identisch mit der Atommasse der Atome angegeben
in der Atomaren Masseneinheit (u).
2
Zur Schreibweise der ringförmigen Kohlenwasserstoffe siehe Anhang 3.
6
Ein weiteres Spaltprodukt ist das Merochinen:
Das Merochinen ist ein Derivat des Piperidins.
Unter Zuhilfenahme all dieser Informationen stellte Paul Rabe 1908 die Konstitutionsformel auf.
1912 wurde die Konstitution* von Amé Pictet publiziert. Vladimir Prelog und Otto Häfliger
bestimmten 1950 die stereochemische Konfiguration des (–)-Chinins. In heutiger Schreibweise:3
(–)-Chinin
Im 19. Jahrhundert musste man sich für einen Beweis, dass es sich bei der synthetischen Substanz
tatsächlich um die angegebene handelt, meist mit einem Mischschmelzpunkt begnügen: die
künstliche und die natürliche Substanz gemischt ergaben den gleichen Schmelzpunkt wie die aus dem
Naturreich extrahierte Reinsubstanz (in diesem Fall. 177 oC). Der Beweis einer Strukturformel erfolgt
heute durch eine sogenannte Totalsynthese, also der Herstellung der naturidenten Substanz aus
Grundchemikalien mit anschließender chromatografischer Identifikation. Ein erster Schritt auf
diesem historisch gesehen langem Weg war die Entdeckung der Chinolinsynthese aus dem billigen
Anilin und dem ebenfalls billigen Glyzerin durch Zdenko Hans Skraup 1880:
Paul Rabe und Karl Kindler fanden 1918 eine Partialsynthese für das Chinin. Eine formale
Totalsynthese gelang 1944/1945 Robert B. Woodward und William von Eggers Doering. Von einer
tatsächlichen Totalsynthese berichtete Milan R. Uskokovic et al. 1970. 1978 publizierten Milan
Uskokovic, Thomas Henderson, Charles Reese, Hsi Lin Lee, Guenter Grethe und Juerg Gutzwiller die
Totalsynthese von enantiomerenreinem Chinin.4
3
Ein gefüllter Keil gibt an, dass das damit angehängte Atom oder die Atomgruppe aus der Zeichenebene herausragt, ein gestrichelter Keil
besagt, dass sich der Substituent hinter der Zeichenebene befindet. Bindungen, die in der Zeichenebene liegen, werden als Linien
gezeichnet. Die gestrichelte Linie zwischen den beiden gestrichelten Keile steht für eine CH2-CH2-Brücke, die aus dem einfachen
Piperidinring ein bizyklisches System macht.
4
P. J. Pelletier, J. B. Caventou, Ann. Chim. Phys. 15 (1820) 291 u. 337;
Henry jun., Plisson, Zur Kenntnis des Chinins, Chinconis und der Chinasäure, Journal de Pharmacie 1827, 268ff.)
Zdenko Hans Skraup „Über Chinin und Chinidin“, Sitzungsberichte d. österr. Akademie d. Wissenschaften LXXXIV /II (1881) 622;
Zdenko Hans Skraup, „Zur Constitution des Chinins und Chinidins“, K. Akademie der Wissenschaften 1882;
Z. H. Skraup, “Über das Chinin”, Ann. Chem. Pharm. 199 (1879) 344-359;
Z. H. Skraup, „Eine Synthese des Chinolins“, Monatshefte für Chemie 1 (1880) 316–318;
R. B. Woodward, W. E. von Doering, „Total Synthesis of Quinine“, J. Am. Chem.Soc. 66 (1944) 849–849; J. Am. Chem.Soc. 67 (1945) 860;
M. R. Uskokovic, J. Gutzwiller, T. Henderson, „Total Synthesis of Quinine and Quinidine I“, J. Am. Chem. Soc. 92 (1970) 203–204;
7
Wie erfolgt eine Strukturbestimmung heute?
Zunächst die wichtigsten Punkte im Überblick:
1. Chromatografische Methoden ermöglichen den Erhalt von Reinstoffen
2. Mikroelementaranalyse
3. Die Molmasse wird mittels der Massenspektrometrie ermittelt, wobei das Massenspektrum
bereits wichtige Informationen über Molekülbruchstücke enthält.
4. Die Infrarospektrometrie gibt Auskunft über bestimmte Bindungen zwischen Atomen:
CO-Doppelbindung, OH-Bindung, CN-Dreifachbindung, CH-, CH2- CH3-Bindungen
5. Die Protonen-Kernmagnetische Resonanzspektroskopie (1H-NMR) zeigt an wie und wie viele
Wasserstoffe an bestimmte Atome (meist C- Atome) gebunden sind.
6. Die Polarimetrie liefert Aussagen zur Chiralität (Stereochemie) von Verbindungen mit
asymmetrischen C-Atomen.
Chromatografische Methoden ermöglichen den Erhalt von Reinstoffen
Chromatografie (griechisch, χρῶμα chroma „Farbe“ und γράφειν graphein „schreiben“, zu deutsch
Farbenschreiben) wird in der Chemie ein Verfahren genannt, das die Auftrennung eines
Stoffgemisches durch unterschiedliche Verteilung seiner Einzelbestandteile zwischen einer
stationären und einer mobilen Phase erlaubt. Dieses Prinzip wurde erstmals 1901 vom russischen
Botaniker Michail Semjonowitsch Zwet beschrieben. Zwet untersuchte gefärbte pflanzliche Extrakte,
zum Beispiel aus Blattmaterial, und konnte daraus durch Chromatografie verschiedene Farbstoffe
isolieren. Praktische Anwendung findet diese Methode zum einen in der Produktion zur Isolierung
oder Reinigung von Substanzen (= präparative Chromatografie), zum anderen in der chemischen
Analytik, um Stoffgemische in möglichst einheitliche Inhaltsstoffe zwecks Identifizierung oder
mengenmäßiger Bestimmung aufzutrennen. Die Chromatografie wird in der organischen Chemie, der
Pharmazie, der Biochemie, der Biotechnologie, der Mikrobiologie, der Lebensmittelchemie, der
Umweltchemie und auch in der anorganischen Chemie angewendet.
Die Chromatografie lässt sich am einfachsten durch einen Vergleich erklären:
Ein reißender Fluss kann einiges an Treibgut mit sich führen. Die Geschwindigkeit, mit der das
Treibgut weiterbewegt wird, hängt ab



von der Art des Treibguts (Sandkörner werden schneller als Kieselsteine transportiert),
von der Beschaffenheit des Flussbetts (raue Oberflächen erhöhen die Reibung des Treibguts
und verringern somit die Geschwindigkeit des Abtransports)
von der Strömungsgeschwindigkeit.
Milan Uskokovic, Thomas Henderson, Charles Reese, Hsi Lin Lee, Guenter Grethe und Juerg Gutzwiller, „Total synthesis of Cinchona
alkaloids. 1. Synthesis of meroquinene”, J. Am. Chem. Soc. 100 (1978) 571–576;
8
In der Chromatografie werden unterschiedliche Substanzen (= Treibgut) in der so genannten mobilen
Phase (= Wasser) auf einer stationären Phase (= Flussbett) befördert. Aufgrund der
Wechselwirkungen (siehe die Einteilung unter Trennprinzipien) zwischen der Probe, der stationären
Phase und der mobilen Phase werden einzelne Substanzen unterschiedlich schnell
weitertransportiert und werden somit voneinander getrennt: Ein Gemisch aus Sand, sehr kleinen und
etwas größeren Kieselsteinen wird an einer Stelle des Flusses eingebracht; nach beispielsweise
hundert Metern kommt zuerst der gesamte Sand an (verteilt auf ein paar Meter) und nach einer
gewissen Wartezeit kommen alle kleineren Kieselsteine und noch viel später die größeren, jeweils
auf eine gewisse Strecke auseinandergezogen.
Dieser Vergleich eignet sich allerdings nur für einen ersten Einstieg. Tatsächlich erinnert der Prozess
(bei der Chromatografie) eher an einen „digitalen“ Prozess (stop and go). Die Probemoleküle werden
entweder mit der mobilen Phase mitgenommen (mit der Geschwindigkeit der mobilen Phase –
Analogie wäre ein Floß, das passiv in einem Strom mitgeführt wird) oder sie haften an der
stationären Phase (Geschwindigkeit gleich Null). Zwischen diesen beiden Möglichkeiten wechseln sie
sehr rasch hin und her (aufgrund der Wärmebewegung erhalten sie ständig Stöße). Der Vergleich mit
dem Flussbett könnte auch zu einem weiteren Missverständnis führen: die Verzögerungen, die die
verschiedenen Probemoleküle auf dem Weg durch das chromatografische System erleiden, haben
nichts mit Reibungsphänomenen zu tun. Basis für das Verständnis sind Unterschiede in der Verteilung
(der verschiedenen Molekülsorten A, B, C usw.). Sie entsprechen Unterschieden im Zeitanteil (den
die einzelnen Moleküle vom Typ A, B, C usw. im Mittel in der mobilen Phase verbringen). Die
Chromatografie schafft es, diese Unterschiede in Geschwindigkeitsunterschiede zu verwandeln und
damit für eine Trennung gut nutzbar zu machen. Das könnte man auch als den „Trick“ oder als das
Prinzip der Chromatografie bezeichnen. Ansonsten wären diese oft recht kleinen Unterschiede kaum
zu nutzen, weder für Trenn- und Reinigungsprozesse noch für Analysen.
Anhand eines Beispiels ist es leichter zu verstehen: Wenn sich 45 % der A-Moleküle in der mobilen
Phase aufhalten (im Mittel), kommt es auf Grund des dynamischen Gleichgewichtes dazu, dass die
individuellen A-Moleküle auch 45 % der Zeit in der mobilen Phase verbringen (im Mittel). Daher wird
ihre Geschwindigkeit 45 % der Geschwindigkeit der mobilen Phase betragen (im Mittel). Für gute
Ergebnisse bei der Chromatografie ist es entscheidend, dass der Stoffaustausch zwischen den beiden
Phasen sehr rasch erfolgt, das heißt die einzelnen Probemoleküle sollen sehr oft zwischen den beiden
Phasen hin und her wechseln (Diffusionsprozesse, Wärmebewegung). Eine Voraussetzung dafür ist,
dass die Wege, welche die Moleküle von der stationären Phase zur mobilen Phase zurückzulegen
haben, sehr kurz sind. Falls die stationäre Phase ein Pulver enthält, sollte die Korngröße dieses
Pulvers sehr klein sein (zum Beispiel nur wenige Mikrometer). Auch sollten die Pulverkörner
möglichst einheitlich geformt sein und eine möglichst einheitliche Größe aufweisen (enge
Korngrößenverteilung).
Aufgrund der mobilen und der stationären Phasen kann verschiedene Arten Chromatografie
unterscheiden

Flüssigchromatografie (engl. liquid chromatography, LC)

Papierchromatografie – Als feste Phase wird Papier verwendet, das
entweder liegt oder (meist) senkrecht in einem Glasbehälter steht. Wie auch
9
bei der Dünnschichtchromatografie wird die mobile Phase auf Grund der
Kapillarkräfte bewegt.
Chromatogramm schwarzer Tinte, die aus
mehreren Farbkomponenten besteht
http://www2.chemie.uni-erlangen.de/projects/vsc/chemie-mediziner-neu/phasen/chromatographie4.html

Dünnschichtchromatografie – Als feste Phase werden z. B. Silikapartikel in
einer feinen Schicht auf einer flexiblen Trägerfolie aus Aluminium oder
Plastik oder einer Glasplatte aufgetragen.
DC- Kammer mit Platte
https://prezi.com/yd_uoixs6p5j/seminararbeit-aus-der-chemie/
Dünnschichtchromatogramme verschiedener Flechteninhaltsstoffe:
https://commons.wikimedia.org/wiki/File:T002_flechten.jpg

Säulenchromatografie

Hochleistungsflüssigkeitschromatografie (unrichtig, jedoch sehr gebräuchlich
ist auch der Ausdruck Hochdruckchromatografie; engl. HPLC High
Performance (Pressure) Liquid Chromatography) – Sie stellt die heute am
weitesten verbreitete in der Analytik eingesetzte Trennmethode dar, die
eigentlich unkorrekte (veraltete) Bezeichnung High Pressure Liquid
10
Chromatography bezieht sich auf die Drücke, die diese Methode von der
Niederdruck- oder anderen Chromatografiearten unterscheidet. Immerhin
werden hier bis über 1000 bar bei einer Flussrate der mobilen Phase bis zu
5 ml/min erzeugt, die jedoch mit der Trennleistung nicht zu tun haben,
sondern nur zur Fortbewegung des Eluentengemisches* in der Säule dienen.

Gaschromatografie: Die gasförmige Probe wird zusammen mit einem Trägergas durch ein
langes Rohr geleitet, in dem sich die stationäre Phase befindet und zwar in Form von eines
festen Pulvers, welches meist mit einer dünnen Schicht einer hochmolekularen, zähflüssigen
Flüssigkeit überzogen ist. Man spricht von GLC („Gas-Liquid-Chromatography“).
Gaschromatograf: Prinzipieller Aufbau http://www.spektrum.de/lexikon/physik/gaschromatographie/5544
Eine modernere Variante mit höherer Trennleistung: Kapillarsäulen – Nur die Säulenwand ist
mit einer dünnen Schicht aus stationärer Phase bedeckt.
Mikroelementaranalyse
Die Mikrochemie oder Mikroanalyse beschreibt Verfahren zur quantitativen oder qualitativen
Bestimmung von chemischen Verbindungen oder Elementen in kleinen Mengen von
Probenmaterialien. Vor ihrer Einführung wurde in mehr oder weniger großen Kolben und Bechern
11
gearbeitet, die eine Untersuchung von kleinsten Probenmengen nicht erlaubte. Dies war in der
medizinischen Forschung und Forensik aber notwendig.
Die Entwicklung spezieller Instrumente, Techniken und Verfahren durch Fritz Pregl (ab etwa 1911)
ermöglichte zum Beispiel erstmals die Untersuchung von kleinen Gewebeproben für die medizinische
Diagnostik (Nobelpreis 1923). Fritz Feigl war mit seiner „Tüpfelanalyse“, die er ab 1918 entwickelte,
ein weiterer wichtiger Wegbereiter der Mikrochemie.
Je nach der notwendigen Substanzmenge unterscheidet man in der Mikroanalyse zwischen





Semi-Mikroanalyse mit 10–20 mg,
der eigentlichen Mikroanalyse mit 1–10 mg,
Ultra-Mikroanalyse 10−3–10−2 mg,
Sub-Mikroanalyse 10−6–10−5 mg und
Subultra-Mikroanalyse 10−9–10−8 mg.
Die Nachweisgrenzen vieler Stoffe konnten dabei vor allem durch die Anwendung moderner
physikochemischer Messmethoden wie der Chromatografie, Absorptionsmessungen, dem Einsatz
radioaktiver Isotope oder auch durch hochempfindliche Farbreaktionen deutlich verringert werden.
Massenspektrometrie
Prinzip: Die zu untersuchende Substanz wird in die Gasphase überführt und ionisiert. Die Ionen
werden durch ein elektrisches Feld beschleunigt und dem Analysator zugeführt, der sie durch
Ablenkung in einem Magnetfeld nach dem Masse-zu-Ladung-Verhältnis m/z „sortiert“. Die Moleküle
können dabei fragmentiert werden.
http://www.xplora.org/downloads/Knoppix/ESPERE/ESPEREdez05/ESPEREde/www.atmosphere.mpg.de/media/archive/6544.gif
12
http://www.chemgapedia.de/vsengine/vlu/vsc/de/ch/3/anc/altlasten/analytik.vlu/Page/vsc/de/ch/3/anc/altlasten/altlast_2/altlast_2_5/al
tlast_2_5_5/masse_m87ht0303.vscml.html
Der Molekülpeak erscheint, wie zu erwarten, bei 123 g/mol: Die Summenformel ist C6H5NO2, daher
12,0 x 6 + 1,0 x 5 + 14,0 x 1 + 16,0 x 2 = 72 + 5 + 14 + 32 = 123.
Es entstehen aber auch Bruchstücke:
NO2 bei 46 g/mol
NO bei 30 g/mol
C6H5 bei 77 g(mol
14 + 16.2 = 32 + 14 = 46
14 + 16 = 30
12.6 + 1.5 = 72 + 5 = 77
Infrarospektrometrie
Das sichtbare Licht ist nur ein sehr kleiner Ausschnitt aus dem elektromagnetischen Spektrum. Jeder
Frequenz ist eine bestimmte Farbe zugeordnet. Farben eines Körpers entstehen dadurch, dass das
Licht einer bestimmten Farbe absorbiert wird. Auch das Infrarotlicht (IR) enthält elektromagnetische
Wellen unterschiedlicher Frequenzen (bzw. Wellenlängen, bzw. Energien).
https://de.wikipedia.org/wiki/Infrarotspektroskopie#/media/File:EM-Spektrum.svg
13
Treffen IR-Strahlen auf Materie, so kann es auch in diesem Bereich zur Absorption bestimmter
Frequenzen kommen. Hält man einen Detektor hinter die Probe, so kann man in Abhängigkeit von
der Wellenlänge die durchgelassene Lichtmenge bestimmen: die Transmission. 100% Transmission
bedeutet, dass bei der vorliegenden Wellenlänge das Licht ungehindert die Messküvette verlässt.
Hingegen bedeutet 5% Transmission eine starke Absorption. Derartige Absorptionen geben
Aufschluss über den inneren Aufbau der Substanz.
http://www.uni-bielefeld.de/chemie/lehre/basispc/media/Spektrometer/
Hier das IR-Spektrum für Propan-1-ol, dabei ist die Transmission gegen die Wellenzahl aufgetragen.
Die Wellenzahl ergibt sich als der Kehrwert der Wellenlänge.
CH3-CH2-CH2OH
Was ist die Ursache dieser vielen Signale?
Jeder Frequenz einer elektromagnetischen Welle ist eine bestimmte Energie zugeordnet. Kommt es
zur Absorption, so wird die Energie vom Lichtstrahl auf die Substanz übertragen. Im Infrarotbereich
bedeutet dies, dass die Atome innerhalb der chemischen Bindungen mehr oder weniger zu
schwingen beginnen.
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Streckschwingungen
Nehmen wir das CO-Molekül als Bespiel: Die Bindungslänge vergrößert bzw. verkleinert sich
periodisch:
Die dafür benötigte Energie hängt sowohl von der Masse der Atome als auch von der Stärke der
Bindungskraft zwischen ihnen ab. Bindungen schwingen zwar bei Zimmertemperatur bereits ohne
Infraroteinstrahlung, bei IR-Absorption wird allerdings die Schwingung auf einen höheren
Energiezustand angehoben. Jede Art von chemischer Bindung schwingt bei anderen Energien und
kann auch nur jeweils ganz bestimmte Energien absorbieren.
Deformationsschwingungen
Es gibt auch Schwingungen unter Veränderung des Bindungswinkels. Hier am Beispiel eines H2OMoleküls. Während das Sauerstoffatom an seinem Platz verharrt bewegen sich die Wasserstoffatome
im Sinne einer Verkleinerung bzw. Vergrößerung des Bindungswinkels .

Nun zur Anwendung der IR-Spektrometrie:
Im Falle des Spektrums von Propan-1-ol zeigt sich, dass das breite Signal bei 3350 cm-1 der
Streckschwingung der O-H Bindung der Hydroxygruppe zuzuordnen ist. Dier Signale bei 2950 cm-1
bzw. 2900 cm-1 gehören zu unterschiedlichen C-H Streckschwingungen. Bei 1450 cm-1 findet man eine
CH- Deformationsschwingung. Der Bereich unter 1400 cm-1 ist der fingerprint-Bereich. Hier kommt es
zu komplizierten Gerüstschwingungen. Dieser Bereich eignet sich nicht für die einfache
Interpretation von IR-Spektren, weist aber ein charakteristisches Muster auf.
Interessant ist es, das Spektrum des Propanols mit dem Spektrum für Essigsäure zu vergleichen.
15
Hier noch einmal das Spektrum für CH3-CH2-CH2OH mit der entsprechenden Bandenzuordnung:
Quelle: Jim Clark 2000: http://www.chemguide.co.uk/analysis/ir/background.html
Dieses Molekül enthält:
eine Kohlenstoff-Sauerstoff-Einfachbindung C-O
eine Sauerstoff-Wasserstoff-Einfachbindung O-H
drei Kohlenstoff-Wasserstoff-Einfachbindungen C-H, C-H, C-H am C3-Atom
zwei Kohlenstoff-Wasserstoff-Einfachbindungen C-H, C-H am C2-Atom
zwei Kohlenstoff-Wasserstoff-Einfachbindungen C-H, C-H am C1-Atom
drei Kohlenstoff-Kohlenstoff-Einfachbindungen C-C, C-C, C-C
Nun zur Essigsäure:
Dieses Molekül enthält:
eine Kohlenstoff-Sauerstoff-Doppelbindung C=O
eine Kohlenstoff-Sauerstoff-Einfachbindung C-O
eine Sauerstoff-Wasserstoff-Einfachbindung O-H
drei Kohlenstoff-Wasserstoff-Einfachbindungen C-H, C-H, C-H
eine Kohlenstoff-Kohlenstoff-Einfachbindung C-C
16
Quelle: Jim Clark 2000: http://www.chemguide.co.uk/analysis/ir/background.html
Die zuletzt genannte C-C Bindung verursacht zahlreiche Absorptionen im fingerprint-Bereich.
Auch der Kohlenstoff-Sauerstoff-Bindung sind im fingerprint-Bereich zwischen 1000 und 1300 cm-1
etliche „peaks“ zuzuschreiben. Alle anderen Bindungen sind leicht zu identifizieren: Die C-H
Bindungen absorbieren im Bereich 2853 bis 2962 cm-1. Sehr interessant ist die KohlenstoffSauerstoff-Doppelbindung. Sie ist die Ursache eines sehr starken und meist recht scharfen Signals im
Bereich 1680 - 1750 cm-1. Die genaue Positionierung hängt dabei davon ab, um welche Verbindung es
sich handelt, also ob diese C=O Bindung in einem Keton, Aldehyd oder einer Carbonsäure zu finden
ist. Die OH-Bindung verrät sich immer durch ein sehr breites Signal im Bereich 2500 – 3300 cm-1. Die
Breite des Signals ist mit dem Vorhandensein intermolekulares Wasserstoffbindungen zu erklären.
Kernspinresonanzspektroskopie
Die Kernspinresonanzspektroskopie (NMR-Spektroskopie von nuclear magnetic resonance) ist eine
spektroskopische Methode zur Untersuchung der elektronischen Umgebung einzelner Atome und
der Wechselwirkungen mit den Nachbaratomen. Dies ermöglicht die Aufklärung der Struktur und der
Dynamik von Molekülen sowie Konzentrationsbestimmungen. Hier ist nur eine sehr grobe Übersicht
möglich. Die Methode beruht auf der Wechselwirkung zwischen dem magnetischen Moment von
Atomkernen der Probe, die sich in einem starken statischen Magnetfeld befindet, mit einem
hochfrequenten magnetischen Wechselfeld, das zum Auftreten von Resonanzfrequenzen führt. Aus
den charakteristischen Eigenschaften der Resonanzfrequenzen lassen sich deshalb Schlüsse auf die
Struktur ziehen, weil vielfach an den Orten der Atomkerne durch den Einfluss der Elektronenumgebung oder durch magnetische Wechselwirkung mit Nachbarn unterschiedliche lokale Magnetfelder
auftreten.
So liefern Wasserstoffatome in verschiedenen Umgebungen verschiedene Resonanzfrequenzen,
Beispiel Ethanol. Aufspaltungen der Linien eines Wasserstoffkerns geben einen Hinweis auf die
Anzahl von Kernen der Umgebung, an die dieser Kern koppelt. Diese Anzahl der Kopplungen ist um 1
weniger als die Anzahl der Linien der Aufspaltung.
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Es sind nur solche Isotope der Spektroskopie zugänglich, die im Grundzustand einen von Null
verschiedenen Kernspin und damit ein magnetisches Moment besitzen, zum Beispiel 1H; 2D; 6Li; 10B;
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B; 13C; 15N; 17O. Im Folgenden wird nur die Protonen-Kernresonanzspektroskopie 1H-NMR
berücksichtigt.
Im Beispiel Ethanol gibt es Wasserstoffe, die an drei unterschiedlichen Atomen gebunden sind: 3
davon am CH3, 2 am CH2 und ein Proton am Sauerstoff: das ergibt 3 Signale bei unterschiedlichen
chemischen Verschiebungen. Die Fläche unter der Kurve gibt die Zahl der Wasserstoffe an.
Frühes CW-Spektrum (1951) des Wasserstoffs in Ethanol. Die drei Signale entsprechen den chemisch unterschiedlichen Protonen im
Molekül. Edward Mills Purcell - Nobelvortrag 1952. https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Purcell_NMR-spektrum_ethanol.svg
Kopplungen der Signale von Wasserstoffen, die an benachbarten Kohlenstoffatomen sitzen, sind
für den organischen Chemiker besonders interessant. Betrachten wir den Fall, dass an einem C- Atom
ein Wasserstoffatom „hängt“ und am benachbarten C- Atom ebenfalls nur ein Wasserstoff gebunden
ist: Das NMR-Signal des ersten Kerns wird dadurch zu einem Dublett (für I = ½ zu 2I + 1 Linien, daher
2 Linien) aufgespalten, und das des zweiten Kerns gleichfalls, und zwar um den gleichen Betrag, da
der Energieunterschied (sog. Kopplungskonstante) zwischen αα(=ββ) und αβ(=βα) derselbe sein
muss. Durch die gleich starke Aufspaltung ist dann die Nachbarschaft der beiden Atome im Molekül
nachgewiesen. Koppelt ein Kern noch zu weiteren anderen, so wird jede seiner Linien entsprechend
nochmals aufgespalten. Koppelt ein Kern zu zwei gleichartigen Nachbarkernen (die aus der Sicht des
Ursprungskerns die gleiche chemische Umgebung und Spin-Symmetrie besitzen), so erhält man ein
Triplett. Für n Nachbarkerne erhalten wir eine n + 1 Signalaufspaltung des ursprünglichen Signals.
Beispiel Ethanol: Wir finden zunächst grundsätzlich drei Signale. Die 3 Wasserstoff der Methylgruppe
CH3 koppeln mit jeweils 2 Wasserstoffen der CH2-Gruppe, daher wird ihr Signal in 2+ 1 neue Signale,
ein sogenanntes Triplett, aufgespalten. Umgekehrt koppeln die beiden Wasserstoff der CH2-Gruppe
mit den 3 Wasserstoffen der CH3-Gruppe: ihr Signal wird zu einem 3 + 1 Signal, einem Quadruplett
aufgespalten. Der Wasserstoff am Sauerstoff koppelt nicht.
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http://alevelchem.com/aqa_a_level_chemistry/unit3.4/s3411/04.htm
In grün gehalten ist das Ergebnis einer Integration unter den schwarzen Kurven. Dieses Ergebnis sagt
aus, viele Wassersstoffatome am jeweiligen Signal beteiligt sind.
Abschließende Bemerkungen
Chiralität
Heikel ist die endgültige Strukturabklärung bei asymmetrischen Molekülen. Ist es doch so, dass bei
asymmetrischen Spezies jeweils zwei unterschiedliche, nämlich spiegelbildliche Formen realisiert sein
können. Man spricht von der Chiralität.* (Ein schönes Beispiel dafür sind unsere beiden Hände, die
jeweils asymmetrisch sind und nur durch eine nichtmaterielle Spiegelung ineinander übergeführt
werden können - nicht durch Schiebung und nicht durch Drehung).
Beispiel: Milchsäure: am Asymetriezentrum C* hängen vier verschiedene Substituenten, nämlich H,
CH3, OH und COOH.Es gibt zwei Enantiomere: die R- und die S-Form (früher D und L).
In diesem Fall sind polarimetrische Messungen unerlässlich. Es wird dabei die Drehung der
Polarisationsebene Lichte durch die Probe bestimmt.
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Lichtwellen sind transversale Wellen, elektrisches Feld und Magnetfeld schwingen senkrecht auf die
Fortpflanzungsrichtung. In linear polarisierten Wellen tritt nur eine solche Schwingungsrichtung auf,
in zirkular polarisierten kreist diese Richtung. Man kann dann die Drehung der Polarisationsebene
des Lichts durch die Probe bestimmen, die für R- und S- Form in entgegengesetzter Richtung auftritt.
Quelle: http://www.chem.ucla.edu/~bacher/General/30BL/tips/Polarimetry.html
Sollten mehrere Asymmetriezentren (z.B. mehrere asymmetrische C-Atome) in einem Molekül
vorhanden sein, sind die Messungen des Circulardichroismus und der optischen Rotationsdispersion
notwendig. Der Circulardichorismus gibt an, wie stark ein Enantiomer eines chiralen Stoffes zwei
Lichtstrahlen absorbiert, die sich nur in der Drehrichtung ihrer zirkularen Polarisation unterscheiden.
Unter einer Messung der optischen Rotationsdispersion versteht man die Bestimmung des
spezifischen Drehwerts der Polarisationsebene durch die Probe in Abhängigkeit von der Wellenlänge
des linear polarisierten Lichtes.
Liegt die Probe in Form von festen Kristallen vor, so kann als endgültiger Beweis der Struktur die
Röntgendiffraktometrie* wertvolle Informationen liefern.
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Anhang 1: Glossar
Chiralität:
Moleküle, bei denen sich deren Bild und Spiegelbild nicht zur Deckung bringen lassen, werden als
chiral bezeichnet. Beispiele für chirale Objekte Beispiele im Alltagsleben sind die rechte und linke
Hand, bzw. rechts- bzw. linksgewundene Schneckenhäuser. Chiralität ist ein griechisches Kunstwort
und bedeutet „Händigkeit“.
Destillation
Die Destillation ist ein seit vielen Jahrhunderten angewandtes Trennverfahren um aus
Flüssigkeitsgemischen unter Ausnutzung unterschiedlicher Siedepunkte die einzelnen Komponenten
durch Erhitzung hintereinander aus dem flüssigen in den dampfförmigen Zustand zu bringen und aus
dem Dampf an kalten Stellen einer Apparatur zur Kondensation zu bringen. Um mit einer einfachen
Destillationsapparatur eine günstige Trennwirkung zu erzielen müssen sich die Siedepunkte bei
einem Zweikomponentensystems um ca. 80oC unterscheiden. Destillare (lalt.) = Heruntertropfen.
Eluent
Als Eluenten bezeichnet man ein Lösungsmittel bei der Säulenchromatografie. Der Eluent stellt dabei
die mobile Phase dar.
Enantiomerie:
Als enantiomer werden zwei Moleküle bezeichnet, die sich zueinander wie Bild und Spiegelbild
verhalten.
Extraktion
Extrahere bedeutet im Lateinischen herausziehen. Aus einem komplizieren Substanzgemenge wird
eine Komponente durch Auflösen in einem geeigneten Lösungsmittel herausgelöst.
Formelschreibweisen (aus Wikipedia)
Vergleich verschiedener Formelschreibweisen unterschiedlicher Abstraktionsgrade
Strukturformeln
Elektronenformel Valenzstrichformel
andere Darstellungsweisen
Keilstrichformel
Methan
Skelettformel
Konstitutions- Summen- Verhältnisformel
formel
formel
existiert
nicht
CH4
CH4
Propan
CH3–CH2–
C3H8
CH3
Essigsäure
CH3–
COOH
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CH4
C3H8
C2H4O2 CH2O
Konstitution:
Angaben zur Konstitution eines Moleküls beinhalten Informationen bezüglich der Art der Bindungen
zwischen den Atomen des Moleküls. Der Begriff der Konstitution steht in einem engen
Zusammenhang mit dem Begriff der Molekültopologie, der auf den Ort (τόπος griechisch für Ort) der
im Molekül vorhandenen Atome abzielt.
Röntgendiffraktometrie
Trifft ein Röntgenstrahl auf einen Kristall auf, so kommt es an den Atomen zu einer Beugungserscheinung, die zu einer Ablenkung des Strahls führt. Die Ablenkung erlaubt Rückschlüsse auf die
Positionen der Atome.
Sublimation
Die Trennmethode nützt die Tatsache aus, dass einige Feststoffe eine relativ hohen Dampfdruck
besitzen und daher bei bestimmten Temperaturen noch ohne zu schmelzen in den gasförmigen
Zustand übergehen. Aus dem gasförmigen Zustand kann die Substanz an kalten Stellen einen
Niederschlag bilden: Resublimation.
Topologie: siehe Konstitution
Anhang 2: Relative Atommasse der Elemente C, H, N, O, Na, S, Cl und Fe:
Element
Elementsymbol Molare Masse
Wasserstoff H
1,008 u bzw. g/mol
Kohlenstoff C
12,01 u bzw. g/mol
Stickstoff
N
14,01 u bzw. g/mol
Sauerstoff O
16,00 u bzw. g/mol
Natrium
Na
22,99 u bzw. g/mol
Schwefel
S
32,07 u bzw. g/mol
Chlor
Cl
35,45 u bzw. g/mol
Eisen
Fe
55,85 u bzw. g/mol
u = unit: Aus der Angabe der relativen Atommassen in u ist es möglich die absoluten Atommassen zu
berechnen, denn 1 u = 1,661.10-27kg.
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Anhang 3: Benzenformel, Chinolinformel, Piperidinformel
steht (in der alten Schreibweise) für
In neuerer Schreibweise:
Die Formel für das Chinolin
ist analog der Benzenformel zu lesen. An einem Eck
steht statt einer CH-Gruppe ein Stickstoffatom.
H
H
H
H
H N
H
H
H
H
H
H
Piperidin:
bedeutet
wobei in den Ecken des Sechseckes C-Atome sitzen. Das
zusätzlich vorhandene, nicht eingezeichnete freie Elektronenpaar am Stickstoffatom bewirkt eine
hohe Basizität.
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