Vortrag Physikalische Gesellschaft Zuerich, 29.1.04

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Elementarteilchenphysik
und
Kosmologie
U. Straumann, pgz, 29.1.04
Dunkle Materie im Universum ­
eine neue „ Spiegelwelt“ der Teilchenphysik?
Kosmologen entdecken eine neue Materieart
Kann die Teilchenphysik mit Hilfe von Supersymmetrie
dafür eine Erklärung bieten?
Was muss das für den Exp. Teilchenphysiker
für Konsequenzen haben?
1. Standardmodell der Teilchenphysik
Wechselwirkungen, Quarks, Leptonen, „ Spiegelwelten“ : ­ Antimaterie
­ 3 Generationen
2. Anwendung in der Kosmologie
­ Vorgänge im frühen Universum
­ vom heutigen Universum aus betrachtet Was ist Dunkle Materie?
3. Antworten der Teilchenphysik darauf?
­ eine neue „S piegelwelt“ ?
­ geplante Experimente
Quantenfeldtheorie beschreibt Wechselwirkungen Standardmodell der Teilchenphysik
Wir kennen vier fundamentale Wechselwirkungen (Kräfte):
Quark
Lepton
Elektro ­ Schwache Wechselwirkung
bewirkt 2 Zustände
elektrische
Ladung
+2/3
­1/3
up­
quark
down­
quark
0
neutrino
­1
electron
elektrische
Ladung
+2/3
­1/3
up­
quark
down­
quark
Starke
Wechselwirkung
=> 3 Zustände
+2/3
­1/3
­1/3
+2/3
+2/3
­1/3
0
neutrino
­1
electron
+2/3
­1/3
+2/3
­1/3
­1/3
+2/3
up­
quark
0
neutrino
­1
electron
down­
quark
= Bausteine der gewöhnlichen Materie, “ Baryonische Materie” :
Protonen, Neutronen ­> Atomkerne
Elektronen ­> Atome, Moleküle ...
Warum sind die mittleren Ladungen („ Hyperladungen“ ) gerade +1/6 und ­1/2 ?
Muss so sein, denn das Universum ist elektrisch neutral. Aber warum?
Antimaterie
von Paul Dirac 1930 vorhergesagt
aus ­ spezieller Relativitätstheorie (Einstein)
­ Quantenmechanik (Schrödinger)
wegen der Energieäquivalenz E=±  p 2 c 2m 2 c 4
­ gibt es zu jedem Zustand auch eine negative Energielösung ­ mit umgekehrtem Vorzeichen der elektrischen Ladung
­ mit umgekehrtem Eigendrehimpuls (Helizität)
= Antiteilchen
Symmetrieoperation CP: Teilchen Antiteilchen
Das Positron wurde in der Höhenstrahlung gefunden
­ 1932 von Anderson, ­ 1933 von Blackett und Occhialini e.

−.
e
auch: Teilchen und Antiteilchen werden paarweise erzeugt
und vernichtet
Nebelkammer mit Bleiplatte im Magnetfeld
+2/3
­1/3
+2/3
­1/3
+2/3
­1/3
up­
quark
neutrino
electron
down­
quark
CP Operation: Spiegelwelt: Antimaterie
­2/3
+1/3
+1/3
­2/3
­2/3
+1/3
anti­up­
quark
­1
0
anti­down­
quark
0
antineutrino
C: Ladung
P: Helizitaet
+1
positron
Die CP Symmetrie ist fast vollkommen, aber nicht ganz
Es gibt kleine Unterschiede zwischen der Welt
und der Antiwelt
Es gibt einen kleinen Unterschied in den Wahrscheinlichkeiten
zwischen Teilchen und Antiteilchen für gewisse Prozesse: K L =d
s Zerfälle, 1964, Chistensen, Cronin, Fitch, Turley
Zerfälle, 2002, SLAC(USA), KEK(Japan)
B=b
d
CP Verletzung ist existentiell für uns: Es gibt Materie im Universum,
aber (fast) keine Antimaterie, wegen einer CP ­ Asymmetrie existieren wir überhaupt
+2/3
­1/3
up­
quark
down­
quark
­1
0
neutrino
electron
Experimentelle Beobachtungen:
Es gibt 3 Generationen von Quarks und Leptonen
(ebenso Antiteilchen): noch eine Spiegelwelt
Generationen:
1.
+2/3
2.
+2/3
­1/3
0
νµ
­1
+2/3
­1/3
0 ν
τ
­1
up
charm
3.
top
­1/3
0
down
strange
bottom
ν
e
­1
e
µ
ττ
Warum gibt es 3 Generationen? Niemand weiss es!
Die 2. und 3. Generation haben grössere Massen
Sie zerfallen relativ schnell über die schwache Wechselwirkung in Quarks und Leptonen der 1. Generation.
Aber (mindestens) 3 Generationen braucht es, um eine
eine leichte Verletzung der CP ­ Symmetrie zu erzeugen
(Modell von Kobayashi­Maskawa, 1973, verwendet
die Kopplung der schwachen Wechselwirkung an die Quarks)
Ingredienzen des Standardmodells:
Quarks und Leptonen
sind Fermionen (Spin 1/2) Teilchen und Antiteilchen
in 3 Generationen
starke, elektromagnetische und schwache Wechselwirkung
.
−.
0

,
W
,
W
,
Z
Quantenfelder: Gluon g, Photon
sind Bosonen (Spin 1)
W und Z haben Masse durch Higgsmechanismus
deshalb ist die schwache Wechselwirkung „ schwach“
Alle bekannten Prozesse lassen sich durch das SM genau beschreiben
einzige Ausnahme: Neutrino ­ Oszillationen
Das Standardmodell ist ein quantitativ sehr genaues Modell:
gemessene Parameter: ­ eine Kopplungskonstante pro Wechselwirkung
­ Massen der Quarks und Leptonen
­ ein paar weitere Konstanten
+ Quantenfeldtheorie
beschreibt alle gemessenen Reaktionen sehr genau:
Was ist nun eigentlich genau präzise? Die Wechselwirkungen! Alle die genauen Zahlen beziehen sich auf den sogenannten Eichsektor, auf die Theorie der starken und elektroschwachen Wechselwirkung. Die Fermionen kennen wir experimentell wesentlich weniger genau (Flavorsektor).
Für seine Ladungsverteilungen und seine Massen haben wir keine gute Theorie. Die Hyperladungen scheinen chaotisch, die fundamentale Eigenschaft des Universums, dass es elektrisch neutral ist, muss per Hand eingegeben werden. Das Higgs haben wir bisher nicht nachweisen können!
Es gibt noch viel zu tun!
Wir bekommen Hilfe von der Kosmologie!
Seit Hubble (1929) wissen wir, dass sich das Universum ausdehnt.
Rückwärts geschaut, war das Universum einmal
viel kleiner und somit heisser.
Das BigBang Modell besagt, dass das Universum vor ca. 13 Gy angefangen hat, und unterschiedlich schnell auf seine heutige Grösse expandiert ist.
So stellen wir uns heute die Entwicklung unserer Welt vor:
Bei T = 1 Protonmasse vernichten sich ­ fast ­ alle quarks und
antiquarks.
Es bleiben aber ein paar Quarks übrig CP­Verletzung!
Daraus bilden sich Protonen und Neutronen
Bei T unter 1 Elektronmasse vernichten sich ­ fast ­ alle Elektronen und Positronen, es bleiben ein paar Elektronen übrig.
Baryonen
Beobachtetes Verhältnis ————— =
Photonen
−10
6.50.4
×10
−0.3
„ Big Bang Nucleosynthesis“ der leichten Kerne
Beispiele von Prozessen: pn ↔ d
dd ↔ H3p
H3d ↔ He 4n
He 4H3 ↔ Li 7
Die Temperatur
bestimmt das
Gleichgewicht
Tritium
zerfällt in D
Be7 zerfällt
in Li7
Kurven = theoretisches Modell
horizontale Linien = heutige Messwerte
schneiden sich alle beim gleichen Wert der Baryonenmassendichte!
Cosmics Microwave Background (CMB):
Bis kurz vor dem Entkoppeln wird ein thermodynamisches Gleichgewicht
e ↔ e
mit Hilfe des Comptonprozesses aufrechterhalten.
Nach dem Entkoppeln: Die Photonen kurven unbehelligt durchs Weltall, die Form der Intensitätsverteilung bleibt „ eingefroren“
aber:
Ausdehnung
­> λ wird grösser
heutiger Messwert:
T = 2.725(1) K
Wilkinson Microwave Anisotropy Probe
WMAP misst Intensität und
Polarisation der Mikrowellenstrahlung
Wiederspiegelt die Dichtefluktuationen der letzten Streuebene
Skala: ­200 ... +200 µK
Spektrum der Fluktuationen.
Grösse der kausal verknüpften Gebiete
war damals etwa 1 Grad (Hubbleradius)
Direkt abgeleitete gemessene Grössen:
3H2
crit=
≈10−32 kg⋅cm−3
8G
Definitionen

=
crit
Hubble Konstante
H km / (s Mpc)
0 =725
Baryonenenergiedichte
totale Materiedichte
h=H0 /100
2
b h = 0.024(1) konsistent mit D, Li Dichte
 m h2 = 0.14(2) bestimmt auch die Cluster­
bildung durch Gravitation
tot=1.02±0.02
totale Energiedichte
=> 1. Frage: Aus was besteht die restliche Materie? Dunkle Materie, durchsichtige Materie
bekannte Teilchen:
Anzahldichte
−7
2.51×10 cm
Baryonendichte heute
410.49cm−3
Photonendichte heute
Neutrinodichte heute Energiedichte
−3
0.024
4.3×10−5
.0.0076
Messe die Geschwindigkeitsverteilung der Sterne in einer Galaxie
(erstmals von F. Zwicky, 1926)
vergleiche mit Kepplergesetz
Man braucht erheblich mehr Masse, und eine andere Dichteverteilung als
die sichtbare Massenverteilung.
Messe Helligkeit =
Distanz der SNIa
als Funktion der
Rotverschiebung = Alter => Das Universum expandiert immer schneller!
Notwendige zusätzliche Energiedichte etwa =0.7
2. Frage: Was ist diese Vakuumenergiedichte?
Zusammenfassung:
Was wissen wir über die
Bestandteile des Universums
heute?

m
Was ist diese dunkle Materie? 23% der Energiedichte
Was ist diese dunkle Energie? 73% der Energiedichte
unsere bekannte baryonische Materie steuert nur gerade ca. 4% der Dichte bei.
Man will die totale
Energiedichte noch
besser messen:
Zeitevolution von 
vorgeschlagenes
Satellitenteleskop
SNAP
SNAP Supernova Acceleration Probe
2 m Teleskop
Kamera: 1 QuadratGrad
109
Pixels
3. Teil: Teilchenphysik: Standardmodell ist unvollständig
1. Die Gravitation ist nicht eingebunden
2. Strahlungskorrekturen der Quantenfeldtheorie zum Higgsfeld divergieren
3. Die Kopplungskonstanten der 3 Wechselwirkungen hängen von der
Energie ab und treffen sich – nicht genau – in einem Punkt.
4. Jedes Teilchen hat seine eigene Masse und sein Kopplungsfaktor an die
schwache Wechselwirkung, ohne fundamentales Prinzip.
5. Die kürzlich entdeckten Neutrinooszillationen benötigen rechtshändiges Neutrino
6. Die im Standardmodell beschriebene CP­Verletzung ist konsistent bestätigt, aber nicht gross genug für den Materieüberschuss im Weltall.
7. Die dunkle Materie wird nicht beschrieben.
Die beliebteste Theorie, die fast alles besser macht: (ausser 4.)
Supersymmetrische Vereinheitlichung = Noch eine weitere Spiegelwelt
Zur Erinnerung:
Ingredienzen des Standardmodells:
Quarks und Leptonen
sind Fermionen (Spin 1/2) Teilchen und Antiteilchen
in 3 Generationen
starke, elektromagnetische und schwache Wechselwirkung
.
−.
0

,
W
,
W
,
Z
Quantenfelder: Gluon g, Photon
sind Bosonen (Spin 1)
W und Z haben Masse durch Higgsmechanismus
deshalb ist die schwache Wechselwirkung „ schwach“
Alle bekannten Prozesse lassen sich durch das SM genau beschreiben
einzige Ausnahme: Neutrino ­ Oszillationen
Supersymmetrie:
Beispiele von
Superpartnern:
Zu jedem Fermion gibt es ein Boson
mit ansonsten gleichen Eigenschaften
und umgekehrt
die dritte Spiegelwelt!
q q
e e
 

W W
squark, S=0
selektron, S=0
photino, S=1/2
wino, S=1/2
Supersymmetrie kann nicht genau exakt sein, sonst hätten die supersymmetrischen Partner gleiche Massen, und wir hätten sie schon lange gefunden.
SUSY löst alle erwähnten Probleme, ausser den Flavor­Sektor, es
hat noch immer (und noch mehr!) Massen und Kopplungen für alle Teilchen.
Andererseits gibt es bisher nicht den geringsten experimentellen Hinweis,
dass SUSY in der Natur existiert.
Aber theoretisch sehr überzeugend!
R­Parity: Multiplikative Quantenzahl, muss erhalten sein.
Normale Teilchen haben R= +1
Superpartner haben R= ­1
=> Supersymmetrische Teilchen können nur paarweise erzeugt
und vernichtet werden.
Was sind die Massen der SUSY Teilchen? Weiss man nicht.
Aber: Das leichteste SUSY Teilchen („ LSP“ ) kann nicht zerfallen (R­parity)!
Das LSP könnte das gesuchte Teilchen sein, dass die „ dunkle Materie“ bildet!
Es müsste elektrisch neutral sein, nennen wir es und (Neutralino)


Annihilation zum Beispiel:  
Thermische Relikte aus dem frühen expandierenden Universum:
Das Universum bestehe aus verschiedenen Teilchen der Sorte i mit
ni
der Teilchenzahldichte , die sich mit der mittleren
Geschwindigkeit bewegen sollen. Sie annihilierten mit der cross section
vi
i
in andere Teilchen des Universums, z.B. Neutralinos und Elektronen
 ↔ e−.e.
=n i⋅v i⋅ i
Dann beträgt die mittlere Wechselwirkungsrate und die
Bedingung für die Existenz eines thermodynamisches Gleichgewicht zwischen
den Photonen und den Neutralinos ist ≫H
Andernfalls finden sich die Teilchen nicht mehr, weil das
Universum zu schnell expandiert.
Wenn v oder n im Laufe der Expansion abnimmt, dann ist diese Bedingung nicht mehr erfüllt. Dann „ friert diese Teilchensorte aus“ .
(zum Beispiel Photonen der Hintergrundstrahlung) Die Geschwindigkeitsverteilung bei einer bestimmten Temperatur
des Universums hängt von der Masse der Teilchen ab.
Theorien deren Teilchen beim „ Freeze out“ nicht relativistisch waren, T≪m
nennt man cold dark matter CDM. (hot dark matter sonst)
Auch der Wirkungsquerschnitt mit der Umgebung bestimmt den
Zeitpunkt des „ Freeze outs“ mit.
Freeze out von nicht relativistischen Teilchen:
Teilchenzahldichte (normiert auf Entropie) n
n
Thermod.
Gleichgewicht
m
T
Alle Messungen, insbesondere WMAP, sind konsistent mit CDM.
Vernünftige Annahmen von SUSY – Modellen, allen relevanten Resultaten der Teilchenphysik und der heute gemessene Anteil an der Energiedichte des Universums führt zu Grössenordnungen von
(modellabhängig)
m200. ..500 GeV
Aus bisherigen Beschleunigerexperimenten:
m 56 GeV

Drei Strategien zur Suche nach den CDM Teilchen:
1. Hochenergiebeschleuniger mit genügend Energie: LHC
2. Direkter Nachweis mit geeigneten Detektoren: z.B. Dama, Edelweiss
3. Suche nach Annihilationsstrahlung von zwei CDM Teilchen in gewöhnliche Teilchen, z.B. in Photonen: MAGIC (Annihilation in (Anti ­) Deuteronen waere auch eindeutig zu erkennen
­> Satellitenprojekt geplant) LHC: proton proton collider
27 km Umfang
7+7=14 TeV Energie
Inbetriebnahme 1. April 2007
Neutralinos
bis zu mehreren
hundert GeV finden.
2. Strategie: direkte Suche nach CDM Teilchen (WIMP)
DAMA: 100kg NaI Szintillations ­ Detektor im CNGS (Gran Sasso) bei Rom
misst die Energie von Rueckstosskernen, die von einem dark Matter Teilchen angestossen wurden. Erwarten eine jährliche Periode, entsprechend der Variation der Geschwindigkeit der Erde.

Edelweiss im Frejus Tunnel
0.32 kg Germanium Detektor bei T=17 mK
misst: Ionisationsstrom Energie durch Wärme
Rückstosselektronen von Photonen
Keine Rückstosskerne gesehen
3. Strategie:  X
MAGIC Atm. Cerenkov Licht Teleskop
La Palma, in Betrieb seit Oktober 03
17 m, 230 m2
m2
1.5 Kamera mit 577 PMT
misst Richtung und Zeit des C­Lichtes
Oeffnung 4o
Aufloesung 0.2o
Schwellwert E30 GeV ..... 20 GeV
Zusammenfassung:
Die Teilchenphysik beschreibt die baryonische Materie mit Quark und Leptonen, sowie mit 2 Spiegelwelten: Antimaterie und 3 Generationen
●
●
Nur 4% der Energiedichte im Universum „ kennt“ die Teilchenphysik so.
Supersymmetrie als dritte Spiegelwelt verbessert die Konsistenz der Teilchenphysik, bringt aber viele neue Konstanten
●
Das leichteste supersymmetrische Teilchen ist ein guter Kandidat für die dunkle Materie ●
●
Drei experimentelle Strategien, um es zu finden:
1. Am Hochenergiebeschleuniger LHC
2. Durch direkte Wechselwirkung mit einem irdischen Detektor
3. Indirekte Suche durch Nachweis von Zerfallsphotonen
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