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Das Magazin der Berufsgenossenschaft Holz und Metall
BGHM-Aktuell
Schwerpunkt:
Stolpern und Rutschgefahren
Ausgabe 6 | 2012
BGHM-Aktuell 6 | 2012 > LEISTUNG UND RECHT
BGHM
A k t u e l l
Dez. 2012 | Jan. 2013
Editorial
Liebe Leserinnen und Leser
Impressum
BGHM-Aktuell
Magazin der Berufsgenossenschaft
Holz und Metall
HERAUSGEBER:
Berufsgenossenschaft Holz und Metall
(BGHM)
VERANTWORTLICH:
Dr. Albert Platz
Berufsgenossenschaft Holz und Metall
Wilhelm-Theodor-Römheld-Straße 15
55130 Mainz
ISSN 1612-5428
REDAKTION:
Klaus Taubitz (verantwortlich i. S. d. NPresseG)
BGHM/Stabstelle Öffentlichkeitsarbeit
Seligmannallee 4
30173 Hannover
Tel.: 0511 / 8118 - 16882
E-Mail: [email protected]
Peter Hackenberg (Prävention und Arbeitsschutz)
BGHM/Präventionsdienst Stuttgart
Vollmoellerstraße 11
70563 Stuttgart
Tel.: 0711 / 1334-15054
E-Mail: [email protected]
Mathias Widmann (Layout)
Vollmoellerstraße 11
70563 Stuttgart
TITELFOTO:
© Rynio Productions - Fotolia.com
DRUCK UND VERLAG:
CW NIEMEYER Druck GmbH
Böcklerstraße 13, 31789 Hameln
Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht
in jedem Fall die Meinung der Redaktion wieder.
Der Bezugspreis ist im Mitgliedsbeitrag enthalten.
Nachdruck mit Quellenangabe, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung des Herausgebers. Für
unverlangt eingesandte Manuskripte, Fotos usw.
wird keine Gewähr übernommen und auch kein
Honorar gezahlt. Für Informationen unter den
Links, die auf den in dieser Ausgabe vorgestellten
Internetseiten aufgeführt werden, übernimmt der
Herausgeber keine Verantwortung.
„Auch der längste Weg beginnt mit dem ersten Schritt.“ Das klingt so
banal wie es weise ist. Zugeschrieben wird dieser Ausspruch dem chinesischen Philosophen Laotse. Der wusste offensichtlich ganz genau, dass
in Veränderungsprozessen zumeist der erste Schritt auch der schwerste
ist. Gleichzeitig bleibt die Veränderung aber eine wesentliche Konstante
des Lebens.
Und weil dem so ist, prägen Veränderungen auch die weitere Entwicklung
der noch recht jungen Berufsgenossenschaft Holz und Metall. Zum einen
haben unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in diesem Jahr eine beachtliche Umstrukturierung gestemmt. Zum anderen entwickelt sich auch
unser neues Angebot der Regionaltagungen weiter. Die ersten Veranstaltungen erfreuten sich großen Zuspruchs, was wir zum Anlass nehmen,
dieses Angebot im kommenden Jahr noch auszuweiten. Wir freuen uns
auf die direkte Kommunikation mit den Vertretern unserer kleinen und
mittelständischen Mitgliedsbetriebe.
Verändert hat sich auch die Zahl der von der BGHM an ihre Mitgliedsbetriebe verliehenen Gütesiegel „Sicher mit System“. Mit Stand vom 31.
Oktober 2012 ist diese inzwischen auf 391 angestiegen. „Beste Produktqualität und optimale wirtschaftliche Ergebnisse lassen sich auf
Dauer nur erzielen, wenn die Arbeitsprozesse sicher und gesundheitsgerecht gestaltet sind“, heißt es in der Präambel der Vergabebedingungen.
Womit das Wesentliche in dieser Sache gesagt sein dürfte. Hinzuzufügen
wäre allenfalls, dass große Industriebetriebe von ihren Zulieferern immer
öfter den Nachweis über ein funktionierendes Managementsystem zum
Arbeitsschutz verlangen. Unter anderem diesen Zweck erfüllt das Gütesiegel. Lassen Sie sich also nicht vom zeitlichen oder persönlichen Aufwand abschrecken, den dieser Veränderungsprozess Ihnen abverlangt.
Am Ende stehen meistens eine engagiertere Belegschaft und effizientere
Betriebsstrukturen. Klar ist aber auch: Ohne Ihren ausdrücklichen Willen
als Unternehmer ist dieser Prozess wenig sinnvoll. Im Sinne Laotses sind
Sie es also, der den ersten Schritt wagen muss.
Abschließend möchte ich Ihnen und Ihren Mitarbeitern noch für die partnerschaftliche Zusammenarbeit im jetzt zu Ende gehenden Jahr danken
und wünsche allen ein besinnliches Weihnachtsfest und ein gesundes
Jahr 2013.
Dr. Albert Platz
Vorsitzender der Geschäftsführung
2
5
Inhalt
20 Jahre Zentrale Betreuungsstelle Wismut
4
Gesellschaftliche Teilhabe gewährleisten
Der Sport schafft Wege und verbindet
5
4. BGHM-Regionaltagung
Volles Haus in Bad Zwischenahn
Foto: picture alliance
Mögliche Beschwerden früh erkennen
6
Stress durch ständige Erreichbarkeit
Es fehlt an klaren Absprachen
16
7
Passivrauch am Arbeitsplatz
Wenn das Raucherbüro zur Kneipe wird
8
Kostenloses Faltblatt
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Beratungsangebot „Gesund im Mittelstand“
Potenzial zur Optimierung effizient nutzen
10
Fahrsicherheitstraining
In Grenzbereiche vorstoßen
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© auremar - Fotolia.com
Sicherer Einsatz von LED-Röhrenlampen
Gelungene Kooperation
Azubis als „Junior-Sicherheitspartner“
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Revolution in den Fabrikhallen
Rohling an Maschinenpark: „Wer kann uns bearbeiten?“
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Gegen die Verletzungsgefahr beim Schleifen und Polieren
Eigenbau schafft Abhilfe
14
Zur Nachahmung empfohlen
Ergonomische Lösungen aus eigener Kraft gestemmt
15
Schwerpunktthema Dezember
Stolpern und Rutschgefahren
16
Tödliche Gewohnheiten
Die Liebe zum Auto verträgt keinen Alkohol
22
© Frédéric Massard - Fotolia.com
EU-Kennzeichnungspflicht für Reifen
Label für den Handel
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Ohne Spaltkeil an Kreissäge
Holzstück wird zum tödlichen Geschoss
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Versicherungsschutz bei Probearbeit
Entscheidend ist der Grad der Einbindung
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BGHM-Lohnnachweis 2012
Am besten geht’s über das Extranet
28
Medizinische Spitzentechnik
SBessere Bilder bei geringerer Strahlung
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© - Fotolia.com
Beihilfe zur Körperverletzung?
Mitarbeiter mehrfach schwer verprügelt
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BGHM-Aktuell 6 | 2012 > KURZ NOTIERT
1. Halbjahr 2012
Zahl der Arbeitsunfälle gesunken
© Hakan Kızıltan - Fotolia.com
Die Zahl der meldepflichtigen Arbeitsunfälle ist im ersten Halbjahr 2012 im
Vergleich zum Vorjahreszeitraum gesunken. Das meldet die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV). Den
Statistiken der Berufsgenossenschaften
und Unfallkassen zufolge ist im gleichen
Zeitraum auch die Zahl der meldepflichtigen Wegeunfälle gesunken.
Insgesamt ereigneten sich in den ersten
sechs Monaten dieses Jahres 450.689
Arbeitsunfälle. Das sind rund zwei Prozent weniger als im ersten Halbjahr 2011.
7.304 Versicherte erhielten erstmalig
eine Arbeitsunfallrente – ein leichter
Rückgang gegenüber 2011. Leider verloren aber auch 226 Menschen bei einem
Arbeitsunfall ihr Leben – 25 mehr als im
Vergleichszeitraum.
Um über 14 Prozent, also auf 86.585
sank die Zahl der meldepflichtigen Wegeunfälle. Grund dafür ist ersten Einschätzungen zufolge der im Vergleich
zum Vorjahr milde Winter. 2.584 Versicherte erhielten erstmalig eine Wegeunfallrente. 166 Unfälle auf dem Weg zur
Arbeit endeten tödlich.
DGUV/Hbg
20 Jahre Zentrale Betreuungsstelle Wismut
Mögliche Beschwerden früh erkennen
Sanierung Wismut
in Thüringen:
Bergleute des Sanierungsbetriebes
im Schacht 367 bei
Ronneburg
Rund 55.000 ehemalige Beschäftigte
der Wismut AG haben seit 1992 an Vorsorgemaßnahmen der gesetzlichen Unfallversicherung teilgenommen. Rund
215.000 ärztliche Untersuchungen
fanden in dieser Zeit statt. Insgesamt
wurden dabei rund 950 Millionen Euro
für Frühdiagnostik, Behandlung und
4
Foto: ZB - Fotoreport
Arbeitsbelastungen, insbesondere der
Strahlenexposition im Uranerzbergbau
und dem daraus folgenden Gesundheitsrisiko, einen Anspruch auf regelmäßige medizinische Betreuung hatten. Die ZeBWis bietet den Betroffenen
regelmäßige Untersuchungen an. Der
Schwerpunkt liegt auf der Diagnostik
von Atemwegserkrankungen. Ziel ist
es, mögliche Beschwerden so früh wie
möglich zu erkennen, um Therapiemaßnahmen einleiten und Rentenleistungen
prüfen zu können.
Entschädigung von Berufskrankheiten
aufgewendet.
Von den ehemals rund 500.000 Beschäftigten konnte die Zentrale Betreuungsstelle Wismut (ZeBWis) nach
der Wende insgesamt noch 165.000
Personen ermitteln, die aufgrund ihrer
Gerade in der Anfangszeit der 40er und
50er Jahre war die Arbeit im Uranerzbergbau aufgrund mangelnder Schutzvorrichtungen extrem gefährlich: Aus
dieser Zeit datiert ein großer Teil der insgesamt rund 31.000 Berufskrankheiten,
die bis 1990 anerkannt wurden. Fast die
Hälfte davon waren Silikose-Erkrankungen, eine durch Staub hervorgerufene
typische Lungenkrankheit bei Bergleuten. Dazu kamen rund 5.500 durch
Strahlung ausgelöste Lungenkrebserkrankungen. Bis 2010 wurden noch
7.800 weitere Fälle von Berufskrankheiten anerkannt.
DGUV/Neu
KURZ NOTIERT < BGHM-Aktuell 6 | 2012
Foto: picture alliance
Die drei Protagonisten des
Films „Gold – Du kannst
mehr als du denkst“: Kurt
Fearnley, Henry Wanyoike
und Kirsten Bruhn (von
links).
Gesellschaftliche Teilhabe gewährleisten
Der Sport schafft Wege und verbindet
„Jeder kann für sich etwas erreichen, wenn er hart arbeitet und seinem Herzen folgt.“ Das ist für Henry Wanyoike die Kernbotschaft des Dokumentarfilms „GOLD – Du kannst mehr als Du denkst“, den die Deutsche Gesetzliche
Unfallversicherung (DGUV) mit initiiert hat.
Die Botschaft des Films lautet: Sport
und Bewegung können dabei helfen,
Menschen mit einer Behinderung die
größtmögliche gesellschaftliche Teilhabe zu gewährleisten. Die Dokumentation erzählt nicht nur Henrys Geschichte,
der als Jugendlicher erblindete, er beschreibt auch das Leben der deutschen
Schwimmerin Kirsten Bruhn und des
australischen Rennrollstuhlfahrers Kurt
Fearnley. Bruhn ist seit einem Motorradunfall querschnittgelähmt, Fearnley
muss seit seiner Geburt ohne Beine
auskommen.
Drei Menschen aus unterschiedlichen
Kulturen mit kaum vergleichbaren
Schicksalen. „Aber eines verbindet
uns“, sagt Kurt: „Wir haben alle drei unseren Weg gefunden, und der Sport hat
uns dabei geholfen.“ Der Film begleitet
die Drei auf ihrem Weg zu den paralympischen Spielen in London 2012. Er zeigt
ihr hartes Training und ihren Alltag mit
Freunden und Familie. „So viel Nähe
zuzulassen, war eine große Herausforderung“, sagt die Schwimmerin Kirsten
Bruhn.
Die Paralympics sind der Höhepunkt
im Spannungsbogen des Films. Für die
42-jährige Deutsche enden die Spiele
und damit auch ihre aktive Laufbahn
mit einer Goldmedaille. Aber der Film
zeigt auch, dass selbst bei erfolgreichen
Sportlern nicht nur Momente des Glücks
Wege öffnen. Sehr viel mehr bringt die
kontinuierliche Arbeit mit den eigenen
Ressourcen. Die Motivation steigt, wenn
man mit ganzem Herzen dabei ist – wie
Wanyoike sagt. Unter diesen Voraussetzungen kreuzen sich Wege, und Menschen kommen sich näher.
Inklusion (Teilhabe) im Alltag umzusetzen, ist eine der Leitlinien der gesetzlichen Unfallversicherung: „Mit Hilfe
der emotionalen und beeindruckenden
Bilder möchten wir auf die Relevanz
des Sports für die Rehabilitation hinweisen“, erläutert Dr. Joachim Breuer,
Hauptgeschäftsführer der DGUV das
Anliegen des Films. GOLD kommt am
28. Februar 2013 in die Kinos. Der Film
ist eine Produktion der Parapictures
Film Production auf Initiative der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung
(DGUV).
DGUV/Ehg
5
BGHM-Aktuell 6 | 2012 > KURZ NOTIERT
4. BGHM-Regionaltagung
Fotos: Klaus Taubitz/BGHM
Volles Haus in Bad Zwischenahn
Nahmen die Auszeichnung für das durchdachte Arbeitsschutzmanagement ihrer Betriebe entgegen: Ronald Meyer, Felix Huth, Henning Wilms
und Jürgen Schwarz (von links). Ebenfalls zufrieden mit den Ergebnissen: Ingo Fischer, Leiter des BGHM-Präventionsdienstes in Bremen
(rechts).
Vollbesetztes Auditorium: Über 120 Teilnehmer hat die Regionaltagung der
Berufsgenossenschaft Holz und Metall (BGHM) Mitte Oktober 2012 nach Bad
Zwischenahn gelockt. Eingeladen waren die Unternehmer sowie die mit den
Aufgaben Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz beauftragten Vertreter
der mittelständischen und kleinen Mitgliedsbetriebe Nordwestdeutschlands.
„Das ist ein toller Erfolg“, freute sich Dr.
Albert Platz, Vorsitzender der BGHM-Geschäftsführung, über das rege Interesse.
Schließlich sei es ein wesentliches Ziel
der Regionaltagungen, mit den Vertretern der kleinen und mittelständischen
Betriebe ins Gespräch zu kommen und
sich als regionaler Dienstleister zu präsentieren. Dabei steht das Leistungspaket der BGHM im Mittelpunkt, das inzwischen deutlich über die Beratung in
Sachen Prävention, Versichertenbetreuung sowie Mitgliedschaft und Beitrag
hinausgeht. So unterstützen die BGHMPräventionsberater die Mitgliedsunternehmen unter anderem auch in der
Optimierung des betrieblichen Gesundheitsschutzes, nehmen Messungen vor
oder begleiten sie auf ihrem Weg zur
6
Zertifizierung nach den Richtlinien des
Gütesiegels „Sicher mit System“. In der
Sache nutzte die BGHM die Gelegenheit, drei nordwestdeutsche Betriebe
auszuzeichnen, die das dazugehörige
Audit soeben erfolgreich durchlaufen
haben. Es sind dies die
• Ronald Meyer GmbH & Co. KG mit Sitz
in Bremen,
• Hydraulik Pneumatik Kontor Jade
GmbH mit Sitz in Wilhelmshaven
sowie die
• Huth Zaun- und Torsysteme GmbH
und Huth Metallbau GmbH mit Sitz in
Bremerhaven.
„Die Unternehmen haben die Auszeichnung für die Entwicklung einer
durchdachten Arbeits- und Gesund-
heitsschutzorganisation erhalten, die
deutlich über das gesetzlich vorgeschriebene Maß hinaus reicht“, betonte der Leiter des BGHM-Präventionsdienstes Bremen, Ingo Fischer, bei der
Übergabe. Dabei seien die meisten
Betriebsleiter überrascht, wie viele Optimierungsansätze die Berater im Zuge
der Unternehmensanalyse fänden. Mit
dem Gütesiegel verfügen die Betriebsleiter jetzt über ein Dokument, das bei
Auftragsvergaben sämtliche Einzelpapiere für den Nachweis eines funktionierenden Managementsystems in
puncto Arbeitsschutz ersetzt. Am Ende
ein Wettbewerbsvorteil, denn immer
mehr Großunternehmen verlangen ein
solches Zertifikat von ihren Zulieferern.
Klaus Taubitz
KURZ NOTIERT < BGHM-Aktuell 6 | 2012
Stress durch ständige Erreichbarkeit
Es fehlt an klaren Absprachen
Fehlende Absprachen scheinen ein wesentlicher
Grund dafür zu sein, warum viele Menschen auch
am Feierabend dienstlich erreichbar sind. Diesen
Schluss legt eine Untersuchung des Instituts für
Arbeit und Gesundheit der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IAG) in Dresden nahe.
Für die Studie befragte das IAG in Kooperation mit der Unfallkasse Hessen
430 Personen. Über zwei Drittel der
Befragten gaben an, oft oder immer erreichbar zu sein, wenn sie während der
Arbeitszeit auf Dienstreise oder im Außendienst sind. In der Freizeit waren immerhin noch 40 Prozent oft oder immer
für dienstliche Belange erreichbar. Nie
nach Dienstschluss erreichbar waren
dagegen nur zehn Prozent.
„Die meisten der Befragten fühlten sich
durch die ständige Erreichbarkeit nicht
oder wenig belastet“, sagt Studienautorin und IAG-Psychologin Dr. Hiltraut Paridon. Allerdings habe rund jeder Siebte
angegeben, sich durch die ständige Erreichbarkeit stark oder sehr stark belastet zu fühlen. „Diese Teilnehmer gaben
an, dass sie auch in ihrer Freizeit nicht
abschalten können und das Gefühl hätten, dass ihnen alles zu viel wird.“ Das
Ausmaß der Belastung ist übrigens in
der Arbeitszeit das gleiche wie in der
Freizeit.
Allerdings glauben viele Befragte, der
Vorgesetzte erwarte die ständige Erreichbarkeit von ihnen, ohne dies aber
konkret zu wissen. „Eine ausdrückliche
Anweisung liegt
nur bei einer
Minderheit vor“,
bilanziert Paridon.
Deshalb
könne die klare
Abmachung mit
dem Vorgesetzten, wer wann
im Team erreichbar zu sein habe
und wann nicht,
den Stress durch
Erreichbarkeit
verringern. Die Vereinbarungen
i b
sollten
ll
die Beteiligten sowohl für die Arbeitszeit als auch für die Freizeit treffen.
Außerdem könne man sich ein Beispiel
an denen nehmen, die bewusst selten
erreichbar seien. Diese Teilnehmer wollten ganz bewusst auch mal abschalten,
erläutert Paridon. „Außerdem vertrauen sie darauf, dass ihre Kollegen auch
ohne sie die richtigen Entscheidungen
treffen.“
Der IAG Report 1/2012 „Ständige Erreichbarkeit: Wie belastet sind wir? Ursachen
und Folgen ständiger Erreichbarkeit“
steht als Pdf im Internet zum Herunterladen bereit.
DGUV
Download unter:
www.dguv.de
Webcode: d13378
Quelle DGUV
Danach gehen zwar viele Mitarbeiter davon aus, dass ihre Vorgesetzten Erreichbarkeit von ihnen erwarten. Ausdrückliche Anweisungen hierzu gibt es jedoch
nur selten. Eine Möglichkeit, den Stress
durch Kommunikation zu verringern,
wären demzufolge mehr klare Absprachen.
Arbeitsschutztagung 2013
Der Verein deutscher Revisionsingenieure (VDRI), Haus der Technik e.V.,
Berufsgenossenschaften und der
Verband Deutscher Sicherheitsingenieure (VDSI) veranstalten am 24.
Januar 2013 ihre traditionelle Arbeitsschutztagung im Haus der Technik in
Essen.
Von 09:00 bis 17:00 gibt es Referate
über aktuelle Fragen aus den Themenbereichen Sicherheitstechnik,
Ergonomie, Arbeitsmedizin und Gesundheitsschutz.
Informationen und Anmeldung unter
Tel. 0201-1803-1 oder im Internet unter www.hdt-essen.de/Anmeldung.
7
BGHM-Aktuell 6 | 2012 > KURZ NOTIERT
Passivrauch am Arbeitsplatz
Wenn das Raucherbüro zur Kneipe wird
Das macht eine umfassende Bestandsaufnahme zur Belastung durch Passivrauchen an Arbeitsplätzen deutlich,
die jetzt erstmals von den Berufsgenossenschaften und der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV)
vorgelegt wurde. Demnach gibt es eine
Vielzahl stark belasteter Arbeitsbereiche, die mit Blick auf den Nichtraucherschutz die gleiche Aufmerksamkeit verlangen, wie die in der Gastronomie.
Mithilfe von Arbeitsplatzmessungen
und auf der Basis von Modellrechnungen hat das Projektteam belastete Arbeitsbereiche identifiziert und in vier
Klassen eingestuft:
• Bereiche ohne Exposition, z. B. unter
Tage
• Bereiche, für die eine Exposition
weitgehend auszuschließen ist, z. B.
in der chemischen Industrie
• Bereiche mit geringer Exposition,
z. B. in Werkhallen mit technischer
Lüftung
• Bereiche mit Exposition, z. B. Fahrerkabinen im gewerblichen Transportwesen
Die Expositionsberechnungen berücksichtigen unter anderem das jeweilige
Raumvolumen und den Luftwechsel
im Raum, die Anzahl der rauchenden
und nicht rauchenden Mitarbeiter, die
Anzahl der Zigaretten pro Raucher und
Stunde sowie die Dauer der Tabakrauchbelastung. Die berechneten Szenarien
unterscheiden außerdem hinsichtlich
der Belastungssituation im Sommer
und Winter, da unterschiedliches Lüftungsverhalten zu erheblich veränderten Belastungswerten führt.
8
Fotos: BilderBox
Nicht nur die Gesundheit der Beschäftigten in der Gastronomie
ist stark durch das Passivrauchen
gefährdet, sondern auch die zahlreicher anderer Arbeitnehmer.
„Alle reden von Gaststätten und Diskotheken. Unsere Untersuchungen zeigen
allerdings, dass auch in einem Zweimannbüro, in dem ein Kollege raucht,
Tabakrauchkonzentrationen
erreicht
werden, die denen in einer Raucherkneipe in nichts nachstehen“, bilanziert
Professor Dr. Helmut Blome, Gefahrstoffexperte und Direktor des Instituts
für Arbeitsschutz der DGUV. Jetzt sei
es höchste Zeit, in Sachen Passivrauch
den Blick zu weiten und für einen konsequenten Schutz an allen Arbeitsplätzen
einzustehen.
DGUV/Tbz
Weitere Informationen und
Download unter:
www.dguv.de
Webcode: d113544
Neue IFA-Gefahrstoffliste erschienen
Eine aktualisierte Fassung seiner Gefahrstoffliste hat das Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IFA) unter www.dguv.de
(Webcode: d139660) veröffentlicht. Das kostenlose Nachschlagewerk richtet
sich an Betriebe, Aufsichtsbehörden, Arbeitsmediziner und andere, die sich
mit Gefahrstoffen und Gesundheitsschutz befassen.
Die Liste enthält die aktuellen Luft- und biologischen Grenzwerte und informiert über Einstufung und Kennzeichnung von Stoffen und Gemischen. Sie
geht aber auch auf ärztliche und medizinische Vorgaben ein, beschreibt Messverfahren und verweist auf geltende deutsche Verordnungen, Richtlinien und
Regeln für Gefahrstoffe.
DGUV
KURZ NOTIERT < BGHM-Aktuell 6 | 2012
Kostenloses Faltblatt
Maschinenrichtlinie
Leitfaden jetzt
komplett in Deutsch
Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) informiert in
einem Faltblatt „Sicherer
Einsatz von LED-Röhrenlampen“ über Vor- und Nachteile unterschiedlicher LEDRöhrenlampen als Ersatz für
konventionelle Leuchtstofflampen. Das Info-Faltblatt
erläutert Varianten, die
derzeit auf dem Markt angeboten werden und ordnet
sie in Risikogruppen ein.
Um den Energieverbrauch
für Beleuchtung zu senken,
hat die Europäischen Union
beschlossen, die Verwendung von Glühlampen sowie konventioneller Leuchtstofflampen
stufenweise
zu verbieten. Als Ersatz für
konventionelle Leuchtstofflampen wird gegenwärtig
eine Vielzahl unterschiedlicher LED-Röhrenlampen auf
dem Markt angeboten.
Das BAuA-Faltblatt gibt Tipps
zum richtigen Umgang:
• Verwenden Sie nur Retrofit-Varianten als Ersatz für
herkömmliche Leuchtstoffröhren in vorhandenen
Leuchten.
• Es sollten nur geprüfte und zertifizierte LED-Lampen verwendet werden.
• Besser: Mit dem Ersatz der Leuchtstofflampe durch eine Variante mit LED wird
auch ein neuer, spezifischer Starter benötigt. Dieser wird jeweils mitgeliefert.
• Ein Umbau der Leuchte ist nicht notwendig.
• Die Abmessungen der konventionellen Leuchtstofflampe und der Ersatz-LEDRöhrenlampe müssen gleich sein.
• Das Gewicht der LED-Lampen darf das für das entsprechende Fassungssystem
zugelassene Gewicht nicht übersteigen.
• Die Versorgungsspannung der LED-Lampe muss im Spannungsbereich der zu
ersetzenden Leuchtstofflampe liegen.
• Die Leistung der LED-Lampe muss kleiner oder gleich der Leistung der zu ersetzenden Leuchtstofflampe sein.
Quelle: BAUA
Nachdem zunächst nur die Teile „Erwägungsgründe“ und „Artikel“ des
europäischen Leitfadens für die Anwendung der Maschinenrichtlinie
2006/42/EG in deutscher Sprache
veröffentlicht wurden, steht nun auch
der letzte Teil „Anhänge“ des Leitfadens in Deutsch zur Verfügung. Das
meldet die Deutsche Gesetzliche
Unfallversicherung (DGUV). Nach
inhaltlicher Prüfung des von der europäischen Kommission vorgelegten
deutschen Übersetzungsentwurfes,
habe das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) den Leitfaden zur Anwendung der Maschi-
Sicherer Einsatz von LED-Röhrenlampen
Quelle: Europäische Kommision Unternehmen und Industrie
nenrichtlinie in deutscher Sprache
nun vollständig freigegeben, so die
DGUV. Dieser richtet sich an alle interessierten Kreise, die mit der Anwendung der Richtlinie befasst sind
und soll europaweit eine einheitliche Auslegung und Anwendung der
Maschinenrichtlinie 2006/42/EG ermöglichen.
BAuA/Mtr
DGUV/Tbz
Download des Leitfadens:
www.dguv.de
Webcode: d140536
Download des Faltblatts:
www.baua.de/de/Publikationen/Faltblaetter/F79.html
9
BGHM-Aktuell 6 | 2012 > SICHERHEIT UND GESUNDHEIT
Beratungsangebot „Gesund im Mittelstand“
Potenzial zur Optimierung effizient nutzen
Unternehmen, die das Beratungsangebot bereits
genutzt haben, konnten erstaunliche Potenziale
zur Optimierung der Arbeitsbedingungen aufdecken.
© branex - Fotolia.com
Wissenschaftliche Grundlage der Beratung ist ein
erweitertes Belastungs-Beanspruchungs-Konzept,
das die Ressourcen- und Handlungsregulationstheorie mit einbezieht. Dabei stehen der aktive
und zielgerichtet agierende Mensch und seine
Ressourcen im Mittelpunkt. Die Beratung selbst
folgt dem Muster eines Impuls-Projektes: Während
eines halbtägigen Workshops im Betrieb planen
die Berater mit Führungskräften und Beschäftigtenvertretern die konkrete Vorgehensweise. Spezialisten der BGHM werten die Befragungsdaten aus.
In einem weiteren halbtägigen Workshop werden
dann die Ergebnisse in anonymisierter Form im Unternehmen vorgestellt. Inhalte dieses Workshops
sind:
• Präsentation der Befragungsergebnisse
• Diskussion und Bewertung der Ergebnisse im
Hinblick auf ihre möglichen Ursachen sowie ihre
Bedeutung für das Unternehmen
• Priorisierung von Handlungsfeldern
• Bestimmung des weiteren Vorgehens zur
Optimierung der Arbeitsbedingungen in den
definierten Handlungsfeldern
Das Beratungsangebot „GiM – Gesund im Mittelstand“ der Berufsgenossenschaft Holz und Metall (BGHM) ist auf mittelständisch
geprägte Unternehmen mit Belegschaften von 50 bis 500 Mitarbeitern zugeschnitten.
Damit verbunden ist die Möglichkeit einer qualifizierten und wissenschaftlich fundierten Analyse
der Ist-Situation in dem anfragenden Unternehmen. Eine speziell aufbereitete, schlanke Beschäftigtenbefragung dient dabei als „Fieberthermometer“. Anschließend stehen dem Unternehmen
wertvolle Informationen zur Verfügung, insbesondere
• zur Gesundheit und Motivation der Mitarbeiter
• zu den Entwicklungspotenzialen der Belegschaft
• zu den psychosozialen Faktoren im Unternehmen
• zur alternsgerechten Gestaltung der Arbeit
10
Das Besondere an diesem Beratungsangebot ist
der geringe betriebliche Aufwand und die wissenschaftlich fundierte Auswertung. So dauert
beispielsweise das Ausfüllen des Fragebogens
höchstens 20 Minuten. Damit ist es den Beratern
möglich, genau die für den betreffenden Betrieb
relevanten Themen (Stellschrauben) herauszufiltern. So sind Lösungsansätze für die wichtigsten
Handlungsfelder rasch und effizient umsetzbar –
mit hoher Erfolgsgarantie. Die Spezialisten an den
Standorten der BGHM unterstützen und begleiten
interessierte Betriebe gern bei der Durchführung.
Informationen dazu sind über die BGHM-Hotline
„Fragen zum Arbeitsschutz“, Tel.: 0800 9990080-2
und im Internet erhältlich.
Andreas Steinfeld
Informationen unter:
www.bghm.de Webcode 491
SICHERHEIT UND GESUNDHEIT < BGHM-Aktuell 6 | 2012
Fahrsicherheitstraining
Fotos: WIESHEU Wolfen GmbH
In Grenzbereiche vorstoßen
Hier ist die schnelle Reaktion gefragt: Wasserfontänen simulieren plötzlich auftauchende Hindernisse. Rechts: Teilnehmer des von der BGHM unterstützten PkwIntensiv-Trainings.
Die Wiesheu Wolfen GmbH hat in Kooperation mit der Berufsgenossenschaft Holz und Metall
(BGHM) ein Pkw-Intensiv-Training für ihre Beschäftigten durchgeführt. Für sie wurde es ein ganz
besonderer Tag.
Das achtstündige Training im ADAC-Fahrsicherheitszentrum Leipzig-Halle begann mit einer Gesprächsrunde, in der jeder Teilnehmer seine Erwartungen für diesen Tag kundgab. Einige waren am
Anfang eher skeptisch und zurückhaltend. Dafür
fiel das Resümee am Ende des Tages umso besser
aus, teilweise war regelrechte Begeisterung spürbar. Ein jeder nahm nicht nur neue Erkenntnisse
und Erfahrungen in Sachen Fahrverhalten mit nach
Hause, sondern auch Anregungen zum Nachdenken für den Alltag.
Ziele des von der BGHM unterstützten Pkw-Intensiv-Trainings sind vor allem das Steuern und Beherrschen des Fahrzeugs in Gefahrenbereichen
und das Kennenlernen der Grenzbereiche, der
eigenen genauso wie die des Fahrzeugs. Im ADACFahrsicherheitszentrum Leipzig übernahmen
Wassersäulen die Funktion von Hindernissen, an
denen das Ausweichen getestet und verbessert
werden konnte. Ein besonderes Highlight bildete
eine in die Fahrbahn eingelassene, computergesteuerte Dynamikplatte, die das Heck der Fahrzeuge seitlich ausbrechen ließ. Hier war es eher Ausnahme als Regel, dass die Fahrzeuge abgefangen
wurden; kaum jemand, der dabei noch kontrolliert
lenken konnte.
Als echter Infotainer entpuppte sich zudem Andreas Klaus. Der Trainer des Fahrsicherheitszentrums
überzeugte durch Kompetenz und das sehr gute
Vermitteln seiner Kenntnisse und Erfahrungen.
Dabei kam der unterhaltende Teil nicht zu kurz,
was für den gewünschten nachhaltigen Lerneffekt
sorgte. Fazit: Ein rundum gelungener und an alltagstauglichen Lehrstunden sehr reicher Tag, der
jedem Kraftfahrer – egal welchen Typs – nur empfohlen werden kann.
Sylke Wussow, Wiesheu Wolfen GmbH
11
BGHM-Aktuell 6 | 2012 > SICHERHEIT UND GESUNDHEIT
Gelungene Kooperation
Azubis als „Junior-Sicherheitspartner“
Ausgezeichnete „JuniorSicherheitspartner“ bei STIHL
(v.l.n.r.): Tobias Neubauer, Jan
Sierleja und Leonie Wohlfahrt,
Ausbildungsleiter Günther
Kahn und seine Mitarbeiterin
Stefanie Eiternick
Foto: www.kuhnle-foto.de
„Berufsgenossenschaft? Die kümmern sich nach einem Arbeitsunfall doch um die Verletzten.“ Diese Aussage ist zwar richtig, wird dem gesamten Leistungspaket der Berufsgenossenschaft Holz und
Metall (BGHM) aber nicht gerecht, weil sie die vom Betrieb und der BGHM gemeinsam getragene Präventionsarbeit ausklammert.
Eine unerwartete, öffentliche Würdigung erfuhr
die Kooperation zwischen der Andreas Stihl AG &
Co. KG und der BGHM jetzt durch die Verleihung
des sogenannten Innovationspreises der IHK Region Stuttgart, Kategorie „Großbetriebe mit mehr
als 500 Beschäftigten“. Der Preis wurde für das
Ausbildungskonzept „Junior-Sicherheitspartner“
verliehen, das die Firma Stihl zusammen mit der
BGHM und Sabine Wohlrab, einer freien Trainerin,
entwickelt hatte.
Als Junior-Sicherheitspartner werden die Auszubildenden in dem Unternehmen bezeichnet, die ein
besonderes Augenmerk auf die Arbeitssicherheit
und den Gesundheitsschutz haben. Auch wenn
sie noch mitten in ihrer Ausbildung stecken, gehen
sie mit gutem Beispiel voran und lassen sich nicht
zu unsicheren Handlungen verleiten. Sie sprechen
Missstände an und machen Verbesserungsvorschläge, auch wenn sie einem erfahrenen Facharbeiter oder Vorgesetzten gegenüberstehen. Das
dazu erforderliche Wissen eignen sie sich, neben
ihrer Ausbildung zum Facharbeiter, durch Teilnahme an vier betrieblichen Ausbildungs-Modulen
an. Zudem beschäftigen sie sich selbstständig in
12
modulübergreifenden Projekten mit firmenspezifischen Themen des Arbeitsschutzes und implementieren diese ins Unternehmen.
Der Anstoß für diese Entwicklung kam von Günther Kahn, dem Ausbildungsleiter der Firma Stihl.
Zusammen mit der BGHM-Aufsichtsperson Andreas Stein und der freien Trainerin entwickelten
sie das modulare Ausbildungskonzept. Dessen
didaktischer Ansatz zielt auf die möglichst selbstständige, aktive Aneignung der Themen und ein
selbstgesteuertes Lernen rund um die Themen
Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz im Betrieb ab. Zudem kommen erlebnispädagogische
Elemente zum Einsatz, um unter anderem die sozialen Kompetenzen der Junior-Sicherheitspartner
zu stärken. So wagen die angehenden Experten im
Hochseilgarten den freien Fall aus einer Höhe von
etwa fünf Metern. Dabei müssen sie sich auf die
Seilsicherung der anderen blind verlassen können.
Inzwischen haben auch andere Unternehmen Gefallen an diesem Konzept gefunden und setzen es
mit ihren Auszubildenden um.
Andreas Stein
SICHERHEIT UND GESUNDHEIT < BGHM-Aktuell 6 | 2012
Revolution in den Fabrikhallen
Rohling an Maschinenpark: „Wer kann
uns bearbeiten?“
Die Deutsche Industrie steht vor einem radikalen Wechsel hin zu einer dezentralen und
interaktiven Steuerung in der Produktion. Wie
sich dabei die Rollen von Mensch und Maschine entwickeln, untersucht das Fraunhofer-Institut in Stuttgart.
Nach Mechanisierung, Industrialisierung und Automatisierung steht die Gesellschaft demnach vor
der vierten industriellen Revolution – der Industrie 4.0. Dabei handelt es sich um die Verschmelzung von virtueller und realer Produktionswelt.
Die bisherige zentrale Steuerung wird durch eine
dezentrale, internetbasierte ersetzt. Um das zu
verwirklichen, versieht man die Karossen in der
Automobil-Montage seit kurzem mit Transpondern,
die Informationen über die Karosse beinhalten und
über das, was während der Produktion passieren
soll.
Foto: Bernd Müller/Fraunhofer IAO
Diese Revolution vollzieht sich schleichend und ist
in ersten Ansätzen bereits Teil des industriellen Alltags, heißt es in einer Pressemitteilung der Arbeitgeberverbände der Metall- und Elektro-Industrie,
Gesamtmetall.
Rohling beauftragt Maschine
Ein mögliches Szenario beschreibt Sebastian
Schlund, Wissenschaftler am Fraunhofer-Institut
für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO: Ein Zulieferbetrieb erhält am Montag via Internet einen
Auftrag über 600 Maschinenbauteile, die Freitagnachmittag beim Kunden sein müssen. Sind die
erforderlichen Rohlinge in der Produktion verfügbar, erhält jedes Teil einen Transponder mit allen
notwendigen Daten, sodass dieser sich über WLAN
mit dem Internet verbinden kann. Hier spricht man
vom „Internet der Dinge“.
Die Teile „fragen“ dann im Maschinenpark nach:
„Wer kann uns bearbeiten?“ Vier Maschinen
melden sich sofort zurück. Zwei melden „ausgebucht“, die dritte „teilt mit“, dass sie 400 Teile
übernehmen könnte und die vierte Maschine „erklärt“, dass sie einen Tag später die restlichen 200
Teile schafft. Allerdings muss sie dafür umgerüstet
werden. Sie schickt daher eine kurze Mitteilung auf
die Smartphones der beiden dafür qualifizierten
Mitarbeiter. Einer der beiden lehnt die Anfrage wegen Urlaub ab, sein Kollege übernimmt den Rüstauftrag. Für Verpackung und Versand entsteht ein
ähnliches Szenario.
„Doch das alles wird eine Entwicklung sein, die
stufenweise voranschreitet. Sie wird nicht nur die
Anlagen, sondern auch das Denken der Mitarbeiter verändern“, sagt Professor Dieter Spath, Leiter
des Fraunhofer IAO. In Stuttgart befassen sich die
Wissenschaftler besonders mit der Frage, wie die
menschliche Arbeit durch die neuen Möglichkeiten
sinnvoll unterstützt werden kann. Eine davon sei,
die starre Arbeitszeit flexibler zu gestalten.
Klare Regeln für dezentrale Entscheidung
Diese Flexibilität hat auch ihren Preis, weiß Moritz Hämmerle vom Fraunhofer IAO. „Mitarbeiter
müssen für Industrie 4.0-Prozesse qualifiziert,
übergreifende Standards geschaffen und eine
leistungsfähige Informations- und Kommunikationsstruktur aufgebaut werden.“ Eine dezentrale
Entscheidungsfindung funktioniere nur unter Voraussetzung der klaren Regeln, Strukturen und Prozesse. Aus diesem Grund wollen die Stuttgarter Arbeitswissenschaftler mit einem Zukunftslabor eine
Art Wissenspool einrichten, in den alle Erkenntnisse der Forschungsarbeit einfließen sollen.
Gesamtmetall
13
BGHM-Aktuell 6 | 2012 > SICHERHEIT UND GESUNDHEIT
Fotos: Greiner
Feststehender (gelb) und
beweglicher Futterschutz
(silbergrau) reduzieren
die Gefahr beim Schleifen kleiner Teile.
Gegen die Verletzungsgefahr beim Schleifen und Polieren
Eigenbau schafft Abhilfe
Ein selbst konstruierter Backenfutterschutz verhindert bei der Behr ThermotTronik GmbH in Kornwestheim den gefährlichen Kontakt der Hände mit den
Spannbacken der Drehmaschine.
Beim Schleifen oder Polieren kleiner Drehteile
kommt es oft zu Handverletzungen. In der Regel
wird dabei das Werkstück in eine Drehmaschine
oder Drehvorrichtung gespannt und mit Hilfe von
Schleifpapier oder Polierpaste auf einem Lappen
bearbeitet. Wenn dabei aber die Finger oder Hände
an die Spannbacken geraten, sind schwere Verletzungen nicht mehr auszuschließen.
Für diese – regelmäßig durchzuführenden – Arbeiten hat jetzt ein Mitgliedsbetrieb der Berufsgenossenschaft Holz und Metall (BGHM) in Eigenbau Abhilfe geschaffen. Die Lösung: ein an der
Drehmaschine angebrachter, sich mitdrehender
Backenfutterschutz, der die Spannbacken so weit
wie möglich überdeckt. Dieser ist so konstruiert,
dass die Spannbacken mit dem Spannschlüssel
angezogen oder gelöst werden können, ohne den
Backenfutterschutz abnehmen zu müssen. Damit
ist die eingangs beschriebene Gefahr technisch
verhindert. Zudem beugt die glatte Oberfläche der
Schutzabdeckung möglichen Rissverletzungen
vor und reduziert die wesentlich größere Gefahr,
nämlich das Einziehen von Kleidung, deutlich. Ein
zusätzlicher feststehender Schutz reduziert das
14
Restrisiko des Erfassens von Kleidern an der drehenden Welle noch weiter. Die BGHM-Fachleute
meinen dazu: zur Nachahmung empfohlen!
Andreas Schmid
SICHERHEIT UND GESUNDHEIT < BGHM-Aktuell 6 | 2012
Fotos: Loschke
Die Tischlerei kurz
nach der Gründung
im Jahre 1931
Zur Nachahmung empfohlen
Lösungen aus eigener Kraft gestemmt
Wenn eine kleine Tischlerei seit über 80 Jahren existiert, dann erwartet man einen Hauch von Nostalgie. Doch in der Oberlausitzer Tischlerei Loschke in Oppach
sucht man danach vergebens. Hier erwarten den Besucher moderne und ergonomisch gestaltete Arbeitsplätze.
1931 wurde die Tischlerei gegründet und hat sich
inzwischen zu einem angesehenen Ausrüster gemausert: Vom Kreuzfahrtschiff bis hin zur Deutschen Nationalbibliothek in Leipzig sind Einrichtungselemente aus ihrer Fertigung zu finden.
Seit 2005 führt Tobias Loschke das Unternehmen.
Gesunde Arbeitsplätze und die Sicherheit seiner
Mitarbeiter stehen für ihn an erster Stelle: „Nur
mit motivierten und gesunden Menschen kann ich
meine Unternehmensziele auch erreichen“, betont
er. „Deshalb zahlt sich die Investition in die Gesundheit meiner Mitarbeiter langfristig auch aus.“
Über den Weg der Gefährdungsbeurteilung hat er
sechs ergonomisch gestaltete Büro- und Konstruktionsarbeitsplätze eingerichtet. Dafür wurde
zunächst ein heller Arbeitsraum geschaffen, mit
hohem Tageslichtanteil und ausgefeilter Beleuchtungsanlage. Diese wird automatisch mit einem
Sensor in Abhängigkeit vom Tageslicht gesteuert, um die Arbeitsplätze optimal auszuleuchten.
Gleichzeitig reduziert sich dadurch der Energieverbrauch.
Alle Arbeitsplätze sind mit anspruchsvollen, höhenverstellbaren Arbeitstischen aus eigener Fertigung ausgerüstet. Hier ist es möglich, sowohl im
Sitzen als auch im Stehen zu arbeiten, was die Belastungen des Muskel-Skelett-Systems verringert.
Dazu gibt es ergonomisch gestaltete Arbeitsstühle
Alles auf dem neuesten
Stand: der Eingang zur
Tischlerei heute.
und nach Wahl auch Steh-Sitz-Hilfen. Und natürlich
erleichtern auch die großen Monitore die CAD-Arbeiten.
Für die Aufsichtspersonen der BGHM ist diese Investition ein gutes Beispiel, wie auch kleine Unternehmen aus eigener Kraft innovative und ergonomische Lösungen realisieren können. Sie meinen
deshalb: zur Nachahmung empfohlen!
Detlef Trippler
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BGHM-Aktuell 6 | 2012 > SICHERHEIT UND GESUNDHEIT
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Foto: © Nataliya Hora/Fotolia.com
Schwerpunktthema Dezember
Stolpern und Rutschgefahren
„Ein guter Stolperer fällt nicht!“ Mit diesem Spruch versucht
so mancher seinen Beinahesturz in ein positives Licht zu rücken, so als sei es lediglich eine Frage der Geschicklichkeit
oder des persönlichen Trainings, den Fall zu verhindern. Wer
hat nicht schon mal auf ähnliche Art reagiert?
In Wahrheit stellt sich die Situation für den Betroffenen aber ganz anders dar: Der
Adrenalinspiegel ist noch am „Anschlag“ und beginnt erst langsam, sich wieder in
Richtung Normal abzubauen. Ohne diesen körpereigenen Stoff wäre ein schnelles
Reagieren und Ausbalancieren des plötzlichen Gleichgewichtsverlustes gar nicht
möglich gewesen. Von gewolltem oder gekonntem Stolpern kann also nicht die
Rede sein. Aber warum ist es überhaupt dazu gekommen?
Gehen oder Laufen sind Bewegungsformen, die der Mensch ganz automatisch,
ohne viel nachzudenken ausführt. Entscheidend ist, dass das System „Mensch“
nicht aus dem Gleichgewicht gerät. Auf ebenem Boden bereitet das Gehen – zu16
SICHERHEIT UND GESUNDHEIT < BGHM-Aktuell 6 | 2012
mindest in den meisten Fällen – keine Probleme.
Treten aber Unebenheiten auf, Vertiefungen, hochstehende Kanten von Bodenplatten oder Lücken
im Bodenbelag, so gehört schon eine erhöhte Aufmerksamkeit dazu, den Weg unbeschadet zurückzulegen. Dabei gelten bereits Höhenunterschiede
von mehr als vier Millimetern als Stolperstellen.
Tritt der Fuß nun beim Gehen gegen ein derartiges
Hindernis, bremst dies den Bewegungsablauf jäh
und das Gleichgewicht geht verloren: Der Mensch
stolpert und stürzt.
Tritt man beim Gehen auf einen Gegenstand oder
eine Unebenheit – dabei reicht zum Beispiel ein
kleiner Stein, ein Holz- oder Metallteil – muss dies
nicht zum Sturz führen, kann aber sehr schmerzhaftes Umknicken nach sich ziehen. Wenn es
glimpflich verläuft, ist es nur eine Verstauchung,
schlimmstenfalls werden die Bänder im Sprunggelenk stark gedehnt oder sie reißen.
Aber nicht nur Hindernisse auf dem Weg können
die Bewegungsabläufe stören, auch die Reibung
zwischen der Oberfläche des Bodenbelags und der
Schuhsohle trägt maßgeblich zur sicheren Fortbewegung bei. Fehlt diese Reibung plötzlich und damit die erwartete Haftung, verliert der Läufer ebenfalls das Gleichgewicht, er rutscht aus und landet
meist unsanft auf dem Boden.
Hohe Unfallquote
Um die Aufmerksamkeit der Beschäftigten in den
Betrieben auf diese Unfälle zu lenken, organisierten die Unfallversicherungsträger vor einigen Jahren die sogenannte SRS-Kampagne (SRS = Stolpern, Rutschen, Stürzen). Im Fokus stand dabei
vor allem die Sensibilisierung. Mit Aktionen, Plakaten und viel Information wurde auf den Zusammenhang zwischen „bewusstem“ Gehen und der
damit möglichen Unfallvermeidung hingewiesen.
Tatsächlich gingen die Unfallzahlen infolge dieser
Aktivitäten zurück. Um diesen Erfolg zu sichern,
müssen die Zusammenhänge immer wieder kommuniziert werden. Das ist eine der Aufgaben der
betrieblichen Präventionsarbeit.
Aus der Beschreibung der zum Sturz führenden Abläufe ergeben sich auch Lösungsansätze, wie Stolpern und Ausrutschen vermieden werden können.
Dabei geht es darum, die Gefahrstellen aufzuspü-
© spuno - Fotolia.com
Leider schlagen sich die beschriebenen Szenarien
auch in den Statistiken der gesetzlichen Unfallversicherungsträger nieder. Bei Berufsgenossenschaften und Unfallkassen bilden Unfälle durch
Stolpern, Rutschen, Umknicken, Fehltreten und
Sturz einen Schwerpunkt. 20 bis 25 Prozent der registrierten Unfälle fallen in diese Kategorie. Dabei
sind Wege im Betrieb genauso betroffen wie Wege
von und zur Arbeitsstätte.
ren, zu beseitigen oder nach Möglichkeit erst gar
nicht entstehen zu lassen. Für sichere Verkehrswege zu sorgen, reduziert die Unfallgefahr und gehört
zur Verkehrssicherungspflicht.
Im Winter, bei Schnee und Eis, ist das Bewusstsein
für diese Gefahren viel ausgeprägter und präsenter
als im Sommer. Das liegt nicht zuletzt daran, dass
die meisten Menschen aktiv an der Verkehrssicherungspflicht beteiligt werden: Schnee räumen
und Glatteisflächen mit Streumittel behandeln,
gehören auch zu den privaten Verpflichtungen.
17
BGHM-Aktuell 6 | 2012 > SICHERHEIT UND GESUNDHEIT
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Boden ausbreiten, mit akuter Rutschgefahr in der
Folge. Eine ähnliche Wirkung auf die Rutschfestigkeit haben feine Späne, Strahlmittel, Sand, Granulate von Kunststoffen und dergleichen mehr, da sie
ebenfalls die Reibung herabsetzen.
Wenn die ausgewiesenen Lager- und Abstellflächen nicht ausreichen, wird Transportgut schon
mal so abgestellt, dass es in den Verkehrsweg
hineinragt. Je nach Transportbehältnis oder Form
des gelagerten Materials (Holzpaletten, Stangen,
Profile, Bolzen) ergeben sich daraus Stellen mit
Stolpergefahr.
Auch das wiederholte Absetzen von Transportbehältern oder das Verfahren von Gabelstaplern und
anderen Transportsystemen hinterlässt Spuren auf
und im Bodenbelag. Selbst Teile, die versehentlich
auf den Boden fallen, führen zu kleinen Beschädigungen. Mit der Zeit entstehen daraus Unebenheiten, die sich ausweiten, vertiefen und dann die bereits genannten Gefahren heraufbeschwören. Die
ständige Abnutzung macht sich auch auf Treppen
bemerkbar und führt zum Beispiel zu ausgeschlagenen Kanten an den Stufen oder einem Verlust
der Rutschfestigkeit, da die raue, griffige Oberfläche abgetragen wird. Beim Treppensteigen rutscht
der Schuh ab oder bleibt hängen, und schon droht
ein Sturz.
Selbstverständlich müssen auch die betrieblichen
Verkehrswege sicher sein. Arbeitet der Betrieb in
unterschiedlichen Schichten, gilt dies rund um die
Uhr, das bedeutet, dass auch der Winterdienst so
zu organisieren ist, dass die Mitarbeiter jederzeit
sicher vom Parkplatz bis an den Arbeitsplatz gelangen.
Im Betrieb geht die Gefahr nicht in erster Linie von
den Wetterbedingungen aus, sieht man von Transportvorgängen einmal ab, die Wasser von draußen
hereinschleppen. Es sind die vielen Verfahrensabläufe, die mit Materialtransport und -bearbeitung
verbunden sind, die Stolper- und Rutschgefahren
entstehen lassen.
In den Fertigungsprozessen kommen unterschiedliche Flüssigkeiten zum Einsatz. Für die Funktion
von Maschinen werden Hydraulik- und Schmieröle benötigt. Kühlschmierstoffe, Trennmittel und
Reinigungsmittel sorgen für die erforderlichen
funktionellen Bedingungen bei den einzelnen
Fertigungsverfahren. Durch Undichtigkeiten oder
Verschleppungen können sich die Stoffe auf dem
18
Selbst in den Büros der Verwaltung muss mit Hindernissen gerechnet werden, die ein Stolpern oder
Ausrutschen verursachen können. Ob hoch stehende Ecken von Teppichböden, nachlässig verlegte
Zuleitungen von Elektrogeräten oder verschüttetes
Gießwasser für die geliebten Büropflanzen – der
Phantasie sind keine Grenzen gesetzt, wenn es
darum geht sich vorzustellen, wo Gefahren lauern.
Faktor Mensch
Der Mensch ist mit seinem Verhalten ein „Teil des
Problems“. Sicherlich tragen die örtlichen Verhältnisse mit ihren Mängeln maßgeblich zum Unfallgeschehen beim Stolpern und Ausrutschen bei,
aber eben auch der Mensch. Von Kindesbeinen an
trainiert und optimiert er seinen aufrechten Gang.
Das führt letztendlich dazu, dass er sich der Abläufe und Mechanismen gar nicht mehr bewusst
ist – und Routine führt zu Nachlässigkeiten. Eine
Vielzahl an Stolperunfällen ereignet sich auf ebenem Boden, ohne erkennbare Gefahrstellen. Auch
völlig intakte Treppen sind immer wieder Orte
von slapstickreifen Stolper- oder Rutscheinlagen.
Meist werden die Beine nicht hoch genug angehoben, sodass die Schuhspitze oder der Absatz auf
dem Boden oder an der Treppenstufe hängen bleiben. Ob dies an der Müdigkeit („schwere Beine“)
liegt oder einfach Gedankenlosigkeit ist, mit etwas
mehr Bewusstsein für das, was man gerade tut, ließen sich diese Unfälle durchaus vermeiden. Es gilt
SICHERHEIT UND GESUNDHEIT < BGHM-Aktuell 6 | 2012
Quelle: BGHM
also, die Mitarbeiter für ein bewussteres Gehen zu
sensibilisieren. Wer in dieser Situation eine Hand
am Handlauf des Geländers hat, kann sich festhalten und einen Sturz vermeiden. Es gibt Unternehmen, in denen dies zwingend vorgeschrieben ist
und ein Zuwiderhandeln arbeitsrechtliche Konsequenzen nach sich zieht.
Alkohol, Medikamente und Drogen beeinträchtigen nicht nur die Fähigkeit, Fahrzeuge zu führen
und Maschinen zu bedienen, sie greifen auch in
die Bewegungsabläufe des Gehens mit ein. Nicht
von ungefähr prüft die Polizei im Rahmen von Verkehrskontrollen den „Geradeausgang“. Bei „unerklärlichen“ Sturz- und Stolperunfällen im Betrieb
sollte eventuell auch dieser Zusammenhang berücksichtigt werden.
Wer Fahrzeuge oder Flurförderzeuge führt und wiederholt auf- und absteigen muss, für den ist das
Risiko erhöht, bei diesem Vorgang umzuknicken.
Eine besondere Gefährdung besteht beim Abspringen, weshalb dies zu vermeiden ist.
Am Ausrutschen oder Stolpern ist auch häufig ungeeignetes Schuhwerk beteiligt. Hohe Absätze,
glatte Sohlen und ein kaum vorhandener Halt für
den Fuß begünstigen die Unfälle. In der Fertigung
sorgen Sicherheitsschuhe, Schutzschuhe oder
Berufsschuhe – je nach Gefährdung – für einen sicheren Auftritt. Die Festlegung, welcher Schuhtyp
zu tragen ist, ergibt sich aus der Gefährdungsbeurteilung für die jeweilige Tätigkeit beziehungsweise den Arbeitsplatz. Wer als Mitarbeiter keine
Vorgaben beachten muss, der kann seine Schuhe
nach eigenen Aspekten auswählen. Dies geht nicht
selten zu Lasten der Sicherheit, denn der schicke
Schuh aus dem Schuhladen hat nun mal andere Eigenschaften als der für die Arbeitswelt konzipierte.
Ein guter Arbeitsschuh bietet dem Fuß einen sicheren Halt, hat einen flachen Absatz und eine rutschfeste Sohle. Mittlerweile gibt es auch für Frauen
ganz ansprechende Modelle.
Verhältnisse und Verhalten
Sowohl auf die betrieblichen Verhältnisse als auch
das Verhalten der Mitarbeiter muss Einfluss genommen werden. Lassen sich Stolperstellen mit
einem zu vertretenden finanziellen Aufwand nicht
beseitigen, da sie zum Beispiel baulich bedingt
sind, so ist zumindest ein Hinweis oder eine Kennzeichnung mit schwarz-gelben Streifen erforderlich. Handelt es sich hingegen um reparaturfähige
Unebenheiten, wie Schlaglöcher oder Verwerfungen von Bodenplatten, so führt an der Reparatur
kein Weg vorbei. Regelmäßige Kontrollen helfen,
den Zustand von Arbeits- und Verkehrsbereichen
im Auge zu behalten und ermöglichen eine schnel19
BGHM-Aktuell 6 | 2012 > SICHERHEIT UND GESUNDHEIT
fordert die Vorschrift zum Beispiel für die
mechanische Bearbeitung (Drehen, Bohren, Fräsen) R 11 für die Rutschhemmung.
© Rynio Productions - Fotolia.com
Lässt sich das Austreten von Kühlschmierstoffen oder Ölen bei Bearbeitung und
Handling der Werkstücke nicht vermeiden,
so muss dafür gesorgt werden, dass sich
diese Stoffe nicht durch Verschleppen
ausbreiten können. Das Auslegen der Arbeitsplätze, zum Beispiel mit Gitterrosten
in Auffangwannen oder zumindest ein
rechtzeitiges Aufnehmen mit Bindemitteln,
reduzieren das Problem. Gleiches gilt für
trockene Stoffe, wie Stäube, Sand und dergleichen, die ebenfalls einen
rutschigen Boden verursachen können: Je schneller
sie beseitigt werden, desto
besser. Hierbei ist auch die
Eigenverantwortung der Mitarbeiter gefragt: nicht auf
andere verlassen, sondern
selbst handeln, bevor etwas
passiert. Selbstverständlich
muss der Betrieb eine regelmäßige Reinigung organisieren, die derartige Rutschgefahren beseitigt.
le Instandsetzung. Bis zur Beseitigung der Mängel
ist zumindest eine Kennzeichnung der Stellen erforderlich, wenn nicht sogar die Sperrung dieser
Wege.
Ist bereits im Zuge der Planung von Räumlichkeiten
absehbar, dass mit der Freisetzung gleitfördernder
Stoffe zu rechnen ist, muss die Rutschfestigkeit der
Bodenbeläge bereits darauf abgestimmt sein. Diese wird in Bewertungsgruppen eingeteilt, die von
R 9 (niedrigste Rutschhemmung) bis R 13 (höchste Rutschhemmung) reichen. Aber nicht nur die
Rutschhemmung, auch die mechanische Festigkeit
sowie chemische und physikalische Einwirkungen
müssen bei der Auswahl des Bodenbelages berücksichtigt werden. Böden, die den Anforderungen nicht genügen, können nachträglich durch
eine Oberflächenbehandlung mit chemischen oder
mechanischen Verfahren verbessert werden. Die
Berufsgenossenschaftliche Regel BGR 181 „Fußböden in Arbeitsräumen und -bereichen mit Rutschgefahr“ enthält die wichtigsten Informationen. So
20
Gut ausgeleuchtete Wege
und Arbeitsplätze beseitigen
zwar weder Stolperstellen
noch Rutschgefahren, helfen aber, diese besser und
schneller zu erkennen und ermöglichen es den Mitarbeitern, ihr Verhalten darauf einzustellen. Durch
Verschmutzung und mit zunehmender Betriebsdauer lässt die Beleuchtungsstärke jedoch nach,
sodass durch Reinigungsmaßnahmen beziehungsweise den Austausch der Leuchtmittel die erforderliche Beleuchtungsstärke wiederhergestellt werden muss. Die seit 2011 gültige Technische Regel
für Arbeitsstätten (ASR A3.4) enthält Mindestbeleuchtungsstärken für Arbeitsräume, Arbeitsplätze
und Tätigkeiten. Dazu zählen auch Verkehrswege.
Manchmal lassen sich Veränderungen bereits
herbeiführen, wenn man ein Problem immer wieder beim Namen nennt und auf Zusammenhänge
hinweist. „Steter Tropfen höhlt den Stein“, sagt
das Sprichwort, und gerade für einen so automatischen Bewegungsablauf wie Gehen muss vermittelt werden, dass das Zurücklegen eines Weges
ohne Stolpern und Ausrutschen nicht unbedingt
selbstverständlich ist.
Peter Hackenberg
Gewinnen Sie den Deutschen Arbeitsschutzpreis
Bewerben Sie sich bis zum 15. Februar 2013
Weniger Krankmeldungen, höhere Produktivität,
zufriedenere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter –
Prävention lohnt sich. Sicherheit und Gesundheitsschutz zahlen sich aber auch als gute Beispiele aus:
Der Deutsche Arbeitsschutzpreis honoriert im Jahr
2013 erneut gute Ideen und praktische Lösungen
für Gesundheitsschutz und Arbeitssicherheit.
Studien zeigen: Ein aktives Gesundheitsmanagement
hat direkte Auswirkungen auf den Geschäftserfolg.
Mit dieser Botschaft geht der Deutsche Arbeitsschutzpreis in die nächste Runde. Machen Sie mit
– und tragen Sie mit Ihren Impulsen dazu bei, den
Arbeitsalltag sicherer, gesünder und motivierender
zu gestalten.
Worum geht’s beim
Deutschen Arbeitsschutzpreis?
Gefragt sind clevere Konzepte und Prozesse oder
neuartige Produkte und Technologien. Maßnahmen,
die den Arbeitsschutz in Ihrem Betrieb wirksam
verbessern – und zum Nachahmen anregen.
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Mitmachen lohnt sich:
Der Deutsche Arbeitsschutzpreis ist
mit insgesamt 40.000 Euro dotiert.
Die Gewinner werden im November
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$$LQ'¾VVHOGRUIJHHKUW
Gut zu wissen!
Teilnehmen können Unternehmen
und Institutionen aller Größen,
Branchen und Rechtsformen sowie
Einzelpersonen. Weitere Informationen
und die Bewerbungsunterlagen
ŧQGHQ6LHLP,QWHUQHWXQWHU
www.deutscher-arbeitsschutzpreis.de
Als gemeinsame Ausrichter stehen das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, der Länderausschuss für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik und
die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung hinter
dem Arbeitsschutzpreis 2013, der Teil der Gemeinsamen
Deutschen Arbeitsschutzstrategie (GDA) ist.
þ (LQ.RQ]HUQI¾KUWHLQVSH]LHOODXIVHLQH0LWDUEHLWHU
innen und Mitarbeiter abgestimmtes Gesundheitsmanagement ein, das unter anderem Rückenschulungen und Seminare zur Stressbewältigung
beinhaltet.
þ (LQ+DQGZHUNVEHWULHEVFKQ¾UWJHPHLQVDPPLW
3DUWQHUEHWULHEHQXQGGHU¸UWOLFKHQ+DQGZHUNVkammer ein Maßnahmenpaket, das den Arbeitsschutz auf Baustellen erhöht.
þ (LQ7HDPYRQ0LWDUEHLWHULQQHQXQG0LWDUEHLWHU
eines mittelständischen Bergwerkbetriebs
entwickelt eine Bodenraumbeleuchtung für
Flurförderzeuge, um Unfälle in der Dunkelheit
zu vermeiden.
21
© Frédéric Massard - Fotolia.com
BGHM-Aktuell 6 | 2012 > SICHERHEIT UND GESUNDHEIT
Tödliche Gewohnheiten
Die Liebe zum Auto verträgt keinen Alkohol
Frankreich greift im Kampf gegen festgefahrene Trinkgewohnheiten
zu einem ungewöhnlichen Mittel: Jedes Kraftfahrzeug muss jetzt einen Alkohol-Selbsttest mitführen.
Es gibt wohl kaum jemanden, der beim Gedanken
an einen entspannten Frankreichurlaub nicht auch
an einen guten Tropfen denkt, den weißen in der
Bretagne zum Fisch genossen oder den roten zum
Braten in der Provence. Schließlich gehört der edle
Rebensaft zum französischen Essen, genauso wie
der Aperitif vorweg oder der Digestif danach. Und
was dem Deutschen sein Bier, ist dem Franzosen
der Wein: Über 60 Prozent des in Frankreich konsumierten Alkohols rinnt als Wein durch die Kehlen
unserer westlichen Nachbarn. Das geht aus den
Zahlen der WHO zum weltweiten Alkoholkonsum
hervor. Zum Vergleich: In Deutschland werden nur
27 Prozent des insgesamt verköstigten Alkohols
über den Wein aufgenommen, mit über 50 Prozent
bleibt hier der Gerstensaft das Rauschmittel der
Wahl.
So sehr sich die Trinkgewohnheiten in den beiden
Ländern auch unterscheiden, die insgesamt konsumierten Mengen liegen recht nah beieinander.
22
Um die 13 Liter reinen Alkohol nehmen über 15-jährige Franzosen und Deutsche der WHO zufolge pro
Jahr im Durchschnitt zu sich. Das soll 800 Flaschen
Bier entsprechen, oder – eben auf französisch –
153 Flaschen Wein. Auf das durchschnittliche Wochenpensum runtergerechnet sind das etwa drei
Flaschen Wein beziehungsweise über 15 Flaschen
Bier! Beachtliche Mengen, wenn man bedenkt,
dass es unter den von der WHO unter diesem Aspekt beobachteten Bevölkerungsgruppen auch
zahlreiche Nichttrinker geben dürfte.
Allerdings teilen sich die Bewohner beider Länder
nicht nur die Liebe zum Alkohol, sondern auch die
zum Auto. Während bei unseren Nachbarn knapp
unter 500 Pkw auf 1.000 Einwohner kommen, sind
es hierzulande knapp über 500. Insgesamt 31,3
Millionen zugelassene Pkw zählten die europäischen Statistiker vor zwei Jahren auf Frankreichs
Straßen, hierzulande kam man auf über 42,3 Millionen.
SICHERHEIT UND GESUNDHEIT < BGHM-Aktuell 6 | 2012
Dieser traurigen Entwicklung wirkt die französische
Regierung jetzt entgegen. Seit dem Juli 2012 muss
in Frankreich jeder Pkw und jedes Motorrad über
50 ccm einen Alkohol-Selbsttest mitführen, was im
Übrigen auch für Touristen gilt. Kraftfahrer sollen
dazu angehalten werden, die eigene Fahrtüchtigkeit nach Alkoholgenuss selbst zu testen und das
Fahrzeug im Zweifelsfalle stehen zu lassen. Und
während man in Frankreich darauf hofft, auf diese
Weise etwa 500 Leben pro Jahr zu erhalten, stehen
Deutschlands Verkehrsexperten dieser Maßnahme
eher skeptisch gegenüber. Schon jetzt zieht der
ADAC die Zuverlässigkeit der mitzuführenden Blasröhrchen in Zweifel. Auch Bundesverkehrsminister
Peter Ramsauer scheint nicht überzeugt. Er setze
vielmehr auf die bislang gelebte Mischung aus
Aufklärung und engmaschige Kontrollen, heißt es
in einer n-tv-Meldung vom Juni 2012.
Der Sender zitiert zudem mit Chantal Perrichon
die Präsidentin der französischen „Ligue contre la
violence routière“ (Liga gegen Gewalt im Straßenverkehr, LCVR). Demnach geht Perrichon davon
aus, dass sich auch in Zukunft die meisten Fahrer
wider besseren Wissens ans Steuer setzen werden.
Ihre These untermauert sie mit einer weiteren Zahl:
Über 80 Prozent der Verursacher tödlicher Alkoholunfälle in Frankreich sollen dabei mehr als 1,2 Promille im Blut gehabt haben – was leider für recht
festgefahrene Gewohnheiten sprechen würde.
Ob diese mit der relativ einfachen französischen
Maßnahme wirklich zu ändern sind, werden die
Zeit und die künftigen Zahlen zeigen. Aufklärungskampagnen scheinen im Vergleich dazu deutlich
zeit- und kostenintensiver, davon wissen die Berufsgenossenschaften in ihrem Engagement gegen
Wegeunfälle ein Lied zu singen. Gerade deshalb
und im Sinne aller (fahrenden) Menschen ist dem
französischen Vorstoß jeder nur erdenkliche Erfolg
zu wünschen.
Klaus Taubitz
Seit dem 1. Juli
2012 in Frankreich
vorgeschieben:
das Mitführen von
Röhrchen für den
Alkohol-Selbsttest
in jedem Kfz.
© Frédéric Massard - Fotolia.com
Die Folgen dieser Mischung aus Alkohol und Auto
sind eindeutig und leider sehr oft tödlich. Im letzten
Jahr starben auf Deutschlands Straßen 399 Menschen nach einem Unfall unter Alkoholeinfluss, somit geht hierzulande nahezu jeder zehnte tödliche
Unfall auf das Konto gehaltvoller Getränke. Was in
Deutschland, trotz der im europäischen Vergleich
niedrigsten Quote bereits drastisch klingt, wächst
sich in Frankreich zu einer regelrechten Tragödie
aus: Über 1.100 Menschen ließen dort nach einem
alkoholbedingten Verkehrsunfall ihr Leben. Somit
ist auf französischen Straßen jeder dritte Verkehrstote ein Opfer der landestypischen Trink- und Fahrgewohnheiten und Alkohol die Todesursache Nummer eins. Und das bei gleicher Promillegrenze, die
liegt hüben wie drüben bei 0,5.
Frankreich: Mitführpflicht von Alkoholtests
Seit dem 1. Juli 2012 muss jedes Kraftfahrzeug in
Frankreich ein unbenutztes und sofort einsatzbereites Gerät zur Messung des Atemalkohols
mitführen. Ausgenommen davon sind Halter
von Krafträdern mit einem Hubraum von bis zu
50 ccm und Kraftfahrzeuge, die mit einem Alcolock-System, also einer elektronischen AlkoholWegfahrsperre ausgerüstet sind. Der Alkoholtest
misst den in der Atemluft enthaltenen Alkoholgehalt, wobei das Fahren ab einem Atemalkoholgehalt von 0,25 mg/l verboten ist. Der mitgeführte
Alkoholtest darf das vom Hersteller angegebene
Haltbarkeitsdatum nicht überschritten haben
und muss zudem eine Kennzeichnung tragen,
die dessen Echtheit bestätigt. Kann der Fahrer
bei einer Verkehrskontrolle kein unbenutztes Alkoholmessgerät vorzeigen, ist sofort ein Bußgeld
in Höhe von elf Euro zu zahlen. Diese Regelung
gilt auch für ausländische Fahrzeughalter, die ihren Urlaub in Frankreich verbringen wollen oder
sich auf der Durchreise befinden.
Fbo/Tbz
Weitere Informationen im Internet
unter anderem unter:
www.ambafrance-de.org
www.adac.de
23
BGHM-Aktuell 6 | 2012 > SICHERHEIT UND GESUNDHEIT
EU-Kennzeichnungspflicht für Reifen
Label für den Handel
„Die Reifen sind das einzige Verbindungsstück zur
Straße“ mahnt der Deutsche Verkehrssicherheitsrat (DVR) zu Recht. Deshalb sollte beim Kauf der Sicherheitsaspekt im Vordergrund stehen. Das neue
EU-Label macht dazu lediglich für das Bremsverhalten auf nasser Straße eine Aussage. Zwischen
den Klassen A, B, C, E und F liegt mit Blick auf die
Nasshaftung jeweils ein zusätzlicher Bremsweg
von mindestens drei Metern, gemessen bei einer
Geschwindigkeit von 80 Kilometern pro Stunde.
Ein Reifen der Klasse C kommt, laut DVR-Angaben,
auf einer durchschnittlich griffigen Straße vier Meter später zum Stehen als einer der Klasse B. Eine
Wagenlänge also, die beim plötzlichen Auftauchen
eines Hindernisses schnell entscheidend werden
kann. Zum Bremsverhalten auf trockener Straße
macht das Label leider keine Angaben. Auch die
Beurteilung von Winterreifen ist anhand des Labels
nicht möglich.
In der Berechnung des Rollwiderstands liegt zwischen den Energieeffizienzklassen ein zusätzlicher, durchschnittlicher Kraftstoffverbrauch von
etwa einem Liter auf 1.000 Kilometer Strecke. Ein
Reifen der Klasse C verbraucht laut DVR auf dieser
Strecke durchschnittlich einen Liter Kraftstoff mehr
als ein Reifen der Klasse B, das entspricht zurzeit
etwa 1,70 Euro. Beim Reifen lassen sich nicht alle
Quelle: Bundesverband Reifenhandel
Seit Juni dieses Jahres laufen die ersten Reifen mit dem neuen EUReifenlabel vom Band, seit November ist das Kennzeichen für den
Handel Pflicht. Es macht Angaben zu den drei Kriterien Nasshaftung (Bremsweg auf nasser Straße), externes Rollgeräusch (Lautstärke) und Rollwiderstand (Kraftstoffverbrauch).
Kriterien in einem Produkt optimieren, heißt es in
der DVR-Pressemitteilung. Besonders kraftstoffeffiziente Reifen weisen auf nasser Fahrbahn in der
Regel einen schlechteren Bremsweg auf als die mit
einem höheren Rollwiderstand. Außerdem werde
die Reifenqualität noch von vielen weiteren Kriterien bestimmt. Der Blick auf das Reifenlabel erspart
dem Käufer nicht, vor dem Reifenkauf die Testergebnisse in Fachmagazinen, von Automobilclubs
und Prüforganisationen zu studieren. Diese bewerten in regelmäßigen Abständen neben den EU-Kriterien die Fahrstabilität, Seitenführung in Kurven,
Aquaplaning-Eigenschaften, Trockenhaftung und
bei Winterreifen auch den Grip auf Schnee und Eis:
Angaben, an denen vor der Kaufentscheidung kein
Weg vorbeiführt.
Ehg/Hbg
Bewertungskriterien des EU-Reifenlabels
Rollwiderstand:
• zeigt seine Energieeffizienz
• je höher der Rollwiderstand, desto größer der Kraftstoffverbrauch
Nasshaftung:
• bewertet den Grip des Reifens auf nasser Fahrbahn
• je besser die Nasshaftung, desto kürzer der Bremsweg
externes Rollgeräusch:
• gibt Aufschluss über den Geräuschpegel des Reifens in Dezibel
• jeder schwarze Streifen bedeutet eine Erhöhung des Rollgeräusches
• außen wahrnehmbares Geräusch ist nicht gleichbedeutend mit der
Geräuschbelastung im Fahrzeuginneren
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SICHERHEIT UND GESUNDHEIT < BGHM-Aktuell 6 | 2012
Ohne Spaltkeil an Kreissäge
Holzstück wird zum tödlichen Geschoss
Bei der Fertigung einer Kiste traf ein Holzstück den Mitarbeiter einer
Holzhandlung am Hals und verletzte dabei dessen Schlagader.
Foto: Gert Feihle/BGHM
Für den Mitarbeiter war es nicht
der erste Auftrag dieser Art. Deshalb sah sein Chef von einer Beaufsichtigung der Arbeiten ab. Nach
Einschätzung des Unternehmers
hätte der Mitarbeiter diese Arbeit
bis zum Feierabend beendet haben
müssen. Doch fand ein Kollege ihn
am Nachmittag desselben Tages
blutüberströmt auf einem Holzstapel liegend. Der sofort alarmierte
Rettungsdienst konnte aber nichts
mehr für ihn tun.
Da es keine Zeugen gab, musste
der Unfallhergang rekonstruiert
werden. Demnach wollte der Mitarbeiter ein Massivholzbrett auf einer
Formatkreissäge längs auftrennen.
Der Parallelanschlag der Kreissäge
Tragisches Ende eines Arbeitstages: Einfache Maßnahmen hätten den Tod des Arbeiters verhindern können.
war auf die Breite der Kiste eingestellt, wobei bereits drei einzelne
Bretter den Zwischenraum zwischen Sägeblatt und
trennte Leiste nicht frei liegen konnte, sondern
Anschlag ausfüllten. Insgesamt waren sie aber um
wahrscheinlich gegen das Sägeblatt gedrückt
etwa drei Zentimeter schmaler als die vorgesehene
wurde. Dies begünstigte den Rückschlag.
Breite der Kiste. Diese Lücke sollte nun eine Leiste • Das verwendete Vielzahnsägeblatt ist für Längsausfüllen, die der Mitarbeiter von einem weiteren
schnitte in Massivholz ungeeignet, es erzeugt eiBrett absägen wollte. Dabei nutzte er die linke Kannen hohen Gegendruck und neigt zum Rückschlag
te des linken Brettes als Parallelanschlag. Die Leis- • Für die Montage des Spaltkeils gab es im
te war bereits vollständig vom Brett abgetrennt,
Bereich der Kreissäge keinen passenden
als sie plötzlich vom Sägeblatt zurückgeschleudert
Schraubenschlüssel. Zudem mussten für die
wurde, dabei die Schutzhaube stirnseitig durchexakte Einstellung des Spaltkeils Unterlegbleschlug und den Mitarbeiter am Hals traf. Unglückliche verwendet werden, um diesen richtig zum
cherweise verletzte sie dessen Halsschlagader.
Sägeblatt zu positionieren.
Die Untersuchung ergab außerdem, dass an der
Maschine ohne den erforderlichen Spaltkeil gearbeitet wurde. Einen solchen gab es zwar in der
Werkstatt, nur war er nicht montiert. Dies erklärt,
warum die Holzleiste vom Sägeblatt erfasst werden
konnte und zu einem tödlichen Geschoss wurde.
Der Unfall ist jedoch auf mehrere Ursachen zurückzuführen:
• Der Mitarbeiter hat ohne Spaltkeil gearbeitet
(Hauptunfallursache).
• Ein Schiebeholz mit Handgriff zum Führen der
Leiste wurde nicht verwendet.
• Das als Parallelanschlag verwendete Brett (Länge: 1750 mm) reichte bis über die hintere Kante
des Maschinentisches hinaus, sodass die abge-
Darüber hinaus zeigt der Unfall vor allem, wie
wichtig ein Spaltkeil an Kreissägen ist. Maschinenbediener unterschätzen dies sehr oft, weil sie meinen, die Hauptgefahr ginge vom Sägeblatt selbst
aus. Dass es durch das Herausschleudern von
Holzresten zu einer tödlichen Verletzung kommen
kann, hält dagegen kaum jemand für möglich.
Wie hätte die sichere Arbeitsweise ausgesehen?
1. Geeignetes Sägeblatt verwenden
2. Spaltkeil montieren und richtig einstellen
3. Schutzhaube auf das zu sägende Brett absenken
4. Schiebestock für das Führen der Leiste benutzen
Peter Hackenberg / Gert Feihle
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© Ingo Bartussek - Fotolia.com
BGHM-Aktuell 6 | 2012 > LEISTUNG UND RECHT
LEISTUNG UND RECHT < BGHM-Aktuell 6 | 2012
Versicherungsschutz bei Probearbeit
Grad der Einbindung entscheidet
Die BGHM erreichen viele Anfragen zum Thema Versicherungsschutz bei Probearbeit. Hier die Antworten auf die
wichtigsten Fragen.
Was ist Probearbeit überhaupt?
Die Besonderheit liegt darin, dass kein Arbeitsverhältnis besteht. Von einem Probearbeitsverhältnis,
auch Probebeschäftigung oder Einfühlungsverhältnis, manchmal auch Kurzpraktikum oder Trainee genannt, spricht man vielmehr dann, wenn
ein Arbeitssuchender bei einem potentiellen Arbeitgeber einen Tag verbringt, um zu erproben, ob
er für diese Tätigkeit geeignet ist. Man spricht von
Schnuppertag oder Hospitationstag. Für diese Tätigkeit erhält der Arbeitssuchende kein Geld.
Wann ist ein Arbeitnehmer über die Berufsgenossenschaft versichert?
Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung besteht für versicherte Tätigkeiten. Dies
sind solche, die in einem Beschäftigungsverhältnis verrichtet werden. Dabei geht der Begriff des
Beschäftigungsverhältnisses weiter als der des
arbeitsrechtlichen Arbeitsvertrages. Es kommt für
das Vorliegen einer Beschäftigung nicht auf den
Abschluss eines wirksamen Arbeitsvertrages an.
Entscheidend ist ausschließlich, ob eine Tätigkeit
für ein fremdes Unternehmen aufgenommen wurde und dieser Unternehmer die Verfügungsgewalt
über die Arbeitskraft des Beschäftigten hat.
Ist Probearbeit eine versicherte Tätigkeit?
Nein, aber…, bei einer Probeschäftigung wird die
Tätigkeit zur Anbahnung eines möglichen späteren
Arbeitsverhältnisses erbracht. Dabei ist unerheblich, wer die Probearbeit vorschlägt. Der Arbeitssuchende erhält für diese, zur Probe erbrachte
Tätigkeit kein Entgelt. Das Direktionsrecht des
Arbeitgebers gilt bei der Probearbeit nur eingeschränkt. Der Arbeitgeber kann also weder qualitativ noch quantitativ eine bestimmte Arbeitsleistung verlangen. Die Erlangung eines Arbeitsplatzes
ist alleiniges Ziel der Probearbeit. Deshalb hat die
Rechtsprechung in solchen Fällen den Versicherungsschutz verneint. Weil eben keine versicherte
Tätigkeit vorliegt. Es fehlt häufig an der Eingliederung in das Unternehmen, so dass der Arbeitgeber eben nicht über die Arbeitskraft des Arbeitssuchenden wie bei einem Beschäftigten verfügen
kann. Rechte und Pflichten wie aus einem Arbeitsvertrag bestehen zu diesem Zeitpunkt weder für
den Arbeitgeber noch für den Arbeitssuchenden.
In einem besonders gelagerten Fall hat allerdings
das Landessozialgericht Hamburg jetzt die Eingliederung in das Unternehmen bejaht und deshalb
Versicherungsschutz gewährt. Diesem Urteil lag
folgender Sachverhalt zugrunde: Ein Arbeitsloser
hatte sich aus eigenem Antrieb bei einem Postzustellbetrieb als Postzusteller beworben. Es war
vereinbart worden, dass der Arbeitslose probehalber drei Tage lang ohne Anspruch auf Entgelt
jeweils sechs Stunden täglich die Tätigkeit eines
Postzustellers ausführt. Für die darauf folgende
Woche war der Abschluss eines Arbeitsvertrages
in Aussicht gestellt worden. An den ersten beiden
Tagen war der Arbeitslose von anderen Mitarbeitern des Zustellunternehmens begleitet worden
um ihm alles Erforderliche zu zeigen. Am Morgen
des dritten Tages erhielt der Arbeitssuchende die
Dienstkleidung, ein Dienstfahrrad sowie zwei an
dem Fahrrad zu befestigende Taschen mit Post,
die er in einem vorgegebenen Bezirk selbstständig
austragen sollte. Nachdem er schon die Hälfte der
zu verteilenden Post ausgetragen hatte, wurde er
von einem Hund angesprungen. Dabei rutschte er
mit dem Dienstfahrrad weg und stürzte. Er zog sich
schwere Verletzungen zu. Zum Abschluss eines Arbeitsvertrages kam es auch nach Ausheilung der
Verletzungen nicht.
Das Gericht führte aus, dass spätestens mit der
Aushändigung von Dienstkleidung und Dienstfahrrad sowie der Anweisung, die Post in einem
bestimmten Bezirk auszutragen, die Tätigkeit des
Arbeitslosen alle Merkmale einer Beschäftigung
aufwies. Der Arbeitssuchende war wie ein Beschäftigter in den Dienstbetrieb eingegliedert und ging
deshalb im Interesse des Arbeitgebers einer versicherten Tätigkeit nach.
Für den Versicherungsschutz kommt es also entscheidend darauf an, ob und in welcher Weise eine
Eingliederung in das Unternehmen erfolgt. Soll
oder will ein Stellenbewerber lediglich testen, ob
eine Tätigkeit für ihn geeignet ist, und wird er dabei zwar von einem Mitarbeiter des Unternehmens
unterstützt und mit der neuen Tätigkeit vertraut gemacht, so kann man noch nicht von einer erfolgten
Eingliederung sprechen. In einem solchen Fall besteht dann kein Unfallversicherungsschutz.
Haben Sie noch Fragen hierzu? Wir helfen Ihnen
gerne weiter! Unser Service-Center erreichen Sie
unter der Rufnummer 0800/9990080-1.
Raimond Polak
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BGHM-Aktuell 6 | 2012 > LEISTUNG UND RECHT
BGHM-Lohnnachweis 2012
Am besten geht’s über das Extranet
In diesen Tagen verschickt die Berufsgenossenschaft Holz und Metall (BGHM) das Formular zum Lohnnachweis 2012. Dieses können
Sie handschriftlich ausfüllen und per Post zurückschicken. Oder
Sie nutzen die Möglichkeit des Extranet.
Mit dem Formular „Lohnnachweis 2012“ melden
Sie bitte möglichst bis zum 31. Januar 2013, spätestens jedoch bis zum 11. Februar 2013 (gesetzlicher
Termin):
• das Bruttoarbeitsentgelt für 2012 aller Beschäftigten Ihres Unternehmens
• die von Ihren Beschäftigten geleisteten Arbeitsstunden in 2012
• die Zahl der Beschäftigten.
• Über www.bghm.de und den Button „Extranet“
gelangen Sie zur Einstiegsmaske.
• Im Bereich „Lohnnachweis“ erscheinen die
gleichen Daten, die auch der Papierlohnnachweis enthält.
• Die eingegebenen Daten werden gespeichert
und Sie können diese – unter Eingabe der
Benutzerdaten – abrufen oder ändern. Zudem
können Sie den Online-Lohnnachweis für Ihre
Unterlagen ausdrucken.
Online-Meldung über Extranet
Die einfachste, schnellste und sicherste Form der
Übermittlung ist die über das Extranet. Der Zugang
ist mit einem Kennwort geschützt. Wenn Sie bereits Ihre Zugangsdaten haben, können Sie damit
wie gewohnt die Daten übermitteln. Aber auch Mitgliedsunternehmen ohne Zugangsdaten können
den Lohnnachweis für 2012 online einreichen. Das
Lohnnachweisformular enthält oben rechts ein für
Ihr Unternehmen vergebenes Kennwort, das aber
ausschließlich für die Meldung der Entgeltsummen
für das Jahr 2012 bestimmt ist. Und so funktioniert
es:
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Für diesen Service benötigen Sie keine weitere
Software. Außerdem unterstützt eine Hilfefunktion
das Ausfüllen des elektronischen Formulars. Sie
können dieses aber auch ausdrucken, handschriftlich ausfüllen und per Post an die BGHM zurücksenden. Damit die Daten maschinell verarbeitet
werden können, beachten Sie bitte:
• Übersenden Sie den ausgefüllten Lohnnachweis
im Original. Die Übermittlung per Telefax macht
eine maschinelle Verarbeitung nur mit aufwändigen manuellen Korrekturen oder Nacherfassungen möglich.
LEISTUNG UND RECHT < BGHM-Aktuell 6 | 2012
• Der nachweispflichtige Höchstbetrag liegt bei
84.000 € je versicherter Person im gesamten
Kalenderjahr. Bei nicht ganzjähriger Beschäftigung darf dieser Betrag nicht anteilig gekürzt
werden.
• Wurden im Jahr 2012 keine Personen – auch
keine Aushilfen – beschäftigt, ist trotzdem ein
Lohnnachweis einzureichen. Dafür ist das Feld
„Fehlanzeige“ zu kennzeichnen.
Hier geht es zum
Extranet der BGHM
Beachten Sie bitte auch das Informationsschreiben zum Lohnnachweis. Einen Arbeitsentgeltkatalog finden Sie im Internet unter www.bghm.de/
unternehmer/beitrag/lohnnachweis
DEÜV-Verfahren
2009 wurde das DEÜV-Verfahren um den Baustein
„Unfallversicherung“ erweitert. Diese Meldung soll
in Zukunft den bisher bekannten Papier-Lohnnachweis ersetzen. In der Übergangszeit sind beide
Meldungen (Lohnnachweis und DEÜV) erforderlich. Die Entgeltmeldungen gegenüber den Krankenkassen sind um die Daten für die gesetzliche
Unfallversicherung zu ergänzen. Dabei sind die Daten im korrekten Format einzutragen, da ansonsten die komplette Meldung abgewiesen wird. Für
die Meldung jedes einzelnen Beschäftigten an die
Krankenkasse benötigen Sie die folgenden Daten:
• Betriebsnummer Ihrer Berufsgenossenschaft
bei der Bundesagentur für Arbeit
• Mitgliedsnummer Ihres Unternehmens bei Ihrer
Berufsgenossenschaft
• Tarifstelle des Unternehmenszweigs, in der die
Entgelte der Mitarbeiter nachzuweisen sind
• Beitragspflichtiges Entgelt
• Geleistete Arbeitsstunden des Beschäftigten
Für das Jahr 2012 gelten die bereits bekannten Betriebsnummern Ihrer BG und Ihre Tarifstellen. Die
mit dem aktuellen Veranlagungsbescheid übermittelten Daten gelten erst ab dem 1.1.2013.
Berufsgenossenschaft Holz und Metall
Gefahrtarif 2013
Bitte online oder per Hand
ausfüllen und zurückschicken
an die BGHM bis zum 31.
Januar 2013.
Dem Bundesversicherungsamt (BVA) liegt der
Entwurf eines neuen Gefahrtarifs der Berufsgenossenschaft Holz und Metall (BGHM) zur
Genehmigung vor. Dieser ist am 21. November
2012 von der BGHM-Vertreterversammlung verabschiedet worden und soll zum 1.1.2013 in Kraft
treten. Die Zustimmung des BVA vorausgesetzt,
besteht der neue Gefahrtarif künftig nur noch
aus neun Tarifstellen. Dabei finden sich technologisch gleiche oder vergleichbare Gewerbezweige genauso in einer Tarifstelle wieder, wie
diejenigen mit ähnlichem Risiko – und zwar
unabhängig von der Branche. Mit dem Entwurf
fasst die BGHM die bislang geltenden drei verschiedenen Versionen der Vorgänger-Berufsgenossenschaften zusammen und realisiert ein
weiteres Fusionsziel: ein im Sinne der Solidarität stabiler und für alle Betriebe gleichermaßen
fairer Gefahrtarif. Weitere Informationen im Internet unter www.bghm.de sowie in der nächsten Ausgabe der BGHM-Aktuell.
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BGHM-Aktuell 6 | 2012 > LEISTUNG UND RECHT
Medizinische Spitzentechnik
Foto: BG-Klinik Tübingen
Schnellere und bessere Bilder bei
geringerer Strahlung
Universitätsprofessor Dr. Ulrich
Stöckle (links) und Oberarzt
Dr. Oliver Luz präsentieren den
neuen Computertomographen
der BG Klinik Tübingen.
Ein Beispiel für die in der berufsgenossenschaftlichen Versorgung
von Unfallopfern eingesetzte medizinische Spitzentechnik liefert
jetzt die Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen (BG Klinik).
Dort ist Ende August dieses Jahres ein neuer Computertomograph in Betrieb genommen worden.
Das Gerät soll die Strahlendosis um etwa 20 Prozent reduzieren und nimmt bei einer Röhrenumdrehung 128 anstelle der bisher üblichen 16 Bilder auf.
Möglich werden damit Schichtröntgenaufnahmen
in einer erheblich besseren Qualität, die selbst
kleinste Strukturen von 0,3 mm noch genau abbilden.
Weil in der Versorgung von Unfallopfern außerdem
der Faktor Zeit eine entscheidende Rolle spielt,
kommt die technische Innovation vor allem dieser
Patientengruppe zugute. Denn mit dem Gerät sind
von Kopf bis Fuß reichende Ganzkörperaufnahmen
in rund zehn Sekunden möglich. „Je schneller die
Röntgenbilder und die Befunde vorliegen, desto
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schneller können wir im Schockraum entscheiden,
welche Behandlung die beste für den Verletzten
ist. Die hier gewonnene Zeit kann unter Umständen
über Leben und Tod des Patienten entscheiden.“
betont Universitätsprofessor Dr. Ulrich Stöckle, der
Ärztliche Direktor der BG Klinik.
Aber auch andere Patienten profitieren von der
neuen Technik. Mit 78 cm Durchmesser ist die Öffnung des neuen Geräts, durch die der Patient teilweise hindurchgefahren wird, deutlich größer als
bisher üblich. Dies verbessere den Komfort während der Untersuchung für Kinder und unter räumlicher Enge leidende oder sehr schwere Patienten,
heißt es in der Mitteilung der Klinik.
BG-Klinik/Tbz
LEISTUNG UND RECHT < BGHM-Aktuell 6 | 2012
Beihilfe zur Körperverletzung?
Mitarbeiter mehrfach schwer verprügelt
Angeklagt war der Vorarbeiter eines städtischen
Bauhofs. Dort führte er drei Mitarbeiter, die zwischen 2006 und 2008 den Mitarbeiter einer anderen Kolonne während der Arbeitszeit mehrfach
schwer verprügelt hatten, unter anderem mit
Knüppeln, Ketten und Werkzeugen. In einem Falle
erlitt das Opfer eine Rippenfraktur und blieb wegen starker Schmerzen mehrere Stunden bewegungsunfähig am Tatort liegen. Den Feststellungen
des Landgerichts zufolge war der Vorarbeiter bei
mindestens drei schweren Übergriffen anwesend,
ohne dabei einzuschreiten. Das Landgericht verurteilte nur die drei Haupttäter wegen gefährlicher
Körperverletzung und sprach den Vorarbeiter von
der Beihilfe zur Körperverletzung frei.
Diesen Freispruch hielt der BGH allerdings für bedenkenswert und hob das Urteil gegen den Vorarbeiter auf. Da der Vorgesetzte sich an den Misshandlungen nicht beteiligt hatte, wäre lediglich
eine Verurteilung wegen Körperverletzung durch
Unterlassen in Betracht gekommen. Das Unterlassen einer Handlung setzt aber eine sogenannte Garantenstellung voraus. Darunter versteht der BGH
eine besondere Pflicht, die über die für jedermann
geltende Handlungspflicht hinausgeht. Eine solche kann sich zum Beispiel dann ergeben, wenn
ein Arbeitgeber einem Vorgesetzen arbeitsvertraglich die Pflicht zum Schutze von Rechtsgütern des
Mitarbeiters vor Angriffen Dritter überträgt. Allerdings lagen im beschriebenen Fall die Voraussetzungen dafür nicht vor: Zum einen war der Vorarbeiter weder der Vorgesetzte des Opfers, noch war
dieser Mitarbeiter seiner Kolonne zugeteilt. Er war
also nicht für ihn verantwortlich.
Zum andern beschränkt sich eine Garantenpflicht
des Vorgesetzten zur Verhinderung von Straftaten
nachgeordneter Mitarbeiter nur auf „betriebsbezogene Straftaten“ und nicht auf solche, die lediglich
bei Gelegenheit der Tätigkeit im Betrieb begangen
werden. Allein aus der vom Gericht als Mobbing
bezeichneten Tatserie über mehrere Jahre hinaus
lässt sich nach Auffassung des BGHs aber keine
Betriebsbezogenheit herleiten. Die Misshandlun-
© starkmacher - Fotolia.com
Macht sich ein Vorgesetzter bei Misshandlungen eines Mitarbeiters durch Kollegen
strafbar? Mit dieser Frage hat sich der Bundesgerichtshof (BGH) im November letzten Jahres
beschäftigt.
gen standen weder in einem Zusammenhang zur
Tätigkeit der Mitangeklagten im Rahmen des Arbeitsverhältnisses, noch hat sich in den Misshandlungen eine dem Bauhof spezifisch anhaftende
Gefahr verwirklicht.
Szene gestellt
Unterlassene Hilfeleistung?
Dagegen sah der BGH aber deutliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer anderen strafbaren Handlung, nämlich die einer unterlassenen Hilfeleistung
bei Unglücksfällen nach § 323c StGB. Darunter fällt
auch ein Unglücksfall infolge einer Straftat durch
Dritte. Dies hatte das erstinstanzliche Landgericht
aber nicht geprüft. Deshalb hat es jetzt zu klären,
warum der Vorarbeiter nicht eingeschritten war,
warum er den Tätern keine arbeitsrechtlichen Maßnahmen zur Beendigung der Taten androhte und
warum er im Anschluss an die Taten keinen Arzt herbeiholte und das Opfer in einem Falle sogar mehrere
Stunden allein bewegungsunfähig zurückließ.
(Bundesgerichtshof Urteil vom 20.10.2011
Az.: 4 StR 71/11)
Karl Heinz Schwirz
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Frohe Weihnachten
und ein gesundes
neues Jahr 2013
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