S. 23-26 Michel - Zahnarztpraxis für Angewandte Systemische

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ANWENDERBERICHT
Anwendung von Platelet-Rich-Plasma (PRP)
in der täglichen Praxis
Die Herstellung autologer Membranen
Konventionelle Prothetik ist obsolet, Implantate sind „the state of the art“. Sie werden bereits
in vielen zahnärztlichen Praxen als Routineverfahren angeboten. Das Handling ist einfach,
man diskutiert nur noch über Feinheiten, zum Beispiel den Erfolg mechanisch komprimierter,
osteoinduktiver oder fibrinretentiver Oberflächendesigns der unterschiedlichen Implantatsysteme. Eines haben jedoch alle Implantatsysteme gemeinsam: Wo kein ausreichendes
Knochensubstrat vorhanden ist, kann kein Implantat erfolgreich inseriert werden.
DR. GÜNTER MICHEL/WETZLAR
Chirurgie, ob Orthopädie, Dermatologie oder auch Implantologie und Parodontologie. Gewonnen aus Venenblut, durch Zentrifugation und Separation der Thrombozyten, enthält es unter anderem hochspezifische Proteine wie
PDGF (platelet derived growth factor) und TGF-b (transforming growth factor) inclusive der BMPs (bone morphogenetic proteins), die in konzentrierter Form zur qualitativen
und quantitativen Verbesserung knöcherner Augmentate
und des Implantatbettes per se Verwendung finden.
Ein klinisches Problem in der dreidimensionalen knöchernen Augmentation und der rekonstruktiven Parodontologie
stellt sich des öfteren im sauberen, spannungsfreien Wundverschluss. Im atrophierten Molarenbereich des Unterkiefers z. B., bei generell geringer attached Gingiva oder auch
in engen Approximalverhältnissen muss der Kliniker oft
trotz Spaltlappen- oder trickreicher Schnitttechniken und
multilayer-Nahtverfahren Misserfolge im Heilungsprozess
des Weichgewebes per primam beobachten. Nicht unerheblich beeinflusst hiervon ist der Heilungserfolg des Knochenaufbaus und der inserierten Implantate.
Durch die Bewusstmachung der Implantattherapie in weiten Teilen der Bevölkerung durch die Medien wurde eine
Entwicklung unterstützt, die zur Folge hat, dass der
Wunsch, fehlende Zähne durch Implantate und Kronen zu
ersetzen, an Popularität zugenommen hat. Ungeachtet dessen, dass dem potenziellen Patienten in der Regel das Verständnis für die anatomischen Voraussetzungen fehlt, steigt
die Herausforderung für das implantologisch tätige Team
mit zunehmendem Verlust von knöcherner Quantität und
Qualität. Was bis vor gar nicht allzu langer Zeit generell,
und heute noch für den wenig implantologisch tätigen
Zahnmediziner in der Regel gültig ist, nämlich Implantate
nur dort zu setzen, wo ausreichend Knochen vorhanden ist,
also einfache und vorhersagbare Fälle, verkommt plötzlich
zur low budget-Behandlung, unspektakulär und einfach
Routine.
Knochenmanagement
Auch die moderne Parodontologie ist längst von der reduzierenden zur augmentativen Behandlungsweise übergegangen. Ob Chirurgen oder Prothetiker, Knochenmanagement ist der neue und berechtigte Fokus.
Um anatomisch schwierigere Fälle, zumindest in der Hand
erfahrener Implantologen und Parodontologen, ebenfalls
erfolgreich in den Praxisalltag zu integrieren, bedarf es
neuer Techniken und Verfahren.
So wie vor ca. vierzig Jahren aus orthopädischer Not heraus
ein dentales Implantatsystem entwickelt wurde, so begann
Marx vor ca. zehn Jahren das natürliche Reservoir von Knochenwachstumsfaktoren zu nutzen, um größere knöcherne
Substanzdefekte auf natürlichem Wege zu rekonstruieren.
In beiden Fällen sollte die „kleinere“ Zahnmedizin davon
profitieren.
Autologes Plättchen Gel
Bereits Anfang der neunziger Jahre wurde in der Herzchirurgie erkannt, dass man mit Hilfe des PRP ein visköses Gel
zur Blutstillung und Abdeckung von Gewebe, ein sogenanntes Autologes Plättchen Gel (APG) herstellen konnte.
Dieses Material kann als autologe Membran Verwendung
finden, um
– autologes Knochenmaterial zu binden,
– synthetisiertes Knochenersatzmaterial zu formieren,
– ein knöchernes graft abzudecken,
– einen primären Wundverschluss zu forcieren,
– eine zusätzliche Aktivierung der Wachstumsfaktoren auf
das Augmentat zuerhalten (short-acting biological membrane barrier).
Die aktive Wirkung der biologischen Membran ist nach der
Wundheilungstheorie von Marx nach zehn Tagen beendet,
die Degranulation der Plättchen erfolgt bereits nach drei bis
fünfTagen. Die Membran kann also nicht als Epithelbarriere
Autologes thrombozytenreiches Blutplasma
Autologes thrombozytenreiches Blutplasma (PRP) ist das
zurzeit aktuellste Diskussionsthema in der rekonstruktiven
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ANWENDERBERICHT
fungieren, allerdings kann klinisch bereits nach fünf Tagen
eine Weichgewebsregeneration des gesamten Operationsfeldes beobachtet werden, selbst bei unvollständigem
Wundverschluss der epithelialen Schnittstellen.
Der Vorteil dieser Beobachtung liegt in einer spannungsund entzündungsfreien Abdeckung des Operationsfeldes
mit artifiziellem Wundverschluss.
Die im PRP enthaltenen FGF-Proteine (FibroblastenWachstums-Faktor) sind nicht nur an der Osteogenese beteiligt, sondern stimulieren vermehrt die Angioneogenese
und das Zellwachstum einschließlich der Periostzellen.
Ähnliche Wirkung wird den Insulin-ähnlichen Wachstumsfaktoren (IGF 1 und IGF 2) zugeschrieben. Sie verstärken die Teilung der Zellen des Bindegewebes und der glatten Muskulatur an einer Verletzungsstelle und tragen so zur
Heilung bei. Die Reaktionsfähigkeit der Zellen auf die
unterschiedlichen Proteine sind rezeptorendefiniert.
Bei einem Mischungsverhältnis Plasma und Aktivator von
10:1, wobei bovines Thrombin und Calciumchlorid im Verhältnis 1:1 gemischt sind, wird eine Formierung und Stabilisierung einer Membran nach wenigen Sekunden bis zu einer Minute beobachtet. Bereits nach diesem Zeitraum kann
die Membran beschnitten, geformt und platziert werden,
auch Mehrfachschichtungen sind möglich.
Das PRP-Konzentrat kann mit Knochen und/oder Knochenersatzmaterial und/oder in Form einer Membran als
Kontaktabdeckung zum bonegraft Verwendung finden, da
hiermit die Wachstumsfaktoren-Wirkung verdoppelt werden kann. Die auf PPP basierende Mischung ist wirkungsvoll als zweite Schicht aus Sicht der Stabilisierung und Homöostase, das plättchenarme Substrat gilt mehr als quantitative Reserve für eine oberflächliche Schutzschicht oder
zur eventuellen Auffüllung für ästhetische Zwecke. Die
Qualität eines PRP Präparates ist abhängig vom Angebot
der Stammzellen und vom Hämatokritwert des Patienten,
dem 02 Partialdruck der Empfängerstelle und der gewonnenen vitalen Thombozytenmenge, die das gewählte Zentrifugationssystem zur Verfügung stellen kann.
Die Verwendung von bovinem Thrombin erleichtert die klinische Handhabung und die Gerinnung der zur Verwendung kommenden Substrate zweifellos. Aber mögliche Unverträglichkeitsreaktionen gegenüber körperfremdem Eiweiß und die zurzeit in Deutschland immer noch aktuelle
Diskussion bezüglich Kontaminierung mit Boviner Spongiformer Enzephalopathie lassen in diesem Zusammenhang
eine Verwendung nicht sinnvoll erscheinen. Realität jedoch ist, dass die Sensibilisierung der Patienten gegenüber
dieser Problematik Behandler im Aufklärungsgespräch in
ein argumentatives Dilemma bringen können und zudem
die Logik der humanen Kette ad absurdum geführt wird.
Wird auf bovines Thrombin verzichtet, steht zurzeit ausschließlich Calciumchlorid 10%ig zur Verfügung. Es verlängern sich die Gerinnungszeiten wie folgt:
Herstellung biologischer Membranen
Die Herstellung einer biologischen Membran kann mit
unterschiedlicher Wachstumsfaktoren-Konzentration erfolgen.
– PRP mit Thrombin und Calciumchlorid
– PPP mit Thrombin und Calciumchlorid
– blutzellenreiches, thrombozytenarmes Plasma mit
Thrombin und Calciumchlorid
Um dem natürlichen Gerinnungsvorgang des venös punktierten Blutes während der Zentrifugierung entgegen zu
wirken, wird ein Antikoagulantium (Calciumcitrat, Natriumcitrat) zugesetzt. Nach Separation in PRP, PPP und erythrozytenreiches Restplasma muss die antikoagulierende
Wirkung aufgehoben werden und eine Re-Aktivierung der
selektierten Substanz stattfinden. Hierzu steht 10%iges
Calciumchlorid und bovines Thrombin zur Verfügung.
Abb. 1: PCCS-Beutelsystem mit Blutzellen, PPP
und PRP.
Abb. 2: PPP-Entnahme.
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Abb. 3: PRP-Entnahme.
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Abb. 4: PPP, PRP und Calciumchlorid 10%ig.
Abb. 6: PPP-Membrane.
Abb. 5: bone graft auf PRP-Membran.
Abb. 7: bone graft mit PRP und Calciumchlorid.
– PRP + CaCl ca. 20 Minuten
– PPP + CaCl ca. 40 Minuten
– blutzellen- und fibrinogenreiches Plasma + CaCP ca.
zehn Minuten.
Bei der Präparation ist die Verwendung von Plastikgefäßen
oder glasierten Keramikschalen bei ca. 37 °C zu empfehlen. Vergleichend zur Anwendung mit bovinem Thrombin
ist die Konsistenz weicher, jedoch stabil und in gleichem
Maße verwendungsfähig. Um den Zeitfaktor auszugleichen, empfiehlt es sich, im Operationsprotokoll präoperativ mit der Herstellung von autologen Membranen zu beginnen.
Das Hauptaugenmerk sollte dabei auf eine möglichst umfangreiche Verwendung von PRP gelegt werden. Dies ist
kalkulatorisch wichtig, wenn gleichzeitig – und das ist die
Regel – ein Knochenaufbau erfolgen soll.
Diese Substrate können in unterschiedlicher Weise, wie beschrieben, angewandt werden. In der Regel reicht die gewonnene Menge für das Spektrum oralchirurgischer Eingriffe aus.
Das PCCS-System bietet zudem ein hohes Maß an Infektionsschutz, da eine Kontaminierung des Blutes während
der Zentrifugationsvorgänge praktisch nicht möglich ist.
Zusammenfassung
Die Anwendung von PRP in der chirurgischen Praxis stellt
eine erfolgversprechende Methode dar, die Heilung parodontaler, oralchirurgischer und implantologischer Eingriffe
qualitativ und quantitativ zu forcieren, um sowohl Hart- als
auch Weichgewebe zu regenerieren ohne die humane
Kette zu verlassen.
Das Verfahren unterstützt die positive Prognose des Behandlungserfolges und sollte auf Grund seiner multifunktionellen Indikation Eingang finden als Routineverfahren
bei regenerativen Behandlungen.
PCCS-System (3i)
Das PCCS-System von Implant Innovations Deutschland
(3i) liefert sowohl ein vier- bis sechsfach konzentriertes,
plättchenreiches als auch plättchenarmes Plasma, das
durch ein geschlossenes Beutelsystem dem Anwender die
Wahl für qualitativ selektive Präparate lässt.
Ein zweifacher Zentrifugationsprozess liefert aus 54 ml Venenblut des Patienten 4 bis 6 ml plättchenreiches Plasma
und einen sogenanten buffy coat mit hoher Plättchenkonzentration.
Korrespondenzadresse:
Dr. Günter Michel
Institut für ganzheitliche Zahnmedizin
Hausertorstraße 47, 35578 Wetzlar
E-Mail: [email protected]
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