Gesundheitspolitiken in der Schweiz – Potential für eine

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Wally Achtermann | Christel Berset
Gesundheitspolitiken
in der Schweiz – Potential für eine
nationale Gesundheitspolitik
Band 1 | Analyse und Perspektiven
© Bundesamt für Gesundheit (BAG), 2006
Text
Wally Achtermann und Christel Berset
Projektleitung
Philippe Lehmann
Geschäftsstelle des Bundes für die Nationale Gesundheitspolitik Schweiz (BAG)
www.bag.admin.ch
Diese Publikation ist ebenfalls in französischer Sprache erhältlich.
Cette publication paraît également en français.
Vertrieb
Bundesamt für Bauten und Logistik (BBL)
Verkauf Bundespublikationen, CH-3003 Bern
BBL-Art.-Nr.: 311.600.d (Band 1)
BBL-Art.-Nr.: 311.601.d (Band 2)
www.bbl.admin.ch/bundespublikationen
ISBN 3-905235-54-4 (Band 1)
Gedruckt auf chlorfreiem Papier
BAG GP 5.06 1200 d 500 f 30EXT06003 138628
Teil
I
Referenzrahmen
Inhalt
Band 1
Gesundheitspolitiken in der Schweiz –
Potential für eine nationale Gesundheitspolitik
Band 1 | Analyse und Perspektiven
Vorwort
6
Vorbemerkungen der Autorinnen
7
Einführung
9
Nationale Gesundheitspolitik Schweiz: Versuch einer Begriffsklärung
13
Zusammenarbeit
Teil
II
Teil
III
Einleitung
16
Kapitel 1 | Bisherige Erfolge und neue Herausforderungen
17
1.1 Ein leistungsfähiges Gesundheitssystem
17
1.2 Neue Herausforderungen und notwendige Veränderungen
18
Kapitel 2 | Vier Merkmale des schweizerischen Gesundheitssystems
20
2.1 Die beherrschende Stellung der kurativen Medizin
20
2.2 Föderalismus und Subsidiaritätsprinzip
29
2.3 Ein liberales System 38
2.4 Der sozialstaatliche Einfluss 41
Kapitel 3 | Stärken und Schwächen des gegenwärtigen Systems
44
3.1Die beherrschende Stellung der kurativen Medizin
44
3.2 Föderalismus und Subsidiaritätsprinzip
44
3.3Liberale und sozialstaatliche ­Einflüsse
46
Schluss
48
Teil II | Zusammenarbeit in der Gesundheitspolitik
Einleitung
52
Kapitel 4 | Zusammenarbeit in der Gesundheitspolitik auf Stufe Bund
54
4.1 Ausgangslage
54
4.2 Bundesrätliche Gesamtplanung
54
Perspektiven
Teil I | Gesundheitssystem Schweiz: Referenzrahmen
Referenzrahmen
Teil
I
Zusammenarbeit
Teil
II
Perspektiven
Teil
III
4.3 Zusammenarbeit zwischen Bundesstellen
59
4.4 Potential für eine nationale Gesundheitspolitik
69
Anhang: Gesundheitsthemen innerhalb der Bundesverwaltung:
Zuständigkeiten
72
Kapitel 5 | Zusammenarbeit der Kantone in der Gesundheitspolitik
73
5.1 Ausgangslage
73
5.2 Auslöser der interkantonalen Zusammenarbeit 74
5.3 Vertragliche Zusammenarbeit zwischen den Kantonen
75
5.4 Organisierte Zusammenarbeit auf regionaler Ebene
77
5.5 Organisierte Zusammenarbeit auf schweizerischer Ebene
93
5.6 Themenzentrierte Zusammen­arbeit zwischen Kantonen
100
5.7 Zusammenfassung
114
5.8 Potential für eine nationale ­Gesundheitspolitik
120
Anhang: Interkantonale Vereinbarungen im Sektor Gesundheit 122
Kapitel 6 | Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen
129
6.1 Ausgangslage
129
6.2 Instrumente der Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen
130
6.3 Themenzentrierte Schnittstellen Bund–Kantone
138
6.4 Neue Ansätze in der Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen 159
6.5 Potential für eine nationale Gesundheitspolitik
168
Anhang: Erwartungen, Ziele und Themen der beiden staats­politischen
Akteure Bund und Kantone im Bereich Gesundheit 171
Teil III | Perspektiven zur Entwicklung einer nationalen Gesundheitspolitik
Einleitung
178
Vier Voraussetzungen für eine nationale Gesundheitspolitik
178
Kultur der Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen
180
Wissensbasierte Gesundheitspolitiken
183
Stärkung des ganzheitlichen und multisektoralen Ansatzes
in der Gesundheitspolitik
185
Gesundheitsinformation und Gesundheitsbildung
189
Bibliographie
191
Register nach Schlüsselbegriffen
193
Verzeichnis der Tabellen
200
Abkürzungsverzeichnis
201
Band 2 | 10 Porträts
Einleitung
Teil IV | Kantonale Gesundheitspolitiken: 9 Porträts
Teil
II
Zusammenarbeit
Band 2
Gesundheitspolitiken in der Schweiz –
Potential für eine nationale Gesundheitspolitik
Referenzrahmen
Teil
I
Bern (BE)
Basel-Landschaft (BL)
Freiburg (FR)
Genf (GE)
Teil
III
Thurgau (TG)
Waadt (VD)
Wallis (VS)
Zug (ZG)
Teil V | Porträt der Gesundheitspolitik des Bundes
Perspektiven
Uri (UR)
Teil
I
Referenzrahmen
Vorwort
Umfragen zeigen, dass sich die Bevölkerung in der Schweiz mehrheitlich gesund fühlt. Im internationalen Vergleich
schneidet unser Gesundheitssystem sehr gut ab. Und doch beherrscht seit Jahren das Gesundheitssystem und seine
Kosten die öffentliche Diskussion.
Teil
II
Der Bericht «Gesundheitspolitiken in der Schweiz – Potential für eine nationale Gesundheitspolitik» setzt bewusst nicht
hier an. In diesem Bericht geht es um etwas grundlegend anderes. Es geht darum, inmitten der Komplexität des Sys­
Zusammenarbeit
tems, inmitten der Vielfalt divergierender Meinungen und Interessen, den Reichtum und die Innovationskraft der Gesundheitspolitiken in den Kantonen und auf Bundesebene zu dokumentieren und Wege hin zu einer politischen Kultur
der Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen zu zeichnen. Mit anderen Worten, es geht darum, das Potential des
schweizerischen Föderalismus für eine nationale Gesundheitspolitik aufzuzeigen.
Gefordert in einem solchen Prozess sind in erster Linie wir, die Regierungsvertreter auf kantonaler und eidgenössischer
Ebene. Zwar bekundet die Schweiz noch Mühe, «national» zu denken: Der Bund denkt und handelt vorwiegend «eidgenössisch», die Kantone im Rahmen ihrer Kompetenzen «kantonal». Es gilt jedoch, die Chancen des Föderalismus zu
Teil
III
nutzen und gleichzeitig seine Schwächen abzubauen. Konkret bedeutet dies, dass wir eine bessere politische Steuerung
– will heissen – eine Priorisierung gesundheitspolitischer Ziele und Strategien sowie eine bessere Koordination der Massnahmen auf nationaler Ebene – längerfristig nur gemeinsam erreichen können.
Perspektiven
Der vorliegende Bericht leistet hier einen besonderen Beitrag. Er gibt erstmals in dieser Form einen Überblick über die
bestehenden gesundheitspolitischen Perspektiven, Strategien, Projekte und Strukturen auf Stufe Bund und Kantone.
Damit erfüllt er ein wichtiges Anliegen, dass Bund und Kantone im Rahmen des ehemaligen Projekts Nationale Gesundheitspolitik Schweiz formuliert haben – eine Übersicht über das Gesundheitssystem Schweiz zu gewinnen. Die Entstehungsgeschichte dieses Berichts zeigt darüber hinaus, dass die Fachleute der öffentlichen Verwaltungen auf Stufe Bund
und Kantone nicht nur bereit waren, Wissen zu teilen, sondern auch daran interessiert sind, die Strategien anderer Akteure kennen zu lernen und zu verstehen. Damit trägt er zu einem besseren Verständnis der Partner untereinander bei.
An uns ist es nun, die nationale Route weiterzuverfolgen und den gesundheitspolitischen Dialog zu vertiefen. Wir sind
überzeugt, dass wir gemeinsam weitere Etappenziele hin zu einer nationalen Gesundheitspolitik erreichen werden und
freuen uns auf diese Zusammenarbeit.
Thomas Zeltner
Direktor des Bundesamts für Gesundheit
Markus Dürr
Präsident der Schweizerischen Konferenz der
kantonalen Gesundheits­direktorinnen und -direktoren,
Regierungsrat des Kantons Luzern
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Vorwort
Teil
I
Referenzrahmen
Vorbemerkungen der Autorinnen
Der Bericht «Gesundheitspolitiken in der Schweiz – Potential für eine nationale Politik» gleicht einer Bestandesauf­
nahme, einem Montoring: Er beschreibt eine Auswahl von Gesundheitspolitiken, wie sie in den Kantonen, auf interkantonaler Ebene und beim Bund entwickelt und umgesetzt werden. Die Arbeiten zu dieser Bestandesaufnahme begannen
Teil
II
im Jahr 2003 im Rahmen des Projekts «Nationale Gesundheitspolitik Schweiz» (NGP). Den Arbeiten lag der Auftrag der
Projektleitung zu Grunde, das vorhandene, aber verstreute Wissen der Regierungsvertreter/innen und Behörden in der
Schweiz über bestehende gesundheitspolitische Ziele, Strategien und Massnahmen zu dokumentieren und dadurch zu
Zusammenarbeit
einer Gesamtsicht über das Gesundheitssystem beizutragen.
Die Vielzahl und die Vielfalt der Gesundheitspolitiken in der Schweiz entpuppten sich bei den Recherchen zu diesem
Bericht als aufwändig, ebenso der Anspruch, ein einheitliches Raster für die Darstellung der Gesundheitspolitiken zu
entwerfen. Entstanden ist schliesslich eine Publikation, die erstmals in strukturierter und kondensierter Form vor allem
die Stärken der bestehenden Gesundheitspolitiken der Kantone und des Bundes und deren Potential für eine nationale
Gesundheitspolitik in der föderalen Schweiz aufzeigt. Damit bietet der Bericht nicht nur den an gesundheitspolitischen
Fragestellungen interessierten Fachleuten eine Fülle bis jetzt kaum dokumentierter Informationen, sondern er soll den
Teil
III
politischen Entscheidungsträgern Orientierung bei der Weiterentwicklung einer nationalen Gesundheitspolitik sein.
Die vorliegende Publikation versteht sich als Ergänzung zu bereits bestehenden Werken über das schweizerische Gesundheitssystem wie dasjenige von Gerhard Kocher und Willy Oggier «Gesundheitswesen Schweiz 2004–2006 – eine
Perspektiven
aktuelle Übersicht», das Handbuch «Sozial- und Präventivmedizin – Public Health» von Felix Gutzwiller und Olivier
Jeanneret oder der Länderbericht über die Leistungsfähigkeit des schweizerischen Gesundheitssystems, der gegenwärtig von der OECD und der WHO erstellt wird.
Wir wünschen uns, dass das mit diesem Bericht begonnene Monitoring bestehender gesundheitspolitischer Ziele, Strategien und Massnahmen fortgesetzt wird. Dabei zählen wir auf die Leserinnen und Leser dieses Berichts. An ihnen ist
es, in Zusammenarbeit mit kantonalen, interkantonalen und eidgenössischen Gremien das hier präsentierte gesundheits­
politische Wissen zu aktualisieren und mit Blick auf eine nationale Gesundheitspolitik auszuwerten. Wenn es gelingt,
einen solchen Prozess des systematischen Wissenstransfers zu konkretisieren, wäre das Ziel dieses Berichts zu einem
grossen Teil erreicht.
Wally Achtermann und Christel Berset
Bern, im Mai 2006
2. Auflage 2004, Verlag Hans Huber, Bern.
Verlag Hans Huber Bern, 1999 (Neuauflage 2006).
Erscheint im Herbst 2006.
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Vorbemerkungen Autorinnen
Referenzrahmen
Teil
I
Zusammenarbeit
Teil
II
Dank
Weitere Bundesstellen
Wir bedanken uns bei all jenen, die dieses Projekt beglei-
Borloz Nadia (Bundesamt für Statistik), Caretti Brigitte
tet haben, insbesondere bei den Vertreterinnen und Ver-
(Generalsekretariat EDI), Meier Barbara (Bundesamt für
tretern der Kantone und des Bundes, die mit ihrer Zeit
Sport), Meyer Katharina (Obsan), Meyer Peter C. (Ob-
und ihrem Wissen wesentlich zur Entstehung dieses Be-
san), Nietlisbach André (Bundeskanzlei), Rossel Ray-
richts beigetragen haben. Danken möchten wir auch der
mond (Bundesamt für Statistik), Weiss Joseph (Staatsse-
Geschäftsstelle des Bundes für die Nationale Gesund-
kretariat für Wirtschaft seco), Weiss Walter (Bundesamt
heitspolitik (BAG), die diesen Bericht finanziert hat.
für Statistik)
Und ausserdem
Unser Dank gilt insbesondere folgenden Fachleuten:
Bochsler Daniel (IDHEAP), Dietrich Nicolas (Coste),
Froidevaux Pascal (Gesundheitsförderung Schweiz),
Perspektiven
Teil
III
Kantone
Herzmann Ruth (Korrekturlesen), Ita Mark (Itaconsult),
BE: Bachmann Nicole, Bhend Samuel, Fassbind Jürg
Kaufmann Markus (Public Health Schweiz), Sciarini
BL: Baumann Giorgio, Furrer Rosmarie, Renz Irène
Pascal (IDHEAP), Sprumont Dominique (Institut für
FR: Del Curto Petra, Demierre Gérard, Zurich Patrice
Gesundheitsrecht), Wettstein Felix (Fachhochschule
GE: Debeney Elisabeth, Mino Annie, Robert Claude-Fran-
Nordwestschweiz), Wangler Martin (Schweizerisches Chi-
çois, Simos Jean
ropraktik-Institut), Wiesli Reto (Fachstelle für Gesund-
TG: Baumberger Jürg, Eberle Roland, Muggli Alfred, Wei-
heitspolitik)
lenmann Jakob, Vollenweider Irene
UR: Hartmann Roland, Planzer Beat, Stadler Markus
VD: Diserens Marc, Mercier Vlasta, Tinturier Gérald
VS: König Damian, Marty-Tschumy Elisabeth
ZG: Aeschlimann Richard, Pfister Thomas, Schwarz Andreas
GDK: Oertle Bürki Cornelia, Unternährer Roland, Wyss
Franz
Regionalkonferenzen der GDK: Scheuber Andreas, Schwarz
Heinrich, Weiss Rolf
KdK: Braun Canisius, Minger Thomas
Bundesamt für Gesundheit
Affolter Christian, Allemann Patrick, Bandi Till, Barth
Anne-Rose, Blatter Jürg, Bruggmann Liliane, Charrière
Roland, Chenaux Florence, Chopard Caroline, Elmiger
Marlen, Gasser Catherine, Guye Christophe, Graser Monika, Gurtner Sabine, Hässig Angelika, Häuselmann Heidi,
Hertig Christina, Hodel Maria, Jan Markus, Keller Elvira,
Kopp Christine, Läubli Marlène, Lehmann Philippe, Lévy
Anne, Lüthy Jürg, Meier Claudia, Monnard Anne Lise, Moser Brigitte, Plancherel Fabienne, Rabiolo Angelo, Raeber
Pierre-Alain, Ricka-Heidelberger Regula, Roth Heinz, Sandoz Yves, Schneider Sandra, Sottas Beat, Silberschmidt
Gaudenz, Spang Thomas, Stamm René, Stutz Therese, Ulrich Ursula, Vallat Philippe, von Greyerz Salome, Zobrist
Stephanie
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Vorbemerkungen Autorinnen
Teil
I
■
gegenwärtige gesundheitspolitische Prioritäten der
■
Erwartungen der Kantone gegenüber dem Ständigen
10 Jahren im Rampenlicht politischer Diskussionen. Die
kritischen Voten zielen alle in eine ähnliche Richtung:
Kantone;
Das System sei zu teuer und auf nationaler Ebene schwer
Dialog zur Nationalen Gesundheitspolitik, gegenüber
steuerbar; die getätigten Investitionen führten nicht zu
dem Schweizerischen Gesundheitsobservatorium und
einem besseren Gesundheitszustand der Bevölkerung;
das System halte für die neuen gesellschaftlichen Heraus-
Teil
II
gegenüber dem Bundesamt für Gesundheit;
■
Bedürfnisse der Kantone bezüglich eines schweizwei-
forderungen wie die Überalterung der Bevölkerung und
ten Wissensmanagements auf dem Gebiet der gesund-
die Zunahme chronischer Erkrankungen keine Antworten
heitspolitischen Strategien.
Zusammenarbeit
Das Gesundheitssystem in der Schweiz steht seit rund
Referenzrahmen
Einführung
bereit.
Fragestellung und Methodik
dessen Innovationsfähigkeit zu stärken, haben verschie-
Ausgehend von diesem Mandat stehen die folgenden zwei
dene politische Akteure Reformen vorgeschlagen, darun-
Fragen im Zentrum des Berichts:
ter: eine stärkere Position für die Krankenversicherer;
1)Welche bestehenden gesundheitspolitischen Struk-
mehr Wettbewerb unter den Leistungserbringern; ein
turen, Perspektiven, Strategien und Projekte können
Wechsel vom Paradigma der kurativen Medizin zur Ge-
zur Entwicklung regionaler und nationaler Gesund-
sundheitsförderung; regionale Steuerung; Ausdehnung
heitspolitiken in der Schweiz beitragen?
der Bundeskompetenzen; Verpflichtung der Kantone zur
2)Welche bestehenden gesundheitspolitischen Ansätze
Zusammenarbeit; Formulierung von Gesundheitszielen;
können die Gesundheit der Bevölkerung in der Schweiz
nationale Steuerung über konzertierte Aktionen zwischen
stärken und die Qualität der Gesundheitsversorgung
Bund und Kantonen; ein neuer Verfassungsartikel zu Ge-
erhöhen?
Teil
III
Perspektiven
Um die Koordination und Kohärenz des Systems sowie
sundheit.
Kantone und Bund ihrerseits haben ebenfalls neue An­
Der Bericht «Gesundheitspolitiken in der Schweiz – Po-
sätze ins Auge gefasst. 1998 lancierten das Eidgenössische
tential für eine nationale Gesundheitspolitik» versucht in
Departement des Innern (EDI) und die Schweizerische
zwei Bänden, sich diesen Fragen anzunähern. Dabei geht
Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und
der Bericht von der Annahme aus, dass sich eine nationale
-direktoren (GDK) das Projekt «Nationale Gesundheits-
Gesundheitspolitik in der Schweiz nur in einem föderalen
politik Schweiz» (NGP). Im Rahmen dieses Projekts wur-
Kontext entwickeln kann.
de von den Mitgliedern der Steuerungsgruppe der Wunsch
Zur Beantwortung von Frage 1 rückt der Bericht daher
nach einer Übersicht über die 27 Gesundheitspolitiken der
zum einen die bestehenden Gesundheitspolitiken der Kan-
Schweiz laut. Dieser Wunsch gab im Jahr 2003 den An-
tone und die Gesundheitspolitik des Bundes ins Zentrum
stoss zum vorliegenden Bericht «Gesundheitspolitiken in
(Band 2). Zum zweiten konzentriert sich der Bericht auf
der Schweiz – Potential für eine nationale Gesundheitspo-
die horizontale und vertikale Zusammenarbeit zwischen
litik». Die Redaktionsarbeit wurde Wally Achtermann und
Bund und Kantonen als eine Möglichkeit, mehr Koordina-
Christel Berset unter der Leitung von Philippe Lehmann
tion und Kohärenz unter den bestehenden Gesundheits-
(alle Bundesamt für Gesundheit) übertragen.
politiken zu erzielen (Band 1). Schliesslich werden insbesondere im Rahmen der Kantonsporträts die Erwartungen
Mandat
einiger Kantone an eine nationale Gesundheitspolitik do-
Gemäss dem Mandat geht es um einen Überblick über fol-
kumentiert sowie Perspektiven für die Entwicklung einer
gende Themen:
nationalen Gesundheitspolitik formuliert.
■
Stand der gesundheitspolitischen Reformen und Stra-
Zur Beantwortung von Frage 2 geht der Bericht von der
tegien in den Kantonen, unter anderem zu den Themen
Annahme aus, dass in der gegenwärtigen Situation nicht
psychische Gesundheit, Krebs und Alterung der Bevöl-
der Ausbau der kurativen Medizin, sondern die Stärkung
kerung;
der Gesundheitsförderung und Prävention zu mehr Le-
■
Stand der Zusammenarbeit zwischen den Kantonen;
bensqualität führt, welche den Gesundheitszustand der
■
Stand der Zusammenarbeit zwischen Kantonen und
Bevölkerung erhöht. Daher rückt der Bericht die Gesund-
Bund;
heitsförderung und Prävention ins Zentrum und präsenBand 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Einführung
Referenzrahmen
Teil
I
Zusammenarbeit
Teil
II
tiert sie zusammen mit der kurativen Medizin als zentrale
pertise) sind historische und aktuelle Übersichten über
Pfeiler der kantonalen Gesundheitspolitiken.
die kantonalen, interkantonalen und eidgenössischen
Da es nicht möglich war, alle 27 Gesundheitspolitiken in
Gesundheitspolitiken in der Schweiz möglich. Die Über-
der Schweiz darzustellen, musste eine Auswahl getroffen
sichten enthüllen die Vielfalt, aber auch die Gemeinsam-
werden. Der Bericht präsentiert die Gesundheitspolitiken
keiten und die Kohärenz der Gesundheitspolitiken sowie
von neun Kantonen (BE, BL, FR, GE, TG, VD, VS, UR und
deren Reichtum und Innovationskraft. Damit stellen Über-
ZG) sowie diejenige des Bundes. Für die Wahl der neun
sichten eine zentrale Voraussetzung für die Formulierung
Kantone waren folgende Kriterien ausschlaggebend: das
national koordinierter Gesundheitspolitiken dar.
Interesse und Engagement zu Gunsten des Projekts Natitretung der Regionen der Schweiz (nicht vertreten ist die
Untersuchungsgegenstand und Grenzen
des Berichts
lateinische Schweiz) und schliesslich eine ausgewogene
Der Bericht zeichnet in zwei Bänden Porträts der Gesund-
Mischung von kleinen und grossen Kantonen sowie städ-
heitspolitiken einzelner Kantone und dasjenige des Bundes
tisch und ländlich geprägten Kantonen.
sowie Porträts der horizontalen und vertikalen Zusam-
Für alle Kantonsporträts gilt das gleiche Analyseraster,
menarbeit zwischen Bund und Kantonen. Konkret werden
für das Bundesporträt wurde es leicht angepasst. Die Sys­
in diesen Porträts die gesetzlichen Grundlagen, die Ziele,
tematik in der Darstellung der Kantone und des Bundes
Strategien und Massnahmen, die statistischen Grundla-
soll den Vergleich der Gesundheitspolitiken zwischen den
gen, die finanziellen Aufwendungen für die Gesundheit
Kantonen sowie mit dem Bund ermöglichen.
sowie die Formen der horizontalen und vertikalen Zusam-
Der Bericht stützt sich auf offizielle kantonale, interkanto­
menarbeit zwischen Bund und Kantonen herbvorgehoben.
nale und eidgenössische Dokumente sowie auf Gespräche,
Zur Veranschaulichung dieser Rubriken werden Beispiele
die die Autorinnen des Berichts zwischen 2003 und 2006
aus allen Bereichen der Gesundheit gegeben: Gesund-
mit Vertreterinnen und Vertretern der Kantone und des
heitsförderung und Prävention, Gesundheitsschutz, Ge-
Bundes sowie mit Vertreterinnen und Vertretern von
sundheitsversorgung, Aus- und Weiterbildung in den Ge-
Nichtregierungsorganisationen und von Forschungsins­
sundheitsberufen, die Informationsmittel auf Stufe Bund
tituten geführt haben. Diese Gespräche bildeten den
und Kantone im Sektor Gesundheit sowie Aspekte auf
Grundstock für die Entstehung eines eigentlichen Infor-
dem Gebiet der Gesundheitskompetenz der Bevölkerung.
mationsnetzwerks zur nationalen Gesundheitspolitik, dem
Auf diese Weise zeigt der Bericht, über welches Potenzial
im Wesentlichen gesundheitspolitische Fachleute des
die kantonalen, interkantonalen und eidgenössischen Po-
Bundes und der Kantone angehörten. An insgesamt drei
litiken heute für die Formulierung einer nationalen, mul-
Treffen erarbeiteten sie Perspektiven für eine nationale
tisektoralen Politik verfügen, die zwischen Kantonen und
Gesundheitspolitik und diskutierten den möglichen Bedarf
Bund koordiniert ist. Abschliessend werden Perspektiven
für ein schweizweites Wissensmanagement im Bereich der
im Hinblick auf die Entwicklung einer nationalen Gesund-
gesundheitspolitischen Strategien und Massnahmen. Das
heitspolitik gegeben.
Ergebnis dieser Treffen wurde in den «Perspektiven zur
Der vorliegende Bericht erhebt nicht den Anspruch, alle
Entwicklung einer nationalen Gesundheitspolitik in der
gesundheitspolitischen Probleme abzudecken. Besondere
Schweiz» in Band 1 dieses Berichts festgehalten.
Aufmerksamkeit schenkt der Bericht den politischen Ent-
Mit der hier angewandten Methodik (eine Synthese des
scheidungsträgern, speziell den Regierungsmitgliedern
erfragten individuellen Wissens und der kollektiven Ex-
und den Behörden des Bundes und der Kantone. Welche
onale Gesundheitspolitik Schweiz, eine angemessene Ver-
Perspektiven
Teil
III
Gremien, Instrumente und Prozesse nutzen und benutzen
Kantone: BE, BL, FR, GE, TG, VD, VS, UR, ZG sowie die Schwei­zerische
Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren
und die Konferenz der Kantonsregierungen.
Bund: Bundesamt für Gesundheit, Staatssekretariat für Wirtschaft,
Bundesamt für Sport, Generalsekretariat des Eidg. Departement des
Innern.
Nichtregierungsorganisationen: Public Health Schweiz, H+ Die Spitäler
der Schweiz, Gesundheitsförderung Schweiz; Forschungsinstitute: Föderalismusinstitut Freiburg, Institut für Gesundheitsrecht Neuenburg,
Schweizerisches Gesundheitsobservatorium.
10
diese, um ihre Gesundheitspolitiken auf kantonaler, regionaler, eidgenössischer und nationaler Ebene zu organisieren, zu planen und zu koordinieren? Der Schwerpunkt
liegt dabei auf der Vorgehensweise der Regierungsmitglieder und der Behörden und nicht auf den Massnahmen,
die sie schlussendlich ergriffen haben. Aus diesem Grund
sind weder die zur Zeit im Rahmen der KVG-Revision dis-
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Einführung
Schliesslich ginge es auch darum, einen Konsens über die
rungssystems, noch die Kosten des Systems Gegenstand
Terminologie von unter anderem folgenden Schlüsselbe-
dieses Berichts. Ebenfalls nicht thematisiert wird die Rol-
griffen zu erzielen: Public Health und New Public Health,
le der Leistungserbringer im Gesundheitswesen wie die-
Gesundheitsförderung, Prävention, Gesundheitsschutz,
jenige der Ärztinnen und Ärzte, des Pflegepersonals oder
multisektorales Verständnis von Gesundheit, Gesund-
der Versicherer sowie die Stellung der Patientinnen und
heitskompetenz, Chancengleichheit, individuelle Verant-
Patienten. Desgleichen wird auch keine kritische Prüfung
wortung von Gesundheit, schweizerische bzw. nationale
von Vorschlägen vorgenommen, die gegenwärtig zur Lö-
Gesundheitspolitik.
Teil
II
Zusammenarbeit
kutierten Vorschläge zur Reform des Krankenversiche-
Referenzrahmen
Teil
I
sung der finanziellen Probleme des Gesundheitssystems
Struktur des Berichts im Detail
diskutiert werden.
Band 1 analysiert das Potential der föderalistisch gewachsenen schweizerischen Gesundheitspolitiken für eine na-
Bei Abschluss des Berichts «Gesundheitspolitiken in der
tionale Gesundheitspolitik und formuliert Perspektiven
Schweiz – Potential für eine nationale Politik» wurde
für eine zukünftige nationale Gesundheitspolitik. Band
ersichtlich, dass damit eine erste Etappe auf dem Weg
2 präsentiert die Porträts von neun kantonalen Gesund-
hin zu einer umfassenden Dokumentation und vertief-
heitspolitiken sowie das gesundheitspolitische Porträt
ten Analyse der bestehenden Gesundheitspolitiken in
des Bundes. Band 2 stellt mit dieser qualitativen Daten-
der Schweiz zurückgelegt wurde. Im Zentrum weiterer
sammlung die Grundlage für ein allfälliges Monitoring der
Recherchen müsste denn auch folgende Frage stehen:
schweizerischen Gesundheitspolitiken dar. Auf diese qua-
Wie lässt sich in einem durch hohe Fragmentierung bzw.
litativen Daten stützt sich Band 1.
Teil
III
Perspektiven
Zukünftiger Forschungsbedarf
durch dezentrale politische Steuerung charakterisierten
föderalen Staatswesen eine nationale Gesundheitspolitik
Band 1
entwickeln? Um die nötige Datenbasis für die mit dieser
Band 1 besteht aus drei Teilen. Teil I zeichnet in den Kapi-
Frage verbundenen Folgeanalysen zu schaffen, sollte in
teln 1, 2 und 3 den Referenzrahmen der schweizerischen
weiteren Etappen das mit dem Bericht begonnene Mo-
Gesundheitspolitiken nach. Kapitel 1 zeigt die aktuellen
nitoring ergänzt werden. Unverzichtbar wäre die Erstel-
Erfolge des schweizerischen Gesundheitssystems auf und
lung der jetzt noch fehlenden 17 kantonalen Porträts
weist auf die neuen Herausforderungen hin, denen es sich
sowie eine regelmässige Aktualisierung der Daten. Auch
stellen muss. Kapitel 2 nennt vier Charakteristika und
sollten auf der Basis dieser Daten themenzentrierte Quer-
stellt sie in einen historischen Kontext: die Dominanz der
vergleiche der Gesundheitspolitiken auf Stufe Bund und
kurativen Medizin, der Föderalismus, der Liberalismus und
Kantone oder eine Evaluation der Erfolge und Misser-
der Sozialstaat, wobei die drei letztgenannten Elemente
folge der verschiedenen hier beschriebenen Instrumente
die konstitutiven Faktoren des politischen Systems der
der horizontalen und vertikalen Zusammenarbeit sowie
Schweiz bilden. Kapitel 2 postuliert, dass jegliche Reform
der Planungsprozesse vorgenommen werden. Vorstellbar
des Gesundheitssystems diese vier Merkmale berück-
wäre beispielsweise die systematische Darstellung und
sichtigen muss. Sie machen die Stärken und Schwächen
Auswertung aller gesundheitsrelevanten Ziele innerhalb
des Systems aus, welche in Kapitel 3 analysiert werden.
der Bundesverwaltung als Basis für eine besser koordi-
Aus dieser Analyse der Schwächen lassen sich folgende
nierte verwaltungsinterne Strategie Gesundheit. Ferner
Schlussbetrachtungen ableiten: Das schweizerische Ge-
müssten bestehende und neue gesetzliche, institutionelle,
sundheitssystem muss sich erneuern, indem es einem um-
und organisatorische Elemente analysiert werden, die
fassenden, multisektoralen Verständnis von Gesundheit
die Entwicklung einer nationalen Gesundheitspolitik in
mehr Platz einräumt, seine Fähigkeit zur Koordination
Zukunft begünstigen könnten. Hier bietet sich eine Stu-
auf nationaler Ebene erhöht, die staatliche Steuerungsfä-
die über die mögliche Nutzung der NFA-Instrumente für
higkeit verbessert und die Gesundheitskompetenzen der
die vertikale Zusammenarbeit Bund–Kantone an oder die
Bevölkerung fördert.
Konkretisierung strategischer Hilfsmittel wie Führungs-
Teil II beschreibt in den Kapiteln 4, 5 und 6 die verschie-
indikatoren und deren Anwendung auf den zukünftigen
denen Formen und Instrumente der horizontalen und ver-
gesundheitspolitischen Planungsprozess Bund–Kantone.
tikalen Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen. Die
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Einführung
11
Referenzrahmen
Teil
I
Zusammenarbeit
Teil
II
Perspektiven
Teil
III
Zusammenarbeitsgremien auf regionaler, schweizerischer
Band 2
oder nationaler Ebene sowie die damit verbundenen Pro-
Band 2 umfasst zehn gesundheitspolitische Porträts: die
zesse und Projekte sind Ausdruck des kooperativen Föde-
Gesundheitspolitiken der oben erwähnten 9 Kantone so-
ralismus in der Schweiz und beinhalten ein beträchtliches
wie die Strategien des Bundes. Jedes Porträt enthält In-
Potential für die Koordination der verschiedenen Gesund-
formationen zu den aus gesundheitspolitischer Sicht re-
heitspolitiken auf nationaler Ebene. Kapitel 4 beschreibt
levanten Behörden, zu den Perspektiven und rechtlichen
aktuelle Formen, Prozesse und Projekte der Zusammen-
Grundlagen, zu quantitativen Gesundheitsdaten und zu
arbeit zwischen Bundesstellen, während Kapitel 5 nach
Forschungsprojekten, zu den finanziellen Aufwendungen
einem ähnlichen Raster die Formen, Prozesse und Pro-
für die Gesundheit, zu Strategien und Massnahmen auf
jekte der Zusammenarbeit zwischen Kantonen auf regio-
dem Gebiet der Gesundheitsförderung, der Krankheits-
naler und schweizerischer Ebene vorstellt. Kapitel 6 setzt
prävention und der Gesundheitsversorgung, zur Aus- und
sich mit der noch jungen Geschichte der Zusammenarbeit
Weiterbildung in den Gesundheitsberufen sowie zur Infor-
zwischen Bund und Kantonen im Sektor Gesundheit aus-
mationspolitik im Bereich Gesundheit.
einander. Ausserdem enthalten die Kapitel 4, 5 und 6 Bei-
Zusammenfassend lässt sich zu Band 2 sagen, dass er
spiele der Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Gesund-
einerseits die Vielfalt der Gesundheitspolitiken in der
heitsförderung und Prävention, des Gesundheitsschutzes,
Schweiz darstellt, andererseits aber auch Gemeinsam-
der Gesundheitsversorgung sowie der Ausbildung in den
keiten aufzeigt. Kantone und Bund stehen vor ähnlichen
Gesundheitsberufen. Im Sinne einer Schlussbetrachtung
Herausforderungen, die sie mit Hilfe unterschiedlicher
zeigt Teil II, dass der Bund im Gegensatz zu den Kantonen
Strukturen und Instrumenten versuchen zu bewältigen.
keine umfassende Gesundheitspolitik führen kann. Seine
verfassungsrechtlichen Kompetenzen gelten nur für ein-
Um den Leserinnen und Lesern eine rasche Orientierung
zelne Bereiche, auch wenn diese in den letzten 20 Jahren
über den Inhalt des Berichts zu ermöglichen, verweist ein
stark zugenommen haben. Teil II zeigt ausserdem, dass die
Register nach Schlüsselbegriffen am Ende jeden Bandes
gut etablierte interkantonale Zusammenarbeit bis jetzt nur
auf das entsprechende Kapitel, in dem der Schlüsselbe-
bedingt als Nährboden für regionale oder gesamtschwei-
griff thematisiert wird.
zerische Politikformulierungen im Sektor Gesundheit ge-
Der Bericht enthält kein separates Glossar. Die verwende-
dient hat, und dass es zwischen Bund und Kantonen noch
ten Fachausdrücke werden jeweils im Text erläutert. Eine
keine etablierten Formen der paritätischen Zusammenar-
erste Definition einer nationalen Gesundheitspolitik findet
beit und keine gemeinsame Politikformulierung gibt.
sich im Anschluss an diese Einführung. Es handelt sich
Teil III schliesslich präsentiert Perspektiven zur Entwick-
dabei um einen entwicklungsfähigen Entwurf, der parallel
lung einer nationalen Gesundheitspolitik in der Schweiz.
zur Entwicklung einer nationalen Gesundheitspolitik rei-
Diese Perspektiven beruhen auf vier Säulen:
fen muss.
1. Die Entwicklung einer Kultur der Zusammenarbeit
zwischen Kantonen und Bund im Rahmen des kooperativen Föderalismus;
2. Die Schaffung eines kollektiven Wissens zu den schweizerischen Gesundheitspolitiken und eines schweizweiten Management dieses Wissens;
3. Ein ganzheitliches und multisektorales Verständnis von
Gesundheit;
4. Die Stärkung der Gesundheitskompetenzen der Bevölkerung unter anderem durch eine aktive Informationspolitik.
12
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Einführung
Teil
I
Referenzrahmen
Nationale Gesundheitspolitik Schweiz
Versuch einer Begriffserklärung
Es gibt für die Schweiz noch keine Definition einer «Na-
Voraussetzungen
tionalen Gesundheitspolitik». Impulse für eine nationale
■
Die Kantone verfügen über Instrumente, um unter
Gesundheitspolitik sind bisher vor allem von den Regie-
Wahrung ihrer Souveränität konsolidierte Positionen
rungsmitgliedern des Bundes und der Kantone ausgegan-
zu ausgewählten Themen auf regionaler oder gesamt-
gen. Ihre Erwartungen und Bedürfnisse – mehr Kohärenz
schweizerischer Ebene zu formulieren.
■
Bausteine einer nationalen Gesundheitspolitik dar. Darauf
strumente, um konsolidierte Positionen zu ausgewähl-
aufbauend schlägt die Publikation die nachfolgende Definition vor und stützt sich dabei auf die vertiefte Betrach-
Der Bund und seine Bundesstellen verfügen über Inten Themen zu formulieren.
■
Bund und Kantone verfügen über formalisierte Struk-
tung der in Band 2 vorgestellten 9 kantonalen Gesund-
turen und Prozesse, um Politiken gemeinsam formulie-
heitspolitiken sowie der Gesundheitspolitik des Bundes.
ren und Vollzugsmassnahmen koordinieren zu können.
■
Bund und Kantone stellen sicher, dass ihre Massnah-
Eine nationale Gesundheitspolitik versteht sich sowohl
men in demokratische Entscheidprozesse eingebunden
als Ausdruck einer politischen Kultur, als auch als Er-
sind (Einbezug der kantonalen Parlamente bzw. des eid­
gebnis von politischen Strukturen, Prozessen und Pro-
genössischen Parlaments).
jekten, wie sie auf regionaler, gesamtschweizerischer,
eidgenössischer und nationaler Ebene anzutreffen sind.
Zusammenarbeit
in der schweizerischen Gesundheitspolitik – stellen erste
Teil
II
■
Teil
III
Bund und Kantone stellen sicher, dass die Akteure der
Zivilgesellschaft in geeigneter Weise einbezogen sind.
Unter «gesamt­schweizerisch» werden dabei konsolidierte
Perspektiven
Stellungnahmen, Entscheide oder konzertierte Aktionen
einer Mehrheit der Kantone verstanden, unter «eidgenössisch» Entscheide oder Aktionen des Bundes auf der Basis
von Vernehmlassungen anderer Akteure, und unter «national» schliesslich fallen gemeinsame Stellungnahmen,
Ent­scheide oder konzertierte Aktionen von Bund und
Kantonen.
Föderale politische Kultur
Regierungsmitglieder des Bundes und der Kantone,
letztere als souveräne Gliedstaaten, betrachten sich als
gleichberechtigte und gleichverantwortliche Akteure und
arbeiten im Sinne einer privilegierten Partnerschaft regelmässig zusammen. Sie sehen in der Zusammenarbeit
einen Weg, um kreative Lösungen für gemeinsame Probleme zu finden.
Wirkung
Eine nationale Gesundheitspolitik ermöglicht Bund und
Kantonen, ihre Gesundheitspolitiken in ausgewählten Bereichen harmonisch aufeinander abzustimmen und dabei
gleichzeitig den Reichtum und das Innovationspotential
des Föderalismus zu nutzen. Zusammenarbeit und Koordination zwischen Bund und Kantonen tragen nicht nur
dazu bei, die Gesundheit der Bevölkerung, weiterzuentwickeln, sondern verbessern auch die Rahmenbedingungen
für eine Gleichheit der Chancen von Gesundheit unter der
Bevölkerung.
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Begriffserklärung
13
Perspektiven
Zusammenarbeit
Referenzrahmen
Teil
I
Teil
II
Teil
III
Teil
II
Zusammenarbeit
Gesundheitssystem Schweiz:
Referenzrahmen
Teil
III
Perspektiven
Teil I
Referenzrahmen
Teil
I
Teil
I
Referenzrahmen
Einleitung
Teil
II
Das Gesundheitssystem der Schweiz bietet seit rund
Rehabilitation berücksichtigt und zudem die Gesundheits-
30 Jahren immer wieder Anlass für negative Schlagzeilen.
determinanten in die politischen und strategischen Über-
Kritisiert werden die hohen Kosten, die hohe Regelungs-
legungen mit einbezieht.
dichte, die intensive Verflechtung der Kompetenzen zwirung und die politische Unsteuerbarkeit. Diese Kritik ist
Kapitel 2: Vier Merkmale des schweizerischen
Gesundheitssystems
berechtigt und verlangt nach Lösungen. Doch angesichts
Das Gesundheitssystem der Schweiz muss sich den neu-
der Vielzahl an kritischen Voten besteht die Gefahr, dass
en Herausforderungen stellen und Veränderungen in die
die Stärken des über hundertjährigen Gesundheitssystems
Wege leiten. Die laufenden und kommenden Reformen
ausgeblendet werden. Tragfähige Veränderungen müssen
können sich jedoch nicht von den Rahmenbedingungen
neben den Schwächen auch bei den Stärken eines Systems
befreien, unter denen sich das schweizerische Gesund-
ansetzen sowie die historischen, politischen und sozialen
heitssystem in den letzten hundert Jahren entwickelt hat.
Rahmenbedingungen berücksichtigen, unter denen das
Kapitel 2 stellt deshalb aus einer historischen Perspektive
System entstanden ist und die es heute noch prägen.
die vier wichtigsten Merkmale dar, welche die Entwick-
Im ersten Teil dieses Berichts, der in drei Kapiteln den
lung des Gesundheitssystems massgeblich geprägt haben:
Referenzrahmen der schweizerischen Gesundheitspoli-
die beherrschende Stellung der kurativen Medizin, der Fö-
tiken beschreibt, werfen wir einen Blick zurück auf die
deralismus, der Liberalismus und schliesslich der Einfluss
Ursprünge und die Entwicklung des heutigen Gesund-
des Sozialstaates.
Zusammenarbeit
schen Bund und Kantonen, die strukturelle Fragmentie-
Teil
III
Perspektiven
heitssystems. Den Texten liegen Berichte und Gespräche
mit Exponentinnen und Exponenten der schweizerischen
Gesundheitspolitik zugrunde.
Kapitel 3: Stärken und Schwächen des heutigen
Gesundheitssystems
In Kapitel 3 schliesslich werden die Stärken und Schwä-
Kapitel 1: Bisherige Erfolge und neue Heraus­
forderungen
chen dieser vier Merkmale mit Blick auf das Gesundheits-
In Kapitel 1 werden die bisherigen Errungenschaften des
für das Gleichgewicht des Gesamtsystems von entschei-
Gesundheitssystems beschrieben sowie die Herausforde-
dender Bedeutung ist, müssen sie für den laufenden Ver-
rungen, mit denen es gegenwärtig konfrontiert wird.
änderungsprozess im Gesundheitssystem als eine Einheit
Die Leistungen des Systems sind beeindruckend. So ist
betrachtet werden. «Das Gesundheitssystem grundlegend
die Lebenserwartung in der Schweiz sehr hoch und belegt
überprüfen» – Ziel 5 der bundesrätlichen Strategie für
international einen Spitzenplatz. Herausforderungen wie
die Legislaturperiode 2003–2007 – kann nicht heissen,
die Alterung der Gesellschaft oder die steigenden Zah-
auf eine der vier Achsen zu verzichten, sondern muss die
len bei den chronischen Krankheiten rufen jedoch nach
Stärkung ihres Potentials und die Verminderung ihrer
Reformen, verlangen nach intersektoralen Strategien
Schwächen bedeuten.
system der Schweiz kurz vorgestellt. Da jedes von ihnen
und nach neuen Formen des Austauschs und der Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Politik, aber auch
zwischen Arzt und Patient. Auch wenn innovative Modelle und Projekte an Boden gewinnen, kann das aktuelle
System mit seiner starken Ausrichtung auf die kurative
Medizin nur ungenügende Antworten auf die neuen Probleme der öffentlichen Gesundheit geben. Neben den oben
erwähnten Herausforderungen sieht sich das System deshalb mit noch weiter greifenden Veränderungen konfrontiert: mit dem Ruf nach einem Paradigmenwechsel oder,
mit anderen Worten, nach einem Gesundheitsverständnis,
das sich nicht nur an Krankheit, Therapie und Heilung
orientiert, sondern auch den Schutz und die Förderung
der Gesundheit, die Prävention von Krankheiten und die
16
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Einleitung Teil I
Teil
I
Referenzrahmen
Kapitel 1
Bisherige Erfolge und neue Herausforderungen
4. Strukturen und Gremien für Generieren und Weiterga-
1.1 Ein leistungsfähiges Gesund­
heitssystem
be von medizinischem Wissen
Teil
II
seit den 1980er-Jahren fühlt sich die in der Schweiz
27 Gesundheitspolitiken mit einer Vielzahl von Gesetzen
wohnhafte Bevölkerung im Allgemeinen gesund. Die Aus-
und Verordnungen (siehe Band 2 – Gesundheitspolitische
wertung der Gesundheitsindikatoren zeigt unter anderem:
Porträts). Eines der wichtigsten Gesetze ist in diesem
Die Bevölkerung in der Schweiz hat weltweit eine der
Zusammenhang das Bundesgesetz über die Krankenver-
höchsten Lebenserwartungen (83,7 Jahre für Frauen und
sicherung (KVG). Eine von privaten Anbietern offerierte
78,6 Jahre für Männer) und weist eine im internationalen
und in einem Bundesgesetz geregelte Kranken- und Un-
Vergleich sehr niedrige Säuglingssterblichkeit auf.
fallversicherung gibt es in der Schweiz seit 1911. Aber erst
Dieser gute Gesundheitszustand ist in erster Linie auf
mit dem 1996 in Kraft getretenen neuen Krankenversi-
­einen hohen Lebensstandard und auf eine gute Lebens-
cherungsgesetz wurde die Krankenpflegeversicherung für
qualität zurückzuführen. Es gibt viele Determinanten, die
alle Personen mit Wohnsitz in der Schweiz obligatorisch.
für die Gesundheit der Bevölkerung eine wichtige Rolle
Das KVG garantiert heute den flächendeckenden Zugang
spielen. Dazu gehören politische Stabilität, Wohlstand,
zu qualitativ hoch stehenden Leistungen der Grundver-
intakte städtische und ländliche Lebensräume, tragfähige
sorgung sowie zu spezialisierten Diagnose- und Therapie-
soziale Netze, ein gutes Ausbildungssystem und berufliche
methoden. Die Liste der durch die obligatorische Kran-
Perspektiven. Insgesamt sind diese Determinanten für den
kenpflegeversicherung finanzierten Leistungen ist sehr
grössten Teil der Bevölkerung als positiv zu bewerten. Als
umfassend, und es stehen die neuesten Technologien und
weitere Determinante für den Schutz und insbesondere
gut ausgebildetes Personal zur Verfügung. Für wirtschaft-
für die Wiederherstellung der Gesundheit spielt auch der
lich schwache Haushalte wird der Zugang zum Gesund-
Zugang zu flächendeckend angebotenen Dienstleistungen
heitssystem durch Prämienverbilligungen sichergestellt.
des Gesundheitssystems und deren Qualität eine wichtige
Gemäss der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gehört
Rolle.
das schweizerische Gesundheitssystem weltweit zu den
Teil
III
Perspektiven
Aufträge sorgen auf Bundes- und Kantonsebene insgesamt
Zusammenarbeit
Für die Konkretisierung dieser verfassungsrechtlichen
Gemäss allen schweizerischen Gesundheitsbefragungen
leistungsfähigsten Systemen und es überrascht nicht,
Die Qualität des Gesundheitssystems basiert auf den nach-
dass mehrere aktuelle Studien die Zufriedenheit der Pa-
folgend aufgeführten vier Pfeilern der Gesundheitspolitik,
tientinnen und Patienten mit dem Gesundheitssystem be-
wie sie in der Bundesverfassung (Artikel 41, 63, 64, 117
legen.
und 118) und im kantonalen Recht verankert sind:
Betrachtet man das Gesundheitssystem als Wirtschafts-
1. ein in allen Kantonen und Regionen vorhandenes qua-
zweig, so waren im Jahre 2001 in diesem Bereich 430 000
litativ hoch stehendes Angebot an Dienstleistungen im
Personen beschäftigt, die Pharmaindustrie und der Me-
Fall von Krankheit, Sucht und Unfall
dizinaltechnikbereich sowie die Krankenversicherer nicht
2. ein eidgenössisches Versicherungssystem gegen die
mitgerechnet. Die gesamten Kosten des Gesundheitswe-
wirtschaftlichen Folgen von Alter, Invalidität, Krank-
sens beliefen sich im Jahr 2002 auf 48 Milliarden CHF, was
heit, Unfall, Arbeitslosigkeit, Mutterschaft, Verwaisung
einem Anteil von 11,1 % am Bruttoinlandprodukt (BIP)
und Verwitwung
entspricht.
3. Massnahmen auf der Stufe von Bund und Kantonen
zum Schutz der Gesundheit, ergänzt um nationale und
kantonale Präventions- und Gesundheitsförderungsprogramme sowie Rehabilitationsmassnahmen
Gesundheitsbefragung SOMIPOPS 1985, NFP 8; Gesundheitsumfrage
IGIP-Promes 1988; Schweizerische Gesundheitsbefragung 1992–93,
1997; 2002 Bundesamt für Statistik.
Quelle: Bundesamt für Statistik, 2004.
Bericht zur Gesundheit in der Welt 2000, herausgegeben von der Weltgesundheitsorganisation, Genf, Schweiz. Der vollständige Bericht ist
unter der Adresse www.who.int/whr einsehbar.
Gesundheitsmonitor GfS-Interpharma, 1997, 1999, 2000, 2001, 2002,
2003; 2003; Umfrage 2003, Plaut Economics, «Welches sind die Leis­
tungen unseres Gesundheitssystems?».
Betriebszählung des Bundesamtes für Statistik, 2001.
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 1
17
Referenzrahmen
Teil
I
erregende Perspektiven mit ungewissen Folgen für die
Zusammenarbeit
Teil
II
1.2 Neue Herausforderungen und
notwendige Veränderungen
menschliche Spezies. Immer mehr Menschen suchen Al-
Die Leistungen des auf die kurative Medizin fokussierten
zu und werden teilweise von den universitären Autoritäten
Gesundheitssystems sind unbestritten. Aber dahinter
anerkannt und ins Lehrangebot aufgenommen. Wo liegen
zeichnen sich seit längerem Risse und Widersprüche ab.
die zukünftigen Chancen und Risiken der medizinischen
Langfristig ist mit neuen Herausforderungen zu rechnen.
Forschung, der Diagnose und der Therapie? Welchen Stel-
Die stetige Zunahme der durch den Lebensstil bedingten
lenwert soll die ganzheitliche Medizin erhalten?
ternativen zur herkömmlichen Schulmedizin. Die alternativ- und komplementärmedizinischen Angebote nehmen
chronischen Krankheiten wird für das Gesundheitsversor-
Perspektiven
Teil
III
gungssystem, aber auch für die gesamte Gesellschaft hohe
Kostensteigerung
Kosten mit sich bringen. Neue übertragbare Krankheiten
Das schweizerische Gesundheitssystem ist nach dem der
können auftreten und zu nur schwer kontrollierbaren welt-
USA und vor demjenigen Deutschlands das zweitteuerste
weiten Pandemien führen. Unter dem Druck der demo-
der Welt. Einerseits steigen die Gesundheitskosten in
grafischen Veränderungen rücken neue Themenbereiche
der Schweiz beständig, während das Bruttoinlandprodukt
in den Mittelpunkt der Diskussion, die bislang durch die
stag­niert. Andererseits steigen die Kosten schneller, als
Verantwortlichen des Versorgungsbereichs selbst geregelt
sich der Gesundheitszustand der Bevölkerung verbes-
wurden, wie etwa die Planung von Pflegeheimen und Pfle-
sert. Qualität hat ihren Preis, aber ob die hohen finan-
geplätzen. Diese neuen Elemente stellen die Kapazitäten
ziellen Investitionen in die medizinische Versorgung zu
unseres heutigen Systems in Frage und rufen nach einer
einer Verbesserung des Gesundheitszustands der gesam-
gesundheitspolitischen Neuausrichtung.
ten Bevölkerung führen, ist unklar. Die je nach Kanton
Die Herausforderung wird darin bestehen, die Qualitäts-
unterschiedlich hohen Pro-Kopf-Gesundheitsausgaben
standards auch in Zukunft für die Gesamtbevölkerung
– die Abweichungen betragen bis zu 40 % – haben keinen
aufrecht zu erhalten und wo nötig zu verbessern. Es wird
erkennbaren Einfluss auf den Gesundheitszustand der
sich zeigen, ob Kantone und Bund neue Formen der Zu-
Bevölkerung in den jeweiligen Kantonen. Die Beispiele
sammenarbeit finden und gemeinsam nationale Prioritä-
Japans oder Schwedens zeigen, dass gute medizinische
ten im Handlungsfeld Gesundheit definieren können, um
Leistungen und eine hohe Lebenserwartung durchaus
den neuen Herausforderungen zu begegnen, von denen im
für weniger Geld zu haben sind. Lassen sich die Kosten
Folgenden eine selektive Aufzählung vorgestellt werden
des Gesundheitssystems wirklich reduzieren? Wo besteht
soll.
Sparpotential, ohne gleichzeitig eine Qualitätseinbusse zu
riskieren und die Gleichheit des Zugangs zum System zu
Demografische Alterung
gefährden? Welche Rolle spielen in diesem Zusammen-
Die Menschen in den Industrienationen werden immer äl-
hang die Prävention und die Gesundheitsförderung?
ter, und wenn auch die Mehrheit der Betagten bei guter
Gesundheit ist, so nehmen gesundheitliche Probleme wie
Chancenungleichheit bezüglich Gesundheit
Altersdemenz oder Altersdepression sowie muskuloske­
Auch heute noch sind die sozial bedingten gesundheit-
letale Beschwerden zu. Auf welche Weise lässt es sich
lichen Ungleichheiten grösser als die biologisch oder ge-
in den kommenden Jahrzehnten gesund altern? Welche
netisch bedingten Unterschiede. Auch wenn ein umfas-
organisatorischen und politischen Antworten muss der
sendes, für alle gleichermassen zugängliches System der
Staat dem Phänomen der demografischen Alterung der
medizinischen Pflege und Versorgung den Gesundheits-
Gesellschaft entgegenhalten?
zustand der Menschen positiv beeinflusst, so liegen doch
die wichtigsten Gesundheitsdeterminanten ausserhalb
Technologischer Fortschritt und Komplementär­
medizin
Der Gesundheitsbereich ist stark von der Technisierung
betroffen. Die Entwicklungen im Bereich der Organtransplantation und der Gentechnologie eröffnen Schwindel
18
% in Bezug auf das BSP: USA 13 %, CH 10,9 %, D 10,7 %, F 9,6 % – Quelle:
Eco santé, OECD, 2002.
Vgl.: Operation an der offenen Kasse – Das Schweizer Gesundheitssys­
tem ist das teuerste in Europa. Der Konter, es sei schliesslich auch
das beste, ist reines Wunschdenken. Von Urs P. Gasche, 25. 3. 04, Die
Weltwoche, S. 18.
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 1
so­zialen und umweltrelevanten Gesundheitsdeterminan-
dungsstand assoziierte soziale und ökonomische Status,
ten; eine bessere Kontrolle des Umfangs und der Kosten
der Zustand der natürlichen und bebauten Umwelt, die
der medizinischen Leistungen; eine Überprüfung des Fö-
Arbeitsbedingungen, die Verkehrssituation oder der Le-
deralismus im Hinblick auf eine verstärkte Koopera­tion
bensstil haben einen wesentlich stärkeren Einfluss auf die
zwischen Bund und Kantonen; eine Verbesserung des
Gesundheit des Individuums und der Gesamtbevölkerung.
nationalen Wissensmanagements zu den schweizerischen
Die Zunahme der chronischen Krankheiten aufgrund von
Gesundheitspolitiken; eine ethische Auseinandersetzung
Stress, unausgewogener Ernährung und Bewegungs-
mit dem Sinn von Leben und Tod, von Krankheit und Ge-
mangel sowie das vermehrte Auftreten von psychischen
sundheit. Eine Neuausrichtung des Gesundheitssystems
Störungen und Suchterkrankungen lassen sich mit den
darf jedoch nicht im luftleeren Raum stattfinden, sondern
konventionellen Therapien der kurativen Medizin allein
muss die sozialen, wirtschaftlichen, historischen und po-
nicht beheben. Wie können Wirtschaft, Gesellschaft und
litischen Rahmenbedingungen respektieren, die in den
Umwelt zu gesundheitsfördernden Faktoren werden? Wie
letzten 150 Jahren die Entstehung des heutigen Gesund-
lassen sie sich in eine umfassende und multisektorale Ge-
heitssystems geprägt haben.
Teil
II
Zusammenarbeit
des medizinischen Versorgungssystems. Der mit dem Bil-
Referenzrahmen
Teil
I
Teil
III
samtpolitik einbinden (Paradigmenwechsel)?
Die Komplexität des Gesundheitssystems
Schliesslich sind einige Gefahren auch durch die Funk­
Perspektiven
tionsweise unseres Gesundheitswesens bedingt. In unserem föderalistischen System sind die politischen, strukturellen und rechtlichen Grundlagen stark fragmentiert
und doch miteinander verflochten. Die Vielfältigkeit der
Akteure und Prozesse erschwert die Steuerung des Gesundheitssystems auf nationaler Ebene. Welches Reformpotential trägt der Föderalismus in sich? Inwiefern bietet
eine bessere institutionelle Zusammenarbeit zwischen
Bund und Kantonen einschliesslich eines effizienten Wissenstransfers eine echte Zukunftsperspektive? Siehe hierzu auch Teil II des Berichts: «Staatspolitische Zusammenarbeit in der Gesundheitspolitik».
Seit 30 Jahren gibt es Stimmen, die eine Neuorientierung der schweizerischen Gesundheitspolitik fordern:
eine stärkere Berücksichtigung der Anliegen der öffentlichen Gesundheit (Schutz und Förderung der Gesundheit, Krankheitsprävention und Rehabilitation) und der
Siehe hierzu besonders: G. KOCHER und P. RENTSCHNICK: Teure
Medizin – Für gezielte Reformen in unserem Gesundheitswesen, Bern,
Huber, 1980; J. SOMMER und F. GUTZWILLER: Wirtschaftlichkeit und
Wirksamkeit im schweizerischen Gesundheitswesen, Bern, Huber,
1986; Institut suisse de la santé publique et des hôpitaux (ISH): La
santé des suisses en l’an 2000. Vers une réorientation des politiques
sanitaires cantonales, Cahiers d’études de l’ISH, Bd. 39, Aarau 1988.
Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang, dass die Schweizerische
Gesellschaft für Gesundheitspolitik (SGGP) 1976 gegründet worden
ist. 1987 trafen sich Vertreter einiger Kantone und des Bundes an mehreren Tagungen in Lausanne und diskutierten eine Neuausrichtung der
kantonalen Gesundheitspolitiken. Neuere Publikationen: Schweizerische Akademie der medizinischen Wissenschaften: Zukunft Medizin
Schweiz, EHM-Schwabe, Basel, 2002. Herausforderungen 2003–2007,
Schweizerische Bundeskanzlei, Bern 2003, S. 60–62.
Wir stützen uns in diesem Abschnitt auf eine Analyse von Hans Jörg
HUBER, Rechtsexperte, ehemaliger Vorsteher des Gesundheitsdepartements des Kantons Aargau und ehemaliger Ständerat, in der
Schweizerischen Ärztezeitung aus dem Jahr 1983. HUBER Hans Jörg,
Gesundheitswesen und schweizerische Staatsidee, Schweizerische
Ärztezeitung, Bd. 64, 1983, Heft 49, S. 1498–1507.
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 1
19
Teil
I
Referenzrahmen
Kapitel 2
Vier Merkmale des schweizerischen Gesundheitssystems
Zusammenarbeit
Teil
II
Historisch gesehen hat sich das schweizerische Gesund-
Mittelalter – Hospiz und Religion
heitssystem nach politischen Prinzipien und Ideologien
Ausgangspunkt war das mittelalterliche Hospiz. Die ältes­
entwickelt, die auch heute noch die Rahmenbedingungen
ten Hospize stammen aus dem 9. Jahrhundert, aber erst
für die Gesundheitspolitiken in der Schweiz darstellen.
zwischen dem 12. und 14. Jahrhundert kam es zur Grün-
Die vier wichtigsten Merkmale sind:
dung zahlreicher weiterer Einrichtungen. Nebst den Häu-
1. die beherrschende Stellung der kurativen Medizin
sern zur Beherbergung von Pilgern entlang der grossen
2. der Föderalismus, der dem Bund im Gesundheitsbe-
Verkehrsachsen richteten viele Städte und Gemeinden
reich eine subsidiäre Rolle zuweist
3. der Liberalismus, der dem privaten Sektor den Vorzug
gibt
4. ein auf dem Konzept der Solidarität beruhender Sozialstaat.
Hospitäler und Hospize ein. In der Regel wurden diese von
religiösen Orden geführt und verstanden sich als karitative
Einrichtungen für Bedürftige – Sammelstellen menschlichen Unglücks. Wer es sich auch nur annähernd leisten
konnte, kam nicht auf die Idee, sich in einem solchen Hospital behandeln zu lassen. Im Laufe des 16. Jahrhunderts
erhielten die Spitäler in den reformierten Städten eine
Perspektiven
Teil
III
2.1 Die beherrschende Stellung
der kurativen Medizin
laizistische Führung und wurden der Stadtverwaltung un-
Wichtigstes Merkmal des schweizerischen Gesundheits­
Begleitung von Armen, stellte in der Regel jedoch eine
sys­tems ist die beherrschende Stellung der kurativen Me­
wirtschaftliche Macht mit hohen Einnahmen aus Land-
dizin, die von öffentlichen und privaten Trägern angebo-
wirtschaft und Grundbesitz dar.
terstellt. Das Hospital des Ancien Régime kümmerte sich
nach wie vor hauptsächlich um die Unterstützung und
ten wird. Diese Dominanz des kurativen Sektors ist nicht
Schutzes vor Gesundheitsrisiken. Seit jener Zeit wird die
19. Jahrhundert – öffentliche Spitäler,
medizinische Entdeckungen und die Entwicklung
kantonaler Gesundheitspolitiken
schweizerische Gesundheitspolitik von einer Auffassung
Anfang des 19. Jahrhunderts begannen die medizinische
von öffentlicher Gesundheit geleitet, die sich an der dop-
Versorgung und die Pflege in den Spitälern eine bedeu-
pelten Aufgabe des Gesundheitsschutzes auf der einen
tende Rolle für die Verbesserung der Gesundheit der
und der Gewährleistung des Zugangs zu medizinischer
Bevölkerung zu spielen. Zeitgleich mit dem Beginn der
Pflege und deren Qualitätssicherung auf der anderen Sei-
Medikalisierung wurden die Spitäler der grössten Städ-
te orientiert. Diese Grundsätze sind in den kantonalen Ge-
te kantonalisiert (dasjenige von Lausanne zum Beispiel
sundheitsgesetzen und in den eidgenössischen Gesetzes-
im Jahr 1806). Trotz des medizinischen Fortschritts fiel
bestimmungen verankert, die Ende des 19. bzw. Anfang
es den alten städtischen Spitälern aus politischen und
des 20. Jahrhunderts entstanden sind. In den vergangenen
wirtschaftlichen Gründen zu Beginn schwer, sich in reine
20 Jahren wurde die rechtliche Basis um weitere eidge-
Zentren der medizinischen Versorgung und Pflege zu ver-
nössische und kantonale Gesetze ergänzt und präzisiert.
wandeln. Die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts hingegen
Anlässlich der Revision der Bundesverfassung im Jahr
kann als eine Epoche zahlreicher Spitalgründungen cha-
1999 wurden die den Gesetzen zu Grunde liegenden Wer-
rakterisiert werden. Im Kanton Freiburg etwa kam es in
te ohne grosse Änderungen übernommen. Die Geschichte
dieser Zeit zur Gründung von vier Bezirksspitälern (Bulle-
des schweizerischen Gesundheitssystems reicht jedoch
Riaz 1863, Romont-Billens 1866, Morat-Meyriez 1868 und
weiter als bis ins 19. Jahrhundert zurück. Sie fällt zeitlich
Châtel-St-Denis 1892). Einige Kantone wählten die staat-
mit der Entwicklungsgeschichte der modernen Medizin
liche Form der Spitalversorgung, andere zogen ein System
neu und erklärt sich aus der Geschichte der Medizin und
der seit Mitte des 19. Jahrhunderts sichtbaren Politik des
und ihrer Einbettung ins Spitalwesen zusammen und soll
im Folgenden kurz dargestellt werden. Als Quellen dienen unter anderem die historischen Untersuchungen von
­Pierre-Yves Donzé10 zur Geschichte der Spitäler in der
Westschweiz und die Analyse des freiburgischen Gesundheitsrechts von Dominique Sprumont.11
20
10 «Bâtir, gérer, soigner. Histoire des établissements hospitaliers de Suisse
romande», Pierre-Yves DONZÉ, Georg Editeur (2003).
11 «La législation sanitaire fribourgeoise: une législation en mouvement»,
Dominique SPRUMONT, Assistenzprofessor an den Rechtsfakultäten
der Universitäten Freiburg und Neuenburg. Revue fribourgeoise de
jurisprudence, Spezialnummer «RFJ 10 ans», Le droit en mouvement,
Freiburg 2002.
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 2
spiel der Impfung12 und später der Antibiotika trugen zu
sich mit privaten Partnern zusammen, wie dies in den
einer bedeutenden Verbesserung der Volksgesundheit
Kantonen Wallis und Neuenburg der Fall war. Bedeutsam
bei. Die erweiterten Kenntnisse über Hygiene, Ernährung
ist, dass bereits damals die Finanzierung des Systems zur
und Wohnverhältnisse liessen den Lebensstandard all-
Diskussion stand. So liessen beispielsweise einige Ge-
mählich steigen. Nicht zuletzt trugen auch Bildung und
meindeverwalter für arme Patienten, deren medizinische
Erziehung zu einem gesünderen Verhalten bei.13 Um die
Behandlung von der Gemeinde zu bezahlen war, den
Jahrhundertwende wurde zudem die Hysterie, damals der
Arzt nur selten kommen. Die kantonalen Einrichtungen
Oberbegriff für psychische Krankheiten, Gegenstand der
der öffentlichen Gesundheit verfügten notorisch über zu
medizinischen Forschung. Mit Freud (um 1890), Jung und
wenig Mittel, um alle Aufgaben wahrnehmen zu können.
Lacan (um 1930) entstand die Psychoanalyse.
Teil
II
Zusammenarbeit
mit weniger staatlichen Interventionen vor und schlossen
Referenzrahmen
Teil
I
Gleichzeitig begannen die Kantone gesundheitspolizeivor allem auf die Gesundheit des Viehs, auf die Hygiene
Gesundheitsberufe, Epidemien und Schaffung
einer eidgenössischen Gesundheitspolitik
(Wasser und Fleisch) sowie auf die Reglementierung der
Der Entwicklung der Spitäler auf kantonaler Ebene ent-
Medizinalberufe (Ärzte, Apotheker, Hebammen).
sprach auf Bundesebene die Schaffung einer Gesundheits-
liche Reglemente zu erarbeiten. Diese konzentrierten sich
Teil
III
schutzpolitik, die zeitlich mit der Gründung des Bundes-
Geschichte des Arbeitsgesetzes
von 1848 übertrug der jungen Eidgenossenschaft die Zu-
1877: Das erste Bundesgesetz betreffend die Arbeit in
ständigkeit für die Überwachung von gefährlichen Epide-
den Fabriken wird angenommen.
mien. Der eigentliche Beginn der Gesundheitspolitik des
1914: Das zweite Gesetz wird angenommen.
Bundes erfolgte im Jahre 1866, als es im Wallis zu einer
1919: Totalrevision des Gesetzes von 1914 und Institu-
Typhus­epidemie kam, die 20 Jahre später die Verabschie-
tionalisierung der 48-Stunden-Woche.
dung des Epidemiengesetzes vom 7. Juli 1886 zur Folge
1964: Das Gesetz wird abgelöst durch das Bundesge-
hatte. 1893 wurde das Eidgenössische Gesundheitsamt
setz vom 13. März 1964 über die Arbeit in Industrie,
geschaffen, dessen Aufgabe in der Anwendung und Um-
Gewerbe und Handel (Arbeitsgesetz). Dieses Gesetz
setzung des Epidemiengesetzes bestand. Später entwi-
wurde seither viele Male teilrevidiert.
ckelte sich aus diesem Büro das heutige Bundesamt für
Perspektiven
staates im Jahre 1848 zusammenfiel. Die Bundesverfassung
Gesundheit (BAG).14
Um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert bildeten fünf
Im Laufe des 19. Jahrhunderts war die Gesellschaft einem
Bundesgesetze den rechtlichen Rahmen der schweize-
starken Wandel unterworfen. Stichworte dazu sind die
rischen Gesundheitspolitik:
Anerkennung und Respektierung von Freiheiten und
Grundrechten, die Entstehung des modernen demokratischen Staates, die Industrialisierung, die Atomisierung
1. Das Bundesgesetz von 1877 betreffend die Arbeit in
den Fabriken.
der menschlichen Beziehungen oder die Schaffung des
2. Das Bundesgesetz vom 19. Dezember 1877 betreffend
Sozialstaates. Die Sozialpolitik fing allmählich an zu grei-
die Freizügigkeit des Medizinalpersonals in der Schwei-
fen. Zugleich kam es in der Medizin und im Gesundheits-
zerischen Eidgenossenschaft (in Revision); es regelt
bereich mit der Anwendung neuer wissenschaftlicher Er-
die Ausübung der beruflichen Tätigkeit von Ärzten,
kenntnisse und Techniken zu grossen Fortschritten. Die
Medizin entwickelte sich teilweise von einer Heilkunst zu
einer Wissenschaft. Das 19. Jahrhundert war von einer
stark experimentellen Strömung geprägt, mit der sich
bereits die Erfolge des 20. Jahrhunderts ankündigten.
Die Einführung von Anästhesie und Antisepsis führte
zur Entwicklung der Chirurgie, die ihrerseits von neuen
Erkenntnissen aus Anatomie und Physiologie profitierte.
Die Anwendung neuer Errungenschaften wie zum Bei-
12 Pocken (Impfung 1796 erfunden von Edward Jenner), Tuberkulose
(Albert Calmette, 1920), Diphtherie (Gaston Ramon, 1923), Poliomyelitis (Jonas Salk, 1955) sind in der Schweiz praktisch ausgerottet.
13 In der Schweiz wurde die kostenlose und obligatorische Schulpflicht
1848 eingeführt. In der Praxis wurden aber erst 1877 alle Kinder eingeschult. Zu diesem Zeitpunkt wurde auch ein Gesetz zum Verbot der
Kinderarbeit in den Fabriken eingeführt. Die Schulen wurden 1874 der
Aufsicht der Kirchen entzogen und der Zivilverwaltung der Kantone
unterstellt.
14 Quelle: Historisch-biographisches Wörterbuch der Schweiz, Band 5,
Neuenburg 1930.
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 2
21
Referenzrahmen
Teil
I
Zusammenarbeit
Teil
II
Apothekern, Tierärzten innerhalb der Schweizerischen
4. Das Bundesgesetz vom 8. Dezember 1905 betreffend
Eidgenossenschaft und garantiert so die Qualität der
den Verkehr mit Lebensmitteln und Gebrauchsgegen-
medizinischen Praxis. Es basiert auf dem Prinzip, dass
ständen (seit der Totalrevision von 1992: Bundesge-
die Erlangung eines eidgenössischen Diploms an einer
setz vom 9. Oktober 1992 über Lebensmittel und Ge-
schweizerischen Universität eine qualitativ gute Medi-
brauchsgegenstände [Lebensmittelgesetz]).
zin gewährleisten soll. Im Übrigen vertraute man zur
5. Das Bundesgesetz vom 13. Juni 1911 über die Kranken-
Sicherung der Qualität auf standesinterne Regeln und
versicherung. Dieses Gesetz ermöglichte den Zugang
auf Ausbildungsangebote. Das neue Eidgenössische
zu medizinischer Pflege für einen grossen Teil der Be-
Gesundheitsamt hatte zur Aufgabe, die Gleichwertig-
völkerung. Das Gesetz legte zudem den Grundstein für
keit der von den fünf medizinischen Hochschulen aus-
die Schaffung einer öffentlichen Unfallversicherung für
gestellten Diplome zu beurteilen. Das Gesetz erlaubt
Industriearbeiter (SUVA).
den Ärzten die Berufsausübung auf dem ganzen Staatsgebiet und ermöglicht so ein flächendeckendes Angebot an medizinischen Leistungen, ohne dieses jedoch
Teil
III
Perspektiven
explizit sicherzustellen.
Erste Hälfte des 20. Jahrhunderts –
Aufschwung der Medizin und staatliche
­Investitionen in die Gesundheit
3. Das Bundesgesetz vom 2. Juli 1886 betreffend Mass-
Der Beginn des 20. Jahrhunderts war von der Säkulari-
nahmen gegen gemeingefährliche Epidemien (Epide-
sierung des Krankenpflegeberufs und von einer stärkeren
miengesetz; seit der Totalrevision von 1970: Bundes-
Präsenz von Fachärzten in den Spitälern geprägt. Mit
gesetz vom 18. Dezember 1970 über die Bekämpfung
­ihren zunehmenden Erfolgen erreichte die kurative Medi-
übertragbarer Krankheiten des Menschen).
zin immer mehr Anerkennung und eroberte allmählich das
Feld. Die Zwischenkriegszeit war in der Schweiz geprägt
von einem beispiellosen Aufschwung der grossen Univer-
Geschichte des Krankenversicherungsgesetzes
sitäts- und Kantonsspitäler, die sich zu hochspezialisier-
1890: Annahme des Verfassungsartikels 34 . Darin
ten medizinischen Dienstleistungszentren entwickelten.
wird der Bund beauftragt, auf dem Weg der Gesetzge-
Während dieser Zeit kam es mehr und mehr zu staatlichen
bung eine Kranken- und Unfallversicherung einzurich-
(kantonalen) Interventionen. Die Finanzierung auf kari-
ten.
tativer Basis wurde angesichts der explodierenden Be-
1899: Das Parlament verabschiedet am 5. Oktober die
triebsbudgets der Spitäler zunehmend als unzureichend
«Lex Forrer». Dieses erste Projekt für ein Krankenver-
und unangemessen angesehen. Es gab aber auch Kantone
sicherungsgesetz war sehr fortschrittlich und schlug
wie Freiburg, die sich gerade durch ihr Nichteingreifen
eine obligatorische Krankenversicherung mit einkom-
ins Spitalwesen auszeichneten. In diesem Kanton unter-
mensabhängigen Prämien vor.
standen die Regionalspitäler der Verantwortung der Ge-
1900: Die «Lex Forrer» wird in einer Referendumsab-
meinden, das Spital erhielt vom Kanton lediglich Gelder
stimmung abgelehnt.
in der Höhe von 0,2 % der Betriebskosten. Zum Vergleich:
1912: Annahme des KUVG (Kranken- und Unfallver-
Der Kanton Genf finanzierte damals 3,8 % und der Kanton
sicherungsgesetz) in der Volksabstimmung (1911 im
Waadt 5,8 % der Spitalausgaben.
bis
Parlament verabschiedet). Das Gesetz sieht die Subventionierung der Krankenkassen sowie die Einfüh-
Die Kantone engagierten sich auch stark bei Fragen
rung der obligatorischen Unfallversicherung für einen
des Gesundheitsschutzes.15 Dabei gingen sie von einem
wesentlichen Teil der Arbeitnehmenden vor. Die Suva
Präventionsbegriff aus, der eng mit den sozialen und
wird mit der Durchführung der obligatorischen Unfall-
umweltbedingten Gesundheitsdeterminanten verknüpft
versicherung und mit der Aufsicht über die Arbeitssi-
war: Bekämpfung übertragbarer Krankheiten (Tuberku-
cherheit in den Betrieben beauftragt.
lose, Geschlechtskrankheiten), Bekämpfung der Säug-
1994: Totalrevision des Gesetzes (Krankenversicherungsgesetz KVG). Das KVG befindet sich mittlerweile
im 4. Versuch einer Teilrevision.
22
15 Siehe hierzu: Schweizerische Sanitätsdirektorenkonferenz (SDK),
Hg., 1919–1994 – 75 Jahre SDK. Notizen zur Geschichte der Schweizerischen Sanitätsdirektorenkonferenz, von Andreas MINDER. Bern
1994, S. 13 ff.
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 2
Information von Kindern, Jugendlichen und Erwachse-
Trinkwasserversorgung, Förderung der Wohnungshygi-
nen. Sie vermittelte Dokumentationsmaterial an Schulen,
ene, Abfallbeseitigung und Schulgesundheitspflege. Für
Behörden und Ärzte und betrieb zu diesem Zweck eine
die interkantonale Koordination war die heutige GDK im
«Dokumentationsstelle für Gesundheitserziehung». Die-
Wesentlichen zuständig. Zudem setzten die Kantone als
se Überlegungen zur Prävention wurden aber mehr und
Vollzugsbehörden die auf Bundesebene angesiedelten
mehr in den Hintergrund gedrängt, da sich die kantonalen
Kompetenzen um (Arbeitsschutz, Verhütung von Epide-
Gesundheitspolitiken zur gleichen Zeit auf die zweite Pha-
mien). Oft wurden Probleme der öffentlichen Gesundheit
se der Spitalmodernisierung und auf die Finanzierung der
wie etwa Tuberkulose oder Alkoholismus vom Bund erst
Defizite in diesem Sektor konzentrierten.
Teil
II
Zusammenarbeit
lingssterblichkeit, des Alkoholismus, Verbesserung der
Referenzrahmen
Teil
I
wahrgenommen, nachdem die Kantone mehrmals nachBundesgesetz vom 13. Juni 1928 betreffend Massnahmen
Ende des 20. Jahrhunderts – technologischer
Fortschritt und Krise im Gesundheitssystem
gegen die Tuberkulose und das Bundesgesetz vom 21. Juni
Ab den 1980er-Jahren verstärkt der Staat seine Unter-
1932 über die gebrannten Wasser (Alkoholgesetz) die ers­
stützung für die so erfolgreiche kurative Medizin. Im
ten Meilensteine im Hinblick auf eine zukünftige Präven­
medizinischen Bereich kommt es zu einer zweiten Mo-
tionspolitik.
dernisierungswelle der Spitäler, wobei diese in moderne
drücklich insistiert hatten. Auf Bundesebene setzten das
Teil
III
Unternehmen umgewandelt werden, die über die neues­
Zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts – Moderni­
sierung und Vormarsch der Sozialpolitik
ten technischen Errungenschaften und über hoch qua­
Ab 1945 und bis in die 1980er-Jahre erlebte die Schweiz
werden gebaut oder vergrössert und miteinander vernetzt
eine Modernisierungswelle in der Sozial- und Gesund-
(das Centre hospitalier universitaire vaudois CHUV in
heitspolitik: 1948 wurde die Alters- und Hinterbliebenen-
Lausanne, die Hôpitaux universitaires genevois HUG in
versicherung (AHV) eingeführt, ab den 1950er-Jahren
Genf, die Universitätsspitäler von Zürich und Basel und
wurden die Spitäler erstmals modernisiert, 1951 verab-
das Inselspital in Bern). Auch die Regionalspitäler erhal-
schiedete man das Betäubungsmittelgesetz (Bundesge-
ten modernes technisches Instrumentarium. Die Entwick-
setz vom 3. Oktober 1951 über die Betäubungsmittel und
lung der Spitäler geht einher mit ausserordentlichen the-
die psychotropen Stoffe), 1959 das Bundesgesetz über
rapeutischen Durchbrüchen und einer immer stärkeren
die Invalidenversicherung, 1962 das Bundesgesetz über
Nachfrage nach effizienten medizinischen Leistungen.
Bundesbeiträge an die Bekämpfung der rheumatischen
Neue, immer höher entwickelte medizinische Technolo-
Krankheiten, 1969 das Bundesgesetz über den Verkehr
gien kommen auf und lösen sich in einem raschen Rhyth-
mit Giften (Giftgesetz) und das Bundesgesetz über die
mus ab. Vor diesem Hintergrund gerät die Medizin und
Tabakbesteuerung. Mit all diesen Massnahmen wurde eine
mit ihr das Gesundheitssystem in eine Krise. Die Schul-
Gesundheitspolitik verankert, die fortan auf zwei Säulen
medizin, die mit ihrem enormen Zuwachs an Kenntnissen
ruhte: auf dem Gesundheitsschutz und auf dem Zugang zu
allmächtig erschien und bei der Bevölkerung überzogene
medizinischer Pflege.
Erwartungen geweckt hatte, wird nun scharf kritisiert.
Der starke Ausbau der Spitalpflege während dieser ganzen
Diese Kritik zielt auf das durch die medizinischen Institu-
Periode war für die GDK Anlass, 1972 in der Vernehmlas-
tionen vertretene Machtsystem. Fragen wie «Werden die
sung zur Revision des Kranken- und Unfallversicherungs-
Krise und die Kostenexplosion im Gesundheitswesen die
gesetzes (KUVG) auf die aus ihrer Sicht unzulässige Privi-
ungehemmte Ausdehnung des Pflegesektors bremsen?»
legierung der Spitalpflege hinzuweisen. Sie wünschte eine
werden nun gestellt.
stärkere Förderung der Präventivmedizin angesichts der
Parallel dazu beginnt man die Wirksamkeit der Medizin
Kosten der stationären Medizin, die damals bereits eine
immer stärker in Frage zu stellen. Die grossen Umwäl-
jährliche Defizitsteigerung von 30 % verzeichneten.16 In
zungen sowohl im technischen und therapeutischen Be-
der Folge entstand die Stiftung für Gesundheitserziehung.
reich (Chirurgie, Psychiatrie, Molekularbiologie) als auch
Die Stiftung bezweckte die gesundheitliche Erziehung und
im sozioökonomischen und politischen Bereich (dominie-
Perspektiven
lifiziertes Personal verfügen. Grosse Universitätsspitäler
rende Rolle der Pharmaunternehmen im medizinischen
16 ebd., S. 76.
System, Kostenexplosion und Krise des GesundheitsfiBand 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 2
23
Referenzrahmen
Teil
I
Zusammenarbeit
Teil
II
nanzierungssystems) geben die grossen Linien der Diskus­
Grundlagen zu stärken. 1987 wird im BAG die Sektion
sion vor.
Gianfranco Domenighetti, während 15 Jahren
«Prävention» (Alkohol, Tabak, Drogen, Impfungen) ge-
Vorsteher des Tessiner Gesundheitsdepartements, meint
schaffen. 1989 richtet man mit Bundes- und Kantonsbei-
dazu: «Die Zahl von 28 000 Operationen pro Jahr (sechs
trägen einen Präventionsfonds ein. In Anlehnung an die
Operationen im Leben einer Person) lässt Zweifel auf-
Ottawa-Charta der WHO von 1986 wird die Präventions-
kommen, wenn man weiss, dass in einigen Ländern wie
arbeit in einen Kontext übergeordneter Überlegungen zur
den USA die Anzahl Operationen nach Einführung einer
Gesundheitsförderung eingebunden und geht so über die
17
ärztlichen Zweitkonsultation um 20 % bis 40 % sank.»
­Einige Kantone reagieren und richten Informations- und
der Kanton Tessin, der 1983 ein Informationsprogramm zu
Projekt «Zukunft Medizin Schweiz»
(1999–2004)
operativen Eingriffen lanciert hat, um die Häufigkeit von
1999 lancierten Ärztinnen und Ärzte im Umfeld der
chirurgischen Interventionen bei der Kantonsbevölkerung
Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissen-
systematisch zu messen.
schaften das Projekt «Zukunft Medizin Schweiz».9 Ziel
Kontrollsysteme für das Gesundheitswesen ein, wie etwa
Perspektiven
Teil
III
18
Mit diesem Projekt war der Kanton Tessin der Zeit vo-
dieses Projektes ist die Neuorientierung der Medizin.
raus. 20 Jahre später hat die schweizerische Akademie
Damit wurde ein Thema in die öffentliche Debatte ein-
der Wissenschaft die Frage nach der Wirksamkeit und der
gebracht, das politisch bereits häufig diskutiert wurde:
Grenzen der Medizin im Rahmen ihres Projekts «Zukunft
die naturwissenschaftlich orientierte, einseitig auf die
Medizin Schweiz» aufgegriffen.
medizinische Versorgung der Bevölkerung ausgerichtete Medizin, die an Grenzen stösst – Grenzen zwischen
Die 1980er- und 1990er-Jahre – erweiterter
Gesundheitsbegriff: New Public Health
Machbarem und Sinnvollem, ethische Grenzen; ökono-
Die 1980er-Jahre bringen eine Wende in der Gesundheits-
Die Neuorientierung hin zu einer ganzheitlicheren Me-
politik, die sich nun verstärkt auf eine neue Konzeption
dizin umfasst unter anderem folgende Aspekte:
des Gesundheitsschutzes auszurichten beginnt und auch
■
Interdisziplinäres Arbeiten
den Lebensstil und risikoreiches Verhalten berücksichtigt.
■
Gesundheitsförderndes und präventives Verhalten
Dem Bund werden zunehmend neue Aufgaben im Hand-
■
Einbezug sozial- und geisteswissenschaftlicher Er-
mische Grenzen.
lungsfeld Gesundheit übertragen. 1981 tritt Aids weltweit
kenntnisse bei der Erarbeitung medizinischer Mass-
als lebensbedrohende Epidemie auf und fordert auch in
nahmen
der Schweiz entsprechendes Handeln. Einige Jahre später
■
sind auf den öffentlichen Plätzen in den Städten immer
mehr Drogenabhängige zu sehen. Diese beiden gleichzei-
Partnerschaftlicher Einbezug der Patientinnen und
Patienten in Entscheidungsprozesse
■
Die Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte
tig auftretenden Phänomene bilden den Beginn von na-
der FMH, die fünf Medizinischen Fakultäten und die
tionalen Präventionsprogrammen unter der Leitung des
Schweizerische Akademie der Medizinischen Wis-
BAG: Aids (1985), Drogen (1991), Tabak (1995), Alkohol
senschaften führen die Arbeiten gemeinsam weiter,
(1997). Ende der 1990er-Jahre lanciert der Bund zudem
um einen Konsens über die Ziele, die Zuständig-
jährliche Impfkampagnen gegen die Grippe.
keiten und die Grenzen der Medizin zu erreichen.
Als ein Vorentwurf für ein Bundesgesetz über Krankheitsvorbeugung 1984 in der Vernehmlassung am Widerstand
Die Ärztinnen und Ärzte in der Schweiz sollten sich
der Kantone und rechts stehender politischer Parteien
in Zukunft nicht nur mit der «Linderung körperlicher
scheitert, entscheidet der Bundesrat, die Prävention
und seelischer Schmerzen und Leiden» beschäftigen,
eher mittels konkreter Massnahmen als durch gesetzliche
sondern auch mit der «Wiederherstellung der sozialen
Funktionsfähigkeit» ihrer Patientinnen und Patienten.
17 Vincent BARRAS: «Le médecin, de 1880 à la fin du XXe siècle», in:
L. Callebat (Hg.), Histoire du médecin, Flammarion, Paris 1999, S. 269–
307.
18 G. DOMENIGHETTI: De l’usage d’indicateurs classiques et alternatifs
au niveau cantonal, Cahiers d’étude de l’ISH, Bd. 39, 1988, S. 88.
24
9 Siehe: Werner Stauffacher / Johannes Bircher (Hg.): Zukunft
Medizin Schweiz. EMH Schweizerischer Ärzteverlag, Basel 2002.
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 2
Prävention zwischen den 1980er-Jahren und dem Jahr
naus; sie beginnt, sich an den Gesundheitsdeterminanten
2000 zu verstärken und Public Health umfassender zu
auszurichten (New-Public-Health-Ansatz). Dieser neue
verstehen (New Public Health). In der Folge haben die
Ansatz wird 1994 mit der bundesrechtlichen Verankerung
Kantone eine Vielzahl von Programmen in sehr unter-
der Stiftung für Gesundheitsförderung auch in das neue
schiedlichen Bereichen konzipiert und umgesetzt: Sucht,
Krankenversicherungsgesetz übernommen.
HIV, Krebs, sexuelle Gesundheit, Arbeit, Ernährung, Alter,
Parallel dazu zeugen seit 1987 mehr als zehn nationale
psychische Gesundheit und seit kurzem auch Spielsucht.
Forschungsprogramme (NFP) zu Gesundheitsproble-
Der Schwerpunkt der kantonalen Aktivitäten liegt dabei
Teil
II
Zusammenarbeit
Aufforderung zu individuellen Verhaltensänderungen hi-
Referenzrahmen
Teil
I
men und zum Gesundheitssystem (siehe dazu auch das
Bundesporträt in Band 2) von den Anstrengungen des
New Public Health
dizin abzielenden akademischen und privaten Forschung
WHO und UNO haben mit der Annahme der Ottawa-
zu schliessen. Schwerpunkte bilden dabei die Prävention
Charta zur Gesundheitsförderung (1986) und der
von kardiovaskulären Krankheiten (NFP 1), von neurolo-
UN-Agenda 2120 zur nachhaltigen Entwicklung (1992)
gischen Krankheiten (NFP 38) und von muskuloskeleta-
internationale Referenzrahmen erarbeitet und den
len Krankheiten und chronischen Schmerzen (NFP 53),
Grundstein für ein umfassendes Verständnis von Ge-
die Berücksichtigung der Umwelt als Gesundheitsdeter-
sundheit gelegt. Die Charta vertritt eine dynamische
minante (NFP 26) sowie die Wirtschaftlichkeit und die
Auffassung von Gesundheit. Gemäss dieser Definition
Wirksamkeit des schweizerischen Gesundheitssystems
ist Gesundheit ein physischer, psychischer und sozialer
(NFP 8). Die klinische, therapieorientierte Forschung
Prozess, der es dem Menschen erlaubt, sich seiner Um-
bleibt allerdings dominierend: Sie profitiert zwar weni-
gebung anzupassen und ein erfülltes Leben zu führen.
ger von der eidgenössischen Forschungsförderung, dafür
Die Ottawa-Charta beinhaltet die folgenden Punkte:
umso mehr von einer breiten privaten Finanzierung.
■
ein umfassender Gesundheitsbegriff
Nicht nur der Bund, auch die Kantone äussern den
■
die Respektierung individueller und sozialer Gleich-
Wunsch nach einer Neuausrichtung ihrer Gesundheitspolitiken. Die Interventionen des Bundes in den Bereichen
gewichte
■
Drogen und HIV/Aids wirken als Katalysator und führen
ein umfassendes Vorgehen in der Gesundheitsförderung
dazu, dass die Mehrheit der Kantone ihre Präventions-
■
eine Perspektive der Selbstverantwortung
anstrengungen entweder durch die Umsetzung der eid-
■
ein partizipativer Ansatz
genössischen Politik oder durch die Lancierung eigener
■
demokratisches Bemühen
Programme ver­stärkt. Anlässlich eines interkantonalen
■
Engagement zugunsten der ganzen Bevölkerung
Treffens, das 1987 in Lausanne stattfindet und an dem die
Teil
III
Perspektiven
Bundes, die Lücken der mehrheitlich auf die kurative Me-
und zur Bekämpfung von Ungleichheiten
Kantone Bern, Genf, Tessin und Waadt sowie der Bund
Ein solches Verständnis von Gesundheitspolitik führt
als Gäste teilnehmen, formuliert die Gruppe für interkan-
notwendigerweise zu einem Paradigmenwechsel, weg
tonale Zusammenarbeit die Absicht, die kantonalen Ge-
vom pathogenetischen Ansatz («Was macht den Men-
sundheitspolitiken vermehrt auf Gesundheitsförderung
schen krank?») hin zur Salutogenese («Was hält den
und Prävention und auf eine effiziente und wirtschaftliche
Menschen gesund?»). Ansätze zu einem umfassenden
Verwaltung der Spitäler durch DRG («Diagnosis related
und multisektoralen Gesundheitsverständnis gibt es in
groups», ein System zur Patientenklassifikation) auszu-
der Schweiz seit den 1980er-Jahren. Durch die aktuel­
richten. Die «Strategie Gesundheit für alle» der WHO aus
len Diskussionen auf Bundesebene zu einer Neurege-
dem Jahr 1984 bildet das Motto dieser Tagung. Dies ist
lung der Prävention und Gesundheitsförderung werden
der Anfang einer Reihe von Reflexionen über die Bedeu-
sie zusätzlich gestärkt.
tung der Gesundheitsdeterminanten und der Tatsache
der gesundheitlichen Ungleichheit in der Bevölkerung der
Schweiz.
Die Neuorientierung hat eine Mehrheit der Kantone dazu
angeregt, ihre Politiken der Gesundheitsförderung und
20 Mit der UN-Umwelt- und Entwicklungskonferenz in Rio de Janeiro 1992
wurde die Idee einer nachhaltigen Entwicklung zu einem gemeinsamen
Leitbild der globalen Staatengemeinschaft für das 21. Jahrhundert. Die
Agenda 21 ist ein Aktionsprogramm zur Umsetzung dieser Idee weltweit.
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 2
25
Referenzrahmen
Teil
I
Zusammenarbeit
Teil
II
Perspektiven
Teil
III
immer noch auf dem Gebiet der Prävention, wenn auch
Gesundheitsförderung im neuen kantonalen Gesetz zur
multisektoral ausgerichtete Projekte wie das «Netzwerk
Gesundheitsförderung
Gesundheitsfördernder Spitäler» lanciert werden oder
(Legge sulla promozione della salute e il coordinamento
Bestrebungen zur Einführung von Gesundheitsverträg-
sanitario – Legge sanitaria).
lichkeitsprüfungen erkennbar sind.
Der Kanton St. Gallen hat 1979 ein Amt für Gesundheits-
Die Kantone Tessin und St. Gallen spielen in diesem Zu-
vorsorge eingerichtet, dem die Stelle eines Präventiv-
sammenhang eine Vorreiterrolle. Im Kanton Tessin wurde
mediziners angegliedert wurde. Die ersten Präventions-
die «Sezione sanitaria» 1976 als autonome Verwaltungs-
programme dieses Amtes stammen aus dem Jahr 1990
struktur eingerichtet und 1994 wird sie in das «Ufficio di
zum Thema medizinische Reiseberatung. Die Fachstelle
promozione e di valutazione sanitaria» eingegliedert. Der
­ZEPRA Prävention und Gesundheitsförderung – heute für
Kanton führt viele Präventionsprogramme durch und hat-
die Kantone St. Gallen und Graubünden zuständig – gibt
und
Gesundheitskoordination
te bereits 1983 als Reaktion auf die Ergebnisse des NFP 1
es seit 1990.
ein mehrjähriges kantonales Präventionsprogramm zu den
In den 1990er-Jahren haben viele Kantone ihre Verfas-
kardiovaskulären Krankheiten lanciert (1984–1989), mit
sungen und Gesundheitsgesetze den veränderten Gege-
welchem die Risikofaktoren Rauchen, hoher Blutdruck,
benheiten angepasst und sich die Kantone Tessin und
Bewegungsmangel, einseitige Ernährung und Überge-
St. Gallen zum Vorbild genommen. Die Kantone haben der
wicht bekämpft werden sollten. 1989 verankerte er die
Prävention und der Gesundheitsförderung mehr Gewicht
Health Impact Assessment (HIA)
Das schweizerische Gesundheitssystem kostet jährlich rund 48 Milliarden CHF. Es vermag jedoch den Gesundheitszustand der Bevölkerung nur um 10 bis 15 % zu beeinflussen Die WHO weist seit den 1980er-Jahren darauf hin,
dass nicht nur die Qualität und der Zugang zu medizinischen Leistungen den Gesundheitszustand einer Bevölkerung
beeinflussen. Zu 90 % hängt die Gesundheit von den Lebensumständen der einzelnen Menschen ab (Wohnsituation,
Arbeit, Arbeitslosigkeit, Verhaltensweisen und Lebensstile …). Diese Lebensumstände wiederum werden durch die
Wirtschafts-, die Sozial-, die Umwelt- und die Ausländerpolitik beeinflusst. Man weiss heute beispielsweise, dass
der sozioökonomische Status von Personen deren Gesundheit zu 45 bis 50 % prägt und dass die ausschlaggebenden
Elemente dieses Status die folgenden sind: Bildungsgrad, ausgeübter Beruf, Arbeitsbedingungen, Vermögen und Einkommen. Die anderen entscheidenden Faktoren sind umweltbezogen: Lärm, Trinkwasser, Luftqualität, Strahlung,
chemische und toxische Produkte, Infektionskrankheiten.
Auf diesem Hintergrund rechnen Gesundheitsökonomen heute vor, dass die hohen Investitionen in den kurativen
Gesundheitsbereich kaum noch zu rechtfertigen seien. Die WHO hält im Zusammenhang mit der Verwirklichung der
Entwicklungsziele bis 2015 fest, dass Gesundheitspolitik nicht isoliert betrieben werden dürfe, sondern mit anderen
Politikfeldern vernetzt bzw. in ihnen eingebettet sein müsse. Angesprochen sind die Fiskal- und Haushaltpolitik, der
Umweltschutz, der Verkehr oder das Bildungswesen. Ein Instrument Health Impact Assessment (HIA) sollte entwickelt werden.
In der Schweiz haben die Kantone Freiburg, Jura und Wallis während der 1990er-Jahre den ganzheitlichen Gesundheitsbegriff sowie HIA in die revidierten Gesundheitsgesetze aufgenommen. Diese drei Kantone sind zusammen mit
dem Kanton Genf und dem Tessin daran, das Instrument HIA weiterzuentwickeln. In der Schweizerischen Konferenz
der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren (GDK) hat eine Arbeitsgruppe zum Thema HIA («Etudes
d’Impact sur la Santé») im Jahre 2003 ein Argumentarium und einen Bericht zum Thema verfasst, ohne dass diese
Arbeit innerhalb der GDK jedoch zu weiteren Schritten geführt hätte. Die Stiftung Gesundheitsförderung Schweiz
ist zurzeit daran, in Zusammenarbeit mit dem Tessin ein Projekt für eine Informationsplattform zum Thema HIA zu
lancieren.
Auf Bundesebene hat das BAG im Jahre 2004 einen Bericht zur multisektoralen Gesundheitspolitik verabschiedet, mit
dem das Amt andere Bundesstellen in ein gemeinsames Vorgehen einbinden möchte.
26
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 2
gegeben und mit einem multisektoralen und ganzheitlichen Gesundheitsverständnis gearbeitet. Allein seit 1998
haben 13 Kantone ihre Gesundheitsgesetze umfassend revidiert bzw. die Revision eingeleitet (vgl. Tabelle 1).
Referenzrahmen
Teil
I
Tabelle 1: Übersicht über kantonale Gesundheitsgesetze,
die seit 1998 umfassend revidiert wurden oder in Revision sind
(ohne Spitalgesetze)
(Stand: Dezember 2004)
Teil
II
Neues Gesundheitsgesetz seit dem 1. 1. 1998
Freiburg
Neues Gesundheitsgesetz seit dem
16. 11. 1999
Der Begriff «Prävention» selbst kommt in den Bestim-
Appenzell I. Rh.
Neues Gesundheitsgesetz seit dem 1. 1. 1999
mungen der deutschsprachigen Kantone kaum vor, in
Solothurn
Neues Gesundheitsgesetz seit dem 1. 1. 2000
plus neue Vollzugsverordnung
Bern
Neue Verfassung 1992 (Förderung natürlicher Heilmethoden: Art. 41 Abs. 4)
Neues Gesundheitsgesetz seit dem 1. 1. 2001
plus neue Gesundheitsverordnung
Schwyz
Der Kanton Schwyz kennt kein Gesundheitsgesetz, sondern eine Verordnung über
das Gesundheitswesen, die sich auf § 40 der
Kantonsverfassung stützt. Die Verordnung
stammt aus dem Jahre 1971. Totalrevision
in Bearbeitung seit 1998. Totalrevision in
Kraft seit dem 1. 1. 2004
Waadt
Neues Gesundheitsgesetz seit dem 1. 1. 2004
jenen der Westschweizer Kantone hat er sich jedoch
seinen gebührenden Platz erobert. In der Deutschschweiz ist eher die Rede von «Gesundheitsschutz, Gesundheitsvorsorge, Verhütung von Krankheiten oder
Gesundheitsförderung». Die entsprechenden Bestimmungen finden sich in den Kantonsverfassungen, in
kantonalen Gesundheitsgesetzen, in Verordnungen und
Reglementen, in interkantonalen Vereinbarungen oder
in Legislaturprogrammen, regierungsrätlichen Richtlinien und Gesundheitsleitbildern. Parallel zu diesen
Bestimmungen haben die Kantone innerhalb oder ausserhalb der eigenen Verwaltung entsprechende Struk-
Teil
III
Perspektiven
Wallis
Prävention und Gesundheitsförderung
in den Kantonen
Zusammenarbeit
Neue bzw. revidierte Gesundheitsgesetze
turen für die Koordination und Umsetzung der Bestimmungen entwickelt. Immer mehr gibt man die simple
Umsetzung von sektoriellen Präventivmassnahmen auf
zugunsten einer umfassenden Konzeption einer Prä-
Gesundheitsgesetze in Bearbeitung
Zürich
Entwurf zu einem revidierten Gesundheitsgesetz 1999. Der Regierungsrat hat
den Entwurf Anfang 2005 zuhanden des
Kantonsrates verabschiedet. Neues Patientinnen- und Patientengesetz seit 2004
Genf
Gesundheitsgesetz in parlamentarischer
Beratung seit 2005
Basel-Stadt
Motion 2003 betreffend die Ausarbeitung
eines umfassenden Gesundheitsgesetzes.
Das alte Gesetz stammt aus dem Jahr 1879.
Gesundheitsgesetz zurzeit in Ausarbeitung
Appenzell
Totalrevision des aus dem Jahre 1986 stammenden Gesundheitsgesetzes geplant. Eine
vom Regierungsrat eingesetzte Expertenkommission hat einen umfangreichen Thesenkatalog erarbeitet. Der Gesetzesprozess
wird rund eineinhalb Jahre dauern.
ventions- und Gesundheitsförderungspolitik (ein Beispiel ist die Gesundheitsförderungspolitik des Kantons
Genf). Die Umsetzung der Bestimmungen zu Gesundheitsförderung und Prävention erfolgt in den Kantonen
in Form von Aktionsplänen, Strategien, Kampagnen
und Programmen durch private Partnerorganisationen
auf der Basis von Leistungsverträgen.
Es gibt erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen Kantonen in Bezug auf ihr Engagement im Bereich
Prävention und Gesundheitsförderung: Der Kanton Uri
hat nach eigenen Angaben im Jahre 2002 rund 55 000
Ausserrhoden
CHF für die Gesundheitsförderung und Prävention
(inkl. Aidsprävention) ausgegeben, davon 15 000 CHF
aus dem Alkoholzehntelfonds. Das macht rund CHF
1.60 pro Kopf der Bevölkerung des Kantons Uri. Genf
konnte demgegenüber im Jahre 2001 CHF 60 Mio. in-
Luzern
Totalrevision des Gesundheitsgesetzes in
Vernehmlassung
vestieren, das sind 140 CHF pro Kopf. In der Regel
werden die Gelder vorwiegend für die Prävention im
Suchtbereich und (noch?) nicht für die eigentliche Gesundheitsförderung eingesetzt.
Quelle: Zusammenstellung BAG, Sektion Strategie und Gesundheitspolitik
CH (2004)
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 2
27
Referenzrahmen
Teil
I
Zusammenarbeit
Teil
II
Perspektiven
Teil
III
Wie Vincent Barras, Medizinhistoriker an der Universität
sends stark beschäftigt. Den Auftakt dazu bildet die To-
Lausanne (Institut universitaire de l’histoire de la méde-
talrevision des Krankenversicherungsgesetzes (KVG) im
cine et de la santé publique, IUHMSP) bemerkt, trugen
Jahr 1994. Die stetig steigenden Krankenkassenprämien
mehrere andere Faktoren ebenfalls zu einer Änderung der
sowie die ständigen Gesetzesrevisionen (vier Revisions-
Perspektive in der Gesundheitspolitik bei: «Betont wer-
bemühungen innerhalb von zehn Jahren) werden die De-
den muss die verstärkte Wahrnehmung des Patienten als
batte um die Finanzierung des Gesundheitssystems weiter
Hauptperson des medizinischen Vorgehens und der thera-
verschärfen. Drastische Massnahmen stehen nun zur Dis-
peutischen Entscheide, das Aufkommen von bioethischen
kussion, etwa die Leistungsrationierung in der Grundver-
Bedenken auf kollektiver Ebene, das Phänomen des me-
sicherung, das Verbot der Neueröffnung von Arztpraxen
dizinischen Pluralismus aufgrund des intensiven globalen
oder die Aufhebung des Vertragszwangs zwischen Versi-
Austausches sowie der Einbezug der sozial- und umwelt-
cherern und Leistungserbringern.
bedingten Gesundheitsdeterminanten.»
Die aktuellen Schlüsselbegriffe in der Spitalentwicklung
21
Im Laufe der 1980er- und 1990er-Jahre entstehen die ge-
der Kantone heissen Restrukturierung, Netzwerkbildung,
setzlichen Grundlagen, die den Rahmen für die Regelung
Managed Care, Qualitätssicherung und Schaffung von
einer weiteren wichtigen Gesundheitsdeterminante schaf-
Kompetenzzentren. Die Verlagerung des Bedarfs weg
fen: der Umwelt. Dazu gehören das Bundesgesetz vom
von den Akutpflegebetten hin zur Langzeitpflege und
7. Oktober 1983 über den Umweltschutz (Umweltschutz-
zur Rehabilitation, die Verkürzung der Spitalaufenthalte,
gesetz) (1983), die Luftreinhalteverordnung (1985) und
die Psychiatrieplanung oder die Konzentration der Spit-
die Lärmschutzverordnung (1986) sowie das Gewässer-
zenmedizin gehören zu den neuen Hauptstrategien der
schutzgesetz (1991). Zwanzig Jahre später führt dieser
Kantone. Dabei überschreitet die Spitalpolitik die eigenen
Prozess zur Aufnahme eines Artikels zur nachhaltigen
Grenzen: Ausgebaut werden sollen zukünftig auch die
Entwicklung und zum Schutz der Umwelt in die revidierte
spitalexterne Krankenpflege, die Übergangspflege, die Be-
Bundesverfassung von 1999. Die «Strategie Nachhaltige
reitstellung von Tagesklinikbetten oder neue Strukturen
Entwicklung 2002» des Bundesrats hat viele Kantone und
für die ambulante Behandlung. Im Bereich der Betreuung
Gemeinden veranlasst, ebenfalls in diese Richtung aktiv
von älteren Menschen, der psychischen Gesundheit und
zu werden. Auch das BAG beteiligt sich an den Überle-
der nicht übertragbaren chronischen Krankheiten hat die
gungen zum Einfluss der Umwelt auf die Gesundheit. In
zu erwartende starke Zunahme der Gesundheitskosten
Erfüllung parlamentarischer Anfragen und internationa-
einen Reflexionsprozess eingeleitet. Andere Gesundheits-
ler Abkommen können das BAG und andere Bundesämter
probleme wie die Zunahme von Übergewicht oder des
ihre multisektoralen Politiken ausweiten und Themen wie
Burnout-Syndroms haben zur Lancierung neuer Projekte
Migration, geschlechterbezogene Gesundheitsfragen oder
und Programme im Bereich Ernährung und Bewegung
Gesundheitsdeterminanten wie Ernährung und Bewegung
oder der betrieblichen Gesundheitsförderung geführt.
bearbeiten. 2004 verabschiedet das BAG ein «Leitbild für
Parallel zu diesen Entwicklungen werden aufgrund von
eine multisektorale Gesundheitspolitik», mit dem andere
Sparmassnahmen auf kantonaler wie auf nationaler Ebene
Bundesämter in ein gemeinsames Vorgehen eingebunden
verschiedene Präventions- und Gesundheitsförderungs-
werden sollen.
programme redimensioniert (z. B. wurde das Programm
«Gender Health» im Bundesamt für Gesundheit um die
Beginn des 21. Jahrhunderts – Redimensionierung
der medizinischen Versorgung
Hälfte reduziert) oder sogar ganz aufgegeben (z. B. das
Die in den 1980er-Jahren begonnenen Überlegungen zur
Zu Beginn des 21. Jahrhunderts ist das Thema Patienten-
Rationalisierung der medizinischen Versorgung sowie zur
rechte sowohl bei den Kantonen als auch beim Bund aktu-
Finanzierung des Gesundheitssystems haben die Politik
ell. Das Thema berührt verschiedene Bereiche: Versicher-
in den 1990er-Jahren und zu Beginn des neuen Jahrtau-
tenkarte, Patientenkarte, Datenschutz, gleicher Zugang
Programm «Gesundheit und Umwelt» APUG ab 2007).
für alle zu medizinischer Versorgung, Pflegequalität, Informationen und Zugang zu Patientendossiers, Patienten21 Vincent BARRAS: «Le médecin, de 1880 à la fin du XXe siècle», in:
L. Callebat (Hg.), Histoire du médecin, Flammarion, Paris 1999, S. 269–
307.
28
verfügungen oder auch Empowerment und Gesundheitskompetenzen. In den vergangenen Jahren hat sich die
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 2
lichen Lebens eingreifen kann. Deshalb werden gesetzliche
entwickelt. In der Westschweiz liegen die meisten dieser
Bestimmungen erlassen zur Regelung der medizinisch
Rechte in ziemlich harmonisierter Form vor und die Unter­
unterstützten Fortpflanzung (Bundesgesetz vom 18. De-
schiede von Kanton zu Kanton sind nur mehr geringfügig.
zember 1998 über die medizinisch unterstützte Fortpflan-
Dies hängt mit der Anpassung an die Rechtsprechung des
zung), zur Stammzellenforschung (Bundesgesetz vom
Bundesgerichts zusammen, aber auch mit einer gesell-
19. Dezember 2003 über die Forschung an embryonalen
schaftlichen Forderung angesichts der «medizinischen
Stammzellen (Stamm­zellenforschungsgesetz, StFG), zur
Macht». Patientinnen und Patienten, Konsumentinnen
Organtransplantation (Bundesgesetz über die Transplan-
und Konsumenten sind heute viel sensibler in Bezug auf
tation von Organen, Geweben und Zellen, 2004), zur Gen-
ihre Rechte und verlangen eine stärkere Anerkennung
technik (Bundesgesetz über genetische Untersuchungen
derselben. Die Menschenrechtskonvention zur Biomedi-
beim Menschen, 2004) und zum Klonen.
Teil
II
Zusammenarbeit
kantonale Reglementierung von Patientenrechten stark
Referenzrahmen
Teil
I
zin des Europarats sollte sich in der nächsten Zeit als neue
Schlussfolgerungen
Kantone und der Kanton Zürich im Gegensatz zu ande-
Dieser Überblick über die Geschichte der schweizerischen
ren Kantonen wie Solothurn ihre Gesetzgebung bezüglich
Gesundheitspolitiken lässt den Schluss zu, dass die aktu-
der Patientenrechte ausgebaut haben, weist auf die Be-
elle Gesundheitsgesetzgebung auf alten Grundlagen be-
deutung des Themas hin und sollte verhindern, dass diese
ruht, die ständig aktualisiert wurden und werden, ohne
Rechte in der Bundesgesetzgebung aufgehen. Aufgrund
dass dabei wesentliche Prinzipien geändert wurden. Wie
ihrer Kohärenz und ihres Umfangs stellen die kantonalen
bereits im 19. Jahrhundert dreht sich die politische Dis-
Patientenrechtsgesetze ein interessantes und originelles
kussion im Wesentlichen um die kurative Medizin und
Modell dar. Sie tragen auch zur Rechtssicherheit in einem
um den Schutz vor Gesundheitsrisiken im traditionellen
sich stark entwickelnden Gebiet bei.
Verständnis. Berücksichtigt man allerdings die im Bun-
Auf eidgenössischer Ebene bilden die im 19. Jahrhundert
desparlament behandelten Fragen oder die Stellungnah-
eingeführten Massnahmen auf dem Gebiet des Gesund-
men der wichtigsten Akteure des Gesundheitssystems, so
heitsschutzes auch heute noch eine der Hauptaktivitäten
stellt man fest, dass Fragen des Public Health an Bedeu-
des Bundes. Das Bundesamt für Gesundheit erhielt und
tung verloren haben im Vergleich zu den Problemen des
erhält regelmässig neue gesetzliche Mandate in die-
Gesundheitsmanagements, zur Finanzierung der medizi-
sem Bereich, so zum Beispiel das Strahlenschutzgesetz
nischen Versorgung und Pflege und zur Reglementierung
(1991), das Bundesgesetz über Arzneimittel und Medi-
neuer Technologien. Die berechtigten Anstrengungen zur
zinalprodukte (Heilmittelgesetz, 2000), die Verordnung
Kontrolle der Gesundheitskosten verdrängen die dringend
zur Prävention der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (2002),
notwendige öffentliche Diskussion über Gesundheitsziele
Massnahmen zur Bekämpfung des Bioterrorismus (2002),
für die ganze Bevölkerung, über Patientenrechte oder
die Verordnung zur Verhinderung der Einschleppung von
über gesundheitliche Chancengleichheit.
Teil
III
Perspektiven
Referenz etablieren. Die Tatsache, dass die Westschweizer
neu auftretenden Infektionskrankheiten (SARS, Vogelgrippe, 2003–2005). Alte oder überholungsbedürftige Gesetze werden revidiert: Das Giftgesetz aus dem Jahr 1969
(neues Chemikaliengesetz) oder das Gesetz über Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände von 1992.
2.2 Föderalismus und Subsidiaritäts­
prinzip
Eine weitere aktuelle Tendenz besteht in der Zentrali­
Das zweite Merkmal des schweizerischen Gesundheits-
sierung der Zuständigkeiten beim Bund, insbesondere in
systems ist seine föderalistische Organisation. Seit der
Bereichen, die den medizinischen Fortschritt betreffen.
Gründung der Eidgenossenschaft im Jahr 1848 bestimmt
Im Zusammenhang mit seinem Auftrag zum Schutz der
der Föderalismus durch die Aufgaben- und Kompe-
Gesundheit wird sich der Bund immer stärker bewusst,
tenzaufteilung zwischen Bund, Kantonen und Gemeinden
dass die mittlerweile so dominant gewordene Medizin
die Konstruktion des Gesundheitssystems. Im Bereich der
nicht mehr nur zur Wiederherstellung der Gesundheit bei-
Gesundheit weist die 1999 revidierte Bundesverfassung
trägt, sondern nun – meistens im Namen des Fortschritts –
wie jene von 1848 dem Bund eine subsidiäre Rolle zu. Die
in bisher unantastbar gebliebene Bereiche des mensch-
allgemeine Zuständigkeit im Bereich der öffentlichen Ge-
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 2
29
Referenzrahmen
Teil
I
Zusammenarbeit
Teil
II
Perspektiven
Teil
III
sundheit liegt bei den Kantonen. In Artikel 3 hält die Ver-
Man kann somit nicht von einem einzigen Gesundheits­
fassung fest: «Die Kantone sind souverän, soweit ihre Sou-
system für die ganze Schweiz sprechen und schon gar
veränität nicht durch die Bundesverfassung beschränkt
nicht von einer einzigen Gesundheitspolitik.
ist; sie üben alle Rechte aus, die nicht dem Bund über-
Die letzten Jahrzehnte zeichneten sich durch eine zu-
tragen sind.» Gemäss diesem Artikel ist die öffentliche
nehmende Zentralisierung der Kompetenzen im Gesund-
Gesundheit hauptsächlich Sache der Kantone, die auch
heitsbereich aus. Dadurch wurde der Föderalismus im
Gesetze erlassen können, sofern sie dies als notwendig er-
Bereich Gesundheit als solcher zur Diskussion gestellt
achten. Artikel 43 der Bundesverfassung hält zudem fest,
und die Frage nach der neuen Rolle von Kantonen und
dass die «Kantone bestimmen, welche Aufgaben sie im
Gemeinden aufgeworfen, nach ihrem Grad an Finanz- und
Rahmen ihrer Zuständigkeiten erfüllen». Laut Artikel 42
Entscheidungsautonomie und der Art und Weise, wie der
der Bundesverfassung erfüllt der Bund «die Aufgaben, die
Bund diese beiden staatspolitischen Ebenen in die Ent-
ihm die Bundesverfassung zuweist». Aber auch wenn die
scheidfindung einzubeziehen habe.
Bundesverfassung für den Bund im Bereich der Gesund-
Der Einfluss des Föderalismus auf die politischen Ent-
heit eine subsidiäre Rolle vorsieht, so nimmt er trotzdem,
scheidungsprozesse hat sich erst kürzlich im Rahmen der
wie die Gemeinden auch, eine ganze Reihe wichtiger Auf-
Revision des Krankenversicherungsgesetzes (KVG) in al-
gaben wahr.
ler Deutlichkeit wieder bestätigt: Bei der Diskussion über
Die Gesundheitslandschaft in der Schweiz wird heute also
die Finanzierung der Langzeitpflege fordern die Kantone
von 26 kantonalen Gesundheitspolitiken sowie von einer
vom Bund, als gleichwertige Partner angehört und in den
sich parallel dazu entwickelnden Bundespolitik geprägt.
Entscheidungsprozess eingebunden zu werden.
Der schweizerische Föderalismus
1848, im Kontext des Vormärz und der nationalen Aussöhnung, gelingt in der Schweiz die Revolution. Eine Kommission mit Vertretern des Freisinns, der Liberalen und der besiegten Kantone erarbeitet die Verfassung vom 12. September 1848. Diese verbindet den Grundsatz der nationalen Aussöhnung mit kantonaler Autonomie. Die Bundesregierung ist zuständig für Verteidigung, Aussenpolitik und für einige weitere Bereiche von nationaler Bedeutung wie
die Bekämpfung von übertragbaren Krankheiten.
Zusammen mit dem Instrument der direkten Demokratie stellt der Föderalismus einen der wichtigsten Pfeiler der
schweizerischen Verfassungsordnung dar. Er lässt sich als eine spezielle Form der staatlichen Dezentralisierung beschreiben, mit der auf Bundesebene die Integration von unabhängigen und ethnisch, kulturell und wirtschaftlich
heterogenen Regionen vorgenommen und der Staat in Bürgernähe rückt. Philosophisch gesehen beruht der Föderalismus auf einer gemeinschaftlichen Vorstellung von Demokratie (direkte Demokratie) und auf dem Grundsatz
der Subsidiarität. Dieses Prinzip räumt kleinen Einheiten eine hohe Autonomie ein und basiert auf dezentralisierten
Entscheidungsebenen bei Gemeinden und Kantonen. Dem Bund kommt in diesem System nur eine subsidiäre Rolle
zu. Heute definiert sich Föderalismus anders: Das neue Verständnis geht davon aus, dass die demokratischen Grundsätze des Staates gewährleistet sind, legt die Machtteilung zwischen den staatlichen Stellen fest und schützt die
Minderheiten, indem es ihnen die grösstmögliche territoriale Unabhängigkeit einräumt.22Der in ständiger Wandlung
begriffene schweizerische Föderalismus sieht sich heute mit neuen Herausforderungen konfrontiert, sei es der neue
Finanzausgleich, die europäische Integration oder die Rolle von wachsenden Städten und Agglomerationen.
Der Bund hat mehrere Reformen lanciert, um mit diesen neuen Entwicklungen Schritt zu halten. Die Revision der
Bundesverfassung von 1999 legte den Schwerpunkt auf einen Föderalismus, der Partizipation und Zusammenarbeit
fördert. Die Schaffung von Dialoggefässen zwischen Bund und Kantonen beweist, dass die Zusammenarbeit zwischen
den verschiedenen staatspolitischen Ebenen mittlerweile ebenso wichtig ist wie eine klare Abgrenzung der Zuständigkeiten.
22 Handbuch der Schweizer Politik, Artikel zum Föderalismus, Adrian VATTER, S. 78–79, NZZ-Verlag 1999, hg. von Ulrich KLÖTI et al.
30
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 2
1848–1990: Klare Aufteilung der Zuständigkeiten
zwischen Bund und Kantonen
Das Reglement des Freiburger Gesundheitsrates galt bis
Im Laufe des 19. Jahrhunderts entwickelte sich die Schweiz
die Freizügigkeit des Medizinalpersonals in der Schweize-
vom Staatenbund zum Bundesstaat. Nach dem kurzen In-
rischen Eidgenossenschaft. Auch die Kostenkontrolle war
termezzo der helvetischen Republik (1798–1803), das den
schon damals gang und gäbe. So schrieb eine Bedürfnis-
Untergang des Ancien Régime besiegelte, wurde mit der
klausel vor, die Anzahl der Apotheken müsse proportional
Mediation, die den föderalistischen Aufbau der schweize-
zur Bevölkerung sein und dürfe nicht ohne absolute Not-
rischen Eidgenossenschaft anerkannte, eine neue Seite
wendigkeit erhöht werden. Das Freiburger Reglement von
der Schweizer Geschichte aufgeschlagen. Während die
1804 sah zudem vor, dass «kein Arzt oder Chirurg ohne
Geschichte der Gesundheitsgesetzgebung auf Bundesebe-
Notwendigkeit teure Arzneimittel verschreiben darf». Die
ne weitgehend bekannt ist, ist diejenige des kantonalen
Arzneimittelpreise durften von den Apothekern nicht frei
Gesundheitsrechts bisher noch nicht geschrieben worden.
festgelegt werden, sondern wurden vom Gesundheitsrat
Es gibt praktisch keine wissenschaftlichen Publikationen,
bestimmt. Noch in den Kinderschuhen steckte jedoch die
anhand deren die Entwicklung der Gesundheitspolitik in
Gewährleistung des Zugangs zu medizinischer Pflege für
den Kantonen nachgezeichnet werden könnte. Auf der
alle. Es wurde allerdings festgelegt, dass «(…) Personen,
Grundlage der Arbeiten von Dominique Sprumont, stell-
deren Bedürftigkeit durch die lokale Behörde bezeugt ist,
vertretender Direktor des «Institut de droit de la santé»
Anrecht auf kostenlose Behandlung haben». Diese Anord-
der Universität von Neuenburg, soll hier trotzdem ein kur-
nung ergänzte die Verpflichtung der Gemeinden zur Un-
zer Abriss versucht werden.
terstützung von Mittellosen.
Nach der Gründung des Bundesstaates gaben sich die
Wie dieser kurze historische Abriss des Kantons Freiburg
Kantone neue Verfassungen und die kantonalen Gesetz-
zeigt, verfolgen die Kantone seit dem 19. Jahrhundert bei
zum Inkrafttreten des Bundesgesetzes von 1877 betreffend
Zusammenarbeit
Teil
II
Teil
III
Perspektiven
23
Referenzrahmen
Teil
I
gebungen wurden modernisiert. Die Zuständigkeit für die
Gesundheitspolizei lag im Allgemeinen bei den Kantonen
und den Gemeinden. So erliess der Kleine Rat des Kantons
Freiburg 1804 beispielsweise ein erstes gesundheitspolizeiliches Reglement, das die Verantwortung des Staates
Tabelle 2: Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen Bund
und Kantonen zu Beginn des 20. Jahrhunderts
Kantonale
Zuständigkeit
■ Gesundheitsgesetzgebung
■ Gesundheitspolizei
■ Spitalplanung und Planung der Pflege-
(Kantons) in diesem Bereich festlegte. Ein Jahr zuvor hat-
einrichtungen
te er einen Allgemeinen Gesundheitsrat eingesetzt.24 Das
■ Präventionsmassnahmen gegen einige
Reglement dieses Rates enthielt 66 Artikel zur Gesundheit
nicht übertragbare Krankheiten (mit
Ausnahme der Tuberkulose)
des Menschen (Reglementierung der Ausübung der Medizinalberufe [Ärzte, Apotheker und Hebammen] und des
Verkaufs von Giften zum Schutz der Patienten vor möglichen Scharlatanen) sowie 82 Artikel zur Gesundheit des
Viehs als wirtschaftlicher Ressource. Die Gesetzgebung
Bundes­
zuständigkeit
(chronologische
Reihenfolge)
■ Bundesgesetz betreffend die Arbeit in
■
jener Zeit verbot den Verkauf von Medikamenten durch
Ärzte; Arzneimittel und Gifte durften nur von öffentlichen
Apotheken angeboten werden. Die Ärzte hingegen ver-
■
fügten über die alleinige Kompetenz, Arzneimittel zu verschreiben. Weiter gab es Vorschriften zur Erteilung von
Praxisbewilligungen. Wie heute war das entscheidende
Element zur Berufsausübung die absolvierte Ausbildung.
23 «La législation sanitaire fribourgeoise: une législation en mouvement»,
Dominique SPRUMONT, Assistenzprofessor an den Rechtsfakultäten
der Universitäten Freiburg und Neuenburg. Revue fribourgeoise de
jurisprudence, Spezialnummer «RFJ 10 ans», Le droit en mouvement,
Freiburg 2002.
24 Dieser ehemalige Rat ist heute die Aufsichtskommission für die Gesundheitsberufe und Patientinnen- und Patientenrechte.
■
■
den Fabriken (1877) – Gesundheitsschutz für Arbeitnehmende
Bundesgesetz betreffend die Freizügigkeit des Medizinalpersonals in der
Schweizerischen Eidgenossenschaft
(1877) – Schutz vor Scharlatanerie
Bundesgesetz vom 18. Dezember 1970
über die Bekämpfung übertragbarer
Krankheiten beim Menschen (Epidemien­
gesetz) (1886) – Schutz vor übertragbaren Krankheiten
Bundesgesetz über Lebensmittel
(1905) – Konsumentenschutz
Bundesgesetz über die Krankenversicherung (1911) – Zugang zu Pflege für einen
Grossteil der Bevölkerung und Schaffung
einer öffentlichen Unfallversicherung für
Industriearbeiter (SUVA)
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 2
31
Referenzrahmen
Teil
I
Zusammenarbeit
Teil
II
der Regelung der medizinischen Berufe und der Gesund-
ter oben erwähnten interkantonalen Tagung in Lausanne
heitsinstitutionen zwei Ziele: den Schutz der Bevölkerung
diese Aufgabenteilung – Gesundheitsschutz als Aufgabe
vor Scharlatanen und Giftverkäufern und den Zugang zu
des Bundes, Verwaltung der Institutionen der kurativen
Leistungen im Fall von Krankheit oder Unfall, insbeson-
Medizin als kantonale Aufgabe – für einleuchtend: «Diese
dere für die Armen. Ab 1848 erhielt die Eidgenossen-
klare Trennung der Zuständigkeiten zwischen Bund und
schaft mit der Annahme der neuen Bundesverfassung die
Kantonen wird auch in Zukunft bestehen. Es ist nicht vor-
Hauptzuständigkeit bei der Bekämpfung von gefährlichen
stellbar, dass ein Bundesgesetz eines Tages die Autonomie
Epidemien und bei der Überwachung der medizinischen
der Kantone im Bereich der kurativen Medizin antasten
Berufe. Um die auftretenden Gesundheitsprobleme auf
wird.»25
nationaler Ebene anzugehen, begann die Eidgenossen-
Das mit dem Auftreten von HIV/Aids zu Beginn der
schaft ebenfalls Gesetze zu erlassen: Die Verhütung von
1980er-Jahre und mit der Zunahme der Drogenproble-
Epidemien, der Gesundheitsschutz von Industriearbeitern
matik (1986) aufkommende verstärkte Engagement des
oder die Freizügigkeit von Ärzten wurden sowohl durch
Bundesgesetze als auch durch kantonale Vollzugsgesetze
Teil
III
geregelt.
Tabelle 3: Logik der Aufgabenteilung zwischen Bund, Kantonen
und ­Gemeinden auf der Basis des bestehenden Rechts
Auch wenn die Zuständigkeiten des Bundes im Laufe der
Der Bund
ist für eine Reihe verschiedener spezifischer
Aufgaben verantwortlich. Er befasst sich
mit der Prävention und dem Kampf gegen
übertragbare Krankheiten sowie dem Schutz
der Bevölkerung vor Gesundheitsrisiken wie
Betäubungsmitteln, Chemikalien, Strahlen,
Lebensmitteln, Medikamenten, der Fortpflanzung und der Gentechnologie usw. Er setzt
sich für den Schutz der natürlichen Umwelt
ein.
Er ist ferner verantwortlich für die Sozialversicherungen und damit für das Krankenversicherungsgesetz (KVG), für die Forschung,
die Regelung der Gesundheitsberufe und die
Anerkennung von Diplomen.26
Die Kantone
sind allgemein zuständig für die Gesundheitspolitik. Sie haben den Auftrag, im Bereich
der Gesundheitsförderung und Krankheitsprä­
vention Massnahmen zu ergreifen sowie die
medizinische Versorgung, Pflege und Rehabilitation sicherzustellen (siehe hierzu auch
Band 2: «Kantonale Gesundheitspolitiken,
9 Porträts»).
Die Gemeinden
haben eine ergänzende Funktion und stellen
gemeindenahe Versorgungs- und Präventions­
einrichtungen zur Verfügung (Bezirksspitäler,
Pflegeheime, Seniorenheime, spitalexterne
Pflege, schulärztlicher Dienst, weitere Präventions- und Gesundheitsförderungsmassnahmen).
Zeit ausgebaut wurden und immer mehr Bereiche des Gesundheitsschutzes betrafen (Strahlenschutz, Kontrolle
Perspektiven
von Giften und Lebensmitteln, Kontrolle von Betäubungsmitteln), behielt man die Aufgabenteilung zwischen Bund
und Kantonen lange bei. Beat Roos, ehemaliger Direktor
des Bundesamtes für Gesundheit, hielt 1987 an der wei-
Regelung der Gesundheit in den Kantonen zu
Beginn des 21. Jahrhunderts
24 von 26 Kantonen verfügen über ein Gesundheitsgesetz, mit dem zentrale Aspekte der menschlichen
Gesundheit – von der Geburt bis zum Tode – geregelt
werden. Ein kantonales Gesundheitsgesetz umfasst in
der Regel:
■
die Krankheitsprävention und die Gesundheitsförderung
■
die Auflistung der kantonalen Gesundheitsbehörden
■
die Regelung der Zulassung medizinischer Berufe
■
die Regelung des Betriebs von Kranken- und Pflege-
■
die Abgabe von Heilmitteln
■
die Patientenrechte
■
gesundheitspolizeiliche Massnahmen
(Hygiene, Impfungen)
■
das Bestattungswesen
und Hilfsberufe
heimen
Neben den Gesundheitsgesetzen haben sich einige
kantonale Regierungen Leitbilder für Bereiche wie das
Alter oder psychische Gesundheit gegeben.
32
25 Beat ROOS: Die Zukunft der kantonalen Gesundheitspolitik, S. 48. Tagung vom 17. August 1987 zur Gesundheit der Schweizer Bevölkerung
im Jahr 2000. Für eine Neuausrichtung der kantonalen Gesundheitspolitik. Institut suisse de la santé publique et des hôpitaux, Cahiers
d’étude de l’ISH, Bd. 39, 1988.
26 Siehe für eine detaillierte Auflistung der Bundeskompetenzen Band 2
dieses Berichts: Gesundheitspolitik des Bundes.
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 2
Bundes in der Krankheitsprävention, die Arbeiten im Zu-
tonen und den Krankenversicherern und unter Aufsicht
sammenhang mit der Revision der Krankenversicherung
des Bundesrats für den Bereich der Gesundheitsförderung
(seit 1990), das 1996 in Kraft getretene neue Krankenver-
und der Prävention Massnahmen und eine eigentliche Po-
sicherungsgesetz sowie die Arbeiten der WHO in Richtung
litik zu entwickeln und zu koordinieren.
Referenzrahmen
Teil
I
Teil
II
Kompetenzaufteilung zwischen Bund und Kantonen im
Redimensionierung des Pflegesystems und
­Wirksamkeitsforderung
Gesundheitsbereich beginnt sich entscheidend zu verän-
Mit dem Inkrafttreten des Krankenversicherungsgesetzes
dern.
im Jahre 1996 erhält der Bund bereits kurze Zeit später
jedoch schon bald relativieren. Die mehr als 100 Jahre alte
Zusammenarbeit
eines neuen Public-Health-Begriffs sollten diese Aussage
die Kompetenz, als zweite Instanz in die Planung und Ver-
1990–2005: Von einer verflochtenen
­Aufgabenteilung zur Anerkennung einer geteilten
Zuständigkeit
waltung des stationären und ambulanten Gesundheitssys­
tems einzugreifen – eine Kompetenz, die bis zu diesem
Zeitpunkt den Kantonen vorbehalten war. Die in der
Folge vom Bund lancierten Schritte im Rahmen der drei
Erweiterung des Konzepts von öffentlicher
­Gesundheit zu New Public Health
ersten Revisionen des KVG führen zu einer weiteren Ver-
Anlässlich der bereits erwähnten interkantonalen Tagung
Regelungsdichte im Versorgungsbereich. Heute stellt
in Lausanne 1987 formulieren die Teilnehmenden mit
man im Rahmen der vierten KVG-Revision fest, dass bei
Nachdruck folgende Absicht: Die kantonalen Gesund-
Aufgabenteilung, Verantwortlichkeiten und Finanzierung
heitspolitiken und die Gesundheitspolitik des Bundes
des Gesundheitssystems Verwirrung herrscht, und zwar
sollen sich stärker auf die Verbesserung der Gesundheit
sowohl zwischen Gemeinden, Kantonen und Bund, aber
der Bevölkerung ausrichten und nicht primär das Angebot
auch zwischen dem öffentlichen und privaten Sektor, wozu
an medizinischen Versorgungsstrukturen weiter ausbau-
die Krankenversicherer gehören. Unbemerkt hat also die
en (New-Public-Health-Ansatz). Diese Idee, 1984 durch
Einführung des KVG zu einer Unterwanderung der kanto-
die Strategie «Gesundheit für alle» der WHO lanciert und
nalen Autonomie in der Gesundheitsplanung geführt.
Teil
III
Perspektiven
flechtung der Kompetenzen und zu einer zunehmenden
1986 von der Ottawa-Charta zur Gesundheitsförderung
und vom Bundesamt für Gesundheit aktiv aufgenommen.
Kompetenzverflechtung oder geteilte
­Kompetenzen?
Sie beendet die strikte Aufteilung der Gesundheitsaufga-
Diese beiden parallelen Entwicklungen – Verflechtung
ben zwischen Bund und Kantonen, da der Bund seit Ende
der Zuständigkeiten im Bereich der Prävention und im
der 1980er-Jahre auf einem Terrain aktiv wird, das vor-
Pflegebereich – haben, wenn nicht schlechthin zu einer
mals den Kantonen vorbehalten war.
Verlagerung der Zuständigkeiten auf den Bund, so doch
Je umfassender der Gesundheitsbegriff verstanden wird,
mindestens zu einer subtilen und verwirrenden Aufteilung
desto dichter werden die Kompetenzverflechtungen zwi-
der Entscheidungskompetenzen zwischen Bund und Kan-
schen den beiden Ebenen. In der Folge entwickeln Bund
tonen sowie zwischen öffentlichen und privaten Akteuren
und Kantone eigenständig zumeist parallele, manchmal
geführt. Diese Unklarheit belastet heute in hohem Aus-
auch sich ergänzende gesundheitspolitische Strategien
mass die gesamte Debatte rund um die KVG-Revision.
und Massnahmen im Bereich Gesundheitsförderung und
Zu dieser Feststellung gesellt sich eine zweite, die auf po-
Prävention. Als Konsequenz haben sich die Strategien der
litischer Ebene noch zu wenig wahrgenommen wird und
öffentlichen Gesundheit seit Ende der 1980er-Jahre ver-
die vom Gesundheitsökonomen Gerhard Kocher wie folgt
vielfacht. Sie bilden auf nationaler Ebene ein uneinheit-
formuliert wird: «Der Bund hat in den letzten 20 Jahren
liches Gebilde mit zahllosen unkoordinierten Überlage-
seinen Zuständigkeitsbereich auf Kosten der Kantone
rungen und Überschneidungen. Der vorläufige Höhepunkt
kontinuierlich ausgebaut. Die Behauptung, die Kantone
dieses Prozesses impliziter Verflechtungen auf Bundes­
seien alleine verantwortlich für die Gesundheitspolitik,
ebene wird 1994 mit Artikel 19 des neuen KVG erreicht,
stimmt so nicht mehr. Die Mehrzahl der Aufgaben wird
der einer eidgenössischen Stiftung – der Gesundheitsför-
heute in geteilter Verantwortung von Bund und Kanto-
derung Schweiz – die Aufgabe erteilt, gemeinsam mit Kan-
nen wahrgenommen; sie sind in einem eigentlichen Sinne
der WHO weiter unterstützt, wird von einigen Kantonen
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 2
33
Referenzrahmen
Teil
I
Teil
II
miteinander verknüpft. Die auf Bundesebene getroffenen
System der privaten Krankenpflegeversicherung aufge-
Entscheidungen werden durch Kantone und Gemeinden
teilt. Die Gesundheitspolitik in der Schweiz ist ein geteil-
umgesetzt und führen oft auch zu einem Engagement
ter Zuständigkeitsbereich.»27
privater Akteure (Spitäler, Pflegeheime, Ärzteschaft, Präventionsorganisationen etc.). Auch die Finanzierung des
Zusammenarbeit
Systems ist zwischen den staatlichen Beiträgen und dem
27 Siehe hierzu: Gerhard KOCHER, Willy OGGIER (Hg.): Gesundheitswesen Schweiz 2004–2006, Eine aktuelle Übersicht, Verlag Hans Huber,
Bern, 2004.
Tabelle 4: Kompetenzen- und Aufgabenverteilung zwischen Bund und Kantonen im Sektor Gesundheit
Die Tabelle wurde von Gerhard Kocher und Willy Oggier zusammengestellt.28 Sie klassifiziert die Kompetenzen des Bundes und der
Kantone für das Handlungsfeld Gesundheit. Während die kantonalen Kompetenzen in 9 Gruppen zusammengefasst werden können,
benötigen die Kompetenzen des Bundes dafür 24 Gruppen.
Kompetenzen und Aufgaben der Kantone (Auswahl)
Teil
III
1. Umsetzung von Bundesrecht
Perspektiven
2. Aufsicht
■ Berufszulassung und Berufsbildung
■ Gesundheitspolizei
■ Spitäler, psychiatrische Kliniken u. a.
3. Gesundheitsversorgung
■ Sicherstellungsauftrag
■ Kantonale Krankenhäuser und Pflegeheime
■ Spitex
■ Sozialpsychiatrische Dienste
■ Schulärztlicher Dienst
■ Notfall-, Rettungs-, Katastrophen- und Transportdienste
■ Koordinierter Sanitätsdienst in Zusammenarbeit mit
Bund, Gemeinden und privaten Organisationen
4. Bildung
■ Kantone als Träger der Berufsschulen, höheren Fachschulen, Fachhochschulen und Universitäten (Studiengänge
im Gesundheitsbereich)
■ Umsetzung von Bundesbestimmungen betreffend die
universitären und nicht-universitären Gesundheitsberufe
5. Gesundheitsschutz (Umsetzung von Bundesrecht)
Lebensmittel- und Giftkontrolle, Störfallvorsorge, Strahlenschutz, biologische Sicherheit, Umweltschutz, Arbeitssicherheit, Verhütung von Berufsunfällen und Berufskrankheiten
6. Prävention und Gesundheitsförderung (kantonales Recht)
Programme und Projekte auf zahlreichen Gebieten für unterschiedliche Zielgruppen
7. Finanzierung
■ Finanzierung und Subventionierung verschiedener Einrichtungen im Sektor Gesundheit (zum Beispiel kantonale
Spitäler)
■ Verbilligung der Krankenkassenbeiträge für wirtschaftlich
schwächere Versicherte
■ Sozialhilfe
8. Genehmigung von Verträgen und Tarifen, Erlass von Tarifen
bei vertragslosem Zustand
9. Verschiedenes (Beispiele)
■ Patientenrechte, mit Bund
■ Datenschutz, mit Bund
■ Sozialziele (Art. 41 BV), mit Bund
■ Gesundheitsobservatorium, mit Bund
■ Stiftung «Gesundheitsförderung Schweiz», mit Bund und
Krankenversicherern
■ Information der Bevölkerung, Empowerment
■ Forschung, Statistik (u. a. kantonale Gesundheitsberichte)
28 Gerhard KOCHER, Willy OGGIER, (Hg.): Gesundheitswesen Schweiz 2004–2006, Eine aktuelle Übersicht, Verlag Hans Huber, Bern, 2004.
34
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 2
Diese tief gehenden Änderungen in der Logik der Aufga-
Stellung inne. Es ist zum wichtigsten Gesetz des schwei-
benteilung zwischen Bund und Kantonen haben de facto
zerischen Gesundheitssystems geworden. Es regelt di-
stattgefunden, ohne dass sie de jure in der 1999 revidier­
rekt oder indirekt unzählige Bereiche, die weit über die
ten Bundesverfassung aufgenommen worden wären. Aus
Krankenversicherung hinausgehen. So gesehen bekleidet
dieser Situation heraus ergeben sich grosse Mängel bezüg-
das KVG den Rang eines schweizerischen Gesundheitsge-
lich der Steuerungsfähigkeit des schweizerischen Gesund-
setzes.
heitswesens, Mängel, die behoben werden müssen.
Teil
II
Zusammenarbeit
Das Krankenversicherungsgesetz hat hier eine besondere
Referenzrahmen
Teil
I
Kompetenzen und Aufgaben des Bundes (Auswahl)
1. Sozialversicherungen
■ Krankenversicherung
■ Unfallversicherung
■ Mutterschaftsversicherung
■ Invalidenversicherung
■ Militärversicherung
13. Sport
3. Überwachung der Heilmittel (Medikamente) und
Medizinprodukte
Teilbereiche: Definitionen, Herstellung, Prüfung, Lagerung,
Abgabe, Verwendung
4. Impfstoffe und Seren; Blut, Blutprodukte, Transplantate
5. Fortpflanzungsmedizin und Gentechnologie
6. Transplantation von Organen, Geweben und Zellen,
Biomedizin und Ethik
7. Patientenrechte, Persönlichkeitsschutz, Datenschutz, Haftung
(teilweise)
8. Schutz der Gesundheit, Prävention
■ Lebensmittel
■ Gebrauchsgegenstände
■ Betäubungsmittel, Organismen, Chemikalien, Giftstoffe u. a.
■ Bekämpfung übertragbarer, stark verbreiteter oder bösartiger Krankheiten (u. a. Bekämpfung von Aids, SARS)
■ Strahlenschutz
■ Forschung am Menschen
9. Prävention und Gesundheitsförderung
■ Suchtbekämpfung (z. B. Tabak, Alkohol)
■ Migration und Gesundheit; Gender Health; Gesundheit
und Umwelt, psychische Gesundheit
■ Aufsicht über die Stiftung «Gesundheitsförderung Schweiz»
(gemeinsam mit Kantonen und Krankenversicherern)
10. Alkoholgesetzgebung: Herstellung, Einfuhr, Reinigung und
Verkauf
Perspektiven
14. Statistik; Träger des Schweizerischen Gesundheitsobser
vatoriums (zusammen mit den Kantonen)
2. Aufsicht über Privatversicherungen (Zusatzversicherungen
zum Beispiel bei Krankheit, Unfall, Invalidität, Tod)
11. Verbrauchssteuern auf Alkohol und Tabak (Art. 131 BV)
Teil
III
12. Arbeitssicherheit sowie die Verhütung von Unfällen und
Berufskrankheiten
15. Bildung und Gesundheitsberufe
■ Regelung der Aus- und Weiterbildung aller nicht-universitären Gesundheitsberufe
■ Organisation der Prüfungen in den universitären
Medizinal­fächern (Humanmedizin, Zahnmedizin, Veterinärmedizin, Pharmazie); Diplomanerkennung; Bearbeitung von Rekursen
■ Anerkennung von Diplomen nichtuniversitärer Gesundheitsberufe
■ Träger der Eidgenössischen Technischen Hochschulen
(u. a. Pharmaziestudium)
16. Forschungsförderung
17. Tierschutz, Tierversuche
18. Umweltschutz
19. Koordinierter Sanitätsdienst
(mit Kantonen, Gemeinden und privaten Organisationen)
20. Zivilschutz
21. Konsumentenschutz, Preisüberwacher
(Medikamentenpreise)
22. Wettbewerbspolitik
23. Internationales
■ Internationale Beziehungen (WHO, OECD, UNO)
■ Entwicklungszusammenarbeit
■ Gesundheitsaussenpolitik
24. Rechtsprechung
■ Bundesgericht (inkl. Eidgenössisches Versicherungsgericht)
■ Entscheide Bundesrat (u. a. Spitalplanung, Tarifverträge), Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement,
Eidgenössisches Departement des Innern, Bundesamt
für Sozialversicherung, Bundesamt für Gesundheit
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 2
35
Referenzrahmen
Teil
I
Zusammenarbeit
Teil
II
Tabelle 5: Geteilte Finanzierung des Gesundheitssystems durch
die öffentliche Hand (2001)
Aktivitäten auf den verschiedenen Staatsebenen und in
Aufwand in Millionen
CHF
ren, um der schweizerischen Gesundheitspolitik eine grös-
Total Gesundheitskosten
46 129,5
Öffentlicher Aufwand1)
10 473,9
% der
öffentlichen
Ausgaben
100,0 %
Ausgaben Bund  1 984  18,9 %
Ausgaben Kantone  7 054,5  67,4 %
Ausgaben Gemeinden  1 435,4  13,7 %
1)
Die öffentlichen Ausgaben setzen sich zusammen aus Subventionen
der Leistungserbringer, Verwaltungsaufwand, Gesundheitsprävention
sowie Prämienverbilligungsbeiträgen für Haushalte. Ausbildungskosten
im Gesundheitswesen sind nicht eingeschlossen.
Quelle: Bundesamt für Statistik, Kosten Gesundheitswesen 2001, Finanzierung unter dem Gesichtspunkt der sozialen Sicherheit (Tabelle 14)
Teil
III
den verschiedenen Disziplinen seien besser zu koordiniesere Kohärenz zu verleihen. Zudem wurde vorgeschlagen,
die Epidemiologie und die Gesundheitsökonomie bei den
politischen Entscheidungen stärker zu berücksichtigen.
Um der schweizerischen Gesundheitspolitik diesen neuen
Anstoss zu verleihen, wurde die Idee einer neuen Koordinationsstruktur laut, mit der Kantone und Bund gemeinsam an der Erreichung nationaler, gemeinsam definierter
Gesundheitsziele und an gesundheitspolitischen Themen
würden arbeiten können.
An dieser Stelle sei auf die Rolle der Kantone der Romandie sowie der beiden Kantone Bern und Tessin hingewiesen, die als treibende Kraft hinter der Idee einer
koordinierten Gesundheitspolitik auf nationaler Ebene
Perspektiven
standen und immer noch stehen. Ebenfalls zu erwähnen
Gesundheitsausgaben Bund, Kantone und
­Gemeinden
ist, dass der Vorstoss der Kantone auf ein positives Echo
Die drei staatlichen Ebenen teilen sich im Gesundheits-
Schweizerischen Konferenz der kantonalen Gesundheits-
wesen nicht nur die Kompetenzen, sondern auch den
direktorinnen und -direktoren (GDK) gestossen ist. Die
staatlichen Anteil an der Finanzierung. Es gibt keine ver-
interkantonale Tagung vom 17. August 1987 in Lausanne
lässlichen Statistiken betreffend die Finanzierung des Ge-
stellte eine für diese Entwicklung typische Veranstaltung
sundheitssystems durch die öffentliche Hand. Es wurden
dar. Sie ergab folgende Resultate:
jedoch gewisse Schätzungen mit Hilfe von Datensätzen
■
seitens des Bundesamts für Gesundheit (BAG) und der
Die Teilnehmenden werteten das Treffen als Beginn ge-
des Bundesamts für Statistik vorgenommen.
meinsamer Überlegungen über Sinn und Ziel einer Ge-
Gemäss den Schätzungen der Pharmaindustrie («Das Ge-
sundheitspolitik für die Schweiz: «(…) Prävention und
sundheitswesen in der Schweiz», Pharma Information,
Gesundheitsförderung müssen für jeden Kanton oder
Basel, 2003) betrugen im Jahr 2001 die Gesamtausgaben
jede Region des Landes individuell zugeschnitten wer-
der öffentlichen Hand für das Gesundheitswesen (ein-
den. (…) Es gibt jedoch Grundelemente, die für alle
schliesslich Krankenversicherung) CHF 199 906 Mio. auf-
Kantone zutreffen. Und das Projekt der Kantone Bern,
geteilt wie folgt: Bund 10,8 % (CHF 2146 Mio.), Kantone
Waadt und Tessin zur Untersuchung der Gesundheits-
57,8 % (CHF 14 059 Mio.), Gemeinden 31,4 % (8169 Mio.
indikatoren ist Teil dieser Perspektive. Wir erhalten die
CHF) .
einmalige Gelegenheit, Gesundheitspolitik zu koordi-
Die Schätzungen der Pharmaindustrie weichen von den-
nieren und dabei gleichzeitig die Vorteile des Födera-
jenigen des Bundesamt für Gesundheit (BAG) ab, welche
lismus voll auszuschöpfen.»29 Diese Voten zeigen, dass
das BAG mit dem Bundesamt für Statistik (BFS) vorge-
die Kompetenzen des Bundes und der Kantone immer
nommen hat (siehe Tabelle 5). Es wäre wünschenswert,
wieder von Neuem zur Diskussion stehen. Das aktuelle
wenn das BFS seine Statistik über die Kosten des Ge-
Beispiel betrifft die im Jahr 2005 vom Bundesrat lan-
sundheitssystems so präzisieren könnte, dass der Anteil
cierte Diskussion über eine mögliche Neuregelung der
der Kosten der verschiedenen staatlichen Akteure klarer
Prävention und Gesundheitsförderung.
ersichtlich ist.
■
Die Teilnehmenden einigten sich auf die Schaffung
eines gemeinsamen Instruments in der Form einer in-
Kooperativer Föderalismus
terkantonalen Untersuchung zu den Gesundheitsindi-
Einige Gesundheitsexperten hatten die Gefahr dieses Ver-
katoren (ein gemeinsames Projekt der Kantone Bern,
flechtungsdickichts bereits vor mehr als 20 Jahren vorausgesehen und entsprechende Reformen vorgeschlagen: Die
36
29 dito Beat ROOS, S. 50.
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 2
Waadt und Tessin, der Bundesämter für Gesundheit
sion um die Finanzierung der Gesundheitsversorgung
und für Statistik sowie der Institute für Sozial- und Prä-
die Gesundheit der Bevölkerung nicht ins Hintertreffen
ventivmedizin der Universitäten Bern und Lausanne).
gerät.
■
■
Teil
II
Wissensmanagement im Sektor Gesundheit auf natio-
torium vorausgedacht, das 15 Jahre später geschaffen
naler Ebene: Statistische Daten auf nationaler Ebene
werden sollte.
bereitstellen; neues Wissen über die Gesundheitspoli-
Die Teilnehmenden bestätigten, dass die Koordination
tiken in der Schweiz kreieren; ein Gesundheitsobserva-
zwischen den verschiedenen Akteuren des Gesund-
torium einrichten (seit 2002 in Betrieb); ein nationales
heitssystems im Rahmen eines erneuerten koopera-
Monitoring der gesundheitspolitischen Strategien der
tiven Föderalismus eine unerlässliche Voraussetzung
Kantone und des Bundes realisieren (in Ansätzen mit
für eine wirksame Neuausrichtung der Gesundheitspo-
diesem Bericht verwirklicht).
Zusammenarbeit
Damit wird das schweizerische Gesundheitsobserva-
Referenzrahmen
Teil
I
litik und für eine sinnvolle Investition der beschränkten
Das «Projekt Nationale Gesundheitspolitik Schweiz» wur-
einer nationalen Gesundheitspolitik vorweggenommen,
de 2003 in den «Ständigen Dialog zwischen Bund und
wie sie 1998 mit der Lancierung des Projekts Nationale
Kantonen für die Nationale Gesundheitspolitik» überge-
Gesundheitspolitik Schweiz erfolgte.
führt.30 Zu diesem Zweck haben Bund und Kantone eine
Der Wille zu einer Spitalfinanzierung gemäss effektiven
Vereinbarung unterzeichnet.31 Mit der Unterzeichnung
Leistungen pro homogener Patientenkategorie («Di-
dieser Vereinbarung haben Bund und Kantone einen ers­
agnosis related groups», DRG) wird bekundet. Dies
ten Schritt hin zu einer nationalen Koordination gesund-
nimmt die Realisierung eines Projekts vorweg, das mit
heitspolitischer Massnahmen unternommen. In diesem
der Gründung des Vereins SwissDRG im Jahr 2004 be-
Dialog verstehen sich Bund und Kantone als gleichwertige
gonnen hat. Ziel des Vereins ist es, innerhalb dreier
Partner, die gemeinsam jene Bereiche definieren, in denen
Jahre ein auf schweizerische Verhältnisse angepasstes
sie ihre Arbeit koordinieren wollen, ohne dass der Dialog
Finanzierungsmodell zu entwickeln (siehe hierzu auch
eine neue Entscheidungsstruktur darstellt oder zu einer
Kapitel 5.5.1).
gemeinsamen Formulierung der gesundheitspolitischen
Teil
III
Perspektiven
■
finanziellen Mittel darstellt. Damit wird die Konzeption
Strategien führen würde.
Der von der oben erwähnten interkantonalen Koordina­ti­
Nebst dem ständigen Dialog haben die kantonalen und
onsgruppe und mit Unterstützung des BAG initiierte Pro-
eidgenössischen Akteure ihre Organe und Formen der
zess erhielt mit dem Amtsantritt von Ruth Dreifuss als Vor-
Zusammenarbeit im Gesundheitsbereich vervielfacht. Der
steherin des Eidgenössischen Departements des Innern
Bund, konfrontiert mit der Tatsache, dass eine Vielzahl
(EDI) 1993 die benötigte politische Unterstützung auf
seiner verschiedenen Politikbereiche den Gesundheits-
höchster Ebene. Sie beauftragte das BAG, die Grundlagen
zustand der Bevölkerung beeinflusst, versucht seinerseits
für eine nationale, zwischen Bund und Kantonen koordi-
die Kräfte zu bündeln, so zum Beispiel mit dem per 1. Ja-
nierte Gesundheitspolitik vorzubereiten. 1998 lancierten
nuar 2004 erfolgten Transfer des Geschäftsfeldes «Kran-
die GDK unter der Präsidentschaft des Thurgauer Stän-
ken- und Unfallversicherung» aus dem Bundesamt für
derates Philippe Stähelin und das EDI unter der Führung
Sozialversicherungen (BSV) ins BAG. Diese Integration
von Bundesrätin Ruth Dreifuss das Projekt «Nationale
kann auch als Zeichen für den Willen des Bundes gedeutet
Gesundheitspolitik Schweiz» (NGP). Ziel des Projekts war
es, eine gemeinsame Vision einer zukünftigen Gesundheitspolitik zu entwickeln, bei der die Gesundheit der Bevölkerung in der Schweiz im Zentrum stehen sollte.
Das Projekt machte es sich unter anderem zur Aufgabe,
zwei für die Gesundheitspolitik in der Schweiz relevante
Ansätze zu stärken:
■
Stärkung des multisektoralen und gesamtheitlichen
Verständnisses von Gesundheit, damit in der Diskus-
30 Die erste Sitzung des Ständigen Dialogs zwischen Bund und Kantonen
zur Nationalen Gesundheitspolitik hat am 30. April 2004 stattgefunden.
Weitere Informationen zum Dialog finden sich im Kapitel 6 (insbesondere 6.4.1) sowie im Schlussbericht des «Institut de hautes études en
administration publique» (IDHEAP): «Vers une politique nationale de
la santé? Evaluation d’un projet de mise en réseau des cantons et de la
Confédération dans le domaine de la santé». Juni 2004.
31 Die «Vereinbarung zwischen der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren (GDK) und der
Schweizerischen Eidgenossenschaft (Bund) vertreten durch das Eidg.
Departement des Innern (EDI) zur Nationalen Gesundheitspolitik
Schweiz» wurde am 15. Dezember 2003 von Pascal Couchepin, Vorsteher des EDI, und Alice Scherrer, Regierungsrätin des Kantons AI und
Präsidentin der GDK, unterzeichnet.
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 2
37
Referenzrahmen
Teil
I
Zusammenarbeit
Teil
II
werden, seinen Führungsanspruch in der Gesundheitspo-
der Kantone nach verstärkter Zusammenarbeit mit dem
litik zu untermauern. In dieselbe Richtung zielt auch die
Bund und nach Verbesserung der Rahmenbedingungen
Schaffung des neuen Direktionsbereichs «Gesundheitspo-
für eine nationale Koordination der Gesundheitspolitiken.
litik» innerhalb des BAG im Herbst 2004.
Die Kantone wünschen sich das Modell eines kooperativen
Die Kantone ihrerseits legen ein immer stärkeres Gewicht
Föderalismus, in welchem Kantone und Bund gemeinsam
auf ihre eigenen Koordinationsorgane: die Schweizerische
die nationalen Ziele der Gesundheitspolitik wie auch de-
Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und
ren Umsetzungsmodalitäten festlegen könnten.
-direktoren (GDK) und deren Regionalkonferenzen. Was
die Harmonisierung der kantonalen Gesundheitsgesetze
anbelangt, können die Kantone der Romandie als eigentliche «laboratoires législatifs» der Schweiz bezeichnet
Perspektiven
Teil
III
2.3 Ein liberales System
werden.32 Sie haben das Institut für Gesundheitsrecht der
Das dritte Merkmal des schweizerischen Gesundheitssys­
Universität Neuenburg unter der Leitung von Professor
tems ist sein grundsätzlich liberaler Charakter. Durch die
Oliver Guillod beauftragt, ihre kantonalen Gesundheits-
Integration gewisser marktwirtschaftlicher Elemente und
gesetze zu revidieren. Dieser Auftrag hat massgeblich zu
den zunehmenden Einfluss des Wettbewerbsprinzips, der
­einer Harmonisierung der Gesundheitsgesetze in dieser
Grundregeln der Unternehmensführung und der Profito-
Region beigetragen. Was die Beziehung zum Bund anbe-
rientierung lässt ein liberales Gesundheitssystem nur ein
langt, verlangen die Kantone nach einer klareren poli-
moderates Engagement des Staates zu und gibt den pri-
tischen Führung seitens des Bundes, wobei ihr Wille, mit
vaten Akteuren (profitorientierte Unternehmen, Ärzte mit
dem Bund zusammenzuarbeiten, sehr explizit ist. Sie wün-
Privatpraxis sowie private Institutionen von öffentlicher
schen eine Klärung der Zuständigkeiten im Handlungsfeld
Bedeutung) viel Raum und Handlungsfreiheit.
Gesundheit sowie bessere Rahmenbedingungen für den
Gerhard Kocher, Gesundheitsökonom und während fast
Gesetzesvollzug.
30 Jahren Sekretär der Schweizerischen Gesellschaft für
Je umfassender der Gesundheitsbegriff verstanden wird,
Gesundheitspolitik, hält in diesem Zusammenhang fest:
desto mehr beginnt sich die traditionell föderalistische
«Obgleich aufgrund der langen Liste der staatlichen Aufga-
Kompetenzaufteilung im Gesundheitsbereich zu verwi-
ben der Eindruck entstehen mag, dass das Gesundheitssys­
schen. Diese Tatsache begründet den expliziten Wunsch
tem der Schweiz zur Hauptsache vom Staat gelenkt wird,
so besitzt die Schweiz doch – neben den USA – eines der
am stärksten marktwirtschaftlich ausgerichteten Gesund-
Bestehende Institutionen, die den politischen
Dialog, den Wissenstransfer und gemeinsame
gesundheitspolitische Handlungen fördern
heitssysteme.»33 Dabei muss auch auf die Bedeutung der
nicht gewinnorientierten Akteure hingewiesen werden,
d. h. private, gemeinnützige Institutionen.
(Auswahl):
■
Ständiger Dialog zwischen dem Eidgenössischen
Der schwache Grad der staatlichen Intervention
Departement des Innern (EDI) und der Schweize-
Gemäss dem liberalen Prinzip greift der Staat nur da ein,
rischen Konferenz der kantonalen Gesundheitsdi-
wo die Probleme der öffentlichen Gesundheit eine bedeu-
rektorinnen und -direktoren (GDK) zur Nationalen
tende Dimension annehmen. Für den Rest vertraut er auf
Gesundheitspolitik
den privaten Sektor. Die Zuständigkeit des Staates, sei es
Schweizerische Konferenz der kantonalen Gesund-
auf eidgenössischer oder kantonaler Ebene, beschränkt
heitsdirektorinnen und -direktoren (GDK) und ihre
sich auf die Definition des Rahmens, innerhalb dessen
Regionalkonferenzen
private Gesellschaften und Organisationen, aber auch die
■
Schweizerisches Gesundheitsobservatorium (Obsan)
Individuen über einen grossen Handlungsspielraum ver-
■
Jährliche Arbeitstagung zur nationalen Gesund-
fügen. Der in der Bundesverfassung (Art. 27) verankerte
■
heitspolitik
32 Le Temps: Interview mit Olivier Guillod. 11. März 2004.
38
33 Gerhard KOCHER: Kompetenz- und Aufgabenteilung Bund – Kantone
– Gemeinden, S. 104–110, in Gerhard KOCHER, Willy OGGIER (Hg.):
Gesundheitswesen Schweiz 2004–2006, Eine aktuelle Übersicht, Verlag
Hans Huber, Bern, 2004.
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 2
Referenzrahmen
Teil
I
Grundsatz der Wirtschaftsfreiheit spielt eine entschei-
Vom Liberalismus zum Neoliberalismus
dende Rolle, und das Wettbewerbsprinzip wird von den
Die Nachkriegsepoche ist wirtschaftlich stark vom
politisch Verantwortlichen immer stärker betont, auch
Keynesianismus geprägt: Dem Staat werden erheb-
wenn es um den Betrieb von öffentlichen Institutionen
liche Eingriffsmöglichkeiten zuerkannt. Doch die Wirt-
geht. In den folgenden Bereichen verfügt der Staat nur
schaftskrise der 1980er-Jahre und die Globalisierung
über sehr beschränkte Zuständigkeiten:34
lassen die liberalen Vorstellungen verstärkt wieder auf-
■
ambulante Medizin (inklusive Zahnmedizin, Spitex,
Physiotherapie, Komplementärmedizin u. a.)
(1899–1969) tritt in die Fussstapfen von Adam Smith
■
private Spitäler und Heime
und dessen liberalen Vorstellungen. Er wendet sich ge-
■
Laboratorien, Röntgeninstitute usw.
gen den triumphierenden Keynesianismus und verficht
■
Apotheken und Drogerien
das Modell eines minimal eingreifenden Staates. Insbe-
■
Zusatzversicherung zur Krankenversicherung
sondere trägt er zur grundsätzlichen Kritik an der Idee
■
alternative Versicherungs- und Versorgungsmodelle
von «sozialer Gerechtigkeit» bei, die seiner Ansicht
■
Tarifverträge
nach lediglich die Standesinteressen des Mittelstandes
■
private Sozialwerke, Gesundheitsligen, Selbsthilfegrup-
Teil
III
pen, Patienten- und Konsumentenorganisationen
Eingriffe der öffentlichen Hand einzustellen. Sein Pro-
■
private Bildungseinrichtungen, Fortbildung
gramm führt er in seiner Schrift «Die Verfassung der
■
Forschung
Freiheit» (1960) aus: Deregulierung, Privatisierung, Ab-
■
Beratungsfirmen
bau von Arbeitslosengeldern, keine Wohnbeihilfen und
■
Pharmazeutika: Forschung und Entwicklung, Herstel-
Mietkontrollen, Reduktion der Ausgaben für die soziale
Perspektiven
schützt. Er empfiehlt, alle sozialen und wirtschaftlichen
lung, Produktion
Sicherheit und Einschränkung des Einflusses der Ge-
■
Medizintechnik und -informatik
werkschaften. Der Staat hat kein Umverteilungsrecht,
■
Medien zum Gesundheitswesen
vor allem nicht auf der Basis von Kriterien wie demje-
Der Grossteil der ambulanten Pflegeleistungen und ein
nigen der «sozialen Gerechtigkeit». Seine Aufgabe be­
Viertel der in den Spitälern erbrachten Leistungen werden
stehe nur darin, einen rechtlichen Rahmen mit Grund-
im Rahmen der gesundheitsgesetzlichen Bestimmungen
regeln («Verfahrensgerechtigkeit») sicherzustellen.
auf liberaler, privater Grundlage organisiert. Das Rechts-
Die wirtschaftlichen und politischen Vorstellungen
verhältnis zwischen Arzt und Patient fällt unter das Privat-
von Friedrich von Hayek haben viele Regierungen
recht. Im Gegensatz zur Situation in den meisten anderen
beeinflusst, nicht zuletzt diejenigen von Reagan und
europäischen Ländern sind auch die Krankenversicherer
Thatcher. Auch in der Schweiz ist sein Einfluss gross.
(knapp 100) private Unternehmen, deren Geschäfte im
So hat Hayek in der Waadt massgeblich an der Grün-
Bereich der obligatorischen Krankenpflegeversicherung
dung der Mont-Pélerin-Gesellschaft mitgewirkt, deren
durch das Krankenversicherungsgesetz geregelt werden
Mitglieder seine ideologische Ausrichtung teilen. Sie
(KVG), während die Zusatzversicherungen den Regeln
stellt gewissermassen das Mutterhaus des neoliberalen
des freien Marktes und des Wettbewerbs gehorchen. Eine
Think Tanks dar. Mit Unterstützung schweizerischer
Krankenversicherungspflicht besteht erst seit 1996. Allge-
Geschäftsleute entfalten sich die Aktivitäten der Mont-
mein werden die Beziehungen zwischen den Tarifpartnern
Pélerin-Gesellschaft seit 1947. Um sie herum hat sich
(Ärztinnen und Ärzte, Apothekerinnen und Apotheker,
mit Stiftungsgeldern grosser multinationaler Gesell-
Spitäler, Krankenversicherer, Patientinnen und Patienten)
schaften die Hayek-Schule entwickelt, die viele ultra-
durch Abkommen geregelt, die unter der (gemässigten)
liberale Denker beeinflusst hat.35
Kontrolle der Kantonsregierungen stehen.
35 Denis BONEAU: «Voltaire», Magazine quotidien d’analyses internationales, «Démocratie de marché», Friedrich von Hayek, pape de l’ultralibéralisme, 4. März 2004, Website: «Le réseau voltaire.net». Von Hayek
erhält 1974 den Nobelpreis. Sechs weitere Nobelpreise werden an
Denker der Hayek-Schule vergeben: Milton Friedman (1976), George
Stigler (1982), James Buchanan und Maurice Allais (1988), Ronald
Coase (1991) und Gary Becker (1992).
Zusammenarbeit
leben. Der österreichische Ökonom Friedrich von Hayek
Teil
II
34 aus Gerhard KOCHER.
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 2
39
Referenzrahmen
Teil
I
Zusammenarbeit
Teil
II
Perspektiven
Teil
III
Politische Kultur, Status der Medizin und
­Subsidiarität
tenzen und finanzielle Verantwortung für die Versicherer
Entscheidend für das beschränkte staatliche Engagement
Versicherern und Leistungserbringern; die Vergrösserung
auf den genannten Gebieten ist die politische Kultur der
der Auswahl an Zusatzversicherungen; die Beschränkung
Schweiz. Einer der dominierenden Werte der schwei-
der Leistungen zu Lasten der Grundversicherung; die Stär-
zerischen wie auch der gesamten westlichen Kultur ist
kung der Eigenverantwortung durch eine Erhöhung des
die Doktrin des Wirtschaftsliberalismus, welche die freie
Selbstbehaltes, eine eventuelle höhere Kostenbeteiligung
Marktwirtschaft, den freien Güterverkehr, die Wohlfahrt
betagter Personen usw. Hier besteht die Herausforderung
und die Gewinnorientierung fördert.
für den Staat darin, den privaten Akteuren im Gesund-
Auch wenn die Schweiz wie andere europäische Länder
heitssystem so viel Innovationsspielraum wie möglich zu
an sozialstaatlichen Interventionen und Zielen festhält, so
lassen bei gleichzeitiger Wahrung der gesellschaftlichen
wurde doch auch sie als Reaktion auf die Interventionen
Interessen und der sozialen Ziele der Gesundheitspoli-
des Wohlfahrtsstaates vom klassischen Liberalismus des
tik. Hier fehlen zurzeit die geeigneten Steuerungsinstru-
20. Jahrhunderts und dem westeuropäischen Neolibe-
mente, um die Aktivitäten der privaten Anbieter unter
ralismus der Nachkriegszeit tiefgreifend geprägt. Dieser
dem Banner gemeinsam ausgehandelter staatlicher Ziele
hohe Grad an Liberalismus hängt unter anderem auch mit
zu vereinigen. 35
dem Status der Medizin selbst zusammen, mit ihrem indi-
Auch im Bereich der Prävention findet man in jedem
viduellen Auftrag und ihrem Selbstverständnis als liberale
Kanton und auf nationaler Ebene zahlreiche private Ak-
Heilkunst. Zudem haben die direkte Demokratie, der Fö-
teure wie etwa die Gesundheitsligen, die sich meist der
deralismus und sein Subsidiaritätsprinzip und schliesslich
Prävention von Zivilisationskrankheiten verschrieben hat-
das Milizsystem die Entwicklung zahlreicher Interessen-
ten.36 Ihren Ursprung haben die Gesundheitsligen in den
verbände begünstigt.
um 1910 in vielen Regionen der Schweiz entstandenen
vor; die Aufhebung des Kontrahierungszwangs zwischen
Verbänden zur Bekämpfung der Trunksucht und in den
Die Rolle der privaten Akteure
Zusammenschlüssen von Krankenschwestern, die Haus-
Im Gesundheitsbereich gibt es vor allem auf der Ange-
besuche vornahmen. Die Hausbesuche dienten vor allem
botsseite zahlreiche einflussreiche und gut verwurzelte
der Bekämpfung der Tuberkulose und Kindersterblichkeit
private Interessengruppen. Sie bieten den Grossteil der
sowie der Früherkennung von Krankheiten und Erbkrank-
Gesundheitsversorgungsleistungen an, sei es im Bereich
heiten. Selbst die Gesundheitsförderung ist streng genom-
der Produktion von medizinischen Gütern, im Bereich
men keine Aufgabe des Bundes, da sie an die privatrecht-
der Versicherungsleistungen, der medizinischen Versor-
liche Stiftung Gesundheitsförderung Schweiz delegiert
gung oder der Prävention und Gesundheitsförderung. Als
wurde.
gleichwertige Partner der öffentlichen Hand sind sie auf
Die Gesundheitsorganisationen und -institutionen haben
der Ebene der Gemeinden und Kantone in die formellen
über lange Zeit selbstständig und ohne Koordination ge-
und informellen Entscheidprozesse einbezogen und re-
arbeitet und die politische Legitimation für ihre Arbeit oft
präsentieren so die vierte Ebene der Gesundheitspolitik.
in Form von Bundessubventionen erhalten. Als Folge des
Zur schwierigen Aufgabe der Koordination zwischen den
New Public Management wurden die Subventionen an die
öffentlichen Akteuren kommt so die noch schwierigere
nationalen und kantonalen Gesundheitsligen in den letz-
Aufgabe der Koordination und Konzertation aller privaten
ten Jahren vermehrt in Leistungsvereinbarungen umge-
Akteure hinzu.
wandelt. Paradoxerweise führt diese neue Art der Verwal-
Mit der laufenden Revision des Krankenversicherungs-
tungsführung, die unter der Fahne des Neoliberalismus mit
gesetzes, das auf dem Prinzip eines liberalen, solidarisch
finanzierten und auf Wettbewerb ausgerichteten Gesundheitssystems basiert, könnten die privaten Akteure, insbesondere die Krankenversicherer, zukünftig eine noch
wichtigere Rolle erhalten. Die propagierten Reformvorschläge sind zahlreich und heftig umstritten. Sie schlagen
weniger juristische Reglementierung und mehr Kompe40
36 Schweizerische Lungenliga, Schweizerische Krebsliga, Rheumaliga
Schweiz, Schweizerische Fachstelle für Alkohol- und andere Drogenprobleme (SFA), Schweizerische Aids-Hilfe, Schweizerische Liga gegen Epilepsie und rund 40 weitere Ligen, die sich je einer speziellen
Erkankung widmen; ausserdem die Stiftung für Konsumentenschutz,
das Konsumentenforum (KF), die Fédération romande des consommateurs (FRC), Selbsthilfegruppen, die Stiftung zum Schutz der Versicherten (ASSI), der Schweizerische Versichertenverband (Assuas),
Patientenstellen, die Schweizer Patienten-Organisation (OSP) usw.
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 2
nehmenden Verknappung der öffentlichen Finanzmittel
externe Partner «auszulagern», dazu, dass der Staat seine
selbst nicht zu leisten vermag.
Aufsichtsfunktion über den von ihm finanzierten privaten
Offensichtlich wird dies vor allem im Bereich der Präven­
Sektor wieder verstärkt. Dies, obgleich die privaten Or-
tion der chronischen, nicht übertragbaren Krankheiten
ganisationen für die öffentliche Verwaltung in vielen Be-
und der Gesundheitsförderung. Während der liberale
reichen der öffentlichen Gesundheit zu Steigbügelhaltern
schweizerische Staat bereits Ende des 19. Jahrhunderts
werden und Aufgaben wahrnehmen, deren Notwendigkeit
über eine Politik zur Bekämpfung von übertragbaren
vom Staat anerkannt ist, die er jedoch aufgrund der zu-
Krankheiten verfügte und 1928 das Tuberkulosegesetz
Teil
II
Zusammenarbeit
dem Ziel lanciert wurde, gewisse Verwaltungsaufgaben an
Referenzrahmen
Teil
I
verabschiedete (vgl. Kasten) und die Arbeit in den Fabriken überwachte, um Berufskrankheiten und -unfällen
Private Akteure in der Gesundheitspolitik:
Das Beispiel des Kampfes der Charlotte Olivier
gegen die Tuberkulose
vorzubeugen, griff er erst sehr spät (und nur in sehr be-
Das Prinzip der Subsidiarität befolgend, überliessen die
nicht übertragbaren Krankheiten wie Krebs, kardiovasku-
staatlichen Behörden der Schweiz während sehr lan-
lärer Krankheiten oder Diabetes, aber auch bei der Ver-
ger Zeit die Erarbeitung spezifischer Präventionspro-
hütung von psychischen Störungen tritt der Staat hinge-
gramme der Ärzteschaft, den Krankenschwestern, den
gen praktisch überhaupt nicht in Erscheinung. Die Frage,
Forschern der Präventivmedizin sowie den privaten Li-
ob die Prävention von chronischen nichtübertragbaren
gen und Institutionen. Der Einsatz von Charlotte Olivier
Krankheiten, die stark mit der Lebens- und Verhaltens-
zu Beginn des 20. Jahrhunderts ist in dieser Hinsicht
weise und den sozial- und umweltbedingten Gesundheits-
exemplarisch. Diese Ärztin, von 1911 bis 1925 Leiterin
determinanten verbunden sind (und die für immer mehr
des Tuberkulosebehandlungszentrums in Lausanne,
vorzeitig verlorene Lebensjahre verantwortlich sind), eine
begründete im Kanton Waadt und in andern Teilen der
Aufgabe des Staates (Bund und/oder Kantone) darstellt
Schweiz eine breite Bewegung, welche die Bevölkerung
oder nicht, ist auch zu Beginn des 21. Jahrhunderts noch
für das Problem der Tuberkulose sensibilisieren sollte.
nicht beantwortet.
scheidenem Ausmass) in den Kampf gegen rheumatische
Erkrankungen ein. Bei der Bekämpfung von chronischen,
Perspektiven
Teil
III
Sie entdeckte die riesigen Einbussen, zu denen diese
Krankheit in der Bevölkerung führte, und realisierte,
welche Rolle die Lebensbedingungen für das Auftreten
der Krankheit spielten: Die schlechten Wohn- und Hy-
2.4 Der sozialstaatliche Einfluss
gieneverhältnisse, Mangelernährung und die fehlende
Auch wenn sich die Gesundheitspolitiken in der Schweiz
Gesundheitserziehung. Deshalb lancierte Charlotte
stark an liberale Ideologien anlehnen, so ist doch der Ein-
Olivier ab 1912 eine grosse Aktion gegen die Tuberku-
fluss sozialstaatlicher Interventionen unverkennbar. Die
lose. Zusammen mit der Waadtländer Liga gegen Tu-
Idee des Sozialstaates und der sozialen Gerechtigkeit ist
berkulose und dem Frauenbund informierte sie über
das vierte Merkmal des schweizerischen Gesundheits-
die Ursachen der Krankheit und forderte die Bevölke-
systems. Sie entstand im 19. Jahrhundert und wurde im
rung auf, den Hygienegewohnheiten mehr Beachtung
20. Jahrhundert durch die Vormacht der keynesianischen
zu schenken. Sie entwickelte Präventionsmassnahmen
Staatsvision gestärkt. Die Bundesverfassung widerspie-
und bildete Krankenschwestern für Hausbesuche aus,
gelt exemplarisch den Willen, liberale und soziale Wer-
die sowohl medizinisch wie sozial kompetent waren.
te gleichermassen einzubinden, wenn sie in Artikel 41
Und schliesslich brachte sie mittels Umfragen in den
schreibt: «Bund und Kantone setzen sich in Ergänzung zu
Haushalten den Kanton Waadt im Jahre 1916 dazu, ein
persönlicher Verantwortung und privater Initiative dafür
Gesetz zum Schutz von fremd platzierten Kindern an-
ein, dass a) jede Person an der sozialen Sicherheit teilhat
zunehmen. Die Arbeit der Waadtländer Liga gegen Tu-
und b) jede Person die für ihre Gesundheit notwendige
berkulose führte bereits 1921 zu Bundessubventionen,
Pflege erhält.»
und 1928 trat das Bundesgesetz zur Bekämpfung der
Soziale Sicherheit, wie sie in der Schweiz heute verstan-
Tuberkulose in Kraft.
den wird, basiert auf der Solidarität zwischen verschiedenen Einkommensklassen, zwischen den Generationen,
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 2
41
Referenzrahmen
Teil
I
Zusammenarbeit
Teil
II
Teil
III
zwischen Mann und Frau sowie auf der Respektierung der
turiert und modernisiert. Die internationale Arbeitsorga-
körperlichen, seelischen und geistigen Unterschiede zwi-
nisation (ILO) spielte dabei eine zentrale Rolle: Sie ver-
schen den Individuen. Artikel 2 der Bundesverfassung er-
abschiedete namentlich die Deklaration von Philadelphia
wähnt die Gewährleistung der grösstmöglichen Chancen-
(1944), die ILO-Konvention Nr. 102 betreffend Minimal-
gleichheit unter den Bürgerinnen und Bürgern als Zweck
standards der sozialen Sicherheit (1952) sowie mehrere
der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Artikel 8 enthält
Instrumente zur Verbesserung der sozialpolitischen Rah-
das Diskriminierungsverbot.
menbedingungen. Die Vereinten Nationen anerkannten
Ausdruck dieses sozialstaatlichen Einflusses, der seit
ihrerseits das Recht jedes Menschen auf soziale Sicher-
dem 19. Jahrhundert auf das Gesundheitssystem Schweiz
heit: universelle Menschenrechtserklärung von 1948; In-
wirkt, ist unter anderem das seit dem Inkrafttreten des
ternationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kultu-
neuen Krankenversicherungsgesetzes (KVG) am 1. Ja-
relle Rechte von 1966 (in Kraft getreten für die Schweiz
nuar 1996 geltende Versicherungsobligatorium für alle
am 18. 9. 1992). Nach der klassischen Definition deckt die
Bewohnerinnen und Bewohner der Schweiz. Der kürzlich
soziale Sicherheit neun Bereiche ab: Medizinische Versor-
gefällte Entscheid des Parlamentes, die Kinderprämien
gung; Krankheit; Mutterschaft; Arbeitsunfälle und Berufs-
um die Hälfte zu reduzieren und damit die Familien zu
krankheiten; Alter; Witwentum, Witwertum, Waisentum;
entlasten, folgt derselben sozialen Vision.
Invalidität; Arbeitslosigkeit und familiäre Belastungen. Es
37
gibt Bestrebungen, diese Liste z. B. mit einem Recht auf
Ursprung der Sozialpolitik
einen Minimallohn zur Existenzsicherung zu ergänzen.
Perspektiven
Wirtschaftliche und soziale Ungleichheiten zwischen den
Menschen führen dazu, dass es immer wieder Arme und
Sozial- und Gesundheitspolitik in der Schweiz
Bedürftige gibt.38 Es war immer schon Aufgabe der Fa-
Geprägt von der föderalistischen Staatsstruktur hat sich
milie, der nahen Verwandten, Nachbarn und sozialer Ein-
das System der sozialen Sicherheit in der Schweiz Schritt
richtungen, die Not der Bedürftigen zu lindern. Dieses auf
für Schritt entwickelt. Die Umsetzung begann mit kanto-
freiwilliger Unterstützung beruhende System erwies sich
nalen Gesetzen, während eine Vereinheitlichung auf Bun-
zunächst als effizient. Der Gedanke, dass das Kollektiv für
desebene erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts
die medizinische Behandlung und Pflege des Individuums
einsetzte mittels Bundesgesetzen, die zu unterschied-
ungeachtet seiner sozialen und wirtschaftlichen Stellung
lichen Zeitpunkten und mehr oder weniger koordiniert an-
aufkommt, führte im 14. Jahrhundert zur Gründung der
genommen wurden und welche die meisten Bereiche der
ers­ten Hospize. Der Wandel von einer Agrargesellschaft
Sozialpolitik abdecken. Die Versicherungen gegen Krank-
zur Industriegesellschaft im 19. Jahrhundert, die durch
heit und Unfall (KVG und UVG seit 1911, obligatorisch
Kriege und Wirtschaftskrisen verursachte Massenarmut,
seit 1996), gegen Alter (AHV, 1947), gegen Invalidität (IV,
Epidemien sowie neue ideengeschichtliche Erkenntnisse
1959) und gegen Arbeitslosigkeit (ALV, 1976) bilden den
zeigten die Grenzen der medizinischen Betreuung durch
Kern des heutigen Systems der sozialen Sicherheit.
Private auf. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden So-
Es sind insbesondere die Kranken- und die Unfallversi-
zialhilfe und Sozialversicherung zunehmend als staatliche
cherung wie auch die Invalidenversicherungen, welche als
Aufgabe verstanden.
Säulen der schweizerischen Sozialpolitik im Gesundheits-
Unter den Nachwehen des Zweiten Weltkriegs und des
bereich betrachtet werden können. Aufgrund der Solidari-
­Wiederaufbaus wurde die staatliche Sozialpolitik struk-
tät zwischen den Versicherten, d. h. zwischen kranken und
gesunden Menschen, und der finanziellen Beteiligung des
37 Art. 65 Abs. 1bis und 6
1bis Für untere und mittlere Einkommen verbilligen die Kantone die
Prämien von Kindern und jungen Erwachsenen in Ausbildung um mindestens 50 Prozent.
6 Die Kantone liefern dem Bund zur Überprüfung der sozial- und familienpolitischen Ziele anonymisierte Angaben über die begünstigten
Versicherten. Der Bundesrat erlässt die notwendigen Vorschriften dazu
(Entscheid des Eidg. Parlaments vom März 2005, in Kraft seit Januar
2006). Die Kantone müssen den Vollzug ab 2007 gewährleisten.
38 Pierre-Yves GREBER et al., L’adaptation des systèmes de sécurité sociale aux grands défis actuels, Genève: Cahiers genevois et romands de
sécurité sociale, Nr. 19, 1997, S. 7–24.
42
Bundes, der Kantone und der Gemeinden (Sozialhilfen)
wird sichergestellt, dass alle Einwohnerinnen und Einwohner der Schweiz, unabhängig von ihrer finanziellen Lage,
denselben Zugang zum Gesundheitssystem haben und die
für die Wiederherstellung der Gesundheit notwendige Behandlung und Pflege erhalten. Wie im KVG vorgesehen,
wurde ein System der Prämienverbilligung eingerichtet,
mit einem je nach Kanton unterschiedlichen Berechnungs-
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 2
schlüssel, welches auf einer gemischten Finanzierung
alle dank der Kranken- und Unfallversicherung, der
durch Bund und Kantone basiert. Im Jahr 2002 wurde ein
Invalidenversicherung und dem Mechanismus der Prä-
Betrag von 2,9 Milliarden CHF für die Prämienverbilligung
mienverbilligung für Personen mit einem geringen Eindie Entwicklung von Programmen zur Bekämpfung
tonen (v. a. in den kleinen Kantonen der Deutschschweiz)
von übertragbaren oder bösartigen Krankheiten und
zur Förderung der Gesundheit von speziell anfälligen
Prämienverbilligung.
Im Jahre 2005 hat das Parlament
Bevölkerungsgruppen (Fabrikarbeiter, Jugendliche,
entschieden, eine zusätzliche Unterstützung für Familien
Frauen, Migrantinnen und Migranten, ältere Men-
mit unteren und mittleren Einkommen zu gewähren: Ge-
schen).
Zusammenarbeit
■
kamen mehr als 40 % der Versicherten in den Genuss einer
39
Teil
II
kommen sowie Kinder
gemäss KVG eingesetzt. Diese kam 33,1 % der Wohnbevölkerung und 41 % aller Haushalte zugute. In einigen Kan-
Referenzrahmen
Teil
I
mäss Art. 65 des KVG müssen die Kantone die Prämien
Liberales Gedankengut und das Subsidiaritätsprinzip blie-
mindestens 50 % verbilligen, wobei der Bund überprüft,
ben jedoch weiterhin die bestimmenden Faktoren des
ob die sozial- und familienpolitischen Ziele damit erreicht
schweizerischen Sozialstaates. Dies erklärt, warum die
werden. Diese Bestimmung trat am 1. 1. 2006 in Kraft und
Schweiz keinen sozialen Sicherheitkodex kennt und wes-
gibt den Kantonen eine Übergangsfrist von einem Jahr für
halb sie erst kürzlich den «Allgemeinen Teil des Sozialver-
den Vollzug der Änderung.
sicherungsrechts» verabschiedet hat.40 So setzt sie auch
Die Sozialpolitik besteht jedoch nicht nur aus der Umla-
erst mit einiger Verzögerung die Empfehlungen der WHO
gerung der Versicherungsbeiträge und aus der Reduktion
zu neuen Themen der Gesundheitspolitik um: Ernährung
der finanziellen Belastung für bestimmte Bevölkerungs-
und Bewegung, Gesundheit von Frau und Mann, Arbeits-
gruppen, sondern auch in der finanziellen Unterstützung
bedingungen und Gesundheit, psychische Gesundheit oder
aller bedürftigen Personen. In diesem Sinn zählen auch
Gesundheit und Umwelt. Schlussendlich ist die Solidarität
die Sozialhilfe und die Ergänzungsleistungen der AHV
sogar in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung
zum System der sozialen Sicherheit. Noch weiter gespannt
nur partiell, da sie wegen der Kopfprämien die verschie-
umfasst die Sozialpolitik alle Politikbereiche, welche die
denen Einkommensschichten nicht berücksich­tigt.
Teil
III
Perspektiven
von Kindern und jungen Erwachsenen in Ausbildung um
Chancengleichheit verbessern. Sie reicht somit vom Bildungssystem – das Obligatorium besteht in der Schweiz
seit 1848 – über die Umverteilung des Reichtums durch
die Steuerabgaben bis hin zu den gesundheitspolitischen
Massnahmen. Es sind in der Tat die bereits im 19. Jahrhundert etablierten multisektoralen Politiken zum Schutz
vor Gesundheitsrisiken wie auch die erst kürzlich verankerten Massnahmen der Gesundheitsförderung, welche
die eigentliche Sozialpolitik der Schweiz im Gesundheitsbereich darstellen. Sie ist charakterisiert durch:
■
den Erlass einer ganzen Reihe von Gesetzen zum Gesundheitsschutz (Bekämpfung der Epidemien, Schutz
der Arbeitnehmenden, Lebensmittelkontrolle)
■
die flächendeckende Ausdehnung der ambulanten Betreuungsangebote über die gesamte Schweiz und die
Kontrolle der Qualität der medizinischen Aus- und Weiterbildung
■
eine qualitativ hoch stehende stationäre Betreuung
■
den Zugang zum Gesundheitsversorgungssystem für
39 Siehe: Bundesamt für Gesundheit, Statistik der obligatorischen Krankenversicherung, 2002.
40 Bundesgesetz vom 6. 10. 2000 zum Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts.
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 2
43
Teil
I
Referenzrahmen
Kapitel 3
Stärken und Schwächen des gegenwärtigen Systems
Zusammenarbeit
Teil
II
Teil
III
Vier verschiedene Faktoren haben die Entwicklung des
Die sich seit geraumer Zeit abzeichnenden gesellschaft-
heutigen Gesundheitssystems in der Schweiz beeinflusst:
lichen Probleme verlangen jedoch nach einer gesundheits-
Die beherrschende Stellung der kurativen Medizin, die fö-
fördernden Gesamtpolitik, welche auf die individuellen,
deralistische Staatsstruktur, die liberalen und sozialstaat-
sozioökonomischen und ökologischen Determinanten
lichen Visionen des Staates und der Gesellschaft. Welche
der physischen und psychischen Gesundheit ausgerich-
Rolle spielen diese Faktoren bei der Entwicklung einer
tet ist. Die aus der Alterung der Bevölkerung oder der
nationalen Gesundheitspolitik Schweiz? Welche Chancen
Zunahme der Zahl psychisch kranker Menschen erwach-
und welche Risiken beinhalten sie? Antworten auf diese
senden Probleme können schon aus Kosten- und Metho-
Fragen gab Hans Jörg Huber in seiner Funktion als Re-
dengründen nicht allein durch medizinische Massnahmen
gierungsrat und Vorsteher des Gesundheitsdepartements
gelöst werden. Alternative Strategien sind vorhanden,
des Kantons Aargau bereits vor 20 Jahren.41 Die nachfol-
aber erst in Ansätzen erkennbar. So zeigen Bund und
genden Passagen stützen sich im Wesentlichen auf diese
Kantone in ihren Regierungsstrategien, Gesundheits-
Quelle, die auch 20 Jahre nach ihrem Erscheinen nichts
leitlinien oder Gesundheitsgesetzen ein zunehmend um-
von ihrer Aktualität eingebüsst hat.
fassenderes Verständnis von Gesundheit und schärfen
ihr Bewusstsein für multisektorale Ansätze. In diesem
Perspektiven
Sinn haben viele Kantone ihre Verfassungsgrundlagen
3.1 Die beherrschende Stellung
der kurativen Medizin
und die Gesundheitsgesetzgebung in den vergangenen
Eine der Stärken des heutigen Gesundheitssystems ist
oder zu den Gesundheitsdeterminanten aufgenommen
ohne Zweifel die Qualität der kurativen Medizin. Die Auf-
haben.
merksamkeit, welche dieser Zweig der Gesundheitsver-
Was das BAG betrifft, orientiert es sich mit seinen ver-
sorgung seit dem 19. Jahrhundert erhalten hat, hat ent-
schiedenen Strategien im Bereich der öffentlichen Ge-
scheidend zur Verbesserung des Gesundheitszustands der
sundheit am New-Public-Health-Ansatz der WHO (vgl.
Bevölkerung und zu einer hohen Lebenserwartung beige-
dazu das Bundesporträt im Band 2 dieses Berichtes). Aber
tragen. Die im kurativen Bereich getätigten Investitionen
diese Bemühungen können nicht mit den grossen finan-
haben zu einem der weltweit besten Gesundheitssysteme
ziellen Anstrengungen rivalisieren, welche in den medi-
geführt.
zinischen Fortschritt investiert werden. Damit ein Para-
Doch die phänomenalen medizinischen Erfolge haben ihre
digmenwechsel wirklich stattfinden kann, müssen nicht
Kehrseite. Die grenzenlosen Möglichkeiten der kurativen
nur die zugrunde liegenden Werte und Konzepte geändert
Medizin verdecken die Sicht auf andere Gesundheitskon-
werden, sondern es braucht auch eine Neuverteilung der
zepte. Die Medikalisierung der Gesundheit hat in den
finanziellen Mittel.
Jahren dahingehend revidiert, dass sie Kapitel zu Patientenrechten, zu Prävention und Gesundheitsförderung
letzten Jahrzehnten zu einer enormen Kostensteigerung
geführt und die politische Diskussion zu stark dominiert.
Die unmittelbar sichtbaren Resultate der medizinischen
Entwicklung haben die auf Langzeitwirkung ausgerichtete Gesundheitsförderung und Prävention in den Schatten
3.2 Föderalismus und Subsidiaritäts­
prinzip
gestellt. Der Vergleich der Ausgaben zeigt klar: von den 50
Vorteile des Föderalismus
Milliarden CHF, welche im Jahre 2004 ins Gesundheitswe-
Der Föderalismus als zweiter Einflussfaktor bietet ver-
sen investiert wurden, wurden 49 Milliarden in die medi-
schiedene Vorteile.
zinische Versorgung und nur 1 Milliarde in die Prävention
■
investiert.
Das von Kantonen und Gemeinden organisierte Gesundheitssystem ist sehr bürgernah und entwickelte
sich gemäss den Erwartungen und Bedürfnissen der
Patientinnen und Patienten. So zeigen verschiedene
41 Hans Jörg HUBER, Dr. iur., ehemaliger Vorsteher des Gesundheitsdepartements des Kantons Aargau und ehemaliger Ständerat: «Öffentliche Gesundheit und schweizerische Staatskonzeption», Schweizerische Ärztezeitung, Band 64, 1983, Heft 49.
44
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 3
neuere Befragungen, dass die Bürgerinnen und Bürger
mit dem schweizerischen Gesundheitssystem ausgesprochen zufrieden sind.
Dank der föderalistischen Strukturen können zudem
qualitativen Daten. Und eine regelmässige Veröffent-
für anfallende Probleme dezentrale Lösungen gefunden
lichung eines schweizerischen Gesundheitsberichts
werden, die dem soziokulturellen und wirtschaftlichen
würde dringend Not tun.
■
■
gen Bund und Kantone zweifellos über grosses Wissen.
Gesundheitssystems zu verdanken, dass die Dienstleis­
Innovative Ansätze in diesem Bereich, beispielsweise
tungen flächendeckend in der ganzen Schweiz ein-
zu den Themen Vernetzung der Gesundheitssysteme,
schliesslich der Randregionen angeboten werden.
Qualitätszirkel, Überalterung der Bevölkerung oder
Der Föderalismus bremst den ansonsten starken poli-
Prävention von chronischen Krankheiten, könnten eine
tischen Einfluss der privaten Lobbyisten (FMH, Versi-
wertvolle Quelle für eine konsens­orientierte Suche
cherungen, Tabak- und Pharmaindustrie) etwas ab, da
nach kohärenten und finanziell tragbaren Lösungen
es schwieriger ist, 26 Kantone zu überzeugen als eine
darstellen. Dieses von den Behörden empirisch erar-
zentrale Bundesbehörde in Bern.
beitete Wissen wird aber auf eidgenössischer Ebene
Schliesslich hat sich der Föderalismus, was die Aufga-
im Rahmen der gegenwärtigen Reformen des Gesund-
benteilung zwischen Bund und Kantonen anbelangt,
heitswesens weder dokumentiert noch genutzt.
besonders im Bereich des Gesundheitsschutzes be-
■
Teil
II
Im Bereich der gesundheitspolitischen Strategien verfü-
Ferner ist es der föderalistischen Organisation des
Zusammenarbeit
Kontext des jeweiligen Kantons entsprechen.
■
Teil
III
Er erschwert die interkantonale Kohärenz der Gesund-
währt. Als Beispiel lassen sich die Bekämpfung von
heitspolitiken: Die kantonale Vielfalt in kultureller,
Epidemien, die Überwachung der Lebensmittelsicher-
wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht, aber auch die je-
heit oder der Strahlenschutz nennen: Zuständig ist hier
weiligen politischen Prioritäten der einzelnen Kantons-
der Bund, der Vollzug liegt bei den Kantonen.
regierungen verunmöglichen die Suche nach gemein-
Perspektiven
■
Referenzrahmen
Teil
I
samen Lösungen und die Übertragbarkeit einzelner
Nachteile des Föderalismus
Strategien. Diese Unterschiede sind einer suprakanto-
Der Föderalismus kennt allerdings auch zahlreiche Nach-
nalen Planung von schweizerischen Gesundheitspoli-
teile:
■
■
tiken nicht eben förderlich.
Er begünstigt die Komplexität des Systems: 26 unter-
■
Der Föderalismus in seiner heutigen Form verhindert
schiedliche kantonale Gesundheitspolitiken und eine
die Einführung einer nationalen Planung des Gesund-
Gesundheitspolitik auf Bundesebene haben über die
heitssystems: Gemeinden, Kantone und Bund nehmen
Jahre zu einer enormen Regelungsdichte geführt, die
heute in vielen Bereichen der Gesundheitsversorgung,
sich unter anderem in einer Vielfalt von Bundesgeset-
der Prävention und der Gesundheitsförderung paralle-
zen, kantonalen Gesetzen und interkantonalen Konkor-
le Verantwortungen wahr, wobei die Kompetenzen oft-
daten sowie Vereinbarungen zwischen Bund und Kan-
mals unklar verteilt sind. Diese Lage führt immer wie-
tonen äussert (vgl. die gesundheitspolitischen Porträts
der zu politischen Konflikten, welche die Effizienz und
in Band 2 dieses Berichts).
Effektivität der Reformen beeinträchtigen und die De-
Er erschwert die Steuerbarkeit des Systems mittels statistischer Erkenntnisse und mittels Forschung: Obschon
finition von nationalen Gesundheitszielen verhindern.
■
Zu guter Letzt ist der Föderalismus einer der zahlreichen
die Schweiz zum Gesundheitssystem, zur kurativen
Faktoren, die für unnötige Kostensteigerungen im Ge-
Medizin und zum Gesundheitsschutz umfassende Er-
sundheitssystem verantwortlich sind: Die Vielzahl der
hebungen vornimmt und viele Daten vorliegen
(vgl.
politischen Entscheidinstanzen auf kantonaler und
Band 2), ist die von der öffentlichen Hand unternom-
nationaler Ebene erzeugt, hat zur Folge Doppelspurig-
mene oder gesteuerte Forschung stark fragmentiert
keiten beim Angebot medizinischer Dienstleistungen
und lässt sich für eine nationale Gesundheitspolitik nur
oder bei der Information zu gesundheitsförderlichem
schwerlich heranziehen. Wesentliche Lücken halten
Verhalten. Während der Föderalismus einen flächen-
sich hartnäckig bei der Erhebung von statistischen und
deckenden Zugang zu medizinischen Versorgungs-
42
strukturen ermöglicht, gilt dies für den Bereich der
42 Der Bund ist zuständig für Forschung und Statistik. Ergänzt werden
­diese Daten durch die Forschung, welche die Kantone selber im Gesundheitsbereich durchführen sowie insbesondere durch die vom privaten Sektor finanzierte Forschung.
Prävention und Gesundheitsförderung nicht: Hier variiert das Angebot an Programmen von Kanton zu Kanton sehr stark.
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 3
45
Referenzrahmen
Teil
I
Diese rechtlichen, strukturellen und finanziellen Schwä-
Teil
II
■
Ebenfalls respektiert wird die persönliche Freiheit je-
chen des Föderalismus erklären, weshalb die Kantone
des Einzelnen, seinen Lebensstil, seine Werte und sein
und der Bund im Bereich der Gesundheitspolitik nicht auf
Gesundheitsverhalten zu wählen und bezüglich der
konstruktive Weise zusammenarbeiten und weshalb eine
­eigenen Gesundheit selbstverantwortlich zu handeln.
Zusammenarbeit
effiziente Steuerung der Reformen beeinträchtigt zu sein
scheint. Trotz allem machen die Kantone aber grosse An-
Die Nachteile des Liberalismus
strengungen, um regionale oder interkantonale Koordina-
Der starke Einfluss des liberalen Gedankenguts auf den
tionsgremien für eine bessere Koordination ihrer Politiken
Gesundheitsbereich, die wichtige Stellung, die dem pri-
einzurichten (vgl. dazu Band 1/Teil II und Band 2/Kanto-
vaten Sektor zugestanden wird sowie der limitierte Zugriff
nale Porträts). Gegenwärtig müssen jene föderalistischen
des Staates auf die Gewinnorientierung der privaten Ak-
Ins­trumente gestärkt werden, welche die Zusammenarbeit
teure bringt jedoch auch grössere Schwierigkeiten für die
und die Definition von gemeinsamen Zielen fördern.
Steuerung der Gesundheitspolitik mit sich:
■
Auf der gesundheitspolitischen Ebene erschwert der
starke Einfluss privater Akteure und der Berufsver-
Perspektiven
Teil
III
3.3 Liberale und sozialstaatliche
­Einflüsse
bände die Möglichkeiten des Staates, das Gesundheits-
Sowohl liberale als auch sozialstaatliche Elemente haben
geht der starke Einfluss der Lobbyverbände auf Bun-
das Gesundheitssystem in seiner heutigen Form geprägt
desebene zu Lasten der Kantone, für die es schwieriger
und ihm seine beiden weiteren wichtigen Merkmale ver-
ist, sich beim Gesetzgeber für ihre Anliegen Gehör zu
liehen. Auf der einen Seite verfügen die privaten Akteure
verschaffen.
über einen grossen Handlungsspielraum, während auf der
system nach Massgabe von an öffentlichen Interessen
ausgerichteten Gesundheitszielen zu steuern. Zudem
■
Im Bereich der ambulanten Versorgung wird die op-
anderen Seite der Staat interveniert, um die Lücken des
timale Verteilung der Ärzte auf dem gesamten Gebiet
privaten Angebots zu schliessen und den privaten Tätig-
der Schweiz durch das Gebot von Angebot und Nach-
keiten einen gesetzlichen Rahmen zu geben. Auf der ge-
frage nicht garantiert. Während die urbanen Zentren
sundheitspolitischen Ebene führen diese beiden Faktoren
eine sehr hohe Praxisdichte aufweisen, herrscht in den
zu einer Policy, die individuelle Selbstverantwortung mit
Randregionen und in den Spitälern notorischer Ärzte­
dem Bewusstsein der Mitverantwortung gegenüber anderen verbindet sowie Volkswirtschaft und Privatwirtschaft,
mangel.
■
Die durch die freie Arztwahl bedingte Multiplikation
gesellschaftliche Solidarität und soziale Gerechtigkeit ver-
medizinischer Massnahmen, die ökonomischen Interes-
eint.
sen der Leistungserbringer und der Medizintourismus
gewisser Patientinnen und Patienten führen zu einer
Die Vorteile des Liberalismus
Ohne Zweifel übt in der Schweiz das liberale Element
■
Der Ruf nach einer Stärkung der Eigenverantwortung
­einen prägenden Einfluss auf das System der sozialen
hat seine Kehrseite, da die über die Krankenversiche-
­Sicherheit aus. Der geringe Einfluss des Staates auf das
rung und über direkte Zahlungen ausserhalb der Kran-
Gesundheitssystem hat Vorteile:
kenversicherung erfolgende finanzielle Beteiligung der
■
Die Handels- und Gewerbefreiheit ermöglichte seit dem
Haushalte an der Finanzierung des Gesundheitssystems
19. Jahrhundert technische Innovationen und führte zu
in der Schweiz viel stärker ausgeprägt ist als in anderen
einem dynamischen und rentablen Wirtschaftssektor,
Staaten. Dies führt dazu, dass in gewissen Kantonen
der heute zahlreiche Arbeitnehmerinnen und Arbeit-
beinahe die Hälfte der Bevölkerung mittels des kom-
■
46
Steigerung der Kostenspirale.
nehmer beschäftigt.
plizierten Mechanismus der Prämienverbilligungen fi-
Die Niederlassungsfreiheit der Anbieter medizinischer
nanziell entlastet werden muss. Auf der anderen Seite
Dienstleistungen sowie die Freiheit der Patientinnen
besteht das Risiko, dass die nur noch zu Lasten der
und Patienten, einen Anbieter ihrer Wahl aufzusuchen,
Zusatzversicherungen verrechenbaren Leistungen zu-
ist ebenfalls Ausdruck dieser liberalen Kultur, welche
nehmen und so rasch eine Zweiklassen-Medizin ent-
die individuellen Rechte und Freiheiten betont.
steht.
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 3
■
Die dem Neoliberalismus teure Vision des Minimal-
■
Referenzrahmen
Teil
I
Die Gesundheitspolitik hat Mühe, Antworten auf die
staates nährt die aktuellen Budgetkürzungen, die vor
neuen Herausforderungen der öffentlichen Gesundheit
allem diejenigen Massnahmen betreffen, welche zu
zu finden, wozu die Zunahme von chronischen nicht
einer grösseren gesundheitlichen Chancengleichheit
übertragbaren Krankheiten gehört, die stark mit der
zwischen Arm und Reich beitragen sollen.
Lebens- und Verhaltensweise und den sozial- und um-
Teil
II
weltbedingten Gesundheitsdeterminanten verbunden
weise durch sozialstaatliche Massnahmen im Gesund-
sind.
■
Den auf einer föderalistischen Grundlage erarbeiteten
heitsbereich kompensiert. Dazu gehören das Versiche-
und umgesetzten Massnahmen der öffentlichen Ge-
rungsobligatorium, das System der Prämienverbilligungen
sundheit fehlt die Koordination und die Kohärenz auf
und das seit dem 19. Jahrhundert entwickelte System des
nationaler Ebene, was sich negativ auf ihre Effizienz
Gesundheitsschutzes.
auswirkt.
■
Die zunehmende Zahl von Bürgerinnen und Bürgern,
Die Vorteile des Sozialstaates
welche die Leistungen der Sozialversicherungen (IV,
■
Als Gegengewicht zum Liberalismus kann mit sozialen
Krankenversicherung) in Anspruch nehmen müssen,
Massnahmen eine gewisse Umverteilung des Reich-
stellt die langfristige Finanzierung der Sozialwerke in
tums erreicht werden, die Chancengleichheit wird ver-
Frage und tangiert das tragende Prinzip der Solidarität
welche den allgemeinen Wohlstand und die Lebenser-
Teil
III
zwischen Gesunden und Kranken.
■
Die Frage bleibt offen, ob es an der Gemeinschaft ist,
wartung für die gesamte Bevölkerung erhöhen.
alle Kosten für Krankheit, Prävention und Gesund-
Mit ihrer Sozialpolitik garantiert die Schweiz die fun-
heitsförderung unabhängig vom Verhalten der Einzel-
damentalen Menschenrechte. Diese Politik gründet auf
person zu übernehmen bzw. wie weit die Deckung der
ethischen Werten wie dem Respekt vor der mensch-
Gesundheitskosten durch die Kollektivität gehen kann
lichen Würde und der Solidarität unter den sozialen
angesichts der technischen Fortschritte und angesichts
Gruppen. Der schweizerische Staat anerkennt ausser-
der Alterung der Bevölkerung.
Perspektiven
bessert, der soziale Frieden gestärkt – drei Faktoren,
■
Zusammenarbeit
Diese Nachteile des Liberalismus werden zumindest teil-
dem, dass die Gesundheit eine existenzielle Ressource darstellt, die es seinen Bürgerinnen und Bürgern
erlaubt, ihren familiären, beruflichen, freiwilligen, sozialen oder politischen Aufgaben und Verpflichtungen
nachzukommen. Die Erhaltung und die Wiederherstellung dieser Ressource ermöglicht auf kollektiver
Ebene, die privaten oder öffentlichen Investitionen in
die Schul- und Berufsbildung zu maximieren. Ganz allgemein bekennt sich die Schweiz zur Maxime, wonach
der Entwicklungsstand einer Gesellschaft am Grad des
Wohlergehens seiner schwächsten Mitglieder gemessen werden kann.
Die Schwächen der Sozialpolitik
■
Trotz der flächendeckenden Zugänglichkeit zu Versorgungsstrukturen für die gesamte Bevölkerung bleibt
die sozial bedingte Ungleichheit bezüglich Gesundheit
bestehen, denn obschon zahlreiche Massnahmen zur
Verringerung dieser Unterschiede getroffen wurden,
leben armutsbetroffene Menschen in der Schweiz weniger lang und leiden häufiger an schweren Krankheiten
als reiche Personen.
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 3
47
Teil
I
Referenzrahmen
Schluss
Zwischen Föderalismus und Zentralisierung, zwischen
individueller Selbstverantwortung und sozialem Schutz,
zwischen Rationalisierung des kurativen Sektors und
Teil
II
Entwicklung der Gesundheitsförderung, zwischen Marktwirtschaft und staatlicher Planung befindet sich das
schweizerische Gesundheitssystem gegenwärtig an einer
Zusammenarbeit
Weggabelung. Die richtigen Fragen werden seit zwanzig
Jahren gestellt. Sie sind es wert, beantwortet zu werden:
■
Wie wird in einer Gesellschaft Gesundheit geschaffen?
■
Gibt es ein gutes Gleichgewicht zwischen staatlichen
und liberalen/marktwirtschaftlichen, zwischen kollektiven und individuumsbezogenen Elementen im Gesundheitssystem?
■
Teil
III
Wie kann die Chancengleichheit im Sektor Gesundheit
sichergestellt werden?
■
Wie lässt sich das Gesundheitssystem in einem föderalistischen Staat steuern?
Perspektiven
Erste mögliche Antworten wurden skizziert, die es verdienen, vertieft zu werden:
■
Prävention vor Heilung
■
Beeinflussung der sozialen und umweltbedingten Gesundheitsdeterminanten
■
Erhöhung der Gesundheitskompetenz der Bürgerinnen
und Bürger, der Patientinnen und Patienten, der Versicherten
■
Sicherstellen der gemeinsamen politischen Steuerung
zwischen Bund und Kantonen auf nationaler Ebene
In einem nächsten Schritt wird es darum gehen, diese
Antworten in eine erweiterte Diskussion über die Erneuerung des Föderalismus einzubeziehen.
48
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 3
Referenzrahmen
Teil
I
Zusammenarbeit
Teil
II
Perspektiven
Teil
III
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 3
49
Perspektiven
Zusammenarbeit
Referenzrahmen
Teil
I
Teil
II
Teil
III
Teil
II
Zusammenarbeit
Staatspolitische Zusammenarbeit
in der Gesundheitspolitik
Teil
III
Perspektiven
Teil II
Referenzrahmen
Teil
I
Teil
I
Referenzrahmen
Einleitung
Zusammenarbeit
Teil
II
Wie Teil I dieser Publikation gezeigt hat, haben die föde-
Kosten stellt sich immer wieder die Frage nach der Re-
ralen Strukturen und das Subsidiaritätsprinzip das Public
formfähigkeit des Gesundheitssystems Schweiz. Sollen
Health-System in der Schweiz stark geprägt. Gestützt auf
Bund und Kantone ihre Verantwortlichkeiten entflechten?
Artikel 3 der Bundesverfassung besagt dieses Prinzip,
Lässt sich die Komplexität durch eine Zentralisierung der
dass die Kantone souverän sind, soweit ihre Souveränität
Kompetenzen auf Bundesebene bzw. durch eine zentrale
nicht durch die Bundesverfassung beschränkt ist.
Steuerung verringern? Oder geht es darum, die Komplexi-
Rund 2800 Gemeinden, 26 Kantone und der Bund ent-
tät des föderalen Gesundheitssystems zu akzeptieren und
wickeln im Rahmen ihrer Kompetenzen Gesundheitspo-
anzuerkennen, dass Gesundheit eine gemeinsame Aufgabe
litiken auf kommunaler, kantonaler und eidgenössischer
von Bund und Kantonen ist und eine Kohärenz der kanto-
Ebene und beteiligen sich am Vollzug dieser Politiken. Ne-
nalen und eidgenössischen Gesundheitspolitiken auf der
ben den Aktivitäten der staatspolitischen Akteure kennt
Basis von nationalen Gesundheitszielen anzustreben sei?
die Schweiz insbesondere auch den starken Einbezug
(Krankenversicherer, Standesorganisationen, Pharma-
Horizontale und vertikale Zusammenarbeit
­zwischen Bund und Kantonen
industrie) in den politischen Entscheidungsprozess und
Eine mögliche Antwort liegt in der Stärkung der Zusam-
Vollzug. In Art. 147 der Verfassung heisst es dazu: „Die
menarbeit. Konkret geht es in Teil II um die Zusammenar-
Kantone, die politischen Parteien und die interessierten
beit unter Bundesstellen (Kapitel 4), um die interkantonale
Kreise werden bei der Vorbereitung wichtiger Erlasse und
Zusammenarbeit zwischen Regierungsverantwortlichen
anderer Vorhaben von grosser Tragweite sowie bei wich-
der Kantone (Kapitel 5) sowie schliesslich auf nationaler
tigen völkerrechtlichen Verträgen zur Stellungnahme ein-
Ebene um die Zusammenarbeit zwischen Regierungsver-
geladen.“
antwortlichen des Bundes und der Kantone (Kapitel 6).
Der Einfluss der privaten Akteure auf die Politikformulie-
Im Zentrum stehen folgende Fragen:
rung und auf die Entscheidprozesse im Sektor Gesund-
■
nicht staatlicher Organisationen sowie Interessengruppen
Perspektiven
Teil
III
Welche Gremien, Projekte und Prozesse sind auf Bun-
heit wird in diesem Teil II nicht untersucht. Im Zentrum
desebene, in den Kantonen und auf nationaler Ebene
stehen vielmehr die staatspolitischen Akteure Bund und
vorhanden, die der Koordinierung und der Zusammen-
Kantone.
arbeit dienen?
■
In welchem Ausmass haben diese Gremien, Projekte
Verflechtung der Verantwortlichkeiten zwischen
Bund und Kantonen
und Prozesse die gemeinsame Zielformulierung, die
Seit den 1980er-Jahren lassen sich Veränderungen in der
im Handlungsfeld Gesundheit auf eidgenössischer, kan-
Kompetenz- und Aufgabenteilung zwischen Bund und
tonaler und nationaler Ebene ermöglicht?
Kantonen beobachten. Der Zuständigkeitsbereich des
Priorisierung der Ziele und deren effiziente Umsetzung
■
Welches Potential tragen die eidgenössischen, kanto-
Bundes im Sektor Gesundheit hat sich kontinuierlich ver-
nalen und nationalen Strukturen und Prozesse in sich
grössert und zu Überschneidungen bei der Erfüllung von
für eine noch zu entwickelnde Kultur der Zusammen-
Aufgaben zwischen Bund und Kantonen geführt. Heute
arbeit zwischen Bund und Kantonen, für eine nationale
üben Bund und Kantone in den Bereichen Gesundheits-
Gesundheitspolitik?
förderung, Prävention, Gesundheitsschutz, Gesundheitsversorgung, Rehabilitation, Pflege sowie Aus- und Wei-
Folgende Schlüsse können aus der Analyse der horizonta-
terbildung in den Gesundheitsberufen parallele und/oder
len und vertikalen Zusammenarbeit gezogen werden.
sich überschneidende Kompetenzen bzw. Aufgaben aus.
52
Die verbreitete Meinung, dass aufgrund des Subsidiari-
Kapitel 4
tätsprinzips der Sektor Gesundheit im Kern in den kanto-
Bundesstellen arbeiten untereinander sporadisch und
nalen Kompetenzbereich fällt, stimmt so nicht mehr.
punktuell im Handlungsfeld Gesundheit zusammen und
Angesichts des im Vergleich zu früher komplexen, mehr-
gestalten dort gewisse politische Programme aktiv mit.
schichtigen Gesundheitssystems, angesichts der wachsen-
Es gibt trotzdem keine kohärente Gesundheitspolitik des
den Bedeutung der Krankenversicherer als Finanzierer
Bundes, da die verfassungsrechtlichen Kompetenzen des
von Leistungen und schliesslich angesichts der steigenden
Bundes begrenzt sind und der Bund seine gesundheits-
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Einleitung Teil II
Referenzrahmen
Teil
I
politische Verantwortung nur für einzelne Bereiche wahrnehmen kann.
Kapitel 5
Teil
II
Regierungsvertreter/innen der Kantone haben in den letzten 100 Jahren erfolgreich interkantonale Instrumente der
Zusammenarbeit
Koordination und der Zusammenarbeit entwickelt. Diese
benutzen sie mehrheitlich für den Vollzug der Bundesgesetze oder für die Befriedigung ihrer eigenen gesundheitspolitischen Bedürfnisse. Hingegen dient die interkantonale Zusammenarbeit bis jetzt nur bedingt als Nährboden
für regionale oder gesamtschweizerische Politikformulierungen im Sektor Gesundheit. Doch sind hier in jüngster
Zeit neue Formen der Zusammenarbeit unter den Kanto-
Teil
III
nen auf gesamtschweizerischer Ebene erkennbar.
Kapitel 6
Zwischen Bund und Kantonen gibt es noch keine eta-
Perspektiven
blierten Formen der paritätischen Zusammenarbeit sowie
noch keine gemeinsame Politikformulierung im Bereich
der nationalen Gesundheitspolitik. Erst allmählich beginnen sich entsprechende Strukturen und Entscheidprozesse herausbilden, deren demokratische Legitimität und
politische Wirksamkeit aber noch unklar sind
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Einleitung Teil II
53
Teil
I
Referenzrahmen
Kapitel 4
Zusammenarbeit in der Gesundheitspolitik auf Stufe Bund
Dossiers in der gesamten Bundesverwaltung anzutreffen
Zusammenarbeit
Teil
II
Teil
III
4.1 Ausgangslage
sind, erschwert eine ganzheitliche Vision und ganzheit-
Die Kantone sind gemäss dem in der Verfassung veran-
die Gefahr einer atomisierten Gesundheitspolitik des
kerten Prinzip der Subsidiarität (Artikel 3, BV) für weite
Bundes in sich.
Teile der Gesundheit zuständig. Der Bund nimmt nur in
Gemäss der für das Eidgenössische Departement des In-
denjenigen Bereichen Kompetenzen wahr, die das Stimm-
nern geltenden Organisationsverordnung (OV-EDI) vom
volk und die Kantone oder das Bundesparlament in der
28. Juni 2000 wird dem Bundesamt für Gesundheit (BAG)
Regel in Form von Verfassungsartikeln oder Bundesge-
eine federführende Rolle in der Gesundheitspolitik zu-
setzen dem Bund zugewiesen haben. Im Rahmen dieser
gewiesen. Das Bundesamt gilt als «Fachbehörde für die
föderalistischen Kompetenz- und Aufgabenverteilung
menschliche Gesundheit, für die nationale Gesundheits-
zwischen Bund und Kantonen liegt die Verantwortung für
politik, für die Mitarbeit der Schweiz in der internationa-
die Gesundheitspolitik auf Bundesebene beim Stimmvolk,
len Gesundheitspolitik, für die soziale Sicherheit in den
dem Parlament und dem Bundesrat. Letzterem stehen
Bereichen Krankheit und Unfall sowie für die ihm übertra-
zahlreiche Bundesstellen für die Ausführung von Aufga-
genen Bereiche des Konsumentenschutzes.»
ben im Gesundheitssektor zur Verfügung.
Das nun folgende Kapitel geht nicht weiter auf die inhalt-
liche Sicht auf das Gesundheitssystem Schweiz und birgt
Perspektiven
lichen Aspekte der Gesundheitspolitik des Bundes ein.
Gesundheit als Querschnittthema
Diese werden in Band 2 des Berichts ausführlich vorge-
Im Gegensatz zu den Kantonen, die umfassende Ge-
stellt. Stattdessen stehen in diesem Kapitel folgende Fra-
sundheitspolitiken konzipieren und umsetzen, kann der
gen im Zentrum: Wie planen Bundesräte angesichts der
Bund wegen des Subsidiaritätsprinzips nur in explizit
eingeschränkten rechtlichen Kompetenzen gesundheits-
an ihn delegierten Bereichen der Gesundheit tätig wer-
politische Programme und formulieren sie Gesundheits-
den. In den vergangenen 100 Jahren wurden dem Bund
ziele? Wie und wo arbeiten Bundesstellen angesichts der
rechtliche Kompetenzen in Phasen und nach politischer
Komplexität und der Multisektoralität von Gesundheit
Dringlichkeit zugeteilt. Der Bundesrat hat in der Folge
zusammen, um Strategien und Massnahmen wirkungs-
unterschiedliche Bundesstellen mit der Umsetzung der
voll, koordiniert und kohärent umsetzen? Diese Fragen
neuen Aufgaben betraut. In den letzten zwanzig Jahren
ergeben sich nicht zuletzt aus der Überlegung, dass für
war die Zuteilung von Aufgaben an den Bund besonders
die Konzipierung einer nationalen Gesundheitspolitik die
intensiv, sind doch in diesem Zeitraum die Anforderungen
zentralen staatspolitischen Akteure über entsprechende
an den öffentlichen Gesundheitssektor komplexer und
Visionen, Gesundheitsziele, Strategien und Massnahmen
anspruchsvoller geworden. Wie das «Porträt der Gesund-
verfügen sollten.
heitspolitik des Bundes» (Band 2 des Berichts) deutlich
zeigt, haben auf Stufe Bund eine Reihe neuer Themen zu
neuen Gesetzen oder Beschlüssen mit entsprechenden
Strategien, Programmen, Aktionsplänen geführt. Auf dem
4.2 Bundesrätliche Gesamtplanung
Hintergrund dieses historischen Prozesses überrascht es
Der Bundesrat ist eine Instanz, die in erster Linie poli-
nicht, dass heute 27 Bundesstellen in 7 Departementen
tisch und erst in zweiter Linie fachlich handelt. Fachliche
Aspekte der Gesundheit bearbeiten, wenn auch mit un-
Massnahmen im Bereich Gesundheit werden vor allem
terschiedlicher Intensität. Zudem beraten rund 30 ausser-
von den Einheiten innerhalb der Bundesämter entwickelt.
parlamentarische Kommissionen den Bundesrat in Fragen
Die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich auf die
der Gesundheit. Durch die Ansiedlung in allen 7 Departe-
Fachführung durch den Bundesrat, die rund 25 % seiner
menten und mehreren Bundesstellen ist Gesundheit zu
Aktivitäten ausmacht.
einem Querschnittthema geworden. Die Tabelle «Gesund-
Gestützt auf die Bundesverfassung und auf dem aus dem
heitsthemen innerhalb der Bundesverwaltung» zeigt dies
Jahr 1997 stammenden Regierungs- und Verwaltungsor-
eindrücklich (Anhang am Ende des Kapitels 4).
Die eingeschränkten Kompetenzen des Bundes im Sektor
Gesundheit und die Tatsache, dass gesundheitsrelevante
54
Organisationsverordnung für das Eidgenössische Departement des Innern (OV-EDI) vom 28. Juni 2000, S. 6.
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 4
verhindern würde. Neben der Regierungstätigkeit entlang
Verordnung die Planungstätigkeit des Bundesrates wie
von Jahreszielen tritt der Gesamtbundesrat zusammen,
folgt:
um einzelne Politikbereiche gesondert zu besprechen. So
■
Gesamtplanungen, die alle Politikbereiche des Bundes
ging der Gesamtbundesrat im Jahr 2002 in Klausur, um
umfassen. Dazu gehören die Richtlinien der Regie-
eine mögliche Reform des Gesundheitssystems Schweiz
rungspolitik nach Artikel 18 und die Jahresziele des
zu diskutieren und einzelne Massnahmen wie die Einfüh-
Bundesrates nach Artikel 19 als Sachplanungen.
rung einer Versichertenkarte oder Prämienentlastungen
Finanzplanungen nach Finanzhaushaltsgesetz vom
für Familien zu prüfen.
■
Teil
II
Zusammenarbeit
ganisationsgesetz (RVOG) umschreibt die entsprechende
Referenzrahmen
Teil
I
6. Oktober 1989 und nach Finanzhaushaltsverordnung
vom 11. Juni 1990
Grundlagen der bundesrätlichen Gesamtplanung
■
Teilplanungen zu einzelnen Politikbereichen des Bun­
Im Zuge der Umstellung auf die bundesrätliche Gesamt-
des oder zu Teilen davon
planung beschloss der Bundesrat im Vorfeld der Legisla-
■
Weitere Planungen bei Bedarf.
turperiode 1995–1999, den Planungsprozess von Anfang
an mit Vorgaben und Zielsetzungen zu führen, anstatt wie
Die bundesrätliche Gesamtplanung ist verhältnismäs-
bisher den Berichtsentwurf über Fachstellen erarbeiten
sig jung. Entsprechende Forderungen gehen auf Dis-
zu lassen.
Teil
III
1990er-Jahren zurück, erhoffte man sich doch davon eine
Qualitative Umfeldanalyse
Stärkung der Führungsfähigkeit des Bundesrates, Kosten-
Seit 1998 stützt der Bundesrat seine Legislaturplanung
einsparungen und eine effizienter arbeitende Verwaltung.
unter anderem auf den Bericht «Herausforderungen –
Seit 1995 sind Legislaturplanung und Jahresziele die poli-
Trendentwicklungen und mögliche Zukunftsthemen für
tischen Planungsinstrumente des Bundesrats. Im «Bericht
die Bundespolitik». Der Bericht, es handelt sich um eine
des Bundesrats über die Legislaturplanung» zeichnet der
qualitative Umfeldanalyse, wird im Abstand von 4 Jahren
Bundesrat die Richtlinien der Regierungspolitik für die
vom sogenannten Perspektivstab der Bundesverwaltung
jeweils kommende Legislaturperiode auf. Mit seinen Jah-
erstellt. Dieser Stab ist ein departementsübergreifendes
reszielen, den Jahreszielen der Departemente sowie den-
Gremium, welchem gemäss dem «Verzeichnis departe-
jenigen der Bundesämter konkretisiert der Bundesrat sein
mentsübergreifende Gremien und Projektorganisationen»
Legislaturprogramm. Zudem dienen die Ziele der allge-
aus dem Jahr 2000 25 Bundesämter aus allen 7 Departe-
Perspektiven
kussionen über New Public Management in den frühen
meinen Fortschreibung der schon geplanten Verwaltungsjährlichen Geschäftsbericht ab.
Politische Gesamtplanung – eine Aufgabe
auch des Parlaments
Mit dem neuen Parlamentsgesetz (ParlG), in Kraft seit
Die politische Planung war lange Zeit vollständig der
dem 1. Dezember 2003, muss der Bundesrat seine Jah-
Regierung bzw. den jeweiligen Bundesstellen vorbe-
tätigkeiten. Rechenschaft legt der Bundesrat mit seinem
resziele dem Parlament jeweils bis zu Beginn der letzten
halten. Mit der Bundesverfassung vom 18. April 1999
ordentlichen Session des Jahres bekannt geben und auf
wurde die Mitwirkung der Bundesversammlung bei
die Legislaturplanung abstimmen (Art. 144 Abs. 1 ParlG).
der staatsleitenden Politikgestaltung verankert. Das
Gestützt auf die Jahresziele nimmt die Bundespräsidentin
Parlamentsgesetz vom 13. Dezember 2002 gibt der
oder der Bundespräsident jeweils in der Wintersession im
Bundesversammlung konkret die Möglichkeit, mit Be-
Namen des Bundesrats eine Standortbestimmung vor.
schlüssen an der politischen Planung mitzuwirken. So
Der Bundesrat führt mit Hilfe dieser Prioritäten die Arbeit
werden beispielsweise die Ziele der Legislaturplanung
der Verwaltung und erhofft sich davon mehr Kohärenz in
als einfacher Bundesbeschluss verabschiedet (oder ab-
der Gesetzgebungs- und Verwaltungstätigkeit. Die Jahres-
gelehnt). Bis jetzt hat das Parlament erst zögerlich von
ziele sind rechtlich nicht bindend, sondern stellen eine po-
dem neuen Planungsinstrument Gebrauch gemacht.2
litische Absichtserklärung dar: Sie sollen die Marschrichtung und die Schwerpunkte der bundesrätlichen Politik
abstecken, ohne zum Korsett zu werden, das unvorhersehbare, aber sachlich dringend gebotene Massnahmen
Siehe hierzu auch: Susanne HARDMEIER: Die Mitwirkung der Bundesversammlung bei der politischen Planung und ihre Grundlage im neuen
Parlamentsgesetz. In: LEGES 2003 (2), S. 79–89.
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 4
55
Referenzrahmen
Teil
I
Tabelle 6: Quellen der bundesrätlichen Gesamtplanung für den Sektor Gesundheit
Bundesverwaltung
■ Gesamtrechnung der sozialen Sicherheit (BFS)
■ Schweizerische Gesundheitsbefragung (BFS)
■ Schweizerische Sozialversicherungsstatistik (BSV)
Teil
II
■ Berichte zur Ausgestaltung der schweizerischen 3-Säulen-Konzeption der Alters-, Hinterlassenen- und
Zusammenarbeit
■
■
■
■
■
■
Externe Quellen
Invalidenvorsorge, zur aktualisierten Gesamtschau des finanziellen Mehrbedarfs der Sozialversicherungen
bis zum Jahre 2025
Neue rechtliche Grundlagen (z. B. Verordnung über die Nationale Ethikkommission)
Botschaften zu Volksinitiativen im Sektor Gesundheit
Botschaften zu Gesetzesrevisionen betreffend die AHV und IV, das BVG, das KVG
Bundesrätliche Konzepte (Sportpolitik) und Strategien (Nachhaltige Entwicklung)
Bundesamt für Gesundheit: Gesamtstrategie, Forschungskonzept, ausgewählte nationale Programme und
Projekte (Migration, Tabakprävention) des BAG
Wirkungsanalysen zum Krankenversicherungsgesetz (KVG)
■ Berichte der Geschäftsprüfungskommission des Ständerates und der parlamentarischen Verwaltungskon-
trolle zu Fragen betreffend die Kosten der Krankenversicherung
Teil
III
■ 21 Gesundheitsziele für die Schweiz. Diese Ziele hat die Gesellschaft «Public Health Schweiz» in Zusammen­
■
■
Perspektiven
■
■
arbeit mit dem Bundesamt für Gesundheit erarbeitet. Sie gelten nicht als offizielle, von den politischen
Entscheidungsträgern verabschiedeten Ziele.
Forschungsergebnisse unter anderem zu Alter, zur psychischen Gesundheit, zu Umwelt und Gesundheit
Wissenschaftliche Publikationen zur öffentlichen Sozialhilfe, zu sozialer Ausgrenzung, zu Working Poor
Konferenzergebnisse (internationale Föderalismuskonferenz)
Wissenschaftliche Publikationen, in denen reformbedürftige Bereiche im Vordergrund stehen (Sozial­
versicherungen)
menten angehören. Auf dem Gebiet Gesundheit sind
Im Bereich Gesundheit hat sich der Perspektivstab mit
folgende Bundesstellen dabei: das Bundesamt für Ge-
Blick auf die Erstellung der qualitativen Umfeldanalyse
sundheit, das Bundesamt für Sozialversicherung, das Bun-
für die Legislaturperiode 2003–2007 auf zahlreiche Ein-
desamt für Statistik, das Bundesamt für Berufsbildung und
zelquellen abgestützt, nicht zuletzt auch deshalb, weil es
Technologie, das Staatssekretariat für Bildung und For-
in der Schweiz auf Bundesebene und auf nationaler Ebene
schung, das Bundesamt für Umwelt, das Staatssekretariat
seit 1993 keinen aktuellen Gesundheitsbericht, keine ge-
für Wirtschaft.
sundheitspolitischen Leitplanken oder offiziellen Gesund-
Die qualitative Umfeldanalyse des Perspektivstabs befasst
heitsziele gibt:
sich aus einer überdepartementalen Sicht mit politikrelevanten Zukunftsfragen und reflektiert die bundesrätliche
Jahresziele des Bundesrates im Sektor Gesundheit
Politik im Hinblick auf diese Fragen. Zu diesem Zweck
Drei der 16 Ziele des Bundesrats für das Jahr 2005 ent­
führt der Perspektivstab Studien und Szenarienarbeiten
hielten gesundheitsrelevante Massnahmen (siehe Tabelle
der Bundesverwaltung unter anderem aus den Bereichen
7: «Jahresziele 2005 des Bundesrates und Bilanz für den
Energie, Soziale Sicherheit, Verkehr, Gesundheit zu einer
Sektor Gesundheit»). Der Geschäftsbericht des Bundes-
Gesamtschau zusammen und analysiert deren Rückwir-
rats für das Jahr 2005 gibt unter anderem Auskunft über
kungen auf verschiedene Politikbereiche unter Einbezug
die rund 100 wichtigsten Geschäfte, die der Bundesrat
des internationalen Umfelds, der Demographie, der Wirt-
in diesem Jahr behandelt hat. Von den 16 Zielen, die für
schaft und der Technologie. Schliesslich dient die Um-
2005 gesetzt wurden, konnten drei vollständig, drei über-
feldanalyse im Rahmen der Erarbeitung der Legislaturplanung des Bundesrats seit 1999 als Grundlage für eine
Aussprache zwischen einer bundesrätlichen Delegation
und einer Delegation der Kantone. Der nächste Bericht ist
als Vorbereitung auf die Legislaturperiode 2007–2011 auf
Anfang 2007 geplant.
56
Als Grundlage für die Zusammenstellung diente das Literaturverzeichnis des Berichts des Perspektivstabs der Bundesverwaltung: Trendentwicklungen und mögliche Zukunftsthemen für die Bundespolitik – Herausforderungen 2003–2007.
Der letzte Gesundheitsbericht erschien 1993. Das Bundesamt für Gesundheit hatte ihn in Auftrag gegeben: Walter Weiss (Hg.). Gesundheit
in der Schweiz. Seismo-Verlag, Zürich 1993.
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 4
Referenzrahmen
Teil
I
Tabelle 7: Jahresziele 2005 des Bundesrates: Bilanz für den Sektor Gesundheit
Ziele
Ziel   1
Ziel-Nr. des EDI
Bilanz
13
Nicht realisiert
Die Bildung und die Forschung stärken
■ Vernehmlassung zum Verfassungsartikel und Bundesgesetz über die For-
Teil
II
schung am Menschen
■ Revision der Fachhochschulverordnung (Integration des Fachbereichs
Nicht realisiert
■ Vernehmlassung zu einem Bundesgesetz über die Psychologieberufe und
14
Zusammenarbeit
­Gesundheit)
Nicht realisiert
Entscheid zum weiteren Vorgehen
Ziel   2
Das Vertrauen in die Wirtschaft stärken durch bessere wirtschaftsrechtliche Rahmenbedingungen und Corporate Governance
Ziel   3
Mehr Wettbewerb und Transparenz auf dem Binnenmarkt schaffen
Ziel   4
Den Ausgleich des Bundeshaushalts dauerhaft sichern
Ziel   5
Die natürlichen Lebensgrundlagen erhalten
19
Teilweise realisiert
Ziel  6
Die Verkehrsinfrastruktur leistungsfähig erhalten und europäisch vernetzen und die Verkehrssicherheit verbessern
Ziel  7
Die Informationsgesellschaft gestalten und fördern
Ziel  8
Die Zusammenarbeit zwischen den staatlichen Ebenen verwesentlichen
Ziel  9
Eine ausgewogene und nachhaltige räumliche Entwicklung sicherstellen
Ziel 10
Die Altersvorsorge und die Invalidenversicherung stabilisieren
■ Botschaften zur 5. Revision der Invalidenversicherung, zur Zusatzfinanzierung
7
Teilweise realisiert
20
Teilweise realisiert
Teil
III
Perspektiven
■ Weitere Verordnungen zum Chemikalienrecht
der Invalidenversicherung und zur Straffung des IV-Verfahrens
■ Vorentscheid zu einer Revision des Unfallversicherungsgesetzes
Ziel 11
Die kinderbetreuenden und älteren Menschen besser integrieren
Ziel 12
Die Kulturpolitik überprüfen, reorganisieren und positionieren
Ziel 13
Die Chancen für schweizerische Exporte wahren und die Beziehungen zur Europäischen Union vertiefen
Ziel 14
Den Schutz der Menschenrechte auf internationaler und nationaler Ebene stärken
Ziel 15
Die neue Sicherheitspolitik umsetzten
Ziel 16
Die internen Strukturen, die Prävention und die internationale Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Polizei
­optimieren
wiegend und acht teilweise erreicht werden. Zwei müssen
Drei Sonderausschüsse bearbeiten zudem Fragen zur Si-
als nicht erreicht gelten, weil weniger als die Hälfte der
cherheit, zu Europa und zu Drogen (seit 1994). Die Aus-
zugehörigen Massnahmen realisiert wurden. Zusammen-
schüsse bereiten Beratungen und Entscheidungen des
fassend hält die Bundeskanzlei in einer Medienmitteilung
Bundesrates vor oder führen für das Kollegium Verhand-
fest, dass der Zielerreichungsgrad der Jahresplanung 2005
lungen mit anderen in- oder ausländischen Behörden oder
bei rund 60 % liegt.
mit Privaten. Mit Ausnahme des Themas Drogen wird Gesundheit in den Ausschüssen nicht diskutiert.
Zusammenarbeit der Bundesräte
in Gesundheitsfragen
Würdigung
Departementsübergreifend können die Bundesräte in so
Zwar arbeitet der Bundesrat im Rahmen der Gesamtpla-
genannten Ausschüssen (Art. 23 RVOG) zusammenar-
nung mit vierjährigen Legislaturprogrammen, mit Richt-
beiten. Es bestehen 12 Ausschüsse, die aus jeweils drei
linien und Jahreszielen. Doch sind diesen Prozessen der
Mitgliedern des Bundesrats bestehen. Die Ausschüsse
Planung, Priorisierung und Koordination im Sektor Ge-
widmen sich spezifischen Themen wie Aussenwirtschaft,
sundheit innerhalb der Bundesverwaltung Grenzen ge-
Wirtschaft allgemein, Verkehr, Finanzen, Militär, Land-
setzt. Diese Grenzen werden unter anderem durch fol-
wirtschaft, Raumordnung, Energie, Tourismus, Migration.
gende Faktoren festgelegt:
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 4
57
Referenzrahmen
Teil
I
Zusammenarbeit
Teil
II
Perspektiven
Teil
III
1. Die bundesrätliche Planung im Sektor Gesundheit ist
kung der bundesrätlichen Regierungstätigkeit haben
aus nationaler Sicht «nur» eine Teilplanung, da es keine
nicht zu einer erkennbaren Stärkung der Position des
übergeordnete Gesundheitspolitik auf nationaler Ebe-
Bundesrates als richtungsweisende Behörde geführt.
ne, das heisst, von Bund und Kantonen gibt.
So scheiterte der Versuch einer ersten Staatsleitungs-
2. Die Strategien und Massnahmen des Bundes können
reform 1996 in einer Volksabstimmung. Damals ging es
sich wegen des Subsidiaritätsprinzips nur auf einzelne,
um die Stärkung der Exekutive durch das Einsetzen
voneinander losgelöste Verfassungsartikel und Bun-
von Staatssekretären. Weitere Vorschläge wie die vom
desgesetze stützen, nicht aber auf eine übergeordnete
Bundesrat vorgeschlagene «Zwei-Kreise-Regierung»
Politik. Die fehlende übergeordnete Gesundheitspoli-
mit Delegierten Ministern oder die vom Ständerat be-
tik ist möglicherweise mit ein Grund dafür, dass es auf
vorzugte Aufstockung des Bundesrats auf neun Mit-
Stufe Bundesrat bis jetzt noch nicht gelungen ist, die
glieder fand im Parlament keine Mehrheit. Gegenwärtig
Gesundheitsfelder der 27 betroffenen Bundesstellen
konzentriert sich der Gesamtbundesrat deshalb erneut
in einer ganzheitlichen Sicht auszuleuchten und de-
auf eine Reform der Bundesverwaltung, nachdem eine
ren Zusammenhänge und Schnittstellen aufzuzeigen.
erste Regierungs- und Verwaltungsreform Ende 2000
Erschwerend auf die bundesrätliche Gesamtsicht in
abgeschlossen worden war.
der Gesundheitspolitik wirkt sich zudem aus, dass sich
4. Das Eidgenössische Departement des Innern (EDI)
die Bundesräte in den letzten Jahren in zunehmendem
zeichnet sich durch eine ausgesprochene Heterogeni-
Masse in erster Linie gegenüber ihrer politischen Par-
tät der Themen aus: Gleichstellung von Frau und Mann,
tei, dann ihrem eigenen Departement und erst an drit-
Kultur, Archivierung der Dokumente des Bundes (Bun-
ter Stelle gegenüber der Kollegialbehörde verantwort-
desarchiv), Meteorologie und Klimatologie, Gesundheit,
lich fühlen.
Statistik, Sozialversicherung, Aus- und Weiterbildung,
3. Die in den 1990er-Jahren im Zuge von New Public Ma-
Forschung, Eidg. Technische Hochschulen. Angesichts
nagement angestrebte Zentralisierung und Verstär-
der Vielzahl der Themen hat das Departement einen
Indikatoren als strategische Führungsgrössen
Das Parlament hatte im Jahr 2000 die mangelnde statistische Fundierung des Berichts über die Legislaturplanung
1999–2003 kritisiert und den Aufbau eines Indikatorensystems als Führungsinstrument verlangt. In der Folge erarbeitete das Bundesamt für Statistik in Zusammenarbeit mit dem Perspektivstab der Bundesverwaltung statistische
Führungsindikatoren für die politische Gesamtplanung.5 Der Bundesrat beurteilt unter anderem anhand dieser Indikatoren den Zustand der Schweiz, definiert den Handlungsbedarf und richtet seine Ziele danach aus. In der Legislaturperiode 2003–2007 testet der Bundesrat den Nutzen und die Grenzen dieses neuen statistischen Führungsinstruments für die Bundespolitik, um dann für die Planung 2007–2011 über die definitive Einführung zu entscheiden.
Es gibt insgesamt 15 übergeordnete Indikatoren: Öffentliche Bildungsausgaben; Aufwendungen für Forschung und
Entwicklung; Wachstumsrate des Bruttoinlandprodukts (BIP); Arbeitslosenquote; Ungleichheit der Einkommensverteilung; Staatsquote des Bundes (inkl. Sozialversicherungen); Fiskalquote des Bundes (inkl. Sozialversicherungen);
CO2-Emissionen nach CO2-Gesetz; Ozon-Konzentration; Verkehrsleistungen im Personenverkehr; Verkehrsleistungen
im Güterverkehr; Unterstützung von Regierung und Parlament bei Volksabstimmungen; Steuerbelastung der natürlichen Personen in den Kantonen; Sozialquoten gemäss Gesamtrechnung für Soziale Sicherheit (GRSS/ESSOSS);
Öffentliche Entwicklungshilfe.
Neben den übergeordneten Indikatoren gibt es die sektoriellen Indikatoren. Diese heissen für den Bereich Gesundheit: Gesundheitsausgaben; Krankenversicherungsprämien-Index; verlorene potenzielle Lebensjahre; AIDS-Neuerkrankungen; positive HIV-Testergebnisse; Rauchen; Personen mit übermäßigem Alkoholkonsum; bewegungsaktive
Bevölkerung.
5 Bundeskanzlei & Bundesamt für Statistik (Hg.), Indikatoren als strategische Führungsgrössen für die Politik. Bericht des Bundesrats vom 25. Februar
2004 in Erfüllung des Postulats «Erarbeitung eines Indikatorensystems als Führungsinstrument» (00.3225) der nationalrätlichen Legislaturplanungskommission (00.016 NR). Neuchâtel 2004.
58
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 4
EDI delegiert. Die Bundesämter, darunter auch das
gen wie auch im Besonderen innerhalb des Bundesamts
Bundesamt für Gesundheit, funktionieren teilweise
für Gesundheit hat sich im Sektor Gesundheit bis jetzt
nach eigenen Planungsvorgaben.
noch nicht etablieren können. Auch fehlt eine konsoli-
5. Schliesslich ist die bundesrätliche Gesamtplanung,
dierte Vision «Gesundheitspolitik Schweiz» sowohl auf
wie weiter oben bereits erwähnt, in einen politischen
Regierungsebene wie auf Verwaltungsebene. Die Bundes-
Kontext eingebettet, der die Wirkung der Gesamtpla-
verwaltung präsentiert sich von innen und von aussen als
nung einschränkt. Neben dem Bundesrat beeinflus-
ein heterogenes Gebilde bestehend aus eigenständigen
sen das Parlament, die Kantone und insbesondere die
Einheiten mit unterschiedlichen und zum Teil sich wider-
politische Öffentlichkeit wie die Pharmaindustrie, die
sprechenden Zielen und Aufgaben im Bereich Gesundheit.
Krankenversicherer oder die medizinischen Leistungs-
Der Bundesrat selber bestätigt diese Tatsache, wenn er
erbringer die Agenda des Bundesrates wesentlich. Po-
schreibt: «Jede Verwaltungsstelle versucht, die ihr über-
litische Einflüsse können somit ungeplant zu starken
tragenen Aufgaben so weit wie möglich zu verwirklichen
Neuorientierungen führen. Die sogenannten Entla-
und sich nicht durch entgegengesetzte Interessen behin-
stungsprogramme zwingen zum Beispiel den Bund zu
dern zu lassen. In diesen Spannungsfeldern – legitimerwei-
Kosteneinsparungen und damit zum Verzicht auf lau-
se – unterschiedlicher Interessen muss durch geeignete
fende oder geplante Aufgaben. So wird der seit 1998
Koordinationsinstrumente sichergestellt werden, dass
im Bundesamt für Gesundheit (BAG) angesiedelte
eine Offenlegung der verschiedenen Interessen zustande
Aktionsplan Umwelt und Gesundheit Ende 2007 nicht
kommt und deren sachgerechter Ausgleich stattfindet.»
Teil
II
Zusammenarbeit
tern und Departementen in bereichsübergreifenden Fra-
Teil
III
Perspektiven
Teil der Führung an die einzelnen Bundesämter des
Referenzrahmen
Teil
I
mehr weitergeführt.
Interessengegensätze und Autonomie
der Bundesstellen
4.3 Zusammenarbeit zwischen
­Bundesstellen
In der Tat streben die verschiedenen, dem Bund im Sektor
Die fachliche Führung im Sektor Gesundheit liegt inner-
tale Arbeitsgruppen nicht ausgeglichen werden können.
halb der Bundesverwaltung bei den Bundesstellen. Die
Neben den entgegengesetzten Interessen ist es die Ei-
Zuweisung von rechtlichen Kompetenzen – punktuell und
genständigkeit der Bundesstellen, die verhindert, dass
in kleinen Schritten – hat über die Jahre dazu geführt,
Bundesstellen Zusammenarbeit als Prozess interpretie-
dass die Interventionsbereiche der einzelnen Bundesstel-
ren, von dem alle mit Blick auf Effizienz und Qualität der
len auf dem Gebiet der Gesundheit vielfältig, aber auch
Arbeit profitieren könnten. Für die Selbstständigkeit der
verzettelt sind. Gesundheit ist in der Bundesverwaltung
Bundesstellen bzw. der Einheiten innerhalb einer Bundes-
zu einem Querschnittthema geworden (siehe Tabelle 8:
stelle, auch innerhalb derjenigen im Bereich Gesundheit,
«Gesundheitsrelevante Ziele für das Jahr 2006 innerhalb
können folgende Gründe angeführt werden:
Gesundheit übertragenen Aufgaben nicht selten in entgegengesetzte Richtungen, die auch über interdepartemen-
der Bundesverwaltung»). Die Verantwortungsgebiete der
Bundesstellen betreffen nur Teilbereiche der Gesundheit,
Eigene Leitlinien
sind also vom Charakter her selektiv. Das federführende
Die Bundesstellen haben in Ermangelung offizieller Ge-
Amt ist das Bundesamt für Gesundheit.
sundheitsziele für die Schweiz ihre gesundheitspolitischen
Strategien und Massnahmen lange nach eigenen Vorstel-
Schwierige Voraussetzungen für eine Kultur
der Zusammenarbeit
lungen ausgerichtet, die sie mittels interner Leitlinien und
Es wird den Bundesämtern nicht leicht gemacht, ange-
dient die Legislaturplanung des Bundesrates als bundes-
sichts der Verzettelung gesundheitspolitische Themen-
interne Orientierung. In jüngster Zeit sind jährliche Bun-
felder gemeinsam zu formulieren und untereinander zu
desratsziele und Departementsziele hinzugekommen.
Strategien konkretisiert haben. Erst seit rund 10 Jahren
koordinieren. Bundesstellen tauschen zwar Wissen aus
und arbeiten sporadisch und punktuell zusammen. Eine
Kultur der horizontalen Zusammenarbeit zwischen Äm-
Bericht des Bundesrates über seine Geschäftsführung im Jahre 1996.
4. Abschnitt: Antwort des Bundesrates – A Institutionen und Finan zen.
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 4
59
Referenzrahmen
Teil
I
Tabelle 8: Gesundheitsrelevante Ziele7 innerhalb der Bundesverwaltung für das Jahr 2006
Bundeskanzlei (total 8 Ziele)
Vorbereitung der Legislaturplanung 2007–2011 (Ziel 6)
Bericht «Herausforderungen 2007–2011» ist erarbeitet.
Teil
II
Departement des Innern (total 24 Ziele)
Zusammenarbeit
Gesamtschau für die Sozialwerke (Ziel 9)
Bericht ist verabschiedet.
Weiterentwicklung von Regelungen im Bereich der Humanmedizin (Ziel 13)
Vernehmlassungsbericht zur Verfassungsbestimmung und zum Bundesgesetz über die Forschung am Menschen liegt vor. Die Botschaft zum Verfassungsartikel über die Forschung am Menschen ist verabschiedet.
Botschaft zur Eidgenössischen Volksinitiative für eine vernünftige Hanf-Politik mit wirksamem Jugendschutz (Ziel 14)
Abklärung der Risiken im Bereich drahtloser Netzwerke (Ziel 15)
Bericht ist verabschiedet.
Klärungen im Bereich der Gesundheitsberufe (Ziel 16)
Vernehmlassung zum Bundesgesetz über die Psychologieberufe ist ausgewertet. Der Bundesrat hat über das weitere Vorgehen entschieden.
Teil
III
Überprüfung und Entwicklung des Gesundheitssystems Schweiz (Ziel 17)
Diskussion der Empfehlungen des OECD/WHO-Berichts im Rahmen des gesundheitspolitischen Dialogs mit den Kantonen hat stattgefunden.
Konzept zu einer nationalen E-Health-Strategie ist erarbeitet.
Perspektiven
Vorbereitung einer Neuregelung der Prävention und Gesundheitsförderung (Ziel 18)
Bericht der Fachkommission «Prävention und Gesundheitsförderung» zur zukünftigen Regelung der Prävention und Gesundheitsförderung in der Schweiz liegt vor. Der Bundesrat hat über das weitere Vorgehen entschieden.
Bericht zur gesetzlichen Neuregelung der Prävention und Gesundheitsförderung ist verabschiedet (in Erfüllung der Po. Humbel
05.3161 und Po. SGK-S 05.3230).
Festlegung von Massnahmen auf Kosten-und Prämienebene (Ziel 19)
Der Bundesrat hat Massnahmen in folgenden Bereichen beschlossen:
■ Senkung der Mindestreserven
■ Neubeurteilung des Leistungskatalogs unter Berücksichtigung der drei Kriterien Wirksamkeit, Wirtschaftlichkeit, Zweckmässigkeit
■ Senkung der Preise für Arzneimittel, Analysen, Mittel und Gegenstände
■ Konzepts zur Lockerung des Territorialitätsprinzips, das die Übernahme grenzüberschreitender medizinischer Leistungen vorsieht
■ Vorbereitung der Einführung der Versichertenkarte im Jahr 2008
Erarbeitung einer Botschaft und verschiedener Berichte im Bereich der Krankenversicherung (Ziel 20)
Botschaft zur Volksinitiative «Ja zur Komplementärmedizin» ist erarbeitet.
Bericht über Zusammenhänge zwischen Grund- und Zusatzversicherung in der Krankenversicherung ist verabschiedet (in Erfüllung
des Po. SGK-N 03.3596).
Bericht über Lücken und Unstimmigkeiten bei Taggeldern im KVG ist verabschiedet (in Erfüllung des Po. SGK-N 04.3000).
Bundesgesetz über die Unfallversicherung (Ziel 21)
Vernehmlassung ist eröffnet.
Ziele für das Jahr 2006 / Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (total 23 Ziele)
Weiterentwicklung des Bevölkerungsschutzes (Ziel 18)
Die mittelfristige Weiterentwicklung des Bevölkerungsschutzes ist eingeleitet
Umsetzung der Empfehlungen aus dem Projekt Nationaler ABC-Schutz ist geplant.
Umsetzung des Konzeptes des Bundesrates für eine Sportpolitik in der Schweiz (Ziel 21)
Definition der Massnahmen 2007–2010 der Sport- und Bewegungsförderung
Finanzdepartement (total 19 Ziele)
Änderung des Bundesgesetzes über die Tabakbesteuerung (Ziel 7)
Botschaft ist verabschiedet.
7 Nicht aufgeführt unter den Jahreszielen der Departemente wie auch unter den Jahreszielen der einzelnen Bundesämter sind diejenigen Aufgaben, die
regelmässig erbracht werden (z.B. im BAG: Ausstellung eidgenössischer Diplome im Bereich Humanmedizin
60
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 4
Referenzrahmen
Teil
I
Volkswirtschaftsdepartement (total 21 Ziele)
Vertiefung der Beziehungen mit der EU im Lebensmittelbereich (Ziel 16)
gegenseitige Anerkennung von geschützten Bezeichnungen (AOC und IGP)
gegenseitige Anerkennung der Hygienevorschriften für Lebensmittel
Teil
II
Revision der Tierschutzverordnung (Ziel 18)
Revision ist in Kraft
Zusammenarbeit
Konkretisierung und laufende Aktualisierung der Abläufe der Pflichtlagerfreigabe und Verteilung von Neuraminidase-Hemmern für den
Fall einer Grippepandemie (Ziel 19)
Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (total 7 Ziele)
Umsetzung der Umweltpolitik auf nationaler und internationaler Ebene (Ziel 1)
Konzept betreffend lufthygienische Massnahmen des Bundes ist verabschiedet.
Bericht über den Stand der Arbeiten betreffend Vorschläge zu CO2-Reduktionszielen für die Zeit nach 2010 ist vom Bundesrat zur
Kenntnis genommen. Der Bundesrat hat über das weitere Vorgehen entschieden.
Bericht über die unabhängige Toxikologie-Forschung in der Schweiz ist verabschiedet (in Erfüllung des Postulates Graf 02.3125).
Kernenergiegesetzgebung und nukleare Entsorgung (Ziel 6)
Die Botschaft zu einem Bundesgesetz über das Eidgenössische Nuklear-Sicherheitsinspektorat ist verabschiedet.
Der Bericht über die oberirdischen Auswirkungen eines Atommüllendlagers ist verabschiedet (in Erfüllung des Postulats Fehr HansJürg 03.3279).
tere Formen des Outsourcing, die jedoch nicht Gegen-
Verwaltungshandeln bedarf immer einer gesetzlichen
stand dieses Kapitels sind, wo es ausschliesslich um die
Grundlage. Die Departemente bezeichnen in der Regel
Zusammenarbeit innerhalb der Bundesverwaltung geht.
Perspektiven
Gesetzesprimat
Teil
III
nur jeweils eine Bundesstelle und nicht mehrere als verantwortliches Organ für die Umsetzung von Aufgaben, die
Interessengegensätze und autonome Handlungen:
aus einem Bundesgesetz resultieren. So ist ausschliesslich
Beispiele aus dem Sektor Gesundheit
das Bundesamt für Gesundheit und dort wiederum die Di-
Drogensucht: Das BAG hat auf dem Gebiet Drogen seit
rektion Kranken- und Unfallversicherung für das Bundes-
1994 die Meinungen relevanter Bundesämter über die In-
gesetz über die Krankenversicherung (KVG), die Direkti-
terdepartementale Arbeitsgruppe Drogen (IDAD) einge-
on Öffentliche Gesundheit für das Epidemiengesetz oder
holt. Das Bundesamt für Polizei (BAP) und das Bundesamt
die Direktion Gesundheits- und Verbraucherschutz für
für Sozialversicherung (BSV) wurden ebenfalls seit 1994
das Lebensmittelrecht verantwortlich (siehe hierzu auch
direkt zu Stellungnahmen betreffend das Massnahmen-
die Zusammenstellung «Gesundheitsthemen innerhalb
paket Drogen eingeladen. Diese Stellungnahmen blieben
der Bundesverwaltung» am Ende dieses Kapitels). Diese
aber für den Inhalt des MaPaDro 2 marginal, nicht zuletzt
ausschliessliche Zuständigkeit fördert das «Gärtlidenken»
wegen der erheblichen Auffassungsunterschiede zwischen
und das Fehlen gemeinsamer Ziele innerhalb der Bundes-
dem BAG und dem BAP. Auffassungsunterschiede bestan-
verwaltung und innerhalb von Bundesstellen.
den auch zwischen dem BAG und dem BSV. Während
das Bundesamt für Gesundheit in den 1990er-Jahren im
Auslagerung von Aufgaben
Rahmen des Viersäulenmodells der Drogenpolitik und im
Erschwerend auf die Zusammenarbeit bei gemeinsamen
Sinne seines Präventionsauftrags für die Ausweitung und
gesundheitspolitischen Programmen zwischen Bundes-
den Ausbau des Therapiebereichs eintrat, legte das Bun-
stellen dürfte sich zudem die Dezentralisierung von Auf-
desamt für Sozialversicherung, gestützt durch Entscheide
gaben des Bundes durch die Auslagerung einiger Bundesstellen aus der Bundesverwaltung (sogenannte Betriebe
im 3. Kreis) auswirken. Im Gesundheitsbereich finden
sich unter anderem folgende Einheiten im 3. Kreis: Das
schweizerische Heilmittelinstitut Swissmedic8 und die
Eidg. Alkoholverwaltung. Selbstverständlich gibt es wei-
Siehe hierzu und zur allgemeinen Problematik der Einheiten des
Bundes im dritten Kreis nachfolgenden Bericht: Probleme von Swissmedic anlässlich der Inbetriebnahme und Beurteilung der heutigen
Lage. Bericht der Geschäftsprüfungskommission des Ständerates vom
25. August 2004.
Daniel KÜBLER et.al., Massnahmenpaket Drogen: Determinanten der
politischen Verankerung, Schlussbericht. Zürcher Politik- & Evaluationsstudien Nr. 1, September 2003, S. 40.
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 4
61
Referenzrahmen
Teil
I
Teil
II
des Eidgenössischen Versicherungsgerichts den Invalidi-
ab. Sie erteilen anderen Verwaltungseinheiten die Aus-
tätsbegriff für suchtkranke Menschen sehr restriktiv aus
künfte, die für deren gesetzliche Aufgabenerfüllung erfor-
und beurteilte die Finanzierung stationärer Therapien
derlich sind.»
und Rehabilitationsmassnahmen über die Invalidenversi-
Einige Instrumente und Verfahren der Koordination wer-
cherung entsprechend zurückhaltend.
den hier aufgelistet:
■
Zusammenarbeit
HIV: Unterschiedliche Interessen spiegeln sich auch in
der Auslegung des Begriffs Krankheit wider. Das BAG
Teil
III
fende Koordination.
■
Generalsekretariate der Departemente: In den letzten
wertet – gestützt durch den Entscheid des Eidg. Versiche-
10 Jahren haben sich die Generalsekretariate ange-
rungsgerichts aus dem Jahr 1990 – eine HIV-Infektion als
sichts der Zunahme der Aufgaben, die dem Bund zu-
Krankheit, deren Behandlung über die soziale Kranken-
geteilt werden, sowie der Komplexität der Aufgaben
versicherung zu finanzieren sei. Um hingegen Diskriminie-
personell stark vergrössert. Das Generalsekretariat
rungen zu vermeiden, relativiert der Eidg. Datenschutzbe-
des EDI zum Beispiel zählt heute 135 Stellen (davon
auftragte die Bedeutung von HIV als Krankheit. Er vertritt
74 Informatik). Die Koordinationsfunktionen der Ge-
die Meinung, dass HIV beim Abschluss zum Beispiel einer
neralsekretariate der 7 Departemente sind manchmal
Taggeldversicherung nicht angegeben werden muss, da
überschattet von einem gespannten Verhältnis zu den
aufgrund der heutigen Behandlungsmethoden Aids nicht
nicht selten autonom agierenden Bundesämtern des
oder nur beschränkt ausbrechen wird.
betreffenden Departements.
10
■
Perspektiven
Die Bundeskanzlei sorgt für die departementsübergrei-
Konferenz der Generalsekretäre: Sie ist das oberste Ko-
Alkohol: Entgegengesetzte Interessen der Bundesstellen
ordinationsorgan und steht unter der Leitung der Bun-
finden sich im Bereich Alkohol. Mit dem Thema Alkohol
deskanzlei oder des Bundeskanzlers. In dieser Funktion
beschäftigen sich 5 Departemente und mehrere Bunde-
soll die Konferenz zu einer vorausschauenden, wirk-
sämter (siehe hierzu den Anhang «Gesundheitsthemen in-
samen und kohärenten Verwaltungstätigkeit beitragen.
nerhalb der Bundesverwaltung» am Ende dieses Kapitels),
Im Rahmen der seit 2005 laufenden Verwaltungsreform
die sich auf Gesetzesgrundlagen abstützen müssen, die
des Bundes wird die Rolle der Generalsekretariate ana-
kein kohärentes Gesamtkonzept darstellen (siehe hierzu
lysiert. Geplant ist, die Konferenz der Generalsekretäre
auch Band 2 des Berichts: Gesundheitspolitik des Bundes,
zu stärken.
Abschnitt 2, Alkohol). Während sich das Bundesamt für
■
Amtsdirektorenkonferenz: Diese jährlich stattfindende
Gesundheit beispielsweise für eine Reduzierung des risi-
Konferenz wird nicht für policyrelevante, departe-
koreichen Alkoholkonsums engagiert, betraut das Bundes-
mentsübergreifende Standortbestimmungen genutzt.
amt für Kommunikation (BAKOM) die Totalrevision des
Im Vordergrund stehen vielmehr verwaltungstech-
Bundesgesetzes über Radio- und Fernsehen (RTVG), mit
der unter anderem eine Lockerung der Werbeeinschrän-
nische Fragen.
■
kungen für Bier und Wein erreicht werden soll.
Ämterkonsultation: Im Rahmen des sogenannten Verfahrens der Ämterkonsultation werden die Anträge an
den Bundesrat im Entwurfstadium zur Stellungnahme
Bundesinterne Koordinationsinstrumente
all jenen Bundesämtern und den 7 Departementen mit
Die Heterogenität der verschiedenen Bundesstellen be-
ihren Generalsekretariaten unterbreitet, die von ihrem
dingt Instrumente und Verfahren der Koordination. Fest-
Aufgabengebiet her materiell an einer Vorlage interes-
gehalten wird die Pflicht zur Zusammenarbeit in der Ver-
siert und zur Koordination und Bereinigung von Sach-
ordnung zum Regierungs- und Verwaltungsgesetz aus dem
fragen beizuziehen sind. Dies gilt insbesondere für die
Jahr 1998 (Art. 14): «Die Verwaltungseinheiten sind zur
sogenannten Querschnittämter (Bundeskanzlei, Bun-
Zusammenarbeit verpflichtet. Sie unterstützen und infor-
desamt für Justiz, Eidgenössische Finanzverwaltung,
mieren sich gegenseitig. Sie koordinieren ihre Tätigkeiten
seco, Staatssekretariat für Bildung und Forschung,
und stimmen diese auf die Gesamtpolitik des Bundesrates
Eidgenössisches Personalamt). Im Bereich Gesundheitspolitik werden in der Regel zudem neben allen
10 Matthias Horschik (Büro Eidg. Datenschutzbeauftragter): Krankentaggeldversicherung und Datenschutz. Seminar «Datenschutz im Gesundheitswesen» vom 17. März 2000.
62
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 4
Generalsekretariaten folgende Amtsstellen bei einer
Ämterkonsultation berücksichtigt: im EDI die Ämter
■
dafür, dass deren Anliegen möglichst berücksichtigt
im UVEK die Ämter ASTRA, BAKOM und BAFU; im
werden.»11 Das Bundesamt für Gesundheit pflegt seit
EVD das Büro für Konsumentenfragen. Nach der Äm-
mehreren Jahren den wirkungsorientierten Ansatz
terkonsultation folgt das Mitberichtsverfahren.
mit Hilfe seiner internen Evaluationsstelle. Zum Stan-
Mitberichtsverfahren: Der Bundesrat entscheidet als
dard der BAG-Evaluationsfragen gehören die Zusam-
Kollegium. Das sogenannte Mitberichtsverfahren stellt
menarbeit und Aufgabenteilung zwischen Beteiligten
sicher, dass sich jedes Mitglied des Bundesrats zu den
sowie mit anderen Akteuren im Feld. Aktuelle Bei-
Anträgen seiner Kolleginnen und Kollegen äussern
spiele hierfür ist die BAG-Evaluation nichtionisierende
kann.
Strahlen (NIS) und Schall (2003–2004) sowie die BAG-
Wirksamkeitsüberprüfung bei Bundesrat und Bundes-
Zwischenevaluation des Radonprogramms 1994–2014
verwaltung: Artikel 170 der neuen Bundesverfassung
(ebenfalls 2003–2004).
Teil
II
Zusammenarbeit
■
BFS und BSV; im VBS das BASPO; im EFD die OZD;
Referenzrahmen
Teil
I
verlangt von der Bundesversammlung, dafür zu sorgen,
dass die Massnahmen des Bundes auf ihre Wirksamkeit
Für Ausnahmezustände, wie z. B. eine Pandemie, sind Kri-
überprüft werden. Eine der Massnahmen, die der Bun-
senstäbe vorgesehen. Diese setzen sich in der Regel aus
desrat 2004 vorgeschlagen hat, lautet: «Die Ämter ko-
sämtlichen relevanten Bundesstellen sowie aus weiteren
ordinieren sich ab 2005 mit anderen Akteuren. Sie be-
Akteuren wie Kantone und Fachleute zusammen.
Teil
III
in geeigneter Weise (Mitsprache bei der Formulierung
In Vorbereitung
von Pflichtenheften für Aufträge, Einsitznahme in
In der Bundesverwaltung läuft im Bereich Geschäftsver-
Steuerungs-/Begleitgruppen usw.) mit ein und sorgen
waltung derzeit das Projekt «Überdepartementale Pro-
Perspektiven
ziehen die interessierten Fach- und Querschnittämter
zesse (GEVER ÜDP)», bei dem eine Lösung für die elektronische Abwicklung von Geschäften, an denen mehrere
Auslöser für bundesinterne Koordinations­
massnahmen
Departemente beteiligt sind, entwickelt wird.
■
Aktuelle Ereignisse wie SARS oder Vogelgrippe
■
Erarbeitung und Revision von Gesetzen
Das BAG als Steuerungs- und Koordinations­
behörde im Sektor Gesundheit
■
Erarbeitung von bundesrätlichen Stellungnahmen
Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) sieht sich wie alle
zu Volksinitiativen
Bundesstellen mit dem Anspruch konfrontiert, Bundes-
■
Knappe personelle und finanzielle Ressourcen: Zu-
gesetze zu vollziehen, die ihm vom Bundesrat und vom
sammenlegen von Einheiten oder Teilen von Infra-
Parlament übertragenen Aufgaben zu erfüllen, politische
struktur
Führungsverantwortung zu übernehmen sowie mit inter-
Ähnliche Themen, ähnliche Interessen: Zusammen-
nen und externen Partnern zusammenzuarbeiten.
arbeit zwischen dem Bundesamt für Gesundheit
Dieser Anforderung versuchte das BAG in den letzten
und dem Staatssekretariat für Wirtschaft in den
15 Jahren auf der strukturellen Ebene unter anderem
Bereichen Gesundheit am Arbeitsplatz und Psy-
mit verschiedenen Reorganisationen gerecht zu werden
chische Gesundheit; Zusammenarbeit zwischen der
(1992, 1996, 2003). Der Transfer der Abteilung Kranken-
Eidgenössischen. Alkoholverwaltung, der Eidgenös-
und Unfallversicherung des Bundesamts für Sozialversi-
sischen Alkoholkommission und dem Bundesamt für
cherung in das BAG (2004) sowie die Neuausrichtung der
Gesundheit im Bereich Alkohol. Eine Übersicht über
Geschäftsfeldstrategien des BAG (2006) bilden den vor-
Projekte, die das BAG mit anderen Bundesstellen
läufigen Abschluss dieser Prozesse.
■
führt, gibt es nicht.
■
Multisektorale Themen: Nachhaltige Entwicklung,
Altern und Gesundheit oder Psychische Gesundheit
verlangen nach interdisziplinärer Zusammenarbeit:
Interdepartementale
Entwicklung
Arbeitsgruppe
Nachhaltige
11 Entscheide des Bundesrats vom 3. November 2004 zur Verstärkung
der Wirksamkeitsüberprüfungen bei Bundesrat und Bundesverwaltung
(ergänzt durch die Empfehlungen der Generalsekretärenkonferenz
(GSK) vom 19. Dezember 2005 über Qualitätsstandards1). Konsolidierte Übersicht über die Entscheide vom 19. 1. 2006. Empfehlungen
zum Zeitpunkt der Umsetzung.
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 4
63
Referenzrahmen
Teil
I
Den Anspruch auf eine Führungsrolle hat das BAG in sei-
spurigkeiten bei den internen Aktivitäten des BAG und zu
ner im Jahr 2005 verabschiedeten Vision bestätigt: «Das
Doppelbelastungen unter anderem bei kantonalen Verwal-
BAG hat auf nationaler Ebene den Lead in der Gesund-
tungsstellen führt.
12
Teil
II
Zusammenarbeit
heitspolitik der Schweiz sowie in der Gestaltung des Ge-
Perspektiven
Teil
III
sundheitswesens.» Die in der Auseinandersetzung mit den
Beispiel Sucht
Anforderungen an ein Bundesamt entwickelten Richtlinien
Was die Bereiche illegale Drogen, Alkohol und Tabak
zur Zusammenarbeit finden sich heute in der «Leitlinie zu
anbelangt, hat eine Reihe von Berichten diese drei Prä-
Organisation, Führung und Zusammenarbeit» (1999) so-
ventionsbereiche evaluiert: In einem dieser vom BAG
wie unter anderem in der Mission des Direktionsbereichs
angeforderten Berichte13 stuft dessen Autor, Markus Spi-
Gesundheitspolitik (2005), einer der 4 Direktionsbereiche
natsch, die Präventionsprogramme des BAG als fragmen-
des BAG.
tiert, inkohärent und zu wenig wirksam ein. Die Ziele und
Leitlinie: «Die erfolgreiche Zusammenarbeit in den traditio­
Massnahmen in den einzelnen Bereichen seien nicht auf-
nellen Organisationsbereichen genügt nicht mehr; inter-
einander abgestimmt und widersprächen sich teilweise.
disziplinäre Zusammenarbeit über Einheitsgrenzen oder
Fachleute wünschen sich schon seit längerem eine inte-
Führungsstufen hinweg werden zur Regel.»
grale Suchtpolitik des Bundes14, die eine verstärkte bun-
Mission: «Wir verstehen uns als Kompetenzzentrum einer
desinterne Zusammenarbeit nach sich ziehen würde. Ein
gesamtheitlichen Gesundheitspolitik innerhalb des BAG.
weiterer Bericht empfiehlt denn auch, die Drogen-, Alko-
Unsere Leistungen entstehen in gemeinsamen Prozessen
hol und Tabakprogramme des BAG einander anzunähern,
sowohl für das BAG als auch für externe Partner. Dazu
um eine höhere Kohärenz zu erreichen.15 In eine ähnliche
sind wir national und international vernetzt.»
Richtung zielt der 2005 publizierte Bericht „psychoaktiv.
ch“ der Eidg. Kommission für Drogenfragen.16 Er fordert
Nachfolgend wird ausschliesslich die Zusammenarbeit
die Ausweitung der Drogenpolitik auf eine umfassende
innerhalb des BAG und innerhalb der Bundesverwaltung
Politik der psychoaktiven Substanzen, auch der heute le-
thematisiert.
galen wie Alkohol, Tabak und Medikamente.
BAG-interne Zusammenarbeit
Interdepartementale Zusammenarbeit
Auch wenn die bereichsübergreifende Zusammenarbeit in-
Das BAG setzt seinen Wunsch nach Koordination un-
nerhalb des BAG in den oben zitierten internen Leit­linien
ter den Akteuren bis jetzt vor allem in Form des struk-
ausdrücklich gewünscht wird, auch wenn neue Führungs-
turierten Informationsaustauschs um. Beispiele für den
plattformen eingerichtet wurden, die die Koordination
strukturierten Informationsaustausch sind die ständigen
und den Austausch unter den Direktionsbereichen opti-
Plattformen des BAG sowie die departementsübergreifen-
mieren sollen, hat sich im BAG eine Kultur der internen
den Koordinationsgremien und Projektorganisationen.
Koordination und Zusammenarbeit noch nicht wirklich
etablieren können.
Ständige Plattformen des BAG
So wurden in den letzten 20 Jahren die Präventionspro-
Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) listet 18 ständige
gramme des BAG, in den Bereichen HIV/Aids, illegale
Plattformen auf, in denen es sich mit 22 Bundesämtern
Drogen, Alkohol, Tabak, Ernährung und Bewegung, in de-
oder bundesnahen Institutionen zum Austausch und zur
nen das BAG federführend war, nur teilweise mit anderen
Koordination trifft (siehe Kasten: Die Partner des BAG in-
BAG-Einheiten, die in themenverwandten Gebieten tätig
nerhalb der Bundesverwaltung).
sind, entwickelt. Bei der Umsetzung der Präventionsprogramme stützen sich die Verantwortlichen zudem auf je
eigene themenzentrierte Netzwerke ausserhalb des BAG,
ausserhalb der Bundesverwaltung oder ausserhalb der
kantonalen Verwaltungen, was nicht selten zu Doppel-
12 BAG-Vision, Januar 2004. Internes Dokument des Bundesamtes für
Gesundheit, 2005.
64
13 Bundesamt für Gesundheit (Hg.): Eine neue Suchtpolitik für die
Schweiz? Grundlagen und Materialien für eine verstärkte Integration
der suchtpolitischen Aktivitäten des Bundes, von Markus SPINATSCH,
Bern: 2004.
14 Siehe hierzu auch: Bundesamt für Gesundheit, Neue Suchtpolitik des
Bundes? Tagungsbericht der Sachverständigen-Tagung vom 21. Januar
2004.
15 Zobel et al.: Globalevaluation des Massnahmenpakets des Bundes zur
Verminderung der Drogenprobleme (MaPaDro).
16 Eidg. Kommission für Drogenfragen (EKDF): psychoaktiv.ch. Bern,
2005.
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 4
Vollständigkeit. Andere Verzeichnisse sind nicht verfügbar
angesiedelt. Die Häufigkeit der Treffen variiert zwischen
und anderweitige Recherchen auf diesem Gebiet erwiesen
2-mal pro Monat bis 1-mal pro Jahr. Besonders intensive
sich als ausserordentlich aufwändig.
Kontakte pflegt das BAG gemäss der Plattformliste (sie-
In der Regel setzt der Bundesrat interdepartementale Gre-
he Tabelle 9: Ständige Plattformen des BAG innerhalb der
mien und Projektorganisationen insbesondere dann ein,
Bundesverwaltung) mit dem Bundesamt für Veterinär-
wenn es politisch aktuelle und/oder sensible Themen zu
wesen, dem Heilmittelinstitut Swissmedic, der Direktion
bearbeiten gilt (Artikel 55 und 56 des Regierungs- und Ver-
für Entwicklung und Zusammenarbeit und dem Staatsse-
waltungsorganisationsgesetzes vom 21. März 1997). Die
kretariat für Wirtschaft. Die Themen kreisen um Betäu-
Gremien können unter anderem themenzentrierte Stra-
bungsmittel, Lebensmittel, Bovine Spongiforme Encepha-
tegien entwickeln, Forschungsprogramme vorbereiten,
Teil
II
Zusammenarbeit
11 der 18 ständigen Plattformen sind auf Direktionsebene
Referenzrahmen
Teil
I
lopathie (BSE), Ausländer und Migration, internationale
Gesundheitspolitik, die Beziehungen der Schweiz zur WHO
formationsaustauschs und Wissenstransfers im Rahmen
Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) listet 18 stän-
der Ständigen Plattformen ist nicht dokumentiert.
dige Plattformen auf, in denen es sich mit folgenden
Neben den hier erwähnten Themen gibt es weitere, wo
22 Bundesämtern oder bundesnahen Institutionen zum
Bundesstellen ein gemeinsames Interesse teilen. Im Be-
Austausch und zur Koordination trifft (in alphabeti­
reich Gesundheit am Arbeitsplatz und Psychische Gesund-
scher Reihenfolge):
heit arbeiten beispielsweise das Bundesamt für Gesund-
■
Bundesamt für Justiz (BJ)
heit und das Staatssekretariat für Wirtschaft, im Bereich
■
Bundesamt für Kultur (BAK)
Alkohol die Eidg. Alkoholverwaltung, die Eidg. Alkohol-
■
Bundesamt für Landwirtschaft (BLW)
kommission und das Bundesamt für Gesundheit phasen-
■
Bundesamt für Migration (BFM)
weise zusammen. Eine Übersicht über Projekte, die das
■
Bundesamt für Polizei (BAP)
BAG mit anderen Bundesstellen führt, gibt es nicht.
■
Bundesamt für Raumplanung (ARE)
■
Bundesamt für Sozialversicherung (BSV)
In Vorbereitung
■
Bundesamt für Sport (BASPO)
Gemäss den BAG-Amtszielen des Jahres 2006 soll neu ein
■
Bundesamt für Statistik (BFS)
«Dialog in den Bildungsfragen der Gesundheitsberufe»
■
Bundesamt für Umwelt (BAFU)
zwischen dem Bundesamt für Gesundheit und dem Bun-
■
Bundesamt für Veterinärwesen (BVET)
desamt für Berufsbildung und Technologie (BBT) initiiert
■
Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit
■
Eidgenössische Forschungsanstalt für Nutztiere
■
Eidgenössische Alkoholverwaltung (EAV)
Überdepartementale Gremien und Projekt­organisationen
■
Eidgenössische Ausländerkommission (EKA)
im Sektor Gesundheit
■
Eidgenössisches Institut für Geistiges Eigentum
tiert über diejenigen überdepartementalen Gremien und
■
Oberzolldirektion (OZD)
Projektorganisationen, denen das BAG neben den oben er-
■
Politische Direktion III (Internationale Organisa-
werden, um eine «deckungsgleiche Sicht bei den nichtuniversitären Gesundheitsberufen zu erreichen, die den ge-
Teil
III
Perspektiven
die Arbeitsgruppe Betäubungsmittel. Die Wirkung des In-
Die Partner des BAG innerhalb der Bundes­
verwaltung
und um die Nachhaltige Entwicklung. Am häufigsten tagt
(DEZA)
sundheitspolitischen Anforderungen Rechnung trägt.»
und Milchwirtschaft (ALP)
Ein bundesinternes Verzeichnis aus dem Jahr 1999 orien­
(IGE)
17
wähnten Plattformen noch zusätzlich angehört. Seit 2000
tionen) des Eidgenössischen Departement des
ist dieses Verzeichnis nicht mehr aktualisiert worden. Die
nachfolgende Liste erhebt deshalb keinen Anspruch auf
17 Das Verzeichnis «Departementsübergreifende Gremien und Projektorganisationen», das im Rahmen der Regierungs- und Verwaltungsreform
von der Verwaltungskontrolle des Bundesrats (VKB) im Jahr 1999 erstellt wurde befindet sich auf der Intranet-Seite der Bundeskanzlei.
Äussern
■
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA)
■
Staatssekretariat für Bildung und Forschung (SBF)
■
Staatssekretariat für Wirtschaft (seco)
■
Schweizerisches Heilmittelinstitut Swissmedic
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 4
65
Referenzrahmen
Teil
I
Tabelle 9: Ständige Plattformen des BAG innerhalb der Bundesverwaltung
Zusammenarbeit
Teil
II
Perspektiven
Teil
III
Name bzw. Thema der Plattform
Teilnehmende Bundesämter
Regelmässigkeit der Treffen
Lebensmittelsicherheit: Koordinationsausschuss
BAG, BVET, BLW, ALP (Direktion)
4-mal pro Jahr
Lebensmittelsicherheit
BAG, BVET (Direktion)
1–2-mal pro Monat
Umwelt und Gesundheit:
Kontaktgruppe BAG-BAFU
BAG, BAFU (Direktion)
2-mal pro Jahr
Alkohol
BAG, EAV
2-mal pro Jahr
Cannabis: Interdepartementale Arbeitsgruppe
BAG, EAV, BAP, OZD, BJ, BLW
2–5-mal pro Jahr
Betäubungsmittel: Arbeitsgruppe
BAG, Swissmedic
5–8-mal pro Jahr
Planungsgruppe Ämter (Migration)
BAG, BFF, IMES, EKA
3-mal pro Jahr
Forschung und Bildung
BAG, SBF, BBT
2-mal pro Jahr
Heilmittelkontrolle
BAG, Swissmedic (Direktion)
4–6-mal pro Jahr
Internationale Gesundheitspolitik:
Leitungsgremium
BAG, DEZA, seco, Mission Genf (Direktion)
mind. 1-mal pro Jahr
Beziehungen CH-WHO:
Interdepartementale Arbeitsgruppe
BAG, DEZA, seco, IGE, Pol.Dir.III
mind. 2-mal pro Jahr
Informationstechnologie: Koordinationssitzung
BAG, BVET, ALP (Direktion)
2–4-mal pro Jahr
Gesundheitsdaten
BAG, BFS (Direktion)
2-mal pro Jahr
Unfallversicherung
BAG, SUVA (Direktion)
3-mal pro Jahr
Interdepartementaler Ausschuss
Nachhaltige Entwicklung
Plenum: 29 Bundesstellen
BAG, seco, DEZA, BAFU, ARE (Direktion)
2-mal pro Jahr Büro
2-mal pro Jahr Plenum
Sport und Gesundheit
BAG, BASPO
1-mal pro Jahr
TSE (transmissible spongiforme Enzephalo­
BAG, BVET, Swissmedic, BLW, BSE-Einheit
(Direktion)
4-mal pro Jahr
Geschäftsführender Ausschuss des Bundes
für eine nationale Gesundheitspolitik
BAG, BFS (Direktion)
3-mal pro Jahr
Bundesinternes Netzwerk Umwelt und Gesundheit
ARE, ASTRA, BAG, BASPO, BFE, BLW, BAFU,
BWO
3–4-mal pro Jahr
pathien): Plattform
Quelle: Bundesamt für Gesundheit (1999) und eigene Ergänzungen
oder die Umsetzung eines Programms begleiten. Manche
Abschliessend werden nachfolgend einige aktuelle über-
Gremien bzw. Projektorganisationen sind ständige, viele
departementale Gremien und Projektorganisationen be-
haben einen zeitlich befristeten Auftrag und lösen sich
schrieben:
nach Erfüllung des Mandats wieder auf. Beispiele eines
befristeten Auftrags im Bereich Gesundheit waren die
Interdepartementaler Ausschuss Nachhaltige
beiden bundesinternen Arbeitsgruppen «Finanzierungs-
­Entwicklung (IDANE)
perspektiven der Sozialversicherungen» (IDA FiSo I und
Anlässlich der UNO-Konferenz über Entwicklung und
II). Die beiden Arbeitsgruppen berechneten 1996/97 im
Umwelt von 1992 in Rio de Janeiro hat sich die Schweiz
Auftrag des Bundesrates den künftigen Finanzmehrbedarf
zusammen mit 178 weiteren Staaten verpflichtet, auf na-
der Sozialwerke und veröffentlichten zwei entsprechende
tionaler und internationaler Ebene eine Politik für die
Berichte. Das gleiche gilt für die Interdepartementale Ar-
Nachhaltige Entwicklung auszuarbeiten und umzusetzen.
beitsgruppe Forschungsprogramm Altersvorsorge (IDA
Daraufhin hat der Bundesrat den Interdepartementalen
ForAlt: EDI, EFD, EVD, 2000–2003), die als Abschluss ih-
Ausschuss Rio (IDARio) eingesetzt, welcher im Oktober
rer Tätigkeit 2003 den Synthesebericht zum Forschungs-
2004 in «Interdepartementaler Ausschuss Nachhaltige
programm zur längerfristigen Zukunft der Alterssicherung
Entwicklung (IDANE)» umbenannt wurde.
publiziert hat.
66
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 4
Tabelle 10: Bundesverwaltung: Überdepartementale Gremien
im Sektor Gesundheit
das Bundesamt für Energie (BFE) und das Bundesamt für
Perspektivstab der Bundesverwaltung
Im Rahmen des Aktionsplans Umwelt und Gesundheit
Forschungsdatenbank ARAMIS
wurde das «BAG-Leitbild für eine multisektorale Gesund-
CERN-Begleitgruppe der Verwaltung (Nuklearforschung)
heitspolitik» in Zusammenarbeit mit den Bundesämtern
Interdepartementale Arbeitsgruppe «Beziehung Schweiz-WHO»
BAFU und ARE sowie dem Schweizerischen Gesundheits-
Comité national Pékin
observatorium (OBSAN), der Schweizerischen Konferenz
Referenzrahmen
Teil
I
Landwirtschaft (BLW) angehören.
der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren
Interdepartementale Arbeitsgruppe Migration
tet.18 Die Verankerung und Umsetzung dieses BAG-Leit-
EOR-LAR (Bevölkerungsschutz)
bildes innerhalb der Bundesverwaltung steht noch aus.
Steuerungsgruppe Bildung-Forschung-Technologie
Sparmassnahmen im Rahmen des sogenannten «Entla-
Interdepartementale Arbeitsgruppe Gentech
stungsprogramms des Bundes» bedrohen gegenwärtig die
Interdepartementaler Ausschuss Nachhaltige Entwicklung
(IDANE)
politische Nachhaltigkeit der im Aufbau befindlichen Stra-
Zusammenarbeit
Groupe de travail interdépartemental «Suivi de la 4 conférence
mondiale sur les femmes»
e
Teil
II
(GDK) und der Gesundheitsförderung Schweiz erarbei-
Teil
III
tegie «Nachhaltige Entwicklung».
Comité Interdépartemental de Consultation – FAO (Landwirtschafts- und Ernährungsorganisation der Vereinten Nationen)
– FAO(CIC-FAO)
Koordinationsplattform Prävention
Arbeitsgruppe «Endokrine Effekte»
Die Koordinationsplattform Prävention wurde 2001 ins
Leben gerufen. Die Plattform richtet sich an diejenigen
Perspektiven
Arbeitsgruppe des Bundes für die nukleare Entsorgung (AGNEB)
Institutionen, die aufgrund von Rechtsvorschriften in eidgenössischen Gesetzen Präventionsaufträge zu erfüllen
IDANE ist im Kontext der bundesinternen Zusammenar-
haben. Ziel der Koordinationsplattform ist es, angesichts
beit eine besonders gut strukturierte interdepartemen-
der Überschneidungen von Kompetenzbereichen der be-
tale Gruppe. Seit 1997 bindet sie 29 Bundesämter mit
teiligten Institutionen Doppelspurigkeiten zu vermeiden.
ihren Direktionen in die Umsetzung der vom Bundesrat
Folgende Bundesstellen wirken mit:
beschlossenen Massnahmen der Strategie Nachhaltige
■
Beratungsstelle für Unfallverhütung (bfu)
Entwicklung ein. Das Wirken der IDARio soll als vielver-
■
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA)
sprechendes Beispiel bundesinterner Vernetzung an die-
■
Schweizerischer Versicherungsverband (SVV)
ser Stelle deshalb kurz beschrieben werden. Kernämter
■
Gesundheitsförderung Schweiz
der IDANE sind das Bundesamt für Umwelt (BAFU), das
■
Staatssekretariat für Wirtschaft (seco)
Staatssekretariat für Wirtschaft (seco), die Direktion für
■
Eidg. Koordinationskommission für Arbeitssicherheit
desamt für Gesundheit (BAG). Der Vorsitz in der Gruppe
■
Kantonale und eidg. Arbeitsinspektorate
wechselt jährlich zwischen diesen Ämtern. Das Bundes-
■
Bundesamt für Gesundheit (BAG)
Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) und das Bun-
(EKAS)
amt für Raumentwicklung (ARE) wirkt als Koordinationsund Unterstützungsorgan. Die Kernämter sind für die Wir-
Nationales Alkoholprogramm 1999–2003
kungskontrolle der einzelnen Massnahmen verantwortlich
Bis 1987 war das Thema Alkohol in der Eidg. Alkohol-
und informieren jährlich über den Stand der Aktivitäten.
verwaltung angesiedelt. 1988 kam es zum Bundesamt für
Das ARE übernimmt das Controlling und erstellt aufgrund
Gesundheit. 1999 startete das erste Nationale Alkohol-
der Mitteilungen der Ämter einen jährlichen Kurzbericht
programm «Alles im Griff?». Dieses grosse Präventions-
mit einer Zusammenfassung der Resultate. Der im Rah-
programm mit sechs Teilprojekten wurde von drei Part-
men der Strategie Nachhaltige Entwicklung ausgearbei-
nern getragen: dem Bundesamt für Gesundheit (BAG),
tete Aktionsplan Umwelt und Gesundheit unterhält ein
der Eidgenössischen Alkoholverwaltung (EAV) und der
weiteres Bundesnetzwerk, dem unter anderem Fachleu-
Nichtregierungsorganisation
Schweizerische
Fachstel-
te aus den Kernämtern der «Nachhaltigen Entwicklung»
(ARE, BAG, BAFU, DEZA, seco) sowie das Bundesamt für
Strassen (ASTRA), das Bundesamt für Sport (BASPO),
18 Bundesamt für Gesundheit: Leitbild für eine multisektorale Gesundheitspolitik. April 2005.
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 4
67
Referenzrahmen
Teil
I
Teil
II
le für Alkohol- und andere Drogenprobleme (SFA). Der
derung in der Schweiz» erarbeiten, bevor der Bundesrat
Entscheid der drei Partnerorganisationen BAG, EAV, SFA,
allenfalls eine Neuregelung der Prävention und Gesund-
gemeinsam ein Alkoholpräventionsprogramm zu starten,
heitsförderung in Erwägung zieht (siehe hierzu auch Ka-
bedeutete 1999 einen ersten Schritt in Richtung einer ge-
pitel 6.3: Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen:
meinsamen Alkoholpolicy. Durch die Dreierträgerschaft
Gesundheitsförderung und Prävention).
sollen das vorhandene Wissen, die Verantwortung und die
Zusammenarbeit
Ressourcen optimal genutzt werden.
Aramis
Das ARAMIS-Informationssystem über Forschungspro-
Teil
III
Migration und Gesundheit
jekte und Entwicklungsvorhaben in der Schweiz ist eine
Die Strategie «Migration und Gesundheit 2002–2006», de-
Datenbank, die über die vom Bund finanzierten oder
ren Umsetzung 2004 begann, ist das Ergebnis einer äm-
durchgeführten Forschungsarbeiten informiert und damit
terübergreifenden Koordination zwischen dem BAG, dem
die Koordination verbessern und Transparenz schaffen
Bundesamt für Flüchtlinge (BFF) und dem Bundesamt
möchte. Alle Institute, die dem Forschungsgesetz unter-
für Ausländer (heute im Bundesamt für Migration zusam-
stehen, geben ihre Daten in diese Datenbank ein (rund 50
mengefasst) und der Eidgenössischen Ausländerkommis-
Bundesstellen).
Perspektiven
sion (EKA). Die Inhalte der Strategie stützen sich auf eine
breit angelegte Umfrage bei Expertinnen und Experten
Interdepartementaler Ausschuss Informationsgesell-
und einer ausgedehnten Vernehmlassung. Erarbeitet wur-
schaft (IDA IG)
de die Strategie in Anlehnung an die WHO-Zielsetzung
> www.infosociety.ch
«Gesundheit für alle im Jahr 2000» und auf Grundlage der
Der Bundesrat hat den IDA IG 1998 beauftragt, die Ak-
Verordnung zur Integration von Ausländerinnen und Aus-
tivitäten der Departemente und Ämter zu koordinieren
ländern vom 13. September 2000. Der Bundesrat hat die
und zu begleiten und den Informationsfluss zwischen den
Strategie im Juli 2002 verabschiedet.
öffentlichen Verwaltungen aller Stufen zu fördern. Dem
Ausschuss, der vom Bundesamt für Kommunikation (BA-
Gesetzgebungsprojekte
KOM) geleitet wird, gehören mehr als 30 Bundesstellen
Prozesse der Gesetzgebung (Legiferierung) und der Ge-
an, darunter das BAG mit dem Thema E-Health. Gemäss
setzesrevisionen sind in der Bundesverwaltung seit jeher
seiner Strategie für eine Informationsgesellschaft in der
verwaltungsübergreifend organisiert. Aktuell haben hier
Schweiz (Januar 2006) setzt der Bundesrat die Schwer-
die Bundesämter BAG, BVET, BLW in einem gemeinsamen
punkte beim elektronischen Behördenverkehr (E-Govern-
Prozess im Jahr 2005 die Revision des Lebensmittelrechts
ment) sowie beim Einsatz von Informations- und Kommu-
vorbereitet, um es an das EU-Recht anzupassen.
nikationstechnologien im Gesundheitswesen (E-Health).
Das Verordnungspaket zum neuen Chemikalienrecht
Von der Integration der Informations- und Kommunika-
wurde ebenfalls im Rahmen eines interdepartementalen
tionstechnologien in das Gesundheitssystem (E-Health)
Projekts ausgearbeitet, um den Schutz von Umwelt und
erhofft sich der Bundesrat für die Bevölkerung in der
Gesundheit damit unter ein gemeinsames Dach zu stellen.
Schweiz einen verbesserten Zugang zu Gesundheitsinfor-
An diesem Projekt waren primär die folgenden Bundes­
mationen und mehr Effizienz im Gesundheitswesen. Eine
ämter beteiligt: Bundesamt für Gesundheit (BAG); Bun-
konkrete nationale Massnahme betrifft die laufenden Ar-
desamt für Umwelt (BAFU) und das Staatssekretariat für
beiten an der Versichertenkarte.
Wirtschaft (seco). Das Chemikalienrecht ist seit 1. 8. 2005
in Kraft.
Weitere Projekte des BAG in ämterübergreifender
­Zusammenarbeit sind:
■
In Diskussion
BAG/BASPO
Eine vom Eidg. Departement des Innern eingesetzte Fach-
■
Projekt «sport.rauchfrei» – BAG/BASPO/Swiss Olympic
kommission, der auch Vertreter/innen der Kantone ange-
■
FocalPointCH – Sicherheit und Gesundheit am Arbeits-
hören, soll gemäss Mandat bis Juni 2006 eine «Vision und
Thesen zur Zukunft der Prävention und Gesundheitsför68
Programm «LaOla, Suchprävention im Sportclub» –
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 4
platz: seco, suva, EKAS, BAG, BFS
Referenzrahmen
Teil
I
zu bestimmten Themen konsolidierte kantonale Positio­
4.4 Potential für eine nationale
­Gesundheitspolitik
nen und Strategien zu erfahren, ist es auch für die Kan-
Die gesundheitspolitischen Planungs- und Regulierungs-
den Anhang «Gesundheitsthemen innerhalb der Bundes-
massnahmen des Bundes auf nationaler Ebene sind aus
verwaltung» am Ende dieses Kapitels).
verschiedenen Gründen eingeschränkt:
Bundesintern geht es dabei auch um die Frage nach dem
■
Wegen des Subsidiaritätsprinzips kann der Bund nur in
Verhältnis zwischen Regierung und Verwaltung: Wie stark
einzelnen Gesundheitsbereichen aktiv werden. Dies er-
sollte sich die Bundesverwaltung auf ausführende Tätig-
schwert nicht nur eine ganzheitliche Vision und ganz-
keiten beschränken? In welchem Ausmass sollen Bun-
heitliche Sicht auf das Gesundheitssystem Schweiz,
desstellen auf neue gesundheitliche Herausforderungen
■
Teil
II
sondern auch eine entsprechende Steuerung.
reagieren, auch wenn noch kein gesetzliches Mandat
Der Gesundheitsmarkt ist ein besonders stark wach-
vorliegt? Welchen Anteil könnten die administrativen Ak-
sender Wirtschaftszweig. Er beschäftigt einen volkswirt­
teure an der Ziel- und Programmformulierung haben? Die
schaftlich bedeutenden Anteil Erwerbstätiger und ist
Beispiele im Sektor Gesundheit (siehe 4.3.4 und 4.3.5)
im politischen Prozess durch private Akteure gut ver-
zeigen, dass sich die Verwaltung wegen ihres Fachwis-
treten. Den Markt mit staatlichen Massnahmen regu-
sens, ihrer Eigeninteressen und ihrer Koordinationsfähig-
lieren zu wollen, könnte den Abbau von Arbeitsplätzen
keit zu einem Akteur entwickelt hat, der selbst politische
im Bereich Behandlung, Pflege, Forschung und Produk­
Prozesse anregt, begleitet, durchführt, mitgestaltet und
tion von Hilfsmitteln nach sich ziehen.
mitentscheidet.
Angesichts der ausgezeichneten Qualität der medizini­
Angesichts des markanten Leistungsausbaus des Staates
schen Leistungen und der Zufriedenheit der Bevölkerung
bei gleichzeitigem Abbau der finanziellen und perso-
mit diesen Leistungen scheint kein dringender Bedarf
nellen Ressourcen steigt der Druck auf die Amtsstellen
auf Seiten des Bundes zu bestehen, in den Gesundheits-
der Bundesverwaltung zu fusionieren oder sich strikt auf
markt einzugreifen. Einzig die auch im internationalen
die Erledigung der Kernaufgaben zu beschränken. Der
Vergleich hohen Kosten des Systems sowie neue The-
Bundesrat hat seit Beginn der 1990er-Jahre verschiedene
men wie die demographische Alterung der Bevölkerung
Anläufe unternommen, um mit Regierungs- und Verwal-
oder die Zunahme nicht übertragbarer Krankheiten wür-
tungsreformen und mit einer Reform der Staatsleitung
den zum jetzigen Zeitpunkt ein Eingreifen des Bundes
seine Führungsfähigkeit zu stärken und die Verwaltung
rechtfertigen. Aber die Gesundheitsförderung und die
nach den Grundsätzen von New Public Management aus-
Krankheitsprävention oder die besonders kosteninten-
zurichten.
Zusammenarbeit
bestimmten Gesundheitsthemen zu erfahren (siehe hierzu
Teil
III
Perspektiven
■
tone schwierig, eine konsolidierte Haltung des Bundes zu
siven Bereiche wie das Spitalwesen und die Spitzenme■
dizin unterstehen der Kompetenz der Kantone.
Für den Bereich Gesundheit ergab sich im Zuge der Regie-
Zwar ist der Handlungsspielraum des Bundes einge-
rungs- und Verwaltungsreform folgende Zentrierung von
schränkt. Doch haben Bundesrat und Bundesstellen
Aufgaben:
in den letzten Jahren Prozesse ausgelöst, Strukturen
■
Alter und Gesundheit: Mit der Zentrierung der bisher
errichtet und Projekte lanciert, die als Schritte hin zu
auf mehrere Bundesämter verteilen Kompetenzen
mehr Koordination und Zusammenarbeit auf nationaler
rund um die Themen Kinder, Jugend, Familie und Alter
Ebene verstanden werden können.
beim Bundesamt für Sozialversicherung (ab 1. 1. 2005)
sollen die bundesinterne Koordination verbessert, die
Zusammenlegung von Bundesstellen
administrativen Prozesse vereinfacht und die externen
Viele für eine schweizerische Gesundheitspolitik relevante
Kontakte unter anderem mit den Kantonen und den
Themen sind über verschiedene Bundesstellen verstreut.
Nichtregierungsorganisationen erleichtert werden.
Dies erschwert nicht nur die bundesinterne Koordination
■
Lebensmittel: Agroscope Liebefeld-Posieux (ALP) ist
und Zusammenarbeit, sondern auch die Zusammenarbeit
Anfang 2004 aus der Zusammenlegung der Eidgenös-
mit externen Partnern. So wie es für den Bund nicht im-
sischen Forschungsanstalten für Nutztiere in Posieux
mer einfach ist, angesichts 26 kantonaler Souveränitäten
(RAP) und für Milchwirtschaft in Liebefeld (FAM) ent-
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 4
69
Referenzrahmen
Teil
I
Teil
II
Zusammenarbeit
■
Perspektiven
Teil
III
■
standen. Die fünf landwirtschaftlichen Forschungsan-
gungen betreffend das Gesundheitssystem Schweiz anzu-
stalten sind dem Bundesamt für Landwirtschaft unter-
stellen. Konkret zur Diskussion steht unter anderem eine
stellt.
Neuregelung der Prävention und Gesundheitsförderung.
Aus- und Weiterbildung im Sektor Gesundheit: Im Zuge
Zu diesem Zweck hat der Bundesrat die Fachkommission
der Regierungs- und Verwaltungsreform wurden die
«Prävention und Gesundheitsförderung» eingesetzt. Ihr
Aufgaben in den Bereichen Bildung, Forschung, Tech-
gehören Vertreter/innen der Bundesverwaltung, der Kan-
nologie, die auf vier Departemente verteilt waren, in
tone, Kranken- und Unfallversicherer, Leistungserbringer
zwei angesiedelt: das Eidgenössische Departement
sowie Expertinnen und Experten an. Die Kommission soll
des Innern (EDI) und das Eidgenössische Volkswirt-
bis Mitte 2006 erste Vorschläge in Form eines Berichts
schaftsdepartement (EVD). Im EDI befindet sich heute
«Prävention und Gesundheitsförderung» unterbreiten.
das Staatssekretariat für Bildung und Forschung, das
Als Diskussionsbasis dient der Fachkommission das vom
im Jahr 2004 durch eine Fusion des Staatssekretariats
Bundesamt für Gesundheit erstellte Papier «Vision und
der Gruppe für Wissenschaft und Forschung mit dem
Thesen zur Neuregelung von Prävention und Gesund-
Bundesamt für Bildung und Wissenschaft entstand. Im
heitsförderung in der Schweiz».
EVD ist das Bundesamt für Berufsbildung und Tech-
Angesichts der Tatsache, dass gesundheitspolitische
nologie angesiedelt. Insbesondere die Kantone und die
Dossiers in der gesamten Bundesverwaltung anzutreffen
Schweizerische Universitätskonferenz SUK fordern,
sind, fliesst ein weiterer Aspekt in die Diskussion über
dass sich der Bildungsbereich nur in einem Departe-
den Paradigmenwechsel ein: der multisektorale Ansatz in
ment befindet.
der Gesundheitspolitik. Das Bundesamt für Gesundheit
In Diskussion ist die Fusion des Bundesamts für Land-
(BAG) hat mit der Entwicklung seines «Leitbilds für eine
wirtschaft mit dem Bundesamt für Veterinärwesen,
multisektorale Gesundheitspolitik»19 hier einen wertvollen
dem Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung
Beitrag geleistet. Die Umsetzung des Leitbildes steht noch
sowie der Abteilung Lebensmittel im BAG zu einem Le-
aus.
bensmittelamt. Ausserdem hat der Bundesrat das Eid-
Die Auseinandersetzung mit multisektoralen Themen wie
genössische Volkswirtschaftsdepartement (EVD) und
Nachhaltige Entwicklung, Altern und Gesundheit oder
das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) im
Psychische Gesundheit könnten Anreize zu vermehrter
Jahr 2005 beauftragt, die Zusammenführung der für die
Zusammenarbeit unter den Bundesstellen sein: Weder
Bildung zuständigen Bundesämter oder deren Teile, zu
lassen sich diese Themen rechtlich oder fachlich nur einer
prüfen. Zu den zu überprüfenden Bereichen gehört
Bundesstelle zuordnen, noch können sie im Alleingang er-
auch die Aus- und Weiterbildung in den Gesundheits-
folgreich bearbeitet werden, sondern nur interdisziplinär.
berufen.
Führungsanspruch des BAG auf nationaler Ebene
Folgende Bundesstellen im Sektor Gesundheit wurden
Der Bund möchte seine Gesundheitspolitik besser koordi-
FLAG-Stellen (Führen mit Leistungsauftrag und Global-
nieren und innerhalb der Bundesverwaltung und auf Bun-
budget): Die Landwirtschaftlichen Forschungsanstalten
desebene die politische Führung vermehrt wahrnehmen.
und das Bundesamt für Sport. Rechtlich verselbstständigt
Diesen Führungsanspruch hält die BAG-Vision aus dem
wurde das Schweizerische Heilmittelinstitut Swissmedic.
Jahre 2004 fest: «Das BAG nimmt auf nationaler Ebene
Im Zuge der Verwaltungsreform 2005/2007 wird der Bund
seine Führungsverantwortung in der Gesundheitspolitik
die Position von Swissmedic als FLAG-Institution noch-
der Schweiz sowie in der Gestaltung des Gesundheitswe-
mals überprüfen.
sens wahr.»20 Zwei wichtige Voraussetzungen bringt das
BAG mit, um den Führungsanspruch einzulösen: Grosses
Gesundheitspolitik: Paradigmenwechsel
Fachwissen und langjährige Erfahrung in der Entwicklung
Der Bundesrat hat im Rahmen seiner Legislaturziele
von gesamtschweizerischen Strategien. Zudem scheinen
2004–2007 mit Ziel 5, «Die Sozialversicherungen zukunftsfähig ausgestalten, das Gesundheitssystem grundlegend
überprüfen, die Invalidenversicherung stabilisieren», Bereitschaft signalisiert, grundsätzliche strategische Überle70
19 Bundesamt für Gesundheit: Leitbild für eine multisektorale Gesundheitspolitik. April 2005.
20 BAG-Vision, Januar 2004. Internes Dokument des Bundesamtes für Gesundheit, 2004.
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 4
drei weitere aktuelle Entwicklungen den Führungsan-
Forschung am Menschen, Stammzellenforschung, Prä-
spruch des BAG zu untermauern.
vention und Gesundheitsförderung, Medizinalberufe,
Referenzrahmen
Teil
I
Psychologieberufe. Siehe hierzu auch Band 2 sowie
1. Nationale Gesundheitspolitik: Gemäss dem Direktor
des Bundesamts für Gesundheit (BAG) soll das BAG
Teil
II
Teil I «Gesundheitssystem Schweiz: Referenzrahmen»
in diesem Band.
als federführendes Amt gehaltvoll und proaktiv Auf-
Zusammenarbeit
bau-, Vernetzungs- und Bewahrungsarbeit für eine
nationale Gesundheitspolitik leisten.21 In diesem Sinne
führt das BAG seit 2004 die Geschäftsstelle des Bundes
für die Nationale Gesundheitspolitik. Mit der Steuerung des Dialogprozesses und der allfälligen Erarbeitung von koordinierten Gesundheitsstrategien hat der
Bund den Geschäftsführenden Ausschuss beauftragt.
Ihm gehören gegenwärtig der Direktor des BAG, die
Teil
III
Direktorin des BFS und eine leitende Person des BAGDirek­tionsbereichs Kranken- und Unfallversicherung
an. Eine parallele Organisation gibt es auf kantonaler
Ebene (siehe hierzu die Abschnitte 5.4.1 und 6.4.1 der
Perspektiven
Kapitel 5 und 6 in diesem Bericht).
2. Reorganisation des BAG: Am 1. Januar 2004 wurde das
Geschäftsfeld Kranken- und Unfallversicherung (KUV)
vom Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) in das
Bundesamt für Gesundheit (BAG) überführt. Mit diesem Schritt sollen Wissen und Kompetenzen im Sektor
Gesundheit in einem Amt vereint werden. Mittelfristig
erhofft sich der Vorsteher des eidgenössischen Departements des Innern von diesem Transfer eine ganzheitlichere Sichtweise auf die Gesundheit (Prävention,
Gesundheitsschutz und Gesundheitsversorgung), mehr
Kohärenz bei den Massnahmen des Bundes im Gesundheitsversorgungsbereich und eine bessere Kenntnis
und Kontrolle der Faktoren, die einen Einfluss auf die
Gesundheitspolitik haben. Auf ein erhöhtes Bewusstsein für gesundheitspolitische Prozesse weist die im
Zuge der Reorganisation des BAG entstandene Direktion Gesundheitspolitik hin. Der Transfer bedingt die
Überarbeitung der Gesamtstrategie und der Geschäftsfelder des BAG. Dieser Prozess wird Ende 2006 abgeschlossen sein.
3. Zukunftsgerichtete Gesetzgebungsprozesse: Das Bundesamt für Gesundheit versucht über bereits erfolgte
bzw. laufende Gesetzgebungsprozesse seinen politischen Führungsanspruch zu festigen und die Steuerung auf gesamtschweizerischer Ebene zu verstärken:
21 Präsentation der Ziele der neu zu schaffenden Direktion Gesundheitspolitik im BAG durch Th. Zeltner, 15. 3. 2004.
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 4
71
Teil
I
Referenzrahmen
Anhang
Gesundheitsthemen innerhalb der Bundesverwaltung: Zuständigkeiten, ohne Eidg. Kommissionen (Auswahl)
Zusammenarbeit
Teil
II
Perspektiven
Teil
III
  1. Alkohol, Verkehrssicherheit
ASTRA; BAG; BAKOM BASPO; BLW; EAV (Eidg. Alkoholverwaltung);
Eidg. Zollverwaltung/Oberzolldirektion; seco
  2. Arbeit und Gesundheit, Verhütung von Berufs­
unfällen und berufsbedingten Erkrankungen,
betriebliche Gesundheitsförderung
Seco; BAG; BSV; SUVA; BAFU
  3. Ausbildung und Gesundheit
BAG (universitäre Medizinalberufe); BBT (Gesundheitsberufe auf
­Sekundarstufe II und auf Fachhochschulebene); Staatssekretariat für
Bildung und Forschung (universitäre Hochschulpolitik, Forschung)
  4. Betäubungsmittel (legale und illegale Drogen)
BAG, BSV, BAP (Bundesamt für Polizei oder fedpol), swissmedic
  5. Biologische Sicherheit/Bioterrorismus
Bundesamt für Energie; BAFU; ARE; BAG; VBS (ABC-Schutz)
  6. Biomedizin
BAG
  7. Chemikalien
BAG; BAFU
  8. Chronische, nichtübertragbare Krankheiten
BAG; BASPO; seco
  9. Ernährung
BAG; Bundesamt für Veterinärwesen (BVET);
Bundesamt für Landwirtschaft (BLW)
10. E-Health
BAG; BAKOM
11. Forschung
SBF (Staatssekretariat für Bildung und Forschung);
Schweizerischer Nationalfonds; BAG; BSV; ETH
12. Gender Health
BAG; Eidg. Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann
13. Genetisch veränderte Organismen
BAG; BAFU
14. Gesundheitsförderung
BAG; BASPO; seco
15. Gesundheitsaussenpolitik
BAG; DEZA; EDA (Pol Dir III)
16. Gesundheitsstatistiken
BFS; BAG; BSV; BASPO; Bundesamt für Polizei
(Schweizerische Betäubungsmittelstatistik)
17. Heilmittel
Swissmedic
18. HIV/Aids
BAG
19. Epidemien und übertragbare Krankheiten
BAG
20. Impfungen
BAG
21. Invalidität
BSV, Eidg. Büro für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen
22. Krisenmanagement
Bundesamt für Gesundheit (BAG)
23. Katastrophenschutz; Sicherheit von Nuklearanlagen
Koordinierter Sanitätsdienst (KSD); Bundesamt für Bevölkerungsschutz
(BABS); Bundesamt für Energie
24. Lebensmittel; Trinkwasser;
BAG; BVET; Bundesamt für Wasser und Geologie (BWG);
Eidg. Zollverwaltung; Bundesamt für Landwirtschaft (BLW)
Fleischkontrolle/Tierseuchen
25. Migration und Gesundheit;
BAG, Bundesamt für Justiz; Bundesamt für Migration (BFM)
grenzsanitarische Untersuchungen
26. Nachhaltige Entwicklung
29 Bundesämter, darunter seco, BAG, BAFU, ARE, DEZA
27. Patientenrechte
Bundesamt für Gesundheit; Bundesamt für Justiz (BJ)
28. Prävention
BAG; Eidg. Alkoholverwaltung; BASPO; BFM
29. Psychische Gesundheit
BAG; seco; BSV,
30. Sport, Bewegung
BASPO; BAG
31. Strahlenschutz
BAG
32. Tabak; Tabakzoll
BAG; BASPO; seco; Eidg. Zollverwaltung; Bundesamt für Landwirtschaft
33. Transplantationsmedizin
BAG
34. Unfallverhütung (nichtberufliche)
Büro für Unfallverhütung (bfu); Bundesamt für Strassen (ASTRA)
35. Umwelt und Gesundheit
BAG; BAFU; ARE
36. Versicherung gegen Krankheit, Invalidität und Unfall
BAG; BSV; SUVA; Bundesamt für Privatversicherungen
Quelle: Bundesamt für Gesundheit, Sektion Strategie und Gesundheitspolitik Schweiz
72
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 4
Teil
I
Referenzrahmen
Kapitel 5
Zusammenarbeit der Kantone in der Gesundheitspolitik
In Anlehnung an die Kantonsporträts und aus der Per-
5.1 Ausgangslage
spektive einer multisektoralen Gesundheitspolitik dürften
zudem auch die interkantonalen Konferenzen für Finanzen und für Bildung von Bedeutung sein. Diese interkan-
deralistischen Systems der Schweiz kritisiert. In der Tat
tonalen Konferenzen sind jedoch nicht Gegenstand von
«leistet» sich die im europäischen Vergleich kleinräumige
Kapitel 5. Ebenfalls nicht behandelt wird in diesem Ka-
Schweiz 26 kantonale Gesundheitspolitiken. Damit prä-
pitel die Rolle der kantonalen Parlamente sowie der pri-
sentiert sich das Gesundheitssystem Schweiz aus der Vo-
vaten Akteure als Wegbereiter zukünftiger gesundheitspo-
gelperspektive als ein in hohem Masse komplexes, dezen-
litischer Strategien auf nationaler Ebene.23
trales und, wie kritische Stimmen meinen, fragmentiertes
Schliesslich stellt Kapitel 5 eine Reihe von Projekten vor,
Gebilde. Wie leistungsfähig ist ein solches System, wenn
die in den letzten 25 Jahren zwischen Kantonen realisiert
es darum geht, eine qualitativ hochstehende Versorgung
wurden. Damit soll die interkantonale Zusammenarbeit an
zu gewährleisten? Wie gehen die Kantone selbst mit De-
konkreten Beispielen dargestellt werden.
Teil
II
Zusammenarbeit
Der «Kantönligeist» wird oft als Schwachpunkt des fö-
zentralisierung und Kleinräumigkeit um? Kann auf einer
reichen von Bund und Kantonen gemeinsam entwickelte
Das Recht der Kantone auf Zusammenarbeit ist in der
und verantwortete Strategien und Projekte beinhaltet,
Bundesverfassung verankert.24 Dieses Recht hat mit der
entstehen?22 Wie kann trotz dem Bedarf nach Harmonisie-
Annahme der Neugestaltung des Finanzausgleichs und
rung die Vielfalt, der Reichtum und die Innovationskraft
der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA)
der kantonalen und regionalen Strukturen, Prozesse und
durch das Volk im November 2004 einerseits eine Auswei-
Projekte erhalten bleiben? Tragen am Schluss gar der
tung erfahren, andererseits kann mit der NFA die inter-
Föderalismus, die dezentrale Steuerung und die Vielfalt
kantonale Zusammenarbeit auch eine Pflicht werden.25
der gesundheitspolitischen Strategien zur Qualität des
Die Kantone arbeiten seit mehr als 100 Jahren zusammen,
schweizerischen Gesundheitssystems bei?
vor allem bilateral, dann seit 1919 mit der Gründung der
Um diese Frage zu beantworten, rückt Kapitel 5 die in-
Schweizerischen Konferenz der kantonalen Gesundheits-
terkantonale Zusammenarbeit im Sektor Gesundheit ins
direktorinnen und -direktoren (GDK) auch auf schwei-
Zentrum. Die folgenden Abschnitte gehen insbesondere
zerischer Ebene und seit den 1970er-Jahren zudem auf
den Fragen nach, warum und wie die Kantone auf Regie-
regionaler Ebene. Koordination und Zusammenarbeit zwi-
rungsebene zusammenarbeiten und in welchen Gesund-
schen den Kantonen finden sowohl auf Stufe Gesamtre-
Teil
III
Perspektiven
heisst, eine Gesundheitspolitik, die in ausgewählten Be-
Lange Tradition der interkantonalen
­Zusammenarbeit
föderalen Basis eine nationale Gesundheitspolitik, das
heitsbereichen sie auf die Möglichkeiten kooperativer
Strategien zurückgreifen? Vor diesem Hintergrund werden drei Formen der interkantonalen Zusammenarbeit beschrieben:
■
die vertragliche Zusammenarbeit zwischen den Kanto-
■
die organisierte Zusammenarbeit auf regionaler Ebene
■
die organisierte Zusammenarbeit auf schweizerischer
nen
Ebene
Die Darstellung der organisierten Zusammenarbeit zwischen Kantonen konzentriert sich auf die Regierungskonferenzen im Sektor Gesundheit (Gesundheitsdirektorenkonferenzen) und auf die Gesamtregierungskonferenzen.
22 Eine ausführliche Definition des Begriffs «Nationale Gesundheitspolitik» wird nach der Einleitung zu dieser Publikation gegeben.
23 Gesundheitspolitische Themen von nationaler Relevanz, die gegenwärtig von einigen kantonalen Parlamenten bearbeitet werden, sind
beispielsweise das Mammographie-Screening und Verbote im Zusammenhang mit Rauchen. Die Kantone der Romandie bieten ihrer Bevölkerung seit einigen Jahren ein Mammographie-Screening an. In der
Februarsession 2006 hat nun das kantonale Parlament von St. Gallen
(Kantonsrat) eine überparteiliche Motion überwiesen, die ein Mammographie-Screening-Programm im Kanton einführen will. Das Tessiner Kantonsparlament hat im Oktober 2005 ein Rauchverbot in den
Tessiner Restaurants und öffentlichen Lokalen beschlossen, dem das
Stimmvolk im März 2006 zugestimmt hat. Im Kanton Graubünden hat
das Kantonsparlament im Februar 2006 einen Vorstoss zu einem Rauchverbot in Gaststuben und an öffentlichen Orten überwiesen. Im Auftrag
des kantonalen Parlaments bereitet der Kanton Basel-Landschaft ein
Gesetz vor, dass Alkohol- und Tabakwerbung auf öffentlichem Grund
verbietet.
24 Artikel 48 der Bundesverfassung, Absatz 1: Die Kantone können miteinander Verträge schliessen sowie gemeinsame Organisationen und
Einrichtungen schaffen. Sie können namentlich Aufgaben von regionalem Interesse gemeinsam wahrnehmen.
25 Siehe hierzu Kapitel 6 des Berichts: «Zusammenarbeit zwischen Bund
und Kantonen», der die mit der Neuregelung des Finanzausgleichs und
der Aufgabenteilung zischen Bund und Kantonen (NFA) verbundenen
Ergänzungen der Bundesverfassung auflistet.
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5
73
Referenzrahmen
Teil
I
Zusammenarbeit
Teil
II
Teil
III
gierung als auch auf Stufe Fachminister und Verwaltung
Hintergrund gibt es unter anderem folgende Auslöser für
statt. Um die Zusammenarbeit zu optimieren, haben die
interkantonale Zusammenarbeit:27
Kantone im Laufe der Zeit entsprechende Instrumente
1. Vitales Interesse an einer grenzüberschreitenden Koor-
und Strukturen entwickelt, die sie bilateral, regional und
dination: Dies betrifft insbesondere den Gesundheits-
gesamtschweizerisch einsetzen. Eine Übersicht über die
schutz der Bevölkerung, ein Gebiet, auf dem der Bund
strukturierten Zusammenarbeitsformen vermittelt Tabel-
federführend ist. Hier haben sich die Kantonsärzte,
le 11 «Systematik der interkantonalen Zusammenarbeit
Kantonsapotheker, Kantonschemiker und Kantonsve-
für den Sektor Gesundheit». Nicht ersichtlich in diesem
terinäre zu je eigenen interkantonalen Netzwerken zu-
Schema ist die spontane Zusammenarbeit zwischen zwei,
sammengeschlossen und koordinieren ihre Aktivitäten
seltener zwischen mehreren Kantonen. Diese Form der
mit dem Bund.28
Zusammenarbeit erfolgt in der Regel sporadisch und eher
2. Bereitstellung öffentlicher Gesundheitsleistungen von
zufällig und findet daher besonders häufig statt. Sie ist
hoher Qualität sofern die Koordination günstiger ist als
gleichzeitig aber auch mit Ausnahme der bilateralen Ver-
der Alleingang («Skalenökonomie»): Zum Beispiel der
einbarungen schwerer zu dokumentieren (siehe hierzu
Ein- und Verkauf von Leistungen im Bereich der Spit-
den Kasten «Spontane Zusammenarbeit zwischen Kanto-
zenmedizin oder die Errichtung interkantonaler Spitä-
Perspektiven
nen: Ausgewählte Beispiele»).
ler.
Dieses dichte und für Aussenstehende kaum überschau-
3. Gemeinsame kulturelle Basis: Die Kantone der West-
bare Geflecht von Gremien und Vereinbarungen benutzen
schweiz pflegen eine besonders enge Zusammenarbeit
die Kantone, um der Bevölkerung qualitativ hochstehende
im Rahmen der regionalen Gesundheits- und Sozialdi-
Angebote und Leistungen im Sektor Gesundheit auf kom-
rektorenkonferenz (CRASS), um ihre Interessen durch
munaler, kantonaler, regionaler und schweizerischer Ebe-
das Entwickeln gemeinsamer Strategien zu wahren.
ne zur Verfügung zu stellen.
26
4. Bedarf nach Rechtsvereinheitlichung oder schweizwei-
Eine Schlussfolgerung sei an dieser Stelle vorwegge-
ter Koordination, ohne die Kompetenz an den Bund
nommen: Die Kantone haben es über verschiedene For-
übertragen zu wollen: So versuchen die Kantone ge-
men der interkantonalen Zusammenarbeit geschafft, den
genwärtig, die Spitzenmedizin im Rahmen der GDK ge-
«Kantönligeist» bzw. die Dezentralisierungs- und Kleinräumigkeitsfalle in vielen Bereichen der Gesundheit zu
samtschweizerisch zu koordinieren.
5. Gemeinsame Vertretung von kantonalen Standpunkten
gegenüber dem Bund: Je mehr die Entscheide auf Bun-
umgehen.
desebene in die Gesundheitspolitiken der Kantone eingreifen, desto grösser das Bedürfnis der Kantone, ihre
5.2 Auslöser der interkantonalen
­Zusammenarbeit
Interessen dem Bund gegenüber gemeinsam zu ver-
Zusammenarbeit ist für die Kantone immer dann ein The-
(KVG), die Konferenz der Kantonsregierungen (KdK)
ma, wenn als gemeinsam erkannte Aufgaben dadurch kos­
bei der Totalrevision der Bundesverfassung, bei den
tengünstiger, effizienter und ohne Verlust an politischer
Verhandlungen über den Neuen Finanzausgleich oder
Legitimität erbracht werden können.
bei der Formulierung des bundesrätlichen Legislatur-
treten. So vertritt die GDK die Interessen der Kantone
bei der Revision des Krankenversicherungsgesetzes
Wichtig ist den Kantonen dabei, dass die Zusammenarbeit
programms 2004–2007.
freiwillig erfolgt, dass also ihre Souveränität und ein hohes
6. Die Umsetzung von Bundesgesetzen: Die Umsetzung
Mass an Handlungsfreiheit bewahrt bleiben. Vor diesem
des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung
(KVG) sowie dessen Anpassung an veränderte Be-
26 Beispiele für Dienstleistungen auf kommunaler, kantonaler, regionaler
und schweizerischer Ebene: Spitex (kommunal); stationäre medizinische Versorgung (kantonal); erweiterte Grundversorgung durch den
Einkauf von Leistungen (regional); interkantonale Spitäler (regional);
Zugang zu Fachhochschulen und Universitäten (gesamtschweizerisch);
Präventionsprogramme (kantonal und regional); Zugang zu Universitäten (gesamtschweizerisch); Präventionsangebote wie Kariesprophylaxe in den Volksschulen (kommunal) oder HIV-Beratungsstellen in
Regionalspitälern.
74
stimmungen sind ein immer wiederkehrendes Thema
27 Als Vorlage für eine Typologie der Zusammenarbeit diente die folgende
Publikation: Dieter FREIBURGHAUS, Vital ZEHNDER, Horizontale Kooperation zwischen den Kantonen und die «systematisch pragmatische
Zusammenarbeit» in der Zentralschweiz, Working Paper der IDHEAP
(Institut de hautes études en administration publique) Nr. 4, 2003, S. 5.
28 Siehe hierzu Abschnitt 5.5 und Kapitel 6 in diesem Bericht.
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5
in der interkantonalen Zusammenarbeit. Dies gilt auch
benteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA) bein-
für alle anderen Bundesgesetze, die neuer kantonaler
haltet weitere Elemente einer verpflichtenden Zusam-
Ausführungsbestimmungen bedürfen (exekutiver Fö-
menarbeit der Kantone in neun Bereichen, darunter
deralismus).
Universitäten, Fachhochschulen, Spitzenmedizin und
7. Gesetzliche Pflicht zur Zusammenarbeit: Hier zeichnet
Referenzrahmen
Teil
I
Teil
II
Spezialkliniken.
sich eine neue Tendenz ab. Bestimmte in den letzten
halten das Recht des Bundes, die Kantone zur Zusammenarbeit zu verpflichten. Die heutige Fachhochschulgesetzgebung verlangt zum Beispiel von den Kantonen,
Zusammenarbeit
Jahren verabschiedete eidgenössische Gesetze bein-
5.3 Vertragliche Zusammenarbeit
zwischen den Kantonen
7 regionale Fachhochschulen zu gründen. Auch inter-
Die vertragliche Zusammenarbeit zwischen den Kantonen
nationale Entwicklungen wie die Verabschiedung der
ist sehr ausgeprägt.29 Nach Art. 48 Abs. 1 der Bundesver-
Bologna-Reform im Sektor Bildung dürften den Druck
fassung können die Kantone Verträge schliessen sowie
auf die Kantone, im Bildungsbereich zusammenzuar-
gemeinsame Organisationen und Einrichtungen schaffen.
beiten, erhöhen. Der 2005 im Rahmen einer Volksab-
Es können Verträge über alle Fragen geschlossen wer-
stimmung angenommene Verfassungsartikel über die
den, die in den Zuständigkeitsbereich der Kantone fallen.
Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufga-
Der Abschluss von Verträgen bzw. interkantonalen Ver-
Teil
III
einbarungen erlaubt es den Kantonen, komplexe Aufga-
Spontane Zusammenarbeit zwischen Kantonen:
Ausgewählte Beispiele
Kooperation bilateral, regional oder auf schweizerischer
Kantone arbeiten spontan bi- oder multilateral zusam-
heitsbereich dienen Verträge vor allem dem Einkauf me-
men, um gegenseitig von den Erfahrungen der anderen
dizinischer Leistungen. Wie einer idheap-Studie30 zu ent-
zu profitieren, um neue Ideen zu konkretisieren, um ge-
nehmen ist, haben die Kantone zwischen 1848 und 2003
meinsam ein Projekt umzusetzen. Starke Impulse kom-
733 Vereinbarungen unterzeichnet zu Themen, die in ihren
men aus der lateinischen Schweiz. So wird zum Beispiel
Zuständigkeitsbereich fallen. Die Zusammenarbeit erfolgt
die Gesundheitsverträglichkeitsprüfung (health impact
entweder in Form von Konkordaten oder Verwaltungs-
assessment) gegenwärtig in den Kantonen Tessin, Jura
vereinbarungen. Als Konkordate werden Vereinbarungen
und Genf zu einem Policyinstrument ausgebaut. Tessin
mit grossen finanziellen Auswirkungen oder mit recht-
Perspektiven
ben auf effiziente Art und Weise durch Koordination und
Ebene zu lösen (kooperativer Föderalismus). Im Gesund-
und Genf pflegen den Gedankenaustausch betreffend
setzender Bedeutung (d. h. solche, die nicht nur für die
Idee und Konzept einer Gesundheits- bzw. Patienten-
vertragsschliessenden Kantone, sondern wie ein Gesetz
karte. Waadt und Wallis planen die Realisierung eines
auch für natürliche und juristische Personen unmittelbare
interkantonalen Spitalzentrums mit umfassendem
Wirkung entfalten) verstanden. Demgegenüber bestehen
Leistungsangebot inklusive Spitzenmedizin bis zum
Verwaltungsvereinbarungen aus Regelungen über Gegen-
Jahr 2011. Waadt und Genf schliesslich bilden eine Pro-
stände, die in den alleinigen Zuständigkeitsbereich des Re-
jektorganisation (Association Vaud-Genève), um die
gierungsrates fallen. Gegenstand der Vereinbarungen sind
Krebs- und Genforschung unter die gemeinsame Ver-
Bildung, Wissenschaft und Kultur (25 %), öffentliche Fi-
antwortung der beiden Universitätsspitäler HUG (GE)
nanzen und Steuern (20 %), Verkehr und Umwelt (16 %),
und CHUV(VD) zu stellen. Für die deutschsprachige
Wirtschaft und Landwirtschaft (15 %) sowie Staatsorga-
Schweiz sei auf die lose Zusammenarbeit zwischen den
nisation und Sicherheit (13 %). Das Schlusslicht bilden
Kantonen Aargau, Bern, Solothurn und Zürich betreffend die Qualitätssicherung in Akutspitälern hingewiesen (siehe Absatz 5.5). Die Kantone Zug, Aargau,
Zürich und Schaffhausen haben bei der Ausarbeitung
ihrer Rahmenkonzepte Gesundheitsförderung und Prävention zusammengearbeitet.
29 Siehe zum Thema Verträge: Ulrich HÄFELIN/Walter HALLER, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, 5. Auflage, Zürich 2001, N 1254 bis 1305;
Peter HÄNNY, Verträge zwischen den Kantonen und zwischen dem
Bund und den Kantonen, in: Daniel THÜRER/Jean-François AUBERT/
Jörg Paul MÜLLER (Hrsg.), Verfassungsrecht der Schweiz, Zürich
2001, § 48.
30 Daniel BOCHSLER, Christophe KOLLER, Pascal SCIARINI, Sylvie
TRAIMOND, Ivar TRIPPOLINI: Die Schweizer Kantone unter der Lupe
– Behörden, Personal, Finanzen. Haupt Verlag, Bern 2005.
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5
75
Referenzrahmen
Teil
I
gemäss der idheap-Studie die Bereiche Gesundheit und
samtheit der interkantonalen Vereinbarungen anbelangt,
Soziale Sicherheit (10 %).
sind davon 44 % bilaterale Abkommen, 22 % umfassen
mindestens 20 Kantone. Nur 11 Vereinbarungen haben
Zusammenarbeit
Teil
II
Über hundert interkantonale Vereinbarungen
im Gesundheitsbereich
alle Kantone unterzeichnet. Auch im Bereich Gesundheit
Heute dürfte es mehr als 100 interkantonale Vereinba-
gen Tradition der interkantonalen Zusammenarbeit wur-
rungen geben, die das Handlungsfeld Gesundheit betref-
den nur 2 Vereinbarungen im Bereich Gesundheit sowie
fen. Bereits im Jahr 1900 hatten die Kantone eine Ver-
2 GDK-Verordnungen von allen Kantonen angenommen:
einbarung im Bereich Heilmittel verabschiedet, welche
■
31
Teil
III
herrschen die bilateralen Vereinbarungen vor. In der lan-
in den kommenden Jahrzehnten vier Mal (in den Jahren
Heilmittel (1971). Der Versuch, die Vereinbarung an
1934, 1942, 1954 und 1971) total revidiert wurde, bis die
EU-Recht anzupassen, scheiterte 1988 an den Kanto-
Kontrolle der Heilmittel 2003 in Bundeskompetenz über-
nen Zürich und Appenzell-Ausserrhoden. Daraufhin
ging. Die Datenbank «Interkantonale Zusammenarbeit in
beauftragten die Kantone den Bund, ein Gesetz über
der Zentralschweiz»
nennt allein 23 Konkordate und
Arzneimittel und Medizinprodukte (2000) auszuarbei-
Verwaltungsvereinbarungen zwischen den Kantonen der
ten. Damit ging, wie es ein kantonaler Vertreter aus-
Zentralschweiz für den Bereich der kurativen Gesund-
drückte, eine Perle der interkantonalen Zusammenar-
heitsversorgung, Basel-Landschaft und Basel-Stadt deren
beit in Bundeskompetenz über.
32
36. Im Rahmen dieser Vereinbarungen werden folgende
33
■
Gegenstände geregelt: der Ein- und Verkauf von statio-
Perspektiven
Interkantonale Vereinbarung über die Kontrolle der
nären und ambulanten Leistungen, Kontrolle der Heilmit-
Tollwutzentrale an der Universität Bern (1991)
■
tel, Kontrolle der Lebensmittel, Bildung im Gesundheits-
Verordnung der GDK über die Anerkennung kantonaler Ausbildungsabschlüsse im Gesundheitswesen in
sektor, Sanitätsdienst.
Normalerweise beinhalten die Vereinbarungen keine
Verwaltungsvereinbarung über die Unterstützung der
der Schweiz (1999)
■
Rechtsetzungsbefugnisse.34 Es gibt jedoch Ausnahmen:
Verordnung der GDK über die Anerkennung kantonaler
Fachhochschuldiplome im Gesundheitswesen (2001)
Für den Vollzug der «Interkantonalen Vereinbarung über
die Anerkennung von Ausbildungsabschlüssen» (1993)
Im Bereich Aus- und Weiterbildung sieht die Bilanz der
besitzen die Erziehungsdirektorenkonferenz (EDK) und
von allen Kantonen ratifizierten Vereinbarungen besser
die Gesundheitsdirektorenkonferenz (GDK) Rechtset-
aus. Einschränkend muss hierzu jedoch gesagt werden,
zungskompetenzen. Zudem sind die drei GDK-Erlasse –
dass Gesundheit in diesen interkantonalen Vereinba-
die Verordnung über die Anerkennung von ausländischen
rungen kein explizites Thema ist.
Ausbildungsabschlüssen (1997), die Verordnung über die
nung über die Anerkennung kantonaler Fachhochschuldi-
Neugestaltung des Finanzausgleichs
und der Aufgabenteilung zwischen Bund und
Kantonen (NFA)
plome im Gesundheitswesen (2001) – rechtlich bindend.
Die so genannte Neugestaltung des Finanzausgleichs und
Vereinbarungen können von zwei, von mehreren oder
der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA)
von allen Kantonen abgeschlossen werden. Was die Ge-
wurde von den Schweizer Stimmbürger/innen im Jahr
Anerkennung kantonaler Ausbildungsabschlüsse im Gesundheitswesen in der Schweiz (1999) sowie die Verord-
2004 deutlich angenommen. Sie gibt den Kantonen die
31 Gemäss eigenen Recherchen gibt es wesentlich mehr interkantonale
Vereinbarungen im Sektor Gesundheit sowie im Sektor Aus- und Weiterbildung in den Gesundheitsberufen, als die Zahl von 73 Vereinbarungen, die man auf der Datengrundlage von Bochsler, Koller und
Sciarini ermitteln kann. Vergleiche hierzu den Anhang: Interkantonale
Vereinbarungen im Sektor Gesundheit.
32 Siehe hierzu: www.zrk.ch sowie den Anhang zu diesem Kapitel: Interkantonale Vereinbarungen im Sektor Gesundheit.
33 Siehe hierzu Kapitel 4: Gesundheitspolitisches Porträt des Kantons
Basel-Landschaft.
34 Als rechtsetzend gelten Bestimmungen, die in unmittelbar verbindlicher und generell-abstrakter Weise Pflichten auferlegen, Rechte verleihen oder Zuständigkeiten festlegen (Artikel 22 des Parlamentsgesetzes).
76
Möglichkeit, Rechtsetzungskompetenzen vermehrt an interkantonale Gremien zu delegieren. Die NFA könnte deshalb eine neue Dynamik in das Vertragswesen zwischen
den Kantonen bringen. Siehe hierzu auch Kapitel 6.4.
Koordination und Konzentration der Spitzenmedizin
Auf diesem Hintergrund dürfte der Prozess, der in den
Kantonen und interkantonal auf der Ebene GDK im Bereich Spitzenmedizin zurzeit abläuft, von besonderem
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5
Referenzrahmen
Teil
I
Interesse sein. Ob die Interkantonale Vereinbarung über
ten Medizin, welche die Schweizerische Konferenz der
kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren
5.4 Organisierte Zusammenarbeit
auf regionaler Ebene
anlässlich der Plenarversammlung im November 2004
40 Jahre, nachdem die interkantonale Zusammenarbeit
verabschiedet haben, zu einer weiteren Perle der inter-
auf schweizerischer Ebene ihren Anfang genommen hat-
kantonalen Zusammenarbeit wird, ist mehr als ungewiss.
te, begann sich die regionale Zusammenarbeit zwischen
Mindestens 17 Kantone, darunter zwingend alle Kantone
kantonalen Regierungen im Handlungsfeld Gesundheit
mit Universitätsspital, müssten zustimmen. Der Kanton
in den 1960er-Jahren zu entwickeln, zunächst als regio-
Zürich als Standort eines Universitätsspitals hat jedoch
nale Gesamtregierungskonferenzen, dann auch in den
im August 2005 die Ratifizierung der Vereinbarung abge-
1970er-Jahren im Sektor Gesundheit. Einen eigentlichen
lehnt.
Aufschwung erlebten die gouvernementalen Regional-
Teil
II
Zusammenarbeit
die Koordination und Konzentration der hochspezialisier-
konferenzen im Sektor Gesundheit jedoch zu Beginn der
1990er-Jahre mit der Neugestaltung des Krankenversiche-
Verträge zwischen Kantonen werden von politischen Ent-
rungsgesetzes (KVG). Seit dieser Zeit dient die regionale
scheidungsträgern unterschiedlich bewertet. Aus Sicht
Zusammenarbeit mehrheitlich der Koordinierung und Har-
der kantonalen Exekutiven ist das Verfahren zum Ab-
monisierung der kantonalen Umsetzungsstrategien von
schluss solcher Verträge einfacher als das ordentliche Ge-
Bundesgesetzen in den Bereichen der kurativen Medizin
setzgebungsverfahren. Andererseits können vertraglich
sowie der Koordination der Aus- und Weiterbildung in den
geregelte gemeinsame Organe nur funktionieren, wenn
Gesundheitsberufen im Rahmen von Fachhochschulen.36
bei ihrer Gründung ein komplettes Rechtssystem geschaf-
Einschränkend sei an dieser Stelle erwähnt, dass die re-
fen wird. Das Fehlen eines solchen war schlussendlich
gionale Zusammenarbeit für die kantonalen Regierungen
mitverantwortlich für das Scheitern der interkantonalen
immer nur eine der möglichen Optionen darstellt. Falls es
Vereinbarung über die Kontrolle von Heilmitteln.
die Situation erfordert, suchen die Kantone auch ausser-
Aus Sicht der kantonalen Parlamente haben Verträge den
halb «ihrer» Region Allianzen (variable Geometrie der Al-
Nachteil, dass sie den Parlamenten nur die Wahl zwischen
lianzen37 oder auch funktioneller Föderalismus).
der vollständigen Genehmigung oder der vollständigen
Nachfolgend werden in einem ersten Teil die vier regio-
Ablehnung der von den Exekutiven erarbeiteten Texte
nalen Gesundheitsdirektorenkonferenzen mit ihren Struk-
lassen. In diesem Zusammenhang spricht man von einem
turen und Projekten vorgestellt. Der zweite Teil dieses
«demokratischen Defizit».
Abschnitts geht auf die regionalen Gesamtregierungskon-
Weitere kritische Stimmen sehen in interkantonalen Ver-
ferenzen ein. Auch wenn deren Verbindungen zu gesund-
trägen die Gefahr einer Demontage des Föderalismus. Sie
heitspolitischen Themen gegenwärtig noch schwach sind,
befürchten durch die Vereinheitlichung kantonaler Be-
können sie wegen ihres multisektoralen Ansatzes und ih-
stimmungen einen Verlust an Vielfalt und an kantonaler
ren internen Prozessen für die Weiterentwicklung einer
Handlungsfreiheit.
nationalen Gesundheitspolitik von Interesse sein.
Teil
III
Perspektiven
Würdigung
Dennoch entsprechen Verträge zwischen den Kantonen
einem grossen Bedürfnis, da sie die Annäherung benachbarter Rechtsordnungen ermöglichen, ohne dass ein Umweg über eine eidgenössische Zentralisierung gewählt
werden muss.35
35 WALDMANN Bernhard, Skriptum Bundesstaatsrecht 2003/2004,
S. 108.
36 Der Aspekt der interkantonalen Zusammenarbeit betreffend die Ausbildung in den Gesundheitsberufen wird in 6.4. «Themenzentrierte Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen» behandelt.
37 Variable Geometrie: Jede öffentliche Aufgabe hat einen anderen räumlichen Wirkungskreis. Für die Planung und Umsetzung der Aufgaben
werden deshalb nicht selten so genannte flexible Funktionalregionen
gebildet. Siehe hierzu: FREY René L. Braucht die Nordwestschweiz
neue politische Institutionen? Vortrag anlässlich der Verleihung des
Förderpreises für eine starke Region durch die Vereinigung für eine
starke Region Basel/Nordwestschweiz, 6. September 2000.
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5
77
Referenzrahmen
Teil
I
Tabelle 11: Systematik der interkantonalen Zusammenarbeit
Interkantonale Zusammenarbeit der Gesamtregierungen
Teil
II
Konferenz der Kantonsregierungen (KdK)
Gesamtschweizerische
Regierungsebene
Zusammenarbeit
Gesamtschweizerische
Verwaltungsebene
Regionale
Regierungsebene
Präsidentenkonferenz
Ständiges Sekretariat der KdK
Konferenz der Sekretäre der interkantonalen Konferenzen (KoSeKo)
Staatsschreiberkonferenz
Konferenz
der Regierungen der
Westschweiz (CGSO)
Regionalkonferenz
der Regierungen der
Nordwestschweiz
Ostschweizer
Regierungskonferenz
Ständiges Sekretariat
der CGSO
Ständiges Sekretariat
der ZRK
Regionale
Verwaltungsebene
Teil
III
Zentralschweizer
Regierungskonferenz
(ZRK)
Zentralschweizer
Staatsschreiberkonferenz
Interkantonale Zusammenarbeit nach Ressort
Perspektiven
Gesamtschweizerische
Regierungsebene
Ständige schweizerische Direktorenkonferenzen in den Bereichen Bau, Bildung, Energie, Feuerwehrwesen, Finanzen, Forstwesen, Gesundheit, Justiz und Polizei, Landwirtschaft, Militär- und Zivilschutz,
öffentlicher Verkehr, Soziales, Umweltschutz, Volkswirtschaft, Vormundschaft
Regionale
Regierungsebene
Ständige regionale Direktorenkonferenzen unter anderem in den Ressorts Bau, Bildung, Finanzen,
­Gesundheit und Soziales, öffentlicher Verkehr, Sicherheit und Justiz, Umweltschutz, Volkswirtschaft
Regionale
Verwaltungsebene
Regionale Amtsleiterkonferenzen zu den verschiedenen Ressorts
Interkantonale Zusammenarbeit für den Sektor Gesundheit
Gesamtschweizerische
Regierungsebene
Regionale
Regierungsebene
Schweizerische Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren (GDK)
Ständiges Sekretariat der GDK
Gesundheits- und Sozial­ Nordwestschweizer
direktorenkonferenz der GesundheitsdirektorenWestschweiz und des
konferenz
Tessin (CRASS)
Ständiges Sekretariat
der CRASS
Regionale
Verwaltungsebene
Gruppe der Leiter
der kantonalen Gesundheitsämter
Gesundheitsdirektoren­
konferenz der Ostschweizer Kantone
und des Fürstentums
Liechtenstein
Zentralschweizer
Gesundheits- und Sozial­
direktorenkonferenz
(ZGSDK)
Ständiges Sekretariat
der ZGSDK
Konferenz der Sekretäre Zentralschweizer
der GDK-Ost
Fachgruppe Gesundheit
Stand Dezember 2005
Konferenz der Kantonsregierungen (KdK): siehe Porträt in diesem Kapitel
Präsidentenkonferenz: Die Präsidentenkonferenz verfolgt auf politischer Ebene das Ziel, die Koordination unter den Direktorenkonferenzen sowie im Verhältnis zur KdK sicherzustellen. Die Konferenz wird durch die Präsidentinnen und Präsidenten sowie den Sekretärinnen und Sekretären zahlreicher interkantonaler Konferenzen gebildet: Konferenz der Kantonsregierungen (KdK); Schweizerische Bau-, Planungs- und Umweltdirektoren-Konferenz (BPUK);
Konferenz Kantonaler Energiedirektoren (EnDK); Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK); Konferenz der kantonalen
Finanzdirektoren (FDK); Konferenz der kantonalen Forstdirektoren (FoDK); Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren
(KKJPD); Konferenz der kantonalen Direktoren des öffentlichen Verkehrs (KöV); Konferenz kantonaler Landwirtschaftsdirektoren (LDK); Schweizerische
Konferenz der kantonalen Militär- und Zivilschutzdirektorinnen und -direktoren (MZDK); Schweizerische Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren (GDK); Konferenz der kantonalen Sozialdirektoren (SODK); Konferenz kantonaler Volkswirtschaftsdirektoren (VDK); Konferenz
der kantonalen Vormundschaftsbehörden (VBK); Regierungskonferenz für die Koordination des Feuerwehrwesens (RKKF); Staatsschreiberkonferenz
Die Konferenz der Sekretäre der interkantonalen Konferenzen (KoSeKo) koordiniert: die Bearbeitung bereichsübergreifender innenpolitischer Vorlagen zwischen der KdK und den Direktorenkonferenzen, die Aktivitäten der KdK und der Direktorenkonferenzen bei aussenpolitischen Vorlagen, die Aktivitäten
78
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5
Regionale Gesundheitsdirektoren­Konferenzen: Vier Porträts
Zukunft dürfte zudem die Umsetzung der Neuregelung des
Vier regionale Gremien auf Fachministerebene (so ge-
nalen Gesundheitsdirektorenkonferenzen stehen. Neben
nannte Direktorenkonferenzen) nehmen heute die Zusam-
diesen gemeinsamen Themen gestalten und leben die vier
menarbeit im Sektor Gesundheit in der Schweiz wahr:
Regionen ihre Zusammenarbeit unterschiedlich.
Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund
und Kantonen (NFA) auf der Traktandenliste der regio-
die Ostschweizer Gesundheitsdirektorenkonferenz mit
dem Fürstentum Liechtenstein, gegründet 1974
■
die Gesundheits- und Sozialdirektorenkonferenzen der
Westschweiz (CRASS) inklusive des Kantons Tessin,
■
Tabelle 12: Themen der regionalen Gesundheitsdirektoren­
konferenzen (Auswahl)38
Vorbereitung interkantonaler Vereinbarungen, Aufsicht über
­abgeschlossene Vereinbarungen und Revisionen abgeschlossener
Vereinbarungen
gegründet 1981
Diskussionen über zukünftige interkantonale Vereinbarungen
(z. B. Koordination der Spitzenmedizin)
die Nordwestschweizer Gesundheitsdirektorenkonfe-
Beschluss über die Lancierung neuer Projekte
renz, gegründet ca. Mitte der 1980er-Jahre
KVG-Revision
rischen Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirekto-
Anpassung bestehender kantonaler Gesetze an neue Bundesgesetze (z. B. Prämienverbilligungen gemäss KVG; Neuregelung
des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund
und Kantonen, NFA)
rinnen und -direktoren (GDK). Die GDK wohnt als Gast
Zugang zu und Finanzierung der ausserkantonalen Hospitalisation
den Konferenzen auf Verwaltungsstufe bei und erhält die
Qualitätssicherung in den sozialmedizinischen Institutionen
Protokolle der Sitzungen der Direktorenkonferenzen. Nur
Zugang zu und Finanzierung der Aus- und Weiterbildung in den
Gesundheitsberufen
In der Systematik der interkantonalen Zusammenarbeit
sind die vier Regionalkonferenzen Teil der Schweize-
zur Nordwestschweizer Konferenz bestehen keine solchen
Verbindungen, vielleicht unter anderem deshalb, weil sie
Regionale Fachhochschulen
als einzige der Regionalkonferenzen keine strukturierte
Rettungswesen
Zusammenarbeit auf Verwaltungsstufe kennt.
Umsetzung regionaler Gesundheitsschutzmassnahmen
(Veterinärdienst, Heilmittelkontrolle)
Zahlreiche Handlungsbereiche regionaler
­Zusammenarbeit
Alle regionalen Gesundheitsdirektorenkonferenzen bearbeiten die kurative Versorgung und die nicht-universitäre
Aus- und Weiterbildung als thematische Schwerpunkte. In
Zusammenarbeit
die Gesundheits- und Sozialdirektorenkonferenz der
Zentralschweiz (ZGSDK), gegründet 1974
■
Teil
II
Teil
III
Perspektiven
■
Referenzrahmen
Teil
I
38 Diese Themenliste stützt sich auf einen Vergleich der im Rahmen der
regionalen Gesundheitsdirektorenkonferenzen realisierten Projekte
und auf einige Traktandenlisten der regionalen Gesundheitsdirektorenkonferenzen. Die Protokolle dieser Konferenzen sind in der Regel
nicht zugänglich.
der KdK und der Direktorenkonferenzen gegenüber dem Bund und unterstützt die Pflege der Beziehungen der KdK und der Direktorenkonferenzen zu
den Mitgliedern des eidgenössischen Parlaments, insbesondere des Ständerats; pflegt den Gedankenaustausch zwischen den Mitgliedern, insbesondere zur
vorausschauenden Vorwegnahme möglicher Doppelspurigkeiten und zur zukünftigen Entwicklung in der interkantonalen Zusammenarbeit.
Die Staatsschreiberkonferenz ist eine Art Stabsstelle von Regierung und Parlament. Sie setzt sich aus den Leitern der Kanzleien von Bund, Kantonen und
dem Fürstentum Liechtenstein zusammen. Die Konferenz erbringt Leistungen in den Bereichen Führungsunterstützung, Planung, Reformen und Kommunikation. Sie entwickelt Richtlinien in Protokollfragen, bei der Rechtssetzung oder der Dokumentation. Auf kantonaler Ebene bereiten die Staatsschreiber die Sitzungen der kantonalen Regierungen vor und nach, erarbeiten politische Planungen und liefern Entscheidungsgrundlagen aus übergeordneter
Sicht.
Zentralschweizer Regierungskonferenz: siehe Porträt in diesem Kapitel
Schweizerische Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren: siehe Porträt in diesem Kapitel.
Regionale Gesundheitsdirektorenkonferenzen: siehe Porträt in diesem Kapitel.
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5
79
Referenzrahmen
Teil
I
Teil
II
Unterschiedliche juristische und organisatorische
Strukturen
tonalen Beauftragten für Gesundheitsförderung (VBGF).
Was die Rechtsform der organisatorischen Zusammen-
hingegen keine ständige Arbeitsgruppen zu Prävention
arbeit anbelangt, präsentiert sich das Bild uneinheitlich.
und Gesundheitsförderung und es bestehen bisher kaum
Während die Konferenz der Kantonsregierungen auf ei-
strukturelle oder projektbezogene Verbindungen zur
ner Verwaltungsvereinbarung aller Kantonsregierungen
VBGF/ARPS.39
Die Regionalkonferenzen der Deutschschweiz haben
Zusammenarbeit
basiert, besteht die Schweizerische Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren ohne
Im Folgenden werden die vier regionalen Direktorenkon-
formelle Rechtsgrundlage. Statuten regeln hier den Ge-
ferenzen, die im Sektor Gesundheit tätig sind, in der Rei-
schäftsverkehr.
henfolge ihrer Gründung porträtiert:
Was die organisatorischen Strukturen anbelangt, lassen
sich zwischen den verschiedenen Regionalkonferenzen
erhebliche Unterschiede feststellen. So verfügen die
CRASS und die Zentralschweizer Gesundheits- und So-
Teil
III
zialdirektorenkonferenzen über eigenständige Sekretariate, während die Geschäfte der Nordwestschweizer und
Ostschweizer Gesundheitsdirektorenkonferenzen jeweils
von demjenigen Kanton wahrgenommen werden, der die
Perspektiven
Konferenz aktuell präsidiert. Die CRASS und die Direktorenkonferenz der Zentralschweiz (ZGSDK) sind mit ihren
Gremien auf Regierungs- und Verwaltungsstufe zudem besonders feingliedrig strukturiert. Dies hängt nicht zuletzt
damit zusammen, dass die CRASS wie auch die ZGSDK
neben dem Sektor Gesundheit auch den Sektor Soziales
bearbeitet. Die Konferenzen der Nordwestschweiz und
Ostschweiz sind hingegen ausschliesslich auf den Sektor
Gesundheit ausgerichtet.
Zwischen der Zentralschweizer Gesundheits- und Sozialdirektorenkonferenz (ZGSDK) und der Zentralschweizer
Regierungskonferenz gibt es regelmässige Beziehungen.
Solche Verknüpfungen sind in den anderen regionalen Direktorenkonferenzen zur Zeit am Entstehen.
Unterschiedliche Politikgestaltung
Auffallend sind die Unterschiede in der Politikgestaltung
zwischen der lateinischen Schweiz und den übrigen drei
Regionen. Im Rahmen der Aktivitäten der CRASS sind
starke Bestrebungen im Gange, mit Blick auf das Gesundheitsversorgungssystem die staatlichen Umsetzungsmassnahmen zu vereinheitlichen, die Gesundheitsgesetzgebung der Westschweizer Kantone zu harmonisieren, neue
Modelle der Gesundheitsversorgung zu analysieren sowie
die Gesundheitsförderung und Prävention mit einer eigenen ständigen Arbeitsgruppe (DiPPS) konsequent in die
Planung und die Aktivitäten der CRASS einzubeziehen.
Die DiPPS unterhält zudem als Regionalgruppe Verbindungen zur gesamtschweizerischen Vereinigung der kan80
39 Ein erstes interkantonales Projekt ist geplant. Die Kantone AG, SG,
ZG, ZH beabsichtigen, gemeinsam mit der VBGF ein Projekt zur betrieblichen Gesundheitsförderung zu lancieren (Projekt INKA). Eine
Anfrage an die zuständigen kantonalen Regierungsräte um politische
und finanzielle Unterstützung ist hängig.
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5
Referenzrahmen
Teil
I
Porträt 1
Zentralschweizer Gesundheits- und Sozialdirektorenkonferenz (ZGSDK)
1974
Mitglieder
Kantone Luzern, Nidwalden, Obwalden, Schwyz, Uri, Zug
Präsident
Regierungsrat Dr. Leo Odermatt, Vorsteher Gesundheits- und Sozialdirektion, Kanton Nidwalden
Teil
II
Zusammenarbeit
Gründungsdatum
Struktur und Organisation
Regierungsebene
Zentralschweizer Gesundheits- und Sozialdirektorenkonferenz (ZGSDK)
Mitglieder: Die zuständigen Regierungsräte der Ressorts Gesundheit und Soziales
Verwaltungsebene
Ständiges Konferenzsekretariat (1 Stelle)
Fachebene
Zentralschweizer Fachgruppe Gesundheit (ZFG
Mitglieder: Die zuständigen Amtsvorsteher der
sechs Kantone
Projekte ZFG
Zentralschweizer Fachgruppe Soziales (ZFS)
Mitglieder: Die zuständigen Amtsvorsteher der
sechs Kantone
Teil
III
(Auswahl)
Perspektiven
– Erstellen von Grundlagendaten und Bedarfsplanung mit Rahmenkonzept für die interkantonale Zusammenarbeit im Heim- und Betreuungswesen in der Zentralschweiz (2005)
– Zentralschweizer Interessengemeinschaft Gesundheitsberufe (ZIGG): 2003 haben sich die Spitäler/Kliniken, die Alters- und Pflegeheime und die Spitexorganisationen der Zentralschweizer Kantone Luzern,
Nidwalden, Obwalden, Schwyz, Uri und Zug zum grössten Arbeitgeberverband der Zentralschweiz zusammengeschlossen mit dem Ziel, bei wichtigen Entscheiden betreffend die Berufsbilder im Gesundheits- und Sozialwesen mitwirken zu können und eine praxisorientierte Ausbildung bei den Pflegeberufen
sicher zu stellen.
– Einrichtung eines regionalen Veterinärdienstes Urschweiz (2003)
– Spitalabkommen zwischen dem Kanton Luzern und (je) den Kantonen Uri, Schwyz, Obwalden, Nidwalden und Zug betreffend die Kostenregelung für Zentrumsleistungen im Kantonsspital Luzern samt Kinderspital (2002).
– Vereinbarung der Zentralschweizer Kantone über Ausbildungen für Berufe im Gesundheitswesen
(1998)
Quelle: ZGSDK; Stand: Dezember 2005
1974 gegründet, ist ZGSDK (damals Zentralschweizer
bedarf. Auch erhoffen sich die Verantwortlichen dadurch
Gesundheitsdirektorenkonferenz ZGDK) im Bereich Ge-
einen Gewinn an Professionalisierung bei der fachlichen
sundheit die älteste Regionalkonferenz dieser Art in der
Ausgestaltung sozialpolitischer Lösungen. Als operative
Schweiz.
Organe hat die ZGSDK zwei Fachgruppen eingesetzt: Die
Zentralschweizer Fachgruppe Gesundheit (ZFG) und die
Koordination der Sozial und Gesundheitsbereiche
Zentralschweizer Fachgruppe Soziales (ZFS). Zudem tritt
2003 kam es zur Ausdehnung des Aufgabenspektrums auf
die ZGSDK als Trägerin der Fachtagungen Sozialraum
sozialpolitische Themen und damit zur Gründung der Zen-
Zentralschweiz auf.40 Eine Besonderheit ist die organisa-
tralschweizer Gesundheits- und Sozialdirektorenkonfe-
torische Einbindung der ZGSDK in die Zentralschweizer
renz (ZGSDK). Angesichts des Fehlens einer eigentlichen
Regierungskonferenz ZRK.41
Zentralschweizer Sozialdirektorenkonferenz drängte sich
die Reorganisation auf, weil der Bereich Soziales aus Sicht
der Verantwortlichen wegen der Kleinräumigkeit der
Region, aber auch wegen der Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und
Kantonen, zunehmend der interkantonalen Koordination
40 Das Thema der 3. Regionalen Fachtagung, die Ende 2004 stattgefunden hatte, lautete: Eine soziale Wirtschaft und ein wirtschaftliches Sozialwesen: Widerspruch oder Modell zur Zusammenarbeit?
41 Mit dem «Basisdokument über die Direktorenkonferenzen in der Zentralschweiz» vom 23. Mai 2003 regeln die Zentralschweizer Kantone
die Stellung der Direktorenkonferenzen innerhalb der Systematik der
Zusammenarbeit in der Zentralschweiz.
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5
81
Referenzrahmen
Teil
I
Zusammenarbeit
Teil
II
Erfolge
Es gibt weitere Projekte der regionalen Zusammenarbeit
Die Zusammenarbeit in der Zentralschweizer Fachgrup-
auf dem Gebiet der Gesundheit, die jedoch nicht in erster
pe Gesundheit ist vollzugsorientiert. Erfolgreich realisiert
Linie die ZGSDK, sondern die Zentralschweizer Bildungs-
wurden innerhalb der vier Urkantone NW, OW, UR, SZ un-
konferenz betreffen. In diesem Rahmen wurden erfolgreich
ter anderem folgende Projekte: die Einrichtung eines re-
das regionale Pilotprojekt «Berufslehre Fachangestellte/r
gionalen Veterinärdienstes Urschweiz (2003) und dessen
Gesundheit (seit 2001) durch das Kompetenzzentrum Ge-
Integration in das Laboratorium der Urkantone; die Un-
sundheit Zentralschweiz sowie das Projekt «Gemeinsame
terzeichnung des seit Jahren bestehenden Zentralschwei-
Höhere Fachschule für Gesundheitsberufe für die Zentral-
zer Spitalabkommens, das bilateral zwischen Luzern und
schweiz» (2004) lanciert.
den jeweiligen Kantonen der Zentralschweiz zwecks Regelung der Kosten für Zentrumsleistungen im Kantonsspital Luzern samt Kinderspital 2002 neu ausgehandelt
wurde.
Teil
III
Wenig Spielraum bei der politischen Gestaltung
Angesichts der zum Teil äusserst knappen Ressourcen in
den Kantonen der Zentralschweiz sind Projekte mit gestaltender oder planerischer Dimension eher selten mög-
Perspektiven
lich. Manchmal behindern zudem kantonale Eigeninteressen eine engere Zusammenarbeit in der Spitalplanung
oder in der Gesundheitsförderung. Daran kann auch der
hohe Strukturierungsgrad der Zentralschweizer Zusammenarbeit nichts ändern. 2003 wurde zum Beispiel die
Einrichtung einer Zentralschweizer Fachstelle Gesundheitsförderung definitiv von den Mitgliedern der Zentralschweizer Fachgruppe Gesundheit abgelehnt. Auch
von der ursprünglichen Idee, das Regionale Kinderspital
Luzern unter eine gemeinsame Trägerschaft aller sechs
Zentralschweizer Kantone zu stellen, sind die Kantone inzwischen abgerückt, dies – wie die Mehrheit der Kantone
argumentierte - unter anderem aufgrund der im Verhältnis
zu den übrigen Zentralschweizer Kantonen überproportio­
nalen Beanspruchung des Kinderspitals durch Kinder aus
dem Kanton Luzern (ca. 70 %).
Neue Herausforderungen
Die ZGSDK prüft trotzdem periodisch mögliche Auswertungen der regionalen Spitalplanung. Schwerpunktmässig hat sie sich 2004 für die vertiefte Prüfung folgender
Themen entschieden (siehe hierzu auch das Porträt
der Zentralschweizer Regierungskonferenz in diesem
Kapitel):
■
Entwicklung des bestehenden Spitalabkommens (Zentrumsversorgung): Neue Formen der Datenerfassung,
der Datenanalyse, der Leistungsabgeltung
■
Koordination betreffend die Zentralschweizer Spitalversorgung (nachgelagert)
82
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5
Referenzrahmen
Teil
I
Porträt 2
Gesundheitsdirektorenkonferenz der Ostschweizer Kantone und
des Fürstentums Liechtenstein (GDK-Ost)
1974
Mitglieder:
Kantone Appenzell-Innerrhoden, Appenzell Ausserrhoden, Glarus, Graubünden, St. Gallen, Schaffhausen,
Thurgau, Zürich und das Fürstentum Liechtenstein
Präsident:
Regierungsrat Robert Marti, Vorsteher Sanitäts- und Fürsorgedirektion des Kantons Glarus (2005/06)
Teil
II
Zusammenarbeit
Gründungsdatum:
Struktur und Organisation
Regierungsebene
Konferenz der Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren der GDK-Ost
Fachebene
Konsultativ- und Fachgremium
Konferenz der Sekretäre der GDK-Ost
Projekte der GDK-Ost
Ständige Arbeitsgruppen
Arbeitsgruppe Berufsbildung der GDK-Ost
Arbeitsgruppe Tarife der GDK-Ost
Teil
III
(Auswahl)
In Vorbereitung
Perspektiven
– Vereinbarung über die Zusammenarbeit und Finanzierung der Ausbildung für Berufe des Gesundheitswesens und Festsetzung des Kantonsbeitrags (1996)
– Internationaler Preisvergleich für Medikamente und Medizinprodukte (ab 2002)
– Leistungsbezogenes Finanzierungssystem der Suchttherapie für die Region Ostschweiz (2004)
– Interkantonale KVG-konforme, leistungsorientierte Bedarfsplanung im Bereich der medizinischen
­Rehabilitation
Quelle: GDK-Ost; Stand: Dezember 2004
Die Gesundheitsdirektorenkonferenz der Ostschweizer
Ostschweizerische Krankenhausvereinbarung
Kantone und des Fürstentums Liechtenstein (GDK-Ost)
Die GDK-Ost widmet sich unter anderem der Koordina-
wurde 1974 gegründet. Sie ist für rund 30 % der Bevölke-
tion und der Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Spi-
rung der Schweiz zuständig (ohne Liechtenstein).
talversorgung. In diesem Zusammenhang erarbeitete sie
Die GDK-Ost vertritt in gesundheitspolitischen Belangen
die Ostschweizerische Krankenhausvereinbarung vom
Kantone, die sich nicht zuletzt wegen ihres bevölkerungs-
20. November 1995. Der Kanton Zug ist in diesem Bereich
mässigen, wirtschaftlichen und finanziellen Potentials als
ebenfalls Vertragspartner. Gemäss Zweckartikel strebt die
eigenständige Kantone verstehen und die im Rahmen der
Vereinbarung folgende Ziele an:
GDK-Ost für gewisse Bereiche auch eigene Lösungen suchen. So kritisierte die GDK-Ost 2003 beim so genannten
■
Sicherstellung einer angemessenen, zwischen den Kan-
FiSu-Modell des Bundes (leistungsbezogenes Finanzie-
tonen koordinierten, medizinisch-pflegerische Betreu-
rungssystem der Suchttherapie), politisch zu wenig in
ung von Patientinnen und Patienten unter wirtschaft-
den Prozess der Modellentwicklung einbezogen worden
lichem Einsatz der Mittel
zu sein. In der Folge hat eine von der SODK-Ost und der
■
Koordination der Spitallisten gemäss Artikel 39 KVG
GDK-Ost eingesetzte Arbeitsgruppe ein alternatives Fi-
■
Regelung der Kostenabgeltung durch die Wohn- oder
nanzierungsmodell für die Region Ostschweiz erarbeitet,
Aufenthaltskantone für medizinisch bedingte ausser-
das seit 2004 umgesetzt wird.
kantonal erbrachte Hospitalisationen
Der Kanton Zürich nimmt innerhalb der Region eine Zen-
■
trumsfunktion wahr, sowohl was die medizinische stationäre Versorgung anbelangt, als auch in gesundheitspolitischer Hinsicht.
Förderung der Zusammenarbeit und sinnvolle Aufgabenteilung zwischen den Kantonen
■
Harmonisierung der Berechnung der ausserkantonalen
Tarife: Mittels Tarifmodellen bestimmen die beteiligten
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5
83
Referenzrahmen
Teil
I
Kantone die Kostenberechnungsmethode und vereinbaren untereinander die Tarife für die Behandlung ihrer ausserkantonalen Patienten
Teil
II
Am 23. Februar 1996 wurde eine Vereinbarung über die
Zusammenarbeit und Finanzierung der Ausbildung für
Zusammenarbeit
Berufe des Gesundheitswesens abgeschlossen. Diese
Vereinbarung wird mit der neuen Finanzierungsbasis der
künftigen Bildungssystematik ihre Berechtigung verlieren
und daher aufgelöst.
Interkantonale Bedarfsplanung im Bereich der
medizinischen Rehabilitation
Ausserdem haben die Kantone der GDK-Ost im Jahr 2002
Teil
III
beschlossen, gemeinsam eine interkantonale KVG-konforme, leistungsorientierte Bedarfsplanung im Bereich
der medizinischen Rehabilitation durchzuführen. Bei dieser Bedarfsplanung GDK-Ost handelt es sich um ein in
Perspektiven
diesem Umfang bisher in der Schweiz noch nicht durchgeführtes Projekt der überkantonalen Versorgungsplanung.
Gestützt auf eine umfassende Datenerhebung zum Ist-Zustand sollen prospektiv die Über- und Unterkapazität definiert und die weitere Planung über die Kantonsgrenzen
hinaus festgelegt werden.42
Abschliessend sei an dieser Stelle erwähnt, dass das an
der GDK-Ost-Sitzung vom März 2005 im Rahmen eines
Informationsaustauschs diskutierte Thema «Kantonsspezifische Situationen der hausärztlichen Grundversorgung»
im November 2006 auch Thema der Arbeitstagung der Nationalen Gesundheitspolitik Schweiz sein wird.
42 Siehe hierzu auch den Abschnitt «Themenzentrierte Zusammenarbeit
zwischen Kantonen» in diesem Kapitel.
84
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5
Referenzrahmen
Teil
I
Porträt 3
Gesundheits- und Sozialdirektorenkonferenz der Westschweiz
und des Tessins (CRASS)
1981
Mitglieder
Kantone Bern, Freiburg, Genf, Jura, Neuenburg, Tessin, Waadt, Wallis
Präsident
M. le Ministre Claude Hêche, Chef du Département de la santé, des affaires sociales et de la police, Jura
Teil
II
Zusammenarbeit
Gründungsdatum
Struktur und Organisation
Gesundheits- und Sozialdirektorenkonferenz der Westschweiz und des Tessins (CRASS)
Mitglieder: die zuständigen Regierungsräte der Ressorts Gesundheit und Soziales
Verwaltungsebene
Ständiges Sekretariat der CRASS
Fachebene
GRSP
Gruppe der Vorsteher der kantonalen Gesundheitsämter
(Groupement romand des services de santé publique)
GRAS
Gruppe der Vorsteher der kantonalen Sozialämter
(Groupement romand des affaires
sociales)
GLAS
Gruppe der Vorsteher der kanto­
nalen Sozialversicherungen
(Groupement latin des assurances sociales)
Ständige Arbeitsgruppen
der GRSP
Convention Hospitalisation
– HOSPEXT – PLAISIR – Qualité
– Professions de la santé – Urgences préhospitalières – DiPPS
– Promotion des professions de
la santé – Convention formation
– Validation de la formation des
directeurs d’EMS
Ständige Arbeitsgruppe
der GRAS
Alternative FiDé (Système de
financement des prestations pour
les thérapies des dépendances)
Ständige Arbeitsgruppen
der GLAS
Accords bilatéraux – Dispenses
d’assurance-maladie – Contentieux dans l’assurance-maladie
– Accords bilatéraux – Dispenses
d’assurance-maladie – Contentieux dans l’assurance-maladie
Projekte der CRASS
Teil
III
Perspektiven
Regierungsebene
(Auswahl)
Abgeschlossene
Projekte
– Interkantonale Vereinbarung über die Errichtung der Fachhochschule Westschweiz für Gesundheit und
Soziale Arbeit (FH-GS, 2001)
– Interkantonale Vereinbarung über ausserkantonale Spitalaufenthalte zwischen den Kantonen Freiburg,
Genf, Jura, Neuenburg, Tessin, Wallis, Waadt (2001)
– CertEMS: Zertifikat betreffend die Sicherstellung der Qualität in Alters- und Pflegeheimen
– Projekt Gesundheitsverträglichkeitsprüfungen
Projekte 2005
– Patientenrechte: Hier geht es um eine gemeinsame Information der Kantone an die Bevölkerung in
Form einer Broschüre.
– Balance of Care: FR/TI/VD/VS/NE/JU: Analyse der Bedürfnisse der älteren Bevölkerung betreffend die
Gesundheitsversorgung gemäss dem Modell Balance of Care
– Gesetz über die Gleichstellung von Personen mit einer Behinderung
Berichte
– Die Krankenkassenprämien als Teil des Haushaltsbudgets nach Abzug der Subventionen: ein Vergleich
unter den CRASS-Kantonen – Part des primes LAMal dans le budget des ménages après subventions:
comparaison des cantons CRASS (GLAS, 2000)
– Interkantonaler Vergleich über die finanzielle Situation der Krankenpflegenden in den Kantonen der
CRASS – Comparaison intercantonale de la situation financière des infirmières au sein des cantons
de la CRASS (GRSP, 2001)
– Bericht über die Einrichtung einer Einheitskrankenkasse – Rapport sur la création d’une caisse unique
en matière d’assurance-maladie (CRASS/GLAS, 2003)
– Psychisch bedingte Invalidität: erste Überlegungen und rechtliche Reformen – Invalidité psychique:
réflexions en cours et réformes législatives (GRAS, 2004)
Quelle: Sekretariat CRASS; Stand: Dezember 2004
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5
85
Referenzrahmen
Teil
I
Die Gesundheits- und Sozialdirektorenkonferenz der lateinischen Schweiz (Conférence romande des affaires sanitaires et sociales, CRASS) wurde 1981 gegründet. Sie
Teil
II
weist eine besonders fein strukturierte Untergliederung
auf.
Zahlreiche Projekte der Gesundheitsförderung und Prä-
Zusammenarbeit
vention, der Gesundheitsversorgung sowie der Aus- und
Weiterbildung sind aus diesem Kreis der strukturierten
Zusammenarbeit heraus entwickelt worden. Zudem
funktioniert die CRASS als Think-Tank für gesundheitspolitische Visionen sowie für gemeinsame Konzepte und
Programme. Die Identität der lateinischen Schweiz ist
ausgeprägt und geht so weit, dass im Parlament des Kantons Freiburg der Ruf nach einer «Romandie-Kompatibili-
Teil
III
tät» («romandocompatibilité») für kantonale Projekt laut
wurde.
Perspektiven
Fachstelle für Prävention und Gesundheits­
förderung (DiPPS) der Kantone der Westschweiz
und des Kantons Tessin
Im Bereich der Gesundheitsförderung und Prävention verfügt die CRASS mit der ständigen Arbeitsgruppe «Dispositif intercantonal de prévention et de promotion de la santé» (DiPPS) über eine Gruppe von Fachleuten mit einem
eigenen Sekretariat und interkantonalem Budget. Die
DiPPS nimmt zudem eine Brückenfunktion zwischen der
CRASS und der Vereinigung der kantonalen Beauftragten
für Gesundheitsförderung in der Schweiz (VBGF/ARPS)43
ein, wo sie die lateinische Schweiz vertritt.
Weitere Westschweizer Fachgruppen
im Handlungsfeld Gesundheit
■
Konferenz der Westschweizer Kantone und des Tessins
über Gesundheitsberufe (Conférence romande et tessinoise des professions de la santé, CRTPS)
■
Westschweizer Studiengruppe über Alkohol- und Drogenabhängigkeiten (Groupement Romand d’Etudes sur
l’Alcoolisme et les Toxicomanie, GREAT)
43 Nähere Informationen zum VBGF unter 5.5: «Themenzentrierte Zusammenarbeit der Kantone».
86
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5
Referenzrahmen
Teil
I
Porträt 4
Nordwestschweizer Sanitätsdirektorenkonferenz (GDK-NWCH)
ca. Mitte der 1980er Jahre
Mitglieder
Kantone Aargau, Bern, Basel-Landschaft, Basel-Stadt, Luzern und Solothurn
Präsident
Regierungsrat Rolf Ritschard, Vorsteher des Departement des Innern des Kantons Solothurn, ab 2005:
Regierungsrat Ernst Hasler, Vorsteher des Departements für Gesundheit und Soziales des Kantons Aargau
Teil
II
Zusammenarbeit
Gründungsdatum
Struktur und Organisation
Regierungsebene
Nordwestschweizer Sanitätsdirektorenkonferenz
Fachebene
Ständige Arbeitsgruppe
Arbeitsgruppe Berufsbildung
Projekte der GDK-NWCH
Teil
III
(Auswahl)
– Regionales Heilmittelinspektorat (RHI, 2004)
– Regionales Schulabkommen im Gesundheitswesen (2001)
Die Nordwestschweizer Gesundheitsdirektorenkonferenz
einer regionalen Koordination gegenüber dem Alleingang
(GDK-NWCH) wurde Mitte der 1980er-Jahre gegründet.
offensichtlich ist.
Perspektiven
Quelle: Nordwestschweizer Sanitätsdirektorenkonferenz, Stand: Dezember 2004
Der Kanton Bern nimmt als Mitglied sowohl der CRASS als
auch der Nordwestschweizer Gesundheitsdirektorenkon-
Die Projekte der GDK-NWCH
ferenz eine Brückenfunktion zwischen der lateinischen
■
Schweiz und der Deutschschweiz ein. Der Kanton Luzern
sam geführte Regionale Heilmittelinspektorat (RHI)
sucht neben dem Anschluss an die Zentralschweiz auch
denjenigen an die Nordwestschweiz.
Das von den Kantonen der Nordwestschweiz gemeinlöste 2004 die Regionale Fachstelle RFS ab.
■
Dank dem Regionalen Schulabkommen im Gesund-
Die GDK-NWCH ist ein Gremium unter anderen, das den
heitswesen, dem auch der Kanton Zug beigetreten ist,
Kantonen dieser Region als Plattform für den gesund-
besteht seit 2001 volle Freizügigkeit zwischen allen
heitspolitischen Austausch und die Zusammenarbeit zur
Kantonen der GDK-NWCH.
Verfügung steht. Eine weitere ausgeprägte Form der
Zusammenarbeit stellen die bilateralen Kontakte dar,
insbesondere diejenigen zwischen Basel-Landschaft und
Basel-Stadt mit zahlreichen Verträgen und Vereinbarungen (siehe hierzu Band 2: Gesundheitspolitik des Kantons Basel-Landschaft). Die Strukturen und Aktivitäten
der Nordwestschweizer Gesundheitsdirektorenkonferenz
beschränken sich daher auf das Wesentliche. Die GDKNWCH hat kein eigenes Sekretariat, Untergliederungen in
Form von ständigen Arbeitsgruppen wie sie die CRASS,
die ZGDK und die GDK-Ost kennen, gibt es in der Nordwestschweizer Gesundheitsdirektorenkonferenz kaum.
Gemeinsame Projekte werden nur dann im Rahmen der
GDK-NWCH lanciert und umgesetzt, wenn sie einem klaren Bedürfnis der Kantone entsprechen und der Mehrwert
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5
87
Referenzrahmen
Teil
I
Regionale Zusammenarbeit
der kantonalen ­Gesamtregierungen
Zusammenarbeit
Teil
II
2. Seit 1966: Zentralschweizer Regierungskonferenz (ZRK);
Mitglieder: Die Kantone LU, NW, OW, UR, SZ, ZG
3. Seit 1972: Regionalkonferenz der Regierungen der
Seit den 1960er-Jahren treffen sich alle Mitglieder der Kan-
Nordwestschweiz (NWRK); Mitglieder: Die Kantone
tonsregierungen regelmässig im Rahmen regionaler Regie-
AG, BE, BL, BS, JU, SO
rungskonferenzen. Auch wenn ihr Bezug zur Gesundheit
4. Seit 1993: Konferenz der Regierungen der Westschweiz
schwach ist, sollen sie an dieser Stelle dennoch erwähnt
(La Conférence des Gouvernements de Suisse occiden-
werden. Diese regional organisierte «multisektorale» Zu-
tale CGSO); Mitglieder: Die Kantone BE, FR, GE, JU,
sammenarbeit zwischen den Kantonsregierungen entwi-
NE, VD
ckelte sich zeitgleich mit den regionalen Gesundheitsdirek-
5. Regierungskonferenz der Gebirgskantone (RKGK);
torenkonferenzen. In der Systematik der Zusammenarbeit
Mitglieder: Die Kantone GL, GR, NW, OW, TI, UR, VS
besteht auf nationaler Ebene die 1993 gegründete Konferenz der Kantonsregierungen (siehe hierzu Kapitel 5.5).
Der Kanton Zürich gehörte lange keiner der Konferenzen
an. Anlass für eine Änderung dieser Situation war eine An-
Perspektiven
Teil
III
Instrumente und Prozesse zu Gunsten einer
­nationalen Gesundheitspolitik
frage der Ostschweizer Regierungskonferenz 1998. Um,
Im Hinblick auf die Entwicklung einer nationalen Gesund-
de Stellung des Kantons Zürich zu vermeiden» und doch
heitspolitik können diese Regierungskonferenzen wichtige
dem Wunsch Zürichs nach Öffnung Rechnung zu tragen,
Funktionen erfüllen, sei es mit der Definition gemeinsamer
ist dieser Kanton heute assoziiertes Mitglied (mit Antrags-
Interessen oder einer gemeinsamen, multisektoral ausge-
recht, aber ohne Stimmrecht) der drei benachbarten regi-
richteten politischen Agenda. Insbesondere die Zentral-
onalen Regierungskonferenzen der Nordwestschweiz, der
schweizer Regierungskonferenz hat auf der technischen
Ostschweiz und der Zentralschweiz.
wie der Kanton Zürich damals schrieb, «eine dominieren-
Ebene Instrumente und Prozesse im Bereich Dokumenta-
88
tion, Wissensmanagement und Schnittstellenmanagement
Lose Organisationsformen
erarbeitet, um die Identifizierung gemeinsamer Interessen
Im Gegensatz zu den regionalen Gesundheitsdirektoren-
sowie die Priorisierung und Durchführung von Projekten
konferenzen sind die regionalen Regierungskonferenzen
durch Verfahren zu regeln. Es würde sich lohnen, deren
in der Regel lose strukturierte Gebilde ohne eigenes Bud-
Verwendung im Kontext einer nationalen Gesundheitspo-
get und ohne ständiges Sekretariat. Eine Ausnahme bildet
litik zu prüfen. Zudem gilt es auf das bisher unbenutzte
die Zentralschweizer Regierungskonferenz (ZRK), deren
Potential der Regierungskonferenzen hinzuweisen, das
Strukturen und Prozesse weiter unter beschrieben wer-
sich auf den multisektoralen und ganzheitlichen Gesund-
den. Ab 2006 wird nach der ZRK auch die Westschwei-
heitsbegriff bezieht.
zer Regierungskonferenz ihre Zusammenarbeit mit einem
Darüber hinaus könnten die sich im Aufbau befindenden
Ständigen Sekretariat im Kanton Freiburg konsolidieren.
regionalen Regierungskonferenzen und auf nationaler
Über die Projekte und Prozesse der übrigen regionalen Re-
Ebene die Konferenz der Kantonsregierungen (KdK) Ko-
gierungskonferenzen ist nur wenig bekannt. Sie scheinen
ordinationsaufgaben wahrnehmen und insbesondere das
sich organisatorisch erst im Aufbau zu befinden. Mit Blick
Zusammenspiel zwischen Regierungen und Fachdirekto-
auf die Nordwestschweizer Regierungskonferenz haben
renkonferenzen fördern. Realität ist, dass die kantonalen
die Kantone Aargau, Bern, Basel-Landschaft, Basel-Stadt,
Gesamtregierungen oft zu wenig über die Vorhaben ein-
Jura und Solothurn zu Beginn des Jahres 2004 eine Ver-
zelner Fachdirektorenkonferenzen orientiert sind, be-
einbarung unterzeichnet, die die Bildung einer ständigen
trachten letztere doch die Zusammenarbeit oft noch als
Regionalkonferenz mit der Bezeichnung Nordwestschwei-
ihre exklusive Domäne.
zer Regierungskonferenz zum Ziel hat.
Fünf regionale Regierungskonferenzen
Ziele der Regionalkonferenzen
Heute gibt es fünf regionale Regierungskonferenzen:
Die bestehenden regionalen Regierungskonferenzen ver-
1. Seit 1964: Ostschweizer Regierungskonferenz (ORK);
folgen vergleichbare Ziele. Exemplarisch werden nachfol-
Mitglieder: Die Kantone AI, AR, GL, GR, SG, SH, TG
gend die Ziele der Zentralschweizer Regierungskonferenz
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5
Referenzrahmen
Teil
I
aufgelistet, die mit kleinen Abweichungen auch von der
Westschweizer und von der Nordwestschweizer Regierungskonferenz geteilt werden:
■
Teil
II
Gemeinschaftliche Lösungen öffentlicher Aufgaben
dort fördern, wo die Aufgaben die Kräfte eines einzelnen Kantons übersteigen oder ihre Lösung durch einen
Zusammenarbeit
einzelnen Kanton nicht zweckmässig ist (Abstimmung
der raumwirksamen Entwicklung; Bildungsinstitutionen)
■
Koordination der Zusammenarbeit der einzelnen Verwaltungszweige
■
Förderung der Standortvorteile im nationalen und europäischen Umfeld
■
Verbesserung der Koordination mit privaten Organi-
Teil
III
sationen und Einbindung der Aktivitäten kommunaler
und privater Organisationen zum Nutzen des Konferenzgebietes
■
In Fragen, welche für das ganze Konferenzgebiet be-
Perspektiven
deutsam sind, gegenüber anderen Kantonen und gegenüber dem Bund eine gemeinsame Haltung der
Kantonsregierungen herbeiführen und so zu einem
Konsensfindungsprozess beitragen
■
Die Präsenz und den Einfluss der Region gegenüber
dem Bund und unter den Regionen Europas verstärken.
Das Handlungsfeld Gesundheit spielte bis jetzt keine beherrschende Rolle bei den multisektoralen Zusammentreffen auf Regierungsebene, auch nicht im Rahmen der Zentralschweizer Regierungskonferenz. Erst ein Projekt – die
«Einrichtung eines regionalen Veterinärdienstes durch die
Kantone Uri, Schwyz, Obwalden und Nidwalden» wurde in
diesem Rahmen umgesetzt. Der regionale Veterinärdienst
hat Anfang 2004 seinen Betrieb aufgenommen. Das Projekt «Zentralschweizer Kinderspital», das die ZRK auf Initiative des Kantons Luzern 2001 in Auftrag gegeben hatte,
scheiterte hingegen.
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5
89
Referenzrahmen
Teil
I
Porträt
Zentralschweizer Regierungskonferenz (ZRK)
> www.zrk.ch
Zusammenarbeit
Teil
II
Gründungsdatum
1966
Mitglieder
Kantone Luzern, Nidwalden, Obwalden, Schwyz, Uri und Zug
Präsident
Regierungsrat Josef Arnold, UR (2004–2005); Nachfolger für 2006–2007: Regierungsrat Lorenz Bösch,
Schwyz
Grundlagen
– Statut der Zentralschweizer Regierungskonferenz (1973)
– Grundsätze der Zusammenarbeit in der Innerschweizer Regierungskonferenz (1994, geändert 2003)
– Basisdokument über die Direktorenkonferenzen in der Zentralschweiz (2003)
– Richtlinie zur Durchführung von Zusammenarbeitsprojekten in der Zentralschweiz (2003)
– Vereinbarung betreffend ZRK-Beitritt des Kantons Zürich als assoziiertes Mitglied (2001)
– Beschluss über die Führung der ZRK-Rechnung (2003)
– Richtlinie für gemeinsame politische Vorstösse und Vernehmlassungen der ZRK (1995)
Teil
III
Perspektiven
Struktur und Organisation
Regierungsebene 1
ZRK-Präsidium
Ein Regierungsmitglied des Vorortkantons. Der
Vorort wechselt alle zwei Jahre in der historischen
Reihenfolge Luzern, Uri, Schwyz, Obwalden,
­Nidwalden und Zug.
Verwaltungsebene
Ständiges Sekretariat der ZRK (2 Stellen)
Zusammenarbeitsprojekte der ZRK
Ausschuss (geschäftsführendes Organ)
Er besteht aus je einer Vertretung der Vollmitgliedkantone und wird vom ZRK-Präsidium geleitet.
(Stand 2005)
– INTERREG III – Zentralschweizer Beteiligung (2005)
– Liste der laufenden Zusammenarbeitsprojekte der Zentralschweiz (2005)
– NFA - Regionale Umsetzung (2005)
– Zusammenarbeit in der Integration von Ausländerinnen und Ausländern (2005)
– Geoinformation Zentralschweiz (2005)
– BVG- und Stiftungsaufsicht (2004)
– Zivilschutz (2004)
– Regionale Organisation des Eichwesens (2004)
– Verwaltungsweiterbildung Zentralschweiz (2004)
– Massnahmenplan Luftreinhaltung Zentralschweiz (2004)
– Gemeinsame Organisation der Opferhilfe (2004)
– Interkantonale Polizeischule Hitzkirch (2004)
– Regionaler Tierarztdienst (2004)
– Gemeinsame Durchführung des Haager Adoptionsübereinkommens HAÜ (2003)
– Verstärkung der Zusammenarbeit in der Zentralschweiz (2003)
In Vorbereitung
– Massnahmen gegen die häusliche Gewalt
– Integrationspolitik: Einrichtung eines Dolmetschervermittlungsdienstes
– Gemeinsame Übernahme von Aufträgen des Bundes im Bereich Nationalstrassen
– Erstellen von Grundlagendaten und Bedarfsplanung mit Rahmenkonzept für die interkantonale Zusammenarbeit im Heim- und Betreuungswesen in der Zentralschweiz für die Bereiche Kinder und Jugend­
liche, behinderte Erwachsene, Suchtbereich sowie Straf- und Massnahmenvollzug von ­Jugendlichen
Quelle: www.zrk.ch, Stand: Dezember 2005
90
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5
■
Konsensfindung: Anregungen an die Regierungen
de 1966 gegründet. Sie ist nicht nur eine der ältesten,
der Konferenzkantone zur gemeinsamen Lösung be-
sondern auch die bisher best strukturierteste regionale
stimmter Aufgaben
Regierungskonferenz. Seit dem Jahr 2000 versuchen die
■
Teil
II
Entscheidungskompetenz: Die einzelnen Projekte wer-
sechs Kantone der Zentralschweiz, ihre Zusammenarbeit
den in einem intergouvernementalen Modus beschlos-
im Rahmen der ZRK zu optimieren mit dem langfristigen
sen und durchgeführt.45 Priorität haben Projekte mit
Ziel, gemeinsame Perspektiven für ihre Region zu entwi-
einem ausgewogenen Kosten-Nutzen-Verhältnis.
Zusammenarbeit
Die Zentralschweizer Regierungskonferenz (ZRK) wur-
Referenzrahmen
Teil
I
ckeln. Im Rahmen dieser Diskussionen wurde die Zentralschweizer Regierungskonferenz durch die Schaffung eines
Mögliche Gesundheitsthemen in der ZRK
eigenständigen Sekretariats im Jahr 2003 aufgewertet.
Auf der Liste der Zusammenarbeitsprojekte der Zentral-
44
schweiz figuriert gegenwärtig kein Projekt, das dem Gesundheitsbereich zuzuordnen wäre. Es könnte sein, dass
Im Rahmen der Intensivierung der Zusammenarbeit hat
die Gesundheit in Zukunft öfters ein Thema sein wird, als
die Zentralschweizer Regierungskonferenz interessante
dies bisher der Fall war. So sind sechs von acht Themen,
Instrumente unter anderem im Bereich der Dokumenta-
die auf der Liste möglicher Zusammenarbeitsfelder der
tion, des Wissensmanagements und des Schnittstellen-
ZRK figurieren, dem Gesundheitsbereich zuzuordnen:
managements erarbeitet. Die nachfolgend aufgeführten
1. Gesundheitsförderung gemäss KVG: von der Koordina-
Instrumente und Prozesse stellen den Versuch dar, Inno-
tion der Fördermassnahmen bis zur zentralen Führung
vation und Priorisierung durch Verfahren zu regeln.
der Gesundheitsförderung
Teil
III
Perspektiven
Koordinationsinstrumente der ZRK
2. Geschützte Wohn- und Arbeitsplätze für psychisch Be■
Dokumentation und Informationspolitik: Da der interkantonalen Zusammenarbeit nicht selten mangelnde
3. Umsetzung drogenpolitischer Massnahmen – von der
Demokratie und Transparenz vorgeworfen wird, ging
Koordination der kantonalen Massnahmen bis zur zen-
die ZRK dazu über, im Internet alle ihre Geschäfte zu
tralen Planung und Durchführung drogenpolitischer
publizieren, eine Vertragssammlung bereit zu halten
Massnahmen
und über aktuelle Projekte zu informieren. So führt das
ZRK-Sekretariat eine regelmässig aktualisierte Liste
der Zusammenarbeitsprojekte in der Zentralschweiz
sowie eine Liste möglicher Zusammenarbeitsfelder.
■
hinderte: gemeinsame Bedarfsplanung, Leistungskauf
4. Sanitätsdienst: Koordination der zivilen Mittel im Katastrophenfall
5. Zusammenarbeit im Bereich des Asylwesens: Koordination, eventuell Harmonisierung
Schnittstellenmanagement: Um die Zusammenarbeit
mit den Fachkonferenzen zu optimieren, hat die Zen-
6. Kooperation betreffend Frauenhaus – regionale Koordination des Leistungsbezuges
tralschweizer Regierungskonferenz ein Basisdokument
■
■
verabschiedet. Damit regeln die Innerschweizer Kan-
Würdigung
tone die Stellung der Direktorenkonferenzen innerhalb
Ein wesentliches Ziel der Zentralschweizer Regierungs-
der Systematik der Zusammenarbeit in der Zentral-
zusammenarbeit ist die Stärkung der Autonomie der ein-
schweiz.
zelnen Kantone. Dieses auf den ersten Blick paradoxe
Laufende Prüfung des Standes der interkantonalen
Ziel hat dazu geführt, dass die regionale Regierungszu-
Zusammenarbeit: Sämtliche Kantonsaufgaben werden
sammenarbeit in der Zentralschweiz pragmatisch und
auf ihre Eignung für gemeinsame Wahrnehmung unter-
systematisch zugleich ist.46 So ist sie einerseits freiwillig,
sucht.
andererseits aber auch standardisiert, indem die ZRK bei-
Wissenstransfer: Beobachtung gleicher oder ähnlicher
spielsweise Richtlinien für die Durchführung von Zusam-
Be­strebungen anderer Regionen der Eidgenossenschaft
44 Vgl. FREIBURGHAUS Dieter, ZEHNDER Vital: Horizontale Kooperation zwischen den Kantonen der Zentralschweiz. Working Paper de
l’IDHEAP 4/2003. UER: Europe et politiques publiques. 2003.
45 Siehe FREIBURGHAUS und ZEHNDER (2003), Executive Summary.
46 Siehe hierzu auch: Josef ARNOLD: Wie kommt eine interkantonale Vereinbarung zustande? In: Bernhard WALDMANN (Hrsg.), 1. Nationale
Föderalismuskonferenz: Der kooperative Föderalismus vor neuen Herausforderungen, Institut für Föderalismus, Freiburg Schweiz / Helbing
& Lichtenhahn, 2005, S. 117–124.
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5
91
Referenzrahmen
Teil
I
Teil
II
menarbeitsprojekten verabschiedet hat. Nach Möglichkeit
Bern, Freiburg, Solothurn und Wallis. Unter den Mitglie-
beteiligen sich alle sechs Kantone der Zentralschweiz an
dern des Netzwerks ist aus dem Sektor Gesundheit das
einem Zusammenarbeitsprojekt; doch führt sie nicht zu
Inselspital Bern aufgelistet. Unter der Rubrik «Projekte/
Win-win-Lösungen für alle Kantone, kommt die sogenann-
Ideen» findet sich unter anderem die Versorgung des Es-
te variable Geometrie zum Zuge.
pace mit tertiärer Medizin (Spitzenmedizin) verbunden
Zusammenarbeit
mit der Frage, mit welchen volkswirtschaftlichen Konse-
Westschweizer Regierungskonferenz
quenzen die Region rechnen müsste, wenn Bern kein spit-
1993 gegründet fanden in der Westschweizer Regierungs-
zenmedizinisches Zentrum mehr hätte.
konferenz (Conférence des Gouvernements de Suisse
Teil
III
occidentale, CGSO) in den letzten Jahren Diskussionen
Transjurassische Konferenz (CTJ)
unter anderem darüber statt, wie kantonale Parlamente
Grundlage der CTJ ist das am 12. Oktober 2001 in Be-
bei der Aushandlung, Ratifikation, Ausführung und Abän-
sançon zwischen dem Schweizerischen Bundesrat – als
derung der interkantonalen Verträge und Vereinbarungen
Vertreter der Kantone Bern, Waadt, Neuenburg und Jura
der Kantone mit dem Ausland beteiligt werden können.
– und der Regierung der Französischen Republik unter-
Auf dem Hintergrund eines sich entwickelnden interkan-
zeichnete Übereinkommen zur Gründung der «TransJu-
tonalen kooperativen Föderalismus sowie auf dem Hin-
rassischen Konferenz»: Im Bereich Gesundheit nimmt die
tergrund der Neuregelung des Finanzausgleichs und der
Konferenz gegenwärtig drei Mandate war:
Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA)
■
Perspektiven
beobachten kantonale Parlamente regionales Denken
und Handeln argwöhnisch, befürchten diese doch eine
stätten entsprechend einzurichten
■
Verwässerung demokratischer Entscheidprozesse. Um
Zusammenarbeit auf dem Gebiet der grenzüberschreitenden Krankheitsüberwachung und, falls nötig, Zu-
diesem Demokratiedefizit vorzubeugen, der sich darin
äussert, dass kantonale Parlamente interkantonale Verein-
Bedarfsanalyse Pflegepersonal, um die Ausbildungs-
sammenarbeit in der Information der Bevölkerung
■
Anstreben von geeigneten Spitalpartnerschaften, um in
barungen nur entweder annehmen oder ablehnen können,
der Grenzregion eine bessere medizinische Versorgung
hat die Westschweizer Regierungskonferenz in Zusam-
der Bevölkerung Frankreichs und der Schweiz zu er-
menarbeit mit den kantonalen Parlamenten die «Interkan-
möglichen
tonale Vereinbarung über die Aushandlung, Ausführung
und Abänderung der interkantonalen Verträge und Ver-
Regio Basiliensis
einbarungen der Kantone mit dem Ausland» ausgearbeitet
Die 1963 gegründete REGIO BASILIENSIS ist zum einen
(2000). Alle Westschweizer Kantone (FR, GE, JU, NE, VD,
ein Verein, der heute von rund 400 Einzel- und 200 Kol-
VS) haben diese Vereinbarung ratifiziert. Die Mitwirkung
lektivmitgliedern getragen wird. Darüber hinaus erfüllt sie
der Kantone erfolgt gemäss dieser Vereinbarung jeweils
seit 1970 als Aussenstelle der Kantone Basel-Stadt und
über eine interparlamentarische Kommission, die sich aus
Basel-Landschaft auch staatliche Funktionen im Sinn der
je sieben Vertretern pro betroffenem Kanton zusammen-
kleinen Aussenpolitik. Seit 1996 gilt dies ebenfalls für den
setzt.
Kanton Aargau und seit 2003 für die Kantone Solothurn
und Jura. Beide Komponenten bilden eine betriebliche
Espace Mittelland
Einheit mit insgesamt sechs Vollzeitstellen. Das jährliche
Mit dem Ziel, die gemeinsamen wirtschaftlichen Interes-
Gesamtbudget beträgt derzeit CHF 1,2 Mio. Im Bereich
sen besser zu koordinieren, haben die Kantone Bern, Frei-
Gesundheit gibt es folgende Projekte:
burg, Neuenburg, Solothurn, Jura, Wallis und Waadt 1994
■
das Projekt ESPACE MITTELLAND lanciert. Ende 2005
wurde das Projekt in einen Verein mit eigener Geschäfts-
tionsmodells für die Rehabilitation am Oberrhein
■
stelle überführt und das Netzwerk Espace Mittelland neu
92
Grenzüberschreitendes Kooperationsprojekt zur Verbesserung der Versorgung Suchtmittelabhängiger im
definiert. Es besteht heute aus Vertreterinnen und Vertretern der Wirtschaft, der Kantone Bern, Freiburg, So-
Entwicklung eines grenzüberschreitenden Koopera­
Dreiländereck
■
Etablierung einer Einrichtung im Dreiländereck Lör-
lothurn und Wallis, diverser Städte und Bildungsinstitu-
rach zur Verbesserung der Versorgungssituation chro-
tionen sowie weiteren Interessierten aus den Kantonen
nisch Abhängiger (Drehscheibe)
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5
■
Aufbau eines deutsch-französischen Netzes zur Be-
zwischen den kantonalen Fachstellen und den entspre-
kämpfung sozialer Ausgrenzung und Langzeitarbeitslo-
chenden Stellen innerhalb der Bundesverwaltung. Der
sigkeit
Organisationsgrad der Konferenzen ist höchst unter-
Referenzrahmen
Teil
I
Teil
II
Die politische Notwendigkeit, sich in Umweltschutzfragen,
riat, wie die Schweizerische Konferenz der kantonalen
insbesondere im Bereich Gewässerschutz, grenzübergrei-
Erziehungsdirektoren EDK mit fast drei Dutzend Mitar-
fend abzustimmen, bildete 1972 den Ausgangspunkt für die
beitenden eines aufweist.
Kooperation der Bodensee-Anrainerländer und -kantone.
Die zweite der hier vorgestellten Form der interkanto-
Heute gehören der Internationalen Bodenseekonferenz
nalen Zusammenarbeit auf schweizerischer Ebene ist die
(IBK) aus der Schweiz die Kantone Thurgau, St. Gallen,
Konferenz der Kantonsregierungen (KdK). 1993 gegrün-
Schaffhausen, Zürich, Appenzell Innerrhoden und Appen-
det hat sie im Vergleich zu derjenigen der GDK eine noch
zell Ausserrhoden sowie das Fürstentum Liechtenstein,
junge Geschichte. Gesundheitsthemen gehören nicht
aus Österreich das Land Vorarlberg und aus Deutschland
zum Portfolio der KdK, doch lässt sich seit kurzem eine
die Bundesländer Baden-Württemberg und Bayern an.
interessante Zusammenarbeit zwischen der GDK und der
Das Portfolio der IBK umfasst unter anderem Themen
KdK beobachten, wenn es darum geht, konsolidierte Posi-
zur Gesundheit und Gesundheitsförderung. Im Novem-
tionen gegenüber dem Bund zu vertreten (siehe Abschnitt
ber 2001 wurde in Bregenz das erste IBK-Symposium für
5.5.2).
Gesundheitsförderung und Prävention durchgeführt. In
Was die Rechtsform dieser Art der organisierten Zusam-
diesem Rahmen prämierte eine Fachjury 16 Projekte aus
menarbeit anbelangt, präsentiert sich das Bild uneinheit-
dem Gebiet Gesundheitsförderung und Prävention, wel-
lich. Die Direktorenkonferenzen sind entweder einfache
che anschliessend in einer Wanderausstellung im ganzen
Gesellschaften oder Vereine, allenfalls basierend auf inter-
IBK-Raum vorgestellt wurden. Eine Wiederholung der Ta-
kantonalen Verwaltungsvereinbarungen. Ihre Tätigkeiten
gung ist für 2005 geplant. Weitere Fachtagungen finden
stützen sich auf Statuten. Die Konferenz der Kantons-
zum Thema grenzüberschreitende Gesundheitsleistungen
regierungen kann sich beispielsweise auf eine Verwal-
statt. Im Zusammenhang mit den Gesundheitsdeterminan-
tungsvereinbarung aller Kantonsregierungen abstützen,
ten beschäftigt sich die IBK mit Fragen des öffentlichen
während die Schweizerische Konferenz der kantonalen
Verkehrs sowie die Kommission Umwelt mit Fragen zur
Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren ohne formelle
grenzübergreifenden Luftqualität.
Rechtsgrundlage funktioniert. Statuten regeln hier den
Teil
III
Perspektiven
eigene Sekretariatsstruktur bis hin zum Generalsekreta­
Zusammenarbeit
schiedlich. Die Spanne reicht vom «Vorortsprinzip» ohne
Internationale Bodenseekonferenz (IBK)
Geschäftsverkehr. Die gefassten Beschlüsse vermögen
Dritte in der Regel nicht zu binden, sondern es kommt ih-
5.5 Organisierte Zusammenarbeit auf
schweizerischer Ebene
nen lediglich der Charakter von Empfehlungen oder Meinungsäusserungen zu.47.
Die organisierte Zusammenarbeit zwischen kantonalen
Regierungen im Handlungsfeld Gesundheit auf schweizerischer Ebene kennt eine lange Tradition. Bereits zu
Beginn des 20. Jahrhunderts begannen sich kantonale
Fachminister zu interkantonalen (Fach-)Direktorenkonferenzen zusammenzuschliessen. Im Lauf der Zeit entstanden insgesamt 14 solcher Fachkonferenzen, darunter 1919 die Schweizerische Konferenz der kantonalen
Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren (GDK). Die
Konferenzen dienen vor allem dem Erfahrungsaustausch
und der Ausarbeitung von Lösungen für aktuelle, als gemeinsam definierte Probleme. Sie leisten Lobbyarbeit für
die Kantone und funktionieren als Verbindungsorgane
47 Diese Zusammenfassung stammt aus folgender Publikation: Kanton
Luzern (Hrsg.), Planungsbericht des Regierungsrats an den Grossen
Rat über die interkantonale Zusammenarbeit vom 21. Februar 2003,
S. 47 ff.
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5
93
Referenzrahmen
Teil
I
Porträt
Schweizerische Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen
und -direktoren (GDK)
Zusammenarbeit
Teil
II
Gründungsdatum:
1919
Rechtliche Grundlage:
Statuten gemäss Beschluss der Plenarversammlung der GDK
Mitglieder:
Alle 26 Kantone, vertreten durch ihre kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren. Delegierte
ausgewählter Bundesstellen (EDI, Gesundheitswesen, Kranken- und Unfallversicherung, Berufsbildung,
Statistik, Armeegesundheitsdienst) und des Fürstentums Liechtenstein nehmen als ständige Gäste mit je
einer beratenden Stimme an den Plenarversammlungen teil.
Präsident:
Regierungsrat Dr. Markus Dürr, Gesundheits- und Sozialdepartement, Kanton Luzern
Struktur und Organisation
Perspektiven
Teil
III
Regierungsebene
Plenarversammlung
Die für das Gesundheitswesen zuständigen
Regierungsmitglieder der 26 Kantone
Verwaltungsebene
Zentralsekretariat
Rund 10 Vollzeitstellen
Vorstand
Präsident, Vizepräsident, Mitglieder –
total 10 Regierungsmitglieder
Fachgremien der GDK
– Interkantonale Prüfungskommission für Chiropraktorinnen und Chiropraktoren
– Bildungsrat
– Arbeitsgruppe «Fachhochschulen»
– Kerngruppe Berufsbildung
– Arbeitsgruppe Berufsbildung
– Kommission «Vollzug KVG»
– Interkantonale Kommission Konzentration der hochspezialisierten Medizin (CICOMS)
– Fachgremium für Tariffragen
– Arbeitsgruppe «Spitalplanung»
– Arbeitsausschuss «Leistungsorientierte Spitalplanung (AA-LOSP)»
Projekte der GDK
– SwissDRG
– Spitzenmedizin
– Dach-ODA
– Interkantonale Prüfung für Osteopathen
– Klärung der Positionierung der tertiären Gesundheitsausbildungen
– Fachhochschulen
– Revision des Krankenversicherungsgesetzes
– Transfer der Kompetenz zur Regelung der Chiropraktik zum Bund und Integration der Chiropraktik in
das neue MedBG
Quelle: Zentralsekretariat GDK; Stand: Dezember 2004
94
Gegründet im Jahr 1919 ist die GDK (bis Ende 2003 Sani-
ziehungsdirektoren (EDK) auch eine der grössten Fach-
tätsdirektorenkonferenz, SDK) eine der ältesten und, ge-
direktorenkonferenzen in der Schweiz. Seit 1979 verfügt
messen an den personellen und finanziellen Ressourcen,
die GDK über ein ständiges Sekretariat, das mit dem 1996
mit der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Er-
in Kraft getretenen neuen Krankenversicherungsgesetz
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5
wesentlich erweitert wurde. Heute verfügt die GDK über
rund zehn Vollzeitstellen bei einem Jahresbudget von
CHF 2,4 Mio. (2005).
Referenzrahmen
Teil
I
sundheit, Chiropraktikprüfungen) fasst sie rechtlich
bindende Beschlüsse.
2. Die GDK vertritt die Interessen der Kantone im Sektor
Teil
II
Bundesinstanzen. Diese Funktion hat mit In-Kraft-Tre-
Auf dem Gebiet der Zusammenarbeit nimmt die GDK eine
ten des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung
doppelte Funktion wahr:
1996 an Bedeutung gewonnen.
Zusammenarbeit
Gesundheit gegenüber den legislativen und exekutiven
Zwei Funktionen für die GDK
1. Die GDK ist die zentrale Instanz für die interkan-
Vier Themenschwerpunkte
schweizerischer Ebene. Seit ihrer Gründung im Jah-
Gemäss der von der GDK erstellten Liste ihrer Hand-
re 1919 hat die GDK mit ihrer Koordinationsfunktion
lungsbereiche (siehe Tabelle 13: Tätigkeitsgebiete der
Entscheidendes zur Verbesserung der Gesundheit der
GDK 2004–2006) sind 4 Themen von besonderer Rele-
Bevölkerung in den Kantonen beigetragen, insbeson-
vanz: erstens, der Vollzug des Krankenversicherungsge-
dere was die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten
setzes (KVG); zweitens, die Aus- und Weiterbildung in
(z. B. Tuberkulose), die interkantonale Regelung der
den Gesundheitsberufen; drittens, die Koordination der
Berufsausbildung, das Rettungswesen und die Heilmit-
Spitzen­medizin; viertens, die Einführung eines neuen
telkontrolle anbelangt. Zur Stärkung der interkanto-
Entgeltmodells für Spitäler. Der letzte Punkt ist eng mit
nalen Koordination formuliert die GDK Empfehlungen
der Kostenfrage im Gesundheitssystem verbunden, eine
oder bereitet interkantonale Vereinbarungen vor. In
Frage, mit der sich die GDK seit den 1960er-Jahren aus-
bestimmten Bildungsbereichen (Fachhochschule Ge-
einandersetzt.
Teil
III
Perspektiven
tonale Zusammenarbeit im Bereich Gesundheit auf
Die Themenschwerpunkte entstanden unter anderem
auf der Basis einer Umfrage bei den Kantonen, die der
Erstes Arbeitsprogramm der GDK von 1919
GDK-Vorstand 1991 angesichts der schleppenden Vorbe-
Das erste Arbeitsprogramm
der GDK, verabschiedet
reitung des neuen KVG in Auftrag gegeben hatte.49 Die
an der 1. Sanitätsdirektorenkonferenz in Basel, enthielt
Auswertung der Umfrage ergab unter anderem, dass die
5 Teilgebiete:
Kantone in bestimmten Bereichen stärker zusammenar-
Medizinalwesen: u. a. Organisation der Sanitätsbehör-
beiten wollten. Auf diesen Wunsch der Kantone reagierte
den, Ausbildung der Medizinalpersonen, Vorschriften
die GDK mit einer Empfehlung vom 18. November 1993.
über den Handel mit Heilmitteln und Giften.
Die Empfehlung umfasste einen besseren Informations-
Fürsorge für Kranke und Krankenkassenwesen: u. a.
austausch zwischen den Gesundheitsbehörden, bessere
Krankenhauswesen, Kranken- und Unfallversiche-
Zusammenarbeit und Koordination bei der Planung und
rungswesen.
Aufgabenteilung in den Bereichen Spitäler und Spitzen-
Massnahmen zur Verhütung und Bekämpfung von
medizin, betriebswirtschaftliche Verbesserungen, mehr
Krankheiten (Prävention): u. a. Säuglingssterblichkeit,
Transparenz in den öffentlichen Spitälern und die För-
Tuberkulose, Alkoholismus, Geschlechtskrankheiten,
derung von Health Maintenance Organisations (HMO). In
Kropf, Krebs, «Influenza».
der Folge hat die GDK ihr Engagement in den Kernthe-
Lebensmittelkontrolle (Prävention): Hier ging es um
men KVG und Berufsbildung verstärkt. Die Existenz der
Fragen des Vollzugs des Bundesgesetzes über den Ver-
zwei ständigen Kommissionen «Vollzug KVG» und «Bil-
kehr mit Lebensmitteln, das 1906 vom Volk angenom-
dungsrat» tragen dieser inhaltlichen Priorisierung Rech-
men und 1909 in Kraft gesetzt worden war.
nung. Die Koordination der Spitzenmedizin ist seit 1999
Öffentliche Gesundheitspflege (Prävention): Bedeutung
und das Entgeltmodell für Spitäler seit 2004 ein Schwer-
und Bekämpfung des Geburtenrückgangs, Verbesse-
punkt der GDK. Die Aus- und Weiterbildung in den Ge-
48
rung der Trinkwasserversorgung, Förderung der Wohnhygiene, Abfallbeseitigung, Schulgesundheitspflege.
48 Andreas MINDER. Bern, 1994, S. 13 ff.
49 Schweizerische Sanitätsdirektorenkonferenz: Finanzierung und Steue­
rung im Gesundheitswesen. Zusammenfassung der Ergebnisse der
Umfrage bei den Kantonen. 27.10.1993. In: Schweizerische Sanitätsdirektorenkonferenz (SDK), Hg., 1919–1994 – 75 Jahre SDK. Notizen
zur Geschichte der Schweizerischen Sanitätsdirektorenkonferenz, von
Andreas MINDER. Bern, 1994, S. 74.
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5
95
Referenzrahmen
Teil
I
Zusammenarbeit
Teil
II
Teil
III
sundheitsberufen, die seit der Gründung der GDK im Jahr
begleitet. Die Federführung für die Reglementierung und
1919 immer wieder ein Thema war, wird in der GDK an
Steuerung in diesen Bereichen liegt neu beim Bundesamt
Priorität verlieren, da im Zuge der Erweiterung der Re-
für Berufsbildung und Technologie (BBT), die Erarbei-
gelungskompetenzen des Bundes die Gesundheitsberufe
tung der Inhalte, die Abstimmung und Koordination bei
neu in der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Er-
den Organisationen der Arbeitswelt und die Durchführung
ziehungsdirektoren (EDK) angesiedelt sind (siehe weiter
und Aufsicht bei den kantonalen Erziehungsbehörden, auf
unten Abschnitt «Aus- und Weiterbildung in den Gesund-
schweizerischer Ebene vertreten durch die Erziehungsdi-
heitsberufen»).
rektorenkonferenz (EDK), bzw. deren Fachkonferenz, der
Die Themen der GDK werden in ständigen Kommissionen,
Schweizerischen Berufsbildungsämter-Konferenz (SBBK).
Arbeitsausschüssen, Arbeitsgruppen und Kerngruppen
Die GDK hat aus einer Gesundheitsversorgersicht nach
der GDK konkretisiert. Im Rahmen ihrer Aktivitäten arbei-
wie vor ein Interesse an qualitativ gut ausgebildetem Per-
tet die GDK mit anderen schweizerischen Direktorenkon-
sonal. Aus diesem Grund hat sie sich aktiv für die Grün-
ferenzen – mit der Finanzdirektorenkonferenz betreffend
dung einer nationalen Dachorganisation der Arbeitswelt
die Revision des KVG und mit der Erziehungsdirektoren-
Gesundheit (Dach-OdA Gesundheit) engagiert. Sie wird
konferenz bei den Gesundheitsberufen – sowie mit Bundes­
ihren Einfluss in Bildungsfragen künftig über diese Dach-
ämtern zusammen.
OdA wahrnehmen. Neben der GDK werden insbesondere
Perspektiven
auch die institutionellen Arbeitgeber und die Berufsorga-
Vollzug des Krankenversicherungsgesetzes
nisationen im Gesundheitswesen Mitglieder der Dach-Oda
Die obligatorische Krankenversicherung gehört zu den
Gesundheit sein.
Kernthemen der GDK. Dieser Bereich beansprucht rund
die Hälfte ihrer Personalressourcen (vgl. Tabelle 13: Tätig-
Gesundheitsberufe auf Fachhochschulebene: Die Teilre-
keitsgebiete der GDK 2004–2006). Die umfassenden Posi-
vision des Fachhochschulgesetzes hat dazu geführt, dass
tionspapiere, Stellungnahmen zuhanden des Bundesrats
der Geltungsbereich des Gesetzes neu auch für die bisher
und Anträge zuhanden des eidgenössischen Parlaments
kantonal geregelten Studiengänge Gesundheit, Soziale Ar-
zu den Themen Prämienverbilligung, Pflegefinanzierung,
beit und Kunst (GSK) gilt. Das revidierte Fachhochschul-
Spitalfinanzierung, Vertragsfreiheit, Tarmed, Versicher-
gesetz ist 2005 in Kraft getreten.
tenkarte und Spitalplanung belegen die Wichtigkeit dieses
Themas für die Kantone. In diesem Bereich arbeitet die
Koordination der Spitzenmedizin
GDK mit der Interkantonalen Finanzdirektorenkonferenz
Ziel des seit 1999 laufenden Projekts «Spitzenmedizin»
und mit dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) zusam-
ist es, das Angebot an hochspezialisierter medizinischer
men. Mit dem seit 2004 regelmässig stattfindenden Dialog
Leistung gesamtschweizerisch zu planen. Ausgewählte
zwischen Bund und Kantonen zur nationalen Gesund-
spitzenmedizinische Dienstleistungen wie Herztransplan-
heitspolitik haben die Kantone über die GDK zudem die
tationen oder Lebend-Lebertransplantationen sollen nicht
Möglichkeit, im direkten Kontakt mit dem Vorsteher des
mehr an verschiedenen Standorten der Schweiz, sondern
Eidgenössischen Departements des Innern (EDI) Pro-
nur noch an nationalen Kompetenzzentren angeboten
bleme betreffend die Umsetzung des Krankenversiche-
werden. Diese nationalen Kompetenzzentren werden sich
rungsgesetzes und dessen Revision zu besprechen (vgl.
meistens als Teil der Universitätsspitäler in den Hoch-
hierzu auch Kapitel 6 der Publikation).
schulkantonen befinden. Aus gesundheitspolitischer Sicht
geht es um zwei Prozesse:
96
Aus- und Weiterbildung in den Gesundheitsberufen
1. Der von einer GDK-Arbeitsgruppe formulierte Entwurf
Nicht-universitäre Gesundheitsberufe: Das neue Bundes-
zu einem interkantonalen Konkordat über die Planung
gesetz über die Berufsbildung (BBG, 2002) erklärt die
und Aufgabenteilung in der hochspezialisierten Medi-
nicht-universitäre berufliche Bildung zu einer gemein-
zin (IVKKM) wurde Ende 2004 von der GDK-Plenar-
samen Aufgabe von Bund, Kantonen und «Organisationen
versammlung angenommen und muss bis im Frühjahr
der Arbeitswelt» (OdA). Die Integration der nicht-uni-
2006 von mindestens 17 Kantonen, darunter zwingend
versitären Gesundheitsberufe in das neue BBG und in
allen fünf Hochschulkantonen, ratifiziert werden, um
das revidierte Fachhochschulgesetz hat die GDK intensiv
rechtsverbindlich zu sein. Da der Kanton Zürich die
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5
Referenzrahmen
Teil
I
Nachfolgend werden die Aktivitäten der GDK in der Priorität ihrer Schwerpunkte kurz beschrieben und allfällige Schnittstellen zu einer nationalen Gesundheitspolitik aufgezeigt.
Tabelle 13: Tätigkeitsgebiete der GDK (2004–2006)
Gesundheitspolitik und Gesundheitsversorgung
2004
2005
2006
  234 %
  324 %
  374 %
Gesundheitspolitische Strategien
Mittel
   51 %
   70 %
   83 %
Gesundheitsförderung
Mittel
    6 %
    7 %
   12 %
Prävention auf nationaler Ebene: Bekämpfung ansteckender Krankheiten
Mittel
    7 %
   10 %
   11 %
Koordination Spitzenmedizin
Hoch
   62 %
  117 %
  141 %
Ethik und Technologiefolgenabschätzung
Mittel
   24 %
   30 %
   32 %
Versorgungsplanung und Zulassung zur Krankenversicherung
Hoch
   53 %
   58 %
   61 %
Übrige (Forschung am Menschen, Forschungspolitik, Technologiebewertung,
Heilmittelkontrolle)
Mittel
   31 %
   32 %
   34 %
  253 %
  142 %
   82 %
   62 %
   48 %
   33 %
Berufsbildung und Personalrekrutierung
Medizinalberufe
Hoch
Organisation der Arbeitswelt und Übergang Berufsbildung zum Bund
Hoch
Übrige Ausbildungsfragen (Fachhochschule Gesundheit, Weiterbildung, Zulassungs­
regelungen, Rekrutierung Gesundheitsberufe)
Gesundheitsökonomie und Gesundheitsinformation
   65 %
   30 %
   20 %
  126 %
   64 %
   29 %
  223 %
  227 %
  226 %
Spitalfinanzierung
Hoch
   71 %
   72 %
   69 %
Finanzierung Langzeitpflege
Hoch
   17 %
   15 %
   13 %
Finanzierung ambulante Leistungen
Hoch
Versicherungswesen
    5 %
    5 %
    5 %
   10 %
   10 %
   10 %
Finanzierung Krankenversicherung / Prämienverbilligung
Hoch
   90 %
   88 %
   88 %
Gesundheitsberichterstattung, Statistiken
Mittel
   16 %
   17 %
   18 %
   14 %
   20 %
   23 %
Übrige: Finanzierung anderer Gesundheitsdienste, Informatiksysteme, Patientenkarte
Teil
II
Ressourcen (Stellenprozente)
Öffentlichkeitsarbeit und Lobbying
Hoch
   32 %
   38 %
   46 %
Lobbying bei Parlament und Interessengruppen
Hoch
   10 %
   13 %
   17 %
Auftritt GDK gegen aussen
Hoch
   22 %
   25%
   29 %
Leitung und Stabsaufgaben
  318 %
  319 %
  322 %
Total
1060 %
1050 %
1050 %
Zusammenarbeit
Priorität
Teil
III
Perspektiven
Handlungsbereiche
Aufgabenfelder der GDK, die sie mit Ausnahme des Bereichs «Gesundheitspolitische Strategien» (Priorität mittel)
mit Priorität hoch bewertet und für die sie im Vergleich zu anderen GDK-Aufgaben viele Ressourcen einsetzt.
Quelle: GDK, 2004
Vereinbarung abgelehnt hat, suchen die Kantone im
Falls das Konkordat über die Planung und Aufgabenteilung
Rahmen der GDK nach neuen Wegen, darunter mögli-
in der hochspezialisierten Medizin zustande kommt, wäre
cherweise auch eine Bundeslösung.
es nach dem inzwischen hinfällig gewordenen Heilmittel-
2. Parallel zu diesem Prozess konkretisiert die im Rahmen
konkordat aus dem Jahre 1971 das zweite von schweize-
der GDK tätige Interkantonale Kommission «Konzen-
rischer Bedeutung auf dem Gebiet der Gesundheit. Aus
tration der hochspezialisierten Medizin» (CICOMS) den
der Perspektive einer nationalen Gesundheitspolitik stellt
Kriterienkatalog, der diejenigen Bereiche der hochspe-
das Konkordat den ersten Versuch dar, Dienstleistungen
zialisierten Medizin definiert, bei denen Koordinations-
im Bereich Gesundheit auf suprakantonaler Ebene zu
und Konzentrationsbedarf besteht.
koordinieren. Die Kantone würden ihre PlanungskompeBand 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5
97
Referenzrahmen
Teil
I
Teil
II
tenzen im Bereich der hochspezialisierten Medizin an die
so. Bis zum 2. Weltkrieg beherrschten Präventionsthemen
GDK abtreten, die für diesen Bereich neu als suprakanto-
die Traktandenliste der GDK.51 Der rasche Ausbau der
nales Gremium Beschlüsse verabschieden könnte, die für
baulichen, technischen und personellen Infrastruktur im
alle Kantone verbindlich wären.
Gesundheitsbereich insbesondere im Spitalsektor nach
Zusammenarbeit
dem 2. Weltkrieg sowie das Abklingen von Epidemien ver-
Teil
III
Entgeltmodell für Spitäler – SwissDRG
drängte die auf die gesamte Bevölkerung ausgerichtete
Die GDK hat eine federführende Rolle bei der Gründung
Prävention. Dies änderte sich etwas mit dem Auftauchen
des Vereins SwissDRG (DRG = Diagnosis Related Groups)
von Aids und mit der 1989 auf Initiative der Kantone ge-
übernommen, den es seit 2004 gibt. Ziel des Vereins ist es,
gründeten Schweizerischen Stiftung für Prävention, der
innerhalb dreier Jahre ein auf schweizerische Verhältnisse
heutigen Gesundheitsförderung Schweiz. Die Tätigkeiten
angepasstes Modell zu entwickeln, das es erlaubt, Spitallei-
der Stiftung führten zwar zu einer Entlastung des Zentral-
stungen im Gegensatz zu heute nach einem einheitlichen
sekretariats, gleichzeitig aber auch wiederum zu einer ge-
System – Swiss DRG – zu entschädigen (siehe hierzu auch
ringeren Präsenz von Themen der Gesundheitsförderung
Abschnitt 5.5.1) sowie Vergleiche zwischen Spitälern nicht
und Prävention in der GDK. Heute besteht ein Engage-
nur innerhalb eines Kantons, sondern auch auf regionaler
ment der GDK als Vertreterin der Kantone im Stiftungsrat
und gesamtschweizerischer Ebene zu ermöglichen.
der Stiftung Gesundheitsförderung Schweiz. Schliesslich
Perspektiven
wirkt die GDK in unterschiedlichem Ausmass in folgenden
Weitere Aktivitäten der GDK
Programmen und Initiativen des Bundes im Bereich der
Nationale Gesundheitspolitik: Nationale Gesundheitspoli-
Gesundheitsförderung mit.
tik ist ein junges Thema in der GDK. Seit Ende 1998 en-
■
gagiert sie sich gemeinsam mit dem Bund in Diskussionen
über Vorstellungen und mögliche Instrumente für eine
Nationales Forum für betriebliche Gesundheitsförderung (seco, Gesundheitsförderung Schweiz)
■
nationale, von Kantonen und Bund gemeinsam getragene
Programm «Bildung und Gesundheit, Netzwerk Schweiz»
(BAG/EDK)
Gesundheitspolitik. Mit der Vereinbarung zur Nationalen
■
Strategie «Migration und Gesundheit» (BAG)
Gesundheitspolitik Schweiz vom 15. Dezember 2003 ha-
■
Aktionsplan «Umwelt und Gesundheit» (BAG)
ben die GDK und das Eidgenössische Departement des In-
■
Nationales Krebsprogramm (Oncosuisse)
nern (EDI) diese Gespräche institutionalisiert. Im Rahmen
■
Nationaler Referenzrahmen Psychische Gesundheit
der «Plattform Nationale Gesundheitspolitik Schweiz»
treffen sich Vertreterinnen von Bund und Kantonen mineinen geschäftsführenden Ausschuss50 mit der Steuerung
Multisektorales Gesundheitsverständnis:
Health Impact Assessment
des Dialogprozesses und der allfälligen Erarbeitung von
Eine aus Vertreter/innen der Kantone und des Projekts
koordinierten Gesundheitsstrategien beauftragt. Für die
Nationale Gesundheitspolitik Schweiz zusammenge­
Unterstützung der Gesundheitspolitik mit statistischen
setzte Arbeitsgruppe hat im Auftrag der Schweizerischen
Daten und Auswertungen unterliegt das Gesundheitsob-
Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen
servatorium (Obsan) der doppelten Verantwortung der
und -direktoren (GDK) zum Thema «Gesundheitsver-
SDK und des Bundes; auf institutioneller Ebene bleibt das
träglichkeitsprüfung» («Etudes d’Impact sur la Santé»)
Obsan dem Bundesamt für Statistik angegliedert.
ein Argumentarium (2003) erarbeitet und einen Be-
destens dreimal jährlich. Die GDK und der Bund haben je
richt zur Methode der GesundheitsverträglichkeitsprüGesundheitsförderung und Prävention: Gesundheitsförde-
fung verfasst. Die GDK hat den Bericht zur Kenntnis
rung und Prävention sind Randthemen in der GDK, ent-
genommen, ohne über weitere Schritte zu befinden.
sprechende Projekte gibt es kaum. Dies war nicht immer
50 Geschäftsführender Ausschuss der Kantone: 2 Regierungsräte sowie
der Zentralsekretär der Gesundheitsdirektorenkonferenz; Geschäftsführender Ausschuss des Bundes: der Direktor/die Direktorin des Bundesamts für Gesundheit und des Bundesamts für Statistik sowie die
Leiterin/der Leiter der Abteilung Krankenversicherung im BAG.
98
51 Schweizerische Sanitätsdirektorenkonferenz (SDK), Hrsg., 1919–1994
– 75 Jahre SDK. Notizen zur Geschichte der Schweizerischen Sanitätsdirektorenkonferenz, von Andreas MINDER. Bern, 1994, S. 42.
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5
Referenzrahmen
Teil
I
Porträt
Konferenz der Kantonsregierungen (KdK)
1993
Rechtliche Grundlage
Vereinbarung über die Konferenz der Kantonsregierungen (8.10.1993)
Mitglieder
Vertreterinnen und Vertreter aller 26 Kantonsregierungen. Die Kantonsregierungen regeln Wahl und
Amtsdauer ihrer jeweiligen Vertretung in der KdK.
Präsident des leiten­
den Ausschusses
Consigliere di Stato Luigi Pedrazzini, Chef des Justiz- und Militärdepartements des Kantons Tessin;
ab Januar 2006: Regierungsrat Lorenz Bösch, Vorsteher des Baudepartements des Kantons Schwyz
Teil
II
Zusammenarbeit
Gründungsdatum
Struktur und Organisation
Verwaltungsebene
Plenarversammlung (vierteljährlich)
An der Plenarversammlung ist jeder Kanton mit
einer ein- oder mehrköpfigen Delegation seiner
Regierung vertreten. Die Stimmengleichheit der
Kantone bleibt gewahrt.
Leitender Ausschuss
Präsident, Mitglieder – total 9 Regierungsvertreter
aus 9 Kantonen
Teil
III
Ständiges Sekretariat der KdK
Die ch Stiftung führt das Sekretariat der KdK. Der Geschäftsführer der ch Stiftung amtiert gleichzeitig als
Konferenzsekretär; rund 15 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Perspektiven
Regierungsebene
Arbeitsgruppen der KdK
– Begleitorganisation Bilaterale Verhandlungen: Beobachtet die Weiterentwicklung der Abkommen mit der
EG bzw. die Verhandlungen mit der EU aus Sicht der Kantone
– Europa-Reformen der Kantone (EzRefKa, seit 1998): Evaluiert den Reformbedarf im Falle der Realisierung der verschiedenen europapolitischen Optionen; Ausarbeitung von Elementen einer europapolitischen Strategie der Kantone
– Kommission Städte (seit 1995): Vertritt die KdK bzw. die Kantone in der Tripartiten Agglomerationskonferenz (TAK)
Projekte der KdK
(Auswahl)
– Mitarbeit bei der Totalrevision der Bundesverfassung
– Föderalismus-Dialog (seit 1997)
– Mitarbeit bei der Erarbeitung des Bundesgesetzes über die Mitwirkung der Kantone an der Aussenpolitik
des Bundes (Bundesgesetz in Kraft seit 1999)
– Tripartite Agglomerationskonferenz (seit 2001)
– Konsolidierte Stellungnahme zum Grundlagenpapier des Bundesrates (Legislaturplanung 2003–2007 des
Bundes), 2003
– Mitarbeit bei der Reform der Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen
Bund und Kantonen (vom Volk 2005 angenommen)
Quelle: KdK; Stand: Dezember 2004
In den 1980er-Jahren kamen neue und komplexe Aufga-
Gemeinschaft würden ihre Interessen zu wenig berück-
ben auf die Kantone zu, so in der Raumplanung, im Um-
sichtigt. Zwar hatten sich kantonale Dienststellen für Aus-
weltschutz, in der Aussenpolitik, die eine Gesamtsicht der
senbeziehungen in den grösseren und mittleren Kantonen
Problematik über das eigentliche Fachgebiet hinaus erfor-
in den letzten Jahren etabliert, doch gab es noch kein in-
derte. Im gleichen Zeitraum gewann der europäische Wirt-
terkantonales Gremium wie in anderen Bereichen (unter
schaftsraum an Bedeutung und die Kantone befürchteten,
anderem Gesundheit, Bildung, Finanzen). In der Folge
bei den Verhandlungen des Bundes mit der Europäischen
gründeten die Kantone 1993 die Konferenz der Kantons-
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5
99
Referenzrahmen
Teil
I
Teil
II
regierungen (KdK). Im Gegensatz zu den interkantonalen
es nicht, dass das Ressort Gesundheit im neunköpfigen
Direktorenkonferenzen agiert die KdK seit ihrer Grün-
Leitenden Ausschuss der KdK lange Zeit nicht vertreten
dung auf der Ebene der Politikformulierung, insbesondere
war. Geplant ist, in Zukunft jeder Fachdirektorenkonferenz
im Bereich der Aussenpolitik. Einen Grossteil ihrer Akti-
einen Sitz im Leitenden Ausschuss der KdK zuzuteilen.
vitäten investiert sie deshalb in den Mitwirkungsprozess
der Kantone bei den Verhandlungen des Bundes mit der
Zusammenarbeit
Europäischen Union sowie in der Formulierung entsprechender Policies. Hier war sie erfolgreich, wie unter anderem das Bundesgesetz über die Mitwirkung der Kantone
Teil
III
5.6 Themenzentrierte Zusammen­
arbeit zwischen Kantonen
an der Aussenpolitik des Bundes zeigt (seit 1999).
Die Kantone haben gemäss Bundesverfassung eine hohe
Gemäss Canisius Braun, geschäftsleitender Sekretär der
Regelungskompetenz im Gesundheitsbereich inne. Die
KdK, baut die Konferenz der Kantonsregierungen an
Kantonsporträts (Band 2 dieser Publikation) zeigen denn
einem Haus der Kantone. Es gilt, Organisationsstrukturen
auch, wie vielfältig und umfassend die Themen und Pro-
für das interkantonale Zusammenwirken zu entwickeln
jekte sind, die die Kantone im Handlungsfeld Gesundheit
und zu festigen. Die KdK verstehe sich hingegen nicht als
zu bearbeiten haben. In diesem Abschnitt soll ausgehend
transkantonales Gremium. Diese vierte Ebene – neben
von den Kantonsporträts gezeigt werden, dass die sehr un-
den staatspolitischen Ebenen kommunal, kantonal und
terschiedlichen Formen der interkantonalen Koordination
eidgenössisch – werde nicht angestrebt.
und Zusammenarbeit im Sektor Gesundheit, insbesonde-
Perspektiven
re in der Prävention und Gesundheitsförderung sowie in
Mit einer Stimme sprechen
der Gesundheitsversorgung, noch kaum zu gemeinsamen
Neben der Aussenpolitik koordiniert die KdK in ausge-
Politikformulierungen auf interkantonaler Ebene geführt
wählten Bereichen die vielfältigen Aktivitäten der Kan-
haben.
tone untereinander und gegenüber dem Bund. Diese Rolle
nommen, als es um die Vorbereitung der bundesrätlichen
Interkantonale Zusammenarbeit in der Gesund­
heitsförderung und Prävention
Legislaturplanung ging, oder im Jahr 2004, als die KdK das
Die Kantone betrachten Gesundheitsförderung und Prä-
Finanzreferendum mit der fachlichen Unterstützung der
vention vor allem als eine inner-, selten als eine interkanto-
Finanzdirektorenkonferenz (FDK) koordinierte. Schliess-
nale Angelegenheit. Nichts desto trotz gibt es Strukturen
lich sind GDK und KdK im Herbst 2005 gemeinsam auf-
und Projekte, in denen die Kantone zusammenarbeiten.
hat sie zum Beispiel in den Jahren 1999 und 2003 wahrge-
getreten, als es darum ging, eine Alternative zum ständerätlichen Modell der Spitalfinanzierung zu präsentieren.
Strukturen
Siehe hierzu auch Kapitel 6.3.1 «Gesundheitspolitik auf
Teil IV des Berichts zeigt anhand von 9 Kantonsporträts,
nationaler Ebene: Positionen und Planungsprozesse».
wie vielfältig die kantonalen Landschaften im Sektor Gesundheitsförderung und Prävention sind, aber auch wie
Zusammenarbeit zwischen der GDK und der KdK
unterschiedlich in inhaltlicher, strategischer, organisa-
Canisius Braun bezeichnet die Beziehungen zwischen der
torischer Hinsicht die Kantone ihre jeweiligen Politiken
KdK und den Fachdirektorenkonferenzen als eine kom-
strukturiert haben. Trotz aller Unterschiede ist eine
plementäre. Die Beziehung selbst wird über eine Rahmen-
Mehrheit der Kantone in den Bereichen Sucht, Schulge-
ordnung geregelt. Diese Ordnung soll der wirkungsvollen
sundheit und Sexualpädagogik aktiv. Eine Gemeinsamkeit
Kooperation dienen und die Zuständigkeit der Federfüh-
scheint ausserdem zu sein, dass sie Massnahmen zur Ge-
rung in den politischen Dossiers klären.52
sundheitsförderung und Prävention mehrheitlich durch
Die GDK und die Konferenz der Kantonsregierungen hat-
externe private Partnerorganisationen auf der Basis von
ten bis jetzt kaum Gelegenheit, über gemeinsame Projekte
Leistungsverträgen umsetzen lassen.
zusammenzuarbeiten. Auf diesem Hintergrund überrascht
Die Zusammenarbeit der Kantone auf regionaler bzw.
schweizerischer Ebene in diesem Bereich ist schwach.
52 Rahmenordnung über die Arbeitsweise der KdK und der Direktorenkonferenzen bezüglich der Kooperation von Bund und Kantonen, vom
14. Dezember 2001.
100
Die bestehenden interkantonalen Regierungskonferenzen
werden mit Ausnahme der CRASS nicht benutzt, um Pro-
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5
ren und zu verankern. Erkennbar sind gegenwärtig vier
der Stiftung befindet sich erst im Aufbau. Hier liegen noch
Formen der interkantonalen Zusammenarbeit in der Ge-
keine Evaluationsergebnisse vor.
sundheitsförderung und Prävention. Diese werden nach2. Vereinigung der kantonalen Beauftragten für Gesund-
folgend näher vorgestellt.
heitsförderung in der Schweiz (VBGF)
1. Gesundheitsförderung Schweiz
Im Jahr 2000 wurde die Vereinigung der kantonalen Beauf-
Die Gesundheitsförderung ist auf Bundesebene in Artikel
tragten für Gesundheitsförderung und Prävention (VBGP)
19i des Krankenversicherungsgesetzes von 1994 veran-
gegründet. Alle Kantone ausser dem Kanton Schaffhausen
kert. Mit der Umsetzung gesundheitsfördernder Massnah-
sind über diese Vereinigung national und über VBGP-Un-
men haben die Versicherer und die Kantone die Stiftung
tergruppen auch regional miteinander vernetzt. Ständige
Gesundheitsförderung Schweiz beauftragt (siehe hierzu
Gäste der Vereinigung sind das Bundesamt für Gesund-
auch Kapitel 6.3.2). Die Aufsicht über die Gesundheits-
heit (BAG), die GDK, die Stiftung Gesundheitsförderung
förderung Schweiz nimmt der Bund wahr. Ein Ziel der
Schweiz und die Stiftung Radix Gesundheitsförderung.
Stiftung ist es, die Gesundheitsförderung auf kantonaler
Die Gesundheitsförderung Schweiz unterstützt diese nati-
Ebene zu stärken. Zurzeit finanziert sie neun kantonale
onale Plattform des Informationsaustauschs zwischen den
Projekte. Die Mehrzahl der Projekte wird in der West-
Verantwortlichen der verschiedenen Kantone. Langfris­
schweiz realisiert:
tiges Ziel der Plattform ist es, den Bereich Gesundheits-
Gemäss einer im Auftrag des Bundesrats im Rahmen sei-
förderung im Gesundheitswesen auf kantonaler Ebene
ner Aufsichtsfunktion durchgeführten Evaluation der Stif-
zu stärken. Während die Beziehungen des VBGF zur la-
tung Gesundheitsförderung Schweiz kritisieren die West-
teinischen Schweiz – insbesondere zur ständigen Arbeits-
schweizer Kantone unter anderem, dass die Stiftung Ziele
gruppe DiPPS («Dispositif intercantonal de prévention et
und Prioritäten definiere, ohne die von den Kantonen fest-
de promotion de la santé») – recht eng sind, bekundet die
gelegten Prioritäten zu berücksichtigen. Die Zusammen-
VBGS Mühe, sich in den Kantonen der Deutschschweiz als
53
Teil
II
Zusammenarbeit
arbeit zwischen den Kantonen der Deutschschweiz und
Teil
III
Perspektiven
jekte der Gesundheitsförderung und Prävention zu lancie-
Referenzrahmen
Teil
I
Ansprechpartner zu etablieren. So ist es ihr bis jetzt im
53 Bundesamt für Gesundheit: Evaluation der Stiftung Gesundheitsförderung Schweiz. Bericht erstellt durch PriceWaterhouseCoopers, April
2005, S. 145–146.
Gegensatz zu den Kantonen der Westschweiz und des Tessins noch nicht gelungen, flächendeckende gesundheits-
Tabelle 14: Gesundheitsförderung und Prävention in der lateinischen Schweiz im Rahmen der CRASS
50+santé: Für zusätzliche Informationen siehe Kästchen weiter unten: «Projekt 50+santé»
Früherkennung von Brustkrebs durch Mammographie Interkantonale Rahmenvereinbarung und Programm der Kantone Freiburg,
Genf, Jura, Waadt, Wallis: Ziel ist eine gemeinsame Publikumsbroschüre und eine gemeinsame Position der beteiligten Kantone gegenüber den Krankenversicherern betreffend der Forderung nach Finanzierung der Mammographie über das KVG.
«PIPADES»: Programm der Kantone Genf, Tessin und Waadt zur Unfallverhütung zu Hause bei Kindern im Alter zwischen 0 und 5 Jahren
Fourchette verte: Interkantonales Programm der Westschweiz und des Tessin für eine gesunde Verpflegung in Restaurants sowie in
Schulen und in Betriebsmensen
Allez Hop: Nationale Bewegungskampagne des Bundesamts für Sport in Zusammenarbeit mit Gesundheitsförderung Schweiz, Swissolympic und Santésuisse (seit 1996). Hier haben die Westschweizer Kantone eine eigene Koordinationsstelle eingerichtet, um die
Kampagne in der Romandie zu verankern.
Alco-ligne: Telefonische Anlaufstelle der Kantone Genf und Waadt für Fragen und Auskünfte rund um die Alkoholsucht (0848 800
808; www.alco-line.ch)
CIAO.ch: Interaktive Webseite rund um Fragen zur Gesundheit (www.ciao.ch) für junge Leute. Das Projekt wird finanziell im Rahmen
der CRASS von allen Westschweizer Gesundheitsdepartementen sowie vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) unterstützt.
Grippeimpfung: Teilnahme der Westschweizer Kantone an der nationalen Grippekampagne des BAG
In Vorbereitung
Spielsucht: Zusammenarbeit betreffend die Finanzierung von Präventionsmassnahmen auf dem Gebiet der Spielsucht (ab 2007)
Gesundheitsverträglichkeitsprüfung: Entwicklung von Instrumenten durch die Kantone Genf, Jura und Tessin
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5
101
Referenzrahmen
Teil
I
Teil
II
fördernde Projekte in den Regionen der Deutschschweiz
(DiPPS) mit einem interkantonalen Budget und einem
zu realisieren. Ein solches befindet sich gegenwärtig in
eigenen Sekretariat eingerichtet. Diese Struktur ermög­
der Startphase: Das Projekt INKA zur interkantonalen
licht eine gewisse politische Verbindlichkeit, was die Rea-
Verbreitung der betrieblichen Gesundheitsförderung. Ihre
lisierbarkeit von Projekten der Gesundheitsförderung und
Teilnahme an diesem Projekt zugesichert haben die Kan-
Prävention anbelangt. Neben ihrer Koordinationsfunktion
tone Zürich, Aargau und Zug.
innerhalb der lateinischen Schweiz stellt die DiPPS zudem
Zusammenarbeit
als regionale Untergruppe der Vereinigung der kantonalen
Teil
III
3. Fachstelle für Prävention und Gesundheits-
Beauftragten für Gesundheitsförderung in der Schweiz
förderung (DiPPS) der Kantone der Westschweiz und
(VBGF/ARPS) die Vernetzung der lateinischen Schweiz
des Kantons Tessin
mit den übrigen Kantonen sicher.
Gegenwärtig benutzen nur die Kantone der Westschweiz
Die Zahl der Projekte, die die DiPPS im Auftrag der
und des Tessins die regionale Gesundheits- und Sozialdi-
CRASS realisiert, ist ansehnlich, wie Tabelle 14 zeigt. Die
rektorenkonferenz (CRASS), um Projekte der Gesund-
Themen reichen von der Früherkennung von Brustkrebs,
heitsförderung und Prävention zu lancieren. Zu diesem
über Unfallverhütung, Grippeprävention und Alkoholprä-
Zweck wurde im Jahr 2000 die Fachstelle «Dispositif in-
vention hin zu Jugend und Gesundheit sowie zu gesunder
tercantonal de prévention et de promotion de la santé»
Ernährung und Bewegung.
Das Zusammenwirken von CRASS und DiPPS zeigt, wel-
Perspektiven
che Elemente für eine erfolgreiche interkantonale Zusam-
Projekt 50+santé
menarbeit auf dem Gebiet der Gesundheitsförderung und
Im Mai 2002 haben die CRASS und die Gesundheitsför-
Prävention entscheidend sind: Wirkungskreis und Hand-
derung Schweiz eine Vereinbarung unterzeichnet unter
lungsspielraum der kantonalen Beauftragten für Gesund-
anderem mit dem Ziel, gemeinsame Projekte zu reali-
heitsförderung und Prävention sind umso grösser, je besser
sieren. In der Folge haben die Kantone der lateinischen
der/die Beauftragte in interkantonale Gremien integriert
Schweiz (FR, GE, JU, NE, TI, VS, VD) beschlossen,
ist und für die Lancierung von Projekten die politische Un-
im Rahmen der DiPPS ein dreijähriges Pilotprogramm
terstützung der kantonalen Fachminister/innen hat. Eine
zum Thema Gesundheitsförderung für Personen über
solche Einbettung der Gesundheitsförderung und Präven-
50 zu konzipieren (2004–2006). Die Wahl des Themas
tion in bestehende gesundheitspolitische Strukturen auf
erfolgte auf der Basis einer Analyse der Prioritäten der
Regierungs- und Verwaltungsebene kann zudem die poli-
Kantone der Westschweiz und des Tessins im Bereich
tische Verbindlichkeit der Entscheidungsträger gegenüber
Gesundheitsförderung, einer Literaturrecherche in den
der Gesundheitsförderung und Prävention erhöhen. We-
Bereichen soziale Ungleichheit, Arbeit, physische und
sentlich für die Stärkung der regionalen Zusammenarbeit
psychische Gesundheit und soziales Umfeld der über
ist zudem, dass interkantonale Projekte mit den kanto-
50-Jährigen sowie auf der Basis von rund 50 Interviews
nalen Schwerpunkten der Gesundheitsförderung im Ein-
mit verschiedenen Fachleuten in den Kantonen. Dieses
klang stehen. Das Projekt 50+ santé zeigt, dass ein solcher
Vorgehen wird von den Verantwortlichen als eine wich-
Prozess zwar aufwändig ist, sich aber lohnt.
tige Voraussetzung für das Gelingen eines Projekts
gewertet. Ziel des Programms ist es, die Kantone zu
4. Fachstelle für Gesundheitsförderung und Prävention
motivieren, eine Bestandesaufnahme auf eigenem
der Kantone Ob- und Nidwalden
Gebiet vorzunehmen, um dann mit entsprechenden
Fragen wirft das Fehlen der interkantonalen Zusammen-
Massnahmen die Rahmenbedingungen am Arbeitsplatz
arbeit in der Gesundheitsförderung und Prävention in der
für Menschen über 50 Jahre günstig zu beeinflussen.
Deutschschweiz auf. Eine vergleichbare Form der Zu-
Ausserdem geht es darum, die Kompetenzen und Res-
sammenarbeit wie diejenige zwischen dem regierungsrät-
sourcen der Menschen über 50 zu stärken, um besser
lichen Gremium CRASS und der DiPPS gibt es noch nicht:
zu bestehen, sei es an der Arbeit, bei Verlust oder Un-
Die regionalen Gesundheitsdirektorenkonferenzen der
terbruch der Arbeit, oder bei der bevorstehenden Pen-
Deutschschweiz arbeiten kaum mit den Deutschschweizer
sionierung.
Untergruppen des Verbands der kantonalen Beauftragten
für Gesundheitsförderung (VBGF) zusammen.
102
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5
den Kantonen zu verankern und für diesen Bereich eine
der Deutschschweiz, die mit finanzieller Unterstützung
gemeinsame Politik der beiden Kantone zu entwickeln.
der Gesundheitsförderung Schweiz seit 2001 eine kan-
Weitere Ziele der Fachstelle sind die Entwicklung eines
tonsübergreifende Fachstelle für Gesundheitsförderung
Gemeindenetzes zur Verbesserung der Lebensqualität der
und Prävention führen. Auf der Policy-Ebene verfolgt die
Gemeindebewohner sowie die Erarbeitung von Massnah-
Fachstelle das Ziel, die Gesundheitsförderung in den bei-
men zum Thema Migration und Gesundheit.
Teil
II
Zusammenarbeit
Ob- und Nidwalden sind bisher die einzigen Kantone in
Referenzrahmen
Teil
I
Tabelle 15: Kantone: Projekte der Gesundheitsförderung mit finanzieller Beteiligung
der Gesundheitsförderung Schweiz
Kantonale Projekte im Sektor Gesundheitsförderung mit finanzieller Beteiligung der Gesundheitsförderung Schweiz
Freiburg
Education familiale
Genf
Promotion communautaire de la santé et de la qualité de vie
Jura
Implémentation conjointe du développement durable, de la promotion de la santé
et de l’aménagement du territoire
St. Gallen
Quarz – Gesundheitszirkel im Quartier
Wallis
Kurzfassung des Walliser Gesundheitsberichts
Wallis
Entwicklung der Walliser Spitäler zu gesundheitsfördernden Krankenhäusern
Teil
III
Lateinische Schweiz
Projekt 50+ santé – Gesundheitsförderung für Personen ab 50 Jahre
Kantone Obwalden und Nidwalden
Kantonsübergreifenden Fachstelle Gesundheitsförderung und Prävention
Aargau, St. Gallen, Thurgau, Zug, Zürich
Interkantonale Zusammenarbeit in betrieblicher Gesundheitsförderung (INKA-BGF)
Gesamtschweizerisch
Vereinigung der kantonalen Beauftragten für Gesundheitsförderung in der Schweiz
(VBGF)
Perspektiven
Interkantonale Projekte der Gesundheitsförderung mit finanzieller Beteiligung der Gesundheitsförderung Schweiz
Quelle: Internetseite der Gesundheitsförderung Schweiz, Stand: März 2006 (www.gesundheitsfoerderung.ch)
Netzwerk Gesundheitsfördernder Spitäler
> www.healthhospitals.ch
Das Netzwerk Gesundheitsfördernder Spitäler (Health Promoting Hospitals, HPH) ist eine Aktion der Weltgesundheitsorganisation (WHO), die sich an der Ottawa-Charta von 1988 orientiert. Gegründet im Jahr 1999, möchte das
Schweizer Netzwerk eine Medizin unterstützen, welche in Ergänzung der kurativen Medizin (Pathogenese) die Gesundheit der Bevölkerung fördert (Salutogenese).
Das schweizerische Netzwerk der WHO zählte im Jahr 2005 24 Mitglieder und umfasst mehr als 50 Spitäler in den drei
Sprachregionen der Schweiz. Es hat ein Label-Verfahren entwickelt, um Spitäler auszuzeichnen, die konsequent eine
auf Mitarbeitende sowie Patientinnen und Patienten ausgerichtete Politik der Gesundheitsförderung betreibt. Neun
der 24 Mitglieder haben diese spezielle Qualitätsauszeichnung bereits erhalten (die Liste dieser Spitäler befindet
sich auf der Website). Ein Spital, welches das Label «Gesundheitsförderndes Krankenhaus, Mitglied des Schweizer
Netzwerkes, ein Netzwerk der Weltgesundheitsorganisation (WHO)» führen möchte, muss in der Schweiz eine Reihe
von Voraussetzungen erfüllen: Im Bereich Organisationsentwicklung durch das Gesamtspital wird die Integration von
Gesundheitsförderung in die Ziele und die Pflegepolitik der Institution, interne und externe Kommunikation, Gesundheitsförderung für Mitarbeitende sowie Gesundheitsförderung für Patientinnen, Patienten und Angehörige verlangt.
Zudem muss das Spital rauchfrei sein und Projekte in Gesundheitsförderung durchführen, wovon deren zwei durch
die Expertenkommission evaluiert werden. Das Label gilt beim erstmaligen Gesuch für die Dauer von vier Jahren und
für fünf Jahre bei dessen Erneuerung.
In Anlehnung an das schweizerische Beispiel hat die WHO 2004 unter Mitwirkung unter anderem von zwei Vertreter/innen aus der Schweiz einen «Standard» für die Evaluation gesundheitsfördernder Massnahmen in den Spitälern
vorbereitet.
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5
103
Referenzrahmen
Teil
I
Zusammenarbeit
Teil
II
Perspektiven
Teil
III
Der Versuch, eine Zentralschweizer Fachstelle Gesund-
Kurzer Rückblick
heitsförderung einzurichten, haben die Mitglieder der
Die Kantone planen ihre Angebote in der stationären Ge-
Zentralschweizer Fachgruppe Gesundheit der Zentral-
sundheitsversorgung nicht erst seit Inkrafttreten des KVG
schweizer Gesundheits- und Sozialdirektorenkonferenz
im Jahr 1996. Seit Jahrzehnten schliessen sie zahlreiche,
im Jahr 2003 abgelehnt. Es bleiben einzelne Gruppen wie
insbesondere bilaterale Verträge miteinander ab mit dem
die Zentralschweizer Arbeitsgruppe Prävention (ZAP).
Ziel, für die kantonseigene Bevölkerung ein optimales
Ein Grund für das Fehlen der interkantonalen Zusammen-
Angebot an stationären Versorgungsleistungen bereitzu-
arbeit in der Deutschschweiz mag die grosse Spannweite
stellen. Diese Verträge regeln folgende Bereiche: Ein- und
zwischen den Kantonen bezüglich der zur Verfügung ste-
Verkauf von Versorgungsleistungen, Führen gemeinsamer
henden personellen und finanziellen Mittel sein. Darüber
Spitäler an zwei Standorten, Planung interkantonaler
hinaus dürften wegen der wirtschaftlichen und sozialen
Spitalzentren; Gründung grösserer Versorgungsregionen;
Gegebenheiten die Bedürfnisse der Bevölkerung und der
Koordination der Spitzenmedizin; Qualitätssicherung in
definierte Bedarf an Dienstleistungen und Angeboten
Akutspitälern; Harmonisierung der Spitaltarife; kanton-
im Bereich Gesundheitsförderung und Prävention in der
sexterne Spitalaufenthalte. Infolge der gestiegenen Ko-
Deutschschweiz von Kanton zu Kanton variieren. Das wei-
sten im Spitalbereich begannen die Kantone, die interkan-
ter oben erwähnte interkantonale Projekt INKA (betrieb-
tonale Koordination des stationären Versorgungsangebots
liche Gesundheitsförderung) bildet vielleicht den Auftakt
in den 1970er-Jahren zu verstärken (siehe Kasten: Das
zu vermehrter Zusammenarbeit zwischen den Kantonen
Schweizerische Krankenhausinstitut).
der Deutschschweiz.
Das Bundesgesetz über die Krankenversicherung (KVG)
hat Mitte der 1990er-Jahre der Zusammenarbeit der Kan-
Interkantonale Zusammenarbeit in der Gesund­
heitsversorgung
tone im Spitalsektor neue Impulse gegeben, spricht es
Die dezentrale Organisation des schweizerischen Gesund-
gemeinsam aufgestellten Planung für eine bedarfsgerechte
heitssystems bringt es mit sich, dass die Kantone ange-
Spitalversorgung» (Artikel 39, Absatz d).54
doch von der Möglichkeit einer «von mehreren Kantonen
sichts der ausgeprägten Regelungskompetenz, die sie auf
diesem Gebiet besitzen, in der Gesundheitsversorgung
Insbesondere den Spitalsektor inklusive die Polikliniken
Das Schweizerische Krankenhausinstitut
(1972–1996)
haben die Kantone nach dem 2. Weltkrieg ausgebaut. Die
Die Kantone haben zwischen 1972 bis 1996 das Schwei-
interkantonale Zusammenarbeit konzentriert sich denn
zerische Krankenhausinstitut (SKI) betrieben. Das
auch auf diesen Bereich der Gesundheitsversorgung. Auf
Institut sollte angesichts des massiven Ausbaus der
schweizerischer Ebene koordinieren die Kantone im Rah-
medizinischen Versorgungsstrukturen und der damit
men der GDK ihre Positionen betreffend des Bundesge-
verbundenen Kosten nicht nur Information und Do-
setzes über die Krankenversicherung (KVG). Grössere
kumentation bereitstellen, sondern auch die Gebiete
Zusammenarbeitsprojekte in der Gesundheitsversorgung,
Krankenhausplanung, Betriebsführung, Personalwe-
an denen mehrere Kantone mit einer gemeinsamen ge-
sen, Bauwesen, Krankenhaus- und Untersuchungswe-
sundheitspolitischen Perspektive beteiligt sind, stellen
sen sowie Forschungstätigkeit umfassen. Im Laufe der
auf gesamtschweizerischer und regionaler Ebene bis jetzt
Zeit traten dem Institut Verbände und Organisationen
noch Ausnahmen dar. Solche Ausnahmen sind Tarmed
bei, darunter der Schweizerische Berufsverband der
sowie die Projekte SwissDRG und die Koordination der
Krankenschwestern und Krankenpfleger (SBK) und
Spitzenmedizin. Die Zusammenarbeit läuft statt dessen
das Konkordat der Schweizerischen Krankenkassen
sporadisch und punktuell ab.
(KSK, heute Santésuisse). Auch mehrere grössere
In den folgenden Abschnitten werden einige Facetten der
Städte schlossen sich dem Institut an. Ab 1993 hiess das
interkantonalen Zusammenarbeit zunächst auf schweize-
Institut «Schweizerisches Institut für das Gesundheits-
rischer Ebene beschrieben. Abschliessend soll auf jüngere
wesen» (IfG). 1996 wurde es nicht zuletzt im Zuge des
Entwicklungen in der Zusammenarbeit auf regionaler
Ausbaus des Zentralsekretariats der GDK aufgehoben.
ihre je eigenen Versorgungssysteme entwickelt haben.
Ebene hingewiesen werden.
104
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5
gutgeheissene «Interkantonale Vereinbarung über Kan-
1997 dem Artikel 39 KVG mit folgender Empfehlung Rech-
tonsbeiträge an private gemeinnützige Heilanstalten»
nung getragen: «Die Kantone arbeiten bei der Erstellung
(Volksheilbäder, Anstalt für Epileptische, Sanatorien, Pa-
der Planung zusammen, speziell in Bezug auf Leistungen,
raplegikerzentrum). Nur drei statt der erforderlichen Min-
die nicht in jedem Kanton angeboten werden. In jedem
destzahl von 6 Kantonen ratifizierten die Vereinbarung.
Fall sind die Planungen, zumindest jene für die Spitäler,
Heute gibt es einige gesamtschweizerische Institutionen,
aufeinander abzustimmen und zu koordinieren. Für die
an die die Kantone regelmässige Beiträge zahlen (siehe
Versorgung in Grenzgebieten sind bilaterale oder multila-
Tabelle 16: Beiträge der Kantone an gesamtschweizerisch
terale Abkommen zu fördern.»
tätige Institutionen).
Teil
II
Zusammenarbeit
Die GDK-Kommission «Vollzug Krankenversicherung» hat
Referenzrahmen
Teil
I
Planung und Aufgabenteilung in der hochspezialisierten
Zusammenarbeit der Kantone auf schweizerischer
Ebene
Medizin: Mehr als ungewiss ist, ob das interkantonale Kon-
Zwei Richtungen der Koordination und der Zusammen-
spezialisierten Medizin (IVKKM), das Ende 2004 von der
arbeit der Kantone in der Gesundheitsversorgung auf ge-
GDK-Plenarversammlung angenommen wurde, in Kraft
samtschweizerischer Ebene lassen sich beobachten: die
treten kann. Mindestens 17 Kantonen, darunter zwingend
Zusammenarbeit auf Stufe GDK und die Zusammenarbeit
alle fünf Hochschulkantonen müssen das Konkordat ratifi-
mit weiteren Akteuren wie Spitäler, Krankenversicherer,
zieren. Der Kanton Zürich als einer der fünf Universitäts-
Bund. Beiden Formen der Zusammenarbeit sind wech-
kantone hat die Ratifikation bereits abgelehnt.
kordat über die Planung und Aufgabenteilung in der hoch-
Teil
III
Perspektiven
selnde Erfolge beschieden..
Weitere Akteure
GDK
Auf schweizerischer Ebene arbeiten die Kantone nicht nur
Auf Stufe GDK stehen unter anderem folgende Themen
innerhalb der GDK, sondern auch mit Spitälern und mit
im Vordergrund: Prämienverbilligung, Pflegefinanzierung,
privaten Akteuren des Sektors Gesundheit zusammen:
Pflegetarife, Spitalfinanzierung, Spitalplanung, Risikoaus-
Entgeltmodell für Spitäler – SwissDRG: Die Abkürzung
gleich unter den Krankenversicherern, Vertragsfreiheit,
SwissDRG steht für ein Entgeltmodell, das Behandlungs-
Versichertenkarte. Konkret geht es in der GDK gegen-
fälle nach Diagnosegruppen (DRG = Diagnosis Related
wärtig um die Ausarbeitung eines Leitfadens für eine leis-
Groups) entschädigt. Die GDK hat eine federführende Rol-
tungsorientierte Spitalplanung, um die Grundsätze der
le bei der Gründung des Vereins SwissDRG übernommen,
Psychiatrie- und Rehabilitationsplanung sowie um Vor-
den es seit 2004 gibt. Die Mitglieder des Vereins SwissDRG
schläge zur Koordination der hochspezialisierten Medizin.
sind neben der GDK folgende Gruppierungen und Berufs-
Einzelne vergangene und laufende Projekte werden kurz
verbände: Die Vereinigung der Schweizer Ärztinnen und
beschrieben:
Ärzte (FMH), H+ Die Spitäler der Schweiz, Santésuisse,
Interkantonale Vereinbarung über die Kontrolle der Heil-
Medizinaltarifkommission UVG, Militärversicherung, In-
mittel: Wenn man die Kontrolle der Heilmittel zur Gesund-
validenversicherung. Das Bundesamt für Statistik (BFS),
heitsversorgung rechnet, dann war die interkantonale
das Bundesamt für Gesundheit (BAG) und der Berufsver-
Vereinbarung über die Kontrolle der Heilmittel und deren
band der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner (SBK)
Umsetzung ein Erfolg. Heute ist dieser Sektor eine Bun-
arbeiten ebenfalls am Projekt mit.
deskompetenz.
Ziel des Vereins ist es, innerhalb dreier Jahre ein auf
Kantonsbeiträge an private gemeinnützige Heilanstalten:
schweizerische Verhältnisse angepasstes Modell zu entwi-
Hingegen scheiterte im Jahr 1955 eine von der GDK
ckeln, das erlaubt, Spitalleistungen im Gegensatz zu heute
nach einem einheitlichen System – SwissDRG – zu entschä-
54 Art. 39 Spitäler und andere Einrichtungen
1 Anstalten oder deren Abteilungen, die der stationären Behandlung
akuter Krankheiten oder der stationären Durchführung von Massnahmen der medizinischen Rehabilitation dienen (Spitäler), sind zugelassen, wenn sie:
d. der von einem oder mehreren Kantonen gemeinsam aufgestellten
Planung für eine bedarfsgerechte Spitalversorgung entsprechen, wobei private Trägerschaften angemessen in die Planung einzubeziehen
sind;
digen. Das System soll Anreize zu mehr Wirtschaftlichkeit
geben und Vergleiche von Leistungen zwischen Spitälern
ermöglichen. Zudem erwarten die Gesundheitsökonomen
Daten für die bessere Steuerung von Spitälern.
Aus der Perspektive einer nationalen Gesundheitspolitik
besteht das Potential von SwissDRG darin, Vergleiche zwi-
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5
105
Referenzrahmen
Teil
I
Zusammenarbeit
Teil
II
Perspektiven
Teil
III
schen Spitälern nicht nur innerhalb eines Kantons, sondern
nären Gesundheitsbereichen» überführt. Die Trägerschaft
auch auf regionaler und schweizerischer Ebene zu ermög-
der neu gegründeten Gesellschaft bilden die nationalen
lichen und damit zu einem eigentlichen Spitalplanungsin-
Verbände der Spitäler, H+ und der Krankenversicherer,
strument zu werden. Die Chancen für die Einführung eines
Santésuisse, die Unfallversicherer, die Militärversicherung
solchen Entgeltmodells in der Schweiz stehen gut.
MV und die Invalidenversicherung IV. Als Beobachter in
Qualitätssicherung in den Spitälern der Schweiz: Das
den Gremien der Gesellschaft vertreten sind das Bundes-
schweizerische Krankenversicherungsgesetz (KVG) for-
amt für Gesundheit (BAG) und die Konferenz der kanto-
dert die Sicherung und Förderung der Qualität von Spi-
nalen Gesundheitsdirektoren (GDK). Als vorrangiges Ziel
talleistungen. Im Juli 2000 haben die beiden nationalen
verfolgt die Gesellschaft die aktive Förderung der schritt-
Verbände der Spitäler und der Krankenversicherer, H+
weisen Einführung von Ergebnismessungen in der ganzen
und Santésuisse, gemeinsam eine Koordinationsstelle
Schweiz in den Fachbereichen Akutsomatik, Rehabilitati-
(KIQ) gegründet, um die Qualitätssicherung in den Spi-
on und Psychiatrie. Die Gesellschaft möchte die Partner
tälern koordiniert in Angriff zu nehmen. 2004 wurde die
im Gesundheitswesen und die Kantone in ihre Arbeit ein-
KIQ in die «Gesellschaft für Qualitätssicherung in statio-
beziehen.
Tabelle 16: Beiträge der Kantone an gesamtschweizerisch tätige Institutionen (Auswahl)
Schweizerische Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren
seit 1919
Schweizerisches Rotes Kreuz
seit 1965
Schweizerisches Toxikologisches Informationszentrum
seit 1969
Schweizerisches Krankenhausinstitut (SKI)
1972 bis 1996
Tollwutzentrale an der Universität Bern
seit 1991
Schweizerisches Gesundheitsobservatorium (Obsan)
seit 1999
Schweizerische Universitätskonferenz (SUK): Finanzierung durch Universitätskantone und Bund
seit 2001
Rektorenkonferenz: Finanzierung durch Universitätskantone und Bund
seit 2001
Organ für Akkreditierung und Qualitätssicherung: Finanzierung durch Universitätskantone und Bund
seit 2001
Quelle: Andreas MINDER: 1919–1994 – 75 Jahre SDK. Notizen zur Geschichte der Schweizerischen Sanitätsdirektorenkonferenz (SDK). SDK, Bern 1994.
H+: Zusammenarbeit unter den Spitälern der Schweiz
Die Spitäler der Schweiz bewegen sich an der Schnittstelle zwischen öffentlicher und privater Gesundheitsversorgung. Ihre Betriebsstrukturen und Trägerschaften sind entsprechend vielfältig: öffentlich/rechtliche Spitäler, Privatspitäler; Spitäler mit einer Aktiengesellschaft als Trägerschaft oder mit dem Kanton als Träger; Spitäler mit kantonalem Leistungsauftrag und Globalbudget und Spitäler, die auf keiner der kantonalen Spitallisten aufgeführt sind.
Hinzu kommen fachlich unterschiedliche Ausrichtungen wie zum Beispiel Akutspitäler, psychiatrische Kliniken, Pflegeheime, Universitätskliniken mit spitzenmedizinischen Angeboten; Rehabilitationskliniken.
Zur Wahrung ihrer Interessen haben sich die Spitäler in der Schweiz zum Spitzenverband H+ zusammengeschlossen.
Der Verband vertritt rund 400 Spitäler und Heime als Aktiv- und rund 250 Organisationen, Firmen und Personen als
Partnerschaftsmitglieder. Unter den Organisationen befinden sich auch eine Reihe kantonaler Gesundheitsdirektionen. Ziel von H+ ist es, die Spitäler und Heime im gegenwärtigen Strukturwandel zu unterstützen.
2004 hat sich eine regionale Untergruppe von H+ gebildet, die «Vereinigung Nordwestschweizer Spitäler» (VNS). Ihr
gehören die öffentlichen und privaten Spitäler des Kantons Basel-Stadt sowie einige der privaten Spitäler des Kantons
Basel-Landschaft an. Die Tatsache, dass die öffentlichen Spitäler des Kantons Basel-Landschaft der Vereinigung nicht
beigetreten sind, deutet in der Diskussion um vermehrte unternehmerische Freiheit auf ein inhärentes Konfliktpotential der öffentlichen Spitäler mit den Kantonen als deren öffentliche Auftraggeber und Finanzverantwortliche hin.
106
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5
Referenzrahmen
Teil
I
Tabelle 17: Interkantonale Zusammenarbeit im Spitalsektor
(die Auflistung der Projekte erfolgt in chronologischer Reihenfolge)
Spitäler unter Beteiligung von zwei Kantonen
Interkantonales Spital in der Broye an zwei Standorten (Estavayer-le-Lac und
Payerne
1998
Waadt; Wallis
Interkantonale Spitalzentrum Chablais an zwei Standorten (Aigle und Monthey)
1998
Basel-Stadt; Basel-Landschaft
Gemeinsames Kinderspital an zwei Standorten
1999
Waadt; Wallis
In Vorbereitung: Interkantonales Spitalzentrum Riviera-Chablais
2011
Basel-Landschaft; Solothurn
Spitalabkommen: Volle Freizügigkeit für die Einwohnerinnen und Einwohner
beider Kantone. Die Kantone Solothurn und Basel-Landschaft sind dadurch de
facto zu einer integralen Spitalregion geworden.
1998
Basel-Landschaft; Basel-Stadt
Gemeinsame Spitalliste für den stationären somatischen Akutbereich
seit 1998
GDK-Ost
Interkantonale Bedarfsplanung Rehabilitation
Seit 2002
Luzern; Obwalden; Nidwalden
Absichtserklärung (unterzeichnet 2004): Entwicklung einer gemeinsamen
­Spitalregion
2020
Aargau; Basel-Landschaft;
Basel-Stadt; Jura; Solothurn
Intensivierung der interkantonalen Zusammenarbeit zur Bildung einer Versorgungsregion Nordwestschweiz
in Planung
Schwyz; Uri
Gemeinsame ambulante Kinder- und Jugendpsychiatrie
seit 2003
Aargau; Bern; Solothurn; Zürich
Qualitätssicherung in den Akutspitälern
seit 2003
Genf; Waadt
Übereinkunft (2004): Netzwerk Transplantation der Universitätsspitäler der
Westschweiz
2004
Waadt; Wallis
Rahmenvertrag über die gemeinsame Nutzung ausgewählter Dienstleistungen,
unter anderem: Rechtsmedizin, Herzchirurgie, Arbeitsmedizin, Gesundheitsförderung, Prävention, Gesundheitsstatistik
Nidwalden; Obwalden
Die beiden Kantonsspitäler arbeiten unter gemeinsamer Leitung in folgenden
Sektoren zusammen: Ökonomie, Technischer Dienst, Personalwesen. Geplant ist
zudem eine gemeinsame Chirurgie.
seit 2004
CRASS
Auftrag an das Schweizerische Gesundheitsobservatorium (Obsan), einen regionalen Gesundheitsbericht zu erstellen
2004
Teil
II
Zusammenarbeit
Freiburg; Waadt
Kantonsübergreifende Spitalregionen
Teil
III
Interkantonale Zusammenarbeit auf regionaler
Ebene
Vier der oben aufgelisteten Projekte werden nachfolgend
Seit Inkrafttreten des Bundesgesetzes über die Krankver-
Teil IV: «Kantonale Gesundheitspolitiken – 9 Porträts» zu
sicherung (KVG) im Jahre 1996 lassen sich Tendenzen in
finden.
Perspektiven
Gemeinsame Dienstleistungen
näher vorgestellt. Weitere Informationen sind in Band 2,
der interkantonalen Zusammenarbeit in der Gesundheitsversorgung auf regionaler und schweizerischer Ebene be-
Netzwerk Transplantation
obachten. Es geht nicht mehr nur um den Einkauf und
Im Rahmen einer Übereinkunft hat der Ausschuss der
Verkauf von Leistungen, sondern auch
Vereinigung Waadt-Genf im Jahr 2004 das Netzwerk
■
um regionale Ansätze in der Spitalplanung und die Ent-
Transplantation der Universitätsspitäler der Westschweiz
wicklung interkantonaler Spitalstrukturen
geschaffen (Réseau romand hospitalo-universitaire de
■
um die Einrichtung gemeinsam genutzter ambulanter
la transplantation). Lungen- und Herztransplantationen
und stationärer Dienstleistungen in der Region
werden in Lausanne, Darm- und Lebertransplantationen
■
um die Vergleichbarkeit statistischer Daten (regionale
in Genf und Nierentransplantationen sowohl in Lausanne
Gesundheitsdaten, Spitalkosten)
als auch und Genf durchgeführt. Die Gründung des Netzwerks ist eng verbunden mit dem Ziel der Schweizerischen
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5
107
Referenzrahmen
Teil
I
Zusammenarbeit
Teil
II
Perspektiven
Teil
III
Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und
ursachen, Lebenserwartung, Suchtmittel. Auf schweize-
-direktoren (GDK), die hochspezialisierte Medizin zu
rischer Ebene sind die Statistikstellen in der Konferenz
koordinieren und auf die fünf Universitätsspitäler in der
Statistischer Ämter der Schweiz CORSTAT/KORSTAT zu-
Schweiz zu konzentrieren.
sammengeschlossen und arbeiten hier untereinander und
mit dem Bund zusammen, wenn es um die Durchführung
Ostschweiz: Interkantonale Bedarfsplanung
statistischer Erhebungen des Bundes geht, bei denen die
Rehabilitation
Kantone zur Mitwirkung von Gesetzes wegen verpflichtet
Aufgrund des geographischen Auseinanderklaffens von
sind.
Angebot und Nachfrage im Bereiche der Rehabilitation
Einige Kantone haben in den letzten 10 Jahren kanto-
besteht in der Ostschweiz ein interkantonaler Koordina-
nale Gesundheitsberichte erstellen lassen, die sie unter
tionsbedarf. Die acht in der Sanitätsdirektoren-Konferenz
anderem für die Planung ihrer kantonalen Gesundheits-
Ost (SDK-OST) zusammengeschlossenen Kantone haben
politiken verwenden. Die statistischen Grundlagen für die
deshalb im Jahr 2002 beschlossen, im Rahmen einer ge-
Berichte liefern seit 1993 die Schweizerischen Gesund-
meinsamen Projektorganisation die Erarbeitung einer
heitsbefragungen. Die Kantone hatten die Möglichkeit,
interkantonal koordinierten Bedarfsplanung Rehabilita-
durch finanzielle Beteiligung den jeweiligen kantonalen
tion in Angriff zu nehmen. Ziel des Projekts ist auf regi-
Stichprobenumfang zu erhöhen, um zuverlässige kanto-
onaler Ebene die quantitative und qualitative Sicherung
nale Auswertungen durchführen zu können. Die nachfol-
der stationären medizinischen Versorgung im Bereich
gende Tabelle gibt einen Überblick über die Kantone, für
der Rehabilitation. Auf dem Gebiet der interkantonalen
die entsprechende Datensätze vorliegen.
Bedarfsplanung stellt dieses Projekt das erste dieser Art
in der Schweiz dar. Folgende Punkte sollen für den Bereich Rehabilitation geklärt werden: das medizinische
Versorgungskonzept, der Leistungsbedarf, das bestehende Leistungsangebot, Vergleich zwischen Leistungsbedarf
und Leistungsangebot, die zur Sicherung der stationären
Versorgung notwendigen Leistungsaufträge, die erforderlichen Steuerungsinstrumente.
Projekt «Qualitätssicherung in den Akutspitälern»
Tabelle 18: Schweizerische Gesundheitsbefragung:
erhöhter Stichprobenumfang für einige Kantone
Schweizerische
Gesundheitsbefragung
Erhöhter Stichprobenumfang
für folgende Kantone
1993
Aargau, Bern, Basel-Stadt, Freiburg,
Genf, Waadt, Wallis, Zürich
1997
Aargau, Bern, Genf, Tessin, Waadt,
Wallis, Zürich
2002
Aargau, Bern, Basel-Landschaft, BaselStadt, Freiburg, Genf, Jura, Luzern,
Neuenburg, St. Gallen, Solothurn,
Tessin, Waadt, Wallis, Zug, Zürich
Im Zusammenhang mit der Einführung des Globalbudgets
messen die Kantone Aargau, Bern, Solothurn, und Zürich
die Ergebnisqualität ihrer Akutspitäler messen. Ziel ist
es, ein ergebnisorientiertes Qualitätskonzept einzuführen
Was die Auswertung der Gesundheitsbefragung des Jah-
sowie ein Benchmark zwischen den Spitälern dieser Kan-
res 2002 anbelangt, haben die Kantone der Deutsch-
tone zu ermöglichen. Zu diesem Zweck sind die Kantone
schweiz ein individuelles Vorgehen gewählt. Die Kantone
dem Verein Outcome, eine Nonprofit-Organisation in Zü-
Basel-Landschaft55, Basel-Stadt56, Bern57, Luzern58 und St.
rich, beigetreten. Die Qualitätsmessungen werden zu 50
Prozent von den Kantonen und zu 50 Prozent von den
Krankenversicherern finanziert.
Erhebung von Gesundheitsdaten
Die kantonalen und städtischen statistischen Ämter erheben Daten zum Gesundheitswesen und zum Gesundheitszustand der Bevölkerung: Ärzte, Zahnärzte, Apotheken,
Krankenhäuser, sozialmedizinische Institutionen, spitalexterne Krankenpflege, Patientinnen und Patienten, Kosten
im Gesundheitswesen; Krankheiten, Sterblichkeit, Todes108
55 Volkswirtschafts- und Sanitätsdirektion des Kantons Basel-Landschaft
in Zusammenarbeit mit dem Schweizerischen Gesundheitsobservatorium (Hrsg.): Gesundheit im Kanton Basel-Landschaft. Ergebnisse aus
der Schweizerischen Gesundheitsbefragung 2002. Neuenburg, 2005.
56 Schweizerisches Gesundheitsobservatorium, im Auftrag des Gesundheitsdepartements des Kantons Basel-Stadt: Gesundheit im Kanton
Basel-Stadt. Ergebnisse aus der Schweizerischen Gesundheitsbefragung 2002. Neuenburg, 2005.
57 Schweizerisches Gesundheitsobservatorium, im Auftrag der Gesundheits- und Fürsorgedirektion des Kantons Bern. Ergebnisse aus verschiedenen gesundheitsrelevanten Datenbanken. Neuenburg, 2005.
58 Gesundheits- und Sozialdepartement Luzern in Zusammenarbeit mit
dem Schweizerischen Gesundheitsobservatorium: Gesundheit im Kanton Luzern. Ergebnisse aus der Schweizerischen Gesundheitsbefragung 2002. Neuenburg, 2005.
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5
berichts beauftragt. Der Kanton Zug60 hat die wichtigsten
Gemäss ihrer Statuten dient die VKS folgendem Zweck:
Resultate in Broschürenform publiziert, der Kanton Solo-
Der gegenseitigen Information im Bereich des öffentlichen
thurn hat in Zusammenarbeit mit der Fachhochschule für
Gesundheitsschutzes; der Besprechung und Bearbeitung
Sozialarbeit einen Sozialbericht publiziert, der gleichzeitig
gemeinsamer Probleme; der Erarbeitung von Vernehmlas-
soziale und gesundheitsrelevante Themen behandelt61.
sungen und Anträgen im Bereich gemeinsamer Probleme
Das Institut für Sozial- und Präventivmedizin Zürich
von gesamtschweizerischer Bedeutung unter anderem
(ISPM-ZH) schliesslich wird einen Gesundheitsbericht im
zuhanden der Schweizerischen Konferenz der kantonalen
Auftrag des Kantons Zürich erstellen .
Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren, des Eidgenös-
Die lateinische Schweiz hat ein regional abgestütztes
sischen Departements des Innern und des Bundesamtes
Vorgehen gewählt. Auf Initiative der DiPPS hat die West-
für Gesundheit.
62
Teil
II
Zusammenarbeit
torium (Obsan) mit der Erstellung „ihres“ Gesundheits-
Vereinigung der Kantonsärztinnen und Kantons­
ärzte der Schweiz (VKS)
Gallen59 haben das Schweizerische Gesundheitsobserva-
Referenzrahmen
Teil
I
schweizer Gesundheits- und Sozialdirektorenkonferenz
Vereinigung der Kantonsapotheker
Genf, Jura, Neuenburg, Tessin, Waadt und Wallis einen
Die Vereinigung der Kantonsapotheker ist der zentrale
regionalen Gesundheitsbericht zu erstellen. Der Bericht
Partner der Swissmedic, wenn es darum geht, die Ent-
liefert eine vergleichende Analyse über den Gesundheits-
scheide der Swissmedic betreffend Zulassung und Markt-
zustand der Bevölkerung, das Gesundheitsverhalten und
überwachung der Heilmittel in den Kantonen einheitlich
die Inanspruchnahme von Leistungen in den jeweiligen
umzusetzen. Im Jahr 2002 ist die Kontrolle der Heilmit-
Kantonen. Die Ergebnisse werden unter anderem in Re-
tel mit in Kraft treten des «Bundesgesetzes über Arznei-
lation zu den bestehenden kantonalen Präventionsstrate-
mittel und Medizinprodukte» (Heilmittelgesetz) von den
gien gesetzt. Damit ermöglicht der Bericht eine Auswer-
Kantonen zum Bund übergegangen. Die Vereinigung der
tung der Wirksamkeit kantonaler Gesundheitspolitiken
Kantonsapotheker hat an der Ausarbeitung des neuen
und deren Fähigkeit, auf die Bedürfnisse der Bevölkerung
Heilmittelgesetzes aktiv mitgewirkt. Ausdruck der Kom-
zu reagieren.63
petenzverschiebung ist die Gründung von Swissmedic,
Teil
III
Perspektiven
(CRASS) das Obsan beauftragt, für die Kantone Freiburg,
das Schweizerische Heilmittelinstitut, als neue Behörde
Interkantonale Zusammenarbeit
im Gesundheitsschutz
des Bundes. Aufgrund der Neuregelung der Kompetenzen
Bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts haben die Kantone
neu definiert werden. Dieser Prozess ist gegenwärtig noch
als Vollzugsorgane des Bundes im Bereich des Gesund-
im Gange.
mussten zahlreiche Abläufe zwischen Bund und Kantonen
heitsschutzes (Epidemien, Arbeitsschutz) untereinander
und mit dem Bund eng zusammengearbeitet. Heute gibt
Verband der Kantonschemiker der Schweiz
es im Gesundheitsschutz gut etablierte interkantonale
Verantwortungsbereiche: Vollzug des Bundesgesetzes
Netzwerke auf schweizerischer Ebene.
über Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände; Bundesgesetz über den Verkehr mit Giften; Teile der Verordnung
über umweltgefährdende Stoffe; im Bereich Biosicherheit
59 Gesundheitsdepartement des Kantons St. Gallen in Zusammenarbeit
mit dem Schweizerischen Gesundheitsobservatorium: Gesundheit im
Kanton St. Gallen. Ergebnisse aus der Schweizerischen Gesundheitsbefragung 2002. Neuenburg, 2005.
60 Kanton Zug, Schweizerisches Gesundheitsobservatorium (Hrsg): Gesundheit im Kanton Zug. Schweizerische Gesundheitsbefragung 2002,
Ergebnisse und Massnahmen. Zug, 2004.
61 Amt für Soziale Sicherheit des Kantons Solothurn und Fachhochschule
Solothurn Nordwestschweiz: Sozialbericht 2005.
62 Hämmig, O., Bopp, M., Stähli, R. (2004): Konzept zur Gesundheitsberichterstattung im Kanton Zürich 2003–2007. Forschung und Dokumentation Nr. 25. Zürich: Institut für Sozial- und Präventivmedizin der
Universität Zürich.
63 Enquête suisse sur la santé: Exploitation intercantonale des données
pour la Suisse romande et le Tessin. Der Bericht ist im Spätherbst 2005
erschienen.
die Einschliessungs- und Freisetzungsverordnungen; die
kantonalen Bäderverordnungen. In den letzten Jahren realisierte der Verband verschiedene Projekte:
■
Hinweise zum Gebrauch der amtlichen Exportzertifikate für Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände
(Juni 2002)
■
Interpretation des Begriffs «Rückverfolgbarkeit» durch
■
Engagement zugunsten einer besseren Leserlichkeit
den Verband der Kantonschemiker der Schweiz (2003)
der Etiketten auf Lebensmittel und Präzisierung der
gesetzlichen Mindestanforderungen (2004)
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5
109
Referenzrahmen
Teil
I
Zusammenarbeit
Teil
II
Vereinigung der Schweizer Kantonstierärztinnen
und Kantonstierärzte
sind, regelt der Bund seit 1877 die Anerkennung der
Diese interkantonale Vereinigung erfüllt schwerpunkt­
che Qualität der Medizin in allen Regionen der Schweiz.
mässig Vollzugs- und Koordinationsaufgaben in den Be-
Ein wesentlicher Teil der Strategie und Planung der
reichen Tierseuchen-, Lebensmittel- (Teilbereich Fleisch-
Hochschulmedizin findet seit dem Jahr 2001 in der
hygiene) und Tierschutzgesetzgebung. Die Aufträge im
Schweizerischen Universitätskonferenz (SUK) statt,
Einzelnen:
ein von Bund und Kantonen gemeinsam geführtes Or-
■
Tiergesundheit: Prophylaxe und Bekämpfung von Tier-
gan, das aufgrund seiner Strukturen als gelungenes
seuchen, Direktzahlung
Beispiel eines kooperativen Föderalismus gilt (siehe
Fleischhygiene: Plan- und Betriebsbewilligungen für
hierzu auch Kapitel 6: Zusammenarbeit zwischen Bund
Schlachtanlagen, Fleischkontrollen, Inspektionswesen
und Kantonen).
■
medizinischen Diplome und garantiert damit eine glei-
in Fleisch-Exportbetrieben
■
Tierschutz: Tierhaltung, Tierversuche
Unabhängig von der Form der Zusammenarbeit hat sowohl bei der universitären als auch bei der nicht-univer-
Perspektiven
Teil
III
Interkantonale Erfahrungsaustauschgruppe
von Fachstellen im Bereich der Bio- und Gen­
technologie (ERFA BIO)
sitären Ausbildung eine Zentralisierung der Kompetenzen
ERFA BIO ist ein Zusammenschluss kantonaler Vollzugs-
sen Herausforderungen, denen sich der schweizerische
stellen aus allen 26 Kantonen und dem Fürstentum Liech-
Bildungssektor nicht zuletzt wegen der Integration der
tenstein im Bereich der Biosicherheit. Ziel der Vereinigung
Schweiz in die europäische Bildungslandschaft stellen
ist die Harmonisierung des Vollzugs von Massnahmen, de-
muss. Ausgelöst wurde der Zentralisierungsprozess zum
nen folgende Gesetze zu Grunde liegen: Umweltschutzge-
einen durch die Verhandlungen der Schweiz mit der Euro-
setz, Gentechnikgesetz, Einschliessungsverordnung, Frei-
päischen Union über den freien Personenverkehr. Der Ab-
setzungsverordnung, Störfallverordnung.
schluss der Verhandlungen 1999 bedingte die Anpassung
auf Bundesebene stattgefunden. Die Bündelung der Kompetenzen auf Bundesebene ist eine Antwort auf die gros-
bestehender Gesetze in der Schweiz an EU-Recht. Zum
Interkantonale Zusammenarbeit bei der
­Ausbildung im Bereich Gesundheit
zweiten hat die Schweiz zusammen mit 29 weiteren europäischen Staaten 1999 die Bologna-Erklärung unterzeichnet und sich damit verpflichtet, bis ins Jahr 2010 die Ziele
Ausgangslage
der Bologna-Erklärung umzusetzen: die Harmonisierung
Auf dem Gebiet der Ausbildung im Gesundheitswesen
der Studienstrukturen in Europa (Einführung des zwei-
können die Kantone auf eine lange Tradition der überre-
stufigen Studiums mit Bachelor- und Master-Abschluss),
gionalen Zusammenarbeit zurückblicken. Es lassen sich
die Verbesserung der Diplomanerkennung, die Förderung
zwei verschiedene Formen der Zusammenarbeit im Be-
der Mobilität und die Förderung der Zusammenarbeit in
reich der Aus- und Weiterbildung in den Gesundheitsbe-
Fragen der Qualitätssicherung.
rufen unterscheiden.
■
■
110
Was die nicht-universitäre Berufsausbildung anbelangt,
Auf diesem Hintergrund fand der Zentralisierungsprozess
haben die Kantone als allein zuständige staatspolitische
im Bereich Berufsbildung seinen Ausdruck konkret unter
Akteure ihre Kompetenzen bis im Jahr 2004 über ein
anderem in folgenden Beschlüssen:
komplexes System von interkantonalen Vereinba-
1. Integration der Gesundheitsberufe in die schweize-
rungen und Koordinationsorganen wahrgenommen.
rische Bildungssystematik: 1999 beschloss die Schwei-
Die Zusammenarbeit der Kantone in der universitären
zerische Konferenz der kantonalen Gesundheitsdi-
Ausbildung der Medizinalpersonen geht über das ei-
rektorinnen und -direktoren (GDK), die Berufe des
gentliche System der interkantonalen Vereinbarungen
Gesundheitswesens neu zu ordnen mit dem Resultat,
hinaus und ist ein klassisches Beispiel der geteilten
dass die Gesundheitsberufe Schritt für Schritt in die
Kompetenzen und Aufgaben zwischen Bund und Kan-
schweizerische Bildungssystematik der übrigen Berufe
tonen. Während die Kantone als Träger der Universi-
integriert werden. Im Einzelnen sprach sich die GDK
täten für die medizinischen Fakultäten verantwortlich
1999 für die Tertiarisierung der Diplomberufe und für
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5
2. Ausdehnung der Bundeskompetenz auf sämtliche Be-
Seit den 1970er-Jahren haben die Kantone zwecks Rege-
rufsbildungen ausserhalb des Hochschulbereichs: Eben-
lung der Berufsausbildung im Gesundheitssektor eng zu-
falls 1999 hat das Stimmvolk die total revidierte Bundes-
sammengearbeitet.64 Die Schweizerische Konferenz der
verfassung angenommen und damit der Ausdehnung
26 kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren
der Bundeskompetenz auf sämtliche Berufsbildungen
(seit 2004 GDK, früher SDK) diente als politisches Koordi-
ausserhalb des Hochschulbereichs zugestimmt. Analog
nationsorgan mit Rechtsetzungskompetenzen und war bis
zum Zuständigkeitswechsel auf gesamtschweizerischer
2004 insbesondere für die Ausbildungsbestimmungen und
Ebene haben viele Kantone die Verantwortlichkeiten
die Anerkennung aller nichtuniversitären Gesundheitsbe-
für die Berufsbildung im Gesundheitswesen von den
rufe verantwortlich.65 In einer Vereinbarung (1976) hatten
Gesundheitsdepartementen in die Erziehungsdeparte-
die Kantone dem Schweizerischen Roten Kreuz die recht-
mente transferiert. Auf der interkantonalen Ebene
liche Legitimation zur Regelung und Überwachung der Be-
spielt neu die Schweizerische Konferenz der kanto-
rufe im Gesundheitswesen übertragen. Faktisch hat das
nalen Erziehungsdirektoren (EDK) bzw. deren Fach-
Schweizerische Rote Kreuz (SRK) diese Rolle bereits seit
konferenz, die Schweizerische Berufsbildungsämter-
Jahrzehnten gespielt. Erste Richtlinien zur Ausbildung von
konferenz (SBBK), anstelle der GDK eine zentrale
Krankenschwestern hat das SRK im Jahr 1925 erlassen.
Rolle.
Seit 1965 unterstützen die Kantone zudem das SRK regel-
3. Ausdehnung der Bundeskompetenz auf den Bereich
mässig finanziell bei der Erfüllung seines Ausbildungsauf-
«Weiterbildung der medizinischen Berufe»: Der Anstoss
trags.66 Zudem regelten die Kantone über Vereinbarungen
zur Neuregelung kam nach dem Scheitern des Beitritts
die Abgeltungen für die Ausbildung im nicht-universitären
der Schweiz zum europäischen Wirtschaftsraum 1992
Tertiärbereich. Ab 2004 ist der Bund für die nicht-univer-
von den Kantonen selbst. Die gesetzliche Regelung
sitäre Berufsausbildung im Gesundheitsbereich zuständig
der Weiterbildung wurde 2001 mit der Teilrevision des
und die Rolle der SRK wird im Zuge dieses Transfers über-
Bundesgesetzes vom 19. Dezember 1877 betreffend die
dacht.
Freizügigkeit des Medizinalpersonals in der Schweize-
Der überregionale Charakter der Zusammenarbeit in der
rischen Eidgenossenschaft (FMPG) angepasst und zu-
Berufsbildung kommt unter anderem darin zum Ausdruck,
sammen mit der Verordnung über die Weiterbildung und
dass die meisten interkantonalen Vereinbarungen in der
Anerkennung der Diplome und Weiterbildungstitel der
Gesundheitsbildung von mehreren Kantonen unterzeich-
medizinischen Berufe per 1. Juni 2002 in Kraft gesetzt.
net wurden. Damit hebt sich dieser Bereich von anderen
Das FMPG wird voraussichtlich 2008 vom Bundesge-
wie die Gesundheitsversorgung oder die Gesundheitsför-
setz über die Regelung der Medizinalberufe (MedBG)
derung ab, wo es kaum zu regionalen oder überregionalen
abgelöst. Die Regelung betreffend die Weiterbildung
Vereinbarungen zwischen den Kantonen gekommen ist,
wurde im MedBG weitgehend übernommen und in Teil-
sondern bilaterale Absprachen vorherrschen.
Teil
II
Zusammenarbeit
stufe II aus («Fachangestellte Gesundheit»).
Lange Tradition der interkantonalen Zusammen­
arbeit in der Berufsbildung
Teil
III
Perspektiven
die Konzeption einer neuen Berufslehre auf Sekundar-
Referenzrahmen
Teil
I
bereichen wie der Akkreditierung konkretisiert. An der
Formulierung des MedBG haben die Kantone aktiv mitgearbeitet (siehe hierzu auch Kapitel 6.3.5).
Die nachfolgenden Abschnitte beleuchten zwei Aspekte der
interkantonalen Zusammenarbeit im Ausbildungssektor:
Die lange Tradition der interkantonalen Zusammenarbeit
in der ausseruniversitären Ausbildung im Gesundheitswesen sowie die unterschiedlichen Ausbildungskulturen zwischen der lateinischen Schweiz und der Deutschschweiz.
64 Siehe hierzu die Liste der interkantonalen Vereinbarungen im Bereich
Gesundheit im Anhang zu Kapitel 5.
65 Für den Vollzug der «Interkantonalen Vereinbarung über die Anerkennung von Ausbildungsabschlüssen» (1993) besitzen die Gesundheitsdirektorenkonferenz (GDK) und die Erziehungsdirektorenkonferenz (EDK) Rechtsetzungskompetenzen. Zudem sind die beiden
GDK-Erlasse «Verordnung über die Anerkennung von ausländischen
Ausbildungsabschlüssen» (1997), die «Verordnung über die Anerkennung kantonaler Ausbildungsabschlüsse im Gesundheitswesen in der
Schweiz» (1999) sowie die Verordnung über die Anerkennung kantonaler Fachhochschuldiplome im Gesundheitswesen (2001) rechtlich
bindend.
66 Vereinbarung zwischen den Kantonen und dem Schweizerischen Roten
Kreuz betr. die berufliche Ausbildung des Pflegepersonals, des medizinisch-technischen und des medizinisch-therapeutischen Personals (in
Kraft seit 1976).
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5
111
Referenzrahmen
Teil
I
Zusammenarbeit
Teil
II
Tabelle 19: Massnahmen der GDK im Bereich
der nicht-universitären Gesundheitsberufe (Auswahl)
Zukunft über die Dach-Organisation der Arbeitswelt Ge-
1999
Beschluss Neue Bildungssystematik Gesundheitsberufe:
Tertiarisierung der Diplomausbildungen im Gesundheitssektor; Berufslehre auf Sekundarstufe II
sundheitswesen einbringen.
2000
Verabschiedung Profil Fachhochschulbereich Gesundheit (überarbeitet 2004)
2001
Verordnung der GDK über die Anerkennung kantonaler
Fachhochschuldiplome
2001
Integration der Medizinisch-technischen und Medizinisch-therapeutischen Berufe (MTT-Berufe) in die
Bildungssystematik
2002
2002
Teil
III
Perspektiven
2004
2004
2005
Unterschiedliche regionale Ausbildungskulturen
Der bisher ausseruniversitäre Tertiärbereich bei den Gesundheitsberufen wird zurzeit von Grund auf reformiert.
Um die zunehmende Nachfrage nach qualifizierten Arbeitskräften zu befriedigen und um die internationale
Anerkennung der Ausbildungsabschlüsse zu erleichtern,
werden die meisten dieser höheren Berufsausbildungen
Verabschiedung Bildungsverordnung Fachangestellte
Gesundheit/Fachangestellter Gesundheit
umstrukturiert und in die regionalen «Fachhochschulen»
Verabschiedung Revidierte Ausbildungsbestimmungen
für die Ausbildung zur dipl. Pflegefachfrau/zum dipl.
Pflegefachmann (Aufhebung der beiden Diplomniveaus
Der Fachhochschulbereich ist bis heute der einzige Be-
von 1992)
2004
sundheit (OdA Gesundheit) in die Berufsbildung im Ge-
Verabschiedung überarbeitetes Profil Fachhochschulbereich Gesundheit. Die Lösung der Romandie wurde zur
allgemein gültigen.
Beschluss Positionierung Physiotherapie und Ergotherapie ausschliesslich auf Fachhochschulstufe
(FH) (hautes écoles spécialisées) integriert.
reich, in dem die Kantone regional planen. Ganz freiwillig
erfolgte die Planung nicht. Es brauchte das Bundesgesetz
über die Fachhochschulen von 1995, das die Kantone verpflichtete, ihre 28 Ingenieurschulen resp. Höheren Technischen Lehranstalten (HTL), 21 höheren Wirtschafts- und
Verwaltungsschulen (HWV) und neun Höheren Fachschulen für Gestaltung (HFG) mit fast 200 Studiengängen in
Schaffung von Fachhochschulstudiengängen im Bereich
Pflege
sieben Fachhochschulregionen zusammenzufassen. Aber
Beschlüsse betreffend die Integration von Gesundheitsberufen in die Bildungssystematik: Höhere Fachschule:
Medizinisches Labor, Dentalhygiene
Fachhochschule (ab 2009): Hebamme, Ernährungsberatung
nanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund
auch die Vorbereitungsarbeiten zur Neugestaltung des Fiund Kantonen (NFA) könnten hier eine Rolle gespielt haben. Die im Jahr 2005 vom Stimmvolk angenommene NFA
verpflichtet die Kantone im Fachhochschulbereich zur Zusammenarbeit. Der Grund für die Forderung des Bundes
nach der Bildung von Fachhochschulregionen besteht in
der Auffassung, dass das Einzugsgebiet eines Kantons für
Als interkantonales Koordinationsorgan hat die GDK im
eine einzelne Fachhochschule in der Regel zu klein ist.
Rahmen der Integration der Gesundheitsberufe in die
Heute gibt es sieben öffentliche Fachhochschulen und
Bildungssystematik der Schweiz richtungsweisende Be-
eine private Fachhochschule in der Schweiz.
schlüsse auf dem Gebiet der Ausbildung gefasst.
Die Überführung der Gesundheitsberufe in Bundeskom-
Aus Distanz lassen sich zwischen der Deutschschweiz und
petenz bedingte zwischen 1999 und 2004 eine enge Zu-
der Romandie zwei Ausbildungskulturen beobachten:
sammenarbeit zwischen Bund und Kantonen. Zu diesem
112
Zweck hatten sich Bund und Kantone auf eine gemein-
Fachhochschule Gesundheit in der Westschweiz
same Projektorganisation «Transition» geeinigt (siehe
In der französischsprachigen Schweiz hatte sich unter
hierzu auch Kapitel 6: Zusammenarbeit zwischen Bund
dem Einfluss der Modelle in Frankreich, Belgien und
und Kantonen).
Quebec und im Hinblick auf die schon seit Jahren viel
Nach Abschluss der Integration der Gesundheitsberufe
höheren Quoten von Zugängerinnen zu den Gesundheits-
in die Bildungssystematik der Schweiz wird die Ver-
ausbildungen mit einer abgeschlossenen schulischen
antwortung für diesen Bereich zur Erziehungsdirekto-
Sekundarstufe II (Maturität und Diplommittelschule)
renkonferenz (EDK) wechseln, die als interkantonales
Fachhochschulstudiengänge entwickelt. Für die in der
Koordina­tionsorgan der Ansprechpartner des Bundes in
Westschweizer Gesundheits- und Sozialdirektorenkonfe-
der Regelung der Berufsbildung ist. Die GDK wird sich in
renz (CRASS) zusammengeschlossenen Kantone war es
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5
arisierung der Gesundheitsausbildungen so umzusetzen,
Medizinischen Fakultät der Universität Basel, das erste
dass Pflege, Ergo- und Physiotherapie, Geburtshilfe, Er-
und bis jetzt einzige universitäre Institut für Pflegewissen-
nährungsberatung und medizinisch-technische Radiologie
schaft an einer Schweizer Universität. Im Unterschied zur
auf Fachhochschulebene angeboten würden. Bereits 2001
Westschweiz sahen sich die Kantone der Deutschschweiz
entstand auf der Basis einer Interkantonalen Vereinbarung
ausserstande, dem Beschluss der GDK aus dem Jahre
die Fachhochschule Westschweiz für Gesundheit und So-
1999 zu folgen. Bei ihnen war das klassische Modell der
ziale Arbeit FH-GS (Haute école specialisée Santé-Social
dualen Berufsausbildung (parallele Ausbildung in Betrieb
HES-S2). Heute bietet die HES-S2 zehn Studiengänge in
und Berufsschule) und nicht etwa das in ihren Augen pra-
Gesundheit an. Wie schon das Beispiel der Gesundheits-
xisferne Studium das vorherrschende Modell. In den letz-
förderung und Prävention gezeigt hat, belegt auch das
ten zwei Jahren wurden jedoch eingehende Abklärungen
Beispiel Ausbildung, dass die Kantone der Westschweiz
durch das Zentralsekretariat der GDK in Zusammenarbeit
eher als die Kantone der Deutschschweiz bereit sind, Pro-
mit den betroffenen Organisationen und Institutionen
jekte über ihre regionale Gesundheitsdirektorenkonferenz
getroffen. In den Kantonen der Deutschschweiz und des
zu realisieren.
Tessins befinden sich zurzeit mehrere Fachhochschulprojekte im Bereich Gesundheit in Planung:
■
Pflege: Kantone St. Gallen, Zürich, Bern, Tessin
Westschweiz: Fachhochschule für Gesundheit
■
Physiotherapie: Kantone Bern, Zürich, Tessin
Die sechs Westschweizer Kantone und der Kanton Bern
■
Ergotherapie: Kanton Bern oder Zürich und Kanton
haben 2001 die interkantonale Vereinbarung zur Grün-
Teil
II
Zusammenarbeit
nahme bildet das Institut für Pflegewissenschaften an der
Teil
III
Perspektiven
denn auch klar, den GDK-Beschluss von 1999 zur Terti-
Referenzrahmen
Teil
I
Tessin
dung der Fachhochschule Westschweiz für Gesundheit
Diese drei Ausbildungsgänge werden 2006 starten. Auch
und soziale Arbeit (FH-GS) unterzeichnet. Geplant ist,
die Ausbildungsgänge Ernährungsberatung und Hebam-
die Fachhochschule Westschweiz und die Fachhoch-
me sollen bis spätestens 2009 in der Deutschschweiz auf
schule Gesundheit und soziale Arbeit bis 2006 zu einer
Fachhochschulebene angeboten werden.
einzigen Fachhochschule zusammenzufassen.
In Vorbereitung
Dienstleistungszentrum Berufsbildung: Die kantonalen
Fachhochschule Gesundheit in der Deutschschweiz
Erziehungsdirektorinnen und -direktoren planen ein ge-
Der Grossteil der Diplomausbildungen im Gesundheits-
meinsames Dienstleistungszentrum Berufsbildung, Be-
sektor in der Deutschschweiz war bis vor kurzer Zeit auf
rufs-, Studien- und Laufbahnberatung (DBB). Dieses soll
der Stufe Höhere Fachschule (HF) positioniert. Eine Aus-
ab 2007 eine ganze Reihe von Dienstleistungen zentral für
Tabelle 20: Ausbildung in den Gesundheitsberufen:
interkantonale Zusammenarbeit in der Deutschschweiz
BE, FR, SG, ZH
Der Kanton Bern plant für die Deutschschweiz zusammen mit den Kantonen Freiburg, St. Gallen und Zürich gemeinsame Studiengänge auf Niveau Fachhochschule oder Höhere Fachschule in den Bereichen Hebamme, Physiotherapie, Ergotherapie, medizinisch-technische Radiologie und Ernährungsberatung. In Verhandlungen haben sich
die Regierungsrätinnen und Regierungsräte auf Standorte für künftige Studiengänge geeinigt. Ergotherapie soll an
der Zürcher Fachhochschule, Ernährungsberatung an der Berner Fachhochschule angeboten werden (2005).
Zentralschweiz
Die Kantone der Zentralschweiz planen eine Höhere Fachschule für nichtärztliche Gesundheitsberufe mit drei Kompetenzzentren in Luzern, Sarnen und Zug.
BL, BS
Auf dem Hintergrund des neuen Berufbildungsgesetzes haben die Regierungen der Kantone Basel-Stadt und BaselLandschaft Ende 2002 beschlossen, die Neukonzeption der Ausbildungen im Gesundheitswesen auf Sekundarstufe
II und im Tertiärsektor gemeinsam anzugehen. Basel-Landschaft ist für den Ausbildungsgang Fachangestellte Gesundheit (FaGe) verantwortlich und hat zu diesem Zweck im Jahr 2004 eine Leistungsvereinbarung mit dem Kanton
Basel-Stadt abgeschlossen. Der Kanton Basel-Stadt ist Träger der Höheren Fachschule Gesundheit und hat im Jahr
2004 eine Leistungsvereinbarung mit dem Kanton Basel-Landschaft betreffend Leistungen der Höheren Fachschule
Gesundheit Basel-Stadt abgeschlossen.
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5
113
Referenzrahmen
Teil
I
Zusammenarbeit
Teil
II
Perspektiven
Teil
III
alle Kantone anbieten: Informationsmittel, Ausbildungs-
nicht sein: 26 souveräne Kantone mit gleicher Rechtsstel-
unterlagen, Entwicklung und Koordination der Weiter-
lung, aber verschieden in Kultur, Sprache, Grösse, wirt-
bildung für die Fachleute der Berufsbildung und Berufs-
schaftlichem Potential. Dazu kommen 26 kantonale Ge-
beratung. Das Dienstleistungszentrum wird – getragen
sundheitspolitiken.
von den Kantonen – Vollzugs- und Entwicklungsarbeiten
Die Darstellung der interkantonalen Formen der Zusam-
übernehmen, die interkantonale Zusammenarbeit unter-
menarbeit zeigt nun aber, dass es den Kantonen gelun-
stützen und Dienstleistungen für die Kantone und für die
gen ist, ihre historischen, sprachlichen und kulturellen
Organisationen der Arbeitswelt erbringen.
Besonderheiten sowie ihre unterschiedlichen politischen
Schweizerisches Berufsregister: Der Bildungsrat der GDK
Vorstellungen unter dem Dach verschiedener Ordnungs-
hat am 16. März 2005 dem Vorstand empfohlen, einer
prinzipien wie den kooperativen Föderalismus und den
neuen Vorschrift für die Führung eines Registers über
funktionellen Föderalismus zu integrieren. Von den be-
Abschlüsse in den nicht-universitären Gesundheitsberu-
grifflichen Inkonsistenzen einmal abgesehen, können die
fen zuzustimmen (Interkantonale Vereinbarung zur Regis-
Kantone im Rahmen dieser Ordnungsprinzipien über die
trierung der Ausbildungsabschlüsse). Die entsprechende
Zusammenarbeit ihre Unterschiede bis zu einem gewissen
Rechtsgrundlage würde im Rahmen einer Revision der
Grad ausgleichen und gleichzeitig ihre Autonomie bewah-
interkantonalen Vereinbarung zur Diplomanerkennung
ren. Die verschiedenen Ausprägungen des gelebten Fö-
von 1993 geschaffen. Im von den Kantonen getragenen
deralismus finden seit Beginn des 20. Jahrhunderts ihren
Register sollen berufsrelevante Verstösse von Berufsange-
Ausdruck unter anderem in den zahlreichen Zusammen-
hörigen verzeichnet und damit allenfalls gesamtschweize-
arbeitsgremien auf regionaler und schweizerischer Ebene:
risch Berufsverbote durchgesetzt werden.
die Schweizerische Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren (GDK) oder die regi-
Würdigung
onalen Gesundheitsdirektorenkonferenzen. In diesen Gre-
Die Überführung der Gesundheitsausbildungen in Bundes­
mien versuchen die Kantone einerseits eine Einheit in der
kompetenz abschliessend zu würdigen, ist an dieser Stel-
Vielfalt zu bilden, beispielsweise über regionale und ge-
le nicht möglich. Die aufgeführten Beispiele zeigen aber,
samtschweizerische Koordinationsmassnahmen auf dem
dass die Kantone trotz ihrer unterschiedlichen Kulturen
Gebiet der Aus- und Weiterbildung in den Gesundheitsbe-
auf schweizerischer Ebene über Gremien verfügen, die
rufen. Mit Hilfe des funktionellen Föderalismus hingegen,
in verhältnismässig kurzer Zeit richtungsweisende stra-
der sich in den zahlreichen Vereinbarungen zwischen zwei
tegisch-politische Entscheide vorbereitet und umgesetzt
Kantonen niederschlägt, strebt jeder Kanton eine optima-
haben. Es wird interessant sein zu beobachten, wie sich
le und bürgernahe Befriedigung eigener Bedürfnisse an
die föderalistische Kompetenzaufteilung im Bereich der
(u. a. durch die Bildung von funktionalen Regionen, insbe-
ausseruniversitären und universitären Ebene in den näch-
sondere im Spitalsektor). Erste bilaterale Vereinbarungen
sten Jahren entwickeln wird.
wurden bereits vor 100 Jahren abgeschlossen. Zusammenarbeit im Rahmen des funktionellen Föderalismus dient
dabei als Mittel, die kantonale Autonomie zu erhalten.
5.7 Zusammenfassung
Nachfolgend werden die vielfältigen Formen und Themen
Kapitel 5 begann mit der Frage, ob angesichts der 26 kan-
dargestellt, bevor die Grenzen der Zusammenarbeit zur
tonalen Gesundheitspolitiken in der Schweiz eine natio-
Sprache kommen.
der interkantonalen Zusammenarbeit noch einmal kurz
nale Gesundheitspolitik möglich ist. Um Antworten auf
tersucht, wie die Kantone selbst mit der Fragmentierung
Vielfältige Formen der interkantonalen
­Zusammenarbeit
und Kleinräumigkeit im Sektor Gesundheit umgehen. Zu
In Kapitel 5 konnte gezeigt werden, dass die Kantone eine
diesem Zweck wurden die verschiedenen Formen und In-
lange Tradition der Zusammenarbeit im Bereich Gesund-
halte der interkantonalen Zusammenarbeit vorgestellt.
heit aufweisen. Sichtbare Zeichen der interkantonalen Zu-
Die Voraussetzungen für eine nationale Gesundheitspolitik
sammenarbeit sind neben den zahlreichen bi- und multi-
in der Schweiz könnten auf den ersten Blick ungünstiger
lateralen Vereinbarungen die Strukturen, die die Kantone
die Frage zu finden, wurde in diesem Kapitel zunächst un-
114
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5
abschliessen können (siehe Anhang am Ende dieses Ka-
auf nationaler, seit den 1970er-Jahren auch auf regionaler
pitels). Die in den letzten 5 Jahren ausgearbeitete inter-
Ebene aufgebaut haben. Die Wahrung der politischen Sou-
kantonale Vereinbarung über die Koordination spitzen-
veränität der Kantone ist dabei ein bestimmender Faktor
medizinischer Angebote gilt wegen des Widerstands des
der interkantonalen Zusammenarbeit. Mit anderen Wor-
Kantons Zürich zum jetzigen Zeitpunkt als gescheitert.
ten: Bis heute stehen die gesundheitspolitischen Bedürfnisse sowie die wirtschaftlichen und finanziellen Interes-
Strukturiert
sen eines jeden Kantons im Zentrum der Zusammenarbeit
Mit Hilfe von Kooperationsstrukturen auf schweizerischer
und weniger der Wunsch nach einem aufeinander abge-
und später auch auf regionaler Ebene haben sich die Kan-
stimmten Vorgehen.
tone Plattformen geschaffen, wo sie regelmässig Informa-
Teil
II
Zusammenarbeit
seit 1919 (Gründung der GDK) zu diesem Zweck zunächst
Referenzrahmen
Teil
I
tionen und Erfahrungen austauschen sowie gemeinsame
Projekte entwickeln und umsetzen können. Die struktu-
Die sporadische und punktuelle Zusammenarbeit bietet
rierte interkantonale Zusammenarbeit beruht auf Freiwil-
den Kantonen die Möglichkeit, entsprechend den gesund-
ligkeit.
heitlichen und kulturellen Bedürfnissen der kommunalen
Auf schweizerischer Ebene hat sich die Schweizerische
bzw. kantonalen Bevölkerung in einem überschaubaren
Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und
Rahmen gesundheitspolitisch relevante Projekte zu lan-
-direktoren (GDK) in den 85 Jahren ihres Bestehens zu
cieren und zu testen (Projekte der Gesundheitsförderung
einem zentralen Gesprächsforum entwickelt. Mit Hilfe
und Prävention, Einrichtung interkantonaler Spitäler und
dieser Plattform haben die kantonalen Gesundheitsdi-
medizinischer Kompetenzzentren, Einführung von Health
rektorinnen und –direktoren unter anderem gesund-
Impact Assessmment, Pilotversuch Versichertenkarte).
heitspolitische Weichen für die Regulierung der Aus- und
Dezentrale Strukturen fördern darüber hinaus die Ent-
Weiterbildung in den Gesundheitsberufen sowie für die
wicklung verschiedener Projekte zu ähnlichen Themen,
Gewährleistung des Gesundheitsschutzes stellen können.
auch solche mit neuen bzw. innovativen Ansätzen, und da-
Auf regionaler Ebene weist die Zusammenarbeit zwischen
mit den Wettbewerb unter den Projekten. Jedoch haben
den Kantonen einen nur geringen Politisierungsgrad auf. In
diese Projekte oft nur einen geringen Bekanntheitsgrad,
den letzten Jahren sind jedoch Ansätze erkennbar, die da-
sowohl unter den Kantonen als auch auf eidgenössischer
rauf hindeuten, dass sich eine Art regionales Bewusstsein
Ebene und ihr Innovationspotential kann deshalb kaum
für gesundheitspolitische Themen auszubilden scheint.
Teil
III
Perspektiven
Sporadisch und punktuell
genutzt werden.
Vertraglich
Vielfältige Themen der interkantonalen
­Zusammenarbeit
Die vertragliche Zusammenarbeit in Form der interkan-
Auch wenn jeder Kanton in den letzten 25 Jahren viel Zeit
tonalen Vereinbarungen betrifft zu einem grossen Teil
und Energie in die Gesundheitsversorgung investiert hat,
die ausserkantonale stationäre Behandlung. Da, wo ent-
ist es den Kantonen immer wieder gelungen, alle Bereiche
sprechende Angebote fehlen, kaufen die Kantone diese
der Gesundheit – Verbraucherschutz, Gesundheitsschutz,
Leistungen extern bei anderen Kantonen ein. Zu diesem
Prävention, Gesundheitsförderung, medizinische Versor-
Zweck haben die Kantone in den letzten Jahrzehnten zahl-
gung, Rehabilitation und Bildung – zu Themen der inter-
reiche, vor allem bilaterale Vereinbarungen abgeschlossen
kantonalen Zusammenarbeit zu machen. Die Intensität
und in einigen Fällen auch vertraglich festgelegte Funk-
der Zusammenarbeit variiert dabei stark nach Bereich
tionalregionen gebildet. Die Vereinbarungen weisen eine
und Region. Stand vor 100 Jahren der Gesundheitsschutz
hohe Verbindlichkeit auf und funktionieren erfolgreich
(Bekämpfung übertragbarer Krankheiten) sowie die inter-
vor allem dann, wenn sie zwischen einigen Kantonen ab-
kantonale Regelung der Ausbildung in den Gesundheits-
geschlossen werden. Diese Form der Zusammenarbeit hat
berufen im Vordergrund, ist es seit den 1960er-Jahren die
den Vorteil, dass sie – ökonomisch gesprochen – zu «Win-
Optimierung der stationären Gesundheitsversorgung in
win-Lösungen» führen.
den einzelnen Kantonen. Seit 10 Jahren prägen zwei wei-
Auf gesamtschweizerischer Ebene haben die Kantone
tere Schwerpunkte die interkantonale Zusammenarbeit:
interkantonale Vereinbarungen erst in wenigen Fällen
das neue Bundesgesetz über die Krankenversicherung
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5
115
Referenzrahmen
Teil
I
Zusammenarbeit
Teil
II
und deren Umsetzung durch die Kantone sowie die Über-
fen haben die Kantone seit Beginn des 20. Jahrhunderts
tragung der kantonalen Kompetenz bei der Ausbildung in
eine Koordination auf schweizerischer Ebene angestrebt
den Gesundheitsberufen auf den Bund.
und realisiert. In diesem Prozess der Harmonisierung
Während beim Gesundheits- und Konsumentenschutz so-
haben die Kantone auch Kompetenzen dem Bund über-
wie bei der Aus- und Weiterbildung in den Gesundheits-
tragen. Entscheidendes Koordinationsgremium war hier
berufen die strukturierte Zusammenarbeit besonders
die Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen
ausgeprägt ist, überwiegen bei der stationären Gesund-
und -direktoren (GDK). Es scheint, dass internationaler
heitsversorgung die bilateralen Vereinbarungen (siehe Li-
Druck hinsichtlich der Anerkennung von Ausbildungsdi-
ste im Anhang). Schwach war und ist die Zusammenarbeit
plomen (unter anderem Bologna-Reform) die Suche nach
zwischen den Kantonen auf dem Gebiet der Gesundheits-
nationalen Lösungen beschleunigt hat. Die Neuordnung
förderung und Krankheitsprävention.
der Verfassungsbestimmungen zur Bildung, über die das
Stimmvolk im Jahr 2006 abstimmen wird, zeigt zudem auf
Perspektiven
Teil
III
Gesundheitsschutz und Prävention
Verfassungsebene einen Weg auf, wie Bund und Kantone
In den Bereichen Gesundheitsschutz und Verhütung über-
gemeinsam Verantwortung für die Steuerung des Bil-
tragbarer Krankheiten arbeiten die Kantone bereits seit
dungswesens in der Schweiz übernehmen können – ein
Jahrzehnten intensiv regional, überregional und national
möglicher Weg auch für den Sektor Gesundheit.
zusammen. Dank einer wirkungsvollen Präventionspolitik durch Bund und Kantone im 19. und 20. Jahrhundert
Gesundheitsversorgung
und dank der Fortschritte auf dem Gebiet der Impfungen
Seit den 1960er-Jahren sind die kantonalen Gesundheits-
konnten die übertragbaren Krankheiten stark einge-
politiken und damit auch die interkantonale Zusammen-
schränkt werden. Mit dem Auftreten von Aids und mit
arbeit im Wesentlichen auf die stationäre Gesundheits-
der Zunahme des Konsums illegaler Drogen in den 1980er
versorgung ausgerichtet. Die zahlreichen bilateralen
Jahren kehrte die Prävention auf die Traktandenliste der
Vereinbarungen, die Kantone in diesem Bereich abge-
interkantonalen Gremien zurück.
schlossen haben, führen zu zwei Erkenntnissen. Erstens:
In den letzten 10 Jahren war die Krankheitsprävention nur
Planung und Koordination in der stationären Gesund-
noch selten ein Thema der interkantonalen Zusammenar-
heitsversorgung finden auf kantonaler Ebene bereits seit
beit. Über die Umsetzung der Bundesgesetze in Bereichen
mehreren Jahrzehnten statt und haben nicht erst mit dem
wie Epidemienbekämpfung, Strahlenschutz, Lebensmit-
Bundesgesetz über die obligatorische Krankenversiche-
telsicherheit, Heilmittelkontrolle oder Unfallverhütung
rung im Jahre 1996 eingesetzt. Zweitens: Die vielen Ein-
garantieren die Kantone den Gesundheitsschutz ihrer
zelabkommen verdeutlichen, dass die Kantone bis jetzt
Bevölkerung. Dies geschieht in Form regelmässiger Kon-
ihre Angebote im Bereich der ambulanten und stationären
trollen, unter anderem bei den Lebensmitteln oder beim
Gesundheitsversorgung zwar bilateral, aber kaum regio-
Trinkwasser, aber auch bei den Sicherheitsbestimmungen
nal oder überregional koordiniert haben (siehe hierzu den
am Arbeitsplatz. Die gesamtschweizerische Koordination
Anhang «Interkantonale Vereinbarungen im Sektor Ge-
wird über gut funktionierende Netzwerke bestehend aus
sundheit» am Ende dieses Kapitels).
Kantonsärzten, Kantonschemikern, Kantonsapothekern
und Kantonsveterinären sowie über die kantonalen Ar-
Gesundheitsförderung und Prävention
beitsinspektorate gewährleistet.
Seit den 1980er-Jahren realisieren die Kantone in An-
Mit dem Auftreten übertragbarer Krankheiten wie BSE,
lehnung an die Ottawa-Charta und die WHO-Gesund-
SARS und Vogelgrippe hat die Prävention übertragbarer
heitsziele Massnahmen im Sinne des modernen Public
Krankheiten in der interkantonalen Zusammenarbeit wie-
Health-Begriffs (Verhaltens- und Verhältnisprävention
der an Aktualität gewonnen (siehe hierzu auch Kapitel
sowie Gesundheitsförderung). Die Zusammenarbeit zwi-
6.3.3., Schweizerischer Pandemieplan).
schen den Kantonen auf diesem Gebiet ist schwach.
Jeder Kanton entwickelt gemäss der Bedürfnisse und
116
Aus- und Weiterbildung in den Gesundheitsberufen
der verfügbaren Ressourcen seine eigenen gesundheits-
Auf dem Gebiet der nicht universitären und universi-
fördernden Strategien. Eine Ausnahme bildet die latei-
tären Aus- und Weiterbildung in den Gesundheitsberu-
nische Schweiz. Dank der interkantonalen Arbeitsgruppe
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5
medizin zustimmen. Es überrascht daher nicht, dass in
motion de la santé) haben die Kantone der lateinischen
nur wenigen Fällen alle 26 Kantone eine interkantonale
Schweiz eine Reihe von Projekten gemeinsam realisieren
Vereinbarung ratifiziert haben. Diese Einstimmigkeit trifft
können.
vor allem für den Sektor Ausbildung in den Gesundheits-
Nach Bedarf arbeiten die einzelnen Kantone mit dem
berufen und für die Heilmittelkontrolle zu. Die «Interkan-
Bund oder mit der Gesundheitsförderung Schweiz zusam-
tonale Vereinbarung über die Kontrolle der Heilmittel»,
men. Sowohl der Bund als auch die Gesundheitsförderung
eine «Perle» der interkantonalen Zusammenarbeit, schei-
Schweiz unterstützen mehrere kantonale und einige weni-
terte 1988 beim Versuch der Revision der Vereinbarung
ge interkantonale Projekte in finanzieller Hinsicht.
am Widerstand zweier Kantone, so dass nach einer langen
Teil
II
Zusammenarbeit
DiPPS (Dispositif intercantonal de prévention et de pro-
Referenzrahmen
Teil
I
erfolgreichen Phase der interkantonalen Zusammenarbeit
Grenzen der interkantonalen Zusammen­arbeit
eine Lösung auf Bundesebene realisiert werden musste.
Obwohl die Kantone seit rund 100 Jahren zusammen-
Gegenwärtig scheint eines der wenigen interkantonalen
arbeiten, ist es ihnen trotz zahlreicher Vereinbarungen
Projekte auf schweizerischer Ebene im Bereich der Ge-
und interkantonaler Strukturen und trotz unbestrittener
sundheitsversorgung, die Koordination und Konzentrati-
Erfolge noch nicht gelungen, da, wo wünschbar, Ansätze
on spitzenmedizinischer Leistungen, am Widerstand des
für regionale oder gesamtschweizerische Gesundheitspo-
Kantons Zürich zu scheitern und damit ebenfalls eine
litiken zu entwickeln. Auf diesem Hintergrund stellt sich
Bundeslösung zu provozieren.
Teil
III
bestehenden interkantonalen Formen der Zusammenar-
Fehlender Gesamtblick auf die Gesundheit
beit ausreichen, um auf das zunehmend komplexer wer-
Am Anfang der interkantonalen Zusammenarbeit stehen
dende Gesundheitssystem Schweiz mit konsensfähigen
nicht gemeinsame gesundheitspolitische Ziele, sondern
Lösungen reagieren zu können. Die Rede ist von der de-
der Wunsch eines jeden Kantons, seine gesundheitspoli-
mographischen Alterung der Gesellschaft, von der Zunah-
tische Autonomie zu erhalten sowie seiner Bevölkerung
me nicht übertragbarer Krankheiten, vom Kostendruck,
ein optimales Angebot an Leistungen im Bereich Gesund-
der auf dem Gesundheitssystem lastet, vom steigenden
heitsversorgung zu garantieren. Wie die Kantonsporträts
internationalen Druck (grenzüberschreitende Pande-
in Teil IV des Berichts eindrücklich zeigen, fällt jeder Kan-
mien, Nachvollzug internationaler Standards wie sie mit
ton zunächst für sich seine politisch-strategischen Ent-
der «Bologna-Reform» oder mit der internationalen Ta­
scheide, arbeitet an seiner eigenen kantonalen Gesund-
bakkonvention vorgegeben sind).
heitspolitik. Bei der Ausgestaltung dieser Politik stützen
Aus dieser Perspektive zeigen sich folgende Schwächen
sich die 26 Regierungen und Kantonsparlamente auf die
der interkantonalen Zusammenarbeit:
kantonalen Gesundheitsgesetze sowie auf ihre gesund-
Perspektiven
auf der politisch-strategischen Ebene die Frage, ob die
heitspolitischen Strategien und Leitbilder. Die Ergebnisse
Hohe Anzahl der Gliedstaaten und kulturelle Vielfalt
dieser autonomen kantonalen Gesundheitspolitiken sind
Ein Hemmschuh der interkantonalen Zusammenarbeit ist
offensichtlich: Jeder Kanton besitzt sein eigenes Kantons-
die mit 26 Kantonen hohe Anzahl von Gliedstaaten, die
spital, entwirft mit wenigen Ausnahmen im Alleingang
sich in Grösse, in ihrem wirtschaftlichen und finanziellen
sein Alters- und Gesundheitsleitbild, konzipiert Spital-
Potential, aber auch in ihren Gesetzessammlungen und
und Psychiatrieplanungen, schreibt seinen kantonalen
Verwaltungsstrukturen deutlich voneinander unterschei-
Gesundheitsbericht oder entwickelt eigene Konzepte für
den. Erschwerend auf die interkantonale Zusammenarbeit
eine qualitative und quantitative Gesundheitsversorgung.
wirken ausserdem die kulturelle Vielfalt der Schweiz, die
Zwar haben sich mit den regionalen Gesundheitsdirek-
sich nicht nur in den verschiedenen Sprachregionen mani-
torenkonferenzen eindeutig identifizierbare regionale
festiert, sondern auch innerhalb einer Sprachregion wie in
Räume herausgebildet. Jedoch verhandeln die Kantone
der Deutschschweiz. Der kooperative Föderalismus wird
einer Region auch mit Kantonen aus anderen Regionen
auf eine harte Probe gestellt, wenn es darum geht, dass
über den Einkauf von Leistungen, wenn dies ihren wirt-
eine Mehrheit der politisch und kulturell eigenständigen
schaftlichen Interessen besser entspricht (sogenannte va-
Einheiten, jede mit einem Vetorecht ausgestattet, einem
riable Geometrie oder funktioneller Föderalismus). Diese
Projekt wie zum Beispiel die Koordination der Spitzen-
wechselnden Allianzen zahlen sich wirtschaftlich aus. Sie
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5
117
Referenzrahmen
Teil
I
Zusammenarbeit
Teil
II
Perspektiven
Teil
III
erschweren aber nicht nur die Entstehung identitätsbil-
bar und komplex. Einfache Lösungen für das in hohem
dender Regionen, sondern auch die Entwicklung regional-
Masse dezentrale Gesundheitssystem scheint es nicht ge-
politischer Perspektiven im Sektor Gesundheit unter den
ben zu können. Andererseits kann man sagen, dass dank
Regierungsverantwortlichen der Kantone.
dem dichten Netz von Vereinbarungen, Zusammenarbeitsgremien und interkantonalen Projektorganisationen die
Rechtsstaatliche Grenzen
Kantone bisher die Grundversorgung der Bevölkerung im
Der Politikformulierung als Folge von verbindlichen Ver-
Bereich Gesundheit sicherstellen und gesamtschweize-
einbarungen zwischen kantonalen Regierungen («inter-
risch ein hohes Mass an Versorgungsgerechtigkeit garan-
kantonaler Exekutivföderalismus») sind in der Schweiz
tieren konnten. Wenn man die interkantonalen Konkorda-
wie auch in anderen föderalen Staaten rechtsstaatliche
te und Konferenzen in diesem Licht betrachtet, erscheint
Grenzen gesetzt.
die Fragmentierung des schweizerischen Gesundheitssy-
Kantonale Parlamente, die den berechtigten Anspruch
stems in 27 Gesundheitspolitiken eher als Synonym für
geltend machen, Politik auf regionaler und nationaler
Vielfalt, Reichtum und Qualität denn als Last.
Ebene mitzubestimmen, beurteilen regionales bzw. natio-
Die interkantonale Zusammenarbeit bewegt sich heute
nales Denken und Handeln skeptisch und befürchten eine
in einem Spannungsfeld, in dem auf der einen Seite die
Verwässerung demokratischer Entscheidprozesse. Aus ih-
kantonale Verantwortung für die Sicherstellung einer op-
rer Optik sind die zahlreichen interkantonalen Konkorda-
timalen Gesundheitsversorgung unter Wahrung der kan-
te, die Regierungsmitglieder untereinander aushandeln,
tonalen Souveränität steht, und auf der anderen Seite
schwerfällig, demokratiepolitisch fragwürdig, intranspa-
der Druck nach konzertierten gesundheitspolitischen Ak­
rent und politisch kaum kontrollierbar. Ihre Skepsis fusst
tionen steigt. Liegen Lösungsansätze in der Abschaffung
auf der Tatsache, dass kantonale Parlamente interkanto-
der Kantone, in der Bildung von funktionalen Grossregi-
nale Vereinbarungen nur entweder annehmen oder ableh-
onen (regionale Gesundheitszentren), in der Entwicklung
nen können.
einer interkantonalen Souveränität auf regionaler und/
Diese rechtsstaatlichen Grenzen dürften dafür verant-
oder schweizerischen Ebene, in der Zentralisierung von
wortlich sein, dass der Politisierungsgrad der interkanto-
bisher kantonalen Gesundheitskompetenzen auf Bundes-
nalen Gremien gering ist. Die kantonale Souveränität lässt
ebene, in der Formulierung nationaler Gesundheitsziele
die Delegation von Kompetenzen an eine nächst höhere
mit entsprechenden nationalen Strategien? Nachfolgend
Ebene nicht zu und schränkt damit den Handlungsspiel-
werden einige Ansätze beschrieben, die die Kantone ih-
raum der interkantonalen Gremien ein. Interkantonale
rerseits anzubieten haben.
Regierungskonferenzen – im Sektor Gesundheit sind dies
Schweizerische Konferenz der kantonalen Gesundheitsdi-
Neue Ansätze in der interkantonalen
­Zusammenarbeit
rektorinnen und -direktoren (GDK) – beruhen deshalb auf
Die Annahme der Vorlage «Neuregelung des Finanzaus-
Freiwilligkeit und arbeiten ohne Entscheidkompetenzen.
gleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kan-
Dies wirkt sich auf die Art der Zusammenarbeitsprojekte
tonen» (NFA) durch das Stimmvolk Ende 2004 könnte der
aus, die mehrheitlich vollzugsorientiert sind. Die gestal-
interkantonalen Zusammenarbeit weitere Impulse verlei-
tenden und planenden Staatstätigkeiten bleiben dem je-
hen und sie stärker als bisher überregional und national
weiligen kantonalen Parlament und der kantonalen Re-
ausrichten.
die regionalen Gesundheitsdirektorenkonferenzen und die
gierung vorbehalten. Solche Aufgaben interkantonalen
Gremien zu übertragen, würde einen gewissen Souverä-
Gemeinsame gesundheitspolitische Perspektiven
nitätsverlust und eine Schwächung der kantonalen Parla-
Im Zuge der langen Tradition der Zusammenarbeit unter
mente nach sich ziehen.
den Kantonen sind in den letzten Jahren Ansätze erkennbar, die in Richtung gemeinsame gesundheitspolitische
Würdigung
Perspektiven in einzelnen Bereichen weisen. Nachfolgend
Ohne Zweifel präsentiert sich die interkantonale Zusam-
werden einige Beispiele aufgelistet:
menarbeit in ihren vielfältigen Formen und ihrem undurch-
■
sichtigen Netz von Vereinbarungen als schwer überblick118
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5
Die Gesundheitsdirektorenkonferenz der Ostschweizer
Kantone und des Fürstentums Liechtenstein führen das
Westschweiz die «Interkantonale Vereinbarung über die
tierte Bedarfsplanung im Bereich der medizinischen
Aushandlung, Ausführung und Abänderung der interkan-
Rehabilitation durch (seit 2002).
tonalen Verträge und Vereinbarungen der Kantone mit
Die Gesundheits- und Sozialdirektorenkonferenz der
dem Ausland» ausgearbeitet (2000). Alle Westschweizer
Westschweiz und des Tessin gibt eine Studie zur Ein-
Kantone (FR, GE, JU, NE, VD, VS) haben diese Vereinba-
richtung einer nationalen Einheitskrankenkasse in
rung ratifiziert. Die Mitwirkung der Kantone erfolgt gemä-
Auftrag, setzt Akzente in der Harmonisierung der kan-
ss dieser Vereinbarung über eine interparlamentarische
tonalen Gesundheitsgesetze der Westschweiz und lan-
Kommission, die sich aus je 7 Vertretern pro betroffenen
ciert als Region eine Reihe von Projekten der Gesund-
Kanton zusammensetzt.
Teil
II
Zusammenarbeit
■
Projekt Interkantonale KVG-konforme, leistungsorien-
Referenzrahmen
Teil
I
heitsförderung und Prävention.
■
Die Zentralschweizer Regierungskonferenz hat ihre
Transparenz durch Dokumentation
Infrastruktur im Jahr 2000 verstärkt mit dem Ziel, ge-
Die Zentralschweizer Regierungskonferenz begegnet dem
meinsame Vorstellungen zu entwickeln, wie die Zen-
Vorwurf des Demokratiedefizits mit Transparenz. Sie ist
tralschweiz in zwanzig bis dreissig Jahren aussehen
dazu übergegangen, im Internet all ihre Geschäfte zu pu-
könnte.
blizieren, eine Vertragssammlung bereit zu halten und
Erfolgsversprechend scheint der in den letzten Jahren
über aktuelle Projekte zu informieren. Das Sekretariat der
zu beobachtende Ansatz der Kantone zu sein, über die
Zentralschweizer Regierungskonferenz führt zudem eine
Schweizerische Konferenz der kantonalen Gesund-
regelmässig aktualisierte Liste der Zusammenarbeitspro-
heitsdirektorinnen und -direktoren mit konsolidierten
jekte in der Zentralschweiz sowie eine Liste möglicher Zu-
Haltungen einer Lösung auf nationaler Ebene näher
sammenarbeitsfelder.
Teil
III
Perspektiven
■
zu kommen. Aktuelle Beispiele finden sich hier in der
Langzeitpflege und in der Spitalfinanzierung (siehe
hierzu Kapitel 6).
Multisektoraler und ganzheitlicher Ansatz
in der Gesundheitspolitik
Eine Herausforderung, der sich das Gesundheitssystem
Arbeiten an einer «interkantonalen Souveränität»
Schweiz stellen muss, ist, ein Gegengewicht und eine
Die interkantonale Zusammenarbeit basierte bis jetzt auf
Ergänzung zur Dominanz der kurativen Medizin und zur
den Prinzipien der Souveränität der Kantone und der Frei-
Ungleichheit der Verteilung von Gesundheitschancen an-
willigkeit. Wie bereits dargelegt wurde, bekunden die kan-
zubieten. Ein möglicher Weg hierzu bietet das multisekto-
tonalen Parlamente daher Mühe mit interkantonalen Gre-
rale und ganzheitliche Verständnis von Gesundheit. Hier-
mien, die verbindliche Entscheide treffen. Die Diskussion
zu liegen einige Ansätze in den Kantonen vor (siehe Band
über mögliche Demokratiedefizite hat sich mit der Annah-
2, Kantonale Gesundheitspolitiken: 9 Porträts):
me der «Neuregelung des Finanzausgleichs und der Auf-
■
gabenteilung zwischen Bund und Kantonen» (NFA) durch
das Stimmvolk Ende 2004 noch akzentuiert: Mit der NFA
Idee und Projekte auf dem Gebiet «Health Impact Assessment»
■
Stärkung der Gesundheitsförderung und Prävention
können die Kantone zur regionalen und schweizerischen
in der Westschweiz durch das Einrichten der Inter-
Zusammenarbeit in ausgewählten Gesundheitsbereichen
kantonalen Fachstelle für Gesundheitsförderung und
verpflichtet werden (siehe hierzu auch Kapitel 6.5). Noch
Prävention (DiPPS) und deren Einbettung in die West-
offen ist zudem, wie sich die Umsetzung der NFA auf die
schweizer Gesundheits- und Sozialdirektorenkonferenz
Tätigkeiten der Schweizerischen Konferenz der kanto-
(CRASS)
nalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren (GDK)
■
auswirken wird.
Die Erweiterung der Gesundheitsdirektorenkonferenzen der Zentral- und der Westschweiz um den Sektor Soziales
Einbezug der kantonalen Parlamente
■
Die regionalen Regierungskonferenzen als mögliche
■
Die Massnahmen einiger Kantone zur Stärkung der Ge-
Um die kantonalen Parlamente in die Ausgestaltung interkantonaler Vereinbarungen von Anfang an einzubeziehen, hat die Westschweizer Regierungskonferenz in
Träger multisektoraler Gesundheitsthemen
sundheitskompetenzen ihrer Bevölkerung
Zusammenarbeit mit den kantonalen Parlamenten der
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5
119
Referenzrahmen
Teil
I
■
Zusammenarbeit
Teil
II
5.8 Potential für eine nationale
­Gesundheitspolitik
einer regionalen Bedarfsplanung im Bereich Rehabili-
Welche Schlüsse können aus den Erfahrungen in der inter-
derung und Prävention.
tation in der Ostschweiz oder in Form des Zusammenwirkens von CRASS und DiPPS in der Gesundheitsför-
kantonalen Zusammenarbeit für die Ausgestaltung einer
nationalen Gesundheitspolitik, bzw. für die Zusammenar-
Eine Kultur der Kollegialität und Partnerschaft an sich
beit zwischen Bund und Kantonen im Sektor Gesundheit
ist kein Garant für die konfliktfreie Zusammenarbeit zwi-
gezogen werden? Drei Aspekte sind von besonderer Re-
schen Kantonen. Auch die Zusammenarbeit zwischen
levanz:
Bund und Kantonen im Rahmen einer zukünftigen natio-
■
Vertrauensbildung durch regelmässigen Dialog
nalen Gesundheitspolitik wird immer wieder in die Span-
■
Instrumente der Koordination und des Wissensma-
nungsfelder von Zentralisierung und Dezentralisierung,
nagements
von geteilter Verantwortung und Eigenverantwortung,
Die GDK als privilegierter Gesprächspartner des Bundes
von Einheit und Vielfalt geraten. Doch bleibt die struk-
■
Teil
III
Gemeinsame Politikformulierung zum Beispiel in Form
turierte Zusammenarbeit der Kantone ein wichtiger Bau-
Vertrauensbildung durch regelmässigen Dialog
stein für die nationale Gesundheitspolitik, da dank dieser
Bemerkenswert ist, mit welcher Regelmässigkeit und
bilaterale, regionale und gesamtschweizerische Lösungen
Selbstverständlichkeit kantonale Regierungen seit rund
möglich sind.
Perspektiven
100 Jahren zusammenarbeiten. Das eigentliche Poten­tial
gierungsgremien für eine nationale Gesundheitspolitik
Instrumente der Koordination und des Wissens­
managements
dürfte darin liegen, im kontinuierlichen und systema-
Mit den nachfolgenden Arbeitsinstrumenten wurden Wis-
tischen Dialog gemeinsame Interessen zu identifizieren,
senstransfer und Konsensfindung im Rahmen der inter-
sich auf ausgewählte Projekte zu einigen und pragma-
kantonalen Zusammenarbeit im Laufe der Zeit professi-
tische Lösungen zu suchen in einem Umfeld, das durch
onalisiert, dies vor allem im Rahmen der strukturierten
souveräne Partner geprägt ist.
interkantonalen Zusammenarbeit. Diese Instrumente gel-
Diese Beständigkeit im Austausch von Wissen, Erfah-
ten auch für eine nationale Gesundheitspolitik:
rungen und Erwartungen, wie sie die Kantone im Rah-
■
der regionalen und schweizerischen interkantonalen Re-
Zentralschweizer Regierungskonferenz, Gesundheits-
schweizerischer Ebene praktizieren, fördert die Vertrau-
und Sozialdirektorenkonferenz der Westschweiz und
ensbildung, was wiederum die Kooperationsbereitschaft
des Tessin)
erhöht. Auf schweizerischer Ebene hat insbesondere die
■
Instrumente der Dokumentation und des Wissensma-
Schweizerische Konferenz der kantonalen Gesundheitsdi-
nagements: Liste der Zusammenarbeitsprojekte sowie
rektorinnen und -direktoren (GDK) wesentlich zur Ver-
Liste möglicher gemeinsamer Handlungsfelder auf
trauensbildung unter den Kantonen beigetragen.
Internet: zum Beispiel die Instrumente der Zentral-
Vertrauensbildung zwischen den kantonalen Regierungsmitgliedern umfasst unter anderem folgende Prozesse,
schweizer Regierungskonferenz
■
Erarbeitung von Hilfsmitteln, die einen klaren und
die auch auf nationaler Ebene ihre Anwendung finden
straffen Ablauf der Prozessgenerierung, der Machbar-
könnten:
keitsprüfung und der Beschlussfassung für Projekte in
■
Strukturierter Austausch und regelmässige Weitergabe
einem intergouvernementalen Modus vorsehen (z. B.
von Wissen und Erfahrungen
die Richtlinie zur Durchführung von Zusammenar-
Identifikation von Divergenzen sowie von gemeinsamen
beitsprojekten in der Zentralschweiz, 2003); Klärung
Interessen und Themen
von Schnittstellen zwischen den bestehenden Konfe-
■
■
■
Priorisierung von Themen und Suche nach gemein-
renzen (z. B. Rahmenordnung über die Arbeitsweise
samen Lösungen
der KdK und der Direktorenkonferenz bezüglich der
«Mit einer Stimme sprechen»: konsolidierte Stellung-
Kooperation von Bund und Kantonen, 2001).
nahmen der Kantone gegenüber dem Bund
120
Interkantonales Budget und eigenes Sekretariat (z. B.
men ihrer interkantonalen Gremien auf regionaler und
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5
sprächspartner des Bundes werden. Ihre für eine natio-
■
Realisierung von regionalen Projekten mit einem guten
nale Gesundheitspolitik besonders relevante Fähigkeit
Kosten-Nutzen-Verhältnis (z. B. santé 50+; Mammogra-
– die Erarbeitung konsolidierter Haltungen der Kantone
■
■
■
phiescreening)
in ausgewählten Bereichen – prädestiniert sie für diese
Koordination der Aktivitäten auf regionaler Ebene, ins-
Rolle. In letzter Zeit hat die GDK hier Unterstützung von
besondere auch was die Zusammenarbeit der einzelnen
der Konferenz der Kantonsregierungen erhalten, was das
Verwaltungszweige und die Einbindung der Aktivitäten
Gewicht der Kantone als Gesprächspartner des Bundes
kommunaler und privater Organisationen zum Nutzen
erhöhen und gleichzeitig dem Bund Verhandlungen mit
des Konferenzgebietes betrifft
den Kantonen dank einer klar formulierten Ausgangspo-
Koordination der Aktivitäten auf schweizerischer oder
sition erleichtern dürfte.
nationaler Ebene: z. B. Gesundheitsberufe, koordinierte
Die Neuregelung des Finanzausgleichs und der Aufgaben-
Vorschläge zur Spitalfinanzierung
teilung zwischen Bund und Kantonen (NFA) hat zudem
Harmonisierung zum Beispiel der kantonalen Gesund-
die Rechtsgrundlage dafür geschaffen, dass interkanto-
heitsgesetze in der Westschweiz (jeweils ein Abschnitt
nale Gremien wie die GDK eines ist, in bestimmten Be-
zu Prävention und Gesundheitsförderung und zu den
reichen (unter anderem Universitäten, Fachhochschulen,
Patientenrechten)
Spitzenmedizin, Spezialkliniken) suprakantonale Funktio­
nen wahrnehmen können.67
Teil
II
Zusammenarbeit
Erhoffte bzw. erzielte Wirkung
Referenzrahmen
Teil
I
Teil
III
sporadischen und punktuellen Zusammenarbeit zwischen
Abschliessende Bemerkung
Kantonen, wo ein grosses Innovationspotential auszu-
Dank den strukturierten Formen der Zusammenarbeit
machen ist. Diese Projekte haben oft nur einen geringen
auf regionaler und schweizerischer Ebene, den bi- und
Bekanntheitsgrad, sowohl unter den Kantonen als auch
multilateralen Vereinbarungen, den gemeinsamen Projek-
auf eidgenössischer Ebene. Einige Projekte wie die Ver-
torganisationen und den Instrumenten der Koordination
sichertenkarte oder Health Impact Assessment, könnten
und des Wissensmanagements haben die Kantone ihrem
bei entsprechender Dokumentation frühzeitiger für den
gemeinsamen Handeln eine gewisse Verbindlichkeit ver-
gesundheitspolitischen Prozess auf nationaler Ebene
leihen können. Auch wiegt auf diesem Hintergrund die
nutzbar gemacht werden.
Vielzahl der kantonalen Gesundheitspolitiken und die da-
Perspektiven
Handlungsbedarf besteht noch bei der Dokumentation der
mit verbundene Gefahr der Fragmentierung der Politiken
Die GDK als privilegierter Gesprächspartner
des Bundes
und der Gesundheitssysteme weniger schwer.
Die Schweizerische Konferenz der kantonalen Gesund-
sich in einer ersten Phase ihrer Entwicklung an den oben
heitsdirektorinnen und -direktoren (GDK) hat sich in
vorgestellten interkantonalen Entscheidprozessen und
den 85 Jahren ihres Bestehens zu einem zentralen Ge-
Instrumenten der Koordination und des Wissensmanage-
sprächsforum der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen
ments orientieren, um politische Verbindlichkeit über
und -direktoren entwickelt. Jahrzehntelang auf die inter-
vertrauensbildende Massnahmen wie den Ständigen Dia-
kantonale Koordination ausgerichtet, hat sich die GDK in
log zwischen Bund und Kantonen zur Nationalen Gesund-
jüngster Zeit nach aussen geöffnet und ihre Lobbyarbeit
heitspolitik zu erreichen. Ein weiterer Schritt in Richtung
in den parlamentarischen Kommissionen verstärkt. Auch
eines kooperativen Föderalismus in der Schweiz wäre da-
die Ende 2003 unterzeichnete Vereinbarung zwischen
mit vollzogen.
Eine nationale Gesundheitspolitik für die Schweiz könnte
Bund und Kantonen zur nationalen Gesundheitspolitik ist
Ausdruck des Willens der Kantone, gesundheitspolitisch
auf nationaler Ebene aktiver zu werden und im Dialog mit
dem Bund auf exekutiver Ebene zu einer kohärenteren
Gesundheitspolitik beizutragen. Damit ist im Sinne eines
ersten Schritts die Türe hin zu einer gemeinsamem Politikformulierung durch Bund und Kantone geöffnet. Die
GDK könnte in diesem Prozess zum privilegierten Ge-
67 Suprakantonal bedeutet analog zum Begriff supranational eine Verlagerung von Kompetenzen von der kantonalen Ebene auf eine höher
stehende Ebene. Zwar liesse sich die Interkantonale Vereinbarung über
die Anerkennung von Ausbildungsabschlüssen vom 18. Februar 1993
auch als suprakantonale Vereinbarung charakterisieren, diese Art interkantonaler Vereinbarung stellte bis jetzt aber eine Ausnahme dar.
Siehe hierzu auch Kapitel 6.4: «Neue Ansätze in der Zusammenarbeit
zwischen Bund und Kantonen».
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5
121
Referenzrahmen
Teil
I
Anhang
Interkantonale Vereinbarungen im Sektor Gesundheit
Auswahl* (in chronologischer Reihenfolge, ohne das Fürstentum Liechtenstein)
Zusammenarbeit
Teil
II
Perspektiven
Teil
III
Von allen Kantonen ratifizierte Vereinbarungen
Vereinbarung
Beteiligte Kantone
Anzahl Kantone
Schweizerisches Toxikologisches Informationszentrum, gegründet 1969: Die
Kantonsbeiträge an die Stiftung werden durch die Schweizerische Konferenz
der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren festgelegt.
Alle Kantone
26
Interkantonale Vereinbarung über die Kontrolle der Heilmittel
Convention intercantonale sur le contrôle des médicaments:
Seit 1900 vier Totalrevisionen. 2002 wurde die Vereinbarung vom Bundesgesetz über Arzneimittel und Medizinprodukte abgelöst.
Alle Kantone
26
1900–2002
Verwaltungsvereinbarung über die Unterstützung der Tollwutzentrale an der
Universität Bern
Alle Kantone
26
1991
Interkantonale Universitätsvereinbarung
Alle Kantone
Interkantonales Konkordat über universitäre Koordination
Concordat intercantonal de coordination universitaire
Universitäts­kantone
BE, BS, GE, VD, ZH
5
1999
Interkantonale Fachhochschulvereinbarung (FHV) für die Jahre 1999–2005
Accord intercantonal sur les hautes écoles spécialisées (AHES) 1999–2005
Alle Kantone
26
1999
Interkantonale Fachhochschulvereinbarung (FHV) ab 2005
Accord intercantonal sur les hautes écoles spécialisées (AHES) à partir de
2005
Alle Kantone
25, Ratifizierung
durch NE gilt als
sicher
2005
In der Phase der Ratifizierung
Interkantonale Vereinbarung über die Koordination und Konzentration der
hochspezialisierten Medizin – von der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren anlässlich der Plenarversammlung im November 2004 verabschiedet
Convention intercantonale relative à la coordination et à la concentration de
la médecine hautement spécialisée (CICCM)
Interkantonale Vereinbarung über die Aufsicht sowie die Bewilligung und
Ertragsverwendung von interkantonal oder gesamtschweizerisch durchgeführten Lotterien und Wetten vom 7. Januar 2005 zur Ratifizierung in den
Kantonen verabschiedet (u. a. Stärkung der Suchtbekämpfung und -prävention)
Alle Kantone
Datum**
1997
Zustandekommen
unsicher
Interkantonale Vereinbarungen Westschweiz
122
Vereinbarung
Beteiligte Kantone
Anzahl Kantone
Datum**
Convention pour l’utilisation du Laboratoire cantonal neuchâtelois
JU, NE
2
1980
Vertrag zwischen dem Kanton BE, vertreten durch den RR, und der Republik
und dem Kanton JU, vertreten durch die Regierung, betr. die Abgeltung von
Leistungen der Spitäler an Einwohner des Nachbarkantons
Convention avec le canton de BE portant, dans le domaine hospitalier, sur
l’indemnisation de prestations scolaires aux habitants du canton voisin
BE, JU
2
1981
Convention intercantonale de lutte contre les dégâts causés par les hydrocarbures
BE, FR, NE, VD
4
1982
Convention intercantonale relative aux tarifs hospitaliers applicables aux
patients hors canton
FR, GE, JU, NE,
VD, VS
6
1991
Convention intercantonale relative à la collaboration hospitalière entre le
Canton de BE et la République et Canton du JU
BE, JU
2
1993
Convention intercantonale JU-NE relative à l’hospitalisation de patients
franc-montagnards à l’Hôpital de La Chaux-de-Fonds
JU, NE
2
1996
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5
Referenzrahmen
Teil
I
3
1996
Convention pour l’hôpital du Chablais (HDC) et la libre circulation des patients valaisans et vaudois
Vereinbarung betreffend das Spital des Chablais (HDC) und die volle Freizügigkeit in der stationären Versorgung für die Einwohnerinnen und Einwohner der Kantone Waadt und Wallis
VD, VS
2
1997
Convention entre les cantons de FR et de VD relative à l’Hôpital intercantonal de la Broye à Estavayer-le-Lac et Payerne (hôpital sur deux sites)
FR, VD
2
1998
Protocole d’accord Vaud-Genève de libre circulation (hospitalisation hors
canton Vaud-Genève)
Übereinkommen der Kantone Waadt und Genf über den freien Personenverkehr (ausserkantonale Hospitalisierung)
GE, VD
2
1999
Convention associant les parlements à la négociation des conventions intercantonales et des traités des cantons avec l’étranger
Interkantonale Vereinbarung über die Aushandlung, Ausführung und Abänderung der interkantonalen Verträge und Vereinbarungen der Kantone mit
dem Ausland
FR, GE, JU, NE,
VS, VD
6
2000
Convention intercantonale d’hospitalisation hors canton
Interkantonale Vereinbarung über ausserkantonale Spitalaufenthalte
FR, GE, JU, NE, TI,
VS, VD
7
2002
Accord sur le réseau romand hospitalo-universitaire de la transplantation
Übereinkunft betreffend das Netzwerk Transplantation der Universitätsspitäler der Westschweiz
GE, VD
2
2004
Vereinbarung
Beteiligte Kantone
Anzahl Kantone
Datum**
Vertrag zwischen der Sanitätsdirektion des Kantons BL und dem Erziehungsdepartement des Kantons BS betr. Überlassung von Leichen an die normalanatomische Anstalt der Universität Basel
BL, BS
2
1948
Vereinbarung der nordwestschweizerischen Kantone über die regionale
Durchführung von Inspektionen in Betrieben und Unternehmen, die Arzneimittel herstellen oder mit solchen Grosshandel betreiben
AG, BE, BL, BS, SO
5
1973
Interimistische Vereinbarung zwischen den Kantonen AG und BL betr. die
Hospitalisierung von Patienten
AG, BL
2
1974
Vereinbarung zwischen dem Sanitätsdepartement des Kantons BS und der
Sanitätsdirektion des Kantons BL über die Schlachtung seuchenkranker und
seuchenverdächtiger Tiere im Schlachthof Basel
BL, BS
2
1974
Vertrag über die Kremation von Leichen aus dem Kanton Basel-Landschaft
und die Abdankung im Krematorium der Stadt Basel
BL, BS
2
1975
Vertrag betr. die Kremation von Leichen aus dem Kanton AG im Krematorium der Stadt Basel zwischen dem Kanton BS und dem Kanton AG
AG, BS
2
1975
Vereinbarung zwischen dem Sanitätsdepartement des Kantons BS und der
Sanitätsdirektion des Kantons BL über die gemeinsame Bestellung der Fachkommission Psychologen
BL, BS
2
1975
Vertrag mit dem Kanton SO und dem Kanton BE über die Abgeltung von
Spitalleistungen
BE, SO
2
1977
Vereinbarung zwischen dem Kanton BL und dem Kanton BS über die gegenseitige Benützung von Einrichtungen des koordinierten Sanitätsdienstes
BL, BS
2
1978
Teil
II
Zusammenarbeit
FR, JU, NE
Teil
III
Perspektiven
Comité intercantonal d’éthique des Cantons de Fribourg, Jura et Neuchâtel
Interkantonale Vereinbarungen Nordwestschweiz
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5
123
Referenzrahmen
Teil
I
Interkantonale Vereinbarungen im Sektor Gesundheit (Fortsetzung)
Zusammenarbeit
Teil
II
Perspektiven
Teil
III
Vertrag zwischen den Kantonen SO, BS, BE, BL, und AG über den Betrieb
eines gemeinsamen Sanitätsnotrufes in der Telefonnetzgruppe 061 unter der
Telefonnummer 144
AG, BE, BL, BS, SO
5
1979
Vereinbarung zwischen dem Kanton BE und dem Kanton BL betr. Finanzierung der Aus- und Weiterbildung für nichtärztliche Berufe des Gesundheitswesens
BE, BL
2
1990
Vereinbarung zwischen dem Kanton BL und dem Kanton AG betr. Finanzierung der Aus- und Weiterbildung für nichtärztliche Berufe des Gesundheitswesens
AG, BL
2
1991
Vereinbarung über die Aufnahme von Patientinnen und Patienten aus dem
Kanton BL in die Chrischonaklinik (Vereinbarung Chrischonaklinik)
BL, BS
2
1992
Vereinbarung zwischen dem Kanton BL und den privaten Trägern von
­Schulen im Kanton BS für nichtärztliche Berufe des Gesundheitswesens
BL, BS
2
1992
Convention intercantonale relative à la collaboration hospitalière entre le
Canton de BE et la République et Canton du JU
BE, JU
2
1993
Vereinbarung zwischen dem Kanton BL und dem Kanton BS betr. Finanzierung der Aus- und Weiterbildung für nichtärztliche Berufe des Gesundheitswesens
BL, BS
2
1993
Vertrag über die Abgeltung von zentrumsmedizinischen Spitalleistungen
­sowie der klinischen Lehre und Forschung des Kantons BS durch den
­Kanton BL (Spitalabkommen BS/BL)
BL, BS
2
1993
1994
Vertrag zwischen den Kantonen BL und BS über die Hospitalisation von
Patientinnen und Patienten in der Universitäts-Augenklinik Basel bzw. in der
Augenabteilung des Kantonsspitals Liestal (Augenspitalvertrag)
BL, BS
2
1996
Spitalabkommen zwischen dem Kanton Aargau und dem Kanton Basel-Stadt
und dem Kanton Aargau und dem Inselspital Bern zur Sicherstellung der
medizinischen Versorgung für allgemeinversicherte Aargauer Patientinnen
und Patienten
AG, BS, BE
3
1996
Abkommen über die Kostenabgeltung für die gegenseitige Behandlung
von Patientinnen und Patienten zwischen den Kantonen BL und SO (Spitalabkommen BL/SO)
BL, SO
2
1997
Vereinbarung beider Basel über die Statistiken im Bereich des Gesundheitswesens
BL, BS
2
1997
Spitalabkommen zwischen dem Kanton Aargau und dem Kanton Zug über
die Zusammenarbeit im Bereich der Neurochirurgie und die Abgeltung der
Leistungen
AG, ZG
2
1998
Vertrag zwischen den Kantonen BS und BL über das Universitäts-Kinder­
BL, BS
2
1998
Vereinbarung über Dienstleistungen der Sanität Basel auf dem Gebiet des
Kantons BL (Vereinbarung Sanitätsdienst)
BL, BS
2
2001
Vereinbarung der nordwestschweizerischen Kantone über die Führung eines
regionalen Heilmittelinspektorates
AG, BE, BL, BS,
LU, SO
6
2003
Vereinbarung
Beteiligte Kantone
Anzahl Kantone
Datum**
Vereinbarung über die Aufnahme von Patienten aus dem FL in den st. gallischen Heil- und Pflegeanstalten St. Pirminsberg und Wil
SG
1
1965
Vertrag zwischen den Kantonen AI und AR über die Aufnahme psychisch
Kranker aus dem Kanton AI in die Kantonale Psychiatrische Klinik in Herisau
AI, AR
2
1976
spital beider Basel (Kinderspitalvertrag)
Interkantonale Vereinbarungen Ostschweiz
124
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5
2
1976
Vereinbarung über die Aufnahme von Patienten aus dem FL im Kantons­
SG
1
1977
Vereinbarung über das Rehabilitationszentrum für Drogenabhängige Lutzenberg (Drogenheim)
AI, AR, GL, GR, SG,
SH, TG,
7
1981
Vereinbarung über die Zusammenarbeit im Spitalbereich und die Abgeltung
von Spitalleistungen (Ostschweizer Krankenhausvereinbarung)
AI, AR, GL, GR, SG,
SH, TG, ZH
8
1995
Vereinbarung über eine gemeinsame Lebensmittelkontrolle der Kantone AR,
AI, GL und SH
AI, AR, GL, SH
4
1997
Gegenrechtserklärung gegenüber dem Kanton SH über die Anerkennung
von Naturheilpraktikern
SH, SG
2
1997
Gegenrechtserklärung gegenüber dem Kanton TG über die Anerkennung
von Naturheilpraktikern
SG, TG
2
1997
Gegenrechtserklärung gegenüber dem Kanton GR über die Anerkennung
von Naturheilpraktikern
GR, SG
2
1997
Gegenrechtserklärung gegenüber dem Kanton GR über die Anerkennung
von Naturheilpraktikerprüfungen
GR, TG
2
2000
Gegenrechtserklärung gegenüber dem Kanton SG über die Anerkennung
von Naturheilpraktikerprüfungen
SG, TG
2
2000
Spitalabkommen zwischen den Kantonen ZH und SH
SH, ZH
2
2002
Verwaltungsvereinbarung zwischen den Kantonen ZH, vertreten durch die
Gesundheitsdirektion, und SH, vertreten durch den RR, betr. Übernahme der
ethisch-medizinischen Begutachtungen klinischer Versuche mit Heilmitteln
und anderer biomedizinischer Versuche
SH, ZH
2
2002
Vereinbarung
Beteiligte Kantone
Anzahl Kantone
Datum**
Konkordat der Kantone UR, SZ und ZG betr. die Psychiatrische Klinik Oberwil-Zug (Psychiatriekonkordat)
UR, SZ, ZG
3
1982
Konkordat zwischen den Kantonen LU, SZ und ZG über den Betrieb einer
Schule für praktische Krankenpflege am Spital und Pflegezentrum Baar
LU, NW, OW, SZ, ZG
5
1982
Vereinbarung über die Aufnahme von Psychischkranken aus dem Kanton
Obwalden in die Psychiatrische Klinik Oberwil
NW, OW
2
1991
Vereinbarung über die Aufnahme und Behandlung von Patienten aus dem
Kanton OW im Kinder- und Jugendpsychiatrischen Dienst des Kantons LU
(identische Verträge auch mit Uri, Nidwalden und Zug)
LU, NW, OW, UR,
ZG
5
1992
Vereinbarung über die Aufnahme und Behandlung von Patientinnen und
Patienten aus dem Kanton NW in der psychiatrischen Abteilung am Kantonsspital OW
NW, OW
2
1993
Vereinbarung betreffend die Führung einer Beratungsstelle für Heilpädagogische Früherziehung für die Kantone Obwalden und Nidwalden
NW, OW
2
1994
Spitalabkommen zwischen dem Kanton LU vertreten durch das Gesundheitsund Sozialdepartement und dem Kanton NW vertreten durch die Gesundheitsdirektion betr. die Kostenregelung für die Behandlung von Patientinnen
und Patienten mit zivilrechtlichem Wohnsitz im Kanton NW, die im Kantonsspital LU (inkl. Kinderspital) Zentrumsleistungen beanspruchen
LU, NW
2
1996
spital SG und in den kantonalen Spitälern Grabs und Walenstadt
Teil
II
Zusammenarbeit
AR, GL
Teil
III
Perspektiven
Vertrag zwischen den Kantonen GL und AR über die Aufnahme psychisch
Kranker aus dem Kanton GL in die Kantonale Psychiatrische Klinik
in Herisau
Referenzrahmen
Teil
I
Interkantonale Vereinbarungen Zentralschweiz
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5
125
Referenzrahmen
Teil
I
Interkantonale Vereinbarungen im Sektor Gesundheit (Fortsetzung)
Zusammenarbeit
Teil
II
Perspektiven
Teil
III
Spitalabkommen zwischen dem Kanton OW und dem Kanton NW betr. die
Behandlung von Engelberger Patientinnen und Patienten auf der Allgemeinen Abteilung im Kantonsspital NW (Spitalabkommen Engelberg)
NW, OW
2
1996
Verwaltungsvereinbarung zwischen dem Kanton LU und (je) den Kantonen
UR,SZ, OW, NW und ZG betreffend Aufträge an die Ethik-Kommission des
Kanton Luzern für die Beurteilung von klinischen Versuchen mit Heilmitteln
LU, NW, OW, SZ,
UR, ZG
6
1996
Vertrag über die Durchführung der amtlichen Erhebungen des Bundes der
Statistik der stationären Betriebe des Gesundheitswesens zwischen dem
Kanton Luzern (Amt für Statistik) und (je) den Kantonen Uri, Schwyz,
Obwalden, Nidwalden und Zug
LU, NW, OW, SZ,
UR, ZG
6
1997
Verwaltungsvereinbarung über die Unterstützung der Tollwutzentrale an der
Universität Bern
NW, OW, UR
3
1998
Verwaltungsvereinbarung über die Zusammenarbeit der Kantonsspitäler von
Uri, Obwalden und Nidwalden
NW, OW, UR
3
1998
Verwaltungsvereinbarungen zwischen dem Kanton Schwyz und den Kantonen Uri, Ob- und Nidwalden für die Heilmittelkontrolle durch die Kantonsapothekerin des Kantons Schwyz und deren Stellvertreter
NW, OW, SZ, UR
4
1998
Vereinbarung zwischen dem Kanton Obwalden und dem Kanton Uri betreffend die stationäre Ophthamologie
OW, UR
2
1998
Konkordat betreffend das Laboratorium der Urkantone
NW, OW, SZ, UR
4
1999
Vertrag zwischen dem Kantonsspital Luzern und dem Rettungsdienst des
Kantons Zug betreffend Dienstleistungen der Einsatzzentrale am Kantonsspital Luzern für den Rettungsdienst des Kantons Zug (ähnlich lautende
Verträge mit den Kantonen Obwalden und Nidwalden)
LU, NW, OW, ZG
4
2000
2002
2003
Vertrag zwischen der ZGDK und dem Amt für Statistik Luzern über die
Auswertung der Statistik der stationären Betriebe des Gesundheitswesens
für die Zentralschweiz
LU, NW, OW, SZ,
UR, ZG
6
2000
Vereinbarung über die Fachstelle für Gesundheitsförderung und Prävention
für die Kantone OW und NW
NW, OW
2
2001
Spitalabkommen zwischen dem Kanton Luzern und (je) den Kantonen Uri,
Schwyz, Obwalden, Nidwalden und Zug betreffend die Kostenregelung für
Zentrumsleistungen im Kantonsspitals Luzern samt Kinderspital (2002)
LU, NW, OW, SZ,
UR, ZG
6
2002
Vereinbarung über die Zusammenarbeit der Kantonsspitäler Obwalden und
Nidwalden / Spital INFRA- OW/NW
NW, OW
2
2002
Zusammenarbeitsvertrag zwischen dem Kantonsspital Obwalden und dem
Kantonsspital Luzern betreffend der Zusammenarbeit der Chirurgie des Kantonsspitals OW und der chirurgischen Klinik A des Kantonsspitals LU
LU, OW
2
2002
Zusammenarbeitsvertrag zwischen dem Regierungsrat des Kantons Uri und
der Stiftung Kinder- und Jugendpsychiatrie des Kantons Schwyz
SZ, UR
2
2003
Verwaltungsvereinbarung zwischen dem Kanton Schwyz und dem Kanton
Nidwalden betreffend Aufträge an die Schwyzer Kantonsapothekerin im Bereich der Heilmittelkontrolle (analog Vereinbarung SZ mit UR, OW und GL)
NW, OW, SZ, UR, GL
5
2004
Vereinbarung
Beteiligte Kantone
Anzahl Kantone
Datum**
Convention signée entre les cantons de BE, FR et SO avec la coopérative
des maîtres bouchers de Suisse centrale (GZM) concernant l’élimination des
cadavres d’animaux
BE, FR, JU, SO
4
1979
Übrige interkantonale Vereinbarungen
126
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5
Spitalabkommen zwischen dem Kanton LU vertreten durch das Gesundheitsund Sozialdepartement und dem Kanton BS / Kantonsspital Basel vertreten
durch das Sanitätsdepartement und dem Kanton NW vertreten durch die
Gesundheitsdirektion über die Zusammenarbeit im Bereich der Herzchirurgie / interventionelle Kardiologie und die Abgeltung der Leistungen
BS, LU, NW
Spitalabkommen des Kantons OW mit dem Kanton AG über die Zusammenarbeit in der Neurochirurgie
Gleichlautende Abkommen zwischen dem Kanton AG und je den Kantonen
NW und Luzern
AG, OW
AG, NW
AG, LU
2
2
2
1997
Spitalabkommen des Kantons OW mit dem Kanton LU und dem Kanton BS
über die Zusammenarbeit in der Herzchirurgie/interventionelle Kardiologie
BS, LU, OW
3
1997
Vereinbarung zwischen den Trägern der öffentlichen und öffentlich sub­
LU, NW, OW, SZ,
UR, ZG, GL
7
1999
1996
Vertrag betreffend die Inspektion pharmazeutischer Betriebe (Regionale
Fachstelle für Heilmittelkontrolle der Ost- und Zentralschweiz (RAS-OZ)
NW, OW, SZ, UR,
ZG; Kantone der
Ostschweiz
2002
Interkantonale Vereinbarung für soziale Einrichtungen (unter anderem
stationäre Therapie- und Rehabilitationsangebote im Suchtbereich)
AG, BE, BL, BS,
FR, GL, JU, LU, NE,
NW, OW, SG, SO,
SZ, TI, UR, VD VS
18
2002
Vereinbarung
Beteiligte Kantone
Anzahl Kantone
Datum**
Vereinbarung zwischen den Kantonen und dem Schweizerischen Roten
Kreuz betr. die berufliche Ausbildung des Pflegepersonals, des medizinischtechnischen und des medizinisch-therapeutischen Personals.
Streng genommen handelt es sich hierbei nicht um eine interkantonale
Vereinbarung, da jeder Kanton einen separaten Vertrag mit dem SRK abgeschlossen hatte. Alle Kantone waren zwar der Vereinbarung beigetreten,
handelten aber unabhängig voneinander.
Alle Kantone
26
1976–1999
Konkordat zwischen den Kantonen Luzern, Schwyz und Zug über den Betrieb einer Schule für praktische Krankenpflege am Spital und Pflegezentrum
Baar
LU, SZ, ZG
3
1983
Interkantonale Vereinbarung über die Anerkennung von Ausbildungs­
AG, BE, BL, BS, GL,
GR, LU, NW, OW,
SH, SO, SZ, TG, UR,
ZG, ZH
16
1993
Vereinbarung zwischen dem Kanton BL und dem Kanton BS betr. Finanzierung der Aus- und Weiterbildung für nichtärztliche Berufe des Gesundheitswesens
BL, BS
2
1993
Convention intercantonale concernant la formation aux professions de la
santé (professions médicales exceptées) et son financement – Interkantonale Vereinbarung über die Ausübung in Berufen des Gesundheitswesens;
(medizinische Berufe ausgenommen) und ihre Finanzierung
BE, FR, GE, JU, NE,
TI, VD, VS,
8
1996
Vereinbarung über die Zusammenarbeit und Finanzierung der HebammenGrundausbildung
LU, NW, OB, SZ,
UR, ZG
6
1998
Vereinbarung der Innerschweizer Kantone über Ausbildungen für Berufe des
Gesundheitswesens
LU, NW, OB, SZ,
UR, ZG
6
1998
Zusammenarbeit
Teil
II
Teil
III
Perspektiven
ventionierten Spitäler und Kliniken der Zentralschweiz, dem Träger der
öffentlichen Spitäler des Kantons Glarus sowie der Zentralschweizer Spitalkonferenz
3
Referenzrahmen
Teil
I
Interkantonale Vereinbarungen auf dem Gebiet Gesundheit und Bildung
abschlüssen
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5
127
Referenzrahmen
Teil
I
Interkantonale Vereinbarungen im Sektor Gesundheit (Fortsetzung)
Zusammenarbeit
Teil
II
Perspektiven
Teil
III
Zentralschweizer Fachhochschul-Konkordat (FHZ-Konkordat)
LU, NW, OB, SZ,
UR, ZG
6
1999
Leistungsvertrag der Schweizerischen Sanitätsdirektorenkonferenz mit dem
Schweizerischen Roten Kreuz (SRK) über die Regelung, Überwachung und
Förderung der Gesundheitsberufe durch das SRK. Ersetzt die Interkantonale
Vereinbarung von 1976.
GDK, SRK,
Interkantonale Vereinbarung über die Hochschule für Heilpädagogik Zürich
OB, SZ, ZG, ZH
4
1999
Verwaltungsvereinbarung über die Fachhochschule Ostschweiz
AI, AR, GL, SG, SH,
SZ, TG, ZH
8
1999
Vertrag zwischen als Auftraggeber: dem Bundesamt für Berufsbildung und
Technologie (BBT) und den Kantonen, diese vertreten durch die Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) und die Schweizerische
Sanitätsdirektorenkonferenz (SDK) und als Auftragnehmer: dem Schweizerischen Roten Kreuz (SRK) über den Ersatz des Leistungsvertrags vom
29. April / 20. Mai 1999 und seiner Ergänzung vom 24. Januar 2000 bzw. die
Regelung der mit Blick auf die Überführung der Gesundheitsberufe in die
Kompetenz des Bundes und der kantonalen Erziehungsdirektionen vom SRK
zu erbringenden Leistungen.
Kantone, Bund und
SRK
Regionales Schulabkommen über die Finanzierung der Aus- und Weiterbildung für Gesundheitsberufe der Kantone Aargau, Basel-Landschaft, BaselStadt, Bern, Luzern, Solothurn
AG, BE, BL, BS,
LU, SO
6
2000
Interkantonale Vereinbarung über die Errichtung der Fachhochschule Westschweiz für Gesundheit und Soziale Arbeit (FH-GS)
BE, FR, GE, JU, NE,
VD, VS
7
2001
Beitritt des Kantons Zug zur Interkantonalen Vereinbarung über die Hochschule für Heilpädagogik, Zürich
Beitritt des Kantons Obwalden zur Interkantonalen Vereinbarung über die
Hochschule für Heilpädagogik, Zürich
ZG, ZH
2
2001
Vertrag zwischen dem Bundesamt für Berufsbildung und Technologie und
den Kantonen (Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren und die
Schweizerische Sanititätsdirektorenkonferenz) und dem Schweizerischen
Roten Kreuz betreffend die Reglementierung, Überwachung und Förderung
der Gesundheitsberufe (ohne Weiterbildungen)..
Kantone (GDK,
EDK), Bund (BBT)
und SRK
2003 bis
Ende 2006
Kooperationsvereinbarung zwischen den Kantonen Bern und Basel-Stadt,
den Universitäten Bern und Basel sowie der Inselspital-Stiftung Bern über
eine zukünftige Zusammenarbeit in der Human- und Zahnmedizin
BE, BS
Beitritt des Kantons Bern zur Interkantonalen Hochschule für Heilpädagogik,
Zürich
BE, ZH
2
2004
Interkantonale Vereinbarung zwischen dem Kanton Freiburg und den Universitäten Lausanne, Basel, Bern, Genf und Zürich betreffend die medizinische Ausbildung
BE, BS, FR, GE,
VD, ZH
6
2004
Staatsvertrag zur Fachhochschule Nordwestschweiz
AG, BL, BS, SO, ZH
5
2005
1999–2000
1999–2003
2004
In Vorbereitung: Interkantonale Vereinbarung zur Registrierung der Ausbildungsabschlüsse
In Vorbereitung: Interkantonale Vereinbarung betreffend die Regelung der
interkantonalen Zusammenarbeit im Sonderschulbereich
Ab 2011
Quelle: Datenbank der Konkordate des Instituts für Föderalismus an der Universität Freiburg und Desktop-Recherchen
*Diese Liste erwähnt in erster Linie die Vereinbarungen der in Band 2 porträtierten 9 Kantone. Im Zuge der Recherchen wurden weitere Vereinbarungen
in die Liste aufgenommen. Die Liste erhebt jedoch keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
**Die in dieser Spalte aufgeführten Jahreszahlen sollen nur eine zeitliche Einstufung der Vereinbarungen ermöglichen. Eine Spezifizierung nach «unterzeichnet», «ratifiziert» bzw. «in Kraft getreten» wurde nicht vorgenommen.
128
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5
Kapitel 6
Referenzrahmen
Teil
I
Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen
in der Gesundheitspolitik
Bereichen geplant: Psychologieberufe, Finanzierung der
6.1 Ausgangslage
Pflege, Forschung am Menschen (Verfassungsartikel und
Die gesundheitspolitischen Porträts des Berichts (Teile
Zudem werden die Stimmberechtigten im Jahre 2006 über
IV und V) zeigen, dass Bund und Kantone in den letzten
die Neuordnung der Verfassungsbestimmungen zur Bil-
150 Jahren entlang föderaler Strukturen im Rahmen der
dung abstimmen.
verfassungsrechtlichen Kompetenzen ihre je eigenen Ge-
Parallel zu diesem Prozess der Zentralisierung bzw. Aus-
sundheitspolitiken entwickelt haben. Während die Kan-
dehnung von gesetzlichen Kompetenzen auf Bundesebene
tone unter Wahrung der politischen Eigenständigkeit die
hat das Bundesamt für Gesundheit (BAG) angesichts neu-
Gesundheitsversorgung ihrer Bevölkerung in bestimmten
er Herausforderungen auch ohne explizites gesetzliches
Bereichen über verschiedene interkantonale Gremien der
Mandat zu den bereits bestehenden Aufgaben zusätzliche
Zusammenarbeit sichergestellt haben (siehe hierzu Kapi-
auf den Gebieten Gesundheitsschutz, Prävention und Ge-
tel 5), bestand zwischen Bund und Kantonen grundsätz-
sundheitsförderung übernommen. So führt der Bund un-
lich kein Bedarf an institutionalisierter Zusammenarbeit.
ter anderem in folgenden Sektoren nationale Programme
Bis Ende der 1970er-Jahre waren die gesundheitspoli-
durch: Impfungen, HIV/Aids, Alkohol, Tabak, illegale Dro-
tischen Kompetenzen des Bundes bescheiden. Berüh-
gen; Umwelt, Arbeit; Sport, Bewegung, Gender Health,
rungspunkte mit den Kantonen beschränkten sich im
Migration, Ernährung.
Wesentlichen auf den Gesundheitsschutz und die Be-
Das Gesundheitssystem Schweiz präsentiert sich heu-
kämpfung übertragbarer Krankheiten. Es bestand daher
te als ein komplexes, mehrschichtiges Gebilde. Bund
auch kein Bedarf für eine strukturierte Zusammenarbeit
und Kantone nehmen in allen Bereichen der Gesundheit
zwischen Regierungsmitgliedern des Bundes und der Kan-
– Gesundheitsförderung, Gesundheitsschutz, Präventi-
tone.
on, medizinische Versorgung, Rehabilitation, Integration,
Mit dem Auftauchen neuer Gesundheitsrisiken (unter
Forschung, Information, Aus- und Weiterbildung gemein-
anderem Drogen, HIV), mit der Neuorientierung der Ge-
same, parallele oder sich überschneidende Aufgaben wahr.
sundheitspolitiken nach dem Konzept von New Public
Gesundheit ist zu einer gemeinsamen Verantwortung von
Health und mit der Totalrevision der Krankenversiche-
Bund und Kantonen geworden.
rung hat seit den 1980er-Jahren in zahlreichen Bereichen
Die Bilanz der Kompetenzverschiebungen zugunsten des
eine Verlagerung von Kompetenzen auf den Bund statt-
Bundes im Handlungsfeld Gesundheit ist durchzogen.
gefunden, Kompetenzen, die ursprünglich ausschliesslich
Mit der Ausdehnung gesetzgeberischer Tätigkeiten auf
den Kantonen vorbehalten waren. Die Erweiterung der
Bundesebene müssen die Kantone Kompetenzbeschrän-
Bundeskompetenzen erfolgte dabei nicht systematisch,
kungen und einen von «oben» verordneten Vollzug hin-
sondern nach politischer Aktualität, und dies auch nur in
nehmen (Vollzugsföderalismus), und doch weiterhin ei-
Einzelbereichen.
nen grossen Teil der finanziellen Verantwortung tragen.
Allein in den letzten zehn Jahren sind unter anderem
Die Kantone sind ausserdem der Ansicht, angesichts der
folgende kantonale Gesundheitskompetenzen in Bundes­
Aufgabenverflechtung zu wenig an der Willensbildung des
kompetenz übergegangen: Heilmittelkontrolle (2000);
Bundes beteiligt zu sein. Sie fühlen sich nicht genügend
nicht-universitäre Aus- und Weiterbildung in den Gesund-
konsultiert bzw. haben den Eindruck, dass ihre Meinung
heitsberufen (2002); Weiterbildung in den Medizinalberu-
im Vergleich zu denjenigen privater Interessengruppen zu
fen (2003); Aus- und Weiterbildung in der Gesundheit auf
wenig wahrgenommen und berücksichtigt wird.
Stufe Fachhochschule (2005). Zudem wurden folgende
Der Bund seinerseits kritisiert die Heterogenität der Kan-
neue Aufgaben direkt dem Bund übertragen: Fortpflan-
tone und deren grosse Gestaltungsfreiheit bei der Umset-
zungsmedizin (1998), Beseitigung von Benachteiligungen
zung von Bundesgesetzen. Er vermisst zudem bei den 26
von Menschen mit Behinderungen (2002); Forschung an
Kantonen Ansprechpersonen mit klaren Mandaten.
embryonalen Stammzellen (2003), genetische Untersu-
Seit den 1990er-Jahren steht die Frage im Raum, wie an-
chungen am Menschen (2004), Transplantation von Or-
gesichts der Verflechtung der Aufgaben die unabdingbar
ganen (2004), Mutterschaftsversicherung (2004) Schliess-
gewordene Zusammenarbeit zwischen Bund und Kanto-
lich sind Bundeskompetenzen unter anderem in folgenden
nen auf nationaler Ebene zu organisieren sei.
Bundesgesetz), Prävention und Gesundheitsförderung.
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 6
Zusammenarbeit
Teil
II
Perspektiven
Teil
III
129
Referenzrahmen
Teil
I
Teil
II
Um diese Frage zu beantworten stellt Kapitel 6 zunächst
Die nachfolgenden Ausführungen stützen sich im We-
einige bestehende Instrumente der Zusammenarbeit
sentlichen auf die 9 porträtierten Kantone (Teil IV des
zwischen Bund und Kantonen vor. Anschliessend folgt
Berichts) sowie auf das Bundesporträt (Teil V). Nach
ein Überblick über fünf gesundheitspolitisch relevante
Möglichkeit wurden zudem gesundheitspolitisch rele-
Schnittstellen zwischen Bund und Kantonen: Gesund-
vante Studien konsultiert, wobei das Angebot an entspre-
heitspolitische Positionen und Planungsprozesse auf na­
chenden Studien noch bescheiden ist.
Zusammenarbeit
tionaler Ebene, Gesundheitsförderung und Prävention,
Gesundheits- und Verbraucherschutz, Krankenversicherung und Ausbildung in den Gesundheitsberufen. Im letzten Teil schliesslich werden neue Ansätze in der Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen vorgestellt, die
Perspektiven
Teil
III
6.2 Instrumente der Zusammenarbeit
zwischen Bund und Kantonen
das Potential für eine gemeinsame Politikformulierung in
Verfassungsrechtliche Grundlagen
sich tragen: der Dialog zwischen Bund und Kantonen zur
Die in den 1990er-Jahren total revidierte und 1999 durch
Nationalen Gesundheitspolitik, die Neugestaltung des Fi-
Volk und Stände angenommene Schweizerische Bundesver-
nanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund
fassung regelt in einer Reihe von Artikeln die Zusammen-
und Kantonen (NFA) sowie die Alkoholpolitik des Bundes
arbeit zwischen Bund und Kantonen. Dabei stützt sie sich
als Ansätze einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit
auf eine moderne föderalistische Verfassungsordnung, die
zwischen Bund und Kantonen.
die Souveränität der Kantone betont und gleichzeitig die
Die Auswertung der vorgestellten Instrumente, Prozesse,
Zusammenarbeit zwischen dem Bund und den Kantonen
Formen und Inhalte der vertikalen Zusammenarbeit am
als souveräne Gliedstaaten einfordert. Damit entspricht sie
Schluss dieses Kapitels deutet darauf hin, dass das idea-
den Prinzipien eines kooperativen Föderalismus.
le Ordnungsprinzip für eine nationale Gesundheitspolitik
In verschiedenen Bestimmungen der Bundesverfassung
der Schweiz der kooperative Föderalismus ist.
werden namentlich die Staatlichkeit und die Eigenstän-
Tabelle 21: Nationale Gesundheitspolitik Schweiz: Unterschiedliche Ausgangssituationen
in den Kantonen und beim Bund
130
Kantone
Bund
Umfassende Kompetenzen im Bereich Gesundheit – umfassendes
Gesundheitsverständnis
Kompetenzen nur in einzelnen Gesundheitsbereichen – atomisiertes Gesundheitsverständnis
Gesundheitspolitik in allen Sektoren: umfassende kantonale
Gesundheitspolitiken
Gesundheitspolitik nur in einzelnen Sektoren (Subsidiaritäts­
prinzip): keine rechtliche Grundlage, um eine umfassende
Gesundheitspolitik zu entwickeln
Kantonale Gesundheitsgesetze in den meisten Kantonen
Kein Bundesgesetz Gesundheit, sondern eine Vielzahl von
­Einzelgesetzen
Alle teilen ähnliche Probleme, kommen aber zu unterschiedlichen
(vielfältigen) Lösungen: Innovationspotential
Bundesstellen mit zum Teil gegensätzlichen Interessen im Sektor
Gesundheit – erschwert die Rollendefinition des Bundes
Komplexität des Systems nimmt zu; Harmonisierungsdruck
steigt; Kantone delegieren Aufgaben an den Bund; Autonomieverlust: Kantone als blosse Vollzugsorgane des Bundes?
Komplexität des Systems nimmt zu; Koordinationsbedarf mit
dem Ausland; neue Kompetenzen und Aufgaben für den Bund;
mehr Machtkompetenz: Hat der Bund die Ressourcen, um die
neuen Aufgaben umzusetzen?
Wille der Kantone, ihre Souveränität zu bewahren
Zentralisierungstendenz: Wunsch des Bundes nach Lead in der
Gesundheitspolitik
Lange Tradition der freiwilligen Zusammenarbeit: Zahlreiche
Gremien und Instrumente für die interkantonale Zusammenarbeit und Koordination auf regionaler und schweizerischer Ebene
Wenige interne Koordinationsgremien und -instrumente, in
jüngerer Zeit einzelne Ansätze erkennbar
Privilegierter Partner eines Kantons: andere Kantone
Privilegierter Partner des Bundes: die Versicherer
Erwartungen an den Bund vorhanden und thematisiert
Wenige Erwartungen an die Kantone bekannt
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 6
Artikel 147 Vernehmlassungsverfahren
desebene, die herausragende Rolle der Kantone bei der
Die Kantone, die politischen Parteien und die interessier-
Umsetzung des Bundesrechts sowie die Möglichkeiten
ten Kreise werden bei der Vorbereitung wichtiger Erlasse
und Pflichten der Kantone zur partnerschaftlichen Zu-
und anderer Vorhaben von grosser Tragweite sowie bei
sammenarbeit untereinander, mit dem Bund und mit dem
wichtigen völkerrechtlichen Verträgen zur Stellungnahme
benachbarten Ausland verankert und garantiert.
eingeladen. Siehe hierzu auch die Ausführungen weiter
Im Folgenden werden mit Blick auf die partnerschaftliche
unten.
Teil
II
Zusammenarbeit
digkeit der Kantone, deren Mitwirkungsrechte auf Bun-
Referenzrahmen
Teil
I
Beziehung zwischen Bund und Kantonen die wichtigsten
verfassungsrechtlichen Bestimmungen wiedergegeben:
Artikel 186 Beziehungen zwischen Bund und
Kantonen
Artikel 44 Grundsätze
1
1
Bund und Kantone unterstützen einander in der Erfül-
Der Bundesrat pflegt die Beziehungen des Bundes zu
den Kantonen und arbeitet mit ihnen zusammen.
lung ihrer Aufgaben und arbeiten zusammen.
Sie schulden einander Rücksicht und Beistand. Sie lei-
sten einander Amts- und Rechtshilfe.
Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA)
Streitigkeiten zwischen Kantonen oder zwischen Kanto-
Revision von Verfassungsartikeln im Zusammenhang mit
nen und dem Bund werden nach Möglichkeit durch Ver-
der NFA. Die NFA soll 2008 in Kraft treten (siehe hierzu
handlung und Vermittlung beigelegt.
auch 6.4).
Artikel 45 Mitwirkung an der Willensbildung
des Bundes
Gesetze, Verordnungen, Richtlinien
3
(in chronologischer Reihenfolge)
Die Kantone wirken nach Massgabe der Bundesverfas-
Im Sinne der oben formulierten verfassungsrechtlichen
sung an der Willensbildung des Bundes mit, insbesondere
Grundlagen des kooperativen Föderalismus haben sich
an der Rechtsetzung.
Bund und Kantone ihrerseits in den letzten Jahren Ge-
1
Der Bund informiert die Kantone rechtzeitig und um-
setze, Richtlinien und Verordnungen gegeben, die insbe-
fassend über seine Vorhaben; er holt ihre Stellungnahmen
sondere durch Klärung der Abläufe die vertikale Zusam-
ein, wenn ihre Interessen betroffen sind.
menarbeit zwischen Bund und Kantonen stärken sollen.
2
Teil
III
Perspektiven
2
Die meisten dieser rechtlichen Grundlagen sind nicht äl-
Artikel 48 Verträge zwischen Kantonen
ter als 6 Jahre. Nachstehend werden einige Beispiele in
Die Kantone können miteinander Verträge schliessen
chronologischer Reihenfolge aufgelistet, die auch für die
sowie gemeinsame Organisationen und Einrichtungen
Beziehung zwischen Bund und Kantonen auf dem Gebiet
schaffen. Sie können namentlich Aufgaben von regionalem
der Gesundheit relevant sein können. Neben den Geset-
Interesse gemeinsam wahrnehmen.
zen, Verordnungen und Richtlinien werden zudem die
1
2
Der Bund kann sich im Rahmen seiner Zuständigkeiten
Ver­einbarungen zwischen Bund und Kantonen aufgelistet.
beteiligen.
Auch diese sind nicht älter als 6 Jahre.
Artikel 55 Mitwirkung der Kantone an aussen­
politischen Entscheiden
Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetz (1997)
Die Kantone wirken an der Vorbereitung aussenpoli-
In Artikel 3 Absatz 2 verpflichten sich Bundesrat und
tischer Entscheide mit, die ihre Zuständigkeiten oder ihre
Bundesverwaltung, die Zusammenarbeit zwischen Bund
wesentlichen Interessen betreffen.
und Kantonen zu fördern. Artikel 10 hält fest, dass der
1
2
Der Bund informiert die Kantone rechtzeitig und umfas-
send und holt ihre Stellungnahmen ein.
3
Bundesrat die Information unter anderem an die Kantone
gewährleistet.
Den Stellungnahmen der Kantone kommt besonderes
Gewicht zu, wenn sie in ihren Zuständigkeiten betroffen
sind. In diesen Fällen wirken die Kantone in geeigneter
Weise an internationalen Verhandlungen mit.
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 6
131
Referenzrahmen
Teil
I
Teil
II
Organisationsverordnung für das
Eidgenössische Departement des Innern (2000)
ziellen Auswirkungen des Erlasses und seines Vollzugs auf
Diese Verordnung stützt sich auf die Artikel 43 Absatz 2
der Kostendeckung, der Einfluss auf die Finanzplanung
und 47 Absatz 2 des Regierungs- und Verwaltungsorga-
und das Verhältnis von Kosten und Nutzen.
nisationsgesetzes vom 21. März 1997. Die Artikel 2a. und
2b OV-EDI halten fest, dass das Departement eng mit den
Zusammenarbeit
Kantonen, Gemeinden sowie mit nichtstaatlichen Organisationen, Sozialpartnern und Wirtschaftsverbänden
zusammenarbeitet und den Grundsatz der Subsidiarität
beachtet.
Teil
III
Rahmenordnung über die Arbeitsweise der
Konferenz der Kantonsregierungen (KdK) und der
Direktorenkonferenzen bezüglich der Kooperation
von Bund und Kantonen (2001)
Ziel der Rahmenordnung ist es insbesondere, durch die
Klärung der Abläufe die Vollzugstauglichkeit von Massnahmen des Bundes zu verbessern sowie die Umsetzung
des Bundesgesetzes über die Mitwirkung der Kantone an
Perspektiven
Bund, Kantone und Gemeinden sowie die Art und Weise
der Aussenpolitik des Bundes zu optimieren. Damit entspricht die Rahmenordnung auch einem Wunsch des Bundesrates.
Richtlinien zuhanden der Bundesverwaltung
­betreffend die Zusammenarbeit zwischen Bund,
Kantonen und Gemeinden (2002)
Diese Richtlinien betreffen die Agglomerationspolitik des
Bundes. Ähnlich wie bei dem Bundesgesetz betreffend die
Mitwirkung der Kantone an der Aussenpolitik des Bundes
dominiert auch hier die partnerschaftliche und gleichwertige Beziehung zwischen Bund und Kantonen.
Die Richtlinien halten unter anderem fest:
(1) Die vertikale Zusammenarbeit ist zu verstärken. Dies
gilt sowohl für die Phase der Ausarbeitung von Massnahmen des Bundes als auch bei deren Umsetzung und Eva-
Tabelle 22: Vereinbarungen zwischen Bund und Kantonen
Vereinbarungen zwischen Bund und Kantonen
Vereinbarung zwischen dem Bund und den Universitätskantonen über die Zusammenarbeit im universitären Hochschulbereich vom 4. Dezember 2000
2000
Rahmenordnung über die Arbeitsweise der Konferenz
der Kantonsregierungen (KdK) und der Direktorenkonferenzen bezüglich der Kooperation von Bund und
Kantonen vom 14. Dezember 2001
2001
Vereinbarung zwischen dem Bund, den Kantonen
sowie den Städten und Gemeinden zur Schaffung einer
2001
tripartiten Agglomerationskonferenz (2001)
Vertrag Bund-Kantone Schweizerisches Rotes Kreuz
(2003)
2003
Vereinbarung zwischen der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und
-direktoren (GDK) und der Schweizerischen Eidgenossenschaft (Bund) vertreten durch das Eidg. Departement des Innern (EDI) zur Nationalen Gesundheits­
politik Schweiz (2003)
2003
Vereinbarung zwischen der Konferenz der Kantons­
regierungen (KdK) und dem Eidg. Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) betreffend die Entsendung eines
kantonalen Beobachters ins EJPD (2005). Aufgrund
ihrer Kompetenzen im Polizeisektor sollen die Kantone
über den entsandten kantonalen Beobachter frühzeitig
und umfassend in die Weiterentwicklung von Schengen/Dublin einbezogen werden.
2005
In Vorbereitung
Vereinbarung zwischen Bund und Kantonen über die
Ausgestaltung des Studienangebots und der Akkreditierungsrichtlinien an den Fachhochschulen
luation. Die partnerschaftlichen Beziehungen schliessen
der Ausarbeitung von Massnahmen des Bundes sowie bei
Vereinbarung zwischen dem Bund und den
Universitätskantonen über die Zusammenarbeit
im universitären Hochschulbereich (2000)
deren Umsetzung und Evaluation mit.
Diese Vereinbarung zwischen Bund und Kantonen bildet
den Bund, die Kantone und die Gemeinden ein.
(3) Die Kantone wirken als Hauptpartner des Bundes bei
eine der Grundlagen für die Einrichtung der Schweize-
132
Bundesgesetz über die Bundesversammlung (2002)
rischen Universitätskonferenz (SUK). Die SUK verfügt
Artikel 141 (Botschaften des Bundesrates zu Erlassent-
über bindende Entscheidungskompetenzen in definierten
würfen) spricht die Vollzugstauglichkeit von Massnahmen
Bereichen.
des Bundes an. Konkret hält der Artikel fest, dass der
Die Vereinbarung ist bis jetzt die einzige dieser Art ge-
Bundesrat unter anderem folgende Punkte in seinen Bot-
blieben. Rechtssetzende Verträge, ausgehandelt und ab-
schaften besonders erläutert: die personellen und finan­
geschlossen durch Regierungsvertreter/innen, haben zwar
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 6
Schweizerischen Roten Kreuz (SRK) über den Ersatz des
schen Bund und Kantonen konsequent verwirklichen. Der
Leistungsvertrags vom 29. April/20. Mai 1999 und seiner
Nachteil liegt im Demokratiedefizit. Im Bericht des Bun-
Ergänzung vom 24. Januar 2000 bzw. die Regelung der mit
desrates über rechtsetzende Verträge zwischen Bund und
Blick auf die Überführung der Gesundheitsberufe in die
Kantonen aus dem Jahr 2002 heisst es: Verträge zwischen
Kompetenz des Bundes und der kantonalen Erziehungsdi-
Bund und Kantonen mit rechtsetzenden Bestimmungen
rektionen vom SRK zu erbringenden Leistungen.
würden «nicht als geeignetes Instrument zur Stärkung des
Über die Verlängerung des Auftrags an das SRK wird im
kooperativen Föderalismus betrachtet.» Aus seiner Sicht
Rahmen des Masterplans entschieden, der von den Kan-
gilt es, den pragmatischen Weg einzuschlagen. In einzel-
tonen und vom Bund im Hinblick auf die Umsetzung der
nen Kompetenzbereichen soll man eine demokratische
Ziele der Botschaft vom 29. November 2002 über die För-
Mitwirkung an Verträgen Bund–Kantone mit rechtsset-
derung von Bildung, Forschung und Technologie in den
zenden Bestimmungen einführen und damit Erfahrungen
Jahren 2004–2007 und die finanzielle Beteiligung des
sammeln. Falls sich diese Erfahrungen als positiv erweisen
Bundes gemeinsam erarbeitet wird.
68
Teil
II
Zusammenarbeit
den Vorteil, dass sie den Gedanken der Partnerschaft zwi-
Referenzrahmen
Teil
I
und sinnvolle Vorkehrungen getroffen werden können, um
fassung die einzelnen aufgabenspezifischen Regelungen
Mitwirkung der Kantone im parlamentarischen
Verfahren
später in eine allgemeine, demokratisch abgesicherte Re-
Das eidgenössische Parlament hat seine politischen Steue­
gelung übergeführt werden.
rungsmöglichkeiten im Sektor Gesundheit bis jetzt vor
die möglichen Nachteile zu beheben, könnten in der Ver-
Teil
III
Vertrag Bund–Kantone Schweizerisches Rotes
Kreuz (2003)
den Krankenversicherungsbereich und dessen Finanzie-
Vertrag zwischen als Auftraggeber: dem Bundesamt für
rischen Anfragen zum Thema Gesundheit betreffen die-
Berufsbildung und Technologie (BBT) und den Kantonen,
sen Bereich. Für die Kantone ist der Ort des politischen
diese vertreten durch die Konferenz der kantonalen Erzie-
Mitwirkens an der Bundespolitik der Ständerat. Hier war
hungsdirektoren (EDK) und die Schweizerische Sanitäts-
ihr Einfluss bisher bescheiden. Zwar ist der Ständerat als
direktorenkonferenz (SDK) und als Auftragnehmer: dem
Kantonskammer «eines der Kernstücke der Einflussnah-
Perspektiven
allem auf Teilaspekte der Gesundheit, insbesondere auf
rung ausgerichtet. Mehr als die Hälfte aller parlamenta-
me der Kantone auf die Willensbildung des Bundes».69 Jedoch stimmen die Ständerate nicht als Abgeordnete der
Verankerung der partnerschaftlichen
­Zusammenarbeit Bund-Kantone in Bundes­
gesetzen (Auswahl)
Kantone, sondern parteipolitisch ab. Der Ständerat erfüllt
Ab Ende der 1990er-Jahren begannen Bund und Kan-
Die Bundesverfassung ermöglicht den Kantonen die Mit-
tone, die partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen
wirkung auf eidgenössischer Ebene vor und während der
Bund und Kantonen in einigen Bundesgesetzen zu ver-
parlamentarischen Phase mit folgenden Instrumenten:
ankern:
■
deshalb seine Funktion als Vertreter der Kantone nur in
beschränktem Masse.70
Standesinitiative (Art. 160 Abs. 1 BV; Art. 21): Jedem
■
Fachhochschulgesetz (1995), revidiert 2004
Kanton steht das Recht zu, der Bundesversammlung
■
Bundesgesetz über die Förderung der Universitäten
Initiativen zu unterbreiten.
und über die Zusammenarbeit im Hochschulbereich
■
■
Ständerat: die 23 Kantone sind mit je zwei Vertretern
(1999)
im Ständerat vertreten, die sechs Halbkantone jeweils
Bundesgesetz über die Mitwirkung der Kantone an
nur mit einem Vertreter (Art. 150 BV)
der Aussenpolitik des Bundes (2000)
■
Bundesgesetz über die Berufsbildung (2002)
68 Bericht des Bundesrates über rechtsetzende Verträge zwischen Bund
und Kantonen vom 27. März 2002 in Erfüllung des Postulats 01.3426
der Staatspolitischen Kommission des Ständerates vom 27. August
2001, S. 2.
69 Ulrich KLÖTI, Peter KNOEPFEL, Hanspeter KRIESI, Wolf LINDER,
Yannis PAPADOPOULOS, Handbuch der Schweizer Politik, 3., überarbeitete Auflage. Verlag Neue Zürcher Zeitung, Zürich 2002, S. 85.
70 Siehe hierzu auch: Wolf LINDER, Reto WIESLI: Repräsentation, Artikulation und Durchsetzung kantonaler Interessen in Stände- und Natio­
nalrat. Studie im Auftrag der Parlamentsdienste. Institut für Politikwissenschaft, Universität Bern, Dezember 2000.
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 6
133
Referenzrahmen
Teil
I
■
Ausserordentliche Einberufung der Bundesversamm-
Kantons Wallis, einen «Runden Tisch» zum Gesundheits-
lung durch ¼ des Ständerates: Art. 151 Abs. 2 BV
wesen einzurichten (2000), ist eine Einzelaktion. Die zu-
■
Hearings der Kantone (wie auch anderer Interessenver-
ständige Kommission hat das Begehren mit der Begrün-
Zusammenarbeit
Teil
II
treter) in den ständigen parlamentarischen Kommissio­
dung abgelehnt, die Institution des «Runden Tisches» sei
nen, insbesondere in den beiden Kommissionen für
undemokratisch. Die Teilnehmenden seien nicht reprä-
Soziale Sicherheit und Gesundheit des National- und
sentativ, da die Gremien nicht in einem demokratischen
Ständerates. Den ständigen parlamentarischen Kom-
Verfahren gewählt worden seien.
missionen kommt als Vorinstanzen erhebliches Gewicht
■
Perspektiven
Teil
III
■
zu, sowohl in fachlicher, wie auch in politischer Hin-
Neue Ansätze der Mitwirkung
sicht. Grundsätzlich kann davon ausgegangen werden,
Seit einigen Jahren sind Tendenzen erkennbar, die auf
dass der National- bzw. der Ständerat den Entscheiden
eine Bündelung der kantonalen Interessen im parlamen-
seiner Kommission folgt.
tarischen Prozess hindeuten. So werden Vertreter/innen
71
Fakultatives Referendum auf Verlangen von 8 Kanto-
der Kantone (kantonale Gesundheitsminister, Vertreter
nen (Art. 141 Abs. 1 BV): sogenanntes Standesreferen-
der Konferenz der Kantonsregierungen KdK) von nati-
dum oder Kantonsreferendum
onal- und ständerätlichen Kommissionen vermehrt zu
Volks- und Ständemehr für alle konkreten Verfassungs-
Hearings eingeladen. Damit sich die kantonalen Gremien
revisionen, dringlichen Bundesgesetze und Beitritte zu
entsprechend vorbereiten können, übermittelt das Sekre-
supranationalen Organisationen (Art. 140 Abs. 1 lit. a–c
tariat des Ständerates der KdK jeweils vor Sessionsbeginn
und Art. 142 Abs. 2–4 BV).
eine Liste mit den zur Behandlung in den Kommissionen
anstehenden Geschäften. Die Konferenz der Kantonsre-
Eine Analyse über den Einsatz und die Wirkung dieser
gierungen (KdK) lädt ihrerseits seit dem Jahr 2000 jeweils
kantonalen Instrumente auf die Gesundheitspolitik in der
am Abend des ersten Sessionstages die Eidgenössischen
Schweiz ist noch ausstehend. Im Rahmen dieses Berichts
Räte zu einem «Stammtisch der Kantone» ein mit dem
kann nur eine allgemeine Einschätzung gegeben und auf
Ziel, die Beziehungen zu den eidgenössischen Parlamen-
einige Tendenzen hingewiesen werden.
tarierinnen und Parlamentariern zu pflegen (Ständeräte
sowie ehemalige Regierungsmitglieder des Nationalrats)
Beispiele im Bereich Gesundheitspolitik
und den Meinungsaustausch zu intensivieren. Zweimal
Mit den weiter oben aufgeführten Gremien und Instru-
pro Jahr findet ausserdem eine Zusammenkunft zwischen
menten können die Kantone zwar politische Prozesse
dem Büro des Ständerates und dem Leitenden Ausschuss
auslösen. Dabei handelt es sich aber mehrheitlich um Ak-
der KdK statt, um unter anderem aktuelle politische Fra-
tionen einzelner Kantone, und nicht um kollektive kanto-
gen zu diskutieren. Ebenfalls als Zeichen eines stärker
nale Handlungen mit dem Ziel, aktiv auf die Gesundheits-
werdenden kollektiven Bewusstseins der Kantone zu wer-
politik auf eidgenössischer Ebene einzuwirken. Als ein
ten ist der erstmalige und dann gleich auch erfolgreiche
Beispiel mögen die Standesinitiativen der Kantone Solo-
Gebrauch des Ständereferendums im Jahr 2005 durch elf
thurn, Basel-Landschaft und Zürich zur Legalisierung der
Kantone gegen das Steuerpaket des Bundes. Auch für den
Cannabisprodukte (SO 1992) bzw. zur Neuregelung von
kontrovers diskutierten Bereich der Spitalfinanzierung ha-
Cannabisprodukten im Betäubungsmittelgesetz (BL 1997,
ben die Kantone das Ständereferendum als mögliche Op-
ZH 1998) dienen. Der Nationalrat hatte allen drei Stan-
tion in Erwägung gezogen. In der Folge wurden die Kan-
desinitiativen 1999 Folge gegeben, der Ständerat im Jahre
tone über einen ständerätlichen Kommissionsvorschlag
2000 nur den Initiativen der Kantone Zürich und Basel-
zur Spitalfinanzierung gesondert vernehmlasst. Aufgrund
Landschaft. 12 Jahre nach Einreichen der Initiative des
der deutlichen Opposition der Kantone haben letztere an-
Kantons BL lehnte es der Nationalrat im Jahr 2004 ab, auf
geboten, mit der Kommission und dem Bundesrat neue
die Vorlage des Bundesrates zur Revision des Betäubungs-
konsensfähige Lösungen zu suchen.
mittelgesetzes einzutreten. Auch die Standesinitiative des
71 Lüthi, Ruth, «Das Parlament», in: Ulrich Klöti et al. (Hrsg.) Handbuch
der Schweizer Politik. Zürich: NZZ Verlag. 3. überarb. Aufl. S. 132–158,
2002.
134
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 6
Mitwirkung der Kantone im vorparlamentarischen
Verfahren
Bis 2005 war das Vernehmlassungsverfahren nur auf Ver-
In der Schweiz berührt die Rechtsetzung auf Bundesebene
den Vorgaben der neuen Bundesverfassung. Zudem wur-
zwangsläufig Fragen der Aufgabenteilung und Zusammen-
de das traditionelle Vernehmlassungsverfahren von den
arbeit zwischen Bund und Kantonen, sind letztere doch in
Kantonen dahingehend kritisiert, dass es sie zu wenig in
der Regel für den Vollzug der Bundesgesetze zuständig.
die Willensbildung des Bundes einbeziehe und dadurch
Angesichts der umfassenden rechtlichen Kompetenzen
ein optimaler Vollzug nicht gegeben sei.74 Nachfolgend
der Kantone in Gesundheitsfragen und der schwachen
sollen angesichts der Bedeutung der Vernehmlassung als
Strukturen in der Zusammenarbeit zwischen Bund und
vertrauensbildende Massnahme in der Beziehung zwi-
Kantonen sollte es im Interesse des Bundes liegen, die
schen Bund und Kantonen und damit auch für eine na-
Kantone als gleichberechtigte Partner in der vorparla-
tionale Gesundheitspolitik die Schwachstellen des alten
mentarischen Phase an gesetzgeberischen Prozessen zu
Vernehmlassungsverfahren aufgezeigt und das Potential
beteiligen. Dazu steht im Sinne einer vertrauensbildenden
des neuen Vernehmlassungsgesetzes gewürdigt werden.
Referenzrahmen
Teil
I
ordnungsstufe geregelt. Damit entsprach es nicht mehr
Zusammenarbeit
Teil
II
Massnahme insbesondere das Vernehmlassungsverfahren
Vernehmlassungsverfahren und Qualität des Vollzugs von
Vernehmlassungen
Verfassungsartikeln, Bundesgesetzen und Verordnungen
Das klassische Instrument der Mitwirkung ausserparla-
durch die Kantone sind miteinander verhängt. An dieser
mentarischer Akteure im vorparlamentarischen Gesetzes­
Stelle sei daran erinnert, dass das Bundesparlament seit
prozess ist das Vernehmlassungsverfahren. Ziel von Ver-
1985 rund 20 neue Gesetze im Bereich Gesundheit ver-
nehmlassungen ist es, unter den politischen Akteuren zur
abschiedet hat, darunter das Krankenversicherungsgesetz
Konsensfindung beizutragen. Diese Funktion bestätigt
(KVG). Was letzteres anbelangt, gibt es Vollzugsprobleme,
eine Studie, die im Auftrag der Parlamentsdienste der
unter anderem bei der obligatorischen Spitalplanung,
Schweizerischen Bundesversammlung 1998 durchgeführt
der Prämienverbilligung oder der Umsetzung präventiver
wurde. Darin heisst es: «Insbesondere wenn der Vor-
Leistungen gemäss KVG.
entwurf im Vernehmlassungsverfahren auf breite Kritik
Mit Blick auf den Vollzug von Bundespolitiken schreibt
stiess, diese jedoch im Bundesratsentwurf kaum berück-
die Parlamentarische Verwaltungskontrollstelle (PVK) in
sichtigt wurde, und die ins Parlament gelangte Vorlage die
ihrem Schlussbericht aus dem Jahr 1997, dass Vollzugsde-
wichtigen Kompromisse nicht enthielt, wurde die Vorlage
fizite oft auf eine unklare Kompetenzverteilung zwischen
sehr oft und nachhaltig verändert. Die Umkehrung lässt
Bund und Kantonen, manchmal auf eine ungenügende
sich nicht mit der gleichen Dringlichkeit aufzeigen.»72
horizontale Koordination, Heterogenität der kantonalen
Untersuchungen hingegen belegen eine andere Realität
Verwaltungen, prekäre Bundesfinanzen, zu detaillierte
– nämlich, dass den zuständigen Bundesstellen, Experten
Bundesgesetzgebung, ungenügende Berücksichtigung der
und referendumsfähigen Interessenverbänden generell
regionalen Besonderheiten und auf eine lückenhafte Auf-
eine stärkere Stellung in Vernehmlassungsverfahren zuge-
sicht über einen wirksamen kantonalen Vollzug zurück-
billigt wird als den Kantonen oder politischen Parteien.
73
zuführen seien.75 Im System des Vollzugsföderalismus,
Mit Blick auf diese Einschätzung könnte die bewusstere
verzichtet der Bund – auch im Sektor Gesundheit – fast
Handhabung des Vernehmlassungsverfahrens im Sinne ei-
vollständig auf einen eigenen Verwaltungsapparat für die
ner vertrauensbildenden Massnahme nicht unwesentlich
Umsetzung seiner Programme. Diese Aufgabe ist den Kan-
zu einer Kultur der Zusammenarbeit zwischen Bund und
tonen zugedacht. Obwohl die Kantone, als Vollzugsbehör-
Kantonen auf der Basis des kooperativen Föderalismus
den, der Aufsicht des Bundes unterstehen, verfügen sie
beitragen.
72 Schweizerische Bundesversammlung: ein aktives Gesetzgebungsorgan.
Eine empirische Untersuchung des Gesetzgebungsprozesses in den
Jahren 1995–97. Bern, Herbst 1998, S. 84.
73 Ulrich KLÖTI et al., Handbuch der Schweizer Politik, 3. überarbeitete
Auflage (2002), S. 93–94.
Teil
III
Perspektiven
Vollzugstauglichkeit von Bundeserlassen
zur Verfügung.
74 Vollzug von Bundespolitiken und Vernehmlassung der Kantone.
Schlussbericht der parlamentarischen Verwaltungskontrolle (PVK) zuhanden der Sektion «Wirksamkeit» (S-H3) der Geschäftprüfungskommission des Ständerats (1997).
75 Vollzug von Bundespolitiken und Vernehmlassung der Kantone.
Schlussbericht der Parlamentarischen Verwaltungskontrollstelle
(PVK) zuhanden der Sektion «Wirksamkeit» (S-H3) der Geschäftsprüfungskommission des Ständerates vom 20. März 1997, S. 20.
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 6
135
Referenzrahmen
Teil
I
Zusammenarbeit
Teil
II
über einen beträchtlichen Freiraum in der Umsetzung von
klausel im ambulanten Bereich» (2000). Seit 2003 wird
Bundesgesetzen dank ihrer eigenen Ausführungsgesetz-
der Dialog zwischen Bund und Kantonen zur Nationalen
gebung, die keiner Bundeskontrolle untersteht.
Gesundheitspolitik unter anderem auch für informelle
Aufgrund der unbefriedigenden Situation im Vernehm-
Konsultationen benutzt.
lassungsprozess schlug die Parlamentarische Verwal-
Vorvernehmlassungen könnten in eine stärker ausgestal-
tungskontrolle 1996 deshalb zuhanden der Geschäftsprü-
tete Zusammenarbeit münden, zum Beispiel in die ge-
fungskommission des Ständerates vor, das traditionelle
meinsame Ausarbeitung von Erlassentwürfen und/oder
Vernehmlassungsverfahren unter Berücksichtigung fol-
die gemeinsame Bereinigung von Vernehmlassungsergeb-
gender Vorschläge zu revidieren:
nissen.
■
eine genügend lange Frist für Stellungnahmen zu gewähren
■
■
Perspektiven
Teil
III
gültigen Kriterien festzulegen
Bundesgesetze und ihre Folgen
für die Wirtschaft
die Kantone frühzeitig über voraussichtliche Vollzugs-
Was den Wirtschaftssektor anbelangt, ist der Bund für
bestimmungen zu orientieren und die Kantone recht-
mögliche Auswirkungen entsprechender Bundesge-
zeitig einzubinden.
setze sensibilisiert. Seit 1999 muss bei allen neuen und
eine Gewichtung der Stellungnahmen nach allgemein-
zu revidierenden rechtlichen Erlassen auf Stufe VerfasDamit liesse sich auch die Vollzugserfahrung der Kantone
sung, Gesetz und Verordnungen eine so genannte Re-
nutzen.
gulierungsfolgenabschätzung (RFA) durchgeführt werden. Die RFA beinhaltet die systematische Prüfung der
Vorvernehmlassungen
volkswirtschaftlichen Wirkungen neuer Regulierungen.
In der Regel wird der Bundesrat mit der Ausarbeitung
Ziel der RFA ist es unter anderem, die Wirtschaft von
von Vorentwürfen zu Bundeserlassen betraut. So hat
Kostenfolgen neuer Regulierungen zu entlasten. Ein
die Bundesversammlung zwischen 1995 und 1997 162
ähnliches Instrument könnte auch den Bedürfnissen
Erlasse verabschiedet. Davon wurden 17 mit externen
des föderalen Systems dienen, indem die Anwendbar-
Fachleuten und/oder den Kantonen, der weit überwie-
keit von Bundesgesetzen überprüft und deren Folgen
gende Teil dagegen verwaltungsintern erarbeitet.76 Seit
für die Kantone abgeschätzt würden.
den 1990er-Jahren sind aber im Vorfeld der eigentlichen
Vernehmlassungen so genannte Vorvernehmlassungen
zu beobachten. Bei Vorvernehmlassungen handelt es
Neuregelung des Vernehmlassungsverfahrens
sich um informelle Kontakte, bei denen mit relevanten
In der Zwischenzeit wurde das Vernehmlassungsverfahren
Fachstellen, Kantonen, Fachdirektorenkonferenzen oder
revidiert. Das ab September 2005 geltende Bundesgesetz
ausserparlamentarischen Kommissionen die Grundsätze
über das Vernehmlassungsverfahren enthält folgendes
eines Gesetzesentwurfs besprochen, die Probleme aufge-
Verbesserungspotential mit Blick auf die politische Mit-
listet und die Vollzugsaspekte vor der Ausarbeitung des
wirkung der Kantone und die Umsetzung von Erlassen
Erlasses geprüft werden. Damit stellen Vorvernehmlas-
durch die Kantone:
sungen einen möglichen Weg dar, in einer frühen Phase
■
Einbezug der gesamtschweizerischen Dachverbände
einen Grundkonsens über die Stossrichtung eines zukünf-
von Kantonen, Gemeinden, Städten sowie der Bergge-
tigen Gesetzes und seiner Vollzugsaspekte zu finden.77
biete: Mit dem Einbezug dieser gesamtschweizerischen
Der Bund hat das Instrument der Vorvernehmlassung im
Dachverbände als ständige Vernehmlassungsadres-
Sektor Gesundheit bis jetzt nur punktuell und sporadisch
saten wird sichergestellt, dass diese bei sämtlichen Ver-
angewendet (z. B. Runder Tisch zum Thema «Bedürfnis-
nehmlassungsverfahren des Bundes begrüsst werden,
und ein Anreiz zur vermehrten Einreichung von koor-
76 Dieter BIEDERMANN, Die verwaltungsinterne Erarbeitung: das Behindertengesetz, in: LEGES 2002/3, S. 23–33.
77 Siehe hierzu: Vollzug von Bundespolitiken und Vernehmlassung der
Kantone. Schlussbericht der parlamentarischen Verwaltungskontrolle
(PVK) zuhanden der Sektion «Wirksamkeit» (S-H3) der Geschäftsprüfungskommission des Ständerats (1997), S. 12 ff.
136
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 6
dinierten und konsolidierten Stellungnahmen besteht.
Dieser institutionalisierte Einbezug soll zur Verbesserung der Vollzugstauglichkeit von Bundesmassnahmen
und zur Umsetzung der allgemeinen Mitwirkungs- und
■
Städte und Berggebiete beitragen.
Mit der Neuregelung der Vernehmlassung sind auf der
Vernehmlassungsverfahren zu Verordnungserlassen:
rechtlichen Ebene die Voraussetzungen für einen besseren
Dieses ist bei den Kantonen durchzuführen, wenn sie
Einbezug der Kantone in den politischen Mitwirkungspro-
in erheblichem Mass betroffen sind. Damit kann dem
zess auf Bundesebene geschaffen worden. Im politischen
föderalistischen Anliegen Rechnung getragen werden.
Alltag kann man gegenwärtig beobachten, dass Bund und
Koordination aller Vernehmlassungen durch die Bundes-
Kantone über Vernehmlassungen und konsolidierten Stel-
kanzlei: Um die Vernehmlassungsadressaten von einer
lungnahmen im hier relevanten Bereich Gesundheitspoli-
zeitlichen Häufung zahlreicher Vernehmlassungsver-
tik das Gespräch miteinander suchen. Da die Meinungs-
fahren zu entlasten und die Qualität bei allen Vernehm-
äusserung bei einer konferenziellen Vernehmlassung, an
lassungen des Bundes einheitlich zu gewährleisten, ist
der alle relevanten Akteure teilnehmen, eingeschränkt ist,
die Bundeskanzlei neu gesetzlich dazu verpflichtet,
erhielten die Kantone nach dem Scheitern der KVG-Re-
die Verfahren zu koordinieren. Fristverkürzungen zur
vision im Parlament Ende 2003 zum Neustart der KVG-
Einreichung von Stellungnahmen sowie konferenzielle
Revision im April 2004 auf ihr Verlangen hin eine eigene
Vernehmlassungen sind nur noch ausnahmsweise und
Anhörung beim Vorsteher des Departements des Innern.
bei Dringlichkeit zulässig, da die Meinungsäusserung
Erwähnt sei zudem die konsolidierte Stellungnahme der
bei solchen Konferenzen eingeschränkt ist.
Kantone in Sachen Pflegefinanzierung (Februar 2005).
Keine Gewichtung der Stellungnahmen: Eine Gewich-
Auch bei der Spitalfinanzierung, ebenfalls Teil der neu lan-
tung der eingereichten Stellungnahmen findet nicht
cierten KVG-Revision, konnten die Kantone ihre Position
statt. Wie der Bundesrat jedoch in seiner Botschaft
im Rahmen von speziellen Vernehmlassungen darlegen,
zum Entwurf festhält, hat er die Departemente ange-
unter anderem mit einer konsolidierten Stellungnahme
Teil
II
Zusammenarbeit
■
Würdigung
Teil
III
Perspektiven
■
Anhörungsrechte der Kantone, sowie der Gemeinden,
Referenzrahmen
Teil
I
halten, im Hinblick auf die Verbesserung der Vollzugstauglichkeit von Bundesmassnahmen den Stellungnahmen der Kantone besondere Bedeutung beizumessen,
Paritätische Erarbeitung von Erlassentwürfen
soweit es um Fragen des Vollzugs geht. Eine gewisse
Die paritätische Erarbeitung von Gesetzen durch Bund
Hilfe bei der Abschätzung und Vermeidung möglicher
und Kantone erfolgte unter anderem in folgenden Be-
Vollzugsprobleme bieten bundesintern die Ämterkon-
reichen:
sultationen und Mitberichtsverfahren (siehe hierzu
■
auch Kapitel 4). Darüber hinaus sollen entsprechende
und die Kantone im Rahmen der Verfassungsreform
Weisungen des Bundesrates an die Verwaltung durch
die Bundeskanzlei, unter Mitwirkung des EJPD erar-
Vorbereitung der Bestimmungen über den Bund
(1990er Jahre), in Kraft seit 1. 1. 2000.
■
beitet werden.78
Bundesgesetz vom 22. 12. 1999 über die Mitwirkung
der Kantone an der Aussenpolitik des Bundes, in Kraft seit 1. 7. 2000.
Zusätzlich verlangt Artikel 141 Absatz 2f des Bundesge-
■
Verfassungsänderung: Neugestaltung des Finanz-
setzes über die Bundesversammlung (Parlamentsgesetz –
ausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund
ParlG, 2002), dass der Bundesrat in der Botschaft die per-
und Kantonen (NFA), in der Volksabstimmung vom
sonellen und finanziellen Auswirkungen des Erlasses und
28. 11. 2004 angenommen, in Kraft setzen geplant
seines Vollzugs auf Bund, Kantone und Gemeinden sowie
auf 2008; gemeinsame Projektorganisation Bund/
die Art und Weise der Kostendeckung, der Einfluss auf die
Kantone in den 1990er-Jahren. Bund und Kantone
Finanzplanung und das Verhältnis von Kosten und Nutzen
haben das Projekt als vorbildlichen Prozess bezeich-
erläutert.
net, den sie gemeinsam konzipiert und ausgestaltet
haben.
■
Vernehmlassungsentwürfe für einen neuen Hoch-
■
Bundesgesetz über die Landessprachen und die Ver-
schulartikel in der Bundesverfassung
78 Siehe hierzu: Bundesamt für Justiz: Gesetzgebungsleitfaden. Leitfaden
für die Ausarbeitung von Erlassen des Bundes. 2., überarbeitete Auflage. Bern, 2002, S. 142.
ständigung zwischen den Sprachgemeinschaften
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 6
137
Referenzrahmen
Teil
I
Zusammenarbeit
Teil
II
(KdK, GDK, FDK) zum ständerätlichen Vorschlag der Spi-
sollten aus deren Sicht auf nationaler Ebene, das heisst,
talfinanzierung. Schliesslich diskutieren Bund und Kan-
zwischen Bund und Kantonen, besprochen werden?
tone gesundheitspolitisch aktuelle Themen im seit 2004
Es gibt bis jetzt keine Anläufe des Bundes und der Kan-
bestehenden Dialog zwischen Bund und Kantonen zur Na-
tone, um diejenigen Handlungsfelder zu identifizieren,
tionalen Gesundheitspolitik (siehe hierzu auch Abschnitt
die aus gesundheitspolitischer Sicht einer besonderen
6.4). Solche informellen und formellen Vernehmlassungen
vertikalen Zusammenarbeit bedürfen. Nachfolgend findet
können als Anreize an die Adresse der Kantone und der
sich eine Zusammenstellung derjenigen Themen, die die
Bundesstellen gelten, ihre Positionen zu einem Bundesge-
Kantone mit dem Bund gemeinsam besprechen möchten.
setz oder zu einer Gesetzesrevision in einer frühen Phase
Diese Liste stützt sich auf drei Quellen:
zu konsolidieren und zu koordinieren.
1. Umfrage im Anschluss an die Plenarversammlung der
Schweizerischen Konferenz der kantonalen Sanitätsdirektorinnen und -direktoren (SDK) vom 22. 5. 2003.
Perspektiven
Teil
III
Erarbeitung von gesundheitsrelevanten Erlas­
sen unter Einbezug der Kantone (Stand: 2006)
Ergebnisse der Umfrage. Unveröffentlichtes Papier der
■
Bundesgesetz über die Berufsbildung (in Kraft seit
(NGP 2003).
■
Revision des Bundesgesetzes über die Fachhoch-
2003–2007 des Bundes. Konsolidierte Stellungnahme
schulen (in Kraft seit 2005)
zum Grundlagenpapier des Bundesrates, verabschiedet
■
Bundesgesetz über die Medizinalberufe (in Bera-
an der Plenarversammlung der KdK vom 3.10. 2003 im
tung im Parlament)
Hinblick auf die Aussprache vom 28. November 2003
■
Psychologieberufegesetz (in Vorbereitung)
zwischen dem Bundesrat und den Kantonsregierungen
2002)
Projektleitung Nationale Gesundheitspolitik Schweiz
2. Konferenz der Kantonsregierungen: Legislaturplanung
(KdK 2003).
3. Die Positionen von Kantonsvertretern zur Nationalen
Gesundheitspolitik, die in den 9 Kantonsporträts in
Band 2 dieser Publikation festgehalten sind (NGP
6.3 Themenzentrierte Schnittstellen
Bund–Kantone
2004–05).
Eine Themenliste mit Erwartungen des Bundes an die
Wie zu Beginn des Kapitels bereits festgehalten, nehmen
Kantone gibt es bis jetzt noch nicht. Hingegen gibt es das
Bund und Kantone in vielen Bereichen der Gesundheit
Legislaturprogramm des Bundesrates, die Jahresziele der
auf Grund der stattgefundenen Aufgabenverflechtung der
Departemente und Bundesämter sowie die Visionen und
letzten Jahrzehnte parallele, gemeinsame oder sich über-
Gesamtstrategien der Bundesämter. Im Anhang zu Kapi-
schneidende Aufgaben wahr. Ansätze für eine gemeinsame
tel 6 findet sich eine vergleichende Gegenüberstellung der
Politikformulierung zwischen Bund und Kantonen gibt es
Erwartungen der Kantone mit den Visionen, Zielen und
jedoch nur in einem sehr begrenzten Masse. Der Prozess
Strategien des Bundes. Dabei handelt es sich nicht um
der Aufgabenverflechtung drückt sich in unterschied-
eine systematische Auswertung der zitierten Quellen. Die­
lichen Zusammenarbeitsformen zwischen Bund und Kan-
se Arbeit ist für eine zukünftige nationale Gesundheitspo-
tonen aus. Nachfolgend werden Beispiele für folgende Be-
litik noch zu leisten.
reiche gegeben: gesundheitspolitische Planungsprozesse,
Gesundheitsförderung und Prävention, Verbraucher- und
Planungsprozesse zwischen Bund und Kantonen
Gesundheitsschutz, Gesundheitsversorgung sowie Ausbil-
Politisch verbindliche Planungsprozesse zwischen Bund
dung in den Gesundheitsberufen.
und Kantonen gibt es keine in der Schweiz. Seit einigen
Jahren lassen sich jedoch Prozesse beobachten, die den
138
Gesundheitspolitik auf nationaler Ebene:
Positionen und Planungsprozesse
Kantonen die Möglichkeit bieten, ihre Meinung zu gesund-
Welche Themen und Probleme im Bereich Gesundheit be-
gen: die Anhörung der Kantone zur bundesrätlichen Legis-
schäftigen die Kantone und den Bund vorrangig? Welche
laturplanung (seit 1999) und die Teilnahme der Kantone
heitspolitischen Plänen und Zielen des Bundes einzubrin-
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 6
am Dialog zwischen Bund und Kantonen zur Nationalen
die Schweiz, an ihre jeweiligen Bedürfnisse anpassen.
Gesundheitspolitik (seit 2004). Zwischen 1992 und 1997
Drei Mal liess die Schweiz ihre Gesundheitsziele durch
konnten die Kantone auch an der Erarbeitung nationaler
die WHO evaluieren – 1992, 1995 und 1997. Seither hat
Gesundheitsziele auf der Basis der WHO-Gesundheitsziele
keine Evaluation der Zielerreichung mehr stattgefun-
mitarbeiten. Diese waren allerdings nicht verbindlich und
den. Die aktuelle Version «21 Gesundheitsziele für die
ein solcher Prozess hat seither nicht mehr stattgefunden.
Schweiz» wurde von Fachleuten der Schweizerischen
Referenzrahmen
Teil
I
Teil
II
WHO-basierte Gesundheitsziele für die Schweiz
-direktoren (GDK), des Bundesamts für Gesundheit, des
Gesundheitsziele können ein Instrument sein, um Priori-
Vereins Public Health Schweiz und von Gesundheitsförde-
täten in der Gesundheitspolitik festzulegen. Die Diskus-
rung Schweiz 2001 erarbeitet. Die Gesundheitsziele gelten
sion von Gesundheitszielen begann 1978 durch das von
jedoch nicht als verbindliches Planungsinstrument für die
der Weltgesundheitsorganisation (WHO) verabschiedete
politischen Entscheidungsträger.
Zusammenarbeit
Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und
Ziele-Programm «Health for All by the year 2000». Seit
Gesundheitsbehörde in regelmässigen Abständen Ge-
Anhörung der Kantone zum Legislaturprogramm
des Bundesrats
sundheitsziele, die die WHO-Mitgliedstaaten, darunter
Die Kantonsregierungen wurden ein erstes Mal im Juni
diesem Zeitpunkt formuliert die WHO als internationale
1999 eingeladen, den Planungsprozess der bundesrät-
Teil
III
Die Plenarversammlung der KdK nahm dieses Angebot
Kantonale Delegierte in der Bundesverwaltung gibt es
ferenziell zu beraten. Hierzu verabschiedete die Plenar-
im Integrationsbüro, in der Schweizer Mission in Brüs-
versammlung vom Oktober 1999 ein Grundlagenpapier,
sel, im EJPD im Zusammenhang mit Schengen/Dublin
welches dem Bundesrat an der Anhörung vom 25. Novem-
und schliesslich im Finanzdepartement. Hier haben
ber 1999 überreicht wurde. Auch zur Vorbereitung der
sie Zugang zu Informationen, die für die Kantone von
Legislaturplanung 2003–2007 hatte der Bundesrat am Fö-
Perspektiven
lichen Legislaturplanung 1999–2003 aktiv zu begleiten.
Informations- und Erfahrungsaustausch:
Delegierte der Kantone bzw. des Bundes
an und beschloss, die Ziele des Bundesrates mit ihm kon-
Interesse sein könnten. Die grösseren Kantone leisten
deralismus-Dialog vom 3. Oktober 2002 einen konkreten
sich zudem einen Delegierten für Aussenbeziehungen
Vorschlag für den Einbezug der Kantone in die Legisla-
(Bund, andere Kantone, Ausland) in ihren kantonalen
turplanung 2003–2007 unterbreitet. In der Folge erarbei-
Verwaltungen.
teten die Kantone für die Aussprache mit dem Bundesrat
Der Bund seinerseits hat 2005 die Stelle eines Dele-
über die Legislaturplanung 2003–2007 eine konsolidierte
gierten für kantonale Finanzfragen im Eidg. Finanz-
Stellungnahme zum bundesrätlichen Grundlagenpapier.
departement eingerichtet. Die Schaffung der Stelle ist
Die KdK hatte dieser Form des Austauschs zwischen
zum einen als Reaktion auf die Annahme der Neuge-
Bund und Kantonen eine hohe Bedeutung beigemessen,
staltung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung
empfand jedoch das letzte Grundlagenpapier des Bundes-
zwischen Bund und Kantonen (NFA), zum zweiten aber
rates als zu allgemein und zu abstrakt, um auf dieser Basis
auch als Antwort auf das erfolgreich lancierte Referen-
in einer anschliessenden Diskussion zwischen Bund und
dum der Kantonsregierungen gegen das Steuerpaket
Kantonen fassbare Ergebnisse erzielen zu können.79 Ihrem
des Bundes zu werten. Der Delegierte soll die Kontakte
Wunsch, den Politikbereich Sozial- und Gesundheitspo-
zu den Kantonen bei finanzpolitischen Themen inten-
litik als eigenständigen Themenbereich aufzuführen, hat
sivieren. Zudem wird er dann den Kontakt zum Parla-
der Bundesrat aber entsprochen.
ment intensivieren, wenn es um gemeinsame Belange
von Bund und Kantonen geht. Ausserdem hatte der
Bundesrat 2005 zwar die Entsendung eines Informa­
tionsbeauftragten des Bundes ins Sekretariat der Konferenz der Kantonsregierungen (KdK) diskutiert, auf
diesen Schritt dann aber verzichtet.
79 Legislaturplanung 2003–2007 des Bundes: Konsolidierte Stellungnahme zum Grundlagenpapier des Bundesrates, verabschiedet an der
Plenarversammlung der KdK vom 3. Oktober 2003 im Hinblick auf die
Aussprache vom 28. November 2003 zwischen dem Bundesrat und den
Kantonsregierungen, S. 2–3.
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 6
139
Referenzrahmen
Teil
I
Tabelle 23: Erwartungen der Kantone an und Themen für eine nationale Gesundheitspolitik (ab 2002)
Alterspolitik
■ Vertiefung des Themas Altern und Gesundheit (NGP 2003).
■ Klärung der Verantwortlichkeiten des Bundes, der Kantone, der Gemeinden und der privaten Organi­
sationen im Bereich Alter. Mit Blick auf die Einführung der Neuregelung der Finanzen und der Aufgaben­
teilung zwischen Bund und Kantonen (NFA) sind die Bestrebungen von Bund und Kantonen bei der
Hilfe und Pflege von Betagten und Behinderten zu koordinieren, um das Netz der sozialen Hilfe generell
zu stärken (KdK 2003).
■ Neuregelung der Pflegeheimfinanzierung als vordringliches Geschäft der nächsten KVG-Revision (KdK
2003).
■ Versorgung von Langzeitpatientinnen und -patienten; Nachbetreuung und Übergangspflege; Finanzierung der Langzeitpflege (NGP 2003).
■ Sicherstellung einer qualitativ guten aber auch finanzierbaren Gesundheitsversorgung der älteren Bevölkerung (KdK 2003).
Zusammenarbeit
Teil
II
Teil
III
Arbeitsgesetz
■ Auswirkungen des Arbeitsgesetzes auf die Lohnkosten des Personals im Gesundheitssektor (NGP 2003).
E-Health
■ Elektronisch verknüpfte Patientendossiers oder Gesundheitskarten (NGP 2003).
Hochschulmedizin
■ Universitäre Ausbildung: Schwerpunktbildung der medizinischen Fakultäten (NGP 2003).
Gesundheitsstatistik
■ Verbesserung der statistischen Vergleichbarkeit der Kantone; Harmonisierung der Gesundheitsdaten;
aussagekräftige Datenerhebung, insbesondere mit Blick auf die Erfassung von Patientenströmen; Messinstrumente zur Effizienz der sozial-medizinischen Einrichtungen (NGP 2003).
Perspektiven
Gesundheitsförderung
und Prävention
■ Schnittstellen zwischen Bund und Kantonen von nationaler Reichweite im Bereich der Gesundheitsför-
■
■
■
■
Gesundheitsschutz
derung und Prävention sollten auf nationaler Ebene besprochen werden, z. B. Werbeverbot für Tabakprodukte (NGP 2004–05).
Programme des Bundes: Konzipieren und Umsetzen in Zusammenarbeit mit den Kantonen. Die Koordination solcher Programme ist insbesondere für kleine Kantone aus Gründen der Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit zwingend. In diesem Kontext sollten auch Umsetzungsstrategien nach Regionen geprüft
werden. Dies würde den besseren Einbezug regionaler Zusammenarbeitsgremien wie die regionalen
Gesundheits- und Sozialdirektorenkonferenzen erlauben (NGP 2004–05).
Stärkung der Gesundheitsförderung, um Gesundheitskosten möglichst tief zu halten (KdK 2003).
Information der Bevölkerung: Den Kantonen sollten 50% der Mittel der Gesundheitsförderung Schweiz
(GF-CH) zur Verfügung stehen. Allgemeine Rahmenbedingungen für die Verwendung der Mittel sind zu
vereinbaren (NGP 2004–05).
Themen für eine nationale Präventionspolitik: Früherkennung von Brustkrebs; Strategie «Psychische
Gesundheit»; Tabakprävention, Alkoholprävention, Regelung des Konsums von Cannabis; Arbeitswelt
und veränderte Lebensgewohnheiten; Umwelt und Gesundheit; Zukunft der 21 Gesundheitsziele (NGP
2003); Arbeitssicherheit, Rauchen, Krebserkrankung, psychische Gesundheit (KdK 2003).
■ Absprachen zwischen Bund und Kantonen bezüglich der wichtigsten Massnahmen im Falle einer Epide-
mie (NGP 2004–05).
Invalidität
■ Stärkung der interinstitutionellen Zusammenarbeit unter Krankenversicherungen, Krankentaggeldversi-
cherungen, Unfallversicherungen, Unfalltaggeldversicherungen; Arbeitgeber und Invalidenversicherung
mit dem gemeinsamen Ziel, die Integrationschancen zu erhöhen (KdK 2003).
KVG
■ Deckung der Gesundheitskosten in der Krankenversicherung durch angemessene rechtliche Instru-
mente, die durch Bund und Kantone gemeinsam zu entwickeln sind (KdK 2003).
■ Kostentransparente Gestaltung der Finanzierungssysteme im Gesundheitswesen; Nachhaltigkeit der
verschiedenen stationären Vergütungssysteme thematisieren (KdK 2003).
■ Entwicklung neuer Modelle für die Krankenpflegegrundversicherung im Sinne eines kostenbewussten
Konsums; Stärkung der Selbstständigkeit und -verantwortung durch geeignete – vor allem auch monetäre – Anreize; Förderung der solidarischen Selbsthilfe (KdK 2003).
■ Schaffung der gesetzlichen Grundlagen für den Ausschluss wirtschaftlich nicht vertretbarer Leistungen
aus der Leistungspflicht. Bedeutung von evidence based-medicine (Umfrage 2003).
■ Transparenz in den Rahmenbedingungen auf Bundesebene für die KVG-Revision; Kontrahierungszwang
(NGP 2003).
■ Klärung der Frage nach sinnvollen Standards und Leistungen im Gesundheitsbereich (KdK 2003).
140
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 6
Nationale
Gesundheitspolitik
Planung des Angebots
Referenzrahmen
Teil
I
■ Grundsatzdiskussion über die Planung eines nationalen Gesundheitssystems, das sich auf die vier Säulen
Gesundheitsförderung und Prävention, Gesundheitsschutz, Gesundheitsversorgung und Finanzierung
einer solchen globalen Politik stützt; Einbezug von NGOs und weiterer interessierter Gremien (NGP
2004–05).
■ Spitalplanung: Rechtsprechung des Bundes bei Spitallisten und Tarifen; Spitalfinanzierung; Managed
Teil
II
Qualitätssicherung
■ Qualität im stationären Gesundheitssektor sichern (NGP 2003).
Wissensmanagement
■ Instrument schaffen, damit gemeinsame Projekte auf regionaler Ebene und punktuelle Zusammenar-
Zusammenarbeit
Care; einheitliche Planungskriterien für den stationären Bereich; Tarifstruktur der somatischen Akut­
spitäler (NGP 2003).
■ Ambulante Versorgung: Planung der ambulanten Versorgung (NGP 2003).
■ Koordination der spitzenmedizinischen Leistungen (NGP 2003).
beitsprojekte allen Kantonen und dem Bund bekannt sind (NGP 2004–05).
■ Fundierte Analysen von Systemen und Systemveränderungen im Bereich des Gesundheitswesens; Auf-
zeigen der praktischen Folgen von politischen Prozessen und Systemveränderungen auf allen Ebenen
(NGP 2004-05).
Zusammenarbeit
Bund–Kantone
■ Direkte Gespräche: Die Kantone werten direkte Gespräche als vertrauensfördernde Massnahmen in der
Beziehung zum Bund (NGP 2004–05).
Teil
III
■ Rahmengesetz: Festlegen der Kompetenzen der verschiedenen staatspolitischen Ebenen im Gesund-
■
■
■
Dialog zwischen Bund und Kantonen
zur Nationalen Gesundheitspolitik
vierteljährlich stattfindenden Plenarversammlungen der
Seit Anfang 2004 treffen sich regelmässig auf Regie-
schaftlichen Planung gesundheitspolitisch relevanter Dos-
rungs- und Fachebene Vertreter/innen des Bundes und
siers, sondern dem gegenseitigen Informationsaustausch.
Perspektiven
■
heitsbereich und die Formen der Zusammenarbeit. Wo braucht es kantonale, interkantonale bzw. nationale Lösungen? Prüfen, ob die NFA als Vorbild für eine Neuverteilung der Aufgaben im Sektor Gesundheit dienen kann (NGP 2004–05).
Good practice: Der Bund sollte die guten Ideen und Projekte der Kantone für Vorhaben auf nationaler
Ebene nutzen (NGP 2004–05).
Vorvernehmlassung: Prüfung von politischen Entscheiden auf Bundesebene und deren Auswirkungen
auf Leistung, Kosten und Umsetzung in den Kantonen. Mit Blick auf die Umsetzung von Bundesrecht
wünschen die Kantone, dass das federführende Bundesamt für Gesundheit die Erfahrungen der Kantone
in Umsetzungsfragen berücksichtigt (NGP 2004–05).
Zur Sicherung eines hohen Niveaus der medizinischen Grundversorgung ist die Zusammenarbeit von
Bund und Kantonen in den Bereichen Bildung und Forschung weiter zu stärken (KdK 2003).
Vorbereitung der KVG-Geschäfte gemeinsam durch Bund und Kantone (NGP 2004–05)
KdK. Diese Kontakte dienen jedoch nicht der partner-
der Kantone, um aktuelle gesundheitspolitische Fragen
insbesondere zur Gesundheitsversorgung zu diskutieren.
Sporadische Treffen
Ausführliche Informationen zum Dialog werden in Ab-
Darüber hinaus kam und kommt es auf Regierungsebene
schnitt 6.4 gegeben.
im Sektor Gesundheit je nach politischer Dringlichkeit immer wieder zu sporadischen und informellen Treffen, bei
Weitere regelmässige Kontakte zwischen Bund
und Kantonen
denen Bund und Kantone vor allem Themen der Kranken-
Zwei Mal im Jahr nimmt jeweils die Vorsteherin/der Vor-
Beispiel die damalige Bundesinnenministerin Ruth Drei-
steher des Eidgenössischen Departements des Innern an
fuss die wichtigsten Partner im Gesundheitswesen – da-
den Plenarversammlungen der schweizerischen Konferenz
runter die Kantone – zu einem Runden Tisch zum Thema
der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren
«Bedürfnisklausel im ambulanten Bereich» eingeladen.
(GDK) teil. Zudem ist ein Bundesrat auf Einladung der
Obwohl weitere solcher «Runden Tische» geplant waren,
Konferenz der Kantonsregierungen (KdK) Gast an den
blieb es bei dem einen. Im Vorfeld der 4. IV-Revision fan-
versicherung diskutieren. Im November 2000 hatte zum
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 6
141
Referenzrahmen
Teil
I
Teil
II
den weitere informelle Aussprachen mit den Kantonen
Rechtliche Ausgangssituation
statt. Auf Verlangen der Kantone erhielten diese nach dem
Der Bund kennt im Gegensatz zu den Kantonen kein Ge-
Scheitern der 2. KVG-Revision im Parlament im Jahr 2003
sundheitsgesetz, sondern regelt über zahlreiche Einzel-
eine eigene Anhörung beim Vorsteher des Departements
gesetze gesundheitsrelevante Bereiche, darunter auch
des Innern. Ihre abweichenden Vorschläge zu den Anträ-
einige der Prävention und Gesundheitsförderung (siehe
gen des Bundesrates wurden jedoch nicht berücksichtigt.
hierzu Teil V dieses Berichts). Möchte er seine Aktivitäten
Zusammenarbeit
ausdehnen, benötigt er eine neue rechtliche Grundlage
Teil
III
Ausblick
(Verfassungsgrundlage bzw. Bundesgesetz).
Als möglicher Ansatz für eine Gesamtplanung bzw. für den
Heute hat eine Mehrheit der Kantone Bestimmungen zur
Prozess der Zielformulierung und Priorisierung der Ziele
Gesundheitsförderung und Krankheitsprävention in ih-
zwischen Bund und Kantonen könnten neben der regel-
ren Kantonsverfassungen und/oder Gesundheitsgesetzen
mässigen Erhebung der gesundheitsrelevanten Ziele der
verankert. Darüber hinaus finden sich kantonale Visionen
Kantone und des Bundes strategische Führungsindika-
zu einer gesundheitsfördernden Gesamtpolitik in Verord-
toren im Sektor nationale Gesundheitspolitik dienen (sie­
nungen und Reglementen, in kantonalen Legislaturpro-
he hierzu auch Kapitel 4).
grammen, in regierungsrätlichen Richtlinien und Gesundheitsleitbildern oder in interkantonalen Vereinbarungen.
Gesundheitsförderung und Prävention
Einige dieser Strategiepapiere enthalten multisektorale
Ausgehend vom Prinzip der Subsidiarität liegen die Kom-
Ansätze wie Gesundheitsverträglichkeitsprüfungen.
Perspektiven
petenzen im Bereich der Gesundheitsförderung und
142
Krankheitsprävention in erster Linie bei den Kantonen.
Themenbereiche
Teil IV und Teil V des Berichts zeigen jedoch, dass nicht
Sowohl in den Kantonen als auch beim Bund überwiegen
nur die Kantone, sondern auch der Bund auf zahlreichen
Massnahmen der Prävention gegenüber denjenigen der
Gebieten in der Gesundheitsförderung und Prävention
Gesundheitsförderung.
(übertragbare und nichtübertragbare Krankheiten) tätig
Die Kantone konzentrieren sich dabei auf Themen wie
ist.
HIV, sexuelle Gesundheit, legale und illegale Drogen,
Politikformulierung im Sinne einer Evidenz basierten Pri-
Krebs, Arbeitssicherheit, Unfallverhütung, psychische
orisierung der Themen durch Bund und Kantone und ei-
Gesundheit, Ernährung, Alter, Spielsucht.
ner Steuerung der Aktivitäten hat in der Gesundheitsför-
Der Bund hat nationale Programme, Referenzrahmen bzw.
derung und Prävention bis jetzt nur in wenigen Bereichen
Aktionspläne zu Aids, illegale Drogen, Migration, Alkohol,
stattgefunden. In der Regel planen die 26 Kantone und der
Tabak, Gender Health, Umwelt, Ernährung entwickelt.
Bund ihre je eigenen Präventions- und/oder Gesundheits-
In gemeinsamer Verantwortung haben Bund und Kantone
förderungsprogramme. Bund und Kantone vollziehen ihre
eine nationale Strategie Psychische Gesundheit und ein
Massnahmen subisdiär (sogenannter subsidiärer Vollzug):
nationales Krebsprogramm erarbeiten lassen (beide Man-
Private Vereine bzw. Organisationen wie Radix Gesund-
date im Jahre 2001 erteilt).
heitsförderung, Selbsthilfegruppen, Gesundheitsligen, die
Die zur Verfügung stehenden Mittel sind gesamtschweize-
lokal, regional oder gesamtschweizerisch tätig sind, sowie
risch beschränkt. Gemäss Finanzstatistik der öffentlichen
einige kantonale und nationale Netzwerke setzen auf der
Haushalte des BFS betrugen die Aufwendungen für Prä-
Basis von Leistungsverträgen die Massnahmen des Bundes
vention und Gesundheitsförderung im Jahre 2002 insge-
und der Kantone um. Daneben gibt es zusätzliche Institu-
samt CHF 1,052 Mia. bzw. 2.2 % der Gesamtaufwendungen
tionen (bfu, SUVA, Gesundheitsförderung Schweiz, usw.),
von CHF 48 Mia. für das schweizerische Gesundheitssy-
die, mit einem öffentlich rechtlichen Mandat versehen, für
stem. In wirtschaftlich schlechten Zeiten laufen die Mittel
die ganze Schweiz Strategien im Bereich Krankheits- und
für Gesundheitsförderung und Prävention Gefahr, gekürzt
Unfallprävention und Gesundheitsförderung erarbeiten,
zu werden. Besonders das Gebiet der Gesundheitsförde-
Massnahmen konzipieren und/oder Projekte realisieren
rung ist hier betroffen, bestehen in diesem Sektor doch
(siehe Kasten: National tätige Gremien mit einem bundes-
kaum gesetzlich abgesicherte Aktivitäten.
gesetzlichen Auftrag in der Prävention und Gesundheits-
Nachfolgend werden anhand ausgewählter Beispiele in
förderung).
drei Bereichen die Verflechtung und Zusammenarbeit in
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 6
Ebene dargestellt.
men des Bundes beteiligen.
Schnittstellen zwischen Bund und Kantonen
Schnittstelle 1
Die Vielzahl der bestehenden Politiken in der Gesund-
National tätige Gremien mit einem gesetzlichen Auftrag
heitsförderung und Prävention, die unterschiedlichen
in der Prävention und Gesundheitsförderung
rechtlichen Ausgangssituationen sowie die Aufsplitterung
Drei Institutionen – die Eidgenössische Kommission für Ar-
der Gesundheitsförderung und Prävention auf verschie-
beitssicherheit (EKAS), der Fonds für Verkehrssicherheit
dene Stellen innerhalb der Bundesverwaltung sowie auf
und die Gesundheitsförderung Schweiz – haben je einen
verschiedene Amtsstellen innerhalb eines Kantons wirken
gesetzlichen Auftrag, Krankheiten und Unfälle zu verhüten
sich erschwerend auf die Zusammenarbeit zwischen Bund
bzw. die Gesundheit zu fördern. In allen drei Institutionen
und Kantonen aus. Zudem weisen Bund und Kantone so-
sind neben privaten Akteuren auch Bund und Kantone für
wie die Kantone untereinander unterschiedliche Schwer-
die strategische Ausrichtung dieser Institutionen verant-
punkte und Zeitpläne in den Präventionsprogrammen
wortlich. Die Institutionen finanzieren sich über Abgaben
auf, was eine nationale Koordination ebenfalls behindern
aus Versicherungsprämien. Der Bundesrat nimmt bei allen
kann.
drei Institutionen eine Aufsichtsfunktion wahr.
Trotzdem ergeben sich Schnittstellen zwischen Bund und
Kantonen, vor allem dann, wenn die Kantone im Auftrag
Fonds für Verkehrssicherheit
des Bundes Massnahmen der Gesundheitsprävention im
Der Fonds für Verkehrssicherheit hat den gesetzlichen
Bereich übertragbare Krankheiten umsetzen oder wenn
Auftrag, sich für die Sicherheit aller im Strassenverkehr
Teil
II
Zusammenarbeit
sie sich freiwillig an den nationalen Präventionsprogram-
Teil
III
Perspektiven
der Gesundheitsförderung und Prävention auf nationaler
Referenzrahmen
Teil
I
Ein eidgenössisches Präventionsgesetz?
Bereits in den 1980er-Jahren hatte der Bund einen ersten erfolglosen Anlauf unternommen, um im Präventionsbereich die Kompetenzen zu klären, Gesundheitsförderung und Prävention zu stärken sowie die Aktivitäten gesamtschweizerisch besser zu koordinieren. Nach der Ablehnung der Initiative «gegen Suchtmittelreklame» (Guttempler
Initiative) führte der Bund eine Vernehmlassung zu einem Entwurf für ein Bundesgesetz über Krankheitsvorbeugung
(Präventionsgesetz) durch. Obwohl die meisten Kantone einen Ausbau der Prävention befürworteten, lehnten 1984
24 von 26 Ständen den Entwurf für ein Bundesgesetz ab (mit Ausnahme der Kantone Bern und Tessin). Eine Mehrheit der Stände wollte an der alleinigen Zuständigkeit der Kantone für präventive Massnahmen festhalten.
Auf Initiative des Kantons Waadt entstand 1989 in Zusammenarbeit mit dem Bund die Schweizerische Stiftung für
Gesundheitsförderung (SSGF). 1996 wurde die Stiftungsurkunde im Hinblick auf den Artikel 19 des neuen Krankenversicherungsgesetzes (KVG) abgeändert und der Stiftungsrat neu zusammengesetzt (siehe Teil V des Berichtes).
Der Bundesrat entschied sich seinerseits, die Prävention eher mittels konkreter Massnahmen als durch gesetzliche
Grundlagen zu stärken. 1987 wurde im BAG die Sektion «Prävention» (Alkohol, Tabak, Drogen, Impfungen) geschaffen. In Anlehnung an die Ottawa-Charta der WHO von 1986 wurde die Präventionsarbeit in einen Kontext übergeordneter Überlegungen zur Gesundheitsförderung eingebunden. 1994 fand dieser neue Ansatz Anerkennung und wurde
mit Artikel 19 zur Prävention und Gesundheitsförderung in das neue Krankenversicherungsgesetz übernommen.
Heute liegt die Frage einer neuen gesamtschweizerischen Regelung von Prävention und Gesundheitsförderung erneut auf dem Tisch, eine Folge der Neuorganisation des BAG im Jahr 2004 und der Neuformulierung seiner Gesamtstrategie. Letztere verrät den deutlichen Willen, auf nationaler Ebene die Führung in der Gesundheitspolitik zu übernehmen. Das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) hat 2005 auf diesem Hintergrund eine Fachkommission
«Prävention und Gesundheitsförderung Schweiz 2010» eingesetzt, die sich zur Zukunft von Prävention und Gesundheitsförderung in der Schweiz äussern und Empfehlungen für das weitere Vorgehen im Hinblick auf die Schaffung
neuer rechtlicher Grundlagen für Prävention und Gesundheitsförderung abgeben soll. Der Fachkommisssion gehören
auch Vertreter/innen der Kantone an.
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 6
143
Referenzrahmen
Teil
I
Tabelle 24: Öffentlich-rechtliche Gremien mit Beteiligung des Bundes und der Kantone (Stand: 2004)
Zusammenarbeit
Teil
II
Perspektiven
Teil
III
Akteur
Aktiv seit
Finanzierung (2004)
Delegierte
des Bundes/der Kantone
Jahresbudget (2004)
Fonds für Verkehrs­
sicherheit
1976
Beiträge aus der Haftpflichtversicherungsprämie (CHF 4–5 pro
Motorfahrzeughalter)
Bund: ASTRA, VBS
Kantone: Basel-Landschaft,
Genf (2006)
CHF 18 Millionen
Eidg. Koordinations­
kommission für Arbeits­
sicherheit
1984
Zuschlag auf den Nettoprämien der
obligatorischen Unfallversicherung
Bund: Suva, seco, BAG
Kantone: Luzern, Zürich
CHF 106 Millionen
Gesundheitsförderung
Schweiz
1996
Zuschlag von zurzeit CHF 2.40 pro
Person/Jahr auf den KVG-Kopfprämien
Bund: nur Aufsicht
Kantone: Luzern, Waadt,
Zug, Zürich
CHF 17 Millionen
Teilnehmenden (LKW- und PW-Fahrende, Motorradfah-
Einrichtung der Kantone und der Versicherer. Sie unter-
rende, Fahrradfahrende, zu Fuss gehende) einzusetzen.
steht der Aufsicht des Bundes, die seit 2004 vom Bundes-
Zu diesem Zweck fördert er Massnahmen, die auf Ver-
amt für Gesundheit wahrgenommen wird. Gesundheitsför-
haltensprävention abzielen und die Verhütung von Stras-
derung Schweiz setzt sich gemäss ihrem Leitbild zum Ziel,
senunfällen zum Ziel haben. Mit einem Jahresbudget von
«… persönliche und soziale Ressourcen für Gesundheit zu
CHF 18 Mio. ist der Fonds einer der Hauptakteure in der
stärken (salutogenetischer Ansatz) und gesellschaftliche
Finanzierung von Massnahmen auf dem Gebiet der Ver-
Lebenswelten zu schaffen, welche die Individuen und
kehrssicherheit. Die Schwerpunktthemen des Fonds lau-
Gruppen befähigen, die eigene Lebensweise so zu gestal-
ten:
ten, dass sie der Gesundheit und dem Wohlbefinden för-
■
Schule und Verkehr
derlich ist und zu erhöhter Lebensqualität führt.»80 Dieses
■
Schutzverhalten
multisektorale und umfassende Verständnis von Gesund-
■
Fahrfähigkeit
heit versucht die Gesundheitsförderung Schweiz mit drei
■
Geschwindigkeit
Schwerpunktprogrammen umzusetzen:
Mitglieder der Verwaltungskommission des FVS sind un-
■
Bewegung, Ernährung und Entspannung
ter anderem auf Stufe Bund je ein Delegierter des Bun-
■
Gesundheit und Arbeit
desamts für Verkehr und des VBS. Die Kantone sind mit
■
Jugendliche und Erwachsene
einem Delegierten vertreten.
Im Rahmen dieser Programme unterstützt die GesundEidg. Koordinationskommission für Arbeits­sicherheit
heitsförderung Schweiz seit 1998 eine Reihe von Pro-
(EKAS)
jekten81 und arbeitet dabei punktuell mit Kantonen und
Die EKAS gilt als die Zentralstelle für Arbeitssicherheit
Gemeinden, mit Versicherern, mit Behörden des Bundes,
in der Schweiz. Sie ist verantwortlich für die einheitliche
mit nichtstaatlichen Organisationen sowie mit den Fach-
Anwendung der Sicherheitsvorschriften in den Betrie-
stellen der Gesundheitsförderung, der Präventivmedizin,
ben gemäss dem Unfallversicherungsgesetz (UVG). Die
der Wissenschaft und der Forschung zusammen.
Suva, 26 kantonale Arbeitsinspektorate, 2 eidgenössische
Die langfristige Strategie der Gesundheitsförderung
Arbeitsinspektionen sowie aktuell 6 Fachorganisationen
Schweiz (2007–2018) sieht eine Fokussierung auf fol-
setzen die Sicherheitsbestimmungen der EKAS auf Stufe
gende drei Kernthemen vor:
Bund und in den Kantonen um. Um ihre Aufgaben erfüllen
■
Gesundheitsförderung und Prävention stärken
zu können, ist die EKAS mit Weisungsrechten gegenüber
■
Gesundes Körpergewicht
den Versicherern und den Durchführungsorganen ausge-
■
Psychische Gesundheit – Stress
stattet.
Gesundheitsförderung Schweiz GF-CH
Die Gesundheitsförderung Schweiz ist eine gemeinsame
144
80 Siehe hierzu: Leitbild der Gesundheitsförderung Schweiz vom 1. Januar
2002.
81 Siehe hierzu auch Kapitel 5.6.1 dieser Publikation (u.a. Projekt «50+
santé»).
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 6
Das politisch-strategische Organ der Gesundheitsförde-
Impfungen im Schulalter
rung Schweiz ist der Stiftungsrat. Er wird gegenwärtig vom
Einige Kantone benutzten die Aufnahme der Schulimp-
Kanton Zürich präsidiert. Auf der politisch-strategischen
fungen in den Pflichtleistungskatalog zur Abkehr vom
Ebene möchte die Gesundheitsförderung Schweiz mit ei-
Schularztsystem und zur finanziellen Entlastung. Diese
ner in ihren Wirkungen überprüfbaren Gesundheitsförde-
Vorsorgeleistung wurde früher in den Kantonen systema-
rungs-Policy die nationale Gesundheitspolitik prägen.
tisch von der öffentlichen Hand getragen und im Rahmen
Referenzrahmen
Teil
I
Teil
II
der Integration dieser Leistung in die obligatorische Kran-
Umsetzung von Präventionsleistungen gemäss KVG
kenpflegeversicherung wird sie zur privaten Leistung, die
Mit Artikel 26 des KVG sind Elemente der Sozial- und Prä-
von privaten Ärzten erbracht wird. Als Folge werden we-
ventivmedizin auf Bundesebene verankert. Damit regelt
niger Impfungen beim Schularzt in Anspruch genommen.
das Bundesgesetz zwar die Bedingungen der Vergütung
Das kann sich negativ auf den Durchimpfungsgrad der
einer medizinischen Massnahme, jedoch nicht den Voll-
schulpflichtigen Kinder auswirken.
zug. Im Rahmen der Wirkungsanalyse des Krankenversi-
Der Evaluationsbericht empfiehlt unter anderem, dass bei
cherungsgesetzes konnte anhand von Evaluationen ge-
der Aufnahme von Präventivleistungen im Sinne der Ver-
zeigt werden, dass die Aufnahme präventivmedizinischer
sorgungsgerechtigkeit auch Vollzugsaspekte zu berück-
Massnahmen in den Pflichtleistungskatalog (unter ande-
sichtigen sind. Die Chancen für einen optimalen Vollzug
rem Mammographie-Screening und Impfungen im Schul-
im Sinne von Versorgungsgerechtigkeit steigen, je mehr
alter) zu Diskrepanzen zwischen der gesetzlich vorgese-
sich die bundesstaatlichen Ziele mit kantonspolitischen
henen Form der Leistungserbringung und der tatsächlich
Interessen und Strategien in Einklang bringen lassen.
Teil
III
Perspektiven
Schnittstelle 2
Zusammenarbeit
der schulärztlichen Untersuchungen durchgeführt. Mit
vorherrschenden Praxis in den Kantonen geführt hat.82
Damit hätten die angebotenen präventivmedizinischen
Schnittstelle 3
Massnahmen bei der Zielbevölkerung keine oder nicht die
Umsetzung nationaler Programme des Bundes
beabsichtigten Verhaltensänderungen ausgelöst.
Die nationalen Programme des Bundes im Bereich der
Krankheitsprävention wurden bisher mit wenigen Aus-
Mammografie: Screening-Programme
nahmen ohne aktives Mitwirken der Kantone entwickelt.
In der oben erwähnten Evaluation vertreten die Auto-
Auch die Umsetzung der Programme durch die Kantone
ren die Ansicht, dass sich das KVG als eine ungenügende
war kaum Gegenstand der Bundesprogramme. Ausnah-
Rechtsgrundlage für die Finanzierung von Präventions-
men stellen die Drogenpolitik des Bundes (siehe Kasten)
leistungen erweist, wenn deren Vergütungspflicht an die
und die Aids-Prävention dar.
Einbettung in organisierte Programme geknüpft ist. So
hatte die Aufnahme der «neuen» Leistung Screening-
Gesundheitsfördernde Schulen
Mammografie in den Pflichtleistungskatalog zunächst le-
Das Programm «bildung+gesundheit Netzwerk Schweiz»,
diglich in drei Kantonen – Genf, Waadt und Wallis – die
1993 vom BAG initiiert, bindet Gesundheit und Präven­-
Lancierung von Programmen zur Folge. Später kamen
tion in die schulische Ausbildung ein. Es wird vom Bundes­
die Kantone Freiburg und Jura dazu. Demnächst wird
amt für Gesundheit (BAG) und von der Schweizerischen
Neuenburg ein entsprechendes Programm lancieren. Für
Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK)
die erfolgreiche Lancierung waren drei Voraussetzungen
getragen. Die Zusammenarbeit mit der EDK hat sich für
gegeben: das politische Engagement der Regierung und
die Akzeptanz und Realisierung von Schulprojekten als
Verwaltung, die Sicherstellung der Finanzierung und die
wesentlich erwiesen. Dem Netzwerk gehören Schulen aus
Klärung der präventionspolitischen Aufgabenteilung zwi-
23 Kantonen an. Zudem bestehen regionale Netzwerke in
schen den Kantonsbehörden, den Leistungserbringern
der Stadt Bern, den Kantonen Thurgau, Basel-Landschaft,
und privaten Akteuren.
Tessin und Zürich (Stand: 2004). Die Gemeinden sind
wichtige Partner bei der Konkretisierung der Schulpro-
82 Christian RÜEFLI, Fritz SAGER: «Public Health, Prävention und Föderalismus. Erkenntnisse aus der Umsetzung des Bundesgesetzes über
die Krankenversicherung», Sozial- und Präventivmedizin. International
Journal of Public Health 49 (2004). 216–223.
jekte.
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 6
145
Referenzrahmen
Teil
I
Tabelle 25: Gesundheitsförderung und Prävention:
Projekte der Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen
Zusammenarbeit
Teil
II
Perspektiven
Teil
III
(Auswahl)
Akteure
Bereich
Zeitrahmen
BAG, EDK
Gesundheitsfördernde Schulen: nationales Programm
«bildung+gesundheit Netzwerk Schweiz»
seit 1993
BAG, SODK
Stationäre Drogentherapie: nationale Koordinations- und Fachstelle
seit 1995
BAG, Gemeinden
Umwelt und Gesundheit: Schweizerischer Aktionsplan
1997–2007
BAG, Städte
Interventions-Forschungsprogramm zur Suchtprävention und
Gesundheitsförderung bei gefährdeten Jugendlichen. Teilnehmende
Städte: Liestal, Winterthur, Zürich, Bern, Delémont, Fribourg,
Moudon, Lausanne und Genf (2004)
1998
BAG,EAV, Gemeinden, Radix
Alkoholprävention: Programm zur Entwicklung lokaler Alkoholpräventionspolitiken
seit 2000
BAG, GDK, seco
Psychische Gesundheit: Erarbeitung eines nationalen Referenz­
rahmens
2000–2005
ARE, BPUK, SSV
Nachhaltige Entwicklung: Gründung des «Forums für Nachhaltige
Entwicklung»
2001
BAG, GDK, oncosuisse
Krebsprävention: Erarbeitung einer nationalen Strategie durch
oncosuisse im Auftrag von BAG und GDK
2001–2005
ARE, BAG, BAWU, GF-CH, GDK, Obsan
Multisektorale Gesundheitspolitik: Erarbeitung eines BAG-Leitbildes
2002–2004
BAG, GF-CH
Gesundes Körpergewicht: Gemeinsame Trägerschaft des Programms
«Suisse Balance»
2002–2005
BAG, GDK
Tabakprävention: Konzipierung einer neuen Präventionsstrategie
in Vorbereitung
GF-CH und secco
Betriebliche Gesundheitsförderung: Nationales Forum für Betriebliche Gesundheitsförderung
in Vorbereitung
Stationäre Drogentherapie
den realisiert. In diesem Sinne dient APUG als Modell der
Die Koordinations- und Fachstelle KOSTE wurde Ende
nationalen Zusammenarbeit. Wegen des Entlastungspro-
1995 zur Koordination und Unterstützung des Bereichs der
gramms des Bundes wird der Aktionsplan nach 2007 nicht
stationären Drogentherapie gegründet. Rechtliche Grund-
weitergeführt.
lage bildet der «Bundesratsbeschluss vom 3. 10. 1994 zur
Koordination und Unterstützung des Bereichs der statio-
Psychische Gesundheit
nären Therapieangebote» (Massnahmenpaket Drogen I).
Bund und Kantone haben im Rahmen der Nationalen Ge-
Nach einer evaluierten Pilotphase von fünf Jahren hat sich
sundheitspolitik Schweiz 1998 das Teilprojekt «Psychische
die Stelle als schweizerische Koordinations- und Fachstel-
Gesundheit» lanciert. Heute liegt ein von Bund, Kantonen
le etabliert, die heute von Bund (Bundesamt für Gesund-
und Fachleuten gemeinsam erarbeiteter und verabschie-
heit BAG) und von den Kantonen (Konferenz der kanto-
deter nationaler Referenzrahmen vor (April 2005), an dem
nalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren SODK)
sich zukünftige Projekte und Massnahmen des Bundes
gemeinsam getragen wird.
(BAG, BSV, seco,) und der Kantone zur Förderung, Erhaltung und Wiederherstellung der psychischen Gesundheit
Umwelt und Gesundheit
orientieren können. Gegenwärtig laufen unter anderem
Der Schweizerische «Aktionsplan Umwelt und Gesund-
folgende Aktionen im Rahmen dieser Strategie:
heit» (APUG) versteht sich als Ergänzung zur Strategie
■
In den Kantonen Zug (2004) und Bern (2005): Pilot-
■
Modelltarife für stationäre und ambulante psychiat-
Nachhaltige Entwicklung des Bundesrates. In den letzten 5 Jahren wurden im Rahmen des APUG mit den Ge-
146
projekt «Bündnis gegen Depression»
meinden Crans-Montana, Aarau und Thal Pilotprojekte
rische Behandlung. Probedurchläufe sind in den Kan-
zu den Themen Natur/Mobilität/Wohnen und Wohlbefin-
tonen Luzern und Bern geplant
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 6
■
Erarbeitung von Planungskriterien für die psychische
Tabakprävention
Versorgung im Rahmen der Arbeitsgruppe Spitalpla-
Tabakprävention ist ein Querschnittthema, das unter-
nung der GDK
schiedliche Rechtsgebiete tangiert: Handel und Gewerbe,
Erarbeitung eines Konzepts «Mental Health in Public
Schulpläne, Personal, Polizei, Gastgewerbe. Dies hat auf
Health» als Basis für ein Aktionsprogramm des BAG
Stufe Bund und Kantone unterschiedliche Zuständigkeiten
zur Folge und erschwert eine kohärente Tabakprävention.
Alkoholprävention
Teil
II
Die Kantone regeln vor allem fünf für die Tabakpräven-
Die Eidgenössische Alkoholverwaltung (EAV) und das
­tion zentrale Bereiche autonom: Die Prävention auf Grund
Bundesamt für Gesundheit (BAG) haben im Rahmen
der kantonalen Schulhoheit, die Werbung auf öffentlichem
ihres Präventionsprogramms «Alles im Griff?» die gemein-
Grund, Abgabeeinschränkungen auf Grund der handels-
nützige, gesamtschweizerisch tätige Stiftung «Radix Ge-
und gewerbepolizeilichen Kompetenzen, den Schutz der
sundheitsförderung» beauftragt, Gemeindepolitiker und
Nichtrauchenden in öffentlichen Gebäuden sowie die
-behörden bei der Suche nach einer lokalen, auf die jewei-
Gastronomie. Die kantonalen Tabakpolitiken sind durch
ligen Bedürfnisse zugeschnittenen Alkoholpolitik zu un-
sektorale Optiken geprägt. Internationaler Druck, das
terstützen. Entstanden ist im Jahr 2000 das Projekt «Die
Rahmenübereinkommen (FCTC) der Weltgesundheitsor-
Gemeinden handeln!» Heute sind 75 Gemeinden mit einer
ganisation (WHO) sowie das erste Nationale Programm
lokalen Alkoholpräventionspolitik dem Programm ange-
zur Tabakprävention 2001–2005 des BAG (2001), haben
schlossen (Stand 2006).
Bewegung in die Tabakprävention auf nationaler Ebene
Zusammenarbeit
■
Referenzrahmen
Teil
I
Teil
III
Nachhaltige Entwicklung
Kantonen im Rahmen der Konzipierung der neuen Tabak-
Im Jahr 2001 wurde auf Initiative des Bundesamtes für
strategie stärken. Der Zentralsekretär der GDK ist erst-
Raumentwicklung (ARE), der Schweizerischen Bau-, Pla-
mals Mitglied in einer entsprechenden Arbeitsgruppe. Aus
nungs- und Umweltschutzdirektorenkonferenz (BPUK)
Sicht der Gesundheitsdirektorenkonferenz sind Bund und
sowie des Schweizerischen Städteverbandes (SSV) das
Kantone in der Tabakprävention denn auch nicht Konkur-
«Forum für Nachhaltige Entwicklung» eingerichtet.
renten, sondern Partner im Hinblick auf ein gemeinsames
Forumsveranstaltungen mit Vertretern des Bundes, der
Ziel: die Verstärkung der Tabakprävention83.
Perspektiven
gebracht. Das BAG möchte die Zusammenarbeit mit den
Kantone und der Städte finden zweimal jährlich statt.
Dabei kommen bestehende und geplante Projekte (z. B.
Betriebliche Gesundheitsförderung
Kernindikatoren der Nachhaltigen Entwicklung) zur Spra-
Seit einigen Jahren laufen auf Initiative des Staatssekreta-
che. Das Forum soll wesentlich zur Konsolidierung von
riats für Wirtschaft (seco) und der Gesundheitsförderung
bestehenden bzw. zur Stimulierung von neuen nachhaltig-
Schweiz (GF-CH) Vorbereitungen zur Gründung eines Na-
keitsbezogenen Aktivitäten in Kantonen und Gemeinden
tionalen Forums für Betriebliche Gesundheitsförderung.
beitragen.
Ziel des Forums soll es sein, die Gesundheitsförderung
auf politischer und betriebliche Ebene besser zu veran-
Krebsprävention
kern. Dem Forum sollen neben den Arbeitgeberverbänden
Die Dachorganisation «oncosuisse» hat ihre Tätigkeit im
auch Gewerkschaften, die Krankenversicherer, die Suva,
Jahre 2000 aufgenommen, um die Empfehlungen der WHO
die GDK, die Gesundheitsförderung Schweiz und Bundes­
für Nationale Krebskotrollpolitiken in der Schweiz umzu-
ämter (BAG, BSV, seco) angehören.
setzen. Das BAG und die GDK erteilten darauf im Jahre
2001 «oncosuisse» den Auftrag, ein nationales Krebspro-
Gesundes Körpergewicht
gramm für die Schweiz zu erarbeiten. Dieses wurde bis
Auf der Basis des 4. Schweizerischen Ernährungsberichts
Ende 2004 erstellt und bei Kantonen und Bundesstellen
haben das Bundesamt für Gesundheit (BAG) und die Ge-
im Jahre 2005 in zahlreiche Vernehmlassungen gegeben.
sundheitsförderung Schweiz (GF-CH) im Jahr 2002 das
Der Dialog zur Nationalen Gesundheitspolitik Schweiz
Programm «Suisse Balance» lanciert. Das Besondere an
hat im selben Jahr beschlossen, die Umsetzung einzelner Massnahmen dieser nationalen Krebsstrategie zu
fördern.
83 Nationale Tabakpräventionskonferenz, Freiburg (CH), 2. 12. 2004: «Das
Engagement der Kantone in der Tabakprävention» von Franz WYSS,
Zentralsekretär der GDK.
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 6
147
Referenzrahmen
Teil
I
gung und Körpergewicht miteinander verbindet. Suisse
Tendenzen und neue Ansätze in der Zusammen­
arbeit zwischen Bund und Kantonen
Balance unterstützt Projekte und Massnahmen finanziell.
In den letzten Jahren lassen sich Entwicklungen in der
Kinder und Jugendliche sind dabei eine wichtige Zielgrup-
Gesundheitsförderung und Prävention beobachten, die
pe. Für die zukünftige Ausrichtung einer Ernährungs- und
auf eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen Bund und
Bewegungspolitik empfiehlt die Evaluation unter ande-
Kantonen im strategischen Bereich hinweisen. Die aktu-
rem:
alisierten Programme des Bundes im Bereich HIV/AIDS
■
eine spezifische Politik, die sich aber auf eine globale
und Migration zum Beispiel sind beispielsweise policy-
Vision stützt und national ausgerichtet ist
übergreifend formuliert und erwähnen im Gegensatz zu
grössere Professionalität in der Umsetzung der Politik
früheren Programmen ausdrücklich die Partnerschaft mit
mit Partnern wie den NGO und den Kantonen
den Kantonen.
Suisse Balance ist, dass es die Themen Ernährung, Bewe-
Zusammenarbeit
Teil
II
■
Teil
III
Kooperativer Föderalismus am Beispiel der schweizerischen Drogenpolitik
Die Drogenpolitik des Bundes (illegale Drogen) zeichnet sich dadurch aus, dass es Bund, Kantonen und grossen
Städten mit einer inhaltlich überzeugenden Drogenpolitik gelungen ist, in den 1980er- und 1990er-Jahren das Drogenproblem in den Griff zu bekommen. Als es darum ging, eine schweizerische Drogenpolitik zu entwickeln, stand die
konzertierte Aktion der drei staatspolitischen Ebenen im Vordergrund. In der Folge entwickelten sich verschiedene
Perspektiven
Zusammenarbeitsgremien. Ihre Aufgabe war es, die multisektorale Verankerung im Kampf gegen Drogen, den Informationsaustausch, die Interventionen zwischen Kantonen und Städten, aber auch zwischen Bundesstellen sicherzustellen mit dem Ziel, die Drogenpolitik auf eine breite Basis zu stellen. Das mit der Zeit entstandene System der multisektoralen Zusammenarbeit in Strukturen, wie es weiter unten beschrieben wird, ist komplex; denn es berücksichtigt
auf jeder Stufe die föderale Struktur der Schweiz und könnte damit als Modell für eine nationale Gesundheitspolitik
dienen:
■
Die Koordinations- und Dienstleistungsplattform (KDS) hat der Bundesrat 1996 eingesetzt mit dem Ziel, die Vier-
■
Dem Nationalen Drogenausschuss (NDA) gehören die Kantone (EDK, SODK; GDK, KKJPD, KKBS), die Städte
■
Mitglieder der Drogenplattform des Schweizerischen Städteverbandes (DSSV) sind Exekutivpolitiker/innen (Poli-
Säulen-Politik des Bundes gesamtschweizerisch zu verankern.
(SSV, SKBS) und Bundesstellen (BAP, BJ, GS-EDI, BSV, BAG) an.
zei-, Sozial-, Gesundheitsdirektion) aus 23 Städten. Das Ziel der Drogenplattform ist nebst einem Informationsaustausch zwischen den Städten das Einbringen der suchtpolitischen Positionen der Städte auf Bundesebene und der
Austausch mit den zuständigen Bundesämtern (Bundesamt für Gesundheit und Bundesamt für Polizei).
■
Die Konferenz der kantonalen Beauftragten für Suchtfragen (KKBS) umfasst 23 Kantone. Das Ziel ist, unter Be-
■
Der Städtischen Konferenz der Beauftragten für Suchtfragen (SKBS) gehören 26 Städte an, die durch ihre Suchtbe-
rücksichtigung der kantonalen Eigenheiten, eine einheitliche schweizerische Suchtpolitik zu führen.
auftragten sowie Polizistinnen und Polizisten vertreten sind. Schwerpunktthema der SKBS ist die Zusammenarbeit
zwischen sozialen, gesundheitlichen und polizeilichen Stellen auf kommunaler Ebene im Bereich Suchtfragen und
Drogenpolitik.
■
Die Eidgenössische Kommission für Drogenfragen (EKDF) besteht aus 14 Expertinnen und Experten. Ihre Aufgabe
ist es, die Landesregierung und insbesondere das Innenministerium bei den Ausführungsbestimmungen zur Betäubungsmittelgesetzgebung zu beraten.
■
Mitglieder der Arbeitsgruppe Zusammenarbeit zwischen Polizei und Sozialarbeit (ZUPO) sind das Bundesamt für
Polizei (BAP), das Bundesamt für Gesundheit (BAG), der Verband Schweizerischer Polizeibeamtinnen und –beamten (VSPB) sowie die Fachstelle für Schadensminderung im Drogenbereich (FASD). Ziel ist ein direkter fachlicher
Austausch zwischen der Polizei und dem Sozial- und Gesundheitsbereich sowie das Entwickeln von gemeinsamen
Strategien.
148
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 6
ist eine Stärkung der Gesundheitsförderung und Präven-
Das BAG sieht sich seit einigen Jahren mit der Heraus-
tion in der Schweiz. Das Eidgenössische Departement
forderung konfrontiert, sein drogenpolitisches Impulspro-
des Innern (EDI) plant auf diesem Hintergrund unter der
gramm zusammen mit den übrigen Sektoralpolitiken
Federführung des Bundesamts für Gesundheit (BAG)
(Alkohol, Tabak) in eine umfassende nationale Suchtpo-
eine Neuregelung der Prävention und Gesundheitsförde-
litik auf der Basis der vier Säulen Prävention, Therapie,
rung. Es hat dazu eine Fachkommission eingesetzt, die
Schadensminderung, Repression zu integrieren.84 Diese
ihre Empfehlungen im Juni 2006 abliefern soll. Obwohl
Richtung vertreten auch die Konferenzen der kantonalen
in der Kommission Kantonsvertreter Einsitz haben, wird
Gesundheits- und Sozialdirektoren.85 Der Bund wollte der
der Prozess vom Bund gesteuert. Die Möglichkeit, darü-
Herausforderung mit der Revision des Betäubungsmittel-
ber vorgängig mit der GDK im Rahmen des Dialogs Bund
gesetzes begegnen. Diese Revision sah unter anderem ein
– Kantone zu diskutieren und den Prozess gemeinsam zu
koordiniertes Vorgehen aller Akteure im Drogenbereich
gestalten, wurde nicht genutzt.
Teil
II
Zusammenarbeit
Integrale Suchtpolitik des Bundes
Referenzrahmen
Teil
I
vor (Bund, Kantone und Städte, Gremien, Verbände). Ein
Neue Ideen in der Alkoholpolitik des Bundes
ankern, scheiterte 2004 mit dem Nichteintretensentscheid
Interessante Ideen mit Blick auf die Zusammenarbeit
des eidgenössischen Parlaments auf die Revision des Be-
zwischen Bund und Kantonen beinhaltet die Alkohol-
täubungsmittelgesetzes, insbesondere deswegen, weil die
politik des Bundes (siehe hierzu Absatz 6.5 «Tendenzen
Revision unter anderem den straffreien Konsum von Can-
und neue Ansätze»). Ein Prüfstein auf dem Weg zu einer
nabis beinhaltet hatte. Für seine ganzheitliche Suchtpoli-
partnerschaftlichen Policyformulierung Bund-Kantone ist
tik hingegen hatte der Bundesrat gemäss den Vernehmlas-
auch das BAG-Projekt «Entwicklung nationale Dachstra-
sungsergebnissen grosse Unterstützung erhalten.
tegie Tabak 2006–2010».
Teil
III
Perspektiven
erster Versuch, diesen integralen Ansatz politisch zu ver-
Es bleibt abzuwarten, wie das BAG die Idee «Neue Suchtpolitik des Bundes» angehen wird. Die gegenwärtigen Ak-
Zusammenfassung und Ausblick
tivitäten des BAG in der Prävention sprechen gegen eine
Für den Bereich Gesundheitsförderung und Prävention
integrale Suchtpolitik: Die Präventionsstrategien in den
gilt folgendes:
Bereichen Tabak, Drogen und Alkohol werden unabhängig
■
Bund und Kantone führen im Bereich der Prävention
voneinander überarbeitet.
und Gesundheitsförderung ihre je eigenen Politiken.
Auf kantonaler Ebene dürfte der Richtungswechsel – weg
Ihre Ausgangslage unterscheidet sich jedoch stark. Im
von präventiven Sektoralpolitiken und hin zu einer inte-
Gegensatz zu den Kantonen kann bzw. darf der Bund
gralen Suchtpolitik (koordiniertes, übergreifendes Vorge-
wegen des Subsidiaritätsprinzips nur in einzelnen Be-
hen Tabak-Alkohol-Cannabis) auf Schwierigkeiten stossen.
reichen der Gesundheitsförderung und Prävention tä-
Erfolg versprechende Realisierungsfenster, wie sie zurzeit
in einigen Kantonen beim Tabak bestehen, könnten aufs
tig sein.
■
Spiel gesetzt werden.
Gesundheitsförderung und Prävention spielen sowohl
in den Kantonen als auch beim Bund, gemessen an den
getätigten Investitionen und den realisierten Massnah-
Stärkung der Prävention und Gesundheitsförderung
men in der kurativen Medizin, eine untergeordnete
Herausforderungen wie die demographische Entwicklung,
Rolle.
die Zunahme chronischer Krankheiten und Wiederkehr
■
Eine Reihe von Institutionen und Gremien setzen die
bzw. Neuauftreten von Infektionskrankheiten zwingen
Massnahmen des Bundes und der Kantone auf der Ba-
dazu, das Gesundheitssystem grundsätzlich zu überden-
sis von Leistungsaufträgen oder öffentlich-rechtlichen
ken. Eine mögliche Antwort auf diese Herausforderungen
Mandaten zum Teil schon seit Jahrzehnten um. Darunter befinden sich einige, in denen sowohl der Bund als
84 Markus Spinatsch, Eine neue Suchtpolitik für die Schweiz? Grundlagen
und Materialien für eine verstärkte Integration der suchtpolitischen
Aktivitäten des Bundes. Kurzfassung eines Berichts zuhanden des
Bundesamtes für Gesundheit, Mai 2004, S. 6.
85 BetmG, wie weiter? Letter of Intent, März 2005. Franz Wyss gehört in
seiner Funktion als Zentralsekretär der GDK zu den Erstunterzeichnern dieses Letter of Intent.
auch die Kantone involviert sind (Fonds für Verkehrssicherheit, EKAS, Gesundheitsförderung Schweiz,
usw.).
■
Es gibt gemeinsame Schnittstellen (Strategien bzw.
Projektorganisationen) zwischen Bund und Kantonen
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 6
149
Referenzrahmen
Teil
I
Zusammenarbeit
Teil
II
Perspektiven
Teil
III
in der Gesundheitsförderung und Prävention, die sich
und Ärzten der Hausarztmedizin zählen, die seit 1986
aus einer gesundheitspolitischen Dringlichkeit heraus
wöchentlich auf freiwilliger Basis epidemiologische Daten
ergeben haben (z. B. das Auftauchen des HI-Virus, der
nach Bern übertragen (Sentinella-Meldesystem).
übermässige Konsum illegaler Drogen).
■
Trotz dieser Schnittstellen teilen Bund und Kantone
Gesetzgebungsprozess
bis heute keine Vision oder Politik der Gesundheits-
Gesetzesrevisionen werden unter Beizug der Kantone
förderung und Prävention. Bund und Kantone haben
vorgenommen, so zum Beispiel die Revision des Epide-
das Potential an Fachwissen und Erfahrung, das in den
miengesetzes oder des Lebensmittelgesetzes. Für Aus-
bestehenden, gesamtschweizerisch tätigen Organisati-
nahmesituationen haben der Bundesrat und die 26 Kan-
onen und Gremien liegt, noch nicht für die gemeinsame
tonsregierungen 1997 das Konzept des Koordinierten
Konzipierung einer nationalen Politik der Gesundheits-
Sanitätsdienstes gutgeheissen (siehe Teil V, Bundespor-
förderung und Prävention ausgeschöpft.
trät).
Gesundheits- und Verbraucherschutz
Schweizerischer Pandemieplan
Der Gesundheits- und Verbraucherschutz (Bekämpfung
Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) hat als eine Kon-
übertragbarer Krankheiten, Strahlenschutz, Chemikalien,
sequenz aus SARS ein umfassendes Konzept Krisen-
Lebensmittelsicherheit, Heilmittelkontrolle, Gesundheits-
management erstellt, das in Zukunft ein professionelles
schutz am Arbeitsplatz) dient als Beispiel für eine Auf-
Vorgehen bei Ernstfällen sicherstellen soll. Wesentlicher
gabenteilung zwischen den beiden staatspolitischen Ebe-
Bestandteil des Krisenmanagements, das zuletzt Ende
nen, die dank klarer gesetzlicher Grundlagen mehrheitlich
2005 bei der Vogelgrippe zum Einsatz gelangte, ist der
konfliktfrei funktioniert. Bei dieser Art von Aufgabentei-
schweizerische Grippepandemieplan «Plan de pandémie».
lung, die unter dem Begriff «Vollzugsföderalismus» läuft,
Gesetzliche Grundlage des Pandemieplanes ist neben dem
setzen die Kantone seit Jahrzehnten Massnahmen um, die
Epide­miengesetz die Verordnung über Massnahmen zur
in Bundesgesetzen geregelt sind. Hierfür steht ein Netz
Bekämpfung einer Influenza-Pandemie (Influenza-Pan-
von Kantonsärzten, -apothekern, -veterinären und -che-
demierverordnung IPV), die im April 2005 verabschie-
mikern zur Verfügung, die mit dem im Verbraucher- und
det wurde. Die nationale und internationale Entwicklung
Gesundheitsschutz federführenden Bundesamt für Ge-
erfordern eine ständige Anpassung der Dokumente des
sundheit zusammenarbeiten. Das BAG nimmt informell an
schweizerischen Pandemieplans. Die Anpassungen stüt-
den Versammlungen der interkantonalen Fachverbände
zen sich auf die Empfehlungen der Weltgesundheitsorga-
teil. Zeit, um neben gesundheitspolitischen Fragen auch
nisation (WHO) und erfolgen in Zusammenarbeit mit der
wissenschaftliche Fragen zu klären, gab es bis jetzt zwi-
Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte (FMH)
schen Bund und Kantonen kaum. Deshalb soll neu zwi-
und mit den Kantonen: mit der Vereinigung der Kanton-
schen BAG und den Kantonsärzten eine jährliche wissen-
särztinnen und Kantonsärzten der Schweiz (VKS), mit
schaftliche Tagung stattfinden.
der Kantonsapothekervereinigung (KAV) und mit dem
Schweizerischen Apothekerverband (SAV), wobei die
Arbeitssicherheit
VKS für die technische Koordination unter den Kantonen
Im spezifischen Bereich Arbeitssicherheit kontrollieren
verantwortlich ist. Diese Anpassungen bilden die Grund-
26 kantonale Arbeitsinspektorate zusammen mit der Suva,
lage für die Pandemiepläne der Kantone, an denen zurzeit
mit zwei eidgenössischen Arbeitsinspektionen und mit
ebenfalls intensiv gearbeitet wird.
6 Fachorganisationen im Auftrag der Eidgenössischen
Koordinationskommission für Arbeitssicherheit EKAS
Kontrolle der Heilmittel
(Commission fédérale de coordination pour la sécurité au
Die Kontrolle der Heilmittel galt lange Zeit als eine Per-
travail) die Sicherheitsmassnahmen in den Betrieben.
le der interkantonalen Zusammenarbeit (Interkantonale
Vereinbarung vom 3. Juni 1971, IVKM). Im Jahr 1994
150
Überwachung der Infektionskrankheiten
sahen sich die Kantone auf Grund der Entwicklungen in
Auf dem Gebiet der Überwachung übertragbarer Krank-
der Europäischen Union gezwungen, dem Bundesrat ihre
heiten kann das BAG auf ein Netzwerk von Ärztinnen
Unterstützung für die Erarbeitung eines eidgenössischen
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 6
Heilmittelgesetzes zuzusichern.86 Bei der eigentlichen
lanciert. Mit der Revision möchten Bund und Kantone die
Vorbereitung des Gesetzes waren die Kantone selber nicht
Kompetenzen und Aufgaben des Bundes und der Kantone
vertreten. Die den Entwurf vorbereitende Expertenkom-
neu regulieren. Damit soll die Schweiz gegen eine allfällige
mission bestand vorwiegend aus Vertreterinnen und Ver-
internationale Bedrohung der öffentlichen Gesundheit
treter der Pharmazie und der Medizin.87
besser gewappnet sein.
Das Bundesgesetz über die Kontrolle der Heilmittel trat
Referenzrahmen
Teil
I
Teil
II
eine eigene Rechtspersönlichkeit verfügt. Der mit dem
Nationale Zusammenarbeit: «Monitoring der
Durchimpfung in der Schweiz»
Transfer verbundene Aufbau der von Bund und Kanto-
Nach Vorarbeiten durch den Kanton Bern hat eine Ar-
nen gemeinsamen betriebenen Einrichtung Swissmedic
beitsgruppe der GDK und des BAG ein in allen Kan-
gestaltet sich schwierig. Angesichts der Probleme zwi-
tonen anwendbares einheitliches Studienprotokoll aus-
schen Swissmedic und den Kantonen gab der Vorsteher
gearbeitet. Der Vorstand der Konferenz der kantonalen
des Eidg. Departements des Innern (EDI) ein Schnittstel-
Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren (GDK) be-
lendokument in Auftrag, das laufend aktualisiert wird und
schloss im Frühjahr 2004 auf Antrag der Vereinigung
die Aufgabenteilung zwischen Kantonen und Swissmedic
der Kantonsärztinnen und Kantonsärzte der Schweiz
besser regeln soll.
(VKS) und des BAG, dem Konzept für ein Monitoring
rat das Heilmittelinstitut Swissmedic beauftragt, das über
Zusammenarbeit
am 1. 1. 2002 in Kraft. Mit dem Vollzug hat der Bundes-
Teil
III
den Kantonen zu empfehlen, alle 3 Jahre auf kantonaler
Es gehört zum Ziel der im Jahre 1986 in Kraft gesetzten
Ebene eine entsprechende Erhebung durchzuführen
Lärmschutzverordnung (LSV), die bestehenden Anlagen,
und für die Finanzierung dieser Erhebung besorgt zu
von denen erhebliche Lärmbelastungen ausgehen, zu
sein. Das Monitoring hat im Jahre 2005 in 8 bis 9 Kan-
sanieren. Als Frist für die Sanierungen wurden 15 Jahre
tonen begonnen.
Perspektiven
der Durchimpfung in der Schweiz zuzustimmen sowie
Lärmschutz
vorgegeben. Der mit Abstand grösste Sanierungsbedarf
besteht im Bereich des Strassenlärms, als Anlagebesitzer
sind die Kantone für die Sanierungen zuständig. Die Frist
Krankenversicherung
ist am 31. März 2002 abgelaufen. In den vergangenen 15
Die zentrale Schnittstelle zwischen Bund und Kantonen in
Jahren ist im Bereich der Strassen erst rund ein Drittel
der Gesundheitsversorgung bildet das Bundesgesetz über
der Sanierungen erfolgt. Leidtragende dürften die von
die Krankenversicherung (KVG). Bis heute haben Bund
übermässigem Strassenlärm Betroffenen sein, welche ge-
und Kantone in diesem Bereich wenig zusammengearbei-
sundheitliche und soziale Auswirkungen in Kauf nehmen
tet, trotz der zahlreichen Schnittstellen, die sich aus der
müssen.
Umsetzung des KVG ergeben. Bereits die interkantonale
Zusammenarbeit beschränkt sich hier im wesentlichen auf
In Vorbereitung
bilaterale Vereinbarungen. Auf Bundesebene fehlte bis zur
Das Bundesgesetz vom 18. Dezember 1970 über die Be-
Einrichtung des Dialogs zur Nationalen Gesundheitspolitik
kämpfung übertragbarer Krankheiten des Menschen (Epi-
im Jahr 2003 der regelmässige Austausch zwischen Bund
demiengesetz) wird gegenwärtig revidiert. Unter Ziel 18
und Kantonen gänzlich (siehe Abschnitt 6.5).
des Eidg. Departement des Innern für das Jahr 2005 heisst
Das KVG regelt in erster Linie krankenversicherungsre-
es dazu: «Das Projekt zur Revision des Epidemiengesetzes
levante Aspekte und die Finanzierung der Leistungen.
2005–2008 ist in Zusammenarbeit mit der Konferenz der
Daneben enthält es aber auch Vorgaben, die die Kantone
kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren
über den Versicherungsbereich hinaus in ihre gesundheitspolitische Pflicht nehmen, sie in ihrer Gestaltungs-
86 Als Quelle der folgenden Ausführungen diente der folgende Bericht:
Geschäftsprüfungskommission des Ständerates (GPK-S) vom 25. August 2004: Probleme von Swissmedic anlässlich der Inbetriebnahme
und Beurteilung der heutigen Lage. S. 4 ff.
87 Paul RICHLI: Die verwaltungsexterne Erarbeitung: Drei strukturell
unterschiedliche Beispiele (Heilmittelgesetz, Berufsbildungsgesetz,
Psychologiegesetz), in: LEGES 2002/2003, S. 13–22.
und Handlungsfreiheit einschränken und hohe finanzielle
und administrative Verpflichtungen nach sich ziehen:
Vorgaben zur kantonalen Spital- und Pflegeheimplanung,
zur Wirtschaftlichkeit der Leistungen, zur Prävention und
zum Qualitätsmanagement, zur Spitalfinanzierung, zur
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 6
151
Referenzrahmen
Teil
I
bestehen weiterhin grosse kantonale Unterschiede bezüg-
Kantonale Spitalplanung:
Rechtsprechung des Bundes
lich der Umsetzung der Prämienverbilligungspolitik. Der
Wie die Kantonsporträts zeigen (Teil IV), sind die Kantone
Bundesrat wollte zu diesem Zweck ein Sozialziel im KVG
auf dem Gebiet der Spitalplanung seit langem aktiv, dies in
verankern, die Kantone waren jedoch dagegen.89
erster Linie auf eigenem Kantonsgebiet. Im Rahmen die-
Pflegeheimfinanzierung oder zur Tarifgestaltung88. Zudem
Teil
II
ser Planung haben die Kantone bilateral eine Reihe von
Zusammenarbeit
Vereinbarungen abgeschlossen, um die Qualität der Versorgung zu gewährleisten. Sie haben sich dabei aber ein
hohes Mass an Autonomie bewahrt.
Perspektiven
Teil
III
88 Der Kanton Schaffhausen und die Schweizerische Sanitätsdirektorenkonferenz (SDK) hatten sich im Jahre 2001 in Aufsichtseingaben an
die Bundesversammlung über die Entscheidpraxis des Bundesrats bei
Beschwerden gegen Tarifentscheide der Kantonsregierungen in der
Krankenversicherung beschwert. Der Kanton Schaffhausen machte
geltend, die Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen im Bereich
der Tarifgestaltung nach Krankenversicherungsgesetz (KVG) sei in hohem Masse konfliktträchtig geregelt. Der Bundesrat habe seit Inkrafttreten des KVG im Jahr 1996 in über 200 Urteilen die vorinstanzlichen
Entscheide von Kantonsregierungen nur in wenigen Fällen geschützt.
Siehe hierzu: Jahresbericht 2002/2003 der Geschäftsprüfungskommissionen und der Geschäftsprüfungsdelegation der eidgenössischen Räte
vom 23. Januar 2004; Stellungnahmen des Bundesrats vom 30. September 2002 (Bundesblatt BBI 2003, 334) und 9. April 2003.
89 Siehe hierzu: Andreas BALTHASAR, Beiträge zur sozialen Sicherheit;
«Die sozialpolitische Wirksamkeit der Prämienverbilligung in den Kantonen: Monitoring 2002, Forschungsbericht Nr. 20/03, BSV, Bern 2003
Das KVG verlangt zwar von den Kantonen eine verbindliche Spitalplanung (Artikel 39), wobei die Kantone ge­
mäss KVG bei der Ausarbeitung der Spitalplanung und der
Spitalliste über einen beträchtlichen Ermessensspielraum
verfügen sollen. Einschränkend auf die Gestaltungsfreiheit der Kantone wirkt sich jedoch die Kompetenz des
Bundes aus, bei Rekursen gegen kantonale Spitallisten
Recht zu sprechen.
Ein Bericht der Parlamentarischen Verwaltungskontrollstelle aus dem Jahr 2001 kommt in ihrer Gesamteinschätzung zu diesem Thema zum Schluss,90 dass der Bundesrat
mit seiner bisherigen Rechtssprechung tendenziell eher
die Interessen von Beschwerdeführern (mehrheitlich aus-
Tabelle 26: Schnitt- bzw. Reibungsstellen zwischen Bund und
Kantonen im KVG
serkantonale Privatspitäler und Krankenversicherer) als
Kompetenz des Bundesrats, Beschwerden gegen die Umsetzung
des KVG zu beurteilen
der fallbezogenen Einzelentscheide die Vereinheitlichung
Artikel 39
Spital- und Pflegeheimlisten
Kantonen erschwert hat. Die Kantone fordern denn auch,
Artikel 45
Sicherung der medizinischen
Versorgung
dass die Kriterien, welche die Kantone bei der Erarbei-
Artikel 46, Absatz 4
Genehmigung von Tarifverträgen
Artikel 47
Erlass von Tarifen im vertragslosen
Zustand
Artikel 48 Absätze 1 bis 3
Tarifverträge mit Ärzten
Artikel 49 Absatz 7
Änderung von Tarifen aufgrund
von Betriebsvergleichen
Rück- und Ausblick
Artikel 51
Globalbudgets für Spitäler und
Pflegeheime
Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Krankenversiche-
Artikel 54
Globalbudgetierung durch Genehmigungsbehörde
zuletzt auch darauf zurückzuführen sein. Weitere Prüf-
Artikel 55
Tarifstopp
steine in der Zusammenarbeit zwischen Bund und Kan-
Weitere Schnittstellen zwischen Bund und Kantonen im KVG
und in anderen Sozialversicherungen
152
Spitalfinanzierung
KVG: Artikel 21, 22, 23, 25, 29, 35,
39, 41, 47 49, 50, 51, 104
Pflegefinanzierung
Artikel 43 (AHV), Artikel 3 (ELG),
Artikel 25 (KVG), 50 (KVG), 104
(KVG)
Prämienverbilligung
KVG: Artikel 1, 18, 64, 65, 66, 84
die der Kantonsregierungen gestützt und zudem wegen
der Planungskriterien und die Harmonisierung unter den
tung der Spitalplanung und der Erstellung der Spitalliste
berücksichtigen müssen, vom Bund aus Transparenzgründen auf Gesetzes- oder Verordnungsebene festgehalten
werden sollen.91
Bund und Kantone wissen um die schwache vertikale
rung. Das Scheitern der 2. KVG-Revision dürfte nicht
tonen dürfte die zukünftige Ausrichtung der Spitalfinan90 Kostendämpfungsmassnahmen im Krankenversicherungsgesetz. Massnahmen und Handlungsspielräume der Träger des Bundes. Synthese
der Parlamentarischen Verwaltungskontrollstelle zuhanden der Geschäftsprüfungskommission des Ständerates vom 30. November 2001.
S. 381 ff.
91 Schweizerische Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen
und -direktoren (GDK), Arbeitsgruppe «Spitalplanung» der Kommission «Vollzug KVG»: 2. Teilrevision des KVG und Spitalplanung: Postulate, 21.06.2001.
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 6
zierung und der Pflegefinanzierung sein, die beide Teil
Gesundheitsberufen auf den staatspolitischen Ebenen
eines KVG-Revi­sionspakets sind. Zu mehr Transparenz
und auf den «Schattenebenen»).
Referenzrahmen
Teil
I
in den gesundheitspolitischen Positionen und zu tragfä-
Beide, Bund und Kantone, treten als Träger und Finanzie-
men diskutiert: Pflegefinanzierung, Spitalfinanzierung,
rer von Universitäten und damit als Verantwortliche für
Vertragsfreiheit,
die universitären Medizinalberufe in Erscheinung.
Prämienverbilligung,
Spitzenmedizin,
medizinische Grundversorgung, Komplementärmedizin,
Fünf Kantone in der Schweiz (Basel-Stadt, Bern, Genf,
Überprüfung des Leistungskatalogs der obligatorischen
Lausanne, Zürich) beherbergen als Träger kantonaler
Krankenversicherung (siehe hierzu auch Abschnitt 6.4:
Universitäten medizinische Fakultäten. Alle Kantone sind
«Neue Formen der Zusammenarbeit zwischen Bund und
überdies über interkantonale Vereinbarungen an der Fi-
Kantonen»). Im Bereich der Spitalfinanzierung sind nach
nanzierung der Universitäten beteiligt.
nicht unerheblichen Spannungen zwischen den Kantonen
Der Bund leistet finanzielle Beiträge an die kantonalen Uni-
und der ständerätlichen Kommission Soziale Sicherheit
versitäten und kann die Gewährleistung der Subventionen
und Gesundheit gewisse Erfolge sichtbar: Nicht zuletzt
an gewisse Bedingungen knüpfen. Die Regelung der uni-
mit dem gemeinsamen Auftritt der Kantone (gemeinsame
versitären Medizinalberufe – Inhalt der Ausbildungsgänge,
Stellungnahme der GDK und der KdK), mit der Zusam-
Weiterbildung (seit 2003), Diplomanerkennung, Regelung
menarbeit zwischen Bund und Kantonen im «Dialog zur
der Niederlassung der Ärztinnen und Ärzte – ist seit 1877
Nationalen Gesundheitspolitik» sowie mit der Diskus­
eine Bundeskompetenz. Der Bund ist zudem Träger zwei-
sionsbereitschaft der Parlamentskommission wurde ein
er Eidgenössischer Hochschulen in Zürich und Lausanne
Weg aufgezeigt, wo es bei der Spitalfinanzierung mit einer
(Chemie; angewandte Biowissenschaften; Pharmazie; Be-
mehrheitsfähigen Lösung langgehen könnte.
wegungs- und Sportwissenschaften; Themenfeld Mensch,
92
Teil
II
Zusammenarbeit
Dialogs haben die zwei Akteure bisher folgende KVG-The-
eingerichtete Dialog zwischen Bund und Kantonen zur
Teil
III
Perspektiven
Nationalen Gesundheitspolitik führen. Im Rahmen des
Gesundheitsberufe: Aufgabenteilung und
­Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen auf
Stufe Universität
higeren Lösungen könnte der zu Beginn des Jahres 2004
Arbeit, Technik und Gesundheit).
Gesundheitsberufe
Die universitären Gesundheitsberufe sind heute aus ei-
Die Aus- und Weiterbildung in den Gesundheitsberufen ist
ner gesundheitspolitischen Sicht auf verschiedenen Ak-
seit den 1990er-Jahren einem starken strukturellen und
tivitätsfeldern angesiedelt, welche Aus- und Weiterbil-
inhaltlichen Wandel ausgesetzt. Sowohl der Bund als auch
dung, Forschung und Gesundheitsversorgung umfassen.
die Kantone haben in diesem Bereich Regelungskompe-
Da zudem sowohl Bund als auch Kantone stark von den
tenzen. Trotz der Spannungen, die diesen Prozess der
ablaufenden Prozessen in der Hochschulmedizin betrof-
Veränderungen begleiten, gehen Bund und Kantone im
fen sind, charakterisieren sich die Hochschulmedizin und
Sinne des kooperativen Föderalismus die Aus- und Wei-
damit die universitären Gesundheitsberufe als eine Ver-
terbildung in den Gesundheitsberufen gemeinsam an.
bundaufgabe von Bund und Kantonen. Rund um dieses
Aus Sicht einer nationalen Gesundheitspolitik von beson-
Thema gibt es eine Reihe von Projekten und Prozessen,
derem Interesse sind die verschiedenen Prozesse und Gre-
in denen es um die zukünftige Struktur und Ausrichtung
mien, die im Rahmen der Neuregelung der Kompetenzen
der hochschulmedizinischen Institutionen in der Schweiz
in der Aus- und Weiterbildung zwischen Bund und Kan-
geht. Diese Projekte und Prozesse, die auf verschiedenen
tonen stattgefunden haben bzw. entstanden sind. Nach-
staatspolitischen Ebenen und in verschiedenen Projekt-
folgend werden einige dieser Prozesse und Gremien für
organisationen ablaufen sowie zahlreiche Akteure einbin-
die Ausbildung auf Stufe Universität, für die Ausbildung
den, sind Ausdruck der Komplexität des Gesundheitssys­
auf Stufe Fachhochschule sowie für die nicht-universitäre
tems Schweiz. Zu nennen wären unter anderem folgende
Ausbildung beschrieben (siehe hierzu auch Tabelle 27:
Projekte und Prozesse:
Verankerung des Sektors Aus- und Weiterbildung in den
■
Schaffung gesetzlicher Grundlagen für die Einrichtung
von Gremien, die gemeinsam von Bund und Kantonen
92 Siehe hierzu auch den Newsletter der Nationalen Gesundheitspolitik
Schweiz vom Dezember 2005.
getragen werden (z. B. die Schweizerische Universitätskonferenz)
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 6
153
Referenzrahmen
Teil
I
Zusammenarbeit
Teil
II
■
das Projekt «Hochschullandschaft Schweiz 2008»
Aus Sicht der Kantone soll die Vereinbarung damit zu ei-
■
die Erweiterung der Bundesverfassung zum «Bildungs-
ner koordinierten schweizerischen Hochschulpolitik bei-
raum Schweiz»
tragen.
■
die Ausarbeitung eines Hochschul-Rahmengesetzes
■
die Neuregelung der universitären Medizinalberufe
Universitätsförderungsgesetz (in Kraft seit 2000)
(MedBG)
Artikel 1 dieses Gesetzes hält fest: «Der Bund arbeitet mit
■
die Neupositionierung des Bereichs Gesundheit in den
den Kantonen im Bereich der universitären Hochschul-
Fachhochschulen und höheren Fachschulen
politik partnerschaftlich zusammen; er kann sich an ge-
■
die Klärung des Regelungsbedarfs im Bereich Alterna-
meinsamen Einrichtungen der universitären Hochschulen
tivmedizin und Komplementärtherapien
beteiligen, wenn sie Aufgaben von gesamtschweizerischer
■
die Revision des Krankenversicherungsgesetzes (u. a.
Bedeutung erfüllen.» Über dieses Gesetz soll mit einer
Diskussion über verschiedene Spitalfinanzierungsmo-
gesamtschweizerisch koordinierten Hochschulpolitik die
delle sowie über den Leistungskatalog)
Qualität der Lehre und Forschung gefördert und die
die Reform der Hochschulstudiengänge im Sinne der
Zukunft des Forschungs- und Bildungsplatzes Schweiz
Bologna-Deklaration
gesichert werden. Vermutlich 2011 soll das Universitäts-
die interkantonale «Planung, Koordination und Aufga-
förderungsgesetz vom neuen Hochschul-Rahmengesetz
benteilung in der hochspezialisierten Medizin», die in
abgelöst werden. Das neue Hochschul-Rahmengesetz
der Kompetenz der Kantone liegt.
wird den gesamten Hochschulbereich – ETH, kantonale
■
Teil
III
■
Perspektiven
Universitäten, Fachhochschulen – einheitlich regeln.
Zahlreiche Akteure haben in der Zwischenzeit Berichte,
Konzepte und Stellungnahmen über die zukünftige Aus-
Vereinbarung zwischen dem Bund und den
gestaltung der Hochschulmedizin präsentiert. Es scheint,
­Universitätskantonen über die Zusammenarbeit im
dass die Vorstellungen betreffend die zukünftige Struktu-
­universitären Hochschulbereich (2000)
rierung und Ausrichtung der Hochschulmedizin Schweiz
Aus der Optik der Zusammenarbeit zwischen Bund und
unter den Akteuren Bund, Kantone, Vertreter/innen der
Kantonen heisst es in dieser Vereinbarung: «Der Bund
Universitäten und der medizinischen Fakultäten sowie
und die Universitätskantone arbeiten im Bereich der Uni-
Vertreter/innen der Universitätsspitäler und der Versiche-
versitätspolitik partnerschaftlich zusammen. Sie gründen
rungen gegenwärtig noch stark voneinander abweichen.
dafür die Schweizerische Universitätskonferenz als ge-
Unter den Projekten ist das MedBG dasjenige, dessen er-
meinsames universitätspolitisches Organ» (Artikel 2).
folgreicher Abschluss unmittelbar bevorsteht.
Nachfolgend werden einige Prozesse und Gremien be-
Schweizerische Universitätskonferenz (2001)
schrieben, mit denen Bund und Kantone die universitäre
Die «Vereinbarung zwischen dem Bund und den Universi-
Ausbildung in den Gesundheitsberufen partnerschaftlich
tätskantonen über die Zusammenarbeit im universitären
steuern möchten.
Hochschulbereich (Dezember 2000)» führte zusammen
mit dem Universitätsförderungsgesetz im Jahr 2001 zur
Interkantonale Universitätsvereinbarung (1997)
Einrichtung der Schweizerischen Universitätskonferenz
Die Vereinbarung
(SUK). Die SUK ist damit die Nachfolgeorganisation der
■
regelt den gleichberechtigten interkantonalen Zugang
Schweizerischen Hochschulkonferenz. Die Schweizerische
zu den Universitäten und die Abgeltung der Kantone
Universitätskonferenz setzt sich aus zwei Vertretern des
■
■
an die Universitätskantone
Bundes, je einem Vertreter jedes Universitätskantons und
dokumentiert die Absicht der Universitätskantone, ihre
zwei Vertretern der Nichtuniversitätskantone zusammen.
Universitätspolitik untereinander zu koordinieren so-
Mit dieser Institution verfügen Bund und Kantone über
wie mit dem Bund zusammenzuarbeiten
ein Gremium, das Regelungskompetenzen für Studien-
bezweckt eine Kohärenz zwischen der Universitätspoli-
richtzeiten und für die Anerkennung und Akkreditierung
tik der Kantone mit der Fachhochschulpolitik der Kan-
von Institutionen oder Studiengängen besitzt oder Richt-
tone und des Bundes
linien für die Bewertung von Lehre und Forschung erlassen kann. Diese Art von Entscheidkompetenzen sind eine
154
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 6
Wiederholt als exemplarisch gelobt wurde das breit ab-
und Kantonen. Konkret hat die SUK im Zuge der Umset-
gestützte Verfahren bei der Erarbeitung der Gesetzes­
zung der Bologna-Erklärung beispielsweise beschlossen,
entwürfe zum heutigen MedBG, zuletzt im Mai 2002, als
die europäischen Standards (ECTS, Bachelor/Master) in
die betroffenen und interessierten Kreise (die Kantone
der Schweiz einzuführen. Wegen ihrer Struktur und ihrer
Waadt, Basel-Landschaft und Zürich, Universitäten, Be-
Regelungskompetenzen wird die SUK als Modell des hori-
rufsorganisationen und Fachgesellschaften) zu insgesamt
zontalen und vertikalen Föderalismus gelobt. Die Integra-
vier Informationsveranstaltungen eingeladen wurden.
tion der Fachhochschulen und der dadurch nötige Umbau
Nach verschiedenen Überarbeitungen wird der Gesetze-
der Struktur der SUK sind Gegenstand von Diskussionen
sentwurf aktuell im Parlament beraten und dürfte Ende
im Rahmen des Projekts «Hochschullandschaft Schweiz
2007 in Kraft treten.
Teil
II
Zusammenarbeit
Neuheit in der vertikalen Zusammenarbeit zwischen Bund
Referenzrahmen
Teil
I
2008».
schulmedizin» (April 2004) hat die Steuergruppe be-
In der Schweiz gibt es 7 öffentliche Fachhochschulen
stehend aus dem Vorsteher des EDI sowie den Gesund-
(Fachhochschulregionen) mit rund 60 Hochschulen und
heits- und Bildungsdirektorinnen und -direktoren der
eine vom Bund anerkannte private Fachhochschule. Auf
Universitätskantone beschlossen, die Neuregelung der
der Basis der total revidierten Bundesverfassung (1999)
Medizinalberufe als selbstständigen Teil anzusehen, der
und des revidierten Fachhochschulgesetzes (in Kraft seit
losgelöst vom Ausgang der Diskussionen über die Hoch-
Herbst 2005) sind die bisher kantonal geregelten Studien-
schulmedizin bearbeitet wird.93
gänge des Bereichs Gesundheit, Soziales und Kultur in die
Die Vorarbeiten zu einer Neuregelung der universitären
Regelungskompetenz des Bundes übergegangen (siehe
Medizinalberufe (MedBG), seit 1877 eine Bundeskompe-
hierzu auch Abschnitt 5.6: «Interkantonale Zusammenar-
tenz, begannen 1991 mit einer Anfrage der GDK betreffend
beit bei der Ausbildung im Bereich Gesundheit»). Heute
einer Bundesregelung für die Weiterbildung der Medizi-
ist der Bund für die Fachhochschulen in den Bereichen
nalpersonen (siehe hierzu auch Teil V des Berichts: «Por-
Technik und Architektur, Wirtschaft und Verwaltung,
trät der Gesundheitspolitik des Bundes»). Hier strebten
Landwirtschaft, Gestaltung, Gesundheit, Soziales und
die Kantone eine einheitliche Regelung an, nicht zuletzt,
Kunst zuständig. Für Fachhochschulen in den Bereichen
um die Bewilligungen zur selbstständigen Praxisausübung
angewandte Linguistik (Übersetzer/-innen, Dolmetscher/-
nach in Kraft treten der Bilateralen Abkommen zwischen
innen) und angewandte Psychologie sowie Pädagogik sind
der Schweiz und der EU auf der Basis des Bundesgesetzes
die Kantone zuständig.
vom 19. Dezember 1877 betreffend die Freizügigkeit des
Auch nach dem Kompetenztransfer ist ein partnerschaft-
Medizinalpersonals in der Schweizerischen Eidgenos-
liches Zusammengehen von Bund und Kantonen in der
senschaft (FMPG) einheitlich zu regeln. Die Regelungs-
Aus- und Weiterbildung der Gesundheitsberufe auf Fach-
kompetenz in der Weiterbildung betreffend die Medizi-
hochschulebene vorgesehen. Die aktuellen gesetzlichen
nalberufe wurde schliesslich 1999 dem Bund übertragen
Grundlagen und Strukturen sind Ausdruck dieser beab-
(Verordnung FMPG, in Kraft seit 2002).
sichtigten Zusammenarbeit:
Teil
III
Perspektiven
Auf der Basis des Berichts «Für eine Stärkung der Hoch-
Gesundheitsberufe: Aufgabenteilung und
­Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen auf
Stufe Fachhochschule
Neuregelung der universitären Medizinalberufe
Eine vom Bundesrat eingesetzte Eidg. Kommission unter
der Leitung von Thomas Fleiner, Direktor des Instituts für
Interkantonale Fachhochschulvereinbarung (2005)
Föderalismus der Universität Freiburg, präsentierte 1997
Untereinander regeln die Kantone den Zugang zu den
einen ersten Gesetzesentwurf für die Aus- und Weiterbil-
kantonal geführten Fachhochschulen sowie deren Finan-
dung der Medizinalpersonen. Die Kantone waren in die-
zierung über interkantonale Vereinbarungen auf regio-
sem Prozess mit vier Regierungsräten (Basel-Stadt, Frei-
naler und schweizerischer Ebene (siehe hierzu auch den
burg, Waadt und Zürich) vertreten.
Anhang zu Kapitel 5: «Interkantonale Vereinbarungen im
Sektor Gesundheit»). Die Interkantonale Fachhochschul-
93 Siehe hierzu: Botschaft zum Bundesgesetz über die universitären Medizinalberufe (Medizinalberufegesetz, MedBG) vom 3. 12. 2004 (BBI
2005, S. 175).
vereinbarung in ihrer aktuellen Form (seit 2005) hält in
Artikel 1 und 2 fest: Die Vereinbarung regelt den interkan-
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 6
155
Teil
III
156
Zusammenarbeit
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 6
Träger der öffentlichen
Schulen, der Berufsschulen, höheren Fachschulen, Fachhochschulen
und Universitäten
Kompetenzen
Rechtliche
Grundlagen
Staatspolitische Ebene
Schattenebene
Projekte
Leistungsvereinbarung
BL und BS betreffend
Leistungen der Höheren
Fachschule Gesundheit
Basel-Stadt (Fachan­
gestellte Gesundheit)
Verträge
■ regionale Dachorganisa-
In Vorbereitung
Interkantonale
Vereinbarung
«Koordination der
­Spitzenmedizin»
Konkordat über
die universitäre
Koordination
■ Interkantonale
Fachhochschul­
vereinbarung
rung über die Errichtung
der Fachhochschule
Westschweiz für Gesundheit und Soziale Arbeit
(FH-GS)
■ Interkantonale Vereinbarung über die Hochschule
für Heilpädagogik Zürich
In Vorbereitung
Konkretisierung der Studien­
gänge auf regionaler Fachhochschulebene
■ Interkantonales
■ Interkantonale Vereinba-
der Arbeitswelt
Gesundheit
■ Dachorganisation
■ SRK
■ Regionale EDK
tionen der Arbeitswelt
Gesundheit
■ EDK
■ Regionale GDK
■ Kantonale Ämter
■ GDK
Ebene ganze Schweiz
■ Kantonale Parlamente
Regionale Ebene
In Vorbereitung
■ Psychologieberufe­
gesetz
■ MedBG
Abstimmung 2006
«Bildungsverfassung»
In Vorbereitung
Hochschulrahmengesetz
■ Berufsbildungsgesetz
■ Fachhochschulgesetz
förderungsgesetz
■ Universitäts­
■ Dialog Bund-BBT
■ Bundesämter
■ Eidg. Parlament
Ebene Bund
Referenzrahmen
In Vorbereitung
Vereinbarung zwischen Bund und Kantonen über
die Ausgestaltung des Studienangebots und der
Akkreditierungsrichtlinien an den Fachhoch­
schulen
■ Hochschullandschaft Schweiz 2008
■ Projekt Transition
SUK: Entscheidkompetenzen unter anderem
in den Bereichen
■ Studienrichtzeiten
■ Anerkennung von Studienleistungen und
­Studienabschlüssen
■ Bewertung von Lehre und Forschung
■ Umsetzung des Wissens im Forschungsbereich
Universitätskantonen über die Zusammenarbeit
im universitären Hochschulbereich
■ Gemäss NFA: Allgemeinverbindlichkeit interkantonaler Verträge in den Bereichen kantonale
Fachhochschulen und Universitäten
■ Leistungsvertrag Bund–Kantone–SRK
■ Vereinbarung zwischen dem Bund und den
­Nationalen Gesundheitspolitik
■ Politische Plattform Bund-Kantone zur
sicherung (OAQ)
■ Organ für Akkreditierung und Qualitäts­
■ Rektorenkonferenz
■ Schweizerische Universitätskonferenz (SUK)
Nationale Ebene
Teil
II
Institutionen
Gremien
Ebene Kantone
Aus- und Weiterbildung in den Gesundheitsberufen
Tabelle 27: Verankerung des Sektors Aus- und Weiterbildung in den Gesundheitsberufen auf den staatspolitischen Ebenen
und auf den «Schattenebenen»
Perspektiven
Teil
I
direktoren (EDK), die Schweizerische Konferenz der
tung, welche die Wohnsitzkantone der Studierenden den
kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren
Trägern von Fachhochschulen leisten. Sie fördert damit
(GDK) und das Schweizerische Rote Kreuz haben diesen
den interkantonalen Lastenausgleich, die Freizügigkeit
Prozess der Integration auf der Basis einer gemeinsamen
für Studierende sowie die Optimierung des Fachhoch-
Plattform (Projekt «Transition») partnerschaftlich gestal-
schulangebots. Sie trägt zu einer koordinierten schweize-
tet. Auf interkantonaler Ebene wird die Berufsbildung im
rischen Hochschulpolitik bei.
Gesundheitswesen sukzessive von der GDK an die EDK
Teil
II
Zusammenarbeit
tonalen Zugang zu den Fachhochschulen und die Abgel-
Referenzrahmen
Teil
I
übergehen.
Revidiertes Bundesgesetz über die Fachhoch­schulen
Nach der Überführung in die Bundeszuständigkeit soll die
(2005)
Ausbildung in den Gesundheitsberufen ausserhalb der
Die Zusammenarbeit mit dem Bund – insbesondere die
Hochschulen eine Verbundaufgabe bleiben, wie das ent-
politische Steuerung auf gesamtschweizerischer Ebene
sprechende Bundesgesetz und das neue Gremium Dach-
wird über das revidierte Fachhochschulgesetz geregelt:
ODA Gesundheit zeigen:
«Der Bund strebt gemeinsam mit den Kantonen die geBundesgesetz über die Berufsbildung (in Kraft seit 2004)
Zusammenarbeit im gesamten Hochschulbereich an und
Das neue Bundesgesetz über die Berufsbildung hält in
berücksichtigt dabei die internationale Zusammenarbeit.
den Artikeln 1, 2 und 3 fest: «Die Berufsbildung ist eine
Zu diesem Zweck arbeitet er mit den Kantonen, den Trä-
gemeinsame Aufgabe von Bund, Kantonen und Organisa-
gern der Fachhochschulen sowie mit ihren gemeinsamen
tionen der Arbeitswelt (Sozialpartner, Berufsverbände,
Organen zusammen» (Artikel 1a des revidierten Fach-
andere zuständige Organisationen und andere Anbieter
hochschulgesetzes).
der Berufsbildung). Sie streben ein genügendes Angebot
Teil
III
Perspektiven
samtschweizerische und regionale Aufgabenteilung und
im Bereich der Berufsbildung, insbesondere in zukunftsKonferenz der Fachhochschulen (1999)
fähigen Berufsfeldern an. Die Massnahmen des Bundes
Eines der Fachhochschul-Organe ist die Konferenz der
zielen darauf ab, die Initiative der Kantone und der Orga-
Fachhochschulen. Sie wurde 1999 mit dem Ziel gegrün-
nisationen der Arbeitswelt so weit als möglich mit finanzi-
det, die Interessen der Fachhochschulen gegenüber dem
ellen und anderen Mitteln zu fördern. Zur Verwirklichung
Bund und den Kantonen sowie anderen bildungs- und for-
der Ziele dieses Gesetzes arbeiten Bund, Kantone und die
schungspolitischen Institutionen und der Öffentlichkeit zu
Organisationen der Arbeitswelt zusammen; arbeiten die
vertreten. Sie ist dabei Partnerin des Fachhochschulrates
Kantone und die Organisationen der Arbeitswelt auch je
der EDK und unterhält enge Kontakte zum Bundesamt für
unter sich zusammen.»
Bildung und Technologie (BBT), das die Fachhochschule
Nationale Dachorganisation der Arbeitswelt Gesundheit
auf schweizerischer Ebene regelt und mitfinanziert.
(2005)
Gesundheitsberufe: Aufgabenteilung und
­Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen auf
nicht-universitärer Stufe
Die Dach-OdA Gesundheit ist zentraler Ansprechpartner
Die nicht-universitäre Ausbildung hatten die Kantone
me der universitären Medizinalberufe. Sie wurde im Jahr
bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt regional und ge-
2005 gegründet. Ihr gehören folgende Berufsverbände
samtschweizerisch koordiniert (siehe hierzu Kapitel 5.6:
und kantonale Gremien an: H+ Spitäler der Schweiz, Cu-
«Interkantonale Zusammenarbeit bei der Ausbildung im
raviva - Heime und Institutionen der Schweiz, Spitex Ver-
Bereich Gesundheit»).
band Schweiz, Schweizerischer Verband der Berufsorga-
Die Regelung der Ausbildung in den Gesundheitsberufen
nisationen im Gesundheitswesen (SVBG), Schweizerische
ausserhalb der Hochschulen ist mit dem neuen Bundes-
Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und
gegenüber den Behörden des Bundes und der Kantone
für die Ausbildung aller Gesundheitsberufe mit Ausnah-
gesetz über die Berufsbildung (in Kraft seit 1. 1. 2004)
-direktoren (GDK). Die Dach-OdA Gesundheit wird unter
eine Kompetenz des Bundes geworden. Die Hauptakteure
anderem darüber entscheiden, welche Ausbildungsinhalte
Bundesamt für Berufsbildung und Technologie (BBT), die
in welcher Form vermittelt werden. Die GDK wird sich in
Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungs-
Zukunft über die Dach-OdA Gesundheit in den politischen
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 6
157
Referenzrahmen
Teil
I
Gestaltungsprozess der Aus- und Weiterbildung der Ge-
Ausblick: Hochschullandschaft Schweiz
sundheitsberufe ausserhalb der Hochschulen einbringen.
Das Parlament hat den Bundesrat beauftragt, spätestens
bis 2008 eine Neuregelung der Hochschullandschaft
Zusammenarbeit
Teil
II
Perspektiven
Teil
III
Rück- und Ausblick
Schweiz auf Verfassungsstufe vorzulegen, ist doch die
Der Bereich Ausbildung in den Gesundheitsberufen hat
Geltungsdauer des Universitätsförderungsgesetzes (UFG)
seit den 1990er-Jahren starke Veränderungen erfahren.
gegenwärtig auf den 31. Dezember 2007 befristet. Unter
Verschiedene Projekte, an denen Bund und Kantone in
der Bezeichnung «Hochschullandschaft Schweiz 2008»
gemeinsamer Verantwortung beteiligt waren, haben diese
haben Bund und Kantone zu diesem Zweck im April 2003
Veränderungen begleitet.
ein Projekt lanciert, das auf eine Reform des schweize-
Ohne Zweifel hat die Darstellung einiger Aspekte der
rischen Hochschulsystems hinzielt. Im Zentrum steht die
Aus- und Weiterbildung in den Gesundheitsberufen in
Schaffung eines kohärenten Hochschulraums Schweiz,
den verschiedenen Bereichen aufgezeigt, wie komplex
der alle Hochschultypen (kantonale Universitäten, ETH,
das Thema ist. Trotz oder wegen dieser Komplexität ist
Fachhochschulen) umfasst.
die Bereitschaft des Bundes und der Kantone zur part-
Auf Verfassungsstufe hat die Kommission für Wissen-
nerschaftlichen Zusammenarbeit hoch. Diese Bereitschaft
schaft, Bildung und Kultur des Nationalrats 2003/2004
zur Koordination und Zusammenarbeit, zur Harmonisie-
in enger Zusammenarbeit mit der EDK einen Vorschlag
rung der Strukturen und Ausbildungsgänge dürfte nicht
für eine Neuordnung der Verfassungsbestimmungen zur
zuletzt eine Folge des internationalen Drucks auf die
Bildung (so genannte Bildungsverfassung) ausgearbeitet.
Schweiz sein, der von den Bilateralen Verträgen zwischen
Die Neuordnung beinhaltet insbesondere zwei Verfas-
der Schweiz und der Europäischen Union sowie von der
sungsartikel. Gemäss den zukünftigen Bildungsartikeln
Bologna-Reformprozessen ausgegangen ist.
(insbesondere Art. 61 und Art. 63a BV) werden Bund und
Bund und Kantonen ist es in den letzten 10 Jahren ge-
Kantone zu verstärkter Kooperation und Koordination
lungen, über rechtliche Grundlagen, über gemeinsame
verpflichtet. Im Bereich der Hochschulen ist vorgesehen,
Projektorganisationen, über strukturierte Formen der
dass Bund und Kantone zur Erfüllung der Aufgaben Ver-
Zusammenarbeit oder über Verträge die Ausbildung- und
träge abschliessen und gemeinsame Organe einrichten
Weiterbildung in den Gesundheitsberufen als eine Ver-
können, die die Hochschulen lenken. Diese Organe sollen
bundaufgabe in einem föderalen System zu verankern
ausschliesslich für die Regelung der Studienstufen sowie
(siehe Tabelle 27: Verankerung des Sektors Aus- und Wei-
für Qualitätssicherung, strategische Planung und Finan-
terbildung in den Gesundheitsberufen auf den staatspoli-
zierungsgrundlagen zuständig sein. Die Volksabstimmung
tischen Ebenen und auf den «Schattenebenen»).
über die «Bildungsverfassung» findet im Jahre 2006
Zusammenarbeit bedeutet nicht, dass es keine Span-
statt.
nungen in diesem Sektor zwischen Bund und Kantonen
Um die Bildungsverfassung für den Bereich Hochschule
gibt. Diese beziehen sich vor allem auf Finanzierungs-
zu konkretisieren, erarbeitet eine Projektgruppe aus Ver-
und Regulierungsfragen (unter anderem Steuerungs-,
treter/innen des Bundes, der Kantone, der Hochschulen,
Vollzugs- oder Bewilligungsaufgaben). Es ist nicht davon
der Wissenschaft und der Studierenden gegenwärtig ein
auszugehen, dass zum Beispiel bei einer Neuregelung der
Hochschulrahmengesetz. In Ergänzung zum Rahmen-
Hochschullandschaft Schweiz der Bund seinen Anteil an
gesetz müssen die Kantone ein neues Konkordat ausar-
der Finanzierung erhöhen wird. Die Kantone als Träger
beiten sowie Bund und Kantone eine neue Zusammenar-
der Hochschulen oder als Beitragsleister werden ihrer-
beitsvereinbarung abschliessen. Da diese Prozesse Zeit
seits darum besorgt sein, dass ihre Interessen gebührend
benötigen, beantragt der Bundesrat dem Parlament im
beachtet werden, ansonsten die Gefahr bestünde, dass
Rahmen seiner Botschaft für Bildung, Technologie und In-
sich die Kantone aus der Finanzierung ganz oder teilwei-
novation (BFI) für die Jahre 2008–2011 eine Verlängerung
se zurückziehen und damit der Hochschulplatz Schweiz
des Universitätsförderungsgesetzes (UFG) um vier Jahre.
Schaden erleidet.
Geplant ist, dass Verfassungsartikel und Rahmengesetz im
Jahr 2011 in Kraft treten.
158
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 6
Ausblick: Fachhochschule
Bund und Kantonen zur Nationalen Gesundheitspoli-
Geplant ist eine Vereinbarung zwischen Bund und Kanto-
tik ist bis jetzt das einzige Forum, in dem Bund und
nen über die Ausgestaltung des Studienangebots und der
Kantone Themen der Gesundheitsversorgung disku-
Akkreditierungsrichtlinien an den Fachhochschulen.
tieren können. Das bestehende Bundesgesetz über die
Krankenversicherung (KVG) wirkt nicht als Koordinationsorgan, sondern bietet im Gegenteil immer wieder
6.4 Neue Ansätze in der
Zusammenarbeit zwischen Bund
und Kantonen
Teil
II
■
Zusammenarbeit
Anlass zu Konflikten zwischen Bund und Kantonen.
Aus- und Weiterbildung in den Gesundheitsberufen:
Das Gebiet Ausbildung in den Gesundheitsberufen
stellt eine Verbundaufgabe des Bundes und der Kantone dar. Hier haben Bund und Kantone in den letzten
angesichts der Verflechtung der Aufgaben Bund und Kan-
Jahren grosse Anstrengungen unternommen, um trotz
tone zusammenarbeiten. Im Sinne einer Zwischenbilanz
zahlreicher Konfliktherde auf partnerschaftlicher Basis
können für die Bereiche Gesundheitsförderung und Prä-
eine Klärung der Kompetenzen und Aufgaben vorzu-
vention, Gesundheits- und Verbraucherschutz, Gesund-
nehmen. Konkret haben die beiden staatspolitischen
heitsversorgung sowie Aus- und Weiterbildung in den Ge-
Akteure Bundesgesetze ausgearbeitet, Vereinbarungen
sundheitsberufen folgende Schlüsse gezogen werden:
geschlossen, gemeinsame Gremien wie die SUK ein-
Gesundheitsförderung und Prävention: In diesem Sek-
gerichtet und sogar auf eine Neuordnung der Verfas-
tor nehmen Bund und Kantone parallele Kompetenzen
sungsbestimmungen zur Bildung hingewirkt. Mit diesen
wahr. Die gesetzlichen Grundlagen sind auf kantonaler
Massnahmen ist der Prozess der Aufgabenklärung im
Ebene gut etabliert, auf nationaler Ebene jedoch wenig
Bereich Hochschulbildung aber noch nicht abgeschlos-
gesichert. Zu einer Zusammenarbeit zwischen Bund
sen.
Teil
III
Perspektiven
Zu Beginn des Kapitels 6 wurde die Frage formuliert, wie
■
Referenzrahmen
Teil
I
und Kantonen mit dem Ziel, ihre jeweiligen Massnah-
■
men aufeinander abzustimmen oder gar gemeinsame
In den letzten Jahren sind neue Ansätze in der Zusam­
Politikformulierungen ins Auge zu fassen, ist es bis jetzt
menarbeit zwischen Bund und Kantonen zu beobachten,
nicht gekommen. Die seit mehr als 10 Jahren beste-
die direkt oder indirekt für eine nationale Gesundheitspo-
hende Organisation «Gesundheitsförderung Schweiz»
litik von Interesse sind. Im Folgenden sollen vier neue An-
haben Bund und Kantone bis jetzt nicht als «ihr» natio-
sätze bzw. Tendenzen in der gesundheitspolitischen Zu-
nales Koordinationsorgan eingesetzt.
sammenarbeit zwischen Bund und Kantonen vorgestellt
Gesundheits- und Verbraucherschutz: Im Gesund-
und gemäss den oben formulierten Kriterien ihr Potential
heits- und Verbraucherschutz besteht für die meisten
für eine nationale Gesundheitspolitik ausgelotet werden:
Bereiche
1. der Dialog zwischen Bund und Kantonen zur Natio-
–
Lebensmittelsicherheit,
Epidemienbe-
kämpfung, Katastropheneinsatz, Heilmittelkontrolle,
Arbeitssicherheit – eine klare Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen. Das zweckmässige Zusammenwirken von Bund und Kantonen ist möglich
dank gesetzlicher Grundlagen auf Bundes- und Kan-
nalen Gesundheitspolitik
2. die Mitwirkung der Kantone im vorparlamentarischen
gesetzgeberischen Prozess
3. die Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA)
tonsebene, funktionierender kantonaler und eidgenös-
4. die neue Alkoholpolitik des Bundes, die aus Sicht ei-
sischer Vollzugsorgane sowie interkantonaler Foren auf
ner nationalen Gesundheitspolitik interessante Ansät-
schweizerischer Ebene wie die schweizerischen Verei-
ze zur Umsetzung der Strategie auf kantonaler Ebene
nigungen der Kantonsärztinnen und -ärzte, der Kan-
aufweist
tonsapotheker, der Kantonstierärztinnen und -ärzte,
■
der Kantonschemiker.
Diese Ansätze drehen sich um die strukturierte Zusam-
Gesundheitsversorgung: In diesem Bereich ist es bis
menarbeit, um die Mitwirkung der Kantone an der poli-
jetzt kaum zu koordinierten Formen der Zusammenar-
tischen Willensbildung und um die Umsetzung nationaler
beit zwischen Bund und Kantonen gekommen. Der seit
Programme.
zwei Jahren regelmässig stattfindende Dialog zwischen
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 6
159
Referenzrahmen
Teil
I
Tabelle 28: Stationen auf dem Weg hin zu einem kooperativen Föderalismus
1967
«ch Stiftung für eidgenössische Zusammenarbeit»: durch sämtliche Kantone und die Neue Helvetische Gesellschaft unter der Mitwirkung des Bundes gegründet. Seit 1993 ist die «ch Stiftung» eine ausschliesslich von sämtlichen Kantonen
getragene Institution. Ihr Tätigkeitsfeld ist auf die Pflege des Föderalismus ausgerichtet und umfasst heute folgende
Sparten: Kulturaustausch über die Sprachgrenzen, Dienstleistungen für die Kantonsregierungen sowie konzeptuelle
und praktische Arbeiten im Zusammenhang mit Föderalismusfragen. Die «ch Stiftung» führt unter anderem das Sekretariat der Konferenz der Kantonsregierungen (KdK).
1978–1997
Kontaktgremium Bund-Kantone (KG): Im Jahre 1978 lud der Bundesrat die Kantonsregierungen ein, die Arbeiten
betreffend die Neuverteilung der Aufgaben zwischen Bund und Kantonen zu begleiten und im gemeinsamen Interesse
liegende tragfähige Lösungen zu erarbeiten. Zu diesem Zwecke wurde ein neues ständiges Organ, das Kontaktgremium
Bund–Kantone geschaffen und der politische Dialog zwischen dem Bundesrat und den Kantonsregierungen erstmals
institutionalisiert. Vorher gab es nur Direktorenkonferenzen auf departementaler Ebene. Das KG stand unter dem Vorsitz des Vorstehers des EJPD und setzte sich aus Vertreterinnen und Vertretern aller Kantonsregierungen zusammen.
seit 1990
Informationsbeauftragte bzw. Vertreter der Kantone (Chargée d’information des cantons) in der Bundesverwaltung:
■ bei der Schweizer Mission in Brüssel (seit 1990)
■ im Integrationsbüro der beiden Eidg. Departemente für auswärtige Angelegenheit bzw. für Volkswirtschaft (seit
1994)
Zusammenarbeit
Teil
II
Perspektiven
Teil
III
160
■ im Eidg. Justiz- und Polizeidepartement (seit 2005)
seit 1993
Konferenz der Kantonsregierungen (KdK)
1995
Fachhochschulgesetz
seit 1997
Föderalismus-Dialog: Nach der Errichtung der Konferenz der Kantonsregierungen (KdK) im Oktober 1993 wurde zur
Vermeidung von Doppelspurigkeiten das Kontaktgremium Bund–Kantone im November 1997 sistiert und durch den
regelmässig stattfindenden «Föderalismus-Dialog» ersetzt. Damit sollen Kooperationsfragen im Verhältnis Bund–Kantone frühzeitig erkannt, der Informations- und Meinungsaustausch über wichtige föderalistische Themen sichergestellt
und die politische Abstimmung zwischen Kantons- und Bundesebene erwirkt werden.
Themen des Dialogs: Mitwirkung der Kantone an der Aussenpolitik des Bundes, Vollzug von Bundespolitiken durch die
Kantone, die NFA und die Agglomerationspolitik.
1999
Totalrevidierte Bundesverfassung vom Volk angenommen: Stärkere Gewichtung der Zusammenarbeit zwischen Bund
und Kantonen
2000
Bundesgesetz über die Mitwirkung der Kantone an der Aussenpolitik des Bundes
2000
Vereinbarung zwischen dem Bund und den Universitätskantonen über die Zusammenarbeit im universitären Hochschulbereich
2001
Vereinbarung zwischen dem Bund, den Kantonen sowie den Städten und Gemeinden zur Schaffung einer tripartiten
Agglomerationskonferenz (TAK): auf Vorschlag der KdK gegründet. Die TAK dient der Förderung der vertikalen Zusammenarbeit Bund–Kantone–Gemeinden sowie insbesondere der Entwicklung einer gemeinsamen Agglomerationspolitik.
2001
Rahmenordnung über die Arbeitsweise der KdK und der Direktorenkonferenzen bezüglich der Kooperation von Bund
und Kantonen
2003
Vereinbarung zwischen der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren
(GDK) und der Schweizerischen Eidgenossenschaft (Bund) vertreten durch das Eidg. Departement des Innern (EDI)
zur Nationalen Gesundheitspolitik Schweiz. Auf der Basis dieser Vereinbarung findet seit 2004 der Dialog zwischen
Bund und Kantonen zur Nationalen Gesundheitspolitik statt.
1994–2004
Bund und Kantone arbeiten gemeinsam an der Vorlage «Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung
zwischen Bund und Kantonen» (NFA); Annahme der Vorlage durch das Stimmvolk im Jahr 2005.
2004
Der Bund richtet die Stelle eines Delegierten für kantonale Finanzfragen im Eidg. Finanzdepartement ein.
Herbst 2005
Nationale Föderalismuskonferenz in Freiburg – Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen auf konferenziellem
Weg: Revitalisierung des Föderalismusverständnisses. Eine Folgekonferenz wird in 2 bis 3 Jahren ins Auge gefasst.
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 6
Dialog zwischen Bund und Kantonen zur
­Nationalen Gesundheitspolitik
die seit 1999 jährlich stattfindenden Arbeitstagungen zu
Der Dialog zwischen Bund und Kantonen zur Nationalen
chen Arbeitstagung erfolgte im Jahr 2000 die Priorisie-
Gesundheitspolitik ist das Ergebnis eines Prozesses, der
rung der auf nationaler Ebene zu bearbeitenden Gesund-
im Herbst 1998 von den Kantonen und dem Bund (Ge-
heitsthemen: psychische Gesundheit, Empowerment der
sundheitsdirektorenkonferenz und Eidg,. Departement
Bevölkerung und Angebotsplanung in der Spitzenmedizin.
des Innern) lanciert wurde. Ziel des Projektes und heu-
Konkrete Ergebnisse liegen für die Bereiche Psychische
tigen Dialogs war und ist es, die vertikale gesundheitspo-
Gesundheit (siehe 6.4) und Spitzenmedizin (siehe 5.4.1)
litische Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen
vor. Diese beiden Themen stehen auch heute noch auf der
zu stärken und die Gesundheitspolitiken des Bundes und
Traktandenliste des Dialogs. Es ist noch zu früh, um zu
der Kantone besser aufeinander abzustimmen. Das Pro-
beurteilen, ob die im Rahmen der Tagungen diskutierten
jekt wurde 2003 in den Dialog zwischen Bund und Kan-
Themen zu gemeinsam verantworteten Strategien des
tonen zur Nationalen Gesundheitspolitik übergeführt. Der
Bundes und der Kantone führen.
Dialog stützt sich auf die «Vereinbarung zwischen Bund
Seit 2004 finden drei Mal pro Jahr Gespräche zwischen
und Kantonen zur Nationalen Gesundheitspolitik», die im
dem Bund (Departementsvorsteher des EDI, Amtsdi-
Jahr 2003 von der GDK und dem Bundesrat unterzeichnet
rektor des BAG, Amtsdirektorin BFS, Kaderleute des
wurde. Die Vereinbarung beinhaltet eine Zusammenarbeit
Bundes) und einer Delegation des Vorstands der GDK
zwischen Bund und Kantonen auf freiwilliger Basis und
statt. Die Traktandenliste der Sitzungen werden von den
hat keinen rechtssetzenden Charakter wie die Vereinba-
geschäftsführenden Ausschüssen des EDI und der GDK
rung zwischen dem Bund und den Universitätskantonen
gemeinsam vorbereitet.
über die Zusammenarbeit im universitären Hochschulbe-
Im ersten und zweiten Jahr des Dialogs stand die Revi-
reich (2000).
sion des Krankenversicherungsgesetzes im Vordergrund.
Als eine der ersten «Handlungen» beschlossen Bund und
Neben der Einführung von Tarmed ging es insbesondere
Kantone die Gründung des Schweizerischen Gesundheits-
auch um die Spitalfinanzierung. Hier besteht der grösste
observatoriums im Jahr 2000 (siehe hierzu Teil V: «Porträt
Klärungs- und Handlungsbedarf zwischen Bund und Kan-
der Gesundheitspolitik des Bundes»).
tonen. Public Health-Themen hingegen werden selten in-
Fester Bestandteil des Projektes Nationale Gesundheits-
tensiv diskutiert, auch wenn sie auf der Traktandenliste
politik Schweiz und des heutigen Dialogs waren und sind
des Dialogs zu finden sind.
Referenzrahmen
Teil
I
gesundheitspolitischen Themen. Im Rahmen einer sol-
Zusammenarbeit
Teil
II
Perspektiven
Teil
III
Tabelle 29: Arbeitstagungen Nationale Gesundheitspolitik Schweiz
1999
Lancierung des Projekts Nationale Gesundheitspolitik und der Idee eines Gesundheitsobservatoriums
2000
Anhand von 10 Themen (Empowerment der Bevölkerung; Empowerment der Vertreter/innen der Gesundheitsberufe; Überalterung der Bevölkerung; Kriterien für die Angebotsplanung; Evaluation der Medizintechniken; Planung und Koordination
des Angebots im Bereich der Spitzenmedizin; Evidence Based Medicine; mentale Gesundheit; nichtübertragbare Krankheiten;
Prävention der übertragenen Krankheiten durch Impfungen) diskutieren Bund und Kantone mögliche Inhalte und Prioritäten
einer zukünftigen national koordinierten Gesundheitspolitik. Wahl von drei Themen: Psychische Gesundheit, Empowerment
sowie Planung und Koordination des Angebots im Bereich der Spitzenmedizin.
2001
Die bestimmenden Faktoren der Gesundheit und ihre Bedeutung für die Gesundheitspolitik
2002
■ Psychische Gesundheit
■ Mandat an die Steuerungsgruppe der Nationalen Gesundheitspolitik, eine politische Plattform Bund-Kantone vorzubereiten
2003
■ Arbeitsbedingungen und Gesundheit – hin zu gemeinsam getragenen Strategien
■ Verabschiedung einer Resolution zur Verankerung der «Gesundheitsziele für die Schweiz im 21. Jahrhundert»
2004
E-Health
2005
Altern und Gesundheit
2006
Medizinische Grundversorgung
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 6
161
Referenzrahmen
Teil
I
Tabelle 30: Themen des Dialogs zwischen April 2004 bis Oktober 2005
(in alphabetischer Reihenfolge, ohne Gewichtung)
Teil
II
Krankenversicherungsthemen
Public Health-Themen
■ Behandlungen im Ausland: Risiken und Grenzen der Förde-
■ Arbeitsgesetz: Antizipieren allfälliger Vollzugsschwierigkeiten
Zusammenarbeit
■
■
■
■
■
Teil
III
■
■
Perspektiven
■
■
■
rung von Spitalbehandlungen im Ausland – Informationsaustausch
Effizienzvergleich: Präsentation einer Studie über einen Effi­
zienzvergleich zwischen öffentlichen und privat geführten Spitälern
E-Health: Bund und Kantone diskutieren die Perspektiven einer Versichertenkarte.
Komplementärmedizin: keine Pflichtleistung der Krankenversicherung mehr. Information durch den Bundesrat.
Krankenversicherungsgesetz: Revision
Leistungen der obligatorischen Krankenversicherung: Überprüfung
Monitoring der KV-Kostenentwicklung: Das BAG entwickelt
zusammen mit der GDK und santésuisse ein Monitoring nach
Kostengruppen und Kantonen, das ab 2006 vierteljährlich publiziert wird.
Pflegefinanzierung
Spitalfinanzierung: Die Kantone präsentieren Alternativen zu
den bundesrätlichen Vorschlägen und zu den Vorschlägen der
Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Ständerates. Ein tragfähiger Kompromiss scheint in Reichweite.
TARMED: Gemeinsame Erstellung von Dokumentationen und
Analysen durch Bund und Kantone; Antizipieren allfälliger
Vollzugsschwierigkeiten in den Kantonen
Vertragsfreiheit: Durchführen eines Fachseminars zur Meinungsbildung
in den Kantonen
■ Grundversorgung: Sicherstellung der medizinischen Grund-
versorgung – Gemeinsame Erstellung von Dokumentationen
und Analysen durch Bund und Kantone
■ Krebs: Bund und Kantone diskutieren das von ihnen in Auftrag
gegebene Nationale Programm zur Krebsbekämpfung 2005–
2010
■ Medizinalberufe: Der Bundesrat informiert über den Stand der
parlamentarischen Beratungen betreffend das Bundesgesetz
über die Medizinalberufe.
■ Observatorium: Der Leistungsauftrag 2006–2010 des Schweizerischen Gesundheitsobservatoriums wird von Bund und
Kantonen gutgeheissen.
■ Prävention und Gesundheitsförderung: Der Bundesrat lädt die
Kantone ein, an den Vorarbeiten des BAG zu einer Neuregelung der Prävention und Gesundheitsförderung in der Schweiz
mitzuarbeiten. Psychische Gesundheit: Umsetzung von Massnahmen auf nationaler Ebene im Bereich der psychischen Gesundheit: Federführung bei der Geschäftsstelle des Bundes
und der Geschäftsstelle der Kantone zur Nationalen Gesundheitspolitik
■ Sparprogramm des Bundes: Umsetzung durch BAG und BFS
sowie Auswirkungen auf die Kantone
■ Spitzenmedizin: Der Bundesrat erhofft sich von den Kantonen
trotz aller Schwierigkeiten eine einvernehmliche interkantonale Lösung bei der Koordination und Konzentration spitzenmedizinischer Leistungen.
■ Vogelgrippe und Grippepandemie
Dialog Bund–Kantone: Würdigung
wo informelle Vernehmlassungen stattfinden. Eigentliche
Mit der Institutionalisierung des Dialogs haben die Kan-
Prozesse der gemeinsamen Politikformulierung oder der
tone ein wichtiges Anliegen, nämlich als gleichberechtigte
Priorisierung von Themen haben in der jungen Geschich-
Partner mit dem Bund regelmässig Gespräche auf mini-
te des Dialogs noch nicht stattgefunden. Auch vermochte
sterieller Ebene zu führen, erreicht. Angesichts der bisher
der Dialog bis jetzt bundesverwaltungsintern nur die bei-
fehlenden Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen
den Bundesämter Gesundheit und Statistik in den Prozess
in der medizinischen Versorgung füllt der Dialog hier eine
einer nationalen Gesundheitspolitik zu integrieren. Hier
grosse Lücke. Es ist jedoch noch zu früh, den Dialog aus
besteht weiterhin Handlungsbedarf.
Sicht einer nationalen Gesundheitspolitik zu beschrei-
Kantone ihn als Austauschplattform intensiv nutzen. Die
Neugestaltung des Finanzausgleichs
und der Aufgabenteilung zwischen Bund und
Kantonen (NFA)
Prozesse, die im Rahmen des Dialogs ausgelöst werden,
Auch wenn die neue Bundesverfassung die Notwendig-
sind zunächst als vertrauensbildende Massnahmen zu ver-
keit der Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen
stehen. Auch können die Kantone den Bund auf allfällige
anerkennt, ändert dies nichts an der historisch gewach-
Vollzugsschwierigkeiten hinweisen (Stichworte: Sozial-
senen Kompetenzaufteilung und an den klassischen In-
ziel/Prämienverbilligung; TARMED; Arbeitsgesetz). In
strumenten, die den Kantonen zur Durchsetzung ihrer
diesem Sinne hat sich der Dialog zu einem Ort entwickelt,
Interessen zur Verfügung stehen. Die Zentralisierung von
ben. Grundsätzlich lässt sich aber festhalten, dass Bund
und Kantone den Dialog schätzen und insbesondere die
162
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 6
Kantonen hatte die Forderung nach Entflechtung der Auf-
Kantonsaufgaben gemäss NFA
gaben und gleichzeitig nach vermehrter Zusammenarbeit
■ Turnen und Sport: freiwilliger Schulsport, Herausgabe der
zwischen den Kantonen laut werden lassen. Parallel zur
Finanzausgleichs und der Aufgaben zwischen Bund und
Lehrmittel
■ Hilfe und Pflege vor Ort (u. a. Spitex)
■ Bau- und Betriebsbeiträge an Behindertenheime (Wohnheime, Werkstätten und Tagesstätten)
■ Beiträge an Ausbildungsstätten für soziale Berufe
Kantonen (NFA). Dieser Prozess wurde von Bund und
Bundesaufgaben gemäss NFA
die Arbeiten zu einer grundlegenden Neugestaltung des
Kantonen von Anfang als paritätisch zusammengesetzte
Projektorganisation geführt (Projektorganisation «Neuer
■ Individuelle Leistungen der Invalidenversicherung
■ Definition von Mindeststandards im Behindertenbereich
Finanzausgleich» des Eidgenössischen Finanzdeparte-
und Unterstützung der Betagten- und Behindertenorganisationen (schweizerische Dachorganisationen)
ments und der Konferenz der Kantonsregierungen).
Obwohl der Name vermuten lässt, dass es sich bei der NFA
Verbundaufgaben gemäss NFA
um eine Neuregelungen der finanziellen Verhältnisse zwi-
■ Ausbildungsbeihilfen im
schen Bund und Kantonen handelt, geht es hierbei doch
gang entscheidend auch um eine Neuregelung der föderalen Beziehungen zwischen Bund und Kantone sowie
zwischen den Kantonen, im besonderen um eine Entflech-
■
■
tung der Aufgaben und um neue Instrumente der bundes■
staatlichen Kooperation.
Volk und Stände (Kantone) haben die NFA 2004 deutlich
angenommen. Nur drei Kantone – Zug, Nidwalden und
Schwyz – stimmten dagegen. Im Rahmen der Umsetzung
der NFA sollen in einem Mantelerlass 30 bestehende Bun-
■
■
Tertiärbereich (neu)
Sicherstellung der amtlichen Vermessung (neu)
Finanzierung der AHV/IVErgänzungsleistungen
(neu)
Agglomerationsverkehr
(neu)
Hauptstrassennetz (neu)
Straf- und Massnahmenvollzug (neu)
■ Prämienverbilligung in
■
■
■
■
■
der Krankenversicherung
(bisher)
Gewässerschutz (bisher)
Lärmschutz an Kantonsund Gemeindestrassen
(bisher)
Natur- und Landschaftsschutz (bisher)
Hochwasserschutz (bisher)
Wald (bisher)
Teil
III
Perspektiven
Revision der Bundesverfassung begannen deshalb 1994
Teil
II
Zusammenarbeit
nehmende Aufgabenverflechtung zwischen Bund und
Tabelle 31: Entflechtung der Aufgaben gemäss NFA
im Sektor Gesundheit
Kompetenzen auf Bundesebene beziehungsweise die zu-
Referenzrahmen
Teil
I
desgesetze geändert und drei neue oder totalrevidierte
Bundesgesetze erlassen werden. Die NFA soll auf den
1. Januar 2008 in Kraft treten.
Beispiel Invalidenversicherung:
1 von 30 NFA-Bundesgesetzen
Die «Institutionen zur Eingliederung und Betreuung von
Verbundaufgaben gemäss NFA
Invaliden» sind einer der 9 in der Verfassung abschlies-
Verbundaufgaben sind gemäss der ersten NFA-Bot-
send aufgeführten Bereiche, wo die Kantone zur Beteili-
schaft Aufgaben, für deren Erfüllung Bund und Kan-
gung an interkantonalen Verträgen verpflichtet werden
tone gemeinsam die finanzielle Verantwortung tragen.
können. Die entsprechende bundesrätliche NFA-Vorlage
Zu den Verbundaufgaben gehören Bundesaufgaben,
sieht auf dem Gebiet der kollektiven IV-Leistungen ein
deren Vollzug den Kantonen übertragen ist, aber auch
neues Bundesgesetz über die Institutionen zur Förderung
Aufgabenbereiche, in denen der Bund eine beschränkte
der Eingliederung von invaliden Personen (IFEG) vor. In
Zuständigkeit hat oder seine Zuständigkeit nicht aus-
diesem Bundesgesetz werden die Ziele, Grundsätze und
schöpft (z. B. Agglomerationsverkehr). Die NFA möchte
Kriterien der Eingliederung festgelegt sein. Aufgabe der
in diesen Bereichen effizientere Zusammenarbeits- und
Kantone wird es in Zukunft sein, die Eingliederung invali-
Finanzierungsformen festlegen. Im Sektor Gesundheit
der Menschen vor Ort zu fördern. Eine Auflistung derjeni-
bleibt es bei einer Verbundaufgabe: die individuelle
gen Bereiche im Sektor Gesundheit, wo eine Entflechtung
Prämienverbilligung in der Krankenversicherung. An-
gemäss NFA vorgesehen ist, findet sich in Tabelle 31 «Ent-
dere NFA-Verbundaufgaben im Sektor Gesundheit sind
flechtung der Aufgaben gemäss NFA im Sektor Gesund-
gegenwärtig keine vorgesehen.
heit».
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 6
163
Referenzrahmen
Teil
I
Teil
II
Neue Zusammenarbeits- und Finanzierungsformen
mungen ermächtigen, die einen interkantonalen Vertrag
Aus gesundheitspolitischer Perspektive sind zwei neue
umsetzen, sofern der Vertrag:
Zusammenarbeits- und Finanzierungsformen interessant,
a. nach dem gleichen Verfahren, das für die Gesetzgebung
welche für die NFA entwickelt wurden: die Programmver-
gilt, genehmigt worden ist;
einbarung und die Allgemeinverbindlichkeitserklärung
b. die inhaltlichen Grundzüge der Bestimmungen festlegt.
von interkantonalen Verträgen. Sie haben zum Ziel, die fi-
5
Die Kantone beachten das interkantonale Recht.
Zusammenarbeit
nanziellen Mittel sparsam und zugleich wirksam einzusetzen sowie die interkantonale Zusammenarbeit zu stärken.
Art. 48a, Abs. 1 und 2 BV
1
Programmvereinbarungen
genden Aufgabenbereichen interkantonale Verträge all-
Die Bundesverfassung hält fest :
gemeinverbindlich erklären oder Kantone zur Beteiligung
Art. 46, Abs. 2 und 3
an interkantonalen Verträgen verpflichten: a) Straf- und
Bund und Kantone können miteinander vereinbaren,
Massnahmenvollzug, b) kantonale Universitäten; c) Fach-
dass die Kantone bei der Umsetzung von Bundesrecht be-
hochschulen; d) Kultureinrichtungen von überregionaler
stimmte Ziele erreichen und zu diesem Zweck Programme
Bedeutung; e) Abfallbewirtschaftung; f) Abwasserreini-
ausführen, die der Bund finanziell unterstützt (Programm-
gung; g) öffentlicher Agglomerationsverkehr,; h) Spitzen-
vereinbarungen).
medizin und Spezialkliniken; i) Institutionen zur Einglie-
2
Teil
III
3
Perspektiven
Auf Antrag interessierte Kantone kann der Bund in fol-
Der Bund belässt den Kantonen möglichst grosse Ge-
derung und Betreuung von Invaliden
staltungsfreiheit und trägt den kantonalen Besonder-
2
heiten Rechnung.
eines Bundesbeschlusses.
3
Die Allgemeinverbindlichkeitserklärung erfolgt in Form
Das Gesetz legt die Voraussetzung für die Allgemein-
Programmvereinbarungen gelangen bei so genannten
verbindlichkeitserklärung und die Beteiligungspflicht fest
Verbundaufgaben zur Anwendung. Ziel der Programmver-
und regelt das Verfahren (Art. 10, 14 und 15 des Bundes-
einbarungen ist es, die Rollen von Bund und Kantonen zu
gesetz über den Finanz und Lastenausgleich FiLaG vom
klären sowie eine neue Zusammenarbeit und effizientere
3. Oktober 2003).
Subventionsformen zu realisieren.
94
Unter dem Aspekt
des Föderalismus ist von grosser Bedeutung, dass die
Bundesgesetzes über den Finanz- und Lastenausgleich
Kantone mitentscheiden können: Der Bund und die ein-
Die Artikel 10 bis 17 des Bundesgesetzes über den Finanz-
zelnen Kantone verhandeln auf der Basis der jeweiligen
und Lastenausgleich (FiLaG, 2003) regeln im Detail, wie
Bundesgesetze über die zu erreichenden Ziele, welche in
die Bundesversammlung die Kantone über interkantonale
Programmvereinbarungen münden. Die Bundesbeiträge
Rahmenvereinbarungen oder über interkantonale Verträ-
(Global- oder Pauschalbeiträge) an diese Verbundaufga-
ge zur Zusammenarbeit mit Lastenausgleich in den 9 oben
ben werden auf die vereinbarten, mehrjährigen Leistungs-
erwähnten Bereichen verpflichten kann.
ziele ausgerichtet und nicht mehr auf den Aufwand von
einzelnen Projekten oder auf die Finanzkraft der Empfän-
Art. 10 FiLaG: Pflicht zur Zusammenarbeit
gerkantone. Zudem soll der Bund statt Einzelobjekte ziel-
1
konforme Mehrjahresprogramme subventionieren.
gabenbereichen gemäss Artikel 48a Absatz 1 der Bundes-
Die Bundesversammlung kann die Kantone in den Auf-
verfassung zur Zusammenarbeit mit Lastenausgleich verAllgemeinverbindlichkeitserklärung von interkantonalen
pflichten.
Verträgen und Beteiligungspflicht
2
Die Bundesverfassung hält fest:
licherklärung (Art. 14) oder der Beteiligungspflicht (Art.
Art. 48, Abs. 4 und 5 BV
15).
4
Die Kantone können interkantonale Organe durch in-
terkantonalen Vertrag zum Erlass rechtsetzender Bestim-
3
Die Verpflichtung erfolgt in Form der Allgemeinverbind-
Die Kantone regeln ihre Zusammenarbeit in interkanto-
nalen Verträgen.
94 Siehe hierzu: Giovanni Biaggini, NFA-Gutachten (August 2000).
164
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 6
Art. 14 FiLaG: Allgemeinverbindlicherklärung
keitserklärung: Antrag von mindestens 18 Kantonen nötig). Mit anderen Worten, Allgemeinverbindlicherklärung
und Beteiligungspflicht können gegen den ausdrücklichen
verbindlich erklären:
Willen von Parlament und/oder Volk der betroffenen Kan-
a. auf Antrag von mindestens 21 Kantonen: die interkanto-
tone ausgesprochen werden. Ein entsprechender Be-
nale Rahmenvereinbarung;
schluss des Parlaments unterliegt dem fakultativen Refe-
b. auf Antrag von mindestens 18 Kantonen: einen inter-
rendum.
kantonalen Vertrag in den Bereichen nach Artikel 48a Ab-
Aktuelle Beispiele für einen solchen Vertrag sind die In-
satz 1 der Bundesverfassung.
terkantonale Vereinbarung für soziale Einrichtungen IVSE
Teil
II
Zusammenarbeit
Die Bundesversammlung kann in Form eines dem Refe-
rendum unterstehenden Bundesbeschlusses für allgemein
1
Referenzrahmen
Teil
I
oder die «Interkantonale Vereinbarung über die KoordiArt. 15 FiLaG: Beteiligungspflicht
nation und Konzentration der Hochspezialisierten Medi-
Die Bundesversammlung kann in Form des einfachen
zin» (IVKKM), deren Ratifizierungen gegenwärtig bei den
Bundesbeschlusses auf Antrag von mindestens der Hälfte
Kantonen in Gang sind. Zudem kann die Bundesversamm-
der Kantone, die an einem interkantonalen Vertrag oder
lung einzelne Kantone zur Beteiligung an interkantonalen
an einem definitiv ausgehandelten Vertragsentwurf be-
Verträgen verpflichten (Beteiligungsverpflichtung: Antrag
teiligt sind, einen oder mehrere Kantone zur Beteiligung
von mindestens der Hälfte der an einem Vertrag bzw. Ver-
verpflichten.
tragsentwurf beteiligten Kantone).
1
Teil
III
kantonalen Zusammenarbeit mit Lastenausgleich in den
lage für die interkantonalen Verträge gemeinsam eine
9 Bereichen über die so genannte Interkantonale Rah-
interkantonale Rahmenvereinbarung. Darin legen sie die
menvereinbarung (IRV). Darin legen sie die Grundsätze
Grundsätze der interkantonalen Zusammenarbeit, die
der interkantonalen Zusammenarbeit, die Grundsätze des
Grundsätze des Lastenausgleichs, die zuständigen Organe
Lastenausgleichs, die zuständigen Organe sowie das Bei-
sowie das Beitritts- und das Austrittsverfahren fest. Ar-
tritts- und das Austrittsverfahren fest. Gemäss Artikel 46,
tikel 12 FiLaG sieht vor, dass der Bundesrat die Kantone
Absatz 4 der Bundesverfassung können die Kantone neu
zur Zusammenarbeit mit Lastenausgleich in den 9 oben
interkantonale Organe durch interkantonale Verträge er-
erwähnten Bereichen verpflichten kann.
mächtigen, rechtsetzende Bestimmungen zu erlassen und
Gemäss diesen Verfassungsartikeln kann die interkan-
Justizorgane einzusetzen. Bisher hatten die Kantone von
tonale Zusammenarbeit in neun in der Verfassung ab-
dieser Möglichkeit in nur ganz eingeschränktem Mass Ge-
schliessend aufgeführten kantonalen Aufgabenbereichen
brauch gemacht (siehe Kapitel 5.1). Mindestens 21 Kan-
obligatorisch erklärt und der kantonsübergreifende Lei-
tone müssen der IRV zustimmen. Im Juni 2005 wurde die
stungsbezug finanziell abgegolten werden. Zum einen soll
IRV von der Plenarversammlung der Konferenz der Kan-
damit eine übermässige Aufgabenzentralisierung beim
tonsregierungen (KdK) zuhanden der Ratifikation in den
Bund verhindert werden. Zweites wird über den Ab-
Kantonen verabschiedet. Parallel zur Ratifikation der IRV
schluss interkantonaler Verträge sichergestellt, dass Zen-
werden bestehende Zusammenarbeitsverträge in den ein-
trumskantone für ihr Angebot an Leistungen – z. B. in der
zelnen Aufgabenbereichen angepasst, so auch die bereits
Spitzenmedizin – von den Bezügerkantonen angemessen
oben erwähnte Interkantonale Vereinbarung für soziale
entschädigt werden. In den 9 Bereichen ist die Zusam-
Einrichtungen (IVSE).
Perspektiven
Die Kantone ihrerseits regeln die Modalitäten der interNach Artikel 11 FiLaG erarbeiten die Kantone als Grund-
menarbeit deshalb mit einem Lastenausgleich verknüpft,
weshalb hier von der «Interkantonalen Zusammenarbeit
NFA: Würdigung
mit Lastenausgleich» gesprochen wird. Als Gegenleistung
Mit der NFA soll die Position der Kantone wieder gestärkt
erhält der Bezügerkanton ein Mitspracherecht. Die Bun-
und deren Handlungsspielraum gesichert bzw. erweitert
desversammlung (das Bundesparlament) kann auf Antrag
werden. Schliesslich sollen Anreize geschaffen werden,
einer bestimmten Anzahl von Kantonsregierungen er-
damit Aufgaben mit Hilfe von flexiblen Zusammenarbeits-
mächtigt werden, interkantonale Verträge in den oben er-
formen über die Kantonsgrenzen hinweg gelöst werden.
wähnten 9 Bereichen allgemeinverbindlich – also für alle
Aus politischer Sicht wird der Neue Finanzausgleich un-
Kantone bindend – zu erklären (Allgemeinverbindlich-
terschiedlich beurteilt. Während Befürworter wie Staats-
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 6
165
Referenzrahmen
Teil
I
Zusammenarbeit
Teil
II
rat Urs Schwaller (FR) den Neuen Finanzausgleich als
Planung der Gesundheitsversorgung
Chance sehen, kantonale Aufgaben gemeinsam zu lösen
Verbindliche interkantonale Gesundheitsplanung wird
und damit deren Zentralisierung auf Bundesebene zu ver-
ge­­mäss NFA nur bei der Spitzenmedizin und den Spezial­
hindern , bemängeln kritische Stimmen wie der Staats-
kliniken möglich sein. Die Frage steht im Raum, ob die
rechtler René Rhinow, dass damit der dreistufige Bundes-
Kantone längerfristig die in der Verfassung abschliessend
staat zu einem vierstufigen, und wenn die regionale Ebene
aufgeführten Aufgabenbereiche um die ambulante Ge-
hinzugezählt wird, zu einem fünfstufigen ausgebaut wird:
sundheitsversorgung oder die Versorgung durch Akutspi-
Gemeinde, Kanton, Region, interkantonale gesamtschwei-
täler erweitern werden, um die Planung regionaler Versor-
zerische Institution, Bund. Aus seiner Sicht stärkt die
gungszentren zu begünstigen.
95
grenzüberschreitende Zusammenarbeit die Regierungen
und schwächt die Parlamente und das Volk. Damit würde
Verbesserung der Vollzugsbestimmungen
die Autonomie der einzelnen Kantone verringert und exe-
Programmvereinbarungen sind eine besondere Form der
kutivstaatliche Entscheidungsstrukturen gestärkt, dies zu
Umsetzung von Bundesrecht. Durch das gemeinsame
Lasten des Parlamentarismus und der Volksrechte .
Festlegen von Umsetzungszielen durch Bund und Kan-
96
Perspektiven
Teil
III
tone im Rahmen von Programmvereinbarungen kann die
Potential der NFA für die nationale Gesundheitspolitik
Gefahr von Vollzugsdefiziten reduziert werden.
Allgemeinverbindlichkeitserklärung von interkantonalen
Verträgen und Programmvereinbarung
Kooperativer Föderalismus am Beispiel
der Alkoholpolitik des Bundes
Der Kanton Bern hatte bereits 2003 den Wunsch nach ei-
Seit den 1980er-Jahren engagiert sich der Bund und ins-
ner Diskussion über die Föderalismusreform im Gesund-
besondere das Bundesamt für Gesundheit in der Krank-
heitsbereich analog zu den vorgeschlagenen Reformen
heitsprävention und hat zu diesem Zweck eine Reihe von
betreffend das Projekt «Neuer Finanzausgleich» angeregt
Strategien entwickelt (siehe hierzu Band 2, Teil V: Por-
(siehe hierzu Teil IV, Porträt des Kantons Bern). Mit der
trät der Gesundheitspolitik des Bundes). Diese Strategien
Allgemeinverbindlichkeitserklärung und der Programm-
können sich oft nur auf schwache rechtliche Grundlagen
vereinbarung stehen Bund und Kantone zwei Instrumente
abstützen. Die Kantone ihrerseits verfügen wegen des
zur Verfügung, die die interkantonale Zusammenarbeit
Subsidiaritätsprinzips über ausgesprochen grosse Kom-
und die partnerschaftliche Beziehung zwischen Bund und
petenzen auf dem Gebiet der Gesundheitsförderung und
Kantonen stärken könnten. Gemäss der abschliessenden
Prävention. Dort, wo der Bund über ausreichende Rege-
Liste der Aufgabenbereiche und der Liste der Verbundauf-
lungsbefugnisse verfügt, haben die Kantone über das In-
gaben scheinen sich bisher nur wenige Aktionsfelder im
strument der Ausführungsgesetzgebung die Möglichkeit,
Bereich Gesundheit für die Anwendung dieser zwei neuen
die gesundheitspolitischen Programme des Bundes an
Instrumente zu qualifizieren. Spitzenmedizin, die Spezial-
ihre spezifischen Bedürfnisse anzupassen.97 Angesichts
kliniken (Allgemeinverbindlichkeitserklärung) sowie die
dieser Ausgangslage ist der Bund für eine sinnvolle Um-
Finanzierung der IV-Ergänzungsleistungen. Mit Blick auf
setzung seiner Präventionsprogramme auf die freiwillige
die Neuregelung der Prävention und Gesundheitsförde-
Zusammenarbeit mit den Kantonen angewiesen.
rung wäre zu prüfen, ob ein zukünftiges Bundesgesetz von
Auf dem Gebiet der Alkoholprävention des Bundes ha-
Anfang an als Verbundaufgabe konzipiert wird und sich
ben in den letzten Jahren mit Blick auf die Zusammen-
damit für Programmvereinbarungen im Bereich der Ge-
arbeit zwischen Bund und Kantonen vielversprechende
sundheitsförderung und Prävention qualifiziert.
Entwicklungen stattgefunden, die an dieser Stelle kurz
beschrieben werden sollen. Aus Sicht einer nationalen
Gesundheitspolitik könnten die im Rahmen der zukünf-
95 SCHWALLER Urs: Auswirkungen der NFA auf die Parlamente. Stellungnahme aus der Sicht der Konferenz der Kantonsregierungen. In:
Parlament 3/03, S. 15–17.
96 RHINOW René: Auswirkungen der Neugestaltung des Finanzausgleichs
und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA) auf die
Parlamente. Referat gehalten vor der Schweizerischen Gesellschaft für
Parlamentsfragen. 20. September 2003. S. 2.
166
tigen Alkoholpolitik des Bundes formulierten Ideen und
Vorschläge als Anregung auch für andere Präventionspro97 Siehe hierzu auch Fritz SAGER, Kompensationsmöglichkeiten föderaler Vollzugsdefizite. Das Beispiel der kantonalen Alkoholpräventionspolitiken. Swiss Political Science Review 9 (1) 309–333.
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 6
gramme gelten, die der Bund in den nächsten Jahren zu
Folge ein Politikinstitut mit der Erarbeitung von 26 alko-
realisieren plant.
holpolitischer Kantonsprofilen.98 Diese Profile sollen dem
Referenzrahmen
Teil
I
Bund das Grundlagenwissen über die kantonalen Alkohol-
Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) hatte im Frühjahr
hin zu einer nationalen Alkoholpolitik dienen. So formu-
1999 zusammen mit der Eidg. Alkoholverwaltung (EAV)
liert der Bericht 12 Empfehlungen, wie die Zusammenar-
und der Schweizerischen Fachstelle für Alkohol- und an-
beit zwischen Bund und Kantonen bei der Umsetzung der
dere Drogenprobleme (SFA) unter dem Titel «Alles im
Alkoholpolitik des Bundes optimiert werden kann. Diese
Griff?» zum ersten Mal ein nationales Alkoholprogramm
Empfehlungen orientieren sich stark an der Souveränität
lanciert, das in einer ersten Phase vier Jahre dauerte.
der Kantone, gleichzeitig aber auch an den Ideen eines
Ein Jahr später publizierte die Eidgenössische Kommis-
kooperativen Föderalismus.
sion für Alkoholfragen (EKA) einen nationalen Alkoholak­
Nachfolgend werden diese Empfehlungen zusammenge-
tionsplan (NAAP). Viele Massnahmen des NAAP liegen
fasst wiedergegeben:
sammenarbeit zwischen Bund und Kantonen auf dem Weg
in der Kompetenz der Kantone. Deshalb hat die EKA im
Sommer 2001 den NAAP den Kantonen zur Stellungnah-
Unterschiedliche finanzielle und fachliche Anreize
me unterbreitet, 2002 überarbeitet und aufgrund der po-
anbieten
sitiven Rückmeldungen der Kantone ein Konzept «Kan-
Es gibt grosse Unterschiede in den Präventionsaktivitäten
tonale Alkoholaktionspläne» (KAAP) entwickelt. Ziel des
der Kantone. Je nach Aktivitätsgrad der Kantone gelten
KAAP-Konzepts ist es, die Kantone durch Beratung und
verschiedene Massnahmen: Bei Kantonen, die sich gegen-
Information des Bundes bei der Entwicklung eigener Al-
über dem Bund im Vorsprung befinden, sollte der Bund
koholaktionspläne zu unterstützen. Zu diesem Zweck hat-
als Lernender auftreten. Weniger aktive Kantone lassen
te der Bund zwischen November 2003 und Oktober 2004
sich über finanzielle und/oder fachliche Anreize in eine ge-
Tagungen durchgeführt. Dabei wurde deutlich, dass der
samtschweizerische Präventionsstrategie einbinden.
Teil
II
Zusammenarbeit
politiken liefern und als Orientierung für die weitere Zu-
Teil
III
Perspektiven
Vorschläge für eine Alkoholpolitik auf
nationaler Ebene
Bund für die Zusammenarbeit mit den Kantonen mehr
Wissen über die Situation in den Kantonen generieren
Kantonsinterne Koordinationsstrukturen nutzen
muss. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) und die Eid-
Die Kantone weisen heterogene Organisationsstrukturen
genössische Alkoholverwaltung (EAV) beauftragten in der
und heterogene kantonsinterne Zusammenarbeits- oder
Koordinationsstrukturen auf. Diese gilt es zu kennen und
darauf Rücksicht zu nehmen.
Nationales Präventionsprogramm Alkohol
Bis heute hat der Bundesrat die seit 1999 vom BAG
Interkantonale Koordinationsstrukturen nutzen
und der EAV durchgeführten Alkoholpräventionspro-
Für die Umsetzung nationaler Präventionsstrategien ist
gramme noch nicht als offizielle Alkoholpolitik des
eine gemeinsame Problem- und Lösungssicht der kan-
Bundes verabschiedet. Zurzeit laufen deshalb Vorbe-
tonalen Vollzugsträger unumgänglich. Erst wenn die ge-
reitungsarbeiten zu einem Nationalen Präventionspro-
meinsamen Interessen und Ziele der strukturell sehr un-
gramm Alkohol (NPPA) 2006–2010, das dem Bundes-
terschiedlichen Kantone ausdrücklich als solche erkannt
rat 2006 zur Verabschiedung vorgelegt wird. Mit dem
werden, bestehen für die Kantone genügend Anreize,
Programm werden nicht nur die Aufgaben und Zustän-
aktiv an einer gemeinsamen Alkoholpolitik mitzuarbeiten.
digkeiten der einzelnen Präventionspartner definiert,
Zu diesem Zweck könnten nicht nur die Kantone, sondern
sondern auch die Kantone bei der Umsetzung des
auch der Bund die bestehenden interkantonalen Gremien
Programms aktiv einbezogen. Geplant ist, im Rahmen
dieses Prozesses das KAAP-Projekt in das nationale
Präventionsprogramm Alkohol zu integrieren und in
Zukunft nicht mehr von der EKA, sondern vom BAG
begleiten zu lassen.
98 Fritz SAGER, Martina SCHLÄPFER, Céline ANDEREGGEN: Alkoholpolitische Kantonsprofile. Schlussbericht im Auftrag des Bundesamts
für Gesundheit und der Eidgenössischen Alkoholverwaltung. Bern,
Oktober 2004. Unveröffentlicht.
Ausserdem: Fritz SAGER, Martina SCHLÄPFER, Céline ANDEREGGEN: Kantonale Alkoholaktionspläne (KAAP). Kurzfassung des
Schlussberichts zuhanden der Eidgenössischen Kommission für Alkoholfragen (EKA). Bern, Januar 2005.
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 6
167
Referenzrahmen
Teil
I
Zusammenarbeit
Teil
II
der Zusammenarbeit (z. B. die regionalen Gesundheits-
sprochen aufwändiges Unterfangen ist. Deutlich wird, wie
direktorenkonferenzen) besser nutzen, um national ge-
unabdingbar das Wissen über kantonale Aktivitäten in den
dachte Präventionsstrategien besser zu verankern.
jeweiligen Präventionsbereichen für ein solches Vorhaben
ist. Heute ist dieses Wissen nicht zentral abgelegt und
Von kantonalen Erfahrungen profitieren
auch nicht zentral abrufbar. Nur für den Bereich Alkohol
Der Bund sollte die Erfahrungen der Kantone nutzen und
liegt dieses Wissen nun in dieser Gesamtheit vor.
diese frühzeitig in den Prozess einer allfälligen Strategie-
Aufgrund der Resultate der Berichte könnte sich das Bun-
entwicklung einbeziehen.
desamt für Gesundheit als nationales Kompetenzzentrum
etablieren, das seine Verantwortung in der Alkoholpräven-
Teil
III
Kantonale Präventionskonzepte einbeziehen
tion mit entsprechenden Koordinationsaufgaben und mit
Kantonale Präventionspolitiken sind in der Regel in kan-
der Weitergabe von Fachwissen gegenüber den Kantonen
tonale Legislaturprogramme eingebunden und lassen sich
wahrnimmt. Wie der Bericht «Alkoholpolitische Kan-
kurzfristig nicht ändern. Für den Bund bedeutet dies, die
tonsprofile» zudem aufzeigt, sollte ein nationales Gesamt-
bestehenden kantonalen Präventionskonzepte zu kennen
programm weniger nationale, sondern vor allem regionale
und zu berücksichtigen und allfällige Kompatibilitätsfra-
Prioritäten setzen, um der föderalistischen Kompetenz-
gen frühzeitig zu prüfen.
und Aufgabenteilung und der damit einhergehenden Heterogenität im Massnahmenvollzug zwischen den Kanto-
Vertikal strukturiertes Netzwerk einrichten
nen und zwischen den Landesteilen gerecht zu werden.
Perspektiven
Die Auswertung der Alkoholpolitik des Bundes zeigt, dass
die Kantone das Fachwissen des Bundes schätzen und
empfänglich sind für die Vermittlung von neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen zur Wirksamkeit von Massnahmen auf dem Gebiet der Gesundheitsförderung und Prä-
6.5 Potential für eine nationale
­Gesundheitspolitik
vention. Mit der Bereitstellung von Fachwissen entlastet
In den letzten 20 Jahren hat sich das Gesundheitssystem
der Bund insbesondere ressourcenschwache Kantone.
Schweiz zu einem zunehmend komplexeren Gebilde ent-
Zudem besteht auf Seiten der Kantone das Bedürfnis
wickelt. Zur Komplexität beigetragen haben aus gesund-
nach interkantonalem Austausch und nach Information
heitspolitischer Sicht insbesondere: die Ausweitung des
über laufende und geplante kantonale und interkantonale
Begriffs Gesundheit auf Krankheitsprävention und Ge-
Projekte. Der Bund könnte für einen ausreichenden und
sundheitsförderung; zahlreiche neue Aufgaben und Ver-
bedarfsorientierten Wissenstransfer ein vertikal struktu-
pflichtungen auf Seiten des Bundes und der Kantone, das
riertes Netzwerk einrichten. Die Vernetzung wiederum
vermehrte Auftreten neuer nicht übertragbarer Krank-
kann ressourcenschwächeren Kantonen als Anreiz die-
heiten wie Fettleibigkeit, psychische Probleme; eine stär-
nen, ebenfalls in der Prävention aktiv zu werden.
kere Aufgabenverflechtung zwischen Bund und Kantonen;
die Einbindung der Schweiz in die internationale Gesund-
Kongruenz zwischen kantonalen Gesetzen und Strategie
heitspolitik. Wie kann man dieser Komplexität begegnen?
des Bundes überprüfen
Wie bringt man Themen, die angesichts der Aufgabenver-
Es gilt zu überprüfen, ob die kantonalen Gesetzgebungs-
flechtung eine verstärkte Koordination und Kohärenz zwi-
prozesse in Einklang mit der Strategie des Bundes stehen.
schen Bund und Kantonen benötigen, auf eine nationale
Allenfalls könnte der Bund als Fachinstanz Hilfestellungen
Ebene?
für kantonale parlamentarische Vorstösse interessierter
Kapitel 6 hat versucht, einige Antworten auf diese Fragen
Politikerinnen und Politiker bereitstellen (z.B. Argumen-
zu geben und zu diesem Zweck verschiedene Instrumente,
tarium).
Prozesse, Formen und Inhalte der vertikalen Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen vorgestellt. Diese
168
Alkoholpolitik des Bundes: Würdigung
zeigen, dass sich eine nationale Gesundheitspolitik zum
Ohne Zweifel zeigt das Vorgehen im Bereich Alkohol, dass
jetzigen Zeitpunkt nicht durch ein klar definiertes Gebil-
eine auf den Grundzügen des kooperativen Föderalismus
de auszeichnet, sondern sich über verschiedene Leitge-
zu entwickelnde nationale Präventionsstrategie ein ausge-
danken, über rechtliche Grundlagen, über interkantonale
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 6
Partnerschaftliche Gesetzesvorbereitungen
über gemeinsame Projektorganisationen charakterisiert.
In Fällen, wo die Kantone besonders tangiert waren, ist es
Erkennbar sind in all diesen Elementen Ansätze einer
bereits zu paritätischen Gesetzesvorbereitungen zwischen
gesundheitspolitischen Kultur, die sich mit dem Begriff
Bund und Kantonen gekommen.
des vertikalen kooperativen Föderalismus umschreiben
Beispiele: Die Vorbereitung der Bestimmungen über den
lässt. Im Rahmen dieses Ordnungsprinzips bietet sich
Bund und die Kantone im Rahmen der Verfassungsreform
den Kantonen und dem Bund die Möglichkeit, bestehen-
in den 1990er-Jahren sowie die Vorbereitung der Neuge-
de Probleme als gemeinsame Probleme wahrzunehmen,
staltung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung
Verantwortlichkeiten zu klären und Aufgaben dort zu ent-
zwischen Bund und Kantonen (NFA) als gemeinsame Pro-
flechten, wo parallele oder sich überschneidende Kompe-
jektorganisation Bund/Kantone ebenfalls in den 1990er-
tenzen zwischen ihnen bestehen.
Jahren.
Teil
II
Zusammenarbeit
und nationale Gremien des Dialogs und der Koordination,
Referenzrahmen
Teil
I
Eine derartig verstandene nationale Gesundheitspolitik
Regelmässiger Informations- und Erfahrungsaustausch
folgreich sein, wenn sie zugleich föderalistisch und eid-
zwischen Bund und Kantonen
genössisch gedacht und umgesetzt wird, das heisst, unter
Kooperativer Föderalismus fordert von Bund und Kanto-
Respektierung und Einbezug der bereits bestehenden Ge-
nen gemeinsam verantwortete Einrichtungen, in denen
sundheitspolitiken der Kantone und des Bundes.
konsensuale und partnerschaftliche Prozesse der Politik-
Nachfolgend werden einige in diesem Kapitel vorgestell-
formulierung auf nationaler Ebene stattfinden können.
ten Elemente des kooperativen Föderalismus, die bereits
Beispiel: Der Dialog zwischen Bund und Kantonen zur
in Kraft bzw. zum Einsatz gelangt sind, auf ihr Potential
Nationalen Gesundheitspolitik ist eine gemeinsame Ein-
für eine nationale Gesundheitspolitik gewürdigt:
richtung des Bundes und der Kantone. Dieser Dialog auf
Teil
III
Perspektiven
dürfte im schweizerischen Kontext jedoch nur dann er-
Regierungsebene könnte dazu beitragen, die KommuniVerfassungsrechtlicher Leitgedanken
kation zwischen Bund und Kantonen zu verbessern, das
Die Philosophie des kooperativen Föderalismus widerspie-
Modell einer privilegierten Partnerschaft zwischen Bund
gelt sich in der total revidierten Bundesverfassung (Arti-
und Kantonen zu konkretisieren und damit ein Vertrau-
kel 44, 45, 55 BV). Letztere stützt sich auf eine moderne
ensverhältnis zwischen Bund und Kantonen zu Gunsten
föderalistische Perspektive, die die Souveränität der Kan-
einer nationalen Gesundheitspolitik aufzubauen. Der Dia-
tone betont und gleichzeitig die Zusammenarbeit zwischen
log enthält aufgrund seines Charakters als Regierungsgre-
Bund und Kantonen, die gegenseitige Unterstützung und
mium zudem das Potential, Ziele im Sektor Gesundheit zu
die Beteiligung der Kantone an der Willensbildung des
priorisieren. Dabei könnte der Dialog bei entsprechenden
Bundes einfordert. Zudem ist die vertikale Zusammenar-
Vorarbeiten wie die konsolidierte Stellungnahme der Kan-
beit in einigen Bundesgesetzen explizit verankert.
tone zu den Regierungsprioritäten auf Bundesebene (Legislaturprogramm des Bundes) anknüpfen.
Konsultation
Weitere, von Bund und Kantonen gemeinsam verantwor-
Das Vernehmlassungsverfahren als zentrales Instrument
tete Einrichtungen auf nationaler Ebene sind das Schwei-
eines kooperativen Föderalismus wurde neu geregelt und
zerische Gesundheitsobservatorium und die Schweize-
ermöglicht, dass zukünftige Bundesgesetze näher an den
rische Universitätskonferenz.
Vollzug herangeführt werden, um der besonderen Stellung
der Kantone als Vollzugspartner des Bundes Rechnung zu
Programmvereinbarungen zwischen Bund und Kantonen
tragen. Vernehmlassungen sind Anreize an die Adresse
Ein weiteres Mittel, das den Geist des kooperativen Fö-
der Kantone und der Bundesstellen, in einer frühen Phase
deralismus trägt, ist das NFA-Instrument der Programm-
ihre Positionen zu einem Bundesgesetz oder zu einer Ge-
vereinbarung: Der Bund und die einzelnen Kantone ver-
setzesrevision zu konsolidieren und zu koordinieren und
handeln auf der Basis der jeweiligen Bundesgesetze über
damit einen Grundkonsens über die Stossrichtung eines
die zu erreichenden Ziele, welche in Programmvereinba-
zukünftigen Gesetzes zu finden. Ein frühzeitiger Einbezug
rungen münden. Es bleibt abzuwarten, wie dieses Instru-
der Kantone ermöglicht zudem das Antizipieren allfälliger
ment ab 2008 eingesetzt wird.
Vollzugsschwierigkeiten in den Kantonen.
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 6
169
Referenzrahmen
Teil
I
Zusammenarbeit
Teil
II
Teil
III
Rechtssetzende Verträge zwischen Bund und Kantonen
beigetragen, die in hohem Masse dezentrale Struktur des
Verträge dienen als rechtlich verbindliche Basis für die
schweizerischen Gesundheitssystems aufzubrechen und
Einrichtung gemeinsamer Gremien des Bundes und der
kompensierend auf die Tendenz zur Fragmentierung zu
Kantone, welche verbindliche Entscheide treffen kön-
wirken.
nen. Während der Abschluss von Verträgen einerseits
Gleichzeitig muss angemerkt werden, dass die Zusam-
die konsequente Folge einer gelebten Partnerschaft zwi-
menarbeit zwischen Bund und Kantonen auf der Basis des
schen Bund und Kantonen darstellt, befürchten anderer-
kooperativen Föderalismus keine raschen und einfachen
seits kritische Stimmen die Herausbildung einer vierten
Lösungen bereithält. Um hier zu gemeinsamen Zielen und
staatspolitischen Ebene, die losgelöst von demokratischen
verbindlichen Vereinbarungen zu kommen, braucht es Zeit
Entscheidprozessen funktioniert. Heute gibt es erst eini-
und Verhandlungen. Die Ergebnisse sind oft komplexe Ge-
ge wenige rechtssetzenden Verträge zwischen Bund und
bilde. Dafür führen sie nicht selten zu Win-win-Lösungen.
Kantonen, keinen bis jetzt ausschliesslich im Sektor Ge-
In der Weiterentwicklung des schweizerischen Födera-
sundheit. Wie beim NFA-Instrument der Programmverein-
lismus hin zu einem kooperativen Föderalismus liegt die
barung dürfte es auch bei diesem Instrument interessant
Chance, auf der Basis der regelmässigen horizontalen und
sein zu beobachten, ob und wie es im Kontext einer natio-
vertikalen Zusammenarbeit eine Vielzahl von Akteuren,
nalen Gesundheitspolitik zum Einsatz gelangt.
Kulturen und Innovationen in eine nationale Gesundheitspolitik, das heisst, für die Gesundheit der Bevölkerung in
Vollzug von Gesundheitsprogrammen des Bundes
der Schweiz, einzubinden.
Perspektiven
Die in Kapitel 6.5 präsentierten Resultate betreffend
die Umsetzung der Alkoholpräventionsprogramme des
Bundes zeigen, dass Programme des Bundes im Bereich
Krankheitsprävention und Gesundheitsförderung weniger
nationale, als vielmehr regionale Prioritäten setzen sollte,
um der föderalistischen Kompetenz- und Aufgabenteilung
und der damit einhergehenden Heterogenität im Massnahmenvollzug zwischen den Kantonen und zwischen
den Landesteilen gerecht zu werden. Diese Erkenntnisse
könnten die Diskussion um die Neuregelung der Prävention und Gesundheitsförderung in der Schweiz ergänzen
und bereichern.
Die hier präsentierten Instrumente, Inhalte, Prozesse und
Formen könnten wesentliche Bestandteile einer nationalen Gesundheitspolitik für die Schweiz sein.
Würdigung
Die Grundlagen für einen Ausbau der Zusammenarbeit
zwischen Bund und Kantonen zu Gunsten einer nationalen
Gesundheitspolitik sind in der Schweiz vorhanden. Dies
zeigt Kapitel 6, in dem eine Reihe von entsprechenden
Strukturen, Prozessen und Projekten des kooperativen
Föderalismus dargestellt wurden.
Ohne Zweifel haben zudem sowohl Kapitel 6 wie auch
Kapitel 5 gezeigt, dass der Föderalismus in der Schweiz
kein Hindernis für eine nationale Gesundheitspolitik ist.
Die verschiedenen Formen der Zusammenarbeit zwischen
Kantonen sowie zwischen Bund und Kantonen haben dazu
170
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 6
Anhang
Referenzrahmen
Teil
I
Erwartungen, Ziele und Themen der beiden staatspolitischen Akteure Bund und Kantone
im Bereich Gesundheit (in alphabetischer Reihenfolge)
Bei der nachfolgenden vergleichenden Übersicht handelt es sich nicht um eine systematische Auswertung der zitierten
Quellen. Diese Arbeit ist für eine zukünftige Gesundheitspolitik noch zu leisten.
Teil
II
■
Zusammenarbeit
Die kantonalen Themen und Positionen stützen sich auf drei Quellen:
Umfrage im Anschluss an die Plenarversammlung der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Sanitätsdirektorinnen und -direktoren (SDK) vom 22. 5. 2003. Ergebnisse der Umfrage. Unveröffentlichtes Papier der Projektleitung
Nationale Gesundheitspolitik Schweiz. (NGP 2003)
■
Konferenz der Kantonsregierungen: Legislaturplanung 2003–2007 des Bundes. Konsolidierte Stellungnahme zum
Grundlagenpapier des Bundesrates, verabschiedet an der Plenarversammlung der KdK vom 3. 10. 2003 im Hinblick
auf die Aussprache vom 28. November 2003 zwischen dem Bundesrat und den Kantonsregierungen. (KdK 2003)
Die Positionen von Kantonsvertretern zur Nationalen Gesundheitspolitik, die in den 9 Kantonsporträts festgehalten
sind (siehe Band 2 des Berichts). NGP 2004-05
Die Themen und Vorhaben des Bundes stützen sich auf folgende Quellen:
■
Legislaturprogramm des Bundesrates 2003–2007 (BR 2003–2007)
■
Vision des Bundesamts für Gesundheit (Vision BAG 2005)
■
Missionen (Stand 2005) der BAG-Einheit Gesundheitspolitik (Mission GP) sowie der BAG-Einheit Kranken- und Un-
Teil
III
Perspektiven
■
fallversicherung (Mission KUV)
■
Jahresziele des Eidgenössischen Departement des Innern (EDI 2006)
Alterspolitik
Kantone: Erwartungen an und Themen für eine nationale
Gesundheitspolitik (ab 2002)
Vorhaben des Bundes (ab 2003)
■ Vertiefung
■ Die demographischen Herausforderungen bewältigen
■
■
■
■
Arbeitsgesetz
des Themas Altern und Gesundheit
(NGP 2003)
Klärung der Verantwortlichkeiten des Bundes, der
Kantone, der Gemeinden und der privaten Organisationen im Bereich Alter. Mit Blick auf die Einführung
der Neuregelung der Finanzen und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA) sind die
Bestrebungen von Bund und Kantonen bei der Hilfe
und Pflege von Betagten und Behinderten zu koordinieren, um das Netz der sozialen Hilfe generell zu
stärken (KdK 2003)
Neuregelung der Pflegeheimfinanzierung als vordringliches Geschäft der nächsten KVG-Revision (KdK
2003)
Versorgung von Langzeitpatientinnen und -patienten;
Nachbetreuung und Übergangspflege; Finanzierung
der Langzeitpflege (NGP 2003)
Sicherstellung einer qualitativ guten aber auch finanzierbaren Gesundheitsversorgung der älteren Bevölkerung (KdK 2003)
■ Eine Politik für die Verlängerung des Arbeitslebens
und die Integration der älteren Personen in die Arbeitswelt ist zu entwickeln (BR 2003–2007)
■ Neuordnung der Pflegefinanzierung
Der Bundesrat wird prüfen, ob ein Gesetzgebungsprogramm zur Beseitigung von Diskriminierung älterer
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt sowie die Förderung der Erwerbstätigkeit
eingeleitet werden soll. Eine mögliche Massnahme: Gesundheitsvorsorge am Arbeitsplatz, ergonomische und
organisatorische Anpassungen am Arbeitsplatz älterer
Erwerbstätiger (BR 2003–2007)
Auswirkungen des Arbeitsgesetzes auf die Lohnkosten
des Personals im Gesundheitssektor (NGP 2003)
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 6
171
Referenzrahmen
Teil
I
Kantone: Erwartungen an und Themen für eine nationale
Gesundheitspolitik (ab 2002)
Vorhaben des Bundes (ab 2003)
E-Health
Elektronisch verknüpfte Patientendossiers oder Gesundheitskarten (NGP 2003)
Das BAG ist verantwortlich für die Entwicklung einer
nationalen E-Health-Strategie (Mission KUV). Vorbereitung der Einführung der Versichertenkarte im Jahr 2008
(EDI 2006)
Hochschul­
medizin
Universitäre Ausbildung: Schwerpunktbildung der medizinischen Fakultäten (NGP 2003)
Projekt «Hochschullandschaft Schweiz» (Bund und Kantone)
Gesundheits­
statistik
Verbesserung der statistischen Vergleichbarkeit der Kantone; Harmonisierung der Gesundheitsdaten; aussagekräftige Datenerhebung, insbesondere mit Blick auf die
Erfassung von Patientenströmen; Messinstrumente zur
Effizienz der sozial-medizinischen Einrichtungen (NGP
2003)
Monitoring Krankversicherung-Kostenentwicklung
Gesundheits­
förderung und
Prävention
■ Schnittstellen zwischen Bund und Kantonen von na-
Vorbereitungen einer Neuregelung der Prävention und
Gesundheitsförderung (EDI 2006)
Zusammenarbeit
Teil
II
Perspektiven
Teil
III
tionaler Reichweite im Bereich der Gesundheitsförderung und Prävention sollten auf nationaler Ebene
besprochen werden, z. B. Werbeverbot für Tabakprodukte (NGP 2004–05)
■ Programme des Bundes: Konzipieren und Umsetzen
in Zusammenarbeit mit den Kantonen. Die Koordination solcher Programme ist insbesondere für kleine Kantone aus Gründen der Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit zwingend. In diesem Kontext sollten
auch Umsetzungsstrategien nach Regionen geprüft
werden. Dies würde den besseren Einbezug regionaler Zusammenarbeitsgremien wie die regionalen
Gesundheits- und Sozialdirektorenkonferenzen erlauben (NGP 2004–05)
■ Stärkung der Gesundheitsförderung, um Gesundheitskosten möglichst tief zu halten (KdK 2003)
■ Information der Bevölkerung: Den Kantonen sollten
50 % der Mittel der Gesundheitsförderung Schweiz
(GF-CH) zur Verfügung stehen. Allgemeine Rahmenbedingungen für die Verwendung der Mittel sind zu
vereinbaren (NGP 2004–05)
Themen für eine nationale Präventionspolitik: Früherkennung von Brustkrebs; Strategie «Psychische Gesundheit»; Tabakprävention, Alkoholprävention, Regelung des
Konsums von Cannabis; Arbeitswelt und veränderte Lebensgewohnheiten; Umwelt und Gesundheit; Zukunft der
21 Gesundheitsziele (NGP 2003); Arbeitssicherheit, Rauchen, Krebserkrankung, psychische Gesundheit (KdK
2003)
Gesundheits­
schutz
172
Absprachen zwischen Bund und Kantonen bezüglich der
wichtigsten Massnahmen im Falle einer Epidemie (NGP
2004–05)
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 6
Revision des Epidemiengesetzes. Schweizerischer Grippepandemieplan
Stärkung der interinstitutionellen Zusammenarbeit unter
Krankenversicherungen, Krankentaggeldversicherungen,
Unfallversicherungen, Unfalltaggeldversicherungen, Arbeitgeber und Invalidenversicherung mit dem gemeinsamen Ziel, die Integrationschancen zu erhöhen (KdK
2003)
■ Die Zunahme der Neurenten soll gedämpft werden
■ Deckung der Gesundheitskosten in der Kranken-
■ Kostendämpfende Massnahmen sollen gefördert wer-
versicherung durch angemessene rechtliche Instrumente, die durch Bund und Kantone gemeinsam zu
ent­wickeln sind (KdK 2003)
Kostentransparente Gestaltung der Finanzierungssys­
teme im Gesundheitswesen; Nachhaltigkeit der verschiedenen stationären Vergütungssysteme thematisieren (KdK 2003)
Entwicklung neuer Modelle für die Krankenpflegegrundversicherung im Sinne eines kostenbewussten
Konsums; Stärkung der Selbstständigkeit und -verantwortung durch geeignete – vor allem auch monetäre
– Anreize; Förderung der solidarischen Selbsthilfe
(KdK 2003)
Schaffung der gesetzlichen Grundlagen für den Ausschluss wirtschaftlich nicht vertretbarer Leistungen
aus der Leistungspflicht. Bedeutung von evidence based-medicine (NGP 2003)
Transparenz in den Rahmenbedingungen auf Bundesebene für die KVG-Revision; Kontrahierungszwang
(NGP 2003)
Klärung der Frage nach sinnvollen Standards und
Leistungen im Gesundheitsbereich (KdK 2003)
den. Dies gilt insbesondere für folgende Bereiche:
Kontrahierungszwang, Spitalfinanzierung, Versicherungsmodelle, Kostenbeteiligung der Versicherten
(BR 2003–2007). Ausserdem: Senkung der Mindestreserven der Versicherer (EDI 2006)
■ Es gilt die Solidarität unter den Versicherten und die
qualitativ hoch stehende Versorgung zu erhalten (BR
2003–2007)
■ Das BAG baut ein gesundheitsökonomisches Kompetenzzentrum auf, das im universitären Bereich bzw.
national und international vernetzt ist. Zentrale Aufgabe dieses Zentrums ist das Erarbeiten von KostenNutzenanalysen für das gesamte Gesundheitssystem
(Mission KUV)
■ Das BAG schafft konzeptuelle, politische und strukturelle Voraussetzungen, um die Gesundheitskompetenz der Menschen in der Schweiz zu fördern (Mis­
sion GP)
■
■
■
■
■
■ Für Personen, die wegen Krankheit arbeitsunfähig
werden, ist ein System der Früherkennung zu schaffen, um eine frühzeitige Integration in den Arbeitsprozess zu fördern
■ Die IV-Renten sollen in den ersten Jahren befristet
zugesprochen werden
■ Kooperation mit den übrigen Sozialversicherungen,
schwergewichtig IV (Mission KUV)
Teil
II
Zusammenarbeit
KVG
Vorhaben des Bundes (ab 2003)
Teil
III
Perspektiven
Invalidität
Kantone: Erwartungen an und Themen für eine nationale
Gesundheitspolitik (ab 2002)
Referenzrahmen
Teil
I
Neubeurteilung des Leistungskatalogs unter Berücksichtigung der drei Kriterien Wirksamkeit, Wirtschaftlichkeit
und Zweckmässigkeit
Schwerpunkte in der Umsetzung des KVG (Quelle: Mission KUV):
■ Chancengleiche Versorgung aller Einwohner der
Schweiz mit qualitätsgesicherten und kosteneffi­
zienten Gesundheitsleistungen (von Spitzenmedizin
bis palliative Behandlung und adäquate Betreuung
älterer Menschen)
■ Arbeitssicherheit
■ Information der Versicherten
Nationale
Gesundheits­
politik
Grundsatzdiskussion über die Planung eines nationalen
Gesundheitssystems, das sich auf die vier Säulen Gesundheitsförderung und Prävention, Gesundheitsschutz,
Gesundheitsversorgung und Finanzierung einer solchen
globalen Politik stützt; Einbezug von NGOs und weiterer
interessierter Gremien (NGP 2004–05)
Die Empfehlungen des OECD/WHO-Berichts über das
Gesundheitssystem Schweiz sind im Rahmen des gesundheitspolitischen Dialogs mit den Kantonen erörtert
(EDI 2006)
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 6
173
Referenzrahmen
Teil
I
Zusammenarbeit
Teil
II
Kantone: Erwartungen an und Themen für eine nationale
Gesundheitspolitik (ab 2002)
Vorhaben des Bundes (ab 2003)
Planung des
Angebots
■ Spitalplanung: Rechtsprechung des Bundes bei Spital-
■ Revision des KVG
Qualitäts­
sicherung
Qualität im stationären Gesundheitssektor sichern (NGP
2003)
Wissensma­
nagement
■ Instrument schaffen, damit gemeinsame Projekte
Teil
III
listen und Tarife; Spitalfinanzierung; Managed Care;
einheitliche Planungskriterien für den stationären
Bereich; Tarifstruktur der somatischen Akutspitäler
(NGP 2003)
■ Ambulante Versorgung: Planung der ambulanten Versorgung (NGP 2003)
■ Koordination der spitzenmedizinischen Leistungen
(NGP 2003)
auf regionaler Ebene und punktuelle Zusammenarbeitsprojekte allen Kantonen und dem Bund bekannt
sind (NGP 2004–05)
■ Fundierte Analysen von Systemen und Systemverän-
Perspektiven
derungen im Bereich des Gesundheitswesens; Aufzeigen der praktischen Folgen von politischen Prozessen
und Systemveränderungen auf allen Ebenen (NGP
2004-05)
Zusammen­
arbeit Bund–
Kantone
■ Direkte Gespräche: Die Kantone werten direkte Ge-
■ Handlungs- und reformfähig ist der Bundesstaat nur
spräche als vertrauensfördernde Massnahmen in der
Beziehung zum Bund (NGP 2004–05)
Rahmengesetz: Festlegen der Kompetenzen der verschiedenen staatspolitischen Ebenen im Gesundheitsbereich und der Formen der Zusammenarbeit. Wo
braucht es kantonale, interkantonale bzw. nationale
Lösungen? Prüfen, ob die NFA als Vorbild für eine
Neuverteilung der Aufgaben im Sektor Gesundheit
dienen kann (NGP 2004–05)
Good practice: Der Bund sollte die guten Ideen und
Projekte der Kantone für Vorhaben auf nationaler
Ebene nutzen (NGP 2004–05)
Vorvernehmlassung: Prüfung von politischen Entscheiden auf Bundesebene und deren Auswirkungen
auf Leistung, Kosten und Umsetzung in den Kantonen. Mit Blick auf die Umsetzung von Bundesrecht
wünschen die Kantone, dass das federführende Bundesamt für Gesundheit die Erfahrungen der Kantone
in Umsetzungsfragen berücksichtigt (NGP 2004–05)
Zur Sicherung eines hohen Niveaus der medizinischen
Grundversorgung ist die Zusammenarbeit von Bund
und Kantonen in den Bereichen Bildung und Forschung weiter zu stärken (KdK 2003)
Vorbereitung der KVG-Geschäfte gemeinsam durch
Bund und Kantone (NGP 2004–05)
dann, wenn Bund und Kantone optimal zusammenwirken (BR 2003–2007)
Das BAG übernimmt – in partnerschaftlicher Zusammenarbeit mit den Kantonen und im Dialog mit den
Anspruchsgruppen – eine führende Rolle im Prozess
der Weiterentwicklung einer kohärenten Gesundheitspolitik der Schweiz Zu den Instrumenten gehört
unter anderem der Dialog der nationalen Gesundheitspolitik (Mission GP)
Diese Massnahmen der 5. IV-Revision erfordern eine
Klärung der Verantwortlichkeiten zwischen Bund
und Kantonen sowie die Einbindung der Sozialpartner in die Aufsicht über den Vollzug der Invalidenversicherung (BR 2003–2007)
Die partnerschaftliche Zusammenarbeit von Bund
und Kantonen in der Forschungs- und Bildungspolitik hat für den Bundesrat höchste Priorität. Verbessert werden muss die gemeinsame Steuerung der
Hochschulpolitik (BR 2003–2007)
Im Bereich Kranken- und Unfallversicherung widmet
das BAG der effizienten Zusammenarbeit und engen
Kooperation mit den kantonalen Gesundheitsdirek­
tionen besondere Aufmerksamkeit (Mission KUV)
■
■
■
■
■
174
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 6
■
■
■
■
Referenzrahmen
Teil
I
Zusammenarbeit
Teil
II
Perspektiven
Teil
III
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 6
175
Teil
II
Zusammenarbeit
Perspektiven zur
Entwicklung einer nationalen
Gesundheitspolitik
Teil
III
Perspektiven
Teil III
Referenzrahmen
Teil
I
Referenzrahmen
Teil
I
Band 1 des Berichts bietet einen Referenzrahmen und
Einleitung
Teil
II
■
die historischen Rahmenbedingungen des schweize-
■
die föderalen und sozialliberalen Elemente dieses Sys­
■
die Strukturen, Projekte und Prozesse der horizontalen
Der vorliegende Bericht entstand mit dem Ziel, einen
Überblick über die vorhandenen Ressourcen der Kantone
rischen Gesundheitssystems,
und des Bundes zu geben, auf deren Basis eine zukünftige
nationale Gesundheitspolitik entstehen könnte. Eine sol-
Zusammenarbeit
Grundlagenwissen über
tems,
che Politik, gemeinsam gestaltet von Bund und Kantonen,
und vertikalen Zusammenarbeit der staatspolitischen
ist eine unerlässliche Voraussetzung, soll die Leistungs­
Akteure Bund und Kantone,
fähigkeit des Gesundheitssystems der Schweiz verbessert, das heisst, Fortschritte in der Chancengleichheit, in
■
die Ansätze zu Gunsten einer Stärkung der Prävention
und Gesundheitsförderung.
der Prävention und Gesundheitsförderung, in der Quali-
Perspektiven
Teil
III
tät der medizinischen Versorgung erzielt werden. Auch
Band 2 stellt mit seinen Porträts über 9 kantonale Ge-
wenn dank der getätigten Investitionen und angesichts
sundheitspolitiken sowie mit dem Porträt über die Ge-
der hohen Lebensqualität in der Schweiz die bisherigen
sundheitspolitik des Bundes die eigentliche Datensamm-
Ergebnisse insgesamt gesehen gut sind, könnten sie doch
lung der vorliegenden Publikation zu den schweizerischen
besser ausfallen, wenn Bund und Kantone mehr Einsatz
Gesundheitspolitiken dar.
bei der Steuerung des Gesundheitssystems leisteten, so-
Der Bericht möchte aber mehr als einen Referenzrahmen
wie, angesichts der Zunahme chronischer Erkrankungen,
und gesundheitspolitisches Grundlagenwissen bieten, er
der Prävention und Gesundheitsförderung mehr Auf-
sucht den Blick nach vorne. An der Materie interessierte
merksamkeit schenkten. Eine eigentliche Bewertung der
Vertreterinnen und Vertreter des Bundes und der Kan-
Qualität des schweizerischen Gesundheitssystems und
tone haben deshalb im Rahmen der Recherchen zu diesem
der Gesamtheit seiner Gesundheitspolitiken stellt jedoch
Bericht Ideen und Vorschläge betreffend der Entwicklung
ein äusserst schwieriges Unterfangen dar, nicht zuletzt
einer nationalen Gesundheitspolitik für die Schweiz geä-
deshalb, weil gewisse Voraussetzungen für eine solche
ussert, die in die nachfolgenden «Perspektiven zur Ent-
Bewertung, wie zum Beispiel nationale Gesundheitsziele,
wicklung einer nationalen Gesundheitspolitik» eingeflos-
ein Monitoring der Gesundheitspolitiken der Kantone und
sen sind.
des Bundes oder regelmässig publizierte Gesundheitsberichte, fehlen.
Vor diesem Hintergrund hat der vorliegende Bericht versucht, Möglichkeiten zugunsten einer effizienteren Steuerung des Gesundheitssystems aufzuzeigen, sowie insbe-
Vier Voraussetzungen für eine
­nationale ­Gesundheitspolitik
sondere auch Ansätze der Kantone und des Bundes in der
Die in dem Bericht zusammengetragenen Informationen
Gesundheitsförderung und Prävention zu dokumentieren.
zeigen deutlich: Heute nehmen Bund und Kantone in al-
Die dabei angewendete Methode ist eine Art Monitoring
len Bereichen der Gesundheit parallele, gemeinsame oder
der Gesundheitspolitiken in der Schweiz, das heisst, der
sich überschneidende Aufgaben wahr. Ein möglicher Aus-
gesundheitspolitischen Perspektiven, Strategien, Prozes­
weg aus dieser Überschneidung der Verantwortlichkeiten
se und Projekte des Bundes und der Kantone. Das Mo-
wäre eine alleinige Steuerung durch den Bund. Da dies im
nitoring zeigt einerseits die Fragmentierung des Gesund-
föderalen System der Schweiz nicht möglich ist, sollten
heitssystems auf. Andererseits zeigt der Bericht aber
Bund und Kantone versuchen, das System unter Respek-
auch auf, welche Mechanismen der Zusammenarbeit und
tierung der sozialliberalen Grundsätze und der föderalen
der Koordination heute in der föderalen Schweiz beste-
Strukturen durch eine konzentrierte nationale Gesund-
hen und welches Potential im Föderalismus steckt, um die
heitspolitik gemeinsam zu steuern.
Steuerung und die Qualität des schweizerischen Gesund-
Bund und Kantone sind auf Grund ihrer Kompetenzen
heitssystems zu verbessern.
dazu legitimiert, in der Ausgestaltung einer nationalen
Gesundheitspolitik eine Führungsrolle einzunehmen. So
können die Kantone wegen der Nähe zur lokalen Bevölke-
178
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven
turen und Prozesse sichergestellt würde.
ausgesprochene Erfahrungen in der Konzipierung und
3. Stärkung des ganzheitllichen und multisektoralen An-
Umsetzung gesundheitspolitischer Perspektiven, Ziele
satzes in der Gesundheitspolitik: Eine nationale Ge-
und Massnahmen. Aus dieser Perspektive betrachtet sind
sundheitspolitik setzt voraus, dass die politischen
die 27 Gesundheitspolitiken in der Schweiz eine Chance
Entscheidungsträger des Bundes und der Kantone das
und kein Hindernis auf dem Weg hin zu einer nationalen
Gesundheitssystem als ein umfassendes System ver-
Gesundheitspolitik. In der Tat lassen sich in den Kantonen
stehen und die Gesundheitsdeterminanten systema-
sowie beim Bund kreative Ideen sowie zahlreiche Prozesse
tisch in ihre politischen Überlegungen mit einbeziehen.
und Projekte beobachten, die das Innovationspotential des
Dies würde unter anderem bedeuten, dass Bund und
Föderalismus belegen und – auf eine nationale Ebene ge-
Kantone Gesundheitsförderung, Gesundheitsschutz,
bracht und miteinander verbunden – das Gerüst einer Ge-
Krankheitsprävention und Rehabilitation gegenüber
sundheitspolitik für die gesamte Schweiz bilden können.
der kurativen Medizin stärken würden. Dazu gehörte
Mit der Vereinbarung zwischen Bund und Kantonen zur
auch eine gerechtere Verteilung derjenigen Mittel, die
Nationalen Gesundheitspolitik vom 12. Dezember 2003 ist
für die Finanzierung des Gesundheitssystems zur Ver-
etwas Bewegung in die gesundheitspolitische Landschaft
fügung stehen.
der Schweiz gekommen. Das Ziel einer nationalen und ko-
4. Erhöhung der Gesundheitskompetenz: Die Führung ei-
härenten Gesundheitspolitik, gemeinsam erarbeitet durch
ner nationalen Gesundheitspolitik setzt das Vorhanden-
Bund und Kantone, erscheint jedoch noch weit.
sein von Mitteln zur Förderung der Gesundheitskom-
Auf der Basis des Berichts, dessen Inhalt und dessen Ana-
petenz der Bevölkerung und der Chancengleichheit
lyse sich auf offizielle Dokumente und auf die Auswertung
voraus. Dies würde bedeuten, dass Bund und Kantone
von Gesprächen mit Fachleuten des Bundes und der Kan-
zusammen mit Nichtregierungsorganisationen und pri-
tone stützen, haben sich folgende Voraussetzungen für
vaten Akteuren regional und national aufeinander ab-
eine nationale Gesundheitspolitik als besonders relevant
gestimmte Gesundheitsinformationen vermittelten und
herauskristallisiert:
Programme anböten mit dem Ziel, die Gesundheits-
1. Kultur der Zusammenarbeit zwischen Bund und Kan-
kompetenz der Bevölkerung zu stärken.
Teil
II
Zusammenarbeit
mal abschätzen. Zudem verfügen Bund und Kantone über
schweizerische, eidgenössische oder nationale Struk-
Teil
III
Perspektiven
rung Bedürfnisse und Bedarf im Gesundheitsbereich opti-
Referenzrahmen
Teil
I
tonen: Eine nationale Gesundheitspolitik setzt voraus,
dass die politischen Entscheidungsträger des Bundes
Eine nationale Gesundheitspolitik lässt sich nicht von
und der Kantone zur Zusammenarbeit bereit sind. Dies
heute auf morgen verwirklichen. Um Fortschritte zu er-
würde bedeuten, dass Bund und Kantone die bereits
zielen, bedarf es neben dem Faktor Zeit die Bereitschaft
bestehenden Strukturen und Prozesse der horizonta-
des Bundes und der Kantone, an einer Kultur der gesund-
len und vertikalen Zusammenarbeit intensiver nutzten.
heitspolitischen Zusammenarbeit zwischen gleichgestell-
Ziel einer solchen Kultur der Zusammenarbeit müssten
ten Partnern zu arbeiten, die sich gegenseitig respektie-
gemeinsame Politikformulierungen durch Bund und
ren und Verantwortung auf nationaler Ebene übernehmen
Kantone in ausgewählten Bereichen des Handlungs-
wollen. Die nachfolgenden Empfehlungen sind als mittel-
felds Gesundheit sein. Damit würde mittelfristig ein
fristige Prozesse zu verstehen, die in einem Zeitraum von
Mehrwert an politischer Steuerung im schweizerischen
zehn Jahren realisiert werden könnten.
Gesundheitssystems entstehen.
Die Empfehlungen selbst sind in vier Themenblöcke geglie­
2. Wissensbasierte Gesundheitspolitiken: Eine nationale
dert. Jeder Themenblock wird von einer kurzen Analyse
Gesundheitspolitik setzt voraus, dass das Wissen der
eingeleitet, bevor die eigentlichen Empfehlungen folgen.
Kantone und des Bundes über bestehende gesund-
Die Empfehlungen sollen dazu dienen, die kantonalen Re-
heitspolitische Perspektiven, Projekte und Prozesse
gierungen und, auf eidgenössischer Ebene, den Vorsteher
zentral erfasst, dokumentiert, analysiert und verbrei-
des Departements des Innern in ihrem Willen zu unter-
tet wird. Dies würde bedeuten, dass der regelmäs-
stützen, ihre jeweiligen Gesundheitspolitiken untereinan-
sige Wissens- und Erfahrungsaustausch zwischen den
der abzustimmen und das Innovationspotential des Föde-
Entscheidungsträgern des Bundes und der Kantone
ralismus zu Gunsten einer nationalen Gesundheitspolitik
über bereits vorhandene oder zu schaffende regionale,
zu nutzen.
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven
179
Referenzrahmen
Teil
I
seit den 1980er-Jahren eine beträchtliche Verlagerung
Zusammenarbeit
Teil
II
Perspektiven
Teil
III
Kultur der Zusammenarbeit zwischen
Bund und Kantonen
von Kompetenzen, die ursprünglich den Kantonen vor-
Der Bericht zeigt anhand von Beispielen, dass über lan-
Aufgaben nicht zuletzt auch aufgrund von Erwartungen
ge Zeit Kantone und Bund dank einer klaren Zuteilung
seitens der Kantone und Fachkreisen zugewiesen, selbst
von Kompetenzen und Aufgabenbereichen keine Not-
dann, wenn die Verfassung dem Bund die entsprechenden
wendigkeit dafür sahen, eine Kultur des Dialogs und der
Kompetenzen nicht für alle neuen Gesundheitsaufgaben
gemeinsamen Politikformulierung zu entwickeln. Die in
ausdrücklich zugeteilt hat. Heute besitzt der Bund in
den letzten 20 Jahren erfolgte Verflechtung der Aufgaben,
vielen Einzelbereichen des Handlungsfelds Gesundheit
insbesondere in den Sektoren Prävention und Gesund-
abschliessende Kompetenzen und nimmt dort zahlreiche
heitsversorgung, und, damit verbunden die zunehmende
Aufgaben wahr.
Komplexität der Konsensfindung und der Entscheidpro-
Obwohl der Bund mehr Aufgaben und Kompetenzen über-
zesse bedingen jedoch in zunehmendem Masse nicht nur
nommen hat, kooperieren Bundesstellen untereinander
Koordination, sondern auch horizontale und vertikale Ko-
nur sporadisch und punktuell. Es hat bis jetzt kein struk-
operationen sowie längerfristig eine Basis für die gemein-
turierter und regelmässiger Wissenstransfer und keine
same Politikformulierung zwischen Bund und Kantonen
gemeinsame Politikformulierung stattgefunden, weder
in ausgewählten Bereichen. Entsprechende Gremien und
innerhalb des Bundesamts für Gesundheit noch zwischen
Prozesse der horizontalen und vertikalen Zusammenarbeit
denjenigen Bundesstellen statt, die einen Bezug zur Ge-
sind gegenwärtig jedoch noch nicht überall vorhanden.
sundheit aufweisen.
Koordination und Zusammenarbeit zwischen
­Kantonen
Koordination und Zusammenarbeit zwischen
Bund und Kantonen
Die gesundheitspolitischen Porträts in diesem Bericht
Teil II des Berichts zeigt, dass die Erweiterung der Auf-
(Band 2) machen deutlich, dass die Kantone – ausgehend
gabenbereiche des Bundes in der Prävention und in der
von dem in der Verfassung verankerten Prinzip der Subsi-
Gesundheitsversorgung zu einer Verflechtung der Aufga-
diarität – auf eine lange Tradition der gesetzlichen Veran-
ben zwischen Bund und Kantonen geführt hat. Diese Ver-
kerung, der Planung, und Ausgestaltung ihrer je eigenen
flechtung hat bis jetzt aber kaum zu einer regelmässigen
Gesundheitspolitiken in den Bereichen Gesundheitsför-
Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen geführt.
derung/Prävention, Gesundheitsversorgung, Rehabilitati-
Die dafür erforderlichen Strukturen und Prozesse fehlen.
on/Integration sowie Aus- und Weiterbildung zurückbli-
So haben seit Inkrafttreten des Bundesgesetzes über die
cken können. Mit den 26 kantonalen Gesundheitspolitiken
Krankenversicherung (KVG) im Januar 1996 bis zum Be-
steht der Schweiz nicht nur ein hohes Mass an Wissen und
ginn des Dialogs zur Nationalen Gesundheitspolitik Anfang
Innovationspotential zur Verfügung, sondern es gibt da-
2004 ausser der Teilnahme des Gesundheitsministers an
rüber hinaus bewährte gesundheitspolitische Strukturen,
den jährlichen Plenarversammlungen der Schweizerischen
Prozesse und Projekte der Zusammenarbeit. Darüber hi-
Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und
naus haben die Kantone in den letzten 100 Jahren erfolg-
-direktoren (GDK) keine regelmässigen Aussprachen
reich Instrumente der interkantonalen Koordination und
zwischen Bund und Kantonen zu gesundheitspolitischen
der Zusammenarbeit entwickelt, die sie bilateral, regional
Themen stattgefunden. Eine Ausnahme stellt der Sektor
und gesamtschweizerisch auf Stufe Gesamtregierung,
Bildung dar, der die Aus- und Weiterbildung in den Ge-
Fachminister und Verwaltung für die Sicherstellung der
sundheitsberufen einschliesst. Die Zentralisierung die-
Gesundheitsversorgung der Bevölkerung einsetzen.
ser Kompetenzen auf Bundesebene hat einen Prozess
behalten waren, auf den Bund stattgefunden hat. Zudem
wurden dem Bund im gleichen Zeitraum zahlreiche neue
der Klärung der Aufgaben zwischen Bund und Kantonen
180
Koordination und Zusammenarbeit zwischen
­Bundesstellen
ausgelöst.
Der Bericht zeigt in Teil I «Gesundheitssystem Schweiz:
Ansätze erkennbar sind, die mittelfristig in Richtung ei-
Referenzrahmen» und in Teil V «Bundesporträt», dass
ner gemeinsamen Politikformulierung durch Bund und
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven
Teil II des Berichts zeigt aber auch, dass in jüngster Zeit
Referenzrahmen
Teil
I
Kantonen in von noch zu bestimmenden Bereichen der
in welchen Bereichen sie auf nationaler Ebene im
Sinne des kooperativen Föderalismus in Strukturen
sundheitspolitik» oder die «Neuregelung des Finanzaus-
zusammenarbeiten wollen.
gleichs und der Aufgabenverteilung zwischen Bund und
Kantonen» (NFA). Der Koordination und Kooperation
Eine Klärung der Verantwortlichkeiten und Aufgaben
sind jedoch staatsrechtliche Grenzen gesetzt, insbesonde-
sollte vor allem in der Gesundheitsförderung und Prä-
re, was die demokratische Legitimation von Absprachen
vention, in der ambulanten und stationären Versorgung
zwischen Exekutivbehörden anbelangt. Diese Grenzen gilt
und im Bereich der Information und Gesundheitserzie-
es auszutesten, insbesondere gegenüber den kantonalen
hung stattfinden. Eine solche Klärung liesse sich im
und eidgenössischen Legislativen sowie den privaten
Kontext von Vorbereitungsarbeiten zu einer Neurege-
Akteuren, die ihrerseits ebenfalls den berechtigten An-
lung der Prävention und Gesundheitsförderung oder zu
spruch geltend machen, Politik auf nationaler Ebene zu
einem zukünftigen Bundesgesetz über die Gesundheit
formulieren.
vornehmen, wobei die in diesem Bericht formulierten
Erwartungen der Kantone an den Bund als erste Inputs
hierzu dienen könnten (siehe Band 2 der Publikation:
Impulse für eine nationale Gesundheitspolitik
Kantonale Gesundheitspolitiken, 9 Porträts).
Eine nationale Gesundheitspolitik versteht sich sowohl
Das BAG sollte seinen Anspruch auf eine Leadership-
als Ausdruck einer politischen Kultur, als auch als Er-
Position in der Gesundheitspolitik konkretisieren. Die-
gebnis von politischen Strukturen, Prozessen und Pro-
sem Ziel könnte der im Jahr 2004 begonnene Prozess
jekten, wie sie auf regionaler, gesamtschweizerischer
der Neuformulierung der Amtsstrategie und die Über-
und national Ebene anzutreffen sind. Diese Definition
arbeitung der Aufgabenschwerpunkte dienen. Darüber
einer nationalen Gesundheitspolitik beinhaltet Prämis-
hinaus müsste das BAG seine Prioritäten sowohl amts-
sen, die nachfolgend aufgeführt sind:
intern als auch mit denjenigen Bundesämtern abspre-
Teil
II
Zusammenarbeit
■
«Dialog zwischen Bund und Kantonen zur Nationalen Ge-
Teil
III
Perspektiven
Gesundheit führen könnten. Ein solcher Ansatz ist der
chen, die einen Bezug zur Gesundheit aufweisen. Dies
Kompetenz- und Aufgabenklärung
bedingte eine engere Zusammenarbeit des BAG mit
Bund und Kantone sollten anerkennen, dass sie fak-
den rund 25 Bundesstellen und rund 30 Kommissionen,
tisch in allen Bereichen des Handlungsfelds Gesund-
die sich, wenn auch mit unterschiedlicher Intensität,
heit – in der Gesundheitsförderung, der Prävention,
für die Gesundheit der Bevölkerung einsetzen. Eine
dem Gesundheitsschutz, der Gesundheitsversorgung,
stärkere Nutzung der bundeseigenen Koordinations-
der Rehabilitation/Integration, der Aus- und Weiter-
plattformen im Bereich Gesundheit müsste daher ein
bildung, der Forschung und Lehre – parallele, gemein-
zentrales Element in der Leadership-Strategie des BAG
same oder sich überschneidende Aufgaben wahrneh-
werden.
men. Der immer wieder gehörte Satz, die Gesundheit
Die Kantone ihrerseits würden in jenen Bereichen eine
sei eine Kompetenz der Kantone, entspricht nicht mehr
federführende Position einnehmen, wo sie aufgrund
der Realität.
ihres Wissens und ihrer Erfahrungen sowie der Nähe
zu den regionalen und lokalen Bedürfnissen besse-
Der Bund und die 26 Kantone könnten in einem ge-
re Ergebnisse erzielen als der Bund. Für ausgewählte
meinsamen Prozess klären,
Bereiche würden sie ihre kantonalen Gesundheitspoli-
■
in welchen Gesundheitsbereichen sie ihre je eigenen
tiken untereinander bzw. mit dem Bund koordinieren.
Gesundheitspolitiken führen möchten,
Zu diesem Zweck müssten die Kantone die bestehen-
in welchen Bereichen sie die politische Federfüh-
den Strukturen der interkantonalen Zusammenarbeit,
rung an nur eine staatspolitische Ebene delegieren
insbesondere auch diejenigen auf regionaler Ebene, für
■
■
möchten,
den Sektor Gesundheit intensiver nutzen.
in welchen Bereichen sie regionale bzw. schweize-
Auf nationaler Ebene könnten das BAG als federführen-
rische Lösungen anstreben und
des Bundesamt in Sachen Gesundheit und die GDK als
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven
181
Referenzrahmen
Teil
I
Zusammenarbeit
Teil
II
Koordinationsorgan der Kantone die Abstimmung der
tionsplattform der Dialog zwischen Bund und Kantone
kantonalen und regionalen Gesundheitspolitiken un-
zur Nationalen Gesundheitspolitik. Konkrete Beispiele
tereinander unterstützen und sich für die Bekanntma-
der paritätischen Vorbereitung von rechtlichen Normen
chung und Verbreitung von Good Practice einsetzen.
sind unter anderem die Reform der Bundesverfassung,
das Bundesgesetz über die Mitwirkung der Kantone an
Kooperativer Föderalismus
der Aussenpolitik des Bundes sowie die Neugestaltung
Dialog zwischen Bund und Kantonen zur Nationalen
des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwi-
Gesundheitspolitik
schen Bund und Kantonen (NFA).
Es wäre wünschbar, wenn sich der Dialog zwischen
Perspektiven
Teil
III
Bund und Kantonen zur Nationalen Gesundheitspoli-
Innovationspotential sichern und nutzen
tik, der auf eine Vereinbarung aus dem Jahr 2003 zu-
Die 27 Gesundheitspolitiken in der Schweiz beherber-
rückgeht, zu einem Instrument der paritätischen Poli-
gen ein hohes Mass an Innovationspotential. Gegen-
tikformulierung weiter entwickelte. Bund und Kantone
wärtig gibt es kein strukturiertes Verfahren, mit dessen
würden als gleichgestellte Partner für ausgewählte
Hilfe innovative Ansätze in den Kantonen und auf Bun-
Bereiche der Gesundheit die Leitplanken sowie die
desebene – seien es Gesetze, Strategien, Strukturen,
entsprechenden Strategien und Aktionspläne gemein-
Prozesse oder Projekte – zum Nutzen aller in eine Ge-
sam festlegen. In diesem Zusammenhang sollten Bund
sundheitspolitik für die Schweiz einfliessen können.
und Kantone prüfen, inwieweit die Organisations- und
Bund und Kantone sollten ein entsprechendes Verfah-
Entscheidstrukturen der Schweizerischen Universi-
ren erarbeiten und die auf regionaler Ebene eingesetz-
tätskonferenz (SUK) oder die Strukturen und Prozesse
ten Instrumente benutzen. Ein ers­ter Schritt in diese
der Westschweizer Gesundheits- und Sozialdirektoren-
Richtung wäre der Aufbau eines nationalen Monito-
konferenz (CRASS) bzw. diejenigen der Zentralschwei-
rings der gesundheitspolitischen Strategien, Prozesse
zer Regierungskonferenz (ZRK) für die Organisation
und Projekte in der Schweiz. Der vorliegende Bericht
der Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen
stellt einen ersten Beitrag hierzu dar.
im Rahmen der nationalen Gesundheitspolitik als VorDamit könnte der Dialog mittelfristig zum zentralen
Priorisierungsprozesse für eine schweizerische
Gesundheitspolitik
Steuerungsorgan der kantonalen und eidgenössischen
Bund und Kantone sollten möglichst rasch ihre Ge-
Exekutivbehörden werden, um in Ergänzung bzw. Ver-
sundheitspolitiken nach nationalen Gesundheitszielen
stärkung der kantonalen und eidgenössischen Gesund-
ausrichten. An ihnen wäre es, erste Vorschläge aus-
heitspolitiken die grossen Linien der schweizerischen
zuarbeiten und den Prozess der Zielformulierung im
Gesundheitspolitik zu zeichnen.
Rahmen des Dialogs zur Nationalen Gesundheitspolitik
bilder dienen könnten.
gemeinsam zu leiten. Eine Priorisierung der gesund-
182
Zusammenarbeit bei der Erarbeitung von
Bundes­gesetzen und Verordnungen
heitspolitischen Ziele müsste unter anderem auf der
Der Bund sollte die Rahmenbedingungen für die Erar-
toren erfolgen (siehe Abschnitt «Wissensbasierte Ge-
beitung von Bundesgesetzen verbessern, insbesonde-
sundheitspolitiken» weiter unten) und die kantonalen
re dort, wo die Umsetzung der Rechtsgrundlagen ein
bzw. regionalen Gesundheitsziele, -strategien und -pro-
hohes Mass an kantonalem Engagement verlangt. Im
gramme sowie die Ziele des Bundes berücksichtigen.
Sinne eines vorbeugenden Konfliktmanagements wäre
Zentrale Akteure des Gesundheitssystems Schweiz
es zum Beispiel sinnvoll, gesundheitsrelevante Entwür-
würden sich im Rahmen von Vernehmlassungen zu den
fe von Bundesgesetzen und Verordnungen paritätisch
Zielen äussern. Um Demokratiedefizite zu vermeiden,
durch Bund und Kantone vorbereiten zu lassen. Für
müssen die Gesundheitsziele von den kantonalen Par-
das Handlungsfeld Gesundheit könnte als Ansprech-
lamenten und den eidgenössischen Räten genehmigt
partner der 26 Kantone die GDK dienen, als Koordina-
werden.
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven
Basis qualitativer und quantitativer Führungsindika-
Referenzrahmen
Teil
I
tenbanken aufnehmen lassen. Die Liste nennt 61 Datengesundheitsrelevante Angaben enthalten. 34 dieser Da-
zerischen Gesundheitssystems sind die zahlreichen
tenbanken werden von den Bundesämtern für Statistik
Nichtregierungsorganisationen und die privaten Ak-
(BFS), für Gesundheit (BAG) und für Sozialversicherung
teure wichtige Partner des Staates. Sie erbringen nicht
(BSV) erstellt und bewirtschaftet. Die Daten zur Kranken-
nur Dienstleistungen im Sektor Gesundheit und setzen
versicherung werden von den Krankenversicherern (santé­
staatliche Massnahmen um, sondern mischen sich auch
suisse) erhoben und verwaltet. Der Zugang der Behörden
aktiv in den Meinungsbildungsprozess und in Prozesse
zu den santésuisse-Daten ist erschwert.
der Rechtsetzung ein. So unerlässlich eine solche Be-
Trotz der Fülle der Gesundheitsdaten handelt es sich
teiligung ist, kann sie sich auch kontraproduktiv aus-
bei den Produkten häufig um isoliert betrachtete Teilbe-
wirken, wenn dadurch auf Kosten des Allgemeininte-
reiche. Es fehlen Publikationen wie ein Gesundheitsbe-
resses private Interessen wahrgenommen werden. Der
richt für die Schweiz, die in regelmässigen Abständen eine
Bericht erwähnt unter anderem als Beispiel das Heil-
statistische Übersicht über das Gesundheitssystem der
mittelgesetz. Angesichts der Interessenbindung bei
Schweiz gewähren und interkantonale Vergleiche bieten.
der Vorbereitung des Heilmittelgesetzes konnte kein
Darüber hinaus gibt es zu wenige Daten
unbefangenes Gespräch und Konzipieren in der Exper-
■
über die diagnosebezogenen Leistungen der Spitä-
tengruppe zustande kommen. Aus Sicht einer interdis-
ler. Zurzeit erarbeitet der Verein SwissDRG ein den
ziplinär verstandenen Rechtsetzungslehre wurde dies
schweizerischen Verhältnissen angepasstes Patienten-
von Fachleuten als klare strukturelle Schwäche gewer-
klassifikationssystem, das in Zukunft die einheitliche
tet. Bund und Kantone sollten von Fall zu Fall prüfen,
Abgeltung der stationären, akut-somatischen Spital-
was und in welcher Form nichtstaatliche Akteure wie
aufenthalte mittels diagnosebezogener Fallpauschalen
Krankenversicherer, medizinische Leistungserbringer,
erlaubt. Einmal eingeführt sollte dann auch ein Leis­
Pharmaindustrie, Patientenorganisationen sowie Versicherte zur Erarbeitung und Konkretisierung einer
Teil
III
tungsvergleich zwischen allen Spitälern möglich sein.
■
über die Leistungen und die Inanspruchnahme der
schweizerischen Gesundheitspolitik beitragen können
ambulanten medizinischen Versorgung und der Versor-
und bei welchen Prozessen Bund und Kantone den Ein-
gung im Pflegebereich.
fluss der privaten Akteure zugunsten einer stärkeren
Teil
II
Zusammenarbeit
banken (darunter 2 internationale), die für die Schweiz
Aufgrund der starken liberalen Wurzeln des schwei-
Perspektiven
Rolle der nichtstaatlichen Akteure
■
staatspolitischen Führung weniger gewichten wollen.
über die Prävalenz, die Folgen und die Behandlung der
von der WHO als «nicht übertragbar» bezeichneten
Krankheiten wie Krebs, arbeitsassoziierte Störungen,
psychische
Störungen,
muskulo-skelettale
Krank-
heiten, Diabetes, die Folgen von Übergewicht.
Wissensbasierte Gesundheitspolitiken
■
über die sozialen Kosten von Krankheiten sowie über
Komplexe Systeme, wie das Gesundheitssystem der
■
über Kosten, Wirkung und Nutzen gesundheitsför-
■
über die Unterschiede zwischen dem wünschbaren An-
den Nutzen der Therapien.
Schweiz eines ist, setzen viel Wissen und Fachkompetenz
voraus, um Steuerung zu ermöglichen. Eine wissensorien-
dernder und präventiver Massnahmen.
tierte Politikgestaltung im Gesundheitsbereich sollte auf
gebot an Public Health-Leistungen und dem tatsäch-
zwei Datentypen zurückgreifen können: auf statistische
lichen Versorgungsangebot in den Kantonen.
und auf systembezogene Daten. In der Schweiz bestehen
für beide Datensätze Lücken.
Systembezogene Gesundheitsdaten
Die in diesem Bericht präsentierten gesundheitspoli-
Statistische Gesundheitsdaten
tischen Porträts (Band 2) zeigen, dass es in den Kantonen
Das Schweizerische Gesundheitsobservatorium (Obsan),
und auf Stufe Bund zahlreiche das Gesundheitssystem
2001 im Zuge des Projekts Nationale Gesundheitspoli-
betreffende Daten gibt: gesundheitspolitische und auch
tik Schweiz (NGP) von Bund und Kantonen gegründet,
multisektoral ausgerichtete Positionspapiere, Berichte zu
hat 2004 den Bestand der vorhandenen Gesundheitsda-
Trendentwicklungen, Regierungsziele, Strategien, MassBand 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven
183
Referenzrahmen
Teil
I
nahmen zu Themen wie Gesundheitsförderung und Prä-
Zusammenarbeit
Teil
II
vention, qualitative und quantitative Gesundheitsver-
schweizerische Gesundheitsstatistik, ein gesundheits-
sorgung, ambulante und stationäre Versorgungsnetze,
politisches Monitoring und einen Gesundheitsbericht
Qualitätsmanagement oder Projekte zur Stärkung der
für die Schweiz erstellen.
Gesundheitskompetenz der Bevölkerung. Diese qualitativen Gesundheitsdaten sind in der Schweiz auf nationaler
Regelmässige Gesundheitsstatistiken
Ebene jedoch schlecht dokumentiert und kaum evaluiert
Es braucht verstärkte Anstrengungen, um einerseits
und stehen damit für eine wissensorientierte Politikfor-
die bestehenden Lücken in der Gesundheitsstatistik
mulierung und -gestaltung durch Bund und Kantone nicht
zu füllen. Weiterhin sollten die bereits bestehenden
zur Verfügung.
statistischen Gesundheitsdaten zu einem Gesamtbild
zusammengefügt werden und dadurch einen Überblick
über das Gesundheitssystem Schweiz und über dessen
Teil
III
Impulse für eine nationale Gesundheitspolitik
Qualität sowie über den Gesundheitszustand der Be-
Die Aufbereitung und Zugänglichkeit systembezogener
völkerung ermöglichen. Dieses Ziel liesse sich zum Bei-
­Daten im Handlungsfeld Gesundheit in Form von Mo-
spiel in Form einer regelmässig publizierten Gesund-
nitoring und Analysen sollen den staatspolitischen Ak-
heitsstatistik realisieren.
teuren des Bundes und der Kantone zu einem Gesamtmit den erfassten Visionen, Prozessen, Strukturen und
Monitoring der Gesundheitspolitiken
in der Schweiz
Projekten durchaus im Sinne eines Frühwarnsystems
Eine auf Steuerung ausgerichtete nationale Gesund-
die Erwartungen und Wünsche der staatspolitischen
heitspolitik benötigt ein Monitoring der politischen
Partner erforschen sowie neue Ansätze, Ergebnisse
Strategien und deren Ergebnisse bezüglich Gesundheit
und good practice kennen lernen. Schliesslich sollen
und Leis­tungsfähigkeit des Systems. Dabei handelte es
die systembezogenen Daten der Meinungsbildung, Pla-
sich um ein systematisches Beobachten der zeitlichen
nung und Entscheidfindung dienen. In Kenntnis der
Entwicklung gesundheitspolitischer Prozesse in der
systembezogenen Daten könnten die gesundheitspoli-
Schweiz. Ein so verstandenes Monitoring würde sich
tischen Akteure Projekte in den Kantonen, auf Bundes-
vor allem auf Daten zu gesundheitspolitischen Perspek-
ebene oder auf nationaler Ebene umfassender vorbe-
tiven, Zielen, Strategien, Massnahmen und Projekten
reiten und besser in das bestehende Umfeld einbetten.
auf interkantonaler und nationaler Ebene stützen. Die
Schliesslich würde eine regelmässige Aktualisierung
in Band 2 dieser Publikation präsentierten gesund-
dieser Daten zu den öffentlichen Politiken auch zu
heitspolitischen Porträts könnten ein erster Schritt
einem besseren Verständnis der historischen Dynamik
hin zu einem solchen qualitativen Monitoring sein, das
und der gegenwärtigen Entwicklung erlauben.
regelmässig aktualisiert und mit entsprechendem stati-
Perspektiven
bild Gesundheit verhelfen. Darüber hinaus lassen sich
stischen Datenmaterial vernetzt werden müsste.
184
Das Obsan als Schaltstelle des Wissens­
managements
Gesundheitsindikatoren
Auf diesem Hintergrund wäre es zu begrüssen, wenn
Mit einer nationalen Gesundheitspolitik sollten gesund-
sich das Schweizerische Gesundheitsobservatorium
heitspolitische Ziele angestrebt werden. Dazu müssten
(Obsan) zu einer eigentlichen Schaltstelle des Wissens-
Bund und Kantone eine Auswahl an Indikatoren für den
managements für eine nationale Gesundheitspolitik
Bereich Gesundheit treffen, die sie jeweils parallel zum
entwickelte. In Zusammenarbeit mit relevanten Bundes­
Prozess der Legislaturplanung und anhand sich än-
ämtern (BFS, BAG, BSV), dem Koordinationsgremi-
dernder politischer Prioritäten überprüfen würden (so
um REGIOSTAT, der Schweizerischen Konferenz der
genannte Führungsindikatoren). Statistische Gesund-
kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren
heitsindikatoren könnten sein: Krankenversicherungs-
(GDK) sowie den Public Health-Forschungsinstituten
prämien-Index (KVPI), Gesundheitsausgaben, aktu-
würde das Obsan in regelmässigen Abständen eine
elle übertragbare und nicht übertragbare Krankheiten
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven
Referenzrahmen
Teil
I
on und der Gesundheitsversorgung beinhaltet, hat die gesundheitspolitischen Diskussionen in der Schweiz bisher
Alkoholkonsum, Tabakrauchen, Fettleibigkeit, Suizid,
kaum entscheidend beeinflusst. Gesundheitspolitik wird
psychische Störungen, Gewalt), verlorene potentielle
vor allem noch aus einer krankheitsorientierten und kura-
Lebensjahre (VPL) als Folge von Krankheiten. Zu den
tiven Perspektive heraus betrieben.
systembezogenen Gesundheitsindikatoren würden zum
Die Weltgesundheitsorganisation WHO und die Vereinten
Beispiel Ergebnisse von Evaluationen gesundheitspo-
Nationen (UNO) haben in verschiedenen Grundsatzdoku-
litischer Strategien und Massnahmen auf interkanto-
menten wie etwa in der Ottawa-Charta zur Gesundheits-
naler und nationaler Ebene gehören.
förderung (1986) oder in der Agenda 21 der UNO eine
Teil
II
Zusammenarbeit
(Grippe, Sars, Vogelgrippe, Aids, Krebs, übermässiger
umfassende Definition von Gesundheit gegeben und damit
einen internationalen Standard geschaffen. Gemäss die-
Die Schweiz braucht einen regelmässig publizierten,
sem Ansatz werden Gesundheitsförderung, Prävention,
umfassenden Gesundheitsbericht, der sowohl be-
medizinische Versorgung, Rehabilitation/Integration und
schreibt, als auch kritisch analysiert. Er sollte die stati-
Pflege als gleichwertige Elemente innerhalb eines Gesund-
stischen und die systembezogenen Daten miteinander
heitssystems gewichtet. Zudem erfordern die Erhaltung,
verknüpfen und in ihrer Wechselwirkung analysieren.
die Förderung und die Wiederherstellung der Gesundheit
Die in diesem Bericht enthaltenen systembezogenen
eine multisektorale Verantwortung. Umweltfaktoren, Bil-
Daten sollten daher fester Bestandteil des nächsten
dung, Einkommen, Wohnverhältnisse oder Arbeitssitua-
schweizerischen Gesundheitsberichts sein. Ein solcher
tionen beeinflussen in entscheidender Weise – ob positiv
Gesundheitsbericht könnte zum einen die Grundlage
oder negativ – die Gesundheit von Bevölkerungsgruppen
für horizontale und vertikale Vergleiche im Sektor Ge-
und zwar mindestens gleich stark wie die Inanspruchnah-
sundheit bilden und den politischen Entscheidungsträ-
me medizinischer Leistungen. Die WHO betont deshalb
gern zur Formulierung nationaler Ziele und Prioritäten
die Notwendigkeit des Einbezugs der Gesundheitsdeter-
dienen. Gleichzeitig liesse er sich als Input für Länder-
minanten in die Ausgestaltung von Gesundheitspolitiken.
vergleiche nutzen, wie sie in regelmässigen Abständen
Die Schweiz investiert nur rund 2 % der gesamten Gesund-
von internationalen Organisationen wie die WHO oder
heitskosten in die Gesundheitsförderung und Prävention –
die OECD vorgenommen werden.
bescheidene Mittel, verglichen mit denjenigen, die für den
Teil
III
Perspektiven
Gesundheitsbericht für die Schweiz
kurativen Sektor zur Verfügung stehen. Dieses Ungleichgewicht bleibt nicht unbemerkt. Fachleute der Gesundheitsökonomie rechnen beispielsweise vor, dass sich die
Stärkung des ganzheitlichen
und multisektoralen Ansatzes in der
Gesundheitspolitik
Dominanz der kurativen Medizin, dass heisst, die einseitig
Eine nationale, an der Gesundheit der Bevölkerung aus-
der erzielte Gesundheitsgewinn im Vergleich zu den Inve-
gerichtete Gesundheitspolitik benötigt neben Strukturen
stitionen zu bescheiden aus. Die klassische Ausrichtung auf
und Prozessen für den Dialog und die Zusammenarbeit
die kurative Medizin biete kaum Antworten auf die neuen
normative Leitplanken, um Ziele zu definieren, Strategien
Herausforderungen, denen sich das Gesundheitssystem
zu formulieren und Massnahmen umzusetzen. Wie viele
stellen müsse: die demographische Alterung der Bevölke-
andere Berichte auch, die auf Reformen der Gesundheits-
rung; die Zunahme der chronischen, nicht-übertragbaren
systeme in der Schweiz oder im Ausland abzielen, liegt
Krankheiten (u. a. Krebs, kardiovaskuläre und zerebro-
dem Bericht «Gesundheitspolitiken in der Schweiz – Po-
vaskuläre Krankheiten, Diabetes, Asthma, Allergien); die
tential für eine nationale Gesundheitspolitik» ein ganzheit-
Zunahme psychischer Störungen; Stress, Übergewicht als
liches und multisektorales Verständnis von Gesundheit
Folge von unausgewogener Ernährung und/oder Bewe-
zugrunde.
gungsmangel, umweltbedingte Krankheiten. Schliesslich
Das ganzheitliche Verständnis von Gesundheit, das die
sind die Erhöhungen der Krankenkassenprämien, die
Gleichwertigkeit der Gesundheitsförderung und Präventi-
sich unter anderem aus diesen neuen Problemen erge-
hohen Investitionen in den kurativen Bereich, nicht mehr
rechtfertigen lassen: Angesichts des bereits sehr guten
körperlichen Gesundheitszustands der Bevölkerung falle
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven
185
Referenzrahmen
Teil
I
Zusammenarbeit
Teil
II
ben, politisch nicht mehr tragbar. Aus dieser Erkenntnis
das Passivrauchen sowie auf der Ebene der Gesundheits-
heraus haben Bund und Kantone in den 1990er-Jahren
determinanten die Einführung von Gesundheitsverträg-
die Stiftung Gesundheitsförderung Schweiz gegründet.
lichkeitsprüfungen. Bei den öffentlichen Spitälern ist der
Im Rahmen ihrer jeweiligen Kompetenzen haben Bund
Trend zu erkennen, psychischen Störungen und nicht
und Kantone zudem in den vergangenen 20 Jahren neue
übertragbaren Krankheiten mit speziellen Programmen
Präventions- und Gesundheitsförderungsprogramme ent-
zu begegnen und dabei die finanziellen und personellen
wickelt bzw. durch privatrechtliche Gesundheitsorganisa-
Ressourcen für die Gesundheitsförderung und Präventi-
tionen entwickeln lassen. In der Regel bleiben jedoch die
on entsprechend zu erhöhen. Konkrete Massnahmen zur
gesprochenen finanziellen Mittel sowie die Koordination
Prävention und Gesundheitsförderung, die auf kantonaler
der bereits bestehenden Strategien der Gesundheitsför-
und interkantonaler Ebene ergriffen werden, sind in Band
derung und der Prävention untereinander zu bescheiden,
2 (Teil IV) und in Band 1 (Teil II) beschrieben.
was eine wirksame Umsetzung entsprechender Massnah-
Perspektiven
Teil
III
men auf Stufe Bund und Kantone sowie eine Bewertung
Ansätze auf Bundesebene
der Leistungsfähigkeit der Politiken der Gesundheitsför-
Rund 25 Bundesstellen und 30 eidgenössische Kommis-
derung und der Prävention erschwert.
sionen sind in Erfüllung gesetzlicher Aufträge im Public
Auch wenn Gesundheitsförderung und Krankheitspräven-
Health-Bereich aktiv und verfügen zum Teil über entspre-
tion in der Schweiz eine Nebenrolle spielen, dokumentiert
chende finanzielle Mittel. Sie entwickeln Programme zur
der Bericht konsequent eine Auswahl kantonaler, inter-
Prävention von Krankheiten, zur Förderung oder zum
kantonaler und eidgenössischer Strategien, Programme
Schutz der Gesundheit und setzen diese auch stellenwei-
und Projekte zur Gesundheitsförderung und zur Präventi-
se selber um. Wichtigster Akteur auf Bundesebene ist das
on und beschreibt Massnahmen, die auf die Gesundheits-
Bundesamt für Gesundheit (BAG). Die prioritären Hand-
determinanten einwirken.
lungsfelder des BAG im Bereich Prävention und Gesund-
Was die Bekämpfung chronischer, nicht übertragbarer
heitsförderung sind die Suchtbekämpfung (Alkohol, Ta-
Krankheiten anbelangt, haben Bund und Kantone noch
bak, illegale Drogen) sowie der Schutz vor übertragbaren
keine sichtbaren, kohärenten und effizienten Gesund-
Krankheiten wie Grippe oder Aids bzw. deren Bekämp-
heitspolitiken entwickelt und umgesetzt. Auch fehlt eine
fung. Im Rahmen seiner Kompetenzen engagiert sich das
gesamtschweizerische Strategie Altern und Gesundheit.
BAG zudem in Zusammenarbeit mit weiteren Akteuren für
eine gesunde Ernährung, auch wenn diese Massnahmen
186
Ansätze in den Kantonen
noch bescheiden anmuten. Aus der Optik eines multisek-
Es fällt schwer, angesichts der Vielzahl der kantonalen
toralen Verständnisses von Gesundheit hat das BAG 1998
Politiken, die kantonalen Ansätze auf dem Gebiet der
den «Aktionsplan Umwelt und Gesundheit» (APUG) lan-
Gesundheitsförderung und Prävention zu gewichten, ge-
ciert, der Ende 2007 ausläuft. Ferner hat die BAG-Leitung
schweige denn deren Wirkung abzuschätzen. Folgende
im Jahr 2004 das Leitbild für eine multisektorale Gesund-
Aussagen lassen sich jedoch machen: Die meisten Kan-
heitspolitik verabschiedet. Im Bereich Gesundheitsschutz
tone haben ihre Gesundheitsgesetze um gesundheitsför-
und Sicherheit am Arbeitsplatz ist das Staatssekretariat
dernde Bestimmungen ergänzt, finanzielle, strukturelle
für Wirtschaft (seco) aktiv.
und personelle Mittel für die Gesundheitsförderung und
Ein entscheidender Schritt auf Bundesebene hin zu einer
Prävention zur Verfügung gestellt und Aktionspläne für
Gesamtsicht Gesundheit erfolgte 2004 mit dem Trans-
die Gesundheitsförderung lanciert (z. B. Agenda 21). Alle
fer der BSV-Einheit Kranken- und Unfallversicherung
Kantone verfügen über Suchtpräventionsprogramme und
ins BAG. Damit sind heute wichtige Bereiche wie Ge-
über Therapieangebote bei Suchtproblemen. Eine Mehr-
sundheitsschutz, Schutz vor übertragbaren Krankheiten,
heit der Kantone engagiert sich in der Schulgesundheit.
Suchtprävention,
Einige Kantone bauen ihr Dienstleistungsangebot im
Forschung und Evaluation, medizinische Aus- und Wei-
Bereich der psychischen Gesundheit aus, andere planen
terbildung sowie die nationale Gesundheitspolitik des
Massnahmen zur Prävention altersbedingter Krankheiten.
Bundes unter dem Dach eines Bundesamts vereint, und
Ebenfalls Gegenstand kantonaler Gesundheitspolitiken
die Voraussetzungen für eine Gesamtsicht der Gesundheit
sind die Tabakprävention oder Schutzmassnahmen gegen
sind gegeben. Die Interessen der verschiedenen Direk-
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven
Kranken-
und
Unfallversicherung,
Referenzrahmen
Teil
I
tionsbereiche des BAG sind jedoch nach wie vor diverAngesichts nationaler Herausforderungen wie die de-
gestartet.
mographische Alterung der Gesellschaft, die Grenzen
der Medizin, gesellschaftsbedingte oder Lebensstil be-
Ansätze auf regionaler Ebene
dingte Krankheitsbilder, sollte das ganzheitliche und
Gesundheitsförderung und Prävention sind in erster Linie
multisektorale Verständnis am Anfang gesundheits-
kantonale Aufgaben. Zunehmend finden diese Themen
politischer Überlegungen stehen. Dazu müssten sich
auch Eingang in die Regionalkonferenzen, vor allem in der
Bund und Kantone mit den privaten Akteuren auf ge-
Westschweiz. Hier haben die in der CRASS zusammenge-
meinsame Perspektiven einigen. Die nachfolgend auf-
schlossenen Kantone der Westschweiz und des Tessin ein
geführten Schritte können zu einer Weiterentwicklung
eigenes Organ für Prävention und Gesundheitsförderung
des ganzheitlichen und multisektoralen Verständnisses
auf regionaler Ebene gebildet, das Projekte finanziert und
von Gesundheit auf nationaler Ebene beitragen. Eine
durchführt. Vergleichbare Strukturen und Prozesse fehlen
unabdingbare Voraussetzung für einen solchen Paradig-
in der Deutschschweiz noch.
menwechsel muss die Bereitschaft der politischen Entscheidungsträger sein, die dafür benötigten finanziellen
Ansätze auf nationaler Ebene
Mittel zu sprechen – sei es über eine Umverteilung der
Auf nationaler Ebene hat die Gesundheitsförderung 1994
heutigen Mittel vom kurativen Sektor zur Prävention
mit ihrer Verankerung im Krankenversicherungsgesetz
und Gesundheitsförderung, sei es über neue Abgaben.
Teil
II
Zusammenarbeit
Impulse für eine nationale Gesundheitspolitik
tischen Perspektiven innerhalb des BAG wurde im 2005
Teil
III
Perspektiven
gent. Ein Prozess hin zu gemeinsamen gesundheitspoli-
(Artikel 19, KVG) eine gewisse Anerkennung gefunden.
Heute setzt die Stiftung Gesundheitsförderung Schweiz
Bestehende Gremien nutzen
im Auftrag der Kantone und der Krankenversicherer und
Auf nationaler Ebene gibt es seit 1996 die Stiftung Ge-
unter Aufsicht des Bundesrates Artikel 19 des KVG um.
sundheitsförderung Schweiz. Übergeordnetes langfris­
Auch die Gesundheitsförderung Schweiz legt ihren Pro-
tiges Ziel von Gesundheitsförderung Schweiz ist die
jekten ein ganzheitliches Verständnis von Gesundheit zu-
Stärkung und Verankerung von Gesundheitsförderung
grunde.
und Prävention in der Bevölkerung, in der Politik, in der
Im Rahmen des Projekts «Nationale Gesundheitspolitik
Verwaltung und in der Wirtschaft. Bund und Kantone
Schweiz» (1998–2003) haben Bund und Kantone ge-
haben das Potential dieser Stiftung für die Koordina­
meinsam einen Referenzrahmen Psychische Gesundheit
tion und die Formulierung von Zielen der Gesundheits-
erarbeitet. Ausserdem haben Bund und Kantone die
förderung noch nicht ausgenutzt. Aus Sicht einer na-
Dachorganisation Oncosuisse beauftragt, ein nationales
tionalen Gesundheitspolitik wäre es zu begrüssen, wenn
Programm zur Krebsbekämpfung zu entwickeln.
Bund und Kantone die Hauptträger der Stiftung wären
und die Tätigkeitsfelder der Stiftung auf diejenigen des
Ansätze im kurativen Bereich
Bundes und der Kantone im Sektor Gesundheitsförde-
Neben den Kantonen und dem Bund setzen sich auch
rung und Prävention abgestimmt werden könnten.
medizinische Fachleute mit dem Gut Gesundheit und der
zerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften,
Stärkung der Prävention und Gesundheits­
förderung
die Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte
Der Bundesrat hat in seiner Legislaturplanung 2003-
(FMH) sowie die Medizinischen Fakultäten der Schweiz
2007 mit dem Ziel 5 eine grundlegende Überprüfung
ziehen zum Beispiel aus ihrem Projekt «Zukunft Medizin
des schweizerischen Gesundheitssystems gewünscht.
Schweiz»(1999–2004) unter anderem folgenden Schluss:
Ein bedeutender Schritt in diese Richtung könnte die
Die Ärztinnen und Ärzte in der Schweiz sollten sich in
vom Vorsteher des Eidgenössischen Departements des
Zukunft nicht nur mit der «Linderung körperlicher und
Innern lancierte Idee einer Neuregelung der Gesetz-
seelischer Schmerzen und Leiden» beschäftigen, sondern
gebung auf dem Gebiet der Prävention und Gesund-
auch mit der «Wiederherstellung der sozialen Funktions-
heitsförderung sein. Ohne Zweifel würde eine solche
zukünftigen Rolle der Medizin auseinander. Die Schwei-
fähigkeit» ihrer Patientinnen und Patienten.
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven
187
Referenzrahmen
Teil
I
Zusammenarbeit
Teil
II
Perspektiven
Teil
III
Neuregelung die Chance zu einem Paradigmenwechsel
Verträglichkeitsprüfungen Gesundheit und Umwelt
bieten, indem einige gesundheitspolitische Grundsätze
Während die Umweltverträglichkeitsprüfung in der
gesetzlich verankert werden könnten: die Gleichwer-
Schweiz bereits regelmässig eingesetzt wird, befinden
tigkeit der Gesundheitsförderung, der Prävention, der
sich Instrumente oder Prozesse für den multisektoralen
medizinischen Versorgung, der Rehabilitation/Integra-
Ansatz im Handlungsfeld Gesundheit erst in der Test-
tion und Pflege; Gesundheit als multisektorale Verant-
phase. Mit einem Health Impact Assessment (HIA) lies-
wortung; Prävention und Gesundheitsförderung als
sen sich mögliche Auswirkungen einer Strategie, eines
ein gemeinsam verantworteter Bereich von Bund und
Programms oder eines Projekts auf die Gesundheit der
Kantonen. Ob der Prozess, der unter der Federführung
betroffenen Bevölkerung beurteilen. Der Kanton Tessin
des Eidgenössischen Departements des Innern abläuft,
sowie einige Kantone der Westschweiz sammeln gegen-
eine konsolidierte Position von Bund und Kantonen er-
wärtig Erfahrungen in diesem Bereich. Auch auf Bun-
möglicht, ist zurzeit ungewiss. Angesichts der Tatsache,
desebene gibt es Überlegungen zu diesem Thema. Es
dass die Kompetenzen in der Gesundheitsförderung
wäre sinnvoll, dass Bund und Kantone ihre Erfahrungen
und Prävention bei den Kantonen liegen, wäre es aus
auf dem Gebiet der Umweltverträglichkeitsprüfungen
Sicht einer nationalen Gesundheitspolitik zwingend,
und des Health Impact Assessment austauschten und
dass Bund und Kantone im Rahmen des Dialogs zur
gemeinsam überlegten, wie diese zwei Instrumente
Nationalen Gesundheitspolitik das Thema Neuregelung
auf nationaler Ebene allenfalls in Form eines einzigen
Prävention und Gesundheitsförderung eingehend dis-
Instruments zum Einsatz gelangen könnten. Bei Pro-
kutierten.
jekten, die nur indirekt den Gesundheitsbereich betreffen, sollten Health Impact Assessment auf Stufe Bund
Multisektorale Impulse
integrierter Bestandteil verwaltungsinterner Vernehm-
Die gesundheitspolitischen Porträts in Band 2 dieses
lassungsverfahren werden (Ämterkonsultationen, Mit-
Berichts zeigen verschiedene Ansätze in den Kantonen
berichtsverfahren).
und auf Bundesebene im multisektoralen Bereich. Im
Rahmen des Dialogs zwischen Bund und Kantonen gilt
Setting-Ansatz
es, diese Projekte zugunsten einer Stärkung des multi-
Eine Möglichkeit, im Rahmen einer multisektoralen
sektoralen Ansatzes im Rahmen einer nationalen Ge-
Gesundheitspolitik die Gesundheitsdeterminanten wie
sundheitspolitik zu evaluieren.
Wirtschafts-, Umwelt-, Verkehrs-, Bildungs- oder Migrationsfaktoren besser auf nationaler Ebene zu veran-
Bund
kern, könnte darin bestehen, dass Bund und Kantone
Damit das BAG-Leitbild für eine multisektorale Ge-
noch stärker als bisher den Setting-Ansatz auf ihre
sundheitspolitik zu einem verbindlichen Rahmen für
Strategien und Programme im Bereich Gesundheits-
die gesamte Bundesverwaltung werden kann, sollte es
förderung und Prävention anwenden würden. Projekte
aktiv nach innen und aussen bekannt gemacht werden.
und Netzwerke wie «Gesundheitsfördernde Schulen»,
Das bedingt, dass das BAG die bestehenden Koordina-
«Gesundheitsfördernde Spitäler» und «Betriebliche
tionsplattformen des Bundes im Bereich Gesundheit
Gesundheitsförderung», leisten heute schon einen
intensiver nutzt. Im Rahmen der Überprüfung seiner
nicht zu unterschätzenden Beitrag zur Schaffung von
Amtstrategie böte sich dem BAG zudem die Gelegen-
gesundheitsfördernden Lebenswelten.
heit, das Leitbild für eine multisektorale Gesundheitspolitik der neuen Amtsstrategie zu Grunde zu legen
Dialog Politik-Medizin
und die Federführung im Management entsprechender
Bund und Kantone könnten sich von den Ergebnis-
Prozesse und Netzwerke innerhalb der Bundesverwal-
sen des Projekts Zukunft Medizin Schweiz sowie von
tung zu übernehmen.
den Publikationen der Nationalen Ethikkommission
im Bereich Humanmedizin (NEK) inspirieren lassen.
Im Dialog mit ehemaligen Projektverantwortlichen
188
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven
Referenzrahmen
Teil
I
kerung richtet (zum Beispiel das Internet-gestützte Informationssystem Sanimédia des Kantons Waadt). Bis
die Neuausrichtung des kurativen Systems auf der
jetzt ist es aber zu keiner regionalen Zusammenarbeit
Basis eines multisektoralen und ganzheitlichen Ver-
zwischen den Kantonen in diesem Bereich gekommen.
ständnisses von Gesundheit weiterentwickelt werden.
Auch auf Ebene Bund und auf nationaler Ebene fehlen
Im Rahmen dieses Prozesses müsste auch die Umver-
entsprechende Strategien und Projekte. Die Informati-
lagerung finanzieller Mitte vom kurativen Bereich in
onen erfolgen stattdessen punktuell und sporadisch.
die Gesundheitsförderung und Prävention ein Thema
2. In der Vielzahl der Gesundheitsinformationen sind
sein.
Teil
II
Zusammenarbeit
und Projektteilnehmenden sollten die Ansätze über
kaum Hauptbotschaften erkennbar, mit denen sich die
staatspolitischen Akteure Bund und Kantone an die
Bevölkerung wenden. Auf nationaler Ebene erreichen
einzig die Sensibilisierungskampagnen des Bundes zu
den Themen HIV/Aids, Tabak oder Alkohol eine gewisse Breitenwirkung.
3. Die bisherigen Informationsangebote der öffentlichen
Nach einer langen Phase, in der der kranke Mensch in
Hand im Bereich Gesundheit berücksichtigen kaum die
erster Linie als Objekt der wissenschaftlichen Forschung
sozialen, ökonomischen und umweltbezogenen Fak-
und der medizinischen Behandlung betrachtet wurde,
toren (Gesundheitsdeterminanten). Insbesondere die
rückt seit einigen Jahren der kranke Mensch als Indivi-
Wechselbeziehungen zwischen sozialer Ungleichheit
duum und Bürger, als mündiger Patient mit Rechten und
Teil
III
Perspektiven
Gesundheitsinformation und Gesund­
heitsbildung
und Krankheit werden nicht thematisiert.
Pflichten, als Experte, als Partner der behandelnden Fach-
4. Gesundheitsinformation im Sinne von Gesundheitsbil-
person und schliesslich auch als wichtiger Mitfinanzierer
dung / Gesundheitserziehung wird in den Kantonen
des medizinischen Versorgungssystems ins Zentrum des
und auf Bundesebene erst im Rahmen weniger Projekte
Interesses. Gleichzeitig wächst die Erkenntnis, dass nicht
praktiziert. Erwähnenswert sind das Netzwerk gesund-
alle Menschen die gleichen Chancen auf ein Leben in
heitsfördernder Schulen oder die Verpackungsbeilagen
guter Gesundheit haben. Solche mit besseren Arbeits-
zu den Medikamenten.
plätzen, mit höherer Bildung und mit höheren Einkommen sind gesünder und leben länger als benachteiligte
Bevölkerungsgruppen. Parallel zu diesen Überlegungen
Impulse für eine nationale Gesundheitspolitik
appellieren Politikerinnen und Politiker nicht zuletzt an-
Die Betonung der Selbstverantwortung des Einzelnen
gesichts der steigenden Kosten im Gesundheitswesen an
für seine Gesundheit macht bei Personen mit guter
die Selbstverantwortung des Individuums für seine Ge-
Bildung, hohem beruflichen Status und hohem Ein-
sundheit. Auf dem Hintergrund dieser Tendenzen gewin-
kommen Sinn. Die Betonung der individuellen Verhal-
nen Gesundheitsinformationen und Gesundheitsbildung
tensprävention dürfte aber bei Personen aus unteren
sowie die gesundheitliche Chancengleichheit zunehmend
sozialen Schichten mit eingeschränktem Handlungs-
an Bedeutung.
spielraum nur wenig bewirken. Es gilt zu verhindern,
dass die Ausrichtung der Gesundheitsinformationen
Folgende Beobachtungen lassen sich hierzu machen:
und Projekte auf die individuelle Selbstverantwortung
1. Es gibt in der Schweiz zahlreiche Publikumsbroschü-
zur Schuldzuweisung an sozial Schwache wird und zu
ren und Dokumente in gedruckter und elektronischer
einer Unterhöhlung des Prinzips des gleichen Zugangs
Form zu praktisch allen relevanten Gesundheitsthe-
für alle zu einem qualitativ guten Gesundheitssystem
men (Gesundheitsförderung, Prävention, Gesundheits-
und damit zu einer Infragestellung der Solidarität zwi-
versorgung,
Krankenversicherung).
schen gesunden und kranken Menschen führt. Aus der
Herausgeber sind die Kantone, der Bund oder private
Perspektive einer nationalen Gesundheitspolitik, die
Organisationen. In einzelnen Kantonen gibt es zudem
sowohl die Stärken einer liberalen, als auch die Stärken
Ansätze für eine strukturierte und regelmässig aktuali-
einer sozialstaatlichen Grundhaltung respektiert und
Rehabilitation,
sierte Informationspolitik, die sich an die GesamtbevölBand 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven
189
Referenzrahmen
Teil
I
Zusammenarbeit
Teil
II
anerkennt, sollten deshalb die nachfolgenden Impulse
rem in folgenden Bereichen: gerechtfertigte und nicht
betreffend die Gesundheitsinformationen und die Ge-
gerechtfertigte Erwartungen der Bevölkerung an die
sundheitsbildung als Vorschläge verstanden werden,
über Prämiengelder finanzierte obligatorische Kran-
die gleichzeitig umzusetzen sind.
kenversicherung; Informationen über das Leistungsangebot der Zusatzversicherungen; Patientenrechte
Verbreitung von Gesundheitsinformationen
und -pflichten sowie Rechte und Pflichten der medizi-
In der Schweiz sollte eine Grundsatzdiskussion darüber
nischen Leistungserbringer; gesundheitsfördernde und
stattfinden, welche gemeinsamen Ziele Bund und Kan-
präventive Botschaften zu den gesellschaftsbedingten
tone mit ihren Gesundheitsinformationen erreichen
Krankheitsbildern.
möchten. Ein Ziel müsste lauten, die persönlichen Ge-
Perspektiven
Teil
III
sundheitskompetenz des einzelnen Menschen zu einer
Förderung der Gesundheitskompetenz
gesunden Lebensführung, aber auch die kollektive Ver-
Parallel zu den oben erwähnten Massnahmen auf dem
antwortung für eine gesundheitsfördernde Gesamtpoli-
Gebiet der Gesundheitsinformation sollte der Bund in
tik zu erhöhen.
Zusammenarbeit mit den Kantonen, mit privaten Akteuren und mit Betroffenen Projekte lancieren und fi-
Zugang zu Informationen
nanzieren, die die gesundheitliche Chancengleichheit
Bund und Kantone sollten sicherstellen, dass ihre Ge-
vor allem für Menschen mit geringem Handlungsspiel-
sundheitsinformationen leicht auffindbar und rasch
raum zum Ziel hat. Setting-orientierte Projekte, die die
verfügbar sind. Bezüglich der Folgenabschätzung neu-
Gesundheitsdeterminanten in besonderem Masse ein-
er Informationsmedien wie E-Health oder Telemedi-
beziehen (Bildungsinstitutionen, Arbeitswelt, Freizeit)
zin sollten Bund und Kantone untereinander und mit
verdienen in diesem Zusammenhang eine besondere
dem Zentrum für Technologiefolgen-Abschätzung des
Förderung. Als gelungenes Beispiel gilt die bundesrät-
Schweizerischen Wissenschafts- und Technologierats
liche Strategie Migration und Gesundheit.
zusammenarbeiten und entsprechende Gütesiegel auf
dem Gebiet der Qualitätssicherung entwickeln. Entsprechende Vorarbeiten haben Bund und Kantone bereits geleistet.
Gemeinsame Botschaften
Die Kantone sollten versuchen, ihre Öffentlichkeitsarbeiten auf dem Gebiet der Gesundheitsförderung
und Prävention regional zu koordinieren. Zudem wäre
es sinnvoll, dass Bund und Kantone sich gegenseitig
rechtzeitig über Informationskampagnen im Handlungsfeld Gesundheit informierten, die sie zuhanden
der Gesamtbevölkerung bzw. von Zielgruppen-Segmenten durchführen möchten. Damit liessen sich Doppelspurigkeiten zwischen Bund und Kantonen, wie sie
beispielsweise im Sektor Sucht stattfinden, vermeiden
und Kosten sparen.
Längerfristig sollten sich Bund und Kantone auf einige zentrale Gesundheitsbotschaften zuhanden der
Gesamtbevölkerung einigen, die von entsprechenden
kantonalen, regionalen und nationalen Projekten begleitet würden. Handlungsbedarf besteht unter ande-
190
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven
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I
191
Referenzrahmen
Teil
I
Zusammenarbeit
Teil
II
Perspektiven
Teil
III
Lehmann Philippe, Gutzwiller Felix, Martin Jean F. The
on der suchtpolitischen Aktivitäten des Bundes. Heraus-
Swiss health system: the paradox of ungovernability and
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strukturell
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Beispiele
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Rüefli Christian, Sager Fritz. «Public Health, Prävention
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Sager Fritz, Schläpfer Martina, Andereggen Céline. Alkoholpolitische Kantonsprofile. Schlussbericht im Auftrag
des Bundesamts für Gesundheit und der Eidgenössischen
Alkoholverwaltung. Bern, Oktober 2004. Unveröffentlicht.
Sager Fritz. Kompensationsmöglichkeiten föderaler Vollzugsdefizite. Das Beispiel der kantonalen Alkoholpräventionspolitiken. Swiss Political Science Review 9 (1).
Schopper Doris. Les inégalités sociales de santé: du constat à l’action. Institut de Médecine Sociale et Préventive
Genève, 2002.
Schweizerische Akademie der medizinischen Wissenschaften SAMW. Zukunft Medizin Schweiz, EHM-Schwabe, Basel, 2002.
Schweizerische Bundeskanzlei. Regierungs- und Verwaltungsreform RVR, Schlussbericht vom 18. 10. 2000.
Schweizerischer Bundesrat. Strategie Nachhaltige Entwicklung 2002, 27. März 2002.
Sommer J und Gutzwiller F. Wirtschaftlichkeit und Wirksamkeit im schweizerischen Gesundheitswesen, Bern, Huber, 1986.
Spinatsch Markus. Eine neue Suchtpolitik für die Schweiz?
Grundlagen und Materialien für eine verstärkte Integrati192
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Bibliographie
Alter und Gesundheit; Betreu­
ung und Pflege im Alter
■
Ambulanter
Versorgungs­sektor
■
Aufgabenverflechtung
zwischen Bund und Kantonen
■
Referenzrahmen
Register nach Schlüsselbegriffen (alphabetische Reihenfolge)
Teil
I
Band 2, Teil IV, Kantonale Gesundheitspolitiken: 9 Porträts, Abschnitt 5:
Gesundheitsversorgung
Gesundheitsversorgung
Teil
II
Zusammenarbeit
Band 2, Teil IV, Kantonale Gesundheitspolitiken: 9 Porträts, Abschnitt 5:
Band 1, Kapitel 2.2, Vier Merkmale des schweizerischen Gesundheits­
systems: Föderalistische Strukturen
■
Band 1, Kapitel 6.3, Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen
in der Gesundheitspolitik: Themenzentrierte Zusammenarbeit zwischen
Bund und Kantonen
■
Band 1, Teil III, Perspektiven zur Entwicklung einer nationalen Gesundheitspolitik: Die Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen verbessern
■
Band 1, Kapitel 5.6, Zusammenarbeit zwischen Kantonen in der Gesundheitspolitik: Themenzentrierte Zusammenarbeit zwischen Kantonen
■
Teil
III
Band 1, Kapitel 6.3, Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen
in der Gesundheitspolitik: Themenzentrierte Zusammenarbeit zwischen
Perspektiven
Ausbildung im Gesundheits­
wesen: universitäre/nicht­
universitäre Gesundheits­
berufe, Psychologieberufe
Bund und Kantonen
■
Band 2, Teil V, Porträt der Gesundheitspolitik des Bundes, Abschnitt 4:
■
www.gdk-cds.ch: Ausbildung
Ausgaben für die
Gesundheit in 9 Kantonen:
allgemeine Ausgaben
■
Band 2, Teil IV, Kantonale Gesundheitspolitiken: 9 Porträts, Abschnitt 1:
Ausgaben für die
Gesundheitsförderung und
Prävention in 9 Kantonen
■
Ausgaben für die
Gesundheitsversorgung
in 9 Kantonen
■
Ausgaben für den Gesundheitsschutz – Bund
(einschliesslich Gesundheits­
förderung und Prävention)
■
Ausgaben im Sektor
Gesundheit: Gemeinde,
Kantone, Bund
■
Ausbildung
Gesundheitsbehörden, Tabelle Kennzahlen
Band 2, Teil IV, Kantonale Gesundheitspolitiken: 9 Porträts, Abschnitt 4:
Gesundheitsförderung und Prävention, Tabelle Kennzahlen
Band 2, Teil IV, Kantonale Gesundheitspolitiken: 9 Porträts, Abschnitt 5:
Gesundheitsversorgung, Tabelle Kennzahlen
Band 2, Teil V, Porträt der Gesundheitspolitik des Bundes, Abschnitt 2:
Gesundheitsschutz
Band 1, Kapitel 2.2, Vier Merkmale des schweizerischen Gesundheits­
systems: Föderalistische Strukturen
■
Band 2, Teil V, Porträt der Gesundheitspolitik des Bundes, Abschnitt 3:
Gesundheitsversorgung
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Schlüsselbegriffe
193
Referenzrahmen
Teil
I
Zusammenarbeit
Teil
II
Ausgaben der Präventions­
fonds mit einem öffentlichen
Mandat
■
Bundesstellen
mit Zuständigkeiten im
Bereich Gesundheit
■
Band 2, Teil V, Porträt der Gesundheitspolitik des Bundes, Abschnitt 2:
Gesundheitsschutz
Band 1, Kapitel 4, Zusammenarbeit in der Gesundheitspolitik auf Stufe
Bund, Anhang: Zuständigkeiten der Bundesstellen nach Gesundheitsthemen
■
Band 2, Teil V, Porträt der Gesundheitspolitik des Bundes, Abschnitt 6:
Eidgenössische Departemente, Bundesstellen und Kommissionen
Dialog zwischen Bund
und Kantonen zur Nationalen
Gesundheitspolitik
■
Band 1, Kapitel 2.2, Vier Merkmale des schweizerischen Gesundheits­
systems: Föderalistische Strukturen
■
Band 1, Kapitel 6.4, Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen in der
Gesundheitspolitik: Neue Ansätze in der Zusammenarbeit auf nationaler
Teil
III
Ebene
E-Health
■
Band 2, Teil IV, Kantonale Gesundheitspolitiken: 9 Porträts, Abschnitt 3:
Planungsinstrumente
Perspektiven
■
Band 2, Teil V, Porträt der Gesundheitspolitik des Bundes, Abschnitt 2:
Schutz der Gesundheit
Erwartungen der Kantone
an eine nationale Gesund­
heitspolitik
■
Band 1, Kapitel 6.3, Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen:
Themenzentrierte Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen
■
Band 2, Teil IV, Kantonale Gesundheitspolitiken: 9 Porträts, Abschnitt 8:
Nationale Gesundheitspolitik aus Sicht des Kantons
Forschungsprogramme im
Bereich Gesundheit
■
Band 2, Teil V, Porträt der Gesundheitspolitik des Bundes, Abschnitt 9:
■
www.snf.ch
■
Band 2, Teil V, Porträt der Gesundheitspolitik des Bundes, Abschnitt 7:
■
www.admin.ch/ch/d/sr: Systematische Sammlung des Bundesrechts
Gesetze im Bereich
Gesundheit in 9 Kantonen
■
Band 2, Teil IV, Kantonale Gesundheitspolitiken: 9 Porträts, Abschnitte
Gesundheitsdeterminanten
■
Gesetze im Bereich
Gesundheit – Stufe Bund
Forschung und Evaluation
Rechtliche Grundlagen und Planungsinstrumente
Planungsinstrumente
Band 1, Teil III, Perspektiven zur Entwicklung einer nationalen Gesundheitspolitik: Das ganzheitliche und multisektorale Verständnis von Gesundheit stärken
■
Band 2, Teil IV, Kantonale Gesundheitspolitiken: 9 Porträts, Abschnitt 4:
Gesundheitsdeterminanten
Gesundheitsgesetze
der Kantone – revidiert bzw.
in Revision
194
■
Band 1, Kapitel 2.1, Vier Merkmale des schweizerischen Gesundheits­
systems: Dominanz der kurativen Medizin
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Schlüsselbegriffe
Gesundheitspolitik des
Bundes
■
Referenzrahmen
Teil
I
Band 1, Kapitel 2.1, Vier Merkmale des schweizerischen Gesundheits­
systems: Dominanz der kurativen Medizin
■
Band 1, Kapitel 4.1, Zusammenarbeit in der Gesundheitspolitik auf Stufe
Bund: Ausgangslage
■
Band 1, Kapitel 4.2, Zusammenarbeit in der Gesundheitspolitik auf Stufe
Teil
II
■
Zusammenarbeit
Bund: Bundesrätliche Gesamtplanung
Band 1, Kapitel 4,3, Zusammenarbeit in der Gesundheitspolitik auf Stufe
Bund: Zusammenarbeit zwischen Bundesstellen
■
Band 2, Teil V, Porträt der Gesundheitspolitik des Bundes
Gesundheitspolitik des
Bundes – Zusammenfassung
■
Band 2, Teil V, Porträt der Gesundheitspolitik des Bundes: Einleitung
Gesundheitspolitische
Zusammenarbeit zwischen
Kantonen – Überblick
■
Band 1, Kapitel 5.7, Zusammenarbeit zwischen Kantonen in der Gesund-
Gesundheitsschutz auf
Bundesebene – Überblick
■
Gesundheitsziele, gesund­
heitspolitische Prioritäten
auf Stufe Bund
■
heitspolitik: Zusammenfassung
Teil
III
Perspektiven
Band 2, Teil V, Porträt der Gesundheitspolitik des Bundes, Abschnitt 2:
Gesundheitsschutz
Band 1, Kapitel 4.2, Zusammenarbeit in der Gesundheitspolitik auf Stufe
Bund: Bundesrätliche Gesamtplanung
■
Band 1, Teil III, Perspektiven zur Entwicklung einer nationalen Gesundheitspolitik: Die Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen verbessern
■
Band 2, Teil V, Porträt der Gesundheitspolitik des Bundes, Abschnitt 1:
Gesundheitspolitische Perspektiven
■
www.public-health.ch: Abschnitt Gesundheitsziele für die Schweiz
Gesundheitsziele, gesund­
heitspolitische Prioritäten:
9 Kantone
■
Band 2, Teil IV, Kantonale Gesundheitspolitiken, Abschnitt 2: Gesundheits-
Indikatoren der Gesundheit
und des Gesundheitssystems
■
politische Perspektiven
Band 1, Kapitel 4.2, Zusammenarbeit in der Gesundheitspolitik auf Stufe
Bund: Bundesrätliche Gesamtplanung
■
Band 1, Teil III, Perspektiven zur Entwicklung einer nationalen Gesundheitspolitik: Gesundheitspolitiken auf Wissen abstützen
Konferenz der kantonalen
Gesundheitsdirektorinnen
und -direktoren (GDK) auf
schweizerischer Ebene
Konferenz der Kantonsregie­
rungen (KdK) auf schweize­
rischer Ebene
■
www.obsan.ch: Monitoring nach Indikatoren
■
Band 1, Kapitel 5.5, Zusammenarbeit zwischen Kantonen in der Gesundheitspolitik: Organisierte Zusammenarbeit auf schweizerischer Ebene
■
www.gdk-cds.ch; www.kdk.ch
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Schlüsselbegriffe
195
Referenzrahmen
Teil
I
Zusammenarbeit
Teil
II
Konferenzen der regionalen
Gesundheitsdirektoren
Konferenzen der regionalen
Regierungskonferenzen
■
■
www.zrk.ch
Kooperativer Föderalismus
■
Band 1, Kapitel 2.2, Vier Merkmale des schweizerischen Gesundheits­
Band 1, Kapitel 5.4, Zusammenarbeit der Kantone in der Gesundheits­politik:
Organisierte Zusammenarbeit auf regionaler Ebene
systems, Föderalistische Strukturen
■
Band 1, Teil II, Einleitung
■
Band 1, Kapitel 6.1, Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen in der
Gesundheitspolitik: Ausgangslage
■
Band 1, Kapitel 6.4, Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen in der
Gesundheitspolitik: Neue Ansätze in der Zusammenarbeit auf nationaler
Ebene
Teil
III
■
Band 1, Kapitel 6.5, Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen in der
Gesundheitspolitik: Potential für eine nationale Gesundheitspolitik
■
Band 1, Teil III, Perspektiven zur Entwicklung einer nationalen Gesund-
Perspektiven
heitspolitik: Die Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen verbessern
Krankenversicherungsgesetz
(KVG) – Revision
Nationale Gesundheits­
themen aus Sicht
der Kantone
■
Band 2, Teil V, Porträt der Gesundheitspolitik des Bundes, Abschnitt 3:
Gesundheitsversorgung
■
www.bag.admin.ch: Krankenversicherung
■
Band 1, Kapitel 6.3, Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen in der
Gesundheitspolitik: Themenzentrierte Zusammenarbeit zwischen Bund und
Kantonen
■
Band 1, Teil III, Perspektiven zur Entwicklung einer nationalen Gesundheitspolitik in der Schweiz: Die Zusammenarbeit zwischen Bund und
Kantonen verbessern
■
Band 2, Teil IV, Kantonale Gesundheitspolitiken: 9 Porträts, Abschnitt 8:
Nationale Gesundheitspolitik aus Sicht des Kantons
Nationale Gesundheitspolitik
Schweiz
■
Band 1, Kapitel 4.4, Zusammenarbeit in der Gesundheitspolitik auf Stufe
Bund: Potential für eine nationale Gesundheitspolitik
■
Band 1, Kapitel 5.8, Zusammenarbeit zwischen Kantonen in der Gesundheitspolitik: Potential für eine nationale Gesundheitspolitik
■
Band 1, Kapitel 6.4, Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen in der
Gesundheitspolitik: Neue Ansätze in der Zusammenarbeit auf nationaler
Ebene
■
Band 1, Kapitel 6.5, Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen in der
Gesundheitspolitik: Potential für eine nationale Gesundheitspolitik
■
Band 1, Teil III, Perspektiven zur Entwicklung einer nationalen Gesundheitspolitik: Die Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen verbessern
■
Band 2, Teil IV, Kantonale Gesundheitspolitiken: 9 Porträts, Abschnitt 7:
Potential für eine nationale Gesundheitspolitik
196
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Schlüsselbegriffe<
Nationale Gesundheitspolitik
Schweiz (Fortsetzung)
■
Patientenrechte
■
Referenzrahmen
Teil
I
Band 2, Teil IV, Kantonale Gesundheitspolitiken: 9 Porträts, Abschnitt 8:
Nationale Gesundheitspolitik aus Sicht des Kantons
Band 1, Teil III, Perspektiven zur Entwicklung einer nationalen Gesundheitspolitik: Gesundheitsinformation und Gesundheitsbildung fördern
Band 2, Teil IV, Kantonale Gesundheitspolitiken: 9 Porträts, Abschnitt 5:
Zusammenarbeit
■
Teil
II
Gesundheitsversorgung
Politik der Prävention
und Gesundheitsförderung
in der Schweiz
■
Band 1, Kapitel 2.1, Vier Merkmale des schweizerischen Gesundheits­
systems: Dominanz der kurativen Medizin
■
Band 1, Kapitel 5.6, Zusammenarbeit zwischen Kantonen in der Gesundheitspolitik: Themenzentrierte Zusammenarbeit
■
Band 1, Kapitel 6.3, Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen in der
Gesundheitspolitik: Themenzentrierte Zusammenarbeit
■
Band 1, Teil III, Perspektiven zur Entwicklung einer nationalen Gesundheitspolitik: Das ganzheitliche und multisektorale Verständnis von Gesund-
Teil
III
Prämienverbilligung
■
Perspektiven
heit stärken
Band 1, Kapitel 2.4, Vier Merkmale des schweizerischen Gesundheits­
systems: Begrenzung des liberalen Systems durch sozialstaatliche Einflüsse
■
Band 2, Teil IV, Kantonale Gesundheitspolitiken: 9 Porträts, Abschnitt 5:
Gesundheitsversorgung
■
Band 2, Teil V, Porträt der Gesundheitspolitik des Bundes, Abschnitt 3:
Gesundheitsversorgung
Programme auf dem Gebiet
der Gesundheitsförderung
und Prävention –
Beispiele aus 9 Kantonen
■
www.bag.admin.ch: Statistik der obligatorischen Krankenversicherung 2003
■
Band 1, Kapitel 5.6, Zusammenarbeit der Kantone in der Gesundheits­politik:
Themenzentrierte Zusammenarbeit
■
Band 1, Kapitel 6.3, Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen in der
Gesundheitspolitik: Themenzentrierte Zusammenarbeit
■
Band 2, Teil IV, Kantonale Gesundheitspolitiken: 9 Porträts, Abschnitt 4:
Gesundheitsförderung und Prävention
Programme auf dem
Gebiet der Prävention, des
Gesundheitsschutzes und der
Gesundheitsförderung auf
Bundesebene
■
Psychische Gesundheit
■
Band 2, Teil V, Porträt der Gesundheitspolitik des Bundes, Abschnitt 2:
Gesundheitsschutz: Beschreibung der Programme in alphabethischer
­Reihenfolge
Band 1, Kapitel 6.3, Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen in der
Gesundheitspolitik: Themenzentrierte Zusammenarbeit
■
Band 1, Kapitel 6.4, Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen in der
Gesundheitspolitik: Neue Ansätze in der Zusammenarbeit auf nationaler
Ebene
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Schlüsselbegriffe
197
Referenzrahmen
Teil
I
Psychische Gesundheit
■
(Fortsetzung)
Zusammenarbeit
Teil
II
Band 2, Teil IV, Kantonale Gesundheitspolitiken: 9 Porträts, Abschnitt 4:
Gesundheitsförderung und Prävention und Abschnitt 5: Gesundheitsversorgung
■
Band 2, Teil V, Porträt der Gesundheitspolitik des Bundes, Abschnitt 2:
■
www.bag.admin.ch: Themen/Gesundheitspolitik/Psychische Gesundheit
Qualitätssicherung in der
Gesundheitsversorgung
■
Band 2, Teil IV, Kantonale Gesundheitspolitiken: 9 Porträts, Abschnitt 5:
Spitzenmedizin
■
Gesundheitsschutz
Gesundheitsversorgung
Band 1, Kapitel 5.4, Zusammenarbeit zwischen Kantonen in der Gesundheitspolitik: Organisierte Zusammenarbeit auf schweizerischer Ebene
■
Teil
III
Gesundheitspolitik: Neue Ansätze in der Zusammenarbeit auf nationaler
Ebene
■
www.gdk-cds.ch: Gesundheitsversorgung
■
Band 2, Teil IV, Kantonale Gesundheitspolitiken: 9 Porträts, Abschnitt 5:
■
www.bfs.admin.ch: Krankenhausstatistik, Statistik der sozialmedizinischen
■
www.gdk-cds.ch: Gesundheitsversorgung, Gesundheitsökonomie
Vereinbarungen
im Bereich Gesundheit
zwischen Kantonen
■
Band 1, Kapitel 5, Zusammenarbeit der Kantone in der Gesundheitspolitik:
Vereinbarungen im Bereich
Gesundheit zwischen Bund
und Kantonen
■
Vereinbarungen im Bereich
Gesundheit – International
■
Versorgungsnetze –
Beispiele aus 9 Kantonen
■
Stationäre Versorgungs­
angebote
Perspektiven
Band 1, Kapitel 6.4, Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen in der
Gesundheitsversorgung
Institutionen
Anhang Interkantonale Vereinbarungen im Sektor Gesundheit
Band 1, Kapitel 6.2, Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen
in der Gesundheitspolitik: Instrumente der Zusammenarbeit zwischen Bund
und Kantonen
Band 2, Teil V, Porträt der Gesundheitspolitik des Bundes, Abschnitt 7:
Rechtliche Grundlagen und Planungsinstrumente
Band 1, Kapitel 5.6, Zusammenarbeit zwischen Kantonen in der Gesundheitspolitik: Themenzentrierte Zusammenarbeit zwischen Kantonen
■
Band 2, Teil IV, Kantonale Gesundheitspolitiken: 9 Porträts, Abschnitt 5
Gesundheitsversorgung
Zusammenarbeit zwischen
Bundesstellen im Sektor
Gesundheit
■
Band 1, Kapitel 4.3, Zusammenarbeit in der Gesundheitspolitik auf Stufe
Bund: Zusammenarbeit zwischen Bundesstellen
■
Band 1, Teil III, Perspektiven zur Entwicklung einer nationalen Gesundheitspolitik: Die Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen verbessern
198
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Schlüsselbegriffe
■
Band 1, Kapitel 5, Zusammenarbeit der Kantone in der Gesundheitspolitik
■
Band 1, Teil III, Perspektiven zur Entwicklung einer nationalen Gesundheitspolitik: Die Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen verbessern
■
Band 2, Teil IV, Kantonale Gesundheitspolitiken: 9 Porträts, Abschnitte 4
und 5: Beispiele der interkantonalen Zusammenarbeit (Kästchen)
■
Band 1, Kapitel 6, Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen in der
Gesundheitspolitik
■
Band 1, Teil III, Perspektiven zur Entwicklung einer nationalen Gesundheitspolitik: Die Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen verbessern
■
Band 2, Teil IV, Kantonale Gesundheitspolitiken: 9 Porträts, Abschnitt 8:
Nationale Gesundheitspolitik aus Sicht des Kantons
Teil
III
Perspektiven
Zusammenarbeit
zwischen Bund und Kantonen
im Sektor Gesundheit
Teil
II
Zusammenarbeit
Zusammenarbeit
zwischen Kantonen im
Sektor Gesundheit
Referenzrahmen
Teil
I
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Schlüsselbegriffe
199
Referenzrahmen
Teil
I
Verzeichnis der Tabellen
Seite
Zusammenarbeit
Teil
II
Perspektiven
Teil
III
Tabelle 1
Übersicht über kantonale Gesundheitsgesetze, die seit 1998 umfassend revidiert wurden
oder in Revision sind (ohne Spitalgesetze)
21
Tabelle 2
Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen Bund und Kantonen zu Beginn des 20. Jahrhunderts 31
Tabelle 3
Logik der Aufgabenteilung zwischen Bund, Kantonen und ­Gemeinden auf der Basis
des bestehenden Rechts
32
Tabelle 4
Kompetenzen- und Aufgabenverteilung zwischen Bund und Kantonen im Sektor Gesundheit
34
Tabelle 5
Geteilte Finanzierung des Gesundheitssystems durch die öffentliche Hand (2001)
36
Tabelle 6
Quellen der bundesrätlichen Gesamtplanung für den Sektor Gesundheit
56
Tabelle 7
Jahresziele 2005 des Bundesrates: Bilanz für den Sektor Gesundheit 57
Tabelle 8
Gesundheitsrelevante Ziele innerhalb der Bundesverwaltung für das Jahr 2006 60
Tabelle 9
Ständige Plattformen des BAG innerhalb der Bundesverwaltung
66
Tabelle 10
Bundesverwaltung: Überdepartementale Gremien im Sektor Gesundheit
67
Tabelle 11
Systematik der interkantonalen Zusammenarbeit
78
Tabelle 12
Themen der regionalen Gesundheitsdirektoren­konferenzen
79
Tabelle 13
Tätigkeitsgebiete der GDK (2004–2006)
Tabelle 14
Gesundheitsförderung und Prävention in der lateinischen Schweiz im Rahmen der CRASS
Tabelle 15
Kantone: Projekte der Gesundheitsförderung mit finanzieller Beteiligung
der Gesundheitsförderung Schweiz
103
Tabelle 16
Beiträge der Kantone an gesamtschweizerisch tätige Institutionen
106
Tabelle 17
Interkantonale Zusammenarbeit im Spitalsektor 107
Tabelle 18
Schweizerische Gesundheitsbefragung: erhöhter Stichprobenumfang für einige Kantone
108
Tabelle 19
Massnahmen der GDK im Bereich der nicht-universitären Gesundheitsberufe
112
Tabelle 20
Ausbildung in den Gesundheitsberufen: interkantonale Zusammenarbeit in der Deutschschweiz
113
Tabelle 21
Nationale Gesundheitspolitik Schweiz: Unterschiedliche Ausgangssituationen in den Kantonen
und beim Bund
200
97
101
130
Tabelle 22
Vereinbarungen zwischen Bund und Kantonen
132
Tabelle 23
Erwartungen der Kantone an und Themen für eine nationale Gesundheitspolitik (ab 2002)
140
Tabelle 24
Öffentlich-rechtliche Gremien mit Beteiligung des Bundes und der Kantone (Stand: 2004)
144
Tabelle 25
Gesundheitsförderung und Prävention:
Projekte der Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen
146
Tabelle 26
Schnitt- bzw. Reibungsstellen zwischen Bund und Kantonen im KVG
152
Tabelle 27
Verankerung des Sektors Aus- und Weiterbildung in den Gesundheitsberufen
auf den staatspolitischen Ebenen und auf den «Schattenebenen»
156
Tabelle 28
Stationen auf dem Weg hin zu einem kooperativen Föderalismus 160
Tabelle 29
Arbeitstagungen Nationale Gesundheitspolitik Schweiz
161
Tabelle 30
Themen des Dialogs zwischen April 2004 bis Oktober 2005 162
Tabelle 31
Entflechtung der Aufgaben gemäss NFA im Sektor Gesundheit
163
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Verzeichnis der Tabellen
Referenzrahmen
Abkürzungsverzeichnis
Teil
I
Eine Zusammenstellung derjenigen Bundesstellen, die sich mit Aspekten der Gesundheit beschäftigen, befindet sich im
Porträt der Gesundheitspolitik des Bundes (Band 2)
Arbeitsgruppe des Bundes für die nukleare Entsorgung
ALP
Agroscope Liebefeld-Posieux (Eidg. Forschungsanstalt für Nutztiere und Milchwirtschaft)
AOC
Appellation d’Origine Contrôlée
APUG
Aktionsplan Umwelt und Gesundheit
ARAMIS
Informationssystem der Bundesverwaltung über Forschungsprojekte und Entwicklungsvor-
Teil
II
Zusammenarbeit
AGNEB
haben in der Schweiz
Bundesamt für Raumentwicklung
ASTRA
Bundesamt für Strassen
BABS
Bundesamt für Bevölkerungsschutz
BAG
Bundesamt für Gesundheit
BAK
Bundesamt für Kultur
BAKOM
Bundesamt für Kommunikation
BAP
Bundesamt für Polizei
BASPO
Bundesamt für Sport
BBG
Bundesgesetz über die Berufsbildung
BBT
Bundesamt für Berufsbildung und Technologie
BFE
Bundesamt für Energie
BFF
Bundesamt für Flüchtlinge
BFI
Bildung, Forschung und Innovation
BFM
Bundesamt für Migration
BFS
Bundesamt für Statistik
bfu
Beratungsstelle für Unfallverhütung
BJ
Bundesamt für Justiz
BLW
Bundesamt für Landwirtschaft
BPUK
Schweizerische Bau-, Planungs- und Umweltschutzdirektorenkonferenz
BSE
Bovine spongiforme Enzephalopathie
BSV
Bundesamt für Sozialversicherung
BTMG
Bundesgesetz über die Betäubungsmittel und die psychotropen Stoffe
BV
Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft
BVET
Bundesamt für Veteriärwesen
BWG
Bundesamt für Wasser und Geologie
BWO
Bundesamt für Wohnungswesen
CertEMS
Zertifikat betreffend die Sicherstellung der Qualität in Alters- und Pflegeheimen
CGSO
Konferenz der Regierungen der Westschweiz (conférence des gouvernements de Suisse
Teil
III
Perspektiven
ARE
occidentale)
CICOMS
Interkantonale Kommission «Konzentration der hochspezialisierten Medizin»
CRASS
Die Gesundheits- und Sozialdirektorenkonferenz der Romandie (Conférence romande des
affaires sanitaires et sociales)
CRTPS
Konferenz der Westschweizer Kantone und des Tessins über Gesundheitsberufe
(Conférence romande et tessinoise des professions de la santé)
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Abkürzungen
201
Referenzrahmen
Teil
I
Zusammenarbeit
Teil
II
Perspektiven
Teil
III
CTJ
Transjurassische Konferenz
DEZA
Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit
DiPPS
Fachstelle für Prävention und Gesundheitsförderung (DiPPS) der Kantone der Westschweiz
und des Kantons Tessin
DRG
Diagnosis Related Groups
DSSV
Drogenplattform des Schweizerischen Städteverbandes
EAK
Eidgenössische Kommission für Alkoholfragen
EAV
Eidgenössische Alkoholverwaltung
EDA
Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten
EDI
Eidgenössisches Departement des Innern
EDK
Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren
EFD
Eidgenössische Finanzdirektion
EJPD
Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement
EKA
Eidgenössische Ausländerkommission
EKAS
Eidgenössische Koordinationskommission für Arbeitssicherheit
EKDF
Eidgenössische Kommission für Drogenfragen
EOR-LAR
Einsatzorganisation Radioaktivität – Leitender Ausschuss Radioaktivität
ERFA BIO
Interkantonale Erfahrungsaustauschgruppe von Fachstellen im Bereich der Bio- und Gentechnologie
ETH
Eidgenössische Technische Hochschule
EU
Europäische Union
EVD
Eidgenössisches Volkswirtschaftsdepartement
EuRefKa
Arbeitsgruppe der KdK: Europa-Reformen der Kantone
FASD
Fachstelle für Schadensminderung im Drogenbereich
FCTC
Framework Convention on Tobacco Control / Rahmenübereinkommen der WHO zur Eindämmung des Tabakgebrauchs
FDK
Konferenz der kantonalen Finanzdirektoren
FH
Fachhochschule
FH-GS
Fachhochschule Westschweiz für Gesundheit und Soziale Arbeit
FiLAG
Bundesgesetz über den Finanz- und Lastenausgleich
FiSu-Modell des Bundes
Leistungsbezogenes Finanzierungssystem der Suchttherapie
FLAG
Führen mit Leistungsauftrag und Globalbudget
FMH
Schweizerische Ärzteorganisation: Föderatio Medicorum Helveticorum – Verbindung der
Schweizer Ärztinnen und Ärzte
FMPG
Bundesgesetz betreffend die Freizügigkeit des Medizinalpersonals in der Schweizerischen
Eidgenossenschaft
GDK
Schweizerische Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren
GDK-NWCH
Nordwestschweizer Gesundheitsdirektorenkonferenz
GDK-Ost
Gesundheitsdirektorenkonferenz der Ostschweizer Kantone und des Fürstentums Liechtenstein
202
BAFU
Bundesamt für Umwelt
GEVER ÜDP
Projekt der Bundesverwaltung «Geschäftsverwaltung Überdepartementale Prozesse»
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Abkürzungen
GLAS
Referenzrahmen
Teil
I
Gruppe der Vorsteher der kantonalen Sozialversicherungen (Groupement latin des assurances sociales)
Westschweizer Studiengruppe über Alkohol- und Drogenabhängigkeiten (Groupement
­Romand d’Etudes sur l’Alcoolisme et les Toxicomanies)
GRSP
Gruppe der Vorsteher der kantonalen Gesundheitsämter (Groupement des Services de santé
publique des cantons romands, de Berne et du Tessin)
GS-EDI
Generalsekretariat des Eidgenössischen Departement des Innern
H+
Verband der Spitäler der Schweiz
Health Impact
Gesundheitsverträglichkeitsprüfung
Teil
II
Zusammenarbeit
GREAT
­assessment
HES-S2
Haute école santé-social de Suisse romande (Fachhochschule Westschweiz für Gesundheit
und soziale Arbeit)
Höhere Fachschule
HFG
Höhere Fachschule Gesundheit
HIV
Human Immuno-deficiency Virus
HPH
Health Promoting Hospitals
HTL
Höhere Technische Lehranstalt
HWV
Höhere Wirtschafts- und Verwaltungsschule
IBK
Internationale Bodensee Konferenz
IDA FiSo
Interdepartementale Arbeitsgruppe «Finanzierungsperspektiven der Sozialversicherungen»
IDA ForAlt
Interdepartementale Arbeitsgruppe «Forschungsprogramm Altersvorsorge»
IDA IG
Interdepartementaler Ausschuss «Informationsgesellschaft»
IDAD
Interdepartementale Arbeitsgruppe «Drogen»
IDANE
Interdepartementaler Ausschuss «Nachhaltige Entwicklung»
IDARio
Interdepartementaler Ausschuss «Rio»
IDHEAP
Institut de hautes études en administration publique
IfG
Schweizerisches Institut für das Gesundheitswesen
IGE
Eidgenössisches Institut für Geistiges Eigentum
IGP
Indication Géographique Protégée
INKA
Interkantonales Projekt «Betriebliche Gesundheitsförderung»
IPV
Influenza-Pandemieverordnung
IRV
Interkantonale Rahmenvereinbarung (für die interkantonale Zusammenarbeit mit Lastenaus-
Teil
III
Perspektiven
HF
gleich)
ISPM
Institut für Sozial- und Präventivmedizin
IV
Invalidenversicherung
IVKKM
Interkantonale Vereinbarung über die Koordination und Konzentration der hochspezialisierten Medizin
IVKM
Interkantonale Vereinbarung für die Kontrolle der Heilmittel
IVSE
Interkantonale Vereinbarung für Soziale Einrichtungen
KAAP
Kantonale Alkoholaktionspläne
KAV
Kantonsapothekervereinigung
KdK
Konferenz der Kantonsregierungen
KDS
Koordinations- und Dienstleistungsplattform Drogen Schweiz
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Abkürzungen
203
Referenzrahmen
Teil
I
Zusammenarbeit
Teil
II
Perspektiven
Teil
III
KIQ
Nationale Koordinations- und Informationsstelle für Qualitätsförderung H+/santésuisse
KKBS
Konferenz der Kantonalen Beauftragten für Suchtfragen
KKJPD
Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren
KORSTAT
Konferenz Statistischer Ämter der Schweiz
KOSTE
Schweizerische Koordinationsstelle für stationäre Therapieangebote im Drogenbereich
KSD
Koordinierter Sanitätsdienst
KUV
Kranken- und Unfallversicherung
KVG
Bundesgesetz über die Krankenversicherung
LSV
Lärmschutz-Verordnung
MaPaDro
Massnahmenpaket Drogen
MedBG
Bundesgesetz über die universitären Medizinalberufe
MV
Militärversicherung
NAAP
Nationaler Alkoholaktionsplan
NDA
Nationaler Drogenausschuss
NFA
Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen
NGO
Non Govermental Organisations, Nicht-Regierungsorganisationen
NPPA
Nationales Präventionsprogramm Alkohol
NWRK
Regionalkonferenz der Regierungen der Nordwestschweiz
Obsan
Schweizerisches Gesundheitsobservatoriums
OdA Gesundheit
Organisation der Arbeitswelt Gesundheit
OECD
Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
ORK
Ostschweizer Regierungskonferenz
OV-EDI
Organisationsverordnung für das Eidgenössische Departement des Innern
OZD
Oberzolldirektion
ParlG
Bundesgesetz über die Bundesversammlung (Parlamentsgesetz)
PIPADES
Programm zur Unfallverhütung zu Hause bei Kindern im Alter zwischen 0 und 5 Jahren
PVK
Parlamentarische Verwaltungskontrolle
RFA
Regulierungsfolgenabschätzung
RKGK
Regierungskonferenz der Gebirgskantone
RTVG
Bundesgesetz über Radio und Fernsehen
RVOG
Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetz
Santésuisse
Branchenverband der schweizerischen Krankenversicherer (ehemals «Konkordat der
Schweizerischen Krankenkassen», KSK)»
204
SARS
Severe Acute Respiratory Syndrom
SAV
Schweizerischer Apothekerverband
SBBK
Schweizerischen Konferenz der kantonalen Berufsbildungsämter
SBF
Staatssekretariat für Bildung und Forschung
SBK
Schweizer Berufsverband der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner
SECO
Staatssekretariat für Wirtschaft
SFA
Schweizerische Fachstelle für Alkohol- und andere Drogenprobleme
SKBS
Städtische Konferenz der Beauftragten für Suchtfragen
SNF
Schweizerischer Nationalfonds
SODK
Konferenz der kantonalen Sozialdirektoren und Sozialdirektorinnen
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Abkürzungen
Schweizerisches Rotes Kreuz
SSV
Schweizerischer Städteverband
SUK
Schweizerische Universitätskonferenz
SUVA
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt
SVV
Schweizerischer Versicherungsverband
SwissDRG
Schweizerisches Entgeltmodell für Spitäler nach Diagnosis Related Groups
Swissmedic
Schweizerisches Heilmittelinstitut
TAK
Tripartite Agglomerationskonferenz
TARMED
Einzelleistungstarif für in der Schweiz erbrachte ambulante ärztliche Leistungen im Spital
Teil
II
Zusammenarbeit
SRK
Referenzrahmen
Teil
I
und in der freien Praxis
UFG
Bundesgesetz über die Förderung der Universitäten und über die Zusammenarbeit im Hochschulbereich (Universitätsförderungsgesetz)
Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation
UVG
Bundesgsetz über die Unfallversicherung
VBGF
Vereinigung der kantonalen Beauftragten für Gesundheitsförderung in der Schweiz
VBS
Eidgenössisches Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport
VKS
Vereinigung der Kantonsärztinnen und Kantonsärzten der Schweiz
VNS
Vereinigung Nordwestschweizer Spitäler
VSPB
Verband Schweizerischer Polizeibeamter
WHO
Weltgesundheitsorganisation / World Health Organisation
ZAP
Zentralschweizer Arbeitsgruppe Prävention
ZFG
Zentralschweizer Fachgruppe Gesundheit
ZFS
Zentralschweizer Fachgruppe Soziales
ZGSDK
Gesundheits- und Sozialdirektorenkonferenz der Zentralschweiz
ZIGG
Zentralschweizer Interessengemeinschaft Gesundheitsberufe
ZRK
Zentralschweizer Regierungskonferenz
ZUPO
KDS-Arbeitsgruppe «Zusammenarbeit zwischen Polizei und Sozialarbeit»
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Abkürzungen
Teil
III
Perspektiven
UVEK
205
Referenzrahmen
Teil
I
Zusammenarbeit
Teil
II
Perspektiven
Teil
III
206
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven
Referenzrahmen
Teil
I
Zusammenarbeit
Teil
II
Perspektiven
Teil
III
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven
207
Referenzrahmen
Teil
I
Zusammenarbeit
Teil
II
Perspektiven
Teil
III
208
Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven
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