Algebraische Geometrie Vorlesung 12 24.05.2006 Dieses Dokument wurde von der Homepage www.sigma-mathematics.de runtergeladen. Es darf zu nichtkommerziellen Zwecken verwendet und frei weitergegeben werden. Jeglicher Mißbrauch ist untersagt. Ich hafte nicht für eventuelle Schäden, die durch Verwendung dieses Dokuments auftreten. Sollte das Dokument Fehler enthalten, so melden Sie diese bitte an [email protected]. Exkurs. „Zusammenhängend“ und „irreduzibel“ sind rein topologische Konzepte. M topologischer Raum. M zusammenhängend ⇔ aus M = M1 ∪˙ M2 , Mi offen, folgt M1 = M , M2 = ∅ (oder umgekehrt) ⇔ ∅ und M sind die einzigen Teilmengen von M , die sowohl offen als auch abgeschlossen sind. M irreduzibel ⇔ aus M = M1 ∪ M2 , Mi abgeschlossen, folgt M1 = M oder M2 = M . 3.20. Satz. M topologische Menge. Äquivalent: (a) M irreduzibel. (b) Je zwei nicht-leere offene Mengen in M haben nicht-leeren Schnitt. (c) Jede nicht-leere offene Menge ist dicht in M . Beweis. „(a) ⇒ (b)“: Seien U1 , U2 6= ∅ offen und U1 ∩ U2 = ∅. Dann sind M \ U1 , M \ U2 abgeschlossen und M = M \ ∅ = M \ (U1 ∩ U2 ) = (M \ U1 ) ∪ (M \ U2 ), M \ Ui 6= M . „(b) ⇒ (c)“: Sei U 6= ∅ offen und U ⊂ M . Dann ist M \ U offen und nicht-leer, und U ∩ M \ U , M \ U ⊆ M \ U , also U ∩ M \ U = ∅. „(c) ⇒ (a)“: Sei M = M1 ∪ M2 , Mi abgeschlossen, Mi ⊂ M . Dann ist M \ M1 offen und nicht-leer und M \ M1 ⊆ M2 ⇒ M \ M1 ⊆ M2 = M2 ⊂ M . Also M \ M1 nicht dicht in M . 3.21. Folgerung. M topologische Menge, M1 ⊆ M1 ⊆ M mit induzierter Topologie. Äquivalent: (a) M1 irreduzibel. (b) U1 , U2 offen in M , U1 ∩ M1 6= ∅, U2 ∩ M1 6= ∅ ⇒ U1 ∩ U2 ∩ M1 6= ∅. (c) M1 irreduzibel. Beweis. „(a) ⇔ (b)“: Folgt aus 3.20 (per Definition der induzierten Topologie). „(b) ⇔ (c)“: Folgt aus folgender Beobachtung: U offen in M . Dann U ∩ M1 6= ∅ ⇔ U ∩ M1 6= ∅ (∗). (Dann kann man in (b) M1 durch M1 ersetzen und „(a) ⇔ (b)“ liefert dann „(b) ⇒ (c)“.) Bei (∗) ist „⇒“ klar. Für „⇐“: Sei U ∩ M1 = ∅. Dann ist M1 ⊆ M \ U , M \ U abgeschlossen. Also M1 ⊆ M \ U = M \ U , d.h. M1 ∩ U = ∅. 3.22. Satz. M , N topologische Mengen, f : M → N stetig, M irreduzibel. Dann: f (M ), f (M ) irreduzibel. Anwendung. V ⊆ K n algebraische Menge, f : K m → V Morphismus algebraischer Mengen (also insbesondere 3.22 Zariski-stetig) und dominant, d.h. f (K m ) = V ⇒ V irreduzibel. Also: Reduzible algebraische Mengen sind nicht parametrisierbar (polynomial). f stetig Beweis des Satzes. f (M ) = N1 ∪ N2 , Ni abgeschlossen in N . ⇒ M = f −1 (N1 ) ∪ f −1 (N2 ) ⇒ f −1 (N1 ), f −1 (N2 ) abgeschlossen in M . Da M irreduzibel, folgt etwa M = f −1 (N1 ). Also f (M ) = N1 . D.h. f (M ) irreduzibel, f (M ) irreduzibel laut 3.21. 1 2 www.sigma-mathematics.de/semester7/alggeom/vorlesungen/vorlesung12.pdf Sk 3.23. Lemma. M topologische Menge, Mi , N ⊆ M , N irreduzibel, Mi abgeschlossen, N ⊆ i=1 Mi . Dann gibt es ein i mit N ⊆ Mi . Sk Sk Beweis. N = ( i=1 Mi ) ∩ N = i=1 (Mi ∩ N ), Mi ∩ N abgeschlossen in N . Da N irreduzibel, folgt: Es gibt ein i mit N = Mi ∩ N , also N ⊆ Mi . Zurück zur Irreduzibilität von algebraischen Mengen/Varietäten. 3.24. Satz. (M, A) algebraische Varietät, M 6= ∅. (a) Es gilt: M irreduzibel ⇔ A Bereich. (b) ∅ = 6 N ⊆ M abgeschlossen in M . N irreduzibel ⇔ A/ J A (N ) Bereich ⇔ J A (N ) Primideal. Beispiel. V ⊆ K n algebraische Menge, V 6= ∅. V irreduzibel ⇔ K[V ] Bereich ⇔ J (V ) Primideal in K[x1 , . . . , xn ]. Beweis. (a) „⇒“: Da M 6= ∅ ist A 6= {0}. Seien f, g ∈ A, so dass f g = 0. V M (f ) ∪ V M (g) = V M (f g) = V M (0) = M . Da M irreduzibel, folgt V M (f ) = M oder V M (g) = M , also f = 0 oder g = 0. „⇐“: Sei M = V M (F1 ) ∪ V M (F2 ), Fi ⊆ A, V M (Fi ) 6= M . Also Fi 6= {0}. Daher gibt es ein 0 6= f1 ∈ F1 , 0 6= f2 ∈ F2 . M = V M (F1 ) ∪ V M (F2 ) ⊆ V M (f1 ) ∪ V M (f2 ) = V M (f1 f2 ) ⇒ f1 f2 = 0. (b) Folgt aus (a), da K[N ] ∼ = A/ J A (N ). Zusammenfassung. Koordinatenring J . {algebraische Mengen in K n } n {radikale Ideale in K[x1 , . . . , xn ]} reduzibel V . {nicht-leere irreduzible algebraische Mengen in K n } o {Punkte in K n } n / {Primideale in K[x1 , . . . , xn ]} Bereich {maximale Ideale in K[x1 , . . . , xn ]} Körper Analog für (M, A): Koordinatenring . {algebraische Mengen in M } n . {nicht-leere irreduzible algebraische Mengen in M } o {Punkte in M } n {radikale Ideale in A} . reduzibel {Primideale in A} Bereich {maximale Ideale in A} Körper 3.25. Satz. (M, A) algebraische Varietät. (a) M ist endliche Vereinigung abgeschlossener irreduzibeler Teilmengen. Sk (b) Ist M = i=1 Mi und Mi abgeschlossen, irreduzibel, und gilt für alle i 6= j, dass Mi * Mj , so sind die Mi gerade die (bzgl. ⊆) maximalen irreduziblen Teilmengen von M (sogenannte irreduzible Komponenten von M ). Jede irreduzible Teilmenge von M ist in einer der irreduziblen Komponenten enthalten. 3 www.sigma-mathematics.de/semester7/alggeom/vorlesungen/vorlesung12.pdf (c) Es gilt Mj * k [ Mi , i=1 i6=j d.h. man kann in M = Sk i=1 Mi kein Mi weglassen. Also: M ist eine „nicht verkleinerbare“ Vereinigung seiner endlich vielen irreduziblen Komponenten. Vorbemerkung. A Noethersch (da A endlich erzeugte K-Algebra, A ∼ = K[x1 , . . . , xn ]/I) ⇔ jede nichtleere Menge von Idealen in A enthält ein maximales Element ⇒ jede nicht-leere Menge von abgeschlossenen Teilmengen von M enthält ein minimales Element. Beweis. (a) Sei M die Menge aller Teilmenge N ⊆ M , für die N abgeschlossen und N nicht endliche Vereinigung von abgeschlossenen irreduziblen Teilmengen ist. Annahme: M = 6 ∅. Dann enthält M ein minimales Element, etwa N ∗ . N ∗ ist abgeschlossen und nicht irreduzibel, N ∗ = N1 ∪ N2 , Ni abgeschlossen, Ni ⊂ N ∗ . N ∗ minimal ⇒ Ni ∈ / M, d.h. Ni sind endliche Vereinigung abgeschlossener irreduzibler Mengen. Dann aber auch N ∗ , Widerspruch. Sk (b) M = i=1 Mi , Mi abgeschlossen und irreduzibel, für alle i 6= j gelte Mi * Mj . (1) Sei N irreduzible Teilmenge von M , N ⊆ Sk i=1 Mi . Lemma 3.23 ⇒ es gibt ein i mit N ⊆ Mi . (1) (2) Sei Mi ⊆ N ⊆ M , N irreduzibel ⇒ es gibt ein j mit Mi ⊆ N ⊆ Mj ⇒ i = j ⇒ N = Mi . Also: Die Mi sind bzgl. Inklusion maximal. (1) N maximal (3) Sei N eine (bzgl. ⊆) maximale irreduzible Teilmenge von M ⇒ es gibt ein i mit N ⊆ Mi ⇒ N = Mi . Also: Eine (bzgl. ⊆) maximale irreduzible Teilmengen von M muss eine der Mi sein. Sk (c) Wäre Mj ⊆ i=1 Mi , so würde folgen: Es gibt ein i 6= j mit Mj ⊆ Mi , Widerspruch. i6=j Bemerkung. Die Existenz von irreduziblen Komponenten (also von bzgl. ⊆ maximalen irreduziblen Teilmengen) erhält man im nicht-Noetherschen Fall mit dem Zorn’schen Lemma. Es gilt: Mi irreduzible Komponente ⇒ Mi abgeschlossen, denn Mi irreduzibel ⇒ Mi irreduzibel und wenn Mi bzgl. ⊆ maximal, folgt Mi = Mi . Für die endliche Anzahl der irreduziblen Komponenten braucht man aber im Allgemeinen Noethersch.