Das Magazin der Berufsgenossenschaft Holz und Metall BGHM-Aktuell Schwerpunkt: Stolpern und Rutschgefahren Ausgabe 6 | 2012 BGHM-Aktuell 6 | 2012 > LEISTUNG UND RECHT BGHM A k t u e l l Dez. 2012 | Jan. 2013 Editorial Liebe Leserinnen und Leser Impressum BGHM-Aktuell Magazin der Berufsgenossenschaft Holz und Metall HERAUSGEBER: Berufsgenossenschaft Holz und Metall (BGHM) VERANTWORTLICH: Dr. Albert Platz Berufsgenossenschaft Holz und Metall Wilhelm-Theodor-Römheld-Straße 15 55130 Mainz ISSN 1612-5428 REDAKTION: Klaus Taubitz (verantwortlich i. S. d. NPresseG) BGHM/Stabstelle Öffentlichkeitsarbeit Seligmannallee 4 30173 Hannover Tel.: 0511 / 8118 - 16882 E-Mail: [email protected] Peter Hackenberg (Prävention und Arbeitsschutz) BGHM/Präventionsdienst Stuttgart Vollmoellerstraße 11 70563 Stuttgart Tel.: 0711 / 1334-15054 E-Mail: [email protected] Mathias Widmann (Layout) Vollmoellerstraße 11 70563 Stuttgart TITELFOTO: © Rynio Productions - Fotolia.com DRUCK UND VERLAG: CW NIEMEYER Druck GmbH Böcklerstraße 13, 31789 Hameln Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht in jedem Fall die Meinung der Redaktion wieder. Der Bezugspreis ist im Mitgliedsbeitrag enthalten. Nachdruck mit Quellenangabe, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung des Herausgebers. Für unverlangt eingesandte Manuskripte, Fotos usw. wird keine Gewähr übernommen und auch kein Honorar gezahlt. Für Informationen unter den Links, die auf den in dieser Ausgabe vorgestellten Internetseiten aufgeführt werden, übernimmt der Herausgeber keine Verantwortung. „Auch der längste Weg beginnt mit dem ersten Schritt.“ Das klingt so banal wie es weise ist. Zugeschrieben wird dieser Ausspruch dem chinesischen Philosophen Laotse. Der wusste offensichtlich ganz genau, dass in Veränderungsprozessen zumeist der erste Schritt auch der schwerste ist. Gleichzeitig bleibt die Veränderung aber eine wesentliche Konstante des Lebens. Und weil dem so ist, prägen Veränderungen auch die weitere Entwicklung der noch recht jungen Berufsgenossenschaft Holz und Metall. Zum einen haben unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in diesem Jahr eine beachtliche Umstrukturierung gestemmt. Zum anderen entwickelt sich auch unser neues Angebot der Regionaltagungen weiter. Die ersten Veranstaltungen erfreuten sich großen Zuspruchs, was wir zum Anlass nehmen, dieses Angebot im kommenden Jahr noch auszuweiten. Wir freuen uns auf die direkte Kommunikation mit den Vertretern unserer kleinen und mittelständischen Mitgliedsbetriebe. Verändert hat sich auch die Zahl der von der BGHM an ihre Mitgliedsbetriebe verliehenen Gütesiegel „Sicher mit System“. Mit Stand vom 31. Oktober 2012 ist diese inzwischen auf 391 angestiegen. „Beste Produktqualität und optimale wirtschaftliche Ergebnisse lassen sich auf Dauer nur erzielen, wenn die Arbeitsprozesse sicher und gesundheitsgerecht gestaltet sind“, heißt es in der Präambel der Vergabebedingungen. Womit das Wesentliche in dieser Sache gesagt sein dürfte. Hinzuzufügen wäre allenfalls, dass große Industriebetriebe von ihren Zulieferern immer öfter den Nachweis über ein funktionierendes Managementsystem zum Arbeitsschutz verlangen. Unter anderem diesen Zweck erfüllt das Gütesiegel. Lassen Sie sich also nicht vom zeitlichen oder persönlichen Aufwand abschrecken, den dieser Veränderungsprozess Ihnen abverlangt. Am Ende stehen meistens eine engagiertere Belegschaft und effizientere Betriebsstrukturen. Klar ist aber auch: Ohne Ihren ausdrücklichen Willen als Unternehmer ist dieser Prozess wenig sinnvoll. Im Sinne Laotses sind Sie es also, der den ersten Schritt wagen muss. Abschließend möchte ich Ihnen und Ihren Mitarbeitern noch für die partnerschaftliche Zusammenarbeit im jetzt zu Ende gehenden Jahr danken und wünsche allen ein besinnliches Weihnachtsfest und ein gesundes Jahr 2013. Dr. Albert Platz Vorsitzender der Geschäftsführung 2 5 Inhalt 20 Jahre Zentrale Betreuungsstelle Wismut 4 Gesellschaftliche Teilhabe gewährleisten Der Sport schafft Wege und verbindet 5 4. BGHM-Regionaltagung Volles Haus in Bad Zwischenahn Foto: picture alliance Mögliche Beschwerden früh erkennen 6 Stress durch ständige Erreichbarkeit Es fehlt an klaren Absprachen 16 7 Passivrauch am Arbeitsplatz Wenn das Raucherbüro zur Kneipe wird 8 Kostenloses Faltblatt 9 Beratungsangebot „Gesund im Mittelstand“ Potenzial zur Optimierung effizient nutzen 10 Fahrsicherheitstraining In Grenzbereiche vorstoßen 11 © auremar - Fotolia.com Sicherer Einsatz von LED-Röhrenlampen Gelungene Kooperation Azubis als „Junior-Sicherheitspartner“ 12 Revolution in den Fabrikhallen Rohling an Maschinenpark: „Wer kann uns bearbeiten?“ 13 22 Gegen die Verletzungsgefahr beim Schleifen und Polieren Eigenbau schafft Abhilfe 14 Zur Nachahmung empfohlen Ergonomische Lösungen aus eigener Kraft gestemmt 15 Schwerpunktthema Dezember Stolpern und Rutschgefahren 16 Tödliche Gewohnheiten Die Liebe zum Auto verträgt keinen Alkohol 22 © Frédéric Massard - Fotolia.com EU-Kennzeichnungspflicht für Reifen Label für den Handel 24 Ohne Spaltkeil an Kreissäge Holzstück wird zum tödlichen Geschoss 25 28 Versicherungsschutz bei Probearbeit Entscheidend ist der Grad der Einbindung 26 BGHM-Lohnnachweis 2012 Am besten geht’s über das Extranet 28 Medizinische Spitzentechnik SBessere Bilder bei geringerer Strahlung 30 © - Fotolia.com Beihilfe zur Körperverletzung? Mitarbeiter mehrfach schwer verprügelt 31 3 BGHM-Aktuell 6 | 2012 > KURZ NOTIERT 1. Halbjahr 2012 Zahl der Arbeitsunfälle gesunken © Hakan Kızıltan - Fotolia.com Die Zahl der meldepflichtigen Arbeitsunfälle ist im ersten Halbjahr 2012 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gesunken. Das meldet die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV). Den Statistiken der Berufsgenossenschaften und Unfallkassen zufolge ist im gleichen Zeitraum auch die Zahl der meldepflichtigen Wegeunfälle gesunken. Insgesamt ereigneten sich in den ersten sechs Monaten dieses Jahres 450.689 Arbeitsunfälle. Das sind rund zwei Prozent weniger als im ersten Halbjahr 2011. 7.304 Versicherte erhielten erstmalig eine Arbeitsunfallrente – ein leichter Rückgang gegenüber 2011. Leider verloren aber auch 226 Menschen bei einem Arbeitsunfall ihr Leben – 25 mehr als im Vergleichszeitraum. Um über 14 Prozent, also auf 86.585 sank die Zahl der meldepflichtigen Wegeunfälle. Grund dafür ist ersten Einschätzungen zufolge der im Vergleich zum Vorjahr milde Winter. 2.584 Versicherte erhielten erstmalig eine Wegeunfallrente. 166 Unfälle auf dem Weg zur Arbeit endeten tödlich. DGUV/Hbg 20 Jahre Zentrale Betreuungsstelle Wismut Mögliche Beschwerden früh erkennen Sanierung Wismut in Thüringen: Bergleute des Sanierungsbetriebes im Schacht 367 bei Ronneburg Rund 55.000 ehemalige Beschäftigte der Wismut AG haben seit 1992 an Vorsorgemaßnahmen der gesetzlichen Unfallversicherung teilgenommen. Rund 215.000 ärztliche Untersuchungen fanden in dieser Zeit statt. Insgesamt wurden dabei rund 950 Millionen Euro für Frühdiagnostik, Behandlung und 4 Foto: ZB - Fotoreport Arbeitsbelastungen, insbesondere der Strahlenexposition im Uranerzbergbau und dem daraus folgenden Gesundheitsrisiko, einen Anspruch auf regelmäßige medizinische Betreuung hatten. Die ZeBWis bietet den Betroffenen regelmäßige Untersuchungen an. Der Schwerpunkt liegt auf der Diagnostik von Atemwegserkrankungen. Ziel ist es, mögliche Beschwerden so früh wie möglich zu erkennen, um Therapiemaßnahmen einleiten und Rentenleistungen prüfen zu können. Entschädigung von Berufskrankheiten aufgewendet. Von den ehemals rund 500.000 Beschäftigten konnte die Zentrale Betreuungsstelle Wismut (ZeBWis) nach der Wende insgesamt noch 165.000 Personen ermitteln, die aufgrund ihrer Gerade in der Anfangszeit der 40er und 50er Jahre war die Arbeit im Uranerzbergbau aufgrund mangelnder Schutzvorrichtungen extrem gefährlich: Aus dieser Zeit datiert ein großer Teil der insgesamt rund 31.000 Berufskrankheiten, die bis 1990 anerkannt wurden. Fast die Hälfte davon waren Silikose-Erkrankungen, eine durch Staub hervorgerufene typische Lungenkrankheit bei Bergleuten. Dazu kamen rund 5.500 durch Strahlung ausgelöste Lungenkrebserkrankungen. Bis 2010 wurden noch 7.800 weitere Fälle von Berufskrankheiten anerkannt. DGUV/Neu KURZ NOTIERT < BGHM-Aktuell 6 | 2012 Foto: picture alliance Die drei Protagonisten des Films „Gold – Du kannst mehr als du denkst“: Kurt Fearnley, Henry Wanyoike und Kirsten Bruhn (von links). Gesellschaftliche Teilhabe gewährleisten Der Sport schafft Wege und verbindet „Jeder kann für sich etwas erreichen, wenn er hart arbeitet und seinem Herzen folgt.“ Das ist für Henry Wanyoike die Kernbotschaft des Dokumentarfilms „GOLD – Du kannst mehr als Du denkst“, den die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) mit initiiert hat. Die Botschaft des Films lautet: Sport und Bewegung können dabei helfen, Menschen mit einer Behinderung die größtmögliche gesellschaftliche Teilhabe zu gewährleisten. Die Dokumentation erzählt nicht nur Henrys Geschichte, der als Jugendlicher erblindete, er beschreibt auch das Leben der deutschen Schwimmerin Kirsten Bruhn und des australischen Rennrollstuhlfahrers Kurt Fearnley. Bruhn ist seit einem Motorradunfall querschnittgelähmt, Fearnley muss seit seiner Geburt ohne Beine auskommen. Drei Menschen aus unterschiedlichen Kulturen mit kaum vergleichbaren Schicksalen. „Aber eines verbindet uns“, sagt Kurt: „Wir haben alle drei unseren Weg gefunden, und der Sport hat uns dabei geholfen.“ Der Film begleitet die Drei auf ihrem Weg zu den paralympischen Spielen in London 2012. Er zeigt ihr hartes Training und ihren Alltag mit Freunden und Familie. „So viel Nähe zuzulassen, war eine große Herausforderung“, sagt die Schwimmerin Kirsten Bruhn. Die Paralympics sind der Höhepunkt im Spannungsbogen des Films. Für die 42-jährige Deutsche enden die Spiele und damit auch ihre aktive Laufbahn mit einer Goldmedaille. Aber der Film zeigt auch, dass selbst bei erfolgreichen Sportlern nicht nur Momente des Glücks Wege öffnen. Sehr viel mehr bringt die kontinuierliche Arbeit mit den eigenen Ressourcen. Die Motivation steigt, wenn man mit ganzem Herzen dabei ist – wie Wanyoike sagt. Unter diesen Voraussetzungen kreuzen sich Wege, und Menschen kommen sich näher. Inklusion (Teilhabe) im Alltag umzusetzen, ist eine der Leitlinien der gesetzlichen Unfallversicherung: „Mit Hilfe der emotionalen und beeindruckenden Bilder möchten wir auf die Relevanz des Sports für die Rehabilitation hinweisen“, erläutert Dr. Joachim Breuer, Hauptgeschäftsführer der DGUV das Anliegen des Films. GOLD kommt am 28. Februar 2013 in die Kinos. Der Film ist eine Produktion der Parapictures Film Production auf Initiative der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV). DGUV/Ehg 5 BGHM-Aktuell 6 | 2012 > KURZ NOTIERT 4. BGHM-Regionaltagung Fotos: Klaus Taubitz/BGHM Volles Haus in Bad Zwischenahn Nahmen die Auszeichnung für das durchdachte Arbeitsschutzmanagement ihrer Betriebe entgegen: Ronald Meyer, Felix Huth, Henning Wilms und Jürgen Schwarz (von links). Ebenfalls zufrieden mit den Ergebnissen: Ingo Fischer, Leiter des BGHM-Präventionsdienstes in Bremen (rechts). Vollbesetztes Auditorium: Über 120 Teilnehmer hat die Regionaltagung der Berufsgenossenschaft Holz und Metall (BGHM) Mitte Oktober 2012 nach Bad Zwischenahn gelockt. Eingeladen waren die Unternehmer sowie die mit den Aufgaben Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz beauftragten Vertreter der mittelständischen und kleinen Mitgliedsbetriebe Nordwestdeutschlands. „Das ist ein toller Erfolg“, freute sich Dr. Albert Platz, Vorsitzender der BGHM-Geschäftsführung, über das rege Interesse. Schließlich sei es ein wesentliches Ziel der Regionaltagungen, mit den Vertretern der kleinen und mittelständischen Betriebe ins Gespräch zu kommen und sich als regionaler Dienstleister zu präsentieren. Dabei steht das Leistungspaket der BGHM im Mittelpunkt, das inzwischen deutlich über die Beratung in Sachen Prävention, Versichertenbetreuung sowie Mitgliedschaft und Beitrag hinausgeht. So unterstützen die BGHMPräventionsberater die Mitgliedsunternehmen unter anderem auch in der Optimierung des betrieblichen Gesundheitsschutzes, nehmen Messungen vor oder begleiten sie auf ihrem Weg zur 6 Zertifizierung nach den Richtlinien des Gütesiegels „Sicher mit System“. In der Sache nutzte die BGHM die Gelegenheit, drei nordwestdeutsche Betriebe auszuzeichnen, die das dazugehörige Audit soeben erfolgreich durchlaufen haben. Es sind dies die • Ronald Meyer GmbH & Co. KG mit Sitz in Bremen, • Hydraulik Pneumatik Kontor Jade GmbH mit Sitz in Wilhelmshaven sowie die • Huth Zaun- und Torsysteme GmbH und Huth Metallbau GmbH mit Sitz in Bremerhaven. „Die Unternehmen haben die Auszeichnung für die Entwicklung einer durchdachten Arbeits- und Gesund- heitsschutzorganisation erhalten, die deutlich über das gesetzlich vorgeschriebene Maß hinaus reicht“, betonte der Leiter des BGHM-Präventionsdienstes Bremen, Ingo Fischer, bei der Übergabe. Dabei seien die meisten Betriebsleiter überrascht, wie viele Optimierungsansätze die Berater im Zuge der Unternehmensanalyse fänden. Mit dem Gütesiegel verfügen die Betriebsleiter jetzt über ein Dokument, das bei Auftragsvergaben sämtliche Einzelpapiere für den Nachweis eines funktionierenden Managementsystems in puncto Arbeitsschutz ersetzt. Am Ende ein Wettbewerbsvorteil, denn immer mehr Großunternehmen verlangen ein solches Zertifikat von ihren Zulieferern. Klaus Taubitz KURZ NOTIERT < BGHM-Aktuell 6 | 2012 Stress durch ständige Erreichbarkeit Es fehlt an klaren Absprachen Fehlende Absprachen scheinen ein wesentlicher Grund dafür zu sein, warum viele Menschen auch am Feierabend dienstlich erreichbar sind. Diesen Schluss legt eine Untersuchung des Instituts für Arbeit und Gesundheit der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IAG) in Dresden nahe. Für die Studie befragte das IAG in Kooperation mit der Unfallkasse Hessen 430 Personen. Über zwei Drittel der Befragten gaben an, oft oder immer erreichbar zu sein, wenn sie während der Arbeitszeit auf Dienstreise oder im Außendienst sind. In der Freizeit waren immerhin noch 40 Prozent oft oder immer für dienstliche Belange erreichbar. Nie nach Dienstschluss erreichbar waren dagegen nur zehn Prozent. „Die meisten der Befragten fühlten sich durch die ständige Erreichbarkeit nicht oder wenig belastet“, sagt Studienautorin und IAG-Psychologin Dr. Hiltraut Paridon. Allerdings habe rund jeder Siebte angegeben, sich durch die ständige Erreichbarkeit stark oder sehr stark belastet zu fühlen. „Diese Teilnehmer gaben an, dass sie auch in ihrer Freizeit nicht abschalten können und das Gefühl hätten, dass ihnen alles zu viel wird.“ Das Ausmaß der Belastung ist übrigens in der Arbeitszeit das gleiche wie in der Freizeit. Allerdings glauben viele Befragte, der Vorgesetzte erwarte die ständige Erreichbarkeit von ihnen, ohne dies aber konkret zu wissen. „Eine ausdrückliche Anweisung liegt nur bei einer Minderheit vor“, bilanziert Paridon. Deshalb könne die klare Abmachung mit dem Vorgesetzten, wer wann im Team erreichbar zu sein habe und wann nicht, den Stress durch Erreichbarkeit verringern. Die Vereinbarungen i b sollten ll die Beteiligten sowohl für die Arbeitszeit als auch für die Freizeit treffen. Außerdem könne man sich ein Beispiel an denen nehmen, die bewusst selten erreichbar seien. Diese Teilnehmer wollten ganz bewusst auch mal abschalten, erläutert Paridon. „Außerdem vertrauen sie darauf, dass ihre Kollegen auch ohne sie die richtigen Entscheidungen treffen.“ Der IAG Report 1/2012 „Ständige Erreichbarkeit: Wie belastet sind wir? Ursachen und Folgen ständiger Erreichbarkeit“ steht als Pdf im Internet zum Herunterladen bereit. DGUV Download unter: www.dguv.de Webcode: d13378 Quelle DGUV Danach gehen zwar viele Mitarbeiter davon aus, dass ihre Vorgesetzten Erreichbarkeit von ihnen erwarten. Ausdrückliche Anweisungen hierzu gibt es jedoch nur selten. Eine Möglichkeit, den Stress durch Kommunikation zu verringern, wären demzufolge mehr klare Absprachen. Arbeitsschutztagung 2013 Der Verein deutscher Revisionsingenieure (VDRI), Haus der Technik e.V., Berufsgenossenschaften und der Verband Deutscher Sicherheitsingenieure (VDSI) veranstalten am 24. Januar 2013 ihre traditionelle Arbeitsschutztagung im Haus der Technik in Essen. Von 09:00 bis 17:00 gibt es Referate über aktuelle Fragen aus den Themenbereichen Sicherheitstechnik, Ergonomie, Arbeitsmedizin und Gesundheitsschutz. Informationen und Anmeldung unter Tel. 0201-1803-1 oder im Internet unter www.hdt-essen.de/Anmeldung. 7 BGHM-Aktuell 6 | 2012 > KURZ NOTIERT Passivrauch am Arbeitsplatz Wenn das Raucherbüro zur Kneipe wird Das macht eine umfassende Bestandsaufnahme zur Belastung durch Passivrauchen an Arbeitsplätzen deutlich, die jetzt erstmals von den Berufsgenossenschaften und der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) vorgelegt wurde. Demnach gibt es eine Vielzahl stark belasteter Arbeitsbereiche, die mit Blick auf den Nichtraucherschutz die gleiche Aufmerksamkeit verlangen, wie die in der Gastronomie. Mithilfe von Arbeitsplatzmessungen und auf der Basis von Modellrechnungen hat das Projektteam belastete Arbeitsbereiche identifiziert und in vier Klassen eingestuft: • Bereiche ohne Exposition, z. B. unter Tage • Bereiche, für die eine Exposition weitgehend auszuschließen ist, z. B. in der chemischen Industrie • Bereiche mit geringer Exposition, z. B. in Werkhallen mit technischer Lüftung • Bereiche mit Exposition, z. B. Fahrerkabinen im gewerblichen Transportwesen Die Expositionsberechnungen berücksichtigen unter anderem das jeweilige Raumvolumen und den Luftwechsel im Raum, die Anzahl der rauchenden und nicht rauchenden Mitarbeiter, die Anzahl der Zigaretten pro Raucher und Stunde sowie die Dauer der Tabakrauchbelastung. Die berechneten Szenarien unterscheiden außerdem hinsichtlich der Belastungssituation im Sommer und Winter, da unterschiedliches Lüftungsverhalten zu erheblich veränderten Belastungswerten führt. 8 Fotos: BilderBox Nicht nur die Gesundheit der Beschäftigten in der Gastronomie ist stark durch das Passivrauchen gefährdet, sondern auch die zahlreicher anderer Arbeitnehmer. „Alle reden von Gaststätten und Diskotheken. Unsere Untersuchungen zeigen allerdings, dass auch in einem Zweimannbüro, in dem ein Kollege raucht, Tabakrauchkonzentrationen erreicht werden, die denen in einer Raucherkneipe in nichts nachstehen“, bilanziert Professor Dr. Helmut Blome, Gefahrstoffexperte und Direktor des Instituts für Arbeitsschutz der DGUV. Jetzt sei es höchste Zeit, in Sachen Passivrauch den Blick zu weiten und für einen konsequenten Schutz an allen Arbeitsplätzen einzustehen. DGUV/Tbz Weitere Informationen und Download unter: www.dguv.de Webcode: d113544 Neue IFA-Gefahrstoffliste erschienen Eine aktualisierte Fassung seiner Gefahrstoffliste hat das Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IFA) unter www.dguv.de (Webcode: d139660) veröffentlicht. Das kostenlose Nachschlagewerk richtet sich an Betriebe, Aufsichtsbehörden, Arbeitsmediziner und andere, die sich mit Gefahrstoffen und Gesundheitsschutz befassen. Die Liste enthält die aktuellen Luft- und biologischen Grenzwerte und informiert über Einstufung und Kennzeichnung von Stoffen und Gemischen. Sie geht aber auch auf ärztliche und medizinische Vorgaben ein, beschreibt Messverfahren und verweist auf geltende deutsche Verordnungen, Richtlinien und Regeln für Gefahrstoffe. DGUV KURZ NOTIERT < BGHM-Aktuell 6 | 2012 Kostenloses Faltblatt Maschinenrichtlinie Leitfaden jetzt komplett in Deutsch Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) informiert in einem Faltblatt „Sicherer Einsatz von LED-Röhrenlampen“ über Vor- und Nachteile unterschiedlicher LEDRöhrenlampen als Ersatz für konventionelle Leuchtstofflampen. Das Info-Faltblatt erläutert Varianten, die derzeit auf dem Markt angeboten werden und ordnet sie in Risikogruppen ein. Um den Energieverbrauch für Beleuchtung zu senken, hat die Europäischen Union beschlossen, die Verwendung von Glühlampen sowie konventioneller Leuchtstofflampen stufenweise zu verbieten. Als Ersatz für konventionelle Leuchtstofflampen wird gegenwärtig eine Vielzahl unterschiedlicher LED-Röhrenlampen auf dem Markt angeboten. Das BAuA-Faltblatt gibt Tipps zum richtigen Umgang: • Verwenden Sie nur Retrofit-Varianten als Ersatz für herkömmliche Leuchtstoffröhren in vorhandenen Leuchten. • Es sollten nur geprüfte und zertifizierte LED-Lampen verwendet werden. • Besser: Mit dem Ersatz der Leuchtstofflampe durch eine Variante mit LED wird auch ein neuer, spezifischer Starter benötigt. Dieser wird jeweils mitgeliefert. • Ein Umbau der Leuchte ist nicht notwendig. • Die Abmessungen der konventionellen Leuchtstofflampe und der Ersatz-LEDRöhrenlampe müssen gleich sein. • Das Gewicht der LED-Lampen darf das für das entsprechende Fassungssystem zugelassene Gewicht nicht übersteigen. • Die Versorgungsspannung der LED-Lampe muss im Spannungsbereich der zu ersetzenden Leuchtstofflampe liegen. • Die Leistung der LED-Lampe muss kleiner oder gleich der Leistung der zu ersetzenden Leuchtstofflampe sein. Quelle: BAUA Nachdem zunächst nur die Teile „Erwägungsgründe“ und „Artikel“ des europäischen Leitfadens für die Anwendung der Maschinenrichtlinie 2006/42/EG in deutscher Sprache veröffentlicht wurden, steht nun auch der letzte Teil „Anhänge“ des Leitfadens in Deutsch zur Verfügung. Das meldet die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV). Nach inhaltlicher Prüfung des von der europäischen Kommission vorgelegten deutschen Übersetzungsentwurfes, habe das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) den Leitfaden zur Anwendung der Maschi- Sicherer Einsatz von LED-Röhrenlampen Quelle: Europäische Kommision Unternehmen und Industrie nenrichtlinie in deutscher Sprache nun vollständig freigegeben, so die DGUV. Dieser richtet sich an alle interessierten Kreise, die mit der Anwendung der Richtlinie befasst sind und soll europaweit eine einheitliche Auslegung und Anwendung der Maschinenrichtlinie 2006/42/EG ermöglichen. BAuA/Mtr DGUV/Tbz Download des Leitfadens: www.dguv.de Webcode: d140536 Download des Faltblatts: www.baua.de/de/Publikationen/Faltblaetter/F79.html 9 BGHM-Aktuell 6 | 2012 > SICHERHEIT UND GESUNDHEIT Beratungsangebot „Gesund im Mittelstand“ Potenzial zur Optimierung effizient nutzen Unternehmen, die das Beratungsangebot bereits genutzt haben, konnten erstaunliche Potenziale zur Optimierung der Arbeitsbedingungen aufdecken. © branex - Fotolia.com Wissenschaftliche Grundlage der Beratung ist ein erweitertes Belastungs-Beanspruchungs-Konzept, das die Ressourcen- und Handlungsregulationstheorie mit einbezieht. Dabei stehen der aktive und zielgerichtet agierende Mensch und seine Ressourcen im Mittelpunkt. Die Beratung selbst folgt dem Muster eines Impuls-Projektes: Während eines halbtägigen Workshops im Betrieb planen die Berater mit Führungskräften und Beschäftigtenvertretern die konkrete Vorgehensweise. Spezialisten der BGHM werten die Befragungsdaten aus. In einem weiteren halbtägigen Workshop werden dann die Ergebnisse in anonymisierter Form im Unternehmen vorgestellt. Inhalte dieses Workshops sind: • Präsentation der Befragungsergebnisse • Diskussion und Bewertung der Ergebnisse im Hinblick auf ihre möglichen Ursachen sowie ihre Bedeutung für das Unternehmen • Priorisierung von Handlungsfeldern • Bestimmung des weiteren Vorgehens zur Optimierung der Arbeitsbedingungen in den definierten Handlungsfeldern Das Beratungsangebot „GiM – Gesund im Mittelstand“ der Berufsgenossenschaft Holz und Metall (BGHM) ist auf mittelständisch geprägte Unternehmen mit Belegschaften von 50 bis 500 Mitarbeitern zugeschnitten. Damit verbunden ist die Möglichkeit einer qualifizierten und wissenschaftlich fundierten Analyse der Ist-Situation in dem anfragenden Unternehmen. Eine speziell aufbereitete, schlanke Beschäftigtenbefragung dient dabei als „Fieberthermometer“. Anschließend stehen dem Unternehmen wertvolle Informationen zur Verfügung, insbesondere • zur Gesundheit und Motivation der Mitarbeiter • zu den Entwicklungspotenzialen der Belegschaft • zu den psychosozialen Faktoren im Unternehmen • zur alternsgerechten Gestaltung der Arbeit 10 Das Besondere an diesem Beratungsangebot ist der geringe betriebliche Aufwand und die wissenschaftlich fundierte Auswertung. So dauert beispielsweise das Ausfüllen des Fragebogens höchstens 20 Minuten. Damit ist es den Beratern möglich, genau die für den betreffenden Betrieb relevanten Themen (Stellschrauben) herauszufiltern. So sind Lösungsansätze für die wichtigsten Handlungsfelder rasch und effizient umsetzbar – mit hoher Erfolgsgarantie. Die Spezialisten an den Standorten der BGHM unterstützen und begleiten interessierte Betriebe gern bei der Durchführung. Informationen dazu sind über die BGHM-Hotline „Fragen zum Arbeitsschutz“, Tel.: 0800 9990080-2 und im Internet erhältlich. Andreas Steinfeld Informationen unter: www.bghm.de Webcode 491 SICHERHEIT UND GESUNDHEIT < BGHM-Aktuell 6 | 2012 Fahrsicherheitstraining Fotos: WIESHEU Wolfen GmbH In Grenzbereiche vorstoßen Hier ist die schnelle Reaktion gefragt: Wasserfontänen simulieren plötzlich auftauchende Hindernisse. Rechts: Teilnehmer des von der BGHM unterstützten PkwIntensiv-Trainings. Die Wiesheu Wolfen GmbH hat in Kooperation mit der Berufsgenossenschaft Holz und Metall (BGHM) ein Pkw-Intensiv-Training für ihre Beschäftigten durchgeführt. Für sie wurde es ein ganz besonderer Tag. Das achtstündige Training im ADAC-Fahrsicherheitszentrum Leipzig-Halle begann mit einer Gesprächsrunde, in der jeder Teilnehmer seine Erwartungen für diesen Tag kundgab. Einige waren am Anfang eher skeptisch und zurückhaltend. Dafür fiel das Resümee am Ende des Tages umso besser aus, teilweise war regelrechte Begeisterung spürbar. Ein jeder nahm nicht nur neue Erkenntnisse und Erfahrungen in Sachen Fahrverhalten mit nach Hause, sondern auch Anregungen zum Nachdenken für den Alltag. Ziele des von der BGHM unterstützten Pkw-Intensiv-Trainings sind vor allem das Steuern und Beherrschen des Fahrzeugs in Gefahrenbereichen und das Kennenlernen der Grenzbereiche, der eigenen genauso wie die des Fahrzeugs. Im ADACFahrsicherheitszentrum Leipzig übernahmen Wassersäulen die Funktion von Hindernissen, an denen das Ausweichen getestet und verbessert werden konnte. Ein besonderes Highlight bildete eine in die Fahrbahn eingelassene, computergesteuerte Dynamikplatte, die das Heck der Fahrzeuge seitlich ausbrechen ließ. Hier war es eher Ausnahme als Regel, dass die Fahrzeuge abgefangen wurden; kaum jemand, der dabei noch kontrolliert lenken konnte. Als echter Infotainer entpuppte sich zudem Andreas Klaus. Der Trainer des Fahrsicherheitszentrums überzeugte durch Kompetenz und das sehr gute Vermitteln seiner Kenntnisse und Erfahrungen. Dabei kam der unterhaltende Teil nicht zu kurz, was für den gewünschten nachhaltigen Lerneffekt sorgte. Fazit: Ein rundum gelungener und an alltagstauglichen Lehrstunden sehr reicher Tag, der jedem Kraftfahrer – egal welchen Typs – nur empfohlen werden kann. Sylke Wussow, Wiesheu Wolfen GmbH 11 BGHM-Aktuell 6 | 2012 > SICHERHEIT UND GESUNDHEIT Gelungene Kooperation Azubis als „Junior-Sicherheitspartner“ Ausgezeichnete „JuniorSicherheitspartner“ bei STIHL (v.l.n.r.): Tobias Neubauer, Jan Sierleja und Leonie Wohlfahrt, Ausbildungsleiter Günther Kahn und seine Mitarbeiterin Stefanie Eiternick Foto: www.kuhnle-foto.de „Berufsgenossenschaft? Die kümmern sich nach einem Arbeitsunfall doch um die Verletzten.“ Diese Aussage ist zwar richtig, wird dem gesamten Leistungspaket der Berufsgenossenschaft Holz und Metall (BGHM) aber nicht gerecht, weil sie die vom Betrieb und der BGHM gemeinsam getragene Präventionsarbeit ausklammert. Eine unerwartete, öffentliche Würdigung erfuhr die Kooperation zwischen der Andreas Stihl AG & Co. KG und der BGHM jetzt durch die Verleihung des sogenannten Innovationspreises der IHK Region Stuttgart, Kategorie „Großbetriebe mit mehr als 500 Beschäftigten“. Der Preis wurde für das Ausbildungskonzept „Junior-Sicherheitspartner“ verliehen, das die Firma Stihl zusammen mit der BGHM und Sabine Wohlrab, einer freien Trainerin, entwickelt hatte. Als Junior-Sicherheitspartner werden die Auszubildenden in dem Unternehmen bezeichnet, die ein besonderes Augenmerk auf die Arbeitssicherheit und den Gesundheitsschutz haben. Auch wenn sie noch mitten in ihrer Ausbildung stecken, gehen sie mit gutem Beispiel voran und lassen sich nicht zu unsicheren Handlungen verleiten. Sie sprechen Missstände an und machen Verbesserungsvorschläge, auch wenn sie einem erfahrenen Facharbeiter oder Vorgesetzten gegenüberstehen. Das dazu erforderliche Wissen eignen sie sich, neben ihrer Ausbildung zum Facharbeiter, durch Teilnahme an vier betrieblichen Ausbildungs-Modulen an. Zudem beschäftigen sie sich selbstständig in 12 modulübergreifenden Projekten mit firmenspezifischen Themen des Arbeitsschutzes und implementieren diese ins Unternehmen. Der Anstoß für diese Entwicklung kam von Günther Kahn, dem Ausbildungsleiter der Firma Stihl. Zusammen mit der BGHM-Aufsichtsperson Andreas Stein und der freien Trainerin entwickelten sie das modulare Ausbildungskonzept. Dessen didaktischer Ansatz zielt auf die möglichst selbstständige, aktive Aneignung der Themen und ein selbstgesteuertes Lernen rund um die Themen Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz im Betrieb ab. Zudem kommen erlebnispädagogische Elemente zum Einsatz, um unter anderem die sozialen Kompetenzen der Junior-Sicherheitspartner zu stärken. So wagen die angehenden Experten im Hochseilgarten den freien Fall aus einer Höhe von etwa fünf Metern. Dabei müssen sie sich auf die Seilsicherung der anderen blind verlassen können. Inzwischen haben auch andere Unternehmen Gefallen an diesem Konzept gefunden und setzen es mit ihren Auszubildenden um. Andreas Stein SICHERHEIT UND GESUNDHEIT < BGHM-Aktuell 6 | 2012 Revolution in den Fabrikhallen Rohling an Maschinenpark: „Wer kann uns bearbeiten?“ Die Deutsche Industrie steht vor einem radikalen Wechsel hin zu einer dezentralen und interaktiven Steuerung in der Produktion. Wie sich dabei die Rollen von Mensch und Maschine entwickeln, untersucht das Fraunhofer-Institut in Stuttgart. Nach Mechanisierung, Industrialisierung und Automatisierung steht die Gesellschaft demnach vor der vierten industriellen Revolution – der Industrie 4.0. Dabei handelt es sich um die Verschmelzung von virtueller und realer Produktionswelt. Die bisherige zentrale Steuerung wird durch eine dezentrale, internetbasierte ersetzt. Um das zu verwirklichen, versieht man die Karossen in der Automobil-Montage seit kurzem mit Transpondern, die Informationen über die Karosse beinhalten und über das, was während der Produktion passieren soll. Foto: Bernd Müller/Fraunhofer IAO Diese Revolution vollzieht sich schleichend und ist in ersten Ansätzen bereits Teil des industriellen Alltags, heißt es in einer Pressemitteilung der Arbeitgeberverbände der Metall- und Elektro-Industrie, Gesamtmetall. Rohling beauftragt Maschine Ein mögliches Szenario beschreibt Sebastian Schlund, Wissenschaftler am Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO: Ein Zulieferbetrieb erhält am Montag via Internet einen Auftrag über 600 Maschinenbauteile, die Freitagnachmittag beim Kunden sein müssen. Sind die erforderlichen Rohlinge in der Produktion verfügbar, erhält jedes Teil einen Transponder mit allen notwendigen Daten, sodass dieser sich über WLAN mit dem Internet verbinden kann. Hier spricht man vom „Internet der Dinge“. Die Teile „fragen“ dann im Maschinenpark nach: „Wer kann uns bearbeiten?“ Vier Maschinen melden sich sofort zurück. Zwei melden „ausgebucht“, die dritte „teilt mit“, dass sie 400 Teile übernehmen könnte und die vierte Maschine „erklärt“, dass sie einen Tag später die restlichen 200 Teile schafft. Allerdings muss sie dafür umgerüstet werden. Sie schickt daher eine kurze Mitteilung auf die Smartphones der beiden dafür qualifizierten Mitarbeiter. Einer der beiden lehnt die Anfrage wegen Urlaub ab, sein Kollege übernimmt den Rüstauftrag. Für Verpackung und Versand entsteht ein ähnliches Szenario. „Doch das alles wird eine Entwicklung sein, die stufenweise voranschreitet. Sie wird nicht nur die Anlagen, sondern auch das Denken der Mitarbeiter verändern“, sagt Professor Dieter Spath, Leiter des Fraunhofer IAO. In Stuttgart befassen sich die Wissenschaftler besonders mit der Frage, wie die menschliche Arbeit durch die neuen Möglichkeiten sinnvoll unterstützt werden kann. Eine davon sei, die starre Arbeitszeit flexibler zu gestalten. Klare Regeln für dezentrale Entscheidung Diese Flexibilität hat auch ihren Preis, weiß Moritz Hämmerle vom Fraunhofer IAO. „Mitarbeiter müssen für Industrie 4.0-Prozesse qualifiziert, übergreifende Standards geschaffen und eine leistungsfähige Informations- und Kommunikationsstruktur aufgebaut werden.“ Eine dezentrale Entscheidungsfindung funktioniere nur unter Voraussetzung der klaren Regeln, Strukturen und Prozesse. Aus diesem Grund wollen die Stuttgarter Arbeitswissenschaftler mit einem Zukunftslabor eine Art Wissenspool einrichten, in den alle Erkenntnisse der Forschungsarbeit einfließen sollen. Gesamtmetall 13 BGHM-Aktuell 6 | 2012 > SICHERHEIT UND GESUNDHEIT Fotos: Greiner Feststehender (gelb) und beweglicher Futterschutz (silbergrau) reduzieren die Gefahr beim Schleifen kleiner Teile. Gegen die Verletzungsgefahr beim Schleifen und Polieren Eigenbau schafft Abhilfe Ein selbst konstruierter Backenfutterschutz verhindert bei der Behr ThermotTronik GmbH in Kornwestheim den gefährlichen Kontakt der Hände mit den Spannbacken der Drehmaschine. Beim Schleifen oder Polieren kleiner Drehteile kommt es oft zu Handverletzungen. In der Regel wird dabei das Werkstück in eine Drehmaschine oder Drehvorrichtung gespannt und mit Hilfe von Schleifpapier oder Polierpaste auf einem Lappen bearbeitet. Wenn dabei aber die Finger oder Hände an die Spannbacken geraten, sind schwere Verletzungen nicht mehr auszuschließen. Für diese – regelmäßig durchzuführenden – Arbeiten hat jetzt ein Mitgliedsbetrieb der Berufsgenossenschaft Holz und Metall (BGHM) in Eigenbau Abhilfe geschaffen. Die Lösung: ein an der Drehmaschine angebrachter, sich mitdrehender Backenfutterschutz, der die Spannbacken so weit wie möglich überdeckt. Dieser ist so konstruiert, dass die Spannbacken mit dem Spannschlüssel angezogen oder gelöst werden können, ohne den Backenfutterschutz abnehmen zu müssen. Damit ist die eingangs beschriebene Gefahr technisch verhindert. Zudem beugt die glatte Oberfläche der Schutzabdeckung möglichen Rissverletzungen vor und reduziert die wesentlich größere Gefahr, nämlich das Einziehen von Kleidung, deutlich. Ein zusätzlicher feststehender Schutz reduziert das 14 Restrisiko des Erfassens von Kleidern an der drehenden Welle noch weiter. Die BGHM-Fachleute meinen dazu: zur Nachahmung empfohlen! Andreas Schmid SICHERHEIT UND GESUNDHEIT < BGHM-Aktuell 6 | 2012 Fotos: Loschke Die Tischlerei kurz nach der Gründung im Jahre 1931 Zur Nachahmung empfohlen Lösungen aus eigener Kraft gestemmt Wenn eine kleine Tischlerei seit über 80 Jahren existiert, dann erwartet man einen Hauch von Nostalgie. Doch in der Oberlausitzer Tischlerei Loschke in Oppach sucht man danach vergebens. Hier erwarten den Besucher moderne und ergonomisch gestaltete Arbeitsplätze. 1931 wurde die Tischlerei gegründet und hat sich inzwischen zu einem angesehenen Ausrüster gemausert: Vom Kreuzfahrtschiff bis hin zur Deutschen Nationalbibliothek in Leipzig sind Einrichtungselemente aus ihrer Fertigung zu finden. Seit 2005 führt Tobias Loschke das Unternehmen. Gesunde Arbeitsplätze und die Sicherheit seiner Mitarbeiter stehen für ihn an erster Stelle: „Nur mit motivierten und gesunden Menschen kann ich meine Unternehmensziele auch erreichen“, betont er. „Deshalb zahlt sich die Investition in die Gesundheit meiner Mitarbeiter langfristig auch aus.“ Über den Weg der Gefährdungsbeurteilung hat er sechs ergonomisch gestaltete Büro- und Konstruktionsarbeitsplätze eingerichtet. Dafür wurde zunächst ein heller Arbeitsraum geschaffen, mit hohem Tageslichtanteil und ausgefeilter Beleuchtungsanlage. Diese wird automatisch mit einem Sensor in Abhängigkeit vom Tageslicht gesteuert, um die Arbeitsplätze optimal auszuleuchten. Gleichzeitig reduziert sich dadurch der Energieverbrauch. Alle Arbeitsplätze sind mit anspruchsvollen, höhenverstellbaren Arbeitstischen aus eigener Fertigung ausgerüstet. Hier ist es möglich, sowohl im Sitzen als auch im Stehen zu arbeiten, was die Belastungen des Muskel-Skelett-Systems verringert. Dazu gibt es ergonomisch gestaltete Arbeitsstühle Alles auf dem neuesten Stand: der Eingang zur Tischlerei heute. und nach Wahl auch Steh-Sitz-Hilfen. Und natürlich erleichtern auch die großen Monitore die CAD-Arbeiten. Für die Aufsichtspersonen der BGHM ist diese Investition ein gutes Beispiel, wie auch kleine Unternehmen aus eigener Kraft innovative und ergonomische Lösungen realisieren können. Sie meinen deshalb: zur Nachahmung empfohlen! Detlef Trippler 15 BGHM-Aktuell 6 | 2012 > SICHERHEIT UND GESUNDHEIT © auremar - Fotolia.com Foto: © Nataliya Hora/Fotolia.com Schwerpunktthema Dezember Stolpern und Rutschgefahren „Ein guter Stolperer fällt nicht!“ Mit diesem Spruch versucht so mancher seinen Beinahesturz in ein positives Licht zu rücken, so als sei es lediglich eine Frage der Geschicklichkeit oder des persönlichen Trainings, den Fall zu verhindern. Wer hat nicht schon mal auf ähnliche Art reagiert? In Wahrheit stellt sich die Situation für den Betroffenen aber ganz anders dar: Der Adrenalinspiegel ist noch am „Anschlag“ und beginnt erst langsam, sich wieder in Richtung Normal abzubauen. Ohne diesen körpereigenen Stoff wäre ein schnelles Reagieren und Ausbalancieren des plötzlichen Gleichgewichtsverlustes gar nicht möglich gewesen. Von gewolltem oder gekonntem Stolpern kann also nicht die Rede sein. Aber warum ist es überhaupt dazu gekommen? Gehen oder Laufen sind Bewegungsformen, die der Mensch ganz automatisch, ohne viel nachzudenken ausführt. Entscheidend ist, dass das System „Mensch“ nicht aus dem Gleichgewicht gerät. Auf ebenem Boden bereitet das Gehen – zu16 SICHERHEIT UND GESUNDHEIT < BGHM-Aktuell 6 | 2012 mindest in den meisten Fällen – keine Probleme. Treten aber Unebenheiten auf, Vertiefungen, hochstehende Kanten von Bodenplatten oder Lücken im Bodenbelag, so gehört schon eine erhöhte Aufmerksamkeit dazu, den Weg unbeschadet zurückzulegen. Dabei gelten bereits Höhenunterschiede von mehr als vier Millimetern als Stolperstellen. Tritt der Fuß nun beim Gehen gegen ein derartiges Hindernis, bremst dies den Bewegungsablauf jäh und das Gleichgewicht geht verloren: Der Mensch stolpert und stürzt. Tritt man beim Gehen auf einen Gegenstand oder eine Unebenheit – dabei reicht zum Beispiel ein kleiner Stein, ein Holz- oder Metallteil – muss dies nicht zum Sturz führen, kann aber sehr schmerzhaftes Umknicken nach sich ziehen. Wenn es glimpflich verläuft, ist es nur eine Verstauchung, schlimmstenfalls werden die Bänder im Sprunggelenk stark gedehnt oder sie reißen. Aber nicht nur Hindernisse auf dem Weg können die Bewegungsabläufe stören, auch die Reibung zwischen der Oberfläche des Bodenbelags und der Schuhsohle trägt maßgeblich zur sicheren Fortbewegung bei. Fehlt diese Reibung plötzlich und damit die erwartete Haftung, verliert der Läufer ebenfalls das Gleichgewicht, er rutscht aus und landet meist unsanft auf dem Boden. Hohe Unfallquote Um die Aufmerksamkeit der Beschäftigten in den Betrieben auf diese Unfälle zu lenken, organisierten die Unfallversicherungsträger vor einigen Jahren die sogenannte SRS-Kampagne (SRS = Stolpern, Rutschen, Stürzen). Im Fokus stand dabei vor allem die Sensibilisierung. Mit Aktionen, Plakaten und viel Information wurde auf den Zusammenhang zwischen „bewusstem“ Gehen und der damit möglichen Unfallvermeidung hingewiesen. Tatsächlich gingen die Unfallzahlen infolge dieser Aktivitäten zurück. Um diesen Erfolg zu sichern, müssen die Zusammenhänge immer wieder kommuniziert werden. Das ist eine der Aufgaben der betrieblichen Präventionsarbeit. Aus der Beschreibung der zum Sturz führenden Abläufe ergeben sich auch Lösungsansätze, wie Stolpern und Ausrutschen vermieden werden können. Dabei geht es darum, die Gefahrstellen aufzuspü- © spuno - Fotolia.com Leider schlagen sich die beschriebenen Szenarien auch in den Statistiken der gesetzlichen Unfallversicherungsträger nieder. Bei Berufsgenossenschaften und Unfallkassen bilden Unfälle durch Stolpern, Rutschen, Umknicken, Fehltreten und Sturz einen Schwerpunkt. 20 bis 25 Prozent der registrierten Unfälle fallen in diese Kategorie. Dabei sind Wege im Betrieb genauso betroffen wie Wege von und zur Arbeitsstätte. ren, zu beseitigen oder nach Möglichkeit erst gar nicht entstehen zu lassen. Für sichere Verkehrswege zu sorgen, reduziert die Unfallgefahr und gehört zur Verkehrssicherungspflicht. Im Winter, bei Schnee und Eis, ist das Bewusstsein für diese Gefahren viel ausgeprägter und präsenter als im Sommer. Das liegt nicht zuletzt daran, dass die meisten Menschen aktiv an der Verkehrssicherungspflicht beteiligt werden: Schnee räumen und Glatteisflächen mit Streumittel behandeln, gehören auch zu den privaten Verpflichtungen. 17 BGHM-Aktuell 6 | 2012 > SICHERHEIT UND GESUNDHEIT © auremar - Fotolia.com Boden ausbreiten, mit akuter Rutschgefahr in der Folge. Eine ähnliche Wirkung auf die Rutschfestigkeit haben feine Späne, Strahlmittel, Sand, Granulate von Kunststoffen und dergleichen mehr, da sie ebenfalls die Reibung herabsetzen. Wenn die ausgewiesenen Lager- und Abstellflächen nicht ausreichen, wird Transportgut schon mal so abgestellt, dass es in den Verkehrsweg hineinragt. Je nach Transportbehältnis oder Form des gelagerten Materials (Holzpaletten, Stangen, Profile, Bolzen) ergeben sich daraus Stellen mit Stolpergefahr. Auch das wiederholte Absetzen von Transportbehältern oder das Verfahren von Gabelstaplern und anderen Transportsystemen hinterlässt Spuren auf und im Bodenbelag. Selbst Teile, die versehentlich auf den Boden fallen, führen zu kleinen Beschädigungen. Mit der Zeit entstehen daraus Unebenheiten, die sich ausweiten, vertiefen und dann die bereits genannten Gefahren heraufbeschwören. Die ständige Abnutzung macht sich auch auf Treppen bemerkbar und führt zum Beispiel zu ausgeschlagenen Kanten an den Stufen oder einem Verlust der Rutschfestigkeit, da die raue, griffige Oberfläche abgetragen wird. Beim Treppensteigen rutscht der Schuh ab oder bleibt hängen, und schon droht ein Sturz. Selbstverständlich müssen auch die betrieblichen Verkehrswege sicher sein. Arbeitet der Betrieb in unterschiedlichen Schichten, gilt dies rund um die Uhr, das bedeutet, dass auch der Winterdienst so zu organisieren ist, dass die Mitarbeiter jederzeit sicher vom Parkplatz bis an den Arbeitsplatz gelangen. Im Betrieb geht die Gefahr nicht in erster Linie von den Wetterbedingungen aus, sieht man von Transportvorgängen einmal ab, die Wasser von draußen hereinschleppen. Es sind die vielen Verfahrensabläufe, die mit Materialtransport und -bearbeitung verbunden sind, die Stolper- und Rutschgefahren entstehen lassen. In den Fertigungsprozessen kommen unterschiedliche Flüssigkeiten zum Einsatz. Für die Funktion von Maschinen werden Hydraulik- und Schmieröle benötigt. Kühlschmierstoffe, Trennmittel und Reinigungsmittel sorgen für die erforderlichen funktionellen Bedingungen bei den einzelnen Fertigungsverfahren. Durch Undichtigkeiten oder Verschleppungen können sich die Stoffe auf dem 18 Selbst in den Büros der Verwaltung muss mit Hindernissen gerechnet werden, die ein Stolpern oder Ausrutschen verursachen können. Ob hoch stehende Ecken von Teppichböden, nachlässig verlegte Zuleitungen von Elektrogeräten oder verschüttetes Gießwasser für die geliebten Büropflanzen – der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt, wenn es darum geht sich vorzustellen, wo Gefahren lauern. Faktor Mensch Der Mensch ist mit seinem Verhalten ein „Teil des Problems“. Sicherlich tragen die örtlichen Verhältnisse mit ihren Mängeln maßgeblich zum Unfallgeschehen beim Stolpern und Ausrutschen bei, aber eben auch der Mensch. Von Kindesbeinen an trainiert und optimiert er seinen aufrechten Gang. Das führt letztendlich dazu, dass er sich der Abläufe und Mechanismen gar nicht mehr bewusst ist – und Routine führt zu Nachlässigkeiten. Eine Vielzahl an Stolperunfällen ereignet sich auf ebenem Boden, ohne erkennbare Gefahrstellen. Auch völlig intakte Treppen sind immer wieder Orte von slapstickreifen Stolper- oder Rutscheinlagen. Meist werden die Beine nicht hoch genug angehoben, sodass die Schuhspitze oder der Absatz auf dem Boden oder an der Treppenstufe hängen bleiben. Ob dies an der Müdigkeit („schwere Beine“) liegt oder einfach Gedankenlosigkeit ist, mit etwas mehr Bewusstsein für das, was man gerade tut, ließen sich diese Unfälle durchaus vermeiden. Es gilt SICHERHEIT UND GESUNDHEIT < BGHM-Aktuell 6 | 2012 Quelle: BGHM also, die Mitarbeiter für ein bewussteres Gehen zu sensibilisieren. Wer in dieser Situation eine Hand am Handlauf des Geländers hat, kann sich festhalten und einen Sturz vermeiden. Es gibt Unternehmen, in denen dies zwingend vorgeschrieben ist und ein Zuwiderhandeln arbeitsrechtliche Konsequenzen nach sich zieht. Alkohol, Medikamente und Drogen beeinträchtigen nicht nur die Fähigkeit, Fahrzeuge zu führen und Maschinen zu bedienen, sie greifen auch in die Bewegungsabläufe des Gehens mit ein. Nicht von ungefähr prüft die Polizei im Rahmen von Verkehrskontrollen den „Geradeausgang“. Bei „unerklärlichen“ Sturz- und Stolperunfällen im Betrieb sollte eventuell auch dieser Zusammenhang berücksichtigt werden. Wer Fahrzeuge oder Flurförderzeuge führt und wiederholt auf- und absteigen muss, für den ist das Risiko erhöht, bei diesem Vorgang umzuknicken. Eine besondere Gefährdung besteht beim Abspringen, weshalb dies zu vermeiden ist. Am Ausrutschen oder Stolpern ist auch häufig ungeeignetes Schuhwerk beteiligt. Hohe Absätze, glatte Sohlen und ein kaum vorhandener Halt für den Fuß begünstigen die Unfälle. In der Fertigung sorgen Sicherheitsschuhe, Schutzschuhe oder Berufsschuhe – je nach Gefährdung – für einen sicheren Auftritt. Die Festlegung, welcher Schuhtyp zu tragen ist, ergibt sich aus der Gefährdungsbeurteilung für die jeweilige Tätigkeit beziehungsweise den Arbeitsplatz. Wer als Mitarbeiter keine Vorgaben beachten muss, der kann seine Schuhe nach eigenen Aspekten auswählen. Dies geht nicht selten zu Lasten der Sicherheit, denn der schicke Schuh aus dem Schuhladen hat nun mal andere Eigenschaften als der für die Arbeitswelt konzipierte. Ein guter Arbeitsschuh bietet dem Fuß einen sicheren Halt, hat einen flachen Absatz und eine rutschfeste Sohle. Mittlerweile gibt es auch für Frauen ganz ansprechende Modelle. Verhältnisse und Verhalten Sowohl auf die betrieblichen Verhältnisse als auch das Verhalten der Mitarbeiter muss Einfluss genommen werden. Lassen sich Stolperstellen mit einem zu vertretenden finanziellen Aufwand nicht beseitigen, da sie zum Beispiel baulich bedingt sind, so ist zumindest ein Hinweis oder eine Kennzeichnung mit schwarz-gelben Streifen erforderlich. Handelt es sich hingegen um reparaturfähige Unebenheiten, wie Schlaglöcher oder Verwerfungen von Bodenplatten, so führt an der Reparatur kein Weg vorbei. Regelmäßige Kontrollen helfen, den Zustand von Arbeits- und Verkehrsbereichen im Auge zu behalten und ermöglichen eine schnel19 BGHM-Aktuell 6 | 2012 > SICHERHEIT UND GESUNDHEIT fordert die Vorschrift zum Beispiel für die mechanische Bearbeitung (Drehen, Bohren, Fräsen) R 11 für die Rutschhemmung. © Rynio Productions - Fotolia.com Lässt sich das Austreten von Kühlschmierstoffen oder Ölen bei Bearbeitung und Handling der Werkstücke nicht vermeiden, so muss dafür gesorgt werden, dass sich diese Stoffe nicht durch Verschleppen ausbreiten können. Das Auslegen der Arbeitsplätze, zum Beispiel mit Gitterrosten in Auffangwannen oder zumindest ein rechtzeitiges Aufnehmen mit Bindemitteln, reduzieren das Problem. Gleiches gilt für trockene Stoffe, wie Stäube, Sand und dergleichen, die ebenfalls einen rutschigen Boden verursachen können: Je schneller sie beseitigt werden, desto besser. Hierbei ist auch die Eigenverantwortung der Mitarbeiter gefragt: nicht auf andere verlassen, sondern selbst handeln, bevor etwas passiert. Selbstverständlich muss der Betrieb eine regelmäßige Reinigung organisieren, die derartige Rutschgefahren beseitigt. le Instandsetzung. Bis zur Beseitigung der Mängel ist zumindest eine Kennzeichnung der Stellen erforderlich, wenn nicht sogar die Sperrung dieser Wege. Ist bereits im Zuge der Planung von Räumlichkeiten absehbar, dass mit der Freisetzung gleitfördernder Stoffe zu rechnen ist, muss die Rutschfestigkeit der Bodenbeläge bereits darauf abgestimmt sein. Diese wird in Bewertungsgruppen eingeteilt, die von R 9 (niedrigste Rutschhemmung) bis R 13 (höchste Rutschhemmung) reichen. Aber nicht nur die Rutschhemmung, auch die mechanische Festigkeit sowie chemische und physikalische Einwirkungen müssen bei der Auswahl des Bodenbelages berücksichtigt werden. Böden, die den Anforderungen nicht genügen, können nachträglich durch eine Oberflächenbehandlung mit chemischen oder mechanischen Verfahren verbessert werden. Die Berufsgenossenschaftliche Regel BGR 181 „Fußböden in Arbeitsräumen und -bereichen mit Rutschgefahr“ enthält die wichtigsten Informationen. So 20 Gut ausgeleuchtete Wege und Arbeitsplätze beseitigen zwar weder Stolperstellen noch Rutschgefahren, helfen aber, diese besser und schneller zu erkennen und ermöglichen es den Mitarbeitern, ihr Verhalten darauf einzustellen. Durch Verschmutzung und mit zunehmender Betriebsdauer lässt die Beleuchtungsstärke jedoch nach, sodass durch Reinigungsmaßnahmen beziehungsweise den Austausch der Leuchtmittel die erforderliche Beleuchtungsstärke wiederhergestellt werden muss. Die seit 2011 gültige Technische Regel für Arbeitsstätten (ASR A3.4) enthält Mindestbeleuchtungsstärken für Arbeitsräume, Arbeitsplätze und Tätigkeiten. Dazu zählen auch Verkehrswege. Manchmal lassen sich Veränderungen bereits herbeiführen, wenn man ein Problem immer wieder beim Namen nennt und auf Zusammenhänge hinweist. „Steter Tropfen höhlt den Stein“, sagt das Sprichwort, und gerade für einen so automatischen Bewegungsablauf wie Gehen muss vermittelt werden, dass das Zurücklegen eines Weges ohne Stolpern und Ausrutschen nicht unbedingt selbstverständlich ist. Peter Hackenberg Gewinnen Sie den Deutschen Arbeitsschutzpreis Bewerben Sie sich bis zum 15. Februar 2013 Weniger Krankmeldungen, höhere Produktivität, zufriedenere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – Prävention lohnt sich. Sicherheit und Gesundheitsschutz zahlen sich aber auch als gute Beispiele aus: Der Deutsche Arbeitsschutzpreis honoriert im Jahr 2013 erneut gute Ideen und praktische Lösungen für Gesundheitsschutz und Arbeitssicherheit. Studien zeigen: Ein aktives Gesundheitsmanagement hat direkte Auswirkungen auf den Geschäftserfolg. Mit dieser Botschaft geht der Deutsche Arbeitsschutzpreis in die nächste Runde. Machen Sie mit – und tragen Sie mit Ihren Impulsen dazu bei, den Arbeitsalltag sicherer, gesünder und motivierender zu gestalten. Worum geht’s beim Deutschen Arbeitsschutzpreis? Gefragt sind clevere Konzepte und Prozesse oder neuartige Produkte und Technologien. Maßnahmen, die den Arbeitsschutz in Ihrem Betrieb wirksam verbessern – und zum Nachahmen anregen. Zum Beispiel: Mitmachen lohnt sich: Der Deutsche Arbeitsschutzpreis ist mit insgesamt 40.000 Euro dotiert. Die Gewinner werden im November ¸ŦHQWOLFKDXIGHU)DFKPHVVH $$LQ'¾VVHOGRUIJHHKUW Gut zu wissen! Teilnehmen können Unternehmen und Institutionen aller Größen, Branchen und Rechtsformen sowie Einzelpersonen. Weitere Informationen und die Bewerbungsunterlagen ŧQGHQ6LHLP,QWHUQHWXQWHU www.deutscher-arbeitsschutzpreis.de Als gemeinsame Ausrichter stehen das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, der Länderausschuss für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik und die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung hinter dem Arbeitsschutzpreis 2013, der Teil der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie (GDA) ist. þ (LQ.RQ]HUQI¾KUWHLQVSH]LHOODXIVHLQH0LWDUEHLWHU innen und Mitarbeiter abgestimmtes Gesundheitsmanagement ein, das unter anderem Rückenschulungen und Seminare zur Stressbewältigung beinhaltet. þ (LQ+DQGZHUNVEHWULHEVFKQ¾UWJHPHLQVDPPLW 3DUWQHUEHWULHEHQXQGGHU¸UWOLFKHQ+DQGZHUNVkammer ein Maßnahmenpaket, das den Arbeitsschutz auf Baustellen erhöht. þ (LQ7HDPYRQ0LWDUEHLWHULQQHQXQG0LWDUEHLWHU eines mittelständischen Bergwerkbetriebs entwickelt eine Bodenraumbeleuchtung für Flurförderzeuge, um Unfälle in der Dunkelheit zu vermeiden. 21 © Frédéric Massard - Fotolia.com BGHM-Aktuell 6 | 2012 > SICHERHEIT UND GESUNDHEIT Tödliche Gewohnheiten Die Liebe zum Auto verträgt keinen Alkohol Frankreich greift im Kampf gegen festgefahrene Trinkgewohnheiten zu einem ungewöhnlichen Mittel: Jedes Kraftfahrzeug muss jetzt einen Alkohol-Selbsttest mitführen. Es gibt wohl kaum jemanden, der beim Gedanken an einen entspannten Frankreichurlaub nicht auch an einen guten Tropfen denkt, den weißen in der Bretagne zum Fisch genossen oder den roten zum Braten in der Provence. Schließlich gehört der edle Rebensaft zum französischen Essen, genauso wie der Aperitif vorweg oder der Digestif danach. Und was dem Deutschen sein Bier, ist dem Franzosen der Wein: Über 60 Prozent des in Frankreich konsumierten Alkohols rinnt als Wein durch die Kehlen unserer westlichen Nachbarn. Das geht aus den Zahlen der WHO zum weltweiten Alkoholkonsum hervor. Zum Vergleich: In Deutschland werden nur 27 Prozent des insgesamt verköstigten Alkohols über den Wein aufgenommen, mit über 50 Prozent bleibt hier der Gerstensaft das Rauschmittel der Wahl. So sehr sich die Trinkgewohnheiten in den beiden Ländern auch unterscheiden, die insgesamt konsumierten Mengen liegen recht nah beieinander. 22 Um die 13 Liter reinen Alkohol nehmen über 15-jährige Franzosen und Deutsche der WHO zufolge pro Jahr im Durchschnitt zu sich. Das soll 800 Flaschen Bier entsprechen, oder – eben auf französisch – 153 Flaschen Wein. Auf das durchschnittliche Wochenpensum runtergerechnet sind das etwa drei Flaschen Wein beziehungsweise über 15 Flaschen Bier! Beachtliche Mengen, wenn man bedenkt, dass es unter den von der WHO unter diesem Aspekt beobachteten Bevölkerungsgruppen auch zahlreiche Nichttrinker geben dürfte. Allerdings teilen sich die Bewohner beider Länder nicht nur die Liebe zum Alkohol, sondern auch die zum Auto. Während bei unseren Nachbarn knapp unter 500 Pkw auf 1.000 Einwohner kommen, sind es hierzulande knapp über 500. Insgesamt 31,3 Millionen zugelassene Pkw zählten die europäischen Statistiker vor zwei Jahren auf Frankreichs Straßen, hierzulande kam man auf über 42,3 Millionen. SICHERHEIT UND GESUNDHEIT < BGHM-Aktuell 6 | 2012 Dieser traurigen Entwicklung wirkt die französische Regierung jetzt entgegen. Seit dem Juli 2012 muss in Frankreich jeder Pkw und jedes Motorrad über 50 ccm einen Alkohol-Selbsttest mitführen, was im Übrigen auch für Touristen gilt. Kraftfahrer sollen dazu angehalten werden, die eigene Fahrtüchtigkeit nach Alkoholgenuss selbst zu testen und das Fahrzeug im Zweifelsfalle stehen zu lassen. Und während man in Frankreich darauf hofft, auf diese Weise etwa 500 Leben pro Jahr zu erhalten, stehen Deutschlands Verkehrsexperten dieser Maßnahme eher skeptisch gegenüber. Schon jetzt zieht der ADAC die Zuverlässigkeit der mitzuführenden Blasröhrchen in Zweifel. Auch Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer scheint nicht überzeugt. Er setze vielmehr auf die bislang gelebte Mischung aus Aufklärung und engmaschige Kontrollen, heißt es in einer n-tv-Meldung vom Juni 2012. Der Sender zitiert zudem mit Chantal Perrichon die Präsidentin der französischen „Ligue contre la violence routière“ (Liga gegen Gewalt im Straßenverkehr, LCVR). Demnach geht Perrichon davon aus, dass sich auch in Zukunft die meisten Fahrer wider besseren Wissens ans Steuer setzen werden. Ihre These untermauert sie mit einer weiteren Zahl: Über 80 Prozent der Verursacher tödlicher Alkoholunfälle in Frankreich sollen dabei mehr als 1,2 Promille im Blut gehabt haben – was leider für recht festgefahrene Gewohnheiten sprechen würde. Ob diese mit der relativ einfachen französischen Maßnahme wirklich zu ändern sind, werden die Zeit und die künftigen Zahlen zeigen. Aufklärungskampagnen scheinen im Vergleich dazu deutlich zeit- und kostenintensiver, davon wissen die Berufsgenossenschaften in ihrem Engagement gegen Wegeunfälle ein Lied zu singen. Gerade deshalb und im Sinne aller (fahrenden) Menschen ist dem französischen Vorstoß jeder nur erdenkliche Erfolg zu wünschen. Klaus Taubitz Seit dem 1. Juli 2012 in Frankreich vorgeschieben: das Mitführen von Röhrchen für den Alkohol-Selbsttest in jedem Kfz. © Frédéric Massard - Fotolia.com Die Folgen dieser Mischung aus Alkohol und Auto sind eindeutig und leider sehr oft tödlich. Im letzten Jahr starben auf Deutschlands Straßen 399 Menschen nach einem Unfall unter Alkoholeinfluss, somit geht hierzulande nahezu jeder zehnte tödliche Unfall auf das Konto gehaltvoller Getränke. Was in Deutschland, trotz der im europäischen Vergleich niedrigsten Quote bereits drastisch klingt, wächst sich in Frankreich zu einer regelrechten Tragödie aus: Über 1.100 Menschen ließen dort nach einem alkoholbedingten Verkehrsunfall ihr Leben. Somit ist auf französischen Straßen jeder dritte Verkehrstote ein Opfer der landestypischen Trink- und Fahrgewohnheiten und Alkohol die Todesursache Nummer eins. Und das bei gleicher Promillegrenze, die liegt hüben wie drüben bei 0,5. Frankreich: Mitführpflicht von Alkoholtests Seit dem 1. Juli 2012 muss jedes Kraftfahrzeug in Frankreich ein unbenutztes und sofort einsatzbereites Gerät zur Messung des Atemalkohols mitführen. Ausgenommen davon sind Halter von Krafträdern mit einem Hubraum von bis zu 50 ccm und Kraftfahrzeuge, die mit einem Alcolock-System, also einer elektronischen AlkoholWegfahrsperre ausgerüstet sind. Der Alkoholtest misst den in der Atemluft enthaltenen Alkoholgehalt, wobei das Fahren ab einem Atemalkoholgehalt von 0,25 mg/l verboten ist. Der mitgeführte Alkoholtest darf das vom Hersteller angegebene Haltbarkeitsdatum nicht überschritten haben und muss zudem eine Kennzeichnung tragen, die dessen Echtheit bestätigt. Kann der Fahrer bei einer Verkehrskontrolle kein unbenutztes Alkoholmessgerät vorzeigen, ist sofort ein Bußgeld in Höhe von elf Euro zu zahlen. Diese Regelung gilt auch für ausländische Fahrzeughalter, die ihren Urlaub in Frankreich verbringen wollen oder sich auf der Durchreise befinden. Fbo/Tbz Weitere Informationen im Internet unter anderem unter: www.ambafrance-de.org www.adac.de 23 BGHM-Aktuell 6 | 2012 > SICHERHEIT UND GESUNDHEIT EU-Kennzeichnungspflicht für Reifen Label für den Handel „Die Reifen sind das einzige Verbindungsstück zur Straße“ mahnt der Deutsche Verkehrssicherheitsrat (DVR) zu Recht. Deshalb sollte beim Kauf der Sicherheitsaspekt im Vordergrund stehen. Das neue EU-Label macht dazu lediglich für das Bremsverhalten auf nasser Straße eine Aussage. Zwischen den Klassen A, B, C, E und F liegt mit Blick auf die Nasshaftung jeweils ein zusätzlicher Bremsweg von mindestens drei Metern, gemessen bei einer Geschwindigkeit von 80 Kilometern pro Stunde. Ein Reifen der Klasse C kommt, laut DVR-Angaben, auf einer durchschnittlich griffigen Straße vier Meter später zum Stehen als einer der Klasse B. Eine Wagenlänge also, die beim plötzlichen Auftauchen eines Hindernisses schnell entscheidend werden kann. Zum Bremsverhalten auf trockener Straße macht das Label leider keine Angaben. Auch die Beurteilung von Winterreifen ist anhand des Labels nicht möglich. In der Berechnung des Rollwiderstands liegt zwischen den Energieeffizienzklassen ein zusätzlicher, durchschnittlicher Kraftstoffverbrauch von etwa einem Liter auf 1.000 Kilometer Strecke. Ein Reifen der Klasse C verbraucht laut DVR auf dieser Strecke durchschnittlich einen Liter Kraftstoff mehr als ein Reifen der Klasse B, das entspricht zurzeit etwa 1,70 Euro. Beim Reifen lassen sich nicht alle Quelle: Bundesverband Reifenhandel Seit Juni dieses Jahres laufen die ersten Reifen mit dem neuen EUReifenlabel vom Band, seit November ist das Kennzeichen für den Handel Pflicht. Es macht Angaben zu den drei Kriterien Nasshaftung (Bremsweg auf nasser Straße), externes Rollgeräusch (Lautstärke) und Rollwiderstand (Kraftstoffverbrauch). Kriterien in einem Produkt optimieren, heißt es in der DVR-Pressemitteilung. Besonders kraftstoffeffiziente Reifen weisen auf nasser Fahrbahn in der Regel einen schlechteren Bremsweg auf als die mit einem höheren Rollwiderstand. Außerdem werde die Reifenqualität noch von vielen weiteren Kriterien bestimmt. Der Blick auf das Reifenlabel erspart dem Käufer nicht, vor dem Reifenkauf die Testergebnisse in Fachmagazinen, von Automobilclubs und Prüforganisationen zu studieren. Diese bewerten in regelmäßigen Abständen neben den EU-Kriterien die Fahrstabilität, Seitenführung in Kurven, Aquaplaning-Eigenschaften, Trockenhaftung und bei Winterreifen auch den Grip auf Schnee und Eis: Angaben, an denen vor der Kaufentscheidung kein Weg vorbeiführt. Ehg/Hbg Bewertungskriterien des EU-Reifenlabels Rollwiderstand: • zeigt seine Energieeffizienz • je höher der Rollwiderstand, desto größer der Kraftstoffverbrauch Nasshaftung: • bewertet den Grip des Reifens auf nasser Fahrbahn • je besser die Nasshaftung, desto kürzer der Bremsweg externes Rollgeräusch: • gibt Aufschluss über den Geräuschpegel des Reifens in Dezibel • jeder schwarze Streifen bedeutet eine Erhöhung des Rollgeräusches • außen wahrnehmbares Geräusch ist nicht gleichbedeutend mit der Geräuschbelastung im Fahrzeuginneren 24 SICHERHEIT UND GESUNDHEIT < BGHM-Aktuell 6 | 2012 Ohne Spaltkeil an Kreissäge Holzstück wird zum tödlichen Geschoss Bei der Fertigung einer Kiste traf ein Holzstück den Mitarbeiter einer Holzhandlung am Hals und verletzte dabei dessen Schlagader. Foto: Gert Feihle/BGHM Für den Mitarbeiter war es nicht der erste Auftrag dieser Art. Deshalb sah sein Chef von einer Beaufsichtigung der Arbeiten ab. Nach Einschätzung des Unternehmers hätte der Mitarbeiter diese Arbeit bis zum Feierabend beendet haben müssen. Doch fand ein Kollege ihn am Nachmittag desselben Tages blutüberströmt auf einem Holzstapel liegend. Der sofort alarmierte Rettungsdienst konnte aber nichts mehr für ihn tun. Da es keine Zeugen gab, musste der Unfallhergang rekonstruiert werden. Demnach wollte der Mitarbeiter ein Massivholzbrett auf einer Formatkreissäge längs auftrennen. Der Parallelanschlag der Kreissäge Tragisches Ende eines Arbeitstages: Einfache Maßnahmen hätten den Tod des Arbeiters verhindern können. war auf die Breite der Kiste eingestellt, wobei bereits drei einzelne Bretter den Zwischenraum zwischen Sägeblatt und trennte Leiste nicht frei liegen konnte, sondern Anschlag ausfüllten. Insgesamt waren sie aber um wahrscheinlich gegen das Sägeblatt gedrückt etwa drei Zentimeter schmaler als die vorgesehene wurde. Dies begünstigte den Rückschlag. Breite der Kiste. Diese Lücke sollte nun eine Leiste • Das verwendete Vielzahnsägeblatt ist für Längsausfüllen, die der Mitarbeiter von einem weiteren schnitte in Massivholz ungeeignet, es erzeugt eiBrett absägen wollte. Dabei nutzte er die linke Kannen hohen Gegendruck und neigt zum Rückschlag te des linken Brettes als Parallelanschlag. Die Leis- • Für die Montage des Spaltkeils gab es im te war bereits vollständig vom Brett abgetrennt, Bereich der Kreissäge keinen passenden als sie plötzlich vom Sägeblatt zurückgeschleudert Schraubenschlüssel. Zudem mussten für die wurde, dabei die Schutzhaube stirnseitig durchexakte Einstellung des Spaltkeils Unterlegbleschlug und den Mitarbeiter am Hals traf. Unglückliche verwendet werden, um diesen richtig zum cherweise verletzte sie dessen Halsschlagader. Sägeblatt zu positionieren. Die Untersuchung ergab außerdem, dass an der Maschine ohne den erforderlichen Spaltkeil gearbeitet wurde. Einen solchen gab es zwar in der Werkstatt, nur war er nicht montiert. Dies erklärt, warum die Holzleiste vom Sägeblatt erfasst werden konnte und zu einem tödlichen Geschoss wurde. Der Unfall ist jedoch auf mehrere Ursachen zurückzuführen: • Der Mitarbeiter hat ohne Spaltkeil gearbeitet (Hauptunfallursache). • Ein Schiebeholz mit Handgriff zum Führen der Leiste wurde nicht verwendet. • Das als Parallelanschlag verwendete Brett (Länge: 1750 mm) reichte bis über die hintere Kante des Maschinentisches hinaus, sodass die abge- Darüber hinaus zeigt der Unfall vor allem, wie wichtig ein Spaltkeil an Kreissägen ist. Maschinenbediener unterschätzen dies sehr oft, weil sie meinen, die Hauptgefahr ginge vom Sägeblatt selbst aus. Dass es durch das Herausschleudern von Holzresten zu einer tödlichen Verletzung kommen kann, hält dagegen kaum jemand für möglich. Wie hätte die sichere Arbeitsweise ausgesehen? 1. Geeignetes Sägeblatt verwenden 2. Spaltkeil montieren und richtig einstellen 3. Schutzhaube auf das zu sägende Brett absenken 4. Schiebestock für das Führen der Leiste benutzen Peter Hackenberg / Gert Feihle 25 26 © Ingo Bartussek - Fotolia.com BGHM-Aktuell 6 | 2012 > LEISTUNG UND RECHT LEISTUNG UND RECHT < BGHM-Aktuell 6 | 2012 Versicherungsschutz bei Probearbeit Grad der Einbindung entscheidet Die BGHM erreichen viele Anfragen zum Thema Versicherungsschutz bei Probearbeit. Hier die Antworten auf die wichtigsten Fragen. Was ist Probearbeit überhaupt? Die Besonderheit liegt darin, dass kein Arbeitsverhältnis besteht. Von einem Probearbeitsverhältnis, auch Probebeschäftigung oder Einfühlungsverhältnis, manchmal auch Kurzpraktikum oder Trainee genannt, spricht man vielmehr dann, wenn ein Arbeitssuchender bei einem potentiellen Arbeitgeber einen Tag verbringt, um zu erproben, ob er für diese Tätigkeit geeignet ist. Man spricht von Schnuppertag oder Hospitationstag. Für diese Tätigkeit erhält der Arbeitssuchende kein Geld. Wann ist ein Arbeitnehmer über die Berufsgenossenschaft versichert? Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung besteht für versicherte Tätigkeiten. Dies sind solche, die in einem Beschäftigungsverhältnis verrichtet werden. Dabei geht der Begriff des Beschäftigungsverhältnisses weiter als der des arbeitsrechtlichen Arbeitsvertrages. Es kommt für das Vorliegen einer Beschäftigung nicht auf den Abschluss eines wirksamen Arbeitsvertrages an. Entscheidend ist ausschließlich, ob eine Tätigkeit für ein fremdes Unternehmen aufgenommen wurde und dieser Unternehmer die Verfügungsgewalt über die Arbeitskraft des Beschäftigten hat. Ist Probearbeit eine versicherte Tätigkeit? Nein, aber…, bei einer Probeschäftigung wird die Tätigkeit zur Anbahnung eines möglichen späteren Arbeitsverhältnisses erbracht. Dabei ist unerheblich, wer die Probearbeit vorschlägt. Der Arbeitssuchende erhält für diese, zur Probe erbrachte Tätigkeit kein Entgelt. Das Direktionsrecht des Arbeitgebers gilt bei der Probearbeit nur eingeschränkt. Der Arbeitgeber kann also weder qualitativ noch quantitativ eine bestimmte Arbeitsleistung verlangen. Die Erlangung eines Arbeitsplatzes ist alleiniges Ziel der Probearbeit. Deshalb hat die Rechtsprechung in solchen Fällen den Versicherungsschutz verneint. Weil eben keine versicherte Tätigkeit vorliegt. Es fehlt häufig an der Eingliederung in das Unternehmen, so dass der Arbeitgeber eben nicht über die Arbeitskraft des Arbeitssuchenden wie bei einem Beschäftigten verfügen kann. Rechte und Pflichten wie aus einem Arbeitsvertrag bestehen zu diesem Zeitpunkt weder für den Arbeitgeber noch für den Arbeitssuchenden. In einem besonders gelagerten Fall hat allerdings das Landessozialgericht Hamburg jetzt die Eingliederung in das Unternehmen bejaht und deshalb Versicherungsschutz gewährt. Diesem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde: Ein Arbeitsloser hatte sich aus eigenem Antrieb bei einem Postzustellbetrieb als Postzusteller beworben. Es war vereinbart worden, dass der Arbeitslose probehalber drei Tage lang ohne Anspruch auf Entgelt jeweils sechs Stunden täglich die Tätigkeit eines Postzustellers ausführt. Für die darauf folgende Woche war der Abschluss eines Arbeitsvertrages in Aussicht gestellt worden. An den ersten beiden Tagen war der Arbeitslose von anderen Mitarbeitern des Zustellunternehmens begleitet worden um ihm alles Erforderliche zu zeigen. Am Morgen des dritten Tages erhielt der Arbeitssuchende die Dienstkleidung, ein Dienstfahrrad sowie zwei an dem Fahrrad zu befestigende Taschen mit Post, die er in einem vorgegebenen Bezirk selbstständig austragen sollte. Nachdem er schon die Hälfte der zu verteilenden Post ausgetragen hatte, wurde er von einem Hund angesprungen. Dabei rutschte er mit dem Dienstfahrrad weg und stürzte. Er zog sich schwere Verletzungen zu. Zum Abschluss eines Arbeitsvertrages kam es auch nach Ausheilung der Verletzungen nicht. Das Gericht führte aus, dass spätestens mit der Aushändigung von Dienstkleidung und Dienstfahrrad sowie der Anweisung, die Post in einem bestimmten Bezirk auszutragen, die Tätigkeit des Arbeitslosen alle Merkmale einer Beschäftigung aufwies. Der Arbeitssuchende war wie ein Beschäftigter in den Dienstbetrieb eingegliedert und ging deshalb im Interesse des Arbeitgebers einer versicherten Tätigkeit nach. Für den Versicherungsschutz kommt es also entscheidend darauf an, ob und in welcher Weise eine Eingliederung in das Unternehmen erfolgt. Soll oder will ein Stellenbewerber lediglich testen, ob eine Tätigkeit für ihn geeignet ist, und wird er dabei zwar von einem Mitarbeiter des Unternehmens unterstützt und mit der neuen Tätigkeit vertraut gemacht, so kann man noch nicht von einer erfolgten Eingliederung sprechen. In einem solchen Fall besteht dann kein Unfallversicherungsschutz. Haben Sie noch Fragen hierzu? Wir helfen Ihnen gerne weiter! Unser Service-Center erreichen Sie unter der Rufnummer 0800/9990080-1. Raimond Polak 27 © BilderBox BGHM-Aktuell 6 | 2012 > LEISTUNG UND RECHT BGHM-Lohnnachweis 2012 Am besten geht’s über das Extranet In diesen Tagen verschickt die Berufsgenossenschaft Holz und Metall (BGHM) das Formular zum Lohnnachweis 2012. Dieses können Sie handschriftlich ausfüllen und per Post zurückschicken. Oder Sie nutzen die Möglichkeit des Extranet. Mit dem Formular „Lohnnachweis 2012“ melden Sie bitte möglichst bis zum 31. Januar 2013, spätestens jedoch bis zum 11. Februar 2013 (gesetzlicher Termin): • das Bruttoarbeitsentgelt für 2012 aller Beschäftigten Ihres Unternehmens • die von Ihren Beschäftigten geleisteten Arbeitsstunden in 2012 • die Zahl der Beschäftigten. • Über www.bghm.de und den Button „Extranet“ gelangen Sie zur Einstiegsmaske. • Im Bereich „Lohnnachweis“ erscheinen die gleichen Daten, die auch der Papierlohnnachweis enthält. • Die eingegebenen Daten werden gespeichert und Sie können diese – unter Eingabe der Benutzerdaten – abrufen oder ändern. Zudem können Sie den Online-Lohnnachweis für Ihre Unterlagen ausdrucken. Online-Meldung über Extranet Die einfachste, schnellste und sicherste Form der Übermittlung ist die über das Extranet. Der Zugang ist mit einem Kennwort geschützt. Wenn Sie bereits Ihre Zugangsdaten haben, können Sie damit wie gewohnt die Daten übermitteln. Aber auch Mitgliedsunternehmen ohne Zugangsdaten können den Lohnnachweis für 2012 online einreichen. Das Lohnnachweisformular enthält oben rechts ein für Ihr Unternehmen vergebenes Kennwort, das aber ausschließlich für die Meldung der Entgeltsummen für das Jahr 2012 bestimmt ist. Und so funktioniert es: 28 Für diesen Service benötigen Sie keine weitere Software. Außerdem unterstützt eine Hilfefunktion das Ausfüllen des elektronischen Formulars. Sie können dieses aber auch ausdrucken, handschriftlich ausfüllen und per Post an die BGHM zurücksenden. Damit die Daten maschinell verarbeitet werden können, beachten Sie bitte: • Übersenden Sie den ausgefüllten Lohnnachweis im Original. Die Übermittlung per Telefax macht eine maschinelle Verarbeitung nur mit aufwändigen manuellen Korrekturen oder Nacherfassungen möglich. LEISTUNG UND RECHT < BGHM-Aktuell 6 | 2012 • Der nachweispflichtige Höchstbetrag liegt bei 84.000 € je versicherter Person im gesamten Kalenderjahr. Bei nicht ganzjähriger Beschäftigung darf dieser Betrag nicht anteilig gekürzt werden. • Wurden im Jahr 2012 keine Personen – auch keine Aushilfen – beschäftigt, ist trotzdem ein Lohnnachweis einzureichen. Dafür ist das Feld „Fehlanzeige“ zu kennzeichnen. Hier geht es zum Extranet der BGHM Beachten Sie bitte auch das Informationsschreiben zum Lohnnachweis. Einen Arbeitsentgeltkatalog finden Sie im Internet unter www.bghm.de/ unternehmer/beitrag/lohnnachweis DEÜV-Verfahren 2009 wurde das DEÜV-Verfahren um den Baustein „Unfallversicherung“ erweitert. Diese Meldung soll in Zukunft den bisher bekannten Papier-Lohnnachweis ersetzen. In der Übergangszeit sind beide Meldungen (Lohnnachweis und DEÜV) erforderlich. Die Entgeltmeldungen gegenüber den Krankenkassen sind um die Daten für die gesetzliche Unfallversicherung zu ergänzen. Dabei sind die Daten im korrekten Format einzutragen, da ansonsten die komplette Meldung abgewiesen wird. Für die Meldung jedes einzelnen Beschäftigten an die Krankenkasse benötigen Sie die folgenden Daten: • Betriebsnummer Ihrer Berufsgenossenschaft bei der Bundesagentur für Arbeit • Mitgliedsnummer Ihres Unternehmens bei Ihrer Berufsgenossenschaft • Tarifstelle des Unternehmenszweigs, in der die Entgelte der Mitarbeiter nachzuweisen sind • Beitragspflichtiges Entgelt • Geleistete Arbeitsstunden des Beschäftigten Für das Jahr 2012 gelten die bereits bekannten Betriebsnummern Ihrer BG und Ihre Tarifstellen. Die mit dem aktuellen Veranlagungsbescheid übermittelten Daten gelten erst ab dem 1.1.2013. Berufsgenossenschaft Holz und Metall Gefahrtarif 2013 Bitte online oder per Hand ausfüllen und zurückschicken an die BGHM bis zum 31. Januar 2013. Dem Bundesversicherungsamt (BVA) liegt der Entwurf eines neuen Gefahrtarifs der Berufsgenossenschaft Holz und Metall (BGHM) zur Genehmigung vor. Dieser ist am 21. November 2012 von der BGHM-Vertreterversammlung verabschiedet worden und soll zum 1.1.2013 in Kraft treten. Die Zustimmung des BVA vorausgesetzt, besteht der neue Gefahrtarif künftig nur noch aus neun Tarifstellen. Dabei finden sich technologisch gleiche oder vergleichbare Gewerbezweige genauso in einer Tarifstelle wieder, wie diejenigen mit ähnlichem Risiko – und zwar unabhängig von der Branche. Mit dem Entwurf fasst die BGHM die bislang geltenden drei verschiedenen Versionen der Vorgänger-Berufsgenossenschaften zusammen und realisiert ein weiteres Fusionsziel: ein im Sinne der Solidarität stabiler und für alle Betriebe gleichermaßen fairer Gefahrtarif. Weitere Informationen im Internet unter www.bghm.de sowie in der nächsten Ausgabe der BGHM-Aktuell. 29 BGHM-Aktuell 6 | 2012 > LEISTUNG UND RECHT Medizinische Spitzentechnik Foto: BG-Klinik Tübingen Schnellere und bessere Bilder bei geringerer Strahlung Universitätsprofessor Dr. Ulrich Stöckle (links) und Oberarzt Dr. Oliver Luz präsentieren den neuen Computertomographen der BG Klinik Tübingen. Ein Beispiel für die in der berufsgenossenschaftlichen Versorgung von Unfallopfern eingesetzte medizinische Spitzentechnik liefert jetzt die Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen (BG Klinik). Dort ist Ende August dieses Jahres ein neuer Computertomograph in Betrieb genommen worden. Das Gerät soll die Strahlendosis um etwa 20 Prozent reduzieren und nimmt bei einer Röhrenumdrehung 128 anstelle der bisher üblichen 16 Bilder auf. Möglich werden damit Schichtröntgenaufnahmen in einer erheblich besseren Qualität, die selbst kleinste Strukturen von 0,3 mm noch genau abbilden. Weil in der Versorgung von Unfallopfern außerdem der Faktor Zeit eine entscheidende Rolle spielt, kommt die technische Innovation vor allem dieser Patientengruppe zugute. Denn mit dem Gerät sind von Kopf bis Fuß reichende Ganzkörperaufnahmen in rund zehn Sekunden möglich. „Je schneller die Röntgenbilder und die Befunde vorliegen, desto 30 schneller können wir im Schockraum entscheiden, welche Behandlung die beste für den Verletzten ist. Die hier gewonnene Zeit kann unter Umständen über Leben und Tod des Patienten entscheiden.“ betont Universitätsprofessor Dr. Ulrich Stöckle, der Ärztliche Direktor der BG Klinik. Aber auch andere Patienten profitieren von der neuen Technik. Mit 78 cm Durchmesser ist die Öffnung des neuen Geräts, durch die der Patient teilweise hindurchgefahren wird, deutlich größer als bisher üblich. Dies verbessere den Komfort während der Untersuchung für Kinder und unter räumlicher Enge leidende oder sehr schwere Patienten, heißt es in der Mitteilung der Klinik. BG-Klinik/Tbz LEISTUNG UND RECHT < BGHM-Aktuell 6 | 2012 Beihilfe zur Körperverletzung? Mitarbeiter mehrfach schwer verprügelt Angeklagt war der Vorarbeiter eines städtischen Bauhofs. Dort führte er drei Mitarbeiter, die zwischen 2006 und 2008 den Mitarbeiter einer anderen Kolonne während der Arbeitszeit mehrfach schwer verprügelt hatten, unter anderem mit Knüppeln, Ketten und Werkzeugen. In einem Falle erlitt das Opfer eine Rippenfraktur und blieb wegen starker Schmerzen mehrere Stunden bewegungsunfähig am Tatort liegen. Den Feststellungen des Landgerichts zufolge war der Vorarbeiter bei mindestens drei schweren Übergriffen anwesend, ohne dabei einzuschreiten. Das Landgericht verurteilte nur die drei Haupttäter wegen gefährlicher Körperverletzung und sprach den Vorarbeiter von der Beihilfe zur Körperverletzung frei. Diesen Freispruch hielt der BGH allerdings für bedenkenswert und hob das Urteil gegen den Vorarbeiter auf. Da der Vorgesetzte sich an den Misshandlungen nicht beteiligt hatte, wäre lediglich eine Verurteilung wegen Körperverletzung durch Unterlassen in Betracht gekommen. Das Unterlassen einer Handlung setzt aber eine sogenannte Garantenstellung voraus. Darunter versteht der BGH eine besondere Pflicht, die über die für jedermann geltende Handlungspflicht hinausgeht. Eine solche kann sich zum Beispiel dann ergeben, wenn ein Arbeitgeber einem Vorgesetzen arbeitsvertraglich die Pflicht zum Schutze von Rechtsgütern des Mitarbeiters vor Angriffen Dritter überträgt. Allerdings lagen im beschriebenen Fall die Voraussetzungen dafür nicht vor: Zum einen war der Vorarbeiter weder der Vorgesetzte des Opfers, noch war dieser Mitarbeiter seiner Kolonne zugeteilt. Er war also nicht für ihn verantwortlich. Zum andern beschränkt sich eine Garantenpflicht des Vorgesetzten zur Verhinderung von Straftaten nachgeordneter Mitarbeiter nur auf „betriebsbezogene Straftaten“ und nicht auf solche, die lediglich bei Gelegenheit der Tätigkeit im Betrieb begangen werden. Allein aus der vom Gericht als Mobbing bezeichneten Tatserie über mehrere Jahre hinaus lässt sich nach Auffassung des BGHs aber keine Betriebsbezogenheit herleiten. Die Misshandlun- © starkmacher - Fotolia.com Macht sich ein Vorgesetzter bei Misshandlungen eines Mitarbeiters durch Kollegen strafbar? Mit dieser Frage hat sich der Bundesgerichtshof (BGH) im November letzten Jahres beschäftigt. gen standen weder in einem Zusammenhang zur Tätigkeit der Mitangeklagten im Rahmen des Arbeitsverhältnisses, noch hat sich in den Misshandlungen eine dem Bauhof spezifisch anhaftende Gefahr verwirklicht. Szene gestellt Unterlassene Hilfeleistung? Dagegen sah der BGH aber deutliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer anderen strafbaren Handlung, nämlich die einer unterlassenen Hilfeleistung bei Unglücksfällen nach § 323c StGB. Darunter fällt auch ein Unglücksfall infolge einer Straftat durch Dritte. Dies hatte das erstinstanzliche Landgericht aber nicht geprüft. Deshalb hat es jetzt zu klären, warum der Vorarbeiter nicht eingeschritten war, warum er den Tätern keine arbeitsrechtlichen Maßnahmen zur Beendigung der Taten androhte und warum er im Anschluss an die Taten keinen Arzt herbeiholte und das Opfer in einem Falle sogar mehrere Stunden allein bewegungsunfähig zurückließ. (Bundesgerichtshof Urteil vom 20.10.2011 Az.: 4 StR 71/11) Karl Heinz Schwirz 31 CW Niemeyer Druck GmbH · Böcklerstraße 13 · 31789 Hameln Postvertriebsstück · Deutsche Post AG · Entgelt bezahlt · 69085 Frohe Weihnachten und ein gesundes neues Jahr 2013 Abbildung: XtravaganT - Fotolia.com