Freie wissenschaftliche Arbeit zur Erlangung des Grades Bachelor of Science Wirtschaftswissenschaften Prof. Dr. Peter Bofinger Wintersemester 2011/2012 Target2-Salden: Ursachen und Problematik eingereicht bei: Prof. Dr. Peter Bofinger Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre, Geld und internationale Wirtschaftsbeziehungen Julius-Maximilians-Universität Würzburg Name: Herget Vorname: Stephan Studienfach: Bachelor Wirtschaftswissenschaften Fachsemester: 7. Semester Semesteranschrift: Würzburg 97074 Zürnstraße 2, App. 1110 Abgabetermin: 05.04.2012 ,, Inhaltsverzeichnis II Abkürzungsverzeichnis IV Abbildungsverzeichnis V 1 Target2-Salden als öffentliches Diskussionsthema ....................................................1 2 Das Target2-System .....................................................................................................2 2.1 Definition .................................................................................................................2 2.2 Zielsetzung ...............................................................................................................3 3 Einführung und Entwicklung des Target2-Systems .................................................4 4 Entstehen der Target2-Salden .....................................................................................5 4.1 Target2-Salden infolge einer Leistungstransaktion .................................................5 4.1.1 Kreditvergabe der griechischen Geschäftsbank ...............................................6 4.1.2 Vergabe eines Refinanzierungskredits durch die griechische Zentralbank ......7 4.1.3 Überweisung des Zentralbankguthabens ..........................................................7 4.1.4 Veränderung der Vermögensbestände..............................................................8 4.1.5 Buchungen in den Zahlungsbilanzen .............................................................11 4.2 Target2-Salden aufgrund reiner Finanztransaktionen ...........................................12 4.3 Target2-Salden aufgrund einer Vermögensübertragung .......................................13 5 Entwicklung der Target2-Salden ..............................................................................14 5.1 Stand der Target-Salden ........................................................................................15 5.2 Gründe für den Verlauf der Target2-Salden ..........................................................16 6 Gefahrenpotential der Target2-Salden ....................................................................18 6.1 Einfluss auf den Kreditmarkt .................................................................................18 6.1.1 Verdrängung der Refinanzierungskredite ......................................................19 6.1.2 Einfluss auf die Kreditvergabe an den Privatsektor .......................................20 6.2 Target2-Kredite als Finanzierung der Leistungsbilanzdefizite..............................21 6.3 Auswirkungen einer Veränderung der Zusammensetzung des Eurosystems ........24 6.3.1 Staatspleite Griechenlands .............................................................................24 6.3.2 Austritt Deutschlands aus dem Eurosystem ...................................................25 6.4 Target2-Saldo als Gefahr für die Goldreserven der Deutschen Bundesbank ........25 6.4.1 Aktiva der Bundesbank ..................................................................................26 ,,, 6.4.2 Bundesbank als Nettoschuldner gegenüber Geschäftsbanken .......................27 7 Fazit .............................................................................................................................29 Literaturverzeichnis ......................................................................................................31 Eidesstattliche Erklärung .............................................................................................37 IV Abkürzungsverzeichnis ESZB Europäisches System der Zentralbanken EZB Europäisches Zentralbank GIIPS Griechenland, Irland, Italien, Portugal, Spanien TARGET Trans-European Automated Real-time Gross Settlement Express Transfer System V Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Kontoansicht Giralgeldschöpfung ...............................................................6 Abbildung 2: Kontoansicht Zentralbankgeldschöpfung....................................................7 Abbildung 3: Überweisung Zentralbankgeld ....................................................................8 Abbildung 4: Veränderung Vermögensbestände ..............................................................8 Abbildung 5: Verbuchung Target2-Forderung/Verbindlichkeit .......................................9 Abbildung 6: Target2-Ablauf Modell .............................................................................10 Abbildung 7: Zahlungsbilanz bei Leistungstransaktion ..................................................11 Abbildung 8: Zahlungsbilanz bei reinen Finanztransaktionen ........................................13 Abbildung 9: Zahlungsbilanz bei einer Vermögensübertragung ....................................14 Abbildung 10: Target2-Salden europäischer Notenbanken ............................................15 Abbildung 11: Entwicklung der Target2-Salden.............................................................17 Abbildung 12: Entwicklung Refinanzierungskredit und Target2-Saldo .........................19 Abbildung 13: Buchkredite an Privatsektor ....................................................................21 Abbildung 14: Zentralbankenbilanz Westermanns .........................................................26 Abbildung 15: Entwicklung Einlagen bei der Bundesbank und Vergabe von Refinanzierungskrediten ..................................................................................................28 1 1 Target2-Salden als öffentliches Diskussionsthema „Scheitert der Euro, scheitert Europa“. 1 Mit diesem Satz zeigte die Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland, Angela Merkel, bei der Generaldebatte des Bundestages zum Haushalt 2012 die Bedeutung einer gemeinsamen Währung für ein gemeinschaftliches Europa auf. Die Euro-Krise, die im Herbst 2009 begann, wurde durch die Finanzkrise von 2008 hervorgerufen. Griechenland, Irland, Portugal und Spanien und seit neuestem auch Italien (GIIPS-Länder) stehen hierbei aufgrund ihrer Staatsverschuldung im Mittelpunkt. Um gegen diese Krise anzukommen und G riechenland vor dem Staatsbankrott zu retten, wurde 2010 ein sogenanntes Rettungspaket mit einem Umfang von über 110 Milliarden Euro durch die Euroländer und den Internationalen Währungsfonds verabschiedet. Ein zweites Rettungspaket in Höhe von 130 M illiarden Euro wurde im Februar 2012 beschlossen. 2 Die Bereitstellung dieser Rettungspakete wird in der breiten Medienlandschaft vehement diskutiert. Ein Übergang von einer Währungsunion zu einer dauerhaften Transferunion, ähnlich des deutschen Länderfinanzausgleichs, wird dabei in weiten Bevölkerungsteilen befürchtet. Während der Euro-Krise sind sogenannte Target2-Salden enorm gestiegen. Diese genießen in der Fachwelt unter den Volkswirten höchste Aufmerksamkeit, sodass sich eine Diskussion über ihre Interpretation entfaltet hat. Der Präsident des Ifo Instituts für Wirtschaftsforschung, Prof. Dr. Dr. Hans-Werner Sinn, setzt den positiven Target2Saldo der Deutschen Bundesbank und die Target2-Verbindlichkeiten der GIIPS Staaten mit einer Kreditvergabe seitens der Deutschen Zentralbank an diese gleich. Die Kreditvergabe in den GIIPS Ländern gehe „…zu Lasten der Kreditvergabe an deutsche Kreditkunden.“ 3 Auch geht er in seinen Ausführungen davon aus, dass durch das Target2System die Leistungsbilanzdefizite der Krisen-Staaten finanziert würden. 4 Die Ökonomen Westermann und Tornell meinen im Target2-Saldo der Bundesbank gar eine Gefahr für deren Goldreserven zu erkennen. 5 1 FAZ.NET, Generaldebatte im Bundestag, http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/europasschuldenkrise/generaldebatte-im-bundestag-scheitert-der-euro-scheitert-europa-11133184.html. 2 Vgl. Welt Online, Merkel ohne Kanzlermehrheit für Griechenland-Paket, http://www.welt.de/politik/deutschland/article13891686/Merkel-ohne-Kanzlermehrheit-fuerGriechenland-Paket.html. 3 Sinn, Target Salden, in Ifo Schnelldienst, Ausgabe 9/2011 – 13.Mai 2011, S. 24. 4 Vgl. Sinn, Die europäische Zahlungsbilanzkrise, in Ifo Schnelldienst, Ausgabe 16/2011 – 31.August 2011, S. 3 f. 5 Vgl. Westermann, Eurozone Crisis, http://www.voxeu.org/index.php?q=node/7391. 2 Die folgende Ausarbeitung stellt das Target2-System und de ssen Ziele dar. Die Entwicklung des Systems wird dabei chronologisch dargestellt. Daraufhin wird die Entstehung der Target2-Salden besprochen und i hr zustande kommen untersucht. Anschließend werden Probleme der Target2-Salden und darauf bezogene Thesen diskutiert. 2 Das Target2-System Das Target2-System ist das Nachfolgesystem des früheren Target-Systems. Dieses entwickelte sich auf der Grundlage längst vorhandener nationaler Echtzeit-Bruttosysteme, durch die die einzelnen Systeme der Länder miteinander vernetzt wurden. Allerdings waren diese Systeme in nur geringem Maße aufeinander harmonisiert. 6 Das Target2System sollte folglich „…durch ein weitgehend harmonisiertes Leistungsspektrum besser auf die Bedürfnisse der Kunden zugeschnitten…“ sein. 7 Es sollte sich flexibel auf eine Ausdehnung des Eurosystems und der Europäischen Union einstellen können. 8 2.1 Definition Target bedeutet Trans-European Automated Real-time Gross Settlement Express Transfer System. Es ist das Echtzeit-Bruttozahlungssystem des Europäischen Systems der Zentralbanken. Die Banken können dadurch gegenseitige Zahlungen und K undenzahlungen ausführen. 9 Dabei werden durch Target2 eilbedürftige Transaktionen und vorwiegend Großbetragszahlungen in Zentralbankgeld verrechnet. Dies geschieht im Sinne der Zentralbanken des Eurosystems gewiss auch grenzüberschreitend. 10 Besonders hervorzuheben ist, dass keine Beschränkungen der Transfers durch nationale Zentralbanken oder das Eurosystem existieren. 11 Target2 wird auf einer einheitlichen technischen Plattform von de n Zentralbanken Deutschlands (Deutsche Bundesbank), Italiens (Banca d´Italia) und Frankreichs (Banque de France) betrieben. Diese Einheitsplattform wird auch als Single Shared 6 Vgl. EZB, Pressemitteilung – Die Langfristige Ausrichtung von Target, 2002. EZB, Pressemitteilung – Die Langfristige Ausrichtung von Target, 2002. 8 Vgl. EZB, Pressemitteilung – Die Langfristige Ausrichtung von Target, 2002. 9 Vgl. Deutsche Bundesbank, TARGET“ – die nächste Generation des Target-Systems, http://www.bundesbank.de/zahlungsverkehr/zahlungsverkehr_2target.php. 10 Vgl. Deutsche Bundesbank, Target2, http://www.bundesbank.de/download/zahlungsverkehr/zv_infoblatt_target2.pdf, S. 3. 11 Vgl. EZB, Pressemitteilung – Die Langfristige Ausrichtung von Target, 2002. 7 3 Platform bezeichnet. Aus rechtlicher Sicht setzt sich Target2 allerdings aus der Mehrzahl von Systemen zusammen. Diese werden von den einzelnen nationalen Zentralbanken betrieben. Das deutsche System wird als Target2-Bundesbank (Target2-Bbk) bezeichnet. Target2 stellt des Weiteren das größte Individualzahlungssystem Europas dar. Dabei bewerkstelligt es pro Tag ca. 340.000 Z ahlungen, die sich auf einen Gesamtwert von etwa 2 Billionen Euro belaufen. Es sind ungefähr 800 Banken, davon 190 über die Bundesbank angeschlossen und ungefähr 52.000 zu adressierende Banken mit dem Target2System verbunden. Für die Teilnahme der Banken am Target2-System werden zwei Zahlungstarife angeboten. Option A bietet den Zugang für eine monatliche Fixgebühr von 100 E uro und f ür jede einzelne Transaktion zusätzliche Kosten von 80 E urocent. Bei Option B belaufen sich die monatlichen Fixkosten auf 1250 Euro. Die Kosten für eine Transaktion sind hierbei volumenabhängig und betragen zwischen 0,60 Euro und 0,125 Euro. Übertrifft das Transaktionsvolumen einer Bank monatlich mehr als 5750 Transaktionen, stellt Option B die kostengünstigere Variante dar. 12 13 2.2 Zielsetzung „Sichere und effiziente Zahlungsverkehrssysteme sind für ein gut funktionierendes Finanzsystem von z entraler Bedeutung.“ 14 Um dies zu gewährleisten, wurde von de n Zentralbanken des Eurosystems eine klare Zielsetzung festgelegt: Die neue gemeinsame Plattform, das Target2-System, soll identische Wettbewerbsbedingungen für die Banken in den entsprechenden Ländern ermöglichen. Des Weiteren ist es die Aufgabe der nationalen Zentralbanken des Eurosystems die Transaktionen mit ihren Kunden abzuwickeln. 15 Ein modularer Ansatz soll hohe Flexibilität gewährleisten, indem die verschiedenen Interessen der teilnehmenden nationalen Zentralbanken berücksichtigt werden. Ein hoher Standardisierungsgrad soll zusätzlich die Effizienz des Zahlungsverkehrssystems stärken. 16 12 Vgl. Deutsche Bundesbank, Target2, http://www.bundesbank.de/download/zahlungsverkehr/zv_infoblatt_target2.pdf, S. 2 ff. 13 Vgl. Ullbrich, Die europäische Zahlungsbilanzkrise, in Ifo Schnelldienst, Ausgabe 16/2011 – 31.August 2011, S.69. 14 Vgl. Trundle, Grundprinzipien für Zahlungsverkehrssysteme, 2001, S. 1. 15 Vgl. Wirtschaftslexikon24.net, Nettoschuldner, http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Definition/target2.html. 16 Vgl. Deutsche Bundesbank, Target2, http://www.bundesbank.de/download/zahlungsverkehr/zv_infoblatt_target2.pdf, S. 2. 4 3 Einführung und Entwicklung des Target2Systems Das Ende des alten Target-Systems, das 1999 e ingeführt wurde, wurde mit dem Start der Migrationsphase des Target2-Systems am 19. November 2007 eingeleitet. Das alte Target-System und das neue Target2-System liefen bis zum 19. Mai parallel. Daraufhin wurde das alte System endgültig durch das Target2-System abgelöst. Die Einführung des Target2-System erfolgte in vier Etappen. Zum Start der Migrationsphase schlossen sich Deutschland, Österreich, die Republik Zypern, Litauen, Lettland, Malta, Luxemburg und Slowenien dem System an. Am 18. Februar 2008 kamen Spanien, Portugal, Finnland, Niederlande, Irland, Belgien und Frankreich hinzu. In der dritten Phase traten Polen, Italien, Griechenland, Dänemark, Estland und die Europäische Zentralbank (EZB) am 19. Mai 2008 bei. Die letzte Phase war für unvorhergesehene Mitglieder des Eurosystems vorgesehen. Sie wurde allerdings nicht benötigt, da bis zum 15. September 2008, dem Beginn der vierten Phase, bereits alle damaligen Mitglieder des Eurosystems angeschlossen wurden. 17 Am 1. Januar 2009 trat die Zentralbank der Slowakei dem System bei. Die Slowakei führte zu diesem Zeitpunkt den Euro als nationale Währung ein. Daneben wurden in der Folgezeit die Zentralbanken Dänemarks, Polens, Litauens, Estlands, Lettlands, Bulgariens (seit dem 1. Februar 2010) sowie Rumäniens (ab dem 4. Juli 2011) an das System angeschlossen.18 Diese Länder gehören allerdings nicht dem Eurosystem an, da sie den Euro nicht als Landeswährung führen. 19 Jede dieser Zentralbanken, die nicht dem Eurosystem angehören, muss positive Target2-Salden aufweisen, um am Target2-System teilnehmen zu können. 20 17 Vgl. EZB, EZB, ESZB und das Eurosystem, http://www.ecb.int/paym/t2/migration/html/index.en.html. Vgl. Deutsche Bundesbank, Von TARGET nach TARGET2, http://www.bundesbank.de/target2/target2_target.php. 19 Vgl. EZB, Migration to TARGET2, http://www.ecb.int/ecb/orga/escb/html/index.de.html. 20 Vgl. Storbeck, EZB widerspricht Sinn bei Target2, http://blog.handelsblatt.com/handelsblog/2011/10/13/ezb-widerspricht-sinn-bei-target2/. 18 5 4 Entstehen der Target2-Salden Target2-Salden können auf verschiedenen Grundlagen aufbauen. Um diese zu erklären, ist es vorteilhaft, die Zusammensetzung der Zahlungsbilanz aufzugliedern. Die Zahlungsbilanz listet im Gegensatz zu „normale Bilanzen“ keine Vermögenswerte auf. Sie dokumentiert viel mehr wirtschaftliche Transaktionen, die zwischen Inländern und Ausländern innerhalb einer Periode von statten gehen. 21 Die Zahlungsbilanz besteht aus mehreren Teilbilanzen. Dazu gehören die Vermögensübertragungsbilanz, der Saldo der statistisch nicht aufgliederbaren Transaktionen (Restposten) sowie die Leistungsbilanz und di e Kapitalbilanz. Für die Entstehung von T arget2-Salden sind die beiden letzten Teilbilanzen von großer Relevanz. Die Leistungsbilanz umfasst dabei die Handelsbilanz und die Dienstleistungsbilanz. Es werden dementsprechend alle Güter- und Dienstleistungsströme zwischen In- und Ausland erfasst. Sie beinhaltet des Weiteren die Erwerbs- und Vermögenseinkommensbilanz sowie die Übertragungsbilanz. 22 Die Kapitalbilanz umfasst hingegen Kapitalbewegungen in Form von Direktinvestitionen und W ertpapieranlagen von inländischen Anlegern im Ausland und von a usländischen Anlagen im Inland. Darüber hinaus werden Interaktionen zwischen dem In- und Ausland im Bereich der Finanzderivate, des übrigen Kapitalverkehrs und der Veränderungen der Währungsreserven zu Transaktionswerten erfasst. 23 4.1 Target2-Salden infolge einer Leistungstransaktion Für das Entstehen der Target2-Salden aufgrund unausgeglichener Leistungsbilanzen infolge einer Leistungstransaktion gibt es bereits viele Beispiele in der Volkswirtschaftslehre. Prof. Hans-Werner Sinn greift dabei auf einen irischen Bauern zurück, der einen deutschen Traktor kauft; Lindner und Horn ziehen das Beispiel eines Porsche kaufenden Spaniers heran. 24 Um das Entstehen der Target2-Salden anschaulich zu erklären, wird im folgenden Beispiel ein griechischer Waschsalon aus Athen in Griechenland (in der Grafik als G bezeichnet) eine Waschmaschine bei der Robert Bosch GmbH (in der Grafik als D darge21 Vgl. Capsers, Zahlungsbilanz und Wechselkurse, 2002, S. 3. Vgl. Kutschker, Internationales Management, 2008, S. 147-152. 23 Vgl. Deutsche Bundesbank, Monatsbericht, März 2011, http://www.bundesbank.de/download/volkswirtschaft/monatsberichte/2011/201103mb_bbk.pdf, S. 14. 24 Sinn, Target Salden, in Ifo Schnelldienst, Ausgabe 9/2011 – 13.Mai 2011, S. 24. 22 6 stellt) aus Gerlingen in Deutschland für 1000 Euro durch einen Überweisungsauftrag erwerben (siehe Abbildung 6). Als weitere Akteure treten die Deutsche Bundesbank, die Griechische Zentralbank, die Europäische Zentralbank sowie die nationalen Geschäftsbanken hinzu. 4.1.1 Kreditvergabe der griechischen Geschäftsbank Es wird davon ausgegangen, dass der griechische Waschsalon über kein Bankguthaben bei seiner griechischen Geschäftsbank verfügt. Um an Liquidität zu gelangen, muss er deshalb einen Kredit bei seiner Geschäftsbank aufnehmen. Diese gewährt ihm einen Kredit von 1000 Euro und verrechnet ihm dieses Geld auf seinem Bankguthaben. Dafür muss der Waschsalon Sicherheiten, wie etwa Vermögenswerte, hinterlegen. Der Kreditzins, den der Waschsalon zusätzlich zur Kreditsumme an seine Geschäftsbank zurückzahlen muss, richtet sich nach der Bewertung der Sicherheiten sowie der aktuellen Situation auf dem Kredit- und Geldmarkt in Griechenland (im Beispiel wird zur einfacheren Darstellung der Kreditzins mit 0 Prozent bewertet). Der Waschsalon hat folglich eine Verbindlichkeit und die griechische Bank eine Forderung in Höhe von 1000 Euro. Des Weiteren ist davon auszugehen, dass die griechische Geschäftsbank genug Eigenkapital vorhält und ihre Mindesteinlage bei der Europäischen Zentralbank ausreichend ist, um diese Giralgeldschöpfung durchzuführen; folglich steigt auch die Menge der Sichteinlagen, hier die des Waschsalons, also auch die Geldmenge M1. Abbildung 1: Kontoansicht Giralgeldschöpfung Aktiva griechischer Waschsalon Guthaben bei der griechischen Kundenkredit Geschäftsbank 1000 € Aktiva Kundenkredit Waschsalon griechische Geschäftsbank 1000 € Guthaben des Waschsalons Eigene Darstellung Passiva 1000 € Passiva 1000 € 7 4.1.2 Vergabe eines Refinanzierungskredits durch die griechische Zentralbank Das neu geschöpfte Giralgeld kann allerdings nicht sofort von dem Guthaben des Waschsalons bei der griechischen Geschäftsbank an das deutsche Geschäftsbankkonto der Bosch GmbH überwiesen werden, da die Banken untereinander kein Giralgeld, sondern nur Zentralbankgeld der Europäischen Zentralbank anerkennen. Die griechische Bank benötigt folglich ein Guthaben in Form von Zentralbankgeld. Dieses Zentralbankgeld kann sie sich, falls nicht vorhanden, von einer anderen Geschäftsbank auf dem Interbankenmarkt oder bei der griechischen Zentralbank leihen. In diesem Beispiel hat sie kein Zentralbankgeld auf ihrem Guthaben bei ihrer nationalen Zentralbank, folglich leiht sie sich nun von dieser das nötige Zentralbankgeld. Dafür muss sie Sicherheiten, etwa in Form von Wertpapieren, hinterlegen. Die griechische Geschäftsbank bekommt daraufhin ein Guthaben an Zentralbankgeld bei der griechischen Zentralbank und diese erhält eine Forderung gegenüber der griechischen Geschäftsbank in Höhe des Zentralbankguthabens dieser. Abbildung 2: Kontoansicht Zentralbankgeldschöpfung Aktiva Kundenkredit Waschsalon Guthaben bei der griechischen Zentralbank griechische Geschäftsbank 1000 € Guthaben des Waschsalons Zentralbankgeldkredit 1000 € Passiva 1000 € 1000 € Aktiva Zentralbankgeldkredit an griechischen Geschäftsbank griechische Zentralbank Guthaben der griechischen 1000 € Geschäftsbank Passiva 1000 € Eigene Darstellung 4.1.3 Überweisung des Zentralbankguthabens Nun kann der erteilte Auftrag, hier die Überweisung für die Waschmaschine, der griechischen Geschäftsbank durch ihre Zentralbank durchgeführt werden. Dabei werden nach Prof. Sinn 1000 Euro Zentralbankgeld in Griechenland vernichtet und in Deutschland von der Bundesbank geschöpft. Die Geldmenge M1 und M0 (Zentralbankgeld) ist in Griechenland wieder auf dem gleichen Niveau wie vor der Kreditaufnahme des Waschsalons. In Deutschland ist sie folglich um 1000 Euro gestiegen. Der deutschen 8 Geschäftsbank werden infolge dessen 1000 Euro Zentralbankguthaben gutgeschrieben; es entsteht eine Forderung der Deutschen Zentralbank gegenüber der griechischen Zentralbank. Die Robert Bosch GmbH erhält den Kaufpreis von 1000 E uro für die Waschmaschine auf ihrem Konto bei der deutschen Geschäftsbank und steigert somit ihr Nettogeldvermögen um 1000 Euro. Abbildung 3: Überweisung Zentralbankgeld Aktiva Forderung gegenüber griechischer Zentralbank Deutsche Bundesbank Guthaben der deutschen 1000 € Geschäftsbank Passiva Aktiva Guthaben bei der Deutschen Bundesbank deutsche Geschäftsbank Guthaben der Robert 1000 € Bosch GmbH Passiva 1000 € 1000 € Eigene Darstellung 4.1.4 Veränderung der Vermögensbestände Durch die Überweisung des Kaufbetrags von 1000 Euro ist das Guthaben des Waschsalons bei seiner Geschäftsbank und damit sein Nettogeldvermögen um den Kaufpreis gesunken. Das dazugehörige Zentralbankguthaben der Geschäftsbank bei der griechischen Zentralbank ist ebenfalls erloschen. Als Gegenleistung bekommt der Waschsalon die Waschmaschine von der Robert Bosch GmbH. Anstelle des Zentralbankguthabens der griechischen Geschäftsbank, das durch die Überweisung um 1000 Euro vermindert wurde, erhält die griechische Zentralbank eine Verbindlichkeit gegenüber der Deutschen Bundesbank. Der Waschsalon hat nun ebenso wie das Land Griechenland ein Leistungsbilanzdefizit, da die griechischen Importe (hier die Waschmaschine) die Exporte übersteigen. Die Robert Bosch GmbH und damit auch das Land Deutschland hat einen Leistungsbilanzüberschuss, da die deutschen Importe geringer sind als die Exporte (Waschmaschine). Abbildung 4: Veränderung Vermögensbestände Aktiva griechischer Waschsalon Guthaben bei der griechischen Kundenkredit Geschäftsbank 1000 € Waschmaschine 1000 € Gesamt 1000 € Gesamt Passiva 1000 € 1000 € 9 Aktiva griechische Geschäftsbank Kundenkredit Waschsalon 1000 € Guthaben des Waschsalons Guthaben bei der griechischen Zentralbankgeldkredit Zentralbank 1000 € Gesamt 1000 € Gesamt Passiva 1000 € 1000 € griechische Zentralbank Guthaben der griechischen 1000 € Geschäftsbank Verbindlichkeit gegenüber Bundesbank 1000 € Gesamt Passiva Aktiva Zentralbankgeldkredit an griechische Geschäftsbank Gesamt 1000 € 1000 € 1000 € 1000 € Eigene Darstellung Am Ende des Geschäftstages berechnet jede nationale Zentralbank, die an das Target2System angeschlossen ist, den Saldo aus den Forderungen und den Verbindlichkeiten an andere nationale Zentralbanken innerhalb des Systems. Anschließend wird die aus dem Saldo folgende Forderung oder Verbindlichkeit gegenüber der Europäischen Zentralbank gebucht. Ein positiver Target2-Saldo spiegelt eine Forderung, ein negativer Saldo eine Verbindlichkeit wider. Die genannten Salden bilden die Target2-Salden der einzelnen nationalen Zentralbanken. Abbildung 5: Verbuchung Target2-Forderung/Verbindlichkeit Aktiva Zentralbankgeldkredit an griechische Geschäftsbank Gesamt Aktiva Forderung gegenüber griechischer Zentralbank Forderung gegenüber EZB (Target2-Saldo) Gesamt griechische Zentralbank Guthaben der griechischen 1000 € Geschäftsbank Verbindlichkeit gegenüber Bundesbank Verbindlichkeit gegenüber EZB (Target2-Saldo) 1000 € Gesamt Deutsche Bundesbank Guthaben der deutschen 1000 € Geschäftsbank 1000 € 1000 € Gesamt Passiva 1000 € 1000 € 1000 € 1000 € Passiva 1000 € 1000€ 10 Aktiva Forderung gegenüber griechischen Zentralbank Europäische Zentralbank Verbindlichkeit gegenüber 1000 € Bundesbank Passiva 1000 € Eigene Darstellung Die Überweisung wurde rein elektronisch durch das Target2-System durchgeführt, ohne dabei den physischen Geldbestand zu verändern. 25 26 27 28 Die folgende Darstellung veranschaulicht noch einmal graphisch die einzelnen Beziehungen und Interaktionen zwischen den beteiligten Akteuren. Abbildung 6: Target2-Ablauf Modell Target2Verbindlichkeit Target2-Forderung Überweisung EZB Überweisung Deutsche Zentralbank Griechische Zentralbank (Bank von Griechenland) Auftrag Zentralbankgeld (Deutsche Bundesbank) Zentralbankgeld Sicherheiten Griechische Bank Auftrag Kredit G Deutsche Bank Sicherheiten Guthaben Waren D Eigene Darstellung 25 Vgl. Sinn, Die europäische Zahlungsbilanzkrise, in Ifo Schnelldienst, Ausgabe 16/2011 – 31.August 2011, S .3 f. 26 Vgl. Horn, Kein Kapitalabfluss aus Deutschland, , in Policy Brief der Hans-Böckler-Stiftung, Mai 2011, S. 10-15. 27 Vgl. Bindseil, Weitere Anmerkungen zur Debatte um Target2, in Ifo Schnelldienst, Ausgabe 16/2011 – 31.August 2011, S. 81. 28 Vgl. Quaas, Kritisches Resümee des Target2-Problems, in Wirtschaftsdienst, Heft 12/2011 - Dezember 2011, S. 834-837. 11 4.1.5 Buchungen in den Zahlungsbilanzen Neben dem Warenstrom, der die Leistungsbilanz beeinflusst, ist auch noch der Kapitaltransfer in Form der Überweisung zu beachten. Dieser wirkt sich auf die Kapitalbilanz aus und stellt für Deutschland ein Kapitalbilanzdefizit dar. Kapitalbilanz und Leistungsbilanz beeinflussen in diesem Beispiel die Zahlungsbilanz. Der Leistungsbilanzüberschuss Deutschlands drückt einen Warenexport aus: Die Robert Bosch GmbH hat durch den Verkauf der Waschmaschine an den griechischen Waschsalon eine Forderung von 1000 Euro erlangt. Dadurch ist der Posten „Zunahme der Forderungen gegenüber dem Ausland“ in der Kapitalbilanz gestiegen. 29 Da es sich hier nicht um eine klassische Bilanz handelt sondern Stromgrößen erfasst werden, wird hier der Gelderhalt bei dem Kauf einer Ware ebenfalls als Forderung dargestellt. Die Höhe der Forderung ändert sich im Gegensatz zur Zusammensetzung des Postens durch den Gelderhalt nicht. 30 Forderungen im Sinne der Zahlungsbilanz setzen sich an dieser Stelle aus Zahlungsmitteln (etwa Geld) und anderen Forderungen zusammen. 31 Abbildung 7 zeigt die Zusammensetzung der Zahlungsbilanzen. Die Darstellung erfolgt aufgrund besseren Verständnisses in Kontenform. 32 Abbildung 7: Zahlungsbilanz bei Leistungstransaktion Aktiva Güterexport Zahlungsbilanz Deutschland Leistungsbilanz 1000 € Kapitalbilanz Zunahme der Forderungen gegenüber dem Ausland (Kapitalexport) Zahlungsbilanz Griechenland Leistungsbilanz Güterimport Kapitalbilanz Zunahme der Verbindlichkeiten an das Ausland (Kapitalimport) 1000 € Aktiva Passiva 1000 € Passiva 1000 € Eigene Darstellung 29 Vgl. Capsers, Zahlungsbilanz und Wechselkurse, 2002, S. 3-15. Vgl. Capsers, Zahlungsbilanz und Wechselkurse, 2002, S. 13. 31 Vgl. Horn, Kein Kapitalabfluss aus Deutschland, , in Policy Brief der Hans-Böckler-Stiftung, Mai 2011, S. 6. 32 Vgl. Pätzold, Ziele der Wirtschaftspolitik, http://www.juergenpaetzold.de/einfuerung_ziele/Grafiken/Zahlungsbilanz.gif. 30 12 Der Begriff des Kapitalexports in der Zahlungsbilanz entspricht dem Aufbau von Geldvermögen. Jedoch fließt entgegen der wörtlichen Interpretation des Kapitalexports Deutschland Geld zu, wie in unserem Beispiel zu erkennen ist. 33 Die Zahlungsbilanz wird durch die Vorgänge verlängert. Es entsteht kein Zahlungsbilanzdefizit oder Zahlungsbilanzüberschuss. 4.2 Target2-Salden aufgrund reiner Finanztransaktionen Target2-Salden können ebenfalls durch eine reine Finanztransaktion zwischen zwei Ländern, wobei die jeweiligen nationalen Zentralbanken an das Target2-System angeschlossen sind, anfallen. Hierfür erwirbt etwa ein griechischer Geschäftsmann ein Aktienpaket der Daimler AG im Wert von 2000 E uro von der Deutschen Bank durch eine Überweisung seines Guthabens von seiner griechischen Geschäftsbank. Als weitere Finanztransaktionen können auch andere Wertpapiere, Direktinvestitionen oder sonstige Anlagen in Betracht gezogen werden. Der griechische Geschäftsmann verfügt über ein Guthaben von 2000 E uro bei seiner griechischen Geschäftsbank. Er weist diese nun an, das Aktienpaket der Daimler AG von der Deutschen Bank zu kaufen. Die griechische Geschäftsbank benötigt dafür wiederum ausreichend Zentralbankgeld. Dabei ist davon auszugehen, dass sie in diesem Beispiel ein Guthaben von 2000 Euro bei der griechischen Zentralbank hat und damit genug für die Überweisung an die Deutsche Bank. Die griechische Geschäftsbank überweist nun üb er das Target2-System 2000 E uro an die Deutsche Bank. Der Deutschen Bank wird das Geld umgehend als Guthaben bei der Deutschen Bundesbank gutgeschrieben. Im Gegenzug erweitert sich das Aktiendepot des griechischen Geschäftsmannes um das Aktienpaket der Daimler AG im Wert von 2000 Euro bei seiner griechischen Geschäftsbank. Die Deutsche Bundesbank erhält eine Forderung von 2000 Euro gegenüber der EZB, die griechische Zentralbank hingegen eine Verbindlichkeit in gleicher Höhe. Die Geldmengen M0 und M1 wurden in Griechenland verringert und i n Deutschland erhöht. Die Überweisung der genannten 2000 Euro stellt in der Kapitalbilanz einen Kapitalimport für Griechenland und einen Kapitalexport für Deutschland dar. Die Übertragung des Aktienpakets wiederum bedeutet einen Kapitalexport für Grie- 33 Vgl. Horn, Kein Kapitalabfluss aus Deutschland, , in Policy Brief der Hans-Böckler-Stiftung, Mai 2011, S. 6. 13 chenland und einen Kapitalimport für Deutschland. Die Kapitalbilanzen und demgemäß die Zahlungsbilanzen der beiden Länder sind somit ausgeglichen (siehe Abbildung 8). 34 Abbildung 8: Zahlungsbilanz bei reinen Finanztransaktionen Zahlungsbilanz Deutschland Kapitalbilanz Kapitalimport (Aktienpaket) 1000 € Kapitalexport (Überweisung) Passiva Zahlungsbilanz Griechenland Kapitalbilanz Kapitalimport (Überweisung) 1000 € Kapitalexport (Aktienpaket) Passiva Aktiva Aktiva 1000 € 1000 € Eigene Darstellung 4.3 Target2-Salden aufgrund einer Vermögensübertragung Eine weitere Möglichkeit der Erzeugung von Target2-Salden geht aus der Position der Vermögensübertragung der Zahlungsbilanz hervor. Eine Vermögensübertragung kann etwa durch eine Ein- beziehungsweise Auswanderung, eine Erbschaft oder auch durch Schenkungen herbeigeführt werden. Bei Vermögensübertragungen im Sinne der Zahlungsbilanz handelt es sich um einmalige unentgeltliche Leistungen. Vermögensübertragungen beeinflussen das Vermögen, nicht jedoch das laufende Einkommen der beteiligten Länder. 35 Ein griechischer Geschäftsmann verkauft etwa seinen Waschsalon an einen griechischen Käufer. Der Kaufpreis von 9000 E uro wird auf sein Konto bei einer griechischen Geschäftsbank überwiesen. Darauf emigriert er nach Deutschland. Dort angekommen, eröffnet er ein Konto bei der Deutschen Bank und überweist per Online-Banking von seinem griechischen Konto sein Vermögen von 9000 Euro auf sein Konto bei der Deutschen Bank. Das Vermögen wurde ohne Gegenleistung nach Deutschland transferiert. Es ist davon auszugehen, dass die griechische Geschäftsbank ein ausreichendes Guthaben an Zentralbankgeld bei ihrer nationalen Zentralbank hält. Die Deutsche Bundesbank erhält eine Target2-Forderung gegenüber der EZB in Höhe von 9000 Euro und Griechenland eine Verbindlichkeit in gleicher Höhe. In 34 35 Vgl. Krugman, Internationale Wirtschaft, 2009, S. 407. Vgl. Capsers, Zahlungsbilanz und Wechselkurse, 2002, S. 13. 14 Deutschland hat sich die Geldmenge M0 und M1 um 9000 Euro erhöht, in Griechenland verringert. Abbildung 9: Zahlungsbilanz bei einer Vermögensübertragung Aktiva Vermögensübertragung (Einwanderung) Aktiva Kapitalimport Zahlungsbilanz Deutschland Kapitalbilanz Kapitalexport Passiva 9000 € Bilanz der Vermögensübertragung 9000 € Zahlungsbilanz Griechenland Kapitalbilanz 9000 € Bilanz der Vermögensübertragung Vermögensübertragung (Auswanderung) Passiva 9000 € Eigene Darstellung Die Bilanz der Vermögensübertragung beeinflusst im Gegensatz zu Kapitalbilanz und Leistungsbilanz das Entstehen der Target2-Salden gemäß den Werten der deutschen Zahlungsbilanz nur in geringem Ausmaß. 36 5 Entwicklung der Target2-Salden Bis Mitte des Jahres 2007 waren Target2-Salden ein untergeordnetes Thema in Diskussionen unter Ökonomen und nicht von g roßer Relevanz in der Fachliteratur. Bilanzen der nationalen Zentralbanken des Eurosystems wiesen überwiegend neutrale Target2Salden aus. Die Deutsche Bundesbank besaß im Durchschnitt Target2-Forderungen im niedrigen zweistelligen Milliardenbereich oder sogar Verbindlichkeiten, etwa im J uni 2006, von 11,824 Milliarden Euro gegenüber der EZB. Ab Herbst 2007 stiegen die Target2-Forderungen der Bundesbank drastisch an. 36 Deutsche Bundesbank, Pressenotiz – wichtige Posten Zahlungsbilanz, http://www.bundesbank.de/download/presse/pressenotizen/201 2/20120209.zahlungsbilanz.anlage.pdf. 15 5.1 Stand der Target-Salden Die Bilanz der Bundesbank offenbarte im Februar 2008 erstmals Target2-Forderungen von über 100 Milliarden Euro. 37 Die Target2-Forderungen Deutschlands gegenüber der EZB wuchsen bis Januar 2012 auf 498,13 Milliarden Euro an. Abbildung 10: Target2-Salden europäischer Notenbanken Quelle: http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/0,1518,823559,00.html. Deutschland ist somit das Land mit den größten Target2-Forderungen und dem größten Target2-Saldo. Die in der Öffentlichkeit stark kritisierten GIIPS-Länder dagegen weisen aggregierte Verbindlichkeiten von m ehr als 640 Milliarden Euro gegenüber der EZB auf. Dabei fallen 180,13 Milliarden Euro auf Italien, 174,98 Milliarden Euro auf Spanien, 119,68 Milliarden Euro auf Irland, 108,18 Milliarden Euro auf Griechenland sowie 60,68 Milliarden Euro auf Portugal, das die geringsten Verbindlichkeiten gegenüber der EZB aufweist. 37 Vgl. EZB, Auslandsposition der Deutschen Bundesbank im ESZB, http://www.bundesbank.de/statistik/statistik_zeitreihen.php?lang=de&open=&func=row&tr=EU8148. 16 5.2 Gründe für den Verlauf der Target2-Salden Die Entwicklung der Target2-Salden ist auf die Finanzkrise und de ren Auswirkungen zurückzuführen. Durch das sogenannte Platzen der Immobilienblase 2007 in Irland kam der dortige Bankensektor in große Bedrängnis, zusätzlich blieb ein Wachstum der Wirtschaft vollkommen aus. Die Bankenkrise verschärfte sich 2008 weiter. In dieser Zeit wuchs das negative Target2-Saldo Irlands von 4,335 M illiarden Euro im Mai 2008 auf 100,433 Milliarden Euro im Mai 2009. 38 Prof. Hans-Werner Sinn ist hierbei der Auffassung, dass diese Target2-Verbindlichkeiten nur aufgrund der Leistungsbilanzdefizite Irlands und der anderen GIIPS-Ländern entstanden sind. Um diese zu finanzieren, liehen sich die GIIPS-Länder bis zur Finanzkrise über den Bankensektor Geld. Der Güterimport wurde durch Kredite aus Deutschland finanziert. Die Target2-Salden waren somit ausgeglichen, da das Geld aus Deutschland und dorthin wieder zurück floss, um die Güter zu bezahlen. Aufgrund der unsicheren wirtschaftlichen Lage der Banken in den GIIPS-Ländern blieb seit der Finanzkrise die Kreditvergabe an deren Banken durch den privaten Bankensektor anderer Länder, insbesondere Deutschlands, aus. Die Banken der Krisen-Länder konnten sich folglich nur noch Geld von ihren nationalen Zentralbanken leihen um die Leistungsbilanzdefizite zu finanzieren. Durch den einseitigen Strom dieser monetären Mittel aus den Krisen-Ländern wuchsen die Target2-Salden an. Sinn folgerte daraus, dass die Target2-Salden der reinen Finanzierung der Leistungsbilanzen dienten. 39 Die Target2-Forderungen der EZB gegenüber Irland wuchsen von Beginn des dritten Quartals 2010 von 56,06 8 Milliarden Euro auf 145,185 Milliarden Euro bis Ende des vierten Quartals. In der gleichen Zeit wuchs auch der Leistungsbilanzüberschuss Irlands von 1,178 M illiarden Euro im dritten Quartal auf 1,555 M illiarden Euro im vierten Quartal. Der negative Target2-Saldo Irlands wuchs und ebenso – im Gegensatz zu Sinns These – der Leistungsbilanzüberschuss. 38 Vgl. Institute of empirical economic research, Net Balance with the Eurosystem/Target, http://www.iew.uni-osnabrueck.de/Intra_Eurosystem_balances.xlsx. 39 Vgl. Sinn, Die europäische Zahlungsbilanzkrise, in Ifo Schnelldienst, Ausgabe 16/2011 – 31.August 2011, S. 3-6. 17 Abbildung 11: Entwicklung der Target2-Salden Quelle: http://www.iew.uni-osnabrueck.de/8955.htm. In Spanien stieg die Target2-Verbindlichkeit in der Zeit von Januar 2010 bis Juli 2010 von 38,790 Milliarden Euro auf 102,620 M illiarden Euro, während das Leistungsbilanzdefizit von 15,934 Milliarden Euro auf 13,761 Milliarden Euro fiel. 40 41 Die Ansicht, dass diese Target2-Salden nur aufgrund der Finanzierung der Leistungsdefizite der GIIPS-Länder anfallen, ist demnach nicht aufrecht zu erhalten. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass Target2-Salden neben der möglichen Leistungsbilanzfinanzierung durch reine Finanztransaktionen, mit der Absicht der Kapitalflucht, hervorgerufen werden. Bankkunden aus den GIIPS-Ländern versuchen dabei etwa durch den Erwerb von Anlagen oder durch Direktinvestitionen in Ländern, die von de r Euro-Krise verschont blieben, ihr Vermögen zu schützen, da sie mit Hinblick auf die schlechte finanzi40 Vgl. Eurostat, Zahlungsbilanz, Leistungsbilanz, http://epp.eurostat.ec.europa.eu/tgm/table.do?tab=table&init=1&plugin=0&language=de&pcode=teibp05 0. 41 Vgl. Institute of empirical economic research, Net Balance with the Eurosystem/Target, http://www.iew.uni-osnabrueck.de/Intra_Eurosystem_balances.xlsx. 18 elle Lage ihrer Banken eine mögliche Insolvenz dieser befürchten. Target2-Salden stellen demnach eine Verunsicherung auf den Finanzmärkten dar, die sich durch die Bankenkrise entwickelte. Diese Verunsicherung ließ die Target2-Verbindlichkeiten der GIIPS-Länder auf die zu Anfang genannten Mengen steigen und breitete sich von Irland bis Italien aus, wobei auch Frankreich zuletzt Verbindlichkeiten gegenüber der EZB auszuweisen hatte. Demgegenüber wuchsen die Target2-Forderungen Deutschlands, Luxemburgs, Finnlands und der Niederlande. Um zukünftig ausgeglichene Target2-Salden zu erreichen, muss das gegenseitige Vertrauen der Banken wieder gefestigt werden. Europa muss gemeinsam den Zustand des Vertrauens in das Bankensystem wiederherstellen, indem die beteiligten Staaten gemeinsam den Krisenländern beiseite stehen und somit Investitionen in die GIIPSStaaten wieder attraktiv werden. 6 Gefahrenpotential der Target2-Salden Das Gefahrenpotential, das von de n Target2-Salden ausgeht, ist laut Annahme einiger renommierter Ökonomen immens. Kontroverse Aussagen reichen von „Target-Salden drängen Deutschland an den Abgrund“ bis zu „Target-Saldo zwingt zur Transferunion“. 42 43 Die Thesen Hans-Werner Sinns und Frank Westermanns werden dabei beson- ders stark diskutiert. Sie vertreten die Ansicht, dass Target2-Salden eine Gefahr für Deutschland und für das Bestehen des Eurosystems darstellen. 6.1 Einfluss auf den Kreditmarkt Hans-Werner Sinn behauptet, die Deutsche Bundesbank vergäbe erzwungene „… kontokorrentähnliche Kredite…“ an die Länder der Peripherie, die „…zu Lasten der Kreditvergabe an deutsche Kreditkunden gehen.“ Diese Kredite nennt er „Target-Kredite“, da sie über das Target2-System vergeben werden. Er kritisiert in diesem Zusammen- 42 Fischer, Target-Salden drängen Deutschland an den Abgrund, http://www.wiwo.de/politik/europa/eurokrise-target-salden-draengen-deutschland-an-den-abgrund/6277238.html. 43 FAZ.NET, Target-Saldo zwingt zur Transferunion, http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/analyse-dercommerzbank-target-saldo-zwingt-zur-transferunion-11664707.html. 19 hang weiterhin den starken Rückgang der Refinanzierungsgeschäfte der Deutschen Bundesbank. 44 Die Summe der Refinanzierungskredite, die die Deutsche Bundesbank an deutsche Geschäftsbanken vergibt, stieg bis Mitte 2007 kontinuierlich. Dabei wies sie keine außergewöhnlichen Schwankungen auf. Der Target2-Saldo der Bundesbank war beinahe ausgeglichen und die Forderungen gegenüber der EZB bezifferten sich maximal auf 30 Milliarden Euro (im Dezember 2005) bis zu dieser Zeit (siehe Abbildung 12). 6.1.1 Verdrängung der Refinanzierungskredite Mit dem Anstieg der Target2-Forderungen der Bundesbank traten heftige Schwankungen bei der Vergabe der Refinanzierungskredite auf. Während der Target2-Saldo ein starkes Wachstum zeigte, fiel die Summe der Refinanzierungskredite. Die Refinanzierungskredite, die noch durchschnittlich 213 Milliarden Euro im Jahr 2008 betrugen, sanken auf 31 Milliarden Euro 2011. Der Target2-Saldo stieg dabei auf 498,13 Milliarden an. 45 Abbildung 12: Entwicklung Refinanzierungskredit und Target2-Saldo Verdrängung der Refinanzierungskredite infolge des Target2-Saldo 500000 300000 Refinanzierungskredite durch Bundesbank 200000 Target2-Saldo der Bundesbank 100000 0 -100000 2005-01 2005-05 2005-09 2006-01 2006-05 2006-09 2007-01 2007-05 2007-09 2008-01 2008-05 2008-09 2009-01 2009-05 2009-09 2010-01 2010-05 2010-09 2011-01 2011-05 2011-09 2012-01 in Millionen Euro 400000 Daten: www.bundesbank.de (Zeitreihen: EU8148, TUB608). Eigene Darstellung 44 Sinn, Target Salden, in Ifo Schnelldienst, Ausgabe 9/2011 – 13.Mai 2011, S. 24. Vgl. Institute of empirical economic research, Net Balance with the Eurosystem/Target, http://www.iew.uni-osnabrueck.de/Intra_Eurosystem_balances.xlsx. 45 20 Durch den Zufluss des Geldvermögens aus dem Ausland stieg das Guthaben der Geschäftsbanken bei der Deutschen Bundesbank. Die Liquidität der Geschäftsbanken wurde gestärkt sodass sie folglich nicht mehr auf die Liquidität durch die verzinsten Refinanzierungskredite der Deutschen Bank angewiesen waren. Die Summe der Refinanzierungskredite und d er Target2-Saldo entwickelten sich somit gegensätzlich. Die deutschen Geschäftsbanken fuhren ihre Kreditaufnahme von R efinanzierungskrediten im Anschluss drastisch zurück. 46 6.1.2 Einfluss auf die Kreditvergabe an den Privatsektor Hans-Werner Sinn zieht den Schluss, dass unter dem genannten Vorgang die Kreditvergabe an den Privatsektor leidet. Die Kreditvergabe der Geschäftsbanken an den privaten Sektor ist allerdings nicht an die Vergabe von Refinanzierungskrediten der Deutschen Bundesbank an die Banken oder an Target2-Transaktionen gebunden. Die Geschäftsbanken können nach ihren Vorstellungen Giralgeld durch Kreditvergabe schöpfen. Voraussetzung ist der Vorhalt von Eigenkapital sowie das Halten einer ausreichenden Einlage bei der Deutschen Bundesbank. Sollte die vorhandene Einlage bei der Zentralbank zu gering sein, können die Geschäftsbanken, wie vor dem Entstehen der Target2-Salden üblich, Refinanzierungskredite von der Deutschen Bundesbank beziehen. 47 Deutsche Waschsalons müssen also nicht auf eine Kreditvergabe für eine neue Waschmaschine verzichten, nur weil ein griechischer Waschsalon ebenfalls einen Kredit aufnimmt. Darüber hinaus stieg ab dem zweiten Quartal 2010 bis Anfang 2011 die Vergabe von Buchkrediten durch Geschäftsbanken an den Privatsektor in Deutschland. Der Target2-Saldo wuchs währenddessen ebenfalls stark an und ve rhinderte folglich nicht die steigende Kreditvergabe. Die fallende Kreditvergabe, die Anfang 2008 einsetzte, ist stattdessen auf die weltweite Wirtschaftskrise infolge der Finanzkrise zurückzuführen und nicht auf wachsende Target2-Salden. 48 46 Vgl. Sachverständigenrat, Verantwortung für Europa übernehmen, 2011, S. 84. Vgl. Horn, Kein Kapitalabfluss aus Deutschland, , in Policy Brief der Hans-Böckler-Stiftung, Mai 2011, S. 12 ff. 48 Deutsche Bundesbank, Monatsbericht, September 2011, http://www.bundesbank.de/download/volkswirtschaft/monatsberichte/2011/201109mb_bbk.pdf, S. 62-66. 47 21 Abbildung 13: Buchkredite an Privatsektor Quelle: Deutsche Bundesbank, Monatsbericht, September 2011, S. 63. Das Ifo-Institut ermittelte ebenfalls in einem Konjunkturtest, dass deutsche Unternehmen besonders im zweiten und dritten Quartal 2011 keine Beeinträchtigungen von Kreditgebern spürten. 49 6.2 Target2-Kredite als Finanzierung der Leistungsbilanzdefizite Hans-Werner Sinn stellt eine weitere These über die Gefahren der Target2-Salden auf: Er geht dabei davon aus, dass die Bundesbank den GIIPS-Ländern über das Target2System sogenannte „Target-Kredite“ vergibt. Die GIIPS-Länder würden damit ihre Leistungsbilanzdefizite finanzieren. Die Target2-Forderungen spiegeln die Forderung der Kreditvergabe einerseits, die Target2-Verbindlichkeit die Verbindlichkeit nach der Aufnahme des Kredits andererseits wider. Sinn illustriert diesen Vorgang anhand des Beispiels eines irischen Bauern, der sich mithilfe eines Kredits einen Traktor in Deutschland kauft. Das Beispiel entspricht dem oben genannten Beispiel des griechi49 Vgl. Sachverständigenrat, Verantwortung für Europa übernehmen, 2011, S. 85. 22 schen Waschsalons, der eine Leistungstransaktion durchführt. Auf die Überweisung des Geldes sowie auf die daraus folgenden Buchungen geht Sinn nicht ein. 50 Es könnte daraus die falsche Annahme entstehen, dass die Bundesbank dem griechischen Waschsalon Zahlungsmittel für die Waschmaschine bereitstelle, wodurch die griechische Zentralbank von der Überweisung des Zentralbankgeldes an die Deutsche Bundesbank befreit wäre. Allerdings wird tatsächlich eine Überweisung getätigt, sodass die Deutsche Bundesbank keine Leistungen der griechischen Zentralbank übernimmt. 51 Die ausgeglichenen Zahlungsbilanzen nach einer Leistungstransaktion der beteiligten Länder spiegeln dies wider. Es werden zudem keine „Target-Kredite“ der Bundesbank an Zentralbanken der GIIPSLänder vergeben. Die teilweise vorhandenen Leistungsbilanzdefizite der GIIPS-Länder werden durch deren nationale Zentralbanken, geleitet durch die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank, ermöglicht. Die Target2-Salden stellen dabei lediglich die Transaktionen zwischen den Ländern dar. Es kann über das Target2-System kein Kredit geschöpft werden. 52 Die EZB erleichterte mit ihren geldpolitischen Reaktionen auf die Eurokrise die Finanzierung der Leistungsbilanzdefizite der GIIPS-Länder. Sie senkte ab 2008 ihre Mindestanforderung an Sicherheiten für einen Refinanzierungskredit kontinuierlich. Während bis zum 15. Oktober 2008 nur Sicherheiten mit einem Rating von mindestens A- oder gleichwertig angenommen wurden, waren ab diesem Zeitpunkt auch Sicherheiten mit einem Rating von BBB- ausreichend. 53 Nachdem griechische Staatsanleihen Mitte 2010 mit einem BB- Rating von der US-amerikanischen Ratingagentur Standard & Poor‘s versehen wurden, akzeptierte die EZB auch diese Wertpapiere als Sicherheiten. Es ist möglich, dass diese Sicherheiten einen geringeren Wert als den Angegebenen haben, der allerdings nicht durch das Target2-System beeinflusst wird. 54 Durch die Versorgung der Krisenländer mit Liquidität wurden Leistungsbilanzdefizite ermöglicht und Target2-Salden wuchsen. 50 Vgl. Sinn, Target Salden, in Ifo Schnelldienst, Ausgabe 9/2011 – 13.Mai 2011, S. 23 ff. Vgl. Quaas, Kritisches Resümee des Target2-Problems, in Wirtschaftsdienst, Heft 12/2011 - Dezember 2011, S. 837. 52 Vgl. König, Es gibt keine „Target-Kredite“, http://www.handelsblatt.com/politik/oekonomie/nachrichten/geldpolitik-es-gibt-keine-targetkredite/6318300-2.html. 53 Vgl. EZB, Leitlinie der Europäischen Zentralbank, http://www.ecb.int/ecb/legal/pdf/02008o001820100101-de.pdf. 54 Vgl. Welt Online, Merkel ohne Kanzlermehrheit für Griechenland-Paket, http://www.welt.de/wirtschaft/article7445560/EZB-akzeptiert-Ramschpapiere-als-Sicherheit.html. 51 23 Es ist anzumerken, dass die EZB dieser Geldpolitik verpflichtet war, um das Eurosystem vor einem möglichen Zusammenbruch zu bewahren. Die Target2-Forderungen spiegeln nicht die entstandene Forderung der Überweisung des Geldes durch den griechischen Waschsalon wider, da sie trotz der Begleichung auf realwirtschaftlicher Ebene weiterhin besteht. Die Kosten des Transports des Zentralbankgeldes, sollte die Target2-Verbindlichkeit Griechenlands gegenüber Deutschlands als Bargeld überbracht werden, würde nicht der Summe der Target2-Verbindlichkeiten und nicht deren Gegenwert entsprechen. Die Vernichtung des Zentralbankgeldes in Form von Bargeld und das Drucken neuer Scheine der Deutschen Bundesbank kann ebenfalls nicht den Gegenwert der Forderungen widerspiegeln. Die Kosten für das Drucken einer Banknote liegen lediglich im einstelligen Cent-Bereich. 55 Der griechische Waschsalon hätte auch, ohne das Target2-System in Anspruch zu nehmen, die Waschmaschine der Robert Bosch GmbH in Deutschland kaufen können. Dazu könnte sich der Geschäftsführer des griechischen Waschsalons einen Kredit von 1000 Euro bar auszahlen lassen. Nach der anschließenden Fahrt mit dem Geldkoffer nach Deutschland würde er dort die Waschmaschine erwerben und mit ihr wieder nach Griechenland zurück fahren. Griechenland würde trotzdem ein Leistungsbilanzdefizit und einen Kapitalbilanzüberschuss aufweisen, Deutschland hingegen einen Leistungsbilanzüberschuss und e in Kapitalbilanzdefizit gemäß der Zahlungsbilanzen der beiden Länder. Das Leistungsbilanzdefizit Griechenlands würde in diesem Fall, ohne das Target2-Transfersystem in Anspruch zu nehmen, über die griechische Geschäftsbank finanziert, die wiederum durch die griechische Zentralbank mit Liquidität versorgt würde. Folglich stellen Target2-Salden nur Transaktionen zwischen den jeweiligen Ländern dar, wobei mögliche Leistungsbilanzdefizite der GIIPS-Länder durch deren nationale Zentralbanken finanziert werden. Die Forderungen und Verbindlichkeiten sind dementsprechend fiktiv und verkörpern keine reale Verschuldung der GIIPS-Länder gegenüber Deutschland oder anderen Ländern mit Target2-Forderungen. 56 55 Vgl. Kuntz, Herstellung der Euroscheine – Unfairer Wettbewerb, http://www.sueddeutsche.de/geld/herstellung-der-euroscheine-unfairer-wettbewerb-1.979008. 56 Vgl. Quaas, Kritisches Resümee des Target2-Problems, in Wirtschaftsdienst, Heft 12/2011 - Dezember 2011, S. 838 ff. 24 6.3 Auswirkungen einer Veränderung der Z usammensetzung des Eurosystems Target2-Salden werden bei einer drohenden Staatspleite vermehrt in Augenschein genommen. Sollte ein Land aus dem Eurosystem austreten, bergen sie ein erhöhtes Gefahrenpotential. Besonders die GIIPS-Länder mit negativen Target2-Salden stehen dabei im Mittelpunkt; sie stellen eine Gefahr für Länder mit p ositiven Target2-Salden dar. Regelungen über ein Ausscheiden eines der GIIPS-Länder oder eines anderen Landes aus der Währungsunion wurden allerdings nicht in den EU-Verträgen von 1992 („Maastricht-Vertrag“) festgelegt, da ein Ausscheiden zu diesem Zeitpunkt nicht in Betracht gezogen wurde. 57 6.3.1 Staatspleite Griechenlands Ein aktuelles Gefahren-Szenario stellt die Insolvenz eines der GIIPS-Länder dar. Griechenland steht aufgrund seiner Haushaltskrise dabei im Mittelpunkt. 58 Die griechische Zentralbank wies im Januar 2012 Target2-Verbindlichkeiten von 107,4 27 Milliarden Euro aus. 59 Sollte Griechenland zahlungsunfähig werden, müssten die Länder des Eurosystems gemäß ihres Kapitalanteils an der Europäischen Zentralbank für die Target2Verbindlichkeit Griechenlands aufkommen. Deutschlands Kapitalanteil an der EZB beträgt 27 Prozent. Es müsste somit mit etwa 29 Milliarden Euro (Stand Januar 2012) im Falle eines Staatsbankrotts Griechenlands für dessen Target2-Verbindlichkeiten aufkommen. Die hinterlegten Sicherheiten Griechenlands bei dessen nationaler Zentralbank wären in diesem Fall wertlos, das durch diese Sicherheiten geschöpfte Geld folglich ungedeckt. Das Geldvermögen, das aus Griechenland über das Target2-System den anderen Ländern zufloss, müsste gedeckt werden, um eine übermäßige Inflation in den übrigen Euro-Ländern zu vermeiden. Ein Ausscheiden Griechenlands im Falle einer Staatspleite aus dem Eurosystem ist sehr wahrscheinlich. 60 61 Griechenlands Wirtschaft würde wahrscheinlich kurzfristig gestärkt, da durch eine Abwertung der neuen griechi57 Vgl. Mortsiefer, Was passiert, wenn die Griechen aus dem Euro aussteigen, http://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/zurueck-zur-drachme-was-passiert-wenn-die-griechen-aus-demeuro-aussteigen/5796176.html. 58 Vgl. Zeit Online, Griechen gefährden ein holfloses Europa, http://www.zeit.de/wirtschaft/geldanlage/2010-02/griechenland-furcht. 59 Vgl. Institute of empirical economic research, Net Balance with the Eurosystem/Target, http://www.iew.uni-osnabrueck.de/Intra_Eurosystem_balances.xlsx. 60 Vgl. Sachverständigenrat, Verantwortung für Europa übernehmen, 2011, S. 85. 61 Vgl. Quaas, Kritisches Resümee des Target2-Problems, in Wirtschaftsdienst, Heft 12/2011 - Dezember 2011, S. 836-842. 25 schen Währung die Nachfrage nach griechischen Produkten stiege und Investitionen in Griechenland wieder attraktiv würden. Langfristig bestünde allerdings eine erhöhte Inflationsgefahr. 62 Sollten mehrere Länder einen Staatsbankrott verzeichnen, stiege auch der prozentuale Anteil, mit dem Deutschland haftet, auf über 27 Prozent an. 63 Für Deutschland ist es dabei irrelevant, dass es die höchsten Target2-Forderungen ausweist, da alle Länder – nach dem Kapitalschlüssel der Zentralbanken an der EZB – gemeinsam für die Verbindlichkeiten eines Staatsbankrotts aufkommen müssen. Es könnte somit auch ein anderes Land die Höhe der Target2-Forderungen Deutschlands ausweisen; die Leistungen, die Deutschland in diesem Fall aufbringen müsste, blieben unverändert. 64 6.3.2 Austritt Deutschlands aus dem Eurosystem Ein weiteres Szenario stellt der Austritt Deutschlands aus der Europäischen Währungsunion dar. Der Austritt Deutschlands würde das Eurosystem gänzlich in Frage stellen. Die restlichen Euro-Länder müssten ohne Deutschland für die finanziellen Hilfen für die Krisen-Ländern aufkommen. Ein kompletter Zusammenbruch des Eurosystems wäre in diesem Fall nicht unwahrscheinlich. Deutschland könnte die Deutsche Mark oder eine neue Währung einführen, die allerdings stark inflationsbehaftet wäre, da sich eine ungedeckte Geldmenge, mit der maximalen Größe der Target2-Forderungen der Deutschen Bundesbank, im Umlauf befände. 65 6.4 Target2-Saldo als Gefahr für die Goldreserven der Deutschen Bundesbank Im folgenden Abschnitt werden die Thesen Frank Westermanns und Aaron Tornells zu Target2-Salden behandelt. Sie sind der Ansicht, dass sich die nationalen Zentralbanken der GIIPS-Länder über die EZB von anderen Zentralbanken des Eurosystems Geld leihen. Deutschland soll dabei besonders die Vergabe der Refinanzierungskredite an Ge62 Vgl. Kohler, Die europäische Zahlungsbilanzkrise, in Ifo Schnelldienst, Ausgabe 16/2011 – 31.August 2011, S. 12. 63 Vgl. Homburg, Die europäische Zahlungsbilanzkrise, in Ifo Schnelldienst, Ausgabe 16/2011 – 31.August 2011, S. 49. 64 Vgl. Deutsche Bundesbank, Monatsbericht, März 2011, http://www.bundesbank.de/download/volkswirtschaft/monatsberichte/2011/201103mb_bbk.pdf, S. 14. 65 Vgl. Homburg, Die europäische Zahlungsbilanzkrise, in Ifo Schnelldienst, Ausgabe 16/2011 – 31.August 2011, S. 48 f. 26 schäftsbanken der GIIPS-Länder durch deren nationale Zentralbanken finanzieren. „Um diese Anleihen zu finanzieren, verkaufte die Bundesbank ihre Beteiligung an deutschen Assets (Aktivposten).“ 66 Bald jedoch sei der Bestand an Sicherheiten erschöpft, der verkauft werden kann, um die Refinanzierungskredite der Zentralbanken der GIIPSLänder zu finanzieren. Die Deutsche Bundesbank müsse demnach bald ihr Gold beziehungsweise ihre Devisenreserven verkaufen. 67 6.4.1 Aktiva der Bundesbank Westermann und Tornell beschreiben anhand der Bilanzen der Deutschen Zentralbank, dass diese ihre „Private securities owned by central bank“ (private Sicherheiten der Zentralbank) absenken musste: Abbildung 14: Zentralbankenbilanz Westermanns Assets Liabilities Gold and reserves Bills in circulation Private securities owned by central bank Deposits from private credit institutions Public securities owned by central bank Loans from Eurosystem (TARGET liabilities) Other assets Other liabitlies Loans to Eurosystem (TARGET claims) Capital Quelle: http://www.voxeu.org/index.php?q=node/7391 Dabei betrugen diese Sicherheiten im Jahr 2007 noch 268 Milliarden Euro. Im Jahr 2008 seien es sogar 277 Milliarden Euro gewesen, um dann in Jahr 2009 auf 224 Milliarden Euro zu fallen. Diese Senkung setzte sich in den darauf folgenden Jahren fort. Im Gegensatz dazu stiegen die Target2-Forderungen der Bundesbank. Die Abnahme an Sicherheiten habe die Target2-Verbindlichkeiten der GIIPS-Länder finanziert. Der Posten „private Sicherheiten der Zentralbank“ wird in der Bilanz der Deutschen Bundesbank in diesem Ausdruck jedoch nicht aufgeführt. Anhand der genannten Werte ist davon auszugehen, dass sich Westermann und Tornell auf den Posten „Forderungen 66 67 Europenews, Eurozonen Krise Zweiter Akt, http://europenews.dk/de/node/50476. Vgl. Westermann, Eurozone Crisis, http://www.voxeu.org/index.php?q=node/7391. 27 in Euro aus geldpolitischen Operationen an Kreditinstitute im Euro-Währungsgebiet“ beziehen. Diese betrugen 2007 267,955 Milliarden Euro, 2008 277,425 Milliarden Euro und 2009 223,610 Milliarden Euro. 68 69 Dieser Posten spiegelt die Summe der Refinan- zierungskredite wider, die die Deutsche Bundesbank an die Geschäftsbanken vergibt. Der Posten stellt jedoch nicht den Wert der Sicherheiten dar, die infolge der Refinanzierungskredite zur Verfügung gestellt wurden. Bei Rückzahlung des Kredits durch die Geschäftsbank vermindert sich der Posten wieder um die Höhe des vergebenen Refinanzierungskredits. Werte aus diesem Posten wurden allerdings nicht verkauft. Die Refinanzierungskredite wurden durch die Liquidität verdrängt, die den Geschäftsbanken durch die Kapitalflucht aus den GIIPS-Ländern zugeflossen ist. Die Nachfrage der Geschäftsbanken und damit einhergehend die Vergabe von R efinanzierungskrediten durch die Deutsche Bundesbank sank. Die Kapitalflucht spiegelt sich in den Target2-Salden wider, wodurch die Target2-Forderungen der Bundesbank ansteigen. Die Deutsche Bundesbank verkauft somit keine Aktiva-Posten und muss somit ihre Goldreserven nicht veräußern. Es wird, im Gegensatz zu Westermanns und Tornells Annahme, kein Kredit, den die Zentralbanken der GIIPS-Länder vergeben, durch die Deutsche Bundesbank finanziert. Diese werden von den jeweiligen Zentralbanken, nach den Vorgaben der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank, vergeben. 70 6.4.2 Bundesbank als Nettoschuldner gegenüber Geschäftsbanken Westermann und T ornell argumentieren, dass die Deutsche Bundesbank zum Nettoschuldner gegenüber den ihren nationalen Geschäftsbanken wurde, da sie ihre Goldreserven nicht verkauft hat. 71 Ein Nettoschuldner ist ein „Wirtschaftssubjekt, bei dem in der Gegenüberstellung von Forderungen im weiteren Sinne (einschließlich Bargeld) und Verbindlichkeiten die Verbindlichkeiten überwiegen.“ 72 In der Bilanz der Bundesbank zum 31. Dezember 2009 betrugen die „Forderungen in Euro aus geldpolitischen Operationen an Kreditinstituten im Euro-Währungsgebiet“ 223,610 Milliarden Euro. Der Pas68 Vgl. Deutsche Bundesbank, Geschäftsbericht 2009, http://www.bundesbank.de/download/volkswirtschaft/jahresberichte/2009gb_bbk.pdf, S. 144. 69 Vgl. Deutsche Bundesbank, Geschäftsbericht 2008, http://www.bundesbank.de/download/volkswirtschaft/jahresberichte/2008gb_bbk.pdf, S. 134. 70 Vgl. Whelan, Worse than Sinn, http://www.irisheconomy.ie/index.php/2011/12/06/worse-than-sinn/. 71 Vgl. Westermann, Eurozone Crisis, http://www.voxeu.org/index.php?q=node/7391. 72 Wirtschaftslexikon24.net, Nettoschuldner, http://www.wirtschaftslexikon24.net/e/nettoschuldnerposition/nettoschuldnerposition.htm. 28 siv-Posten „Verbindlichkeiten in Euro aus geldpolitischen Operationen gegenüber Kreditinstituten im E uro-Währungsgebiet“ umfasste 112,163 M illiarden Euro. Die Deutsche Bundesbank war im Jahr 2009 somit Nettogläubiger gegenüber den Geschäftsbanken. Im Jahr 2010 s anken die Forderungen aus geldpolitischen Operationen der Bundesbank gegenüber den Geschäftsbanken von 223,610 M illiarden Euro auf 103,076 Milliarden Euro. Die Verbindlichkeiten gegenüber den Geschäftsbanken stiegen dagegen auf 146,431 Milliarden Euro. 73 74 Die Deutsche Bundesbank wurde stattdessen zum Nettoschuldner. Bereits im Juli 2010 überstiegen die Verbindlichkeiten gegenüber den Geschäftsbanken mit einem Wert in Höhe von 115,939 Milliarden Euro erstmals die Forderungen, die 114,995 Milliarden Euro betrugen. Abbildung 15: Entwicklung Einlagen bei der Bundesbank und Vergabe von Refinanzierungskrediten Bundesbank als Nettoschuldner 400000 350000 in Millionen Euro 300000 Forderungen aus geldpolitischen Operationen in Euro an Kreditinstitute 250000 200000 150000 Verbindlichkeiten in Euro aus geldpolitischen Operationen in Euro gegenüber Kreditinstituten 100000 50000 2005-01 2005-07 2006-01 2006-07 2007-01 2007-07 2008-01 2008-07 2009-01 2009-07 2010-01 2010-07 2011-01 2011-07 2012-01 0 Daten: www.bundesbank.de (Zeitreihen: TUB608, TUB621) Eigene Darstellung 73 Vgl. Deutsche Bundesbank, Geschäftsbericht 2009, http://www.bundesbank.de/download/volkswirtschaft/jahresberichte/2009gb_bbk.pdf, S. 144-145. 74 Vgl. Deutsche Bundesbank, Geschäftsbericht 2010, http://www.bundesbank.de/download/volkswirtschaft/jahresberichte/2010gb_bbk.pdf, S. 162-163. 29 Diese Entwicklung setzte sich mit leichten Schwankungen fort, im Februar 2012 bezifferten sich die Forderungen der Bundesbank gegenüber den Geschäftsbanken auf 48,022 Milliarden Euro. Die Verbindlichkeiten wuchsen dabei auf 342,492 Milliarden Euro an. 75 76 Der Posten „Forderungen in Euro aus geldpolitischen Operationen an Kreditinstitute des Euro-Währungsgebiets“ besteht aus den verschiedenen Refinanzierungskrediten, die von der Bundesbank angeboten werden. Die Nachfrage nach Refinanzierungskrediten ist, wie bereits erläutert, im Zuge der Kapitalflucht gesunken. Der Forderungs-Posten gegenüber den Geschäftsbanken ist folglich geschrumpft. Die Target2-Forderungen Deutschlands sind gestiegen; die deutschen Geschäftsbanken haben durch die Kapitalflucht aus der Peripherie nun mehr liquide Mittel. Diese werden anschließend wiederum bei der Bundesbank angelegt, da die Banken sonst einen Überschuss an Liquidität aufwiesen. Die Verbindlichkeiten der Bundesbank erhöhen sich folglich. Die Nettoschuldnerposition kann die Deutsche Bundesbank derzeit allerdings nicht in Bedrängnis bringen. Die Bundesbank konnte in den vergangenen Jahren stets einen positiven Nettozinsertrag ausweisen. 2011 betrug dieser 4,770 Milliarden Euro. 77 78 Die Nettoschuldnerposition der Bundesbank begründet sich aus der Kapitalflucht und in keiner Weise aus angeblich versäumten Goldverkäufen durch die Bundesbank, wie von Westermann und Tornell geschlussfolgert. Auch wird durch die Nettoschuldnerposition kein sogenannter „Target-Kredit“ finanziert. 7 Fazit Das Target2-System dient als Zahlungsverkehrssystem des Eurosystems und einiger weniger Staaten, die noch nicht den Euro als Währung eingeführt haben. Target ist die Abkürzung für „Trans-European Automated Real-time Gross Settlement Express Trans75 Vgl. Deutsche Bundesbank, Forderungen aus geldpolitischen Operationen in Euro an Kredit-Institute, http://www.bundesbank.de/statistik/statistik_zeitreihen.php?lang=de&open=ewu&func=row&tr= TUB608. 76 Vgl. Deutsche Bundesbank, Verbindlichkeiten in Euro aus geldpolitischen Operationen gegenüber Kreditinstituten, http://www.bundesbank.de/statistik/statistik_zeitreihen.php?lang=de&open=ewu&func=row&tr= TUB621. 77 Vgl. Deutsche Bundesbank, Geschäftsbericht 2011, http://www.bundesbank.de/download/volkswirtschaft/jahresberichte/2011gb_bbk.pdf, S. 140. 78 Vgl. Deutsche Bundesbank, Geschäftsbericht 2009, http://www.bundesbank.de/download/volkswirtschaft/jahresberichte/2009gb_bbk.pdf, S. 146. 30 fer System“. Target2-Salden können in diesem System durch drei allgemeine Arten von Transaktionen, gemäß der Zahlungsbilanz, hervorgerufen werden. Sie können aufgrund einer Leistungstransaktion, einer reinen Finanztransaktion oder einer Vermögensübertragung entstehen. Die Zahlungsbilanzen bleiben dabei stets ausgeglichen. Die Finanzkrise von 2008 verunsicherte den Finanzsektor und führte in die Euro-Krise. Durch die einseitigen Finanzabflüsse aus den Krisenländern wuchsen die Target2-Salden der nationalen Zentralbanken drastisch an. Die Deutsche Bundesbank besitzt seitdem die höchsten Target2-Forderungen. Die GIIPS-Länder (Griechenland, Irland, Italien, Portugal, Spanien) stellen den Kern der Länder dar, die Target2-Verbindlichkeiten aufweisen. Diese Salden sind größtenteils durch Kapitalflucht aus den GIIPS-Ländern entstanden und zu einem geringeren Anteil durch bereits vorhandene Leistungsbilanzdefizite. Der Zufluss der Liquidität über das Target2-System an die Geschäftsbanken Deutschlands hat dazu geführt, dass diese weniger auf Refinanzierungskredite durch die Deutsche Bundesbank angewiesen sind. Ein Einfluss auf die Kreditvergabe an den Privatsektor ist nicht zu erkennen. Das Geld, das über das Target2-System nach Deutschland und die anderen Staaten fließt, die Target2-Forderungen aufweisen, wird nicht von ihnen finanziert. Vielmehr wird es durch die nationalen Zentralbanken der GIIPS-Staaten gemäß der Vorgaben der Europäischen Zentralbank in Folge von Refinanzierungskrediten geschöpft. Deutschland finanziert folglich auch keine vorhandenen Leistungsbilanzdefizite. Es existieren somit keine sogenannten „Target-Kredite“. Target2-Verbindlichkeiten und Forderungen stellen keine reale Verschuldung der GIIPS-Länder gegenüber Deutschland dar. Sie dokumentieren lediglich den Geldfluss aus den GIIPS-Ländern nach Deutschland. Eine Gefahr für die Goldreserven der Bundesbank, wie Westermann es beschreibt, stellt der Target2-Saldo nicht dar. Target2-Salden werden erst dann zu einem finanziellen Problem, sollte eine Staatspleite in einem der GIIPS-Länder Realität werden. In diesem Fall würde Deutschland mithaften. Bei einem Zusammenbruch des gesamten Eurosystems ist anzunehmen, dass eine neue deutsche Währung von einer starken Inflation betroffen wäre. Allerdings ist ein derartiger Zusammenbruch des Eurosystems eher nicht zu erwarten. Um die Target2-Salden auf das Niveau zu senken, das vor der Krise vorzufinden war, muss das Vertrauen innerhalb des europäischen Bankensektors wieder hergestellt werden. Dieses Ziel muss die oberste Priorität sowohl für die Länder des Eurosystems als auch für die Europäische Zentralbank darstellen. 31 Literaturverzeichnis BINDSEIL, U., Weitere Anmerkungen zur Debatte um Target2, in Ifo Schnelldienst, Ausgabe 16/2011 – 31.August 2011, S. 81. CASPERS. R., Zahlungsbilanz und Wechselkurse, München 2002. 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