Wally Achtermann | Christel Berset Gesundheitspolitiken in der Schweiz – Potential für eine nationale Gesundheitspolitik Band 1 | Analyse und Perspektiven © Bundesamt für Gesundheit (BAG), 2006 Text Wally Achtermann und Christel Berset Projektleitung Philippe Lehmann Geschäftsstelle des Bundes für die Nationale Gesundheitspolitik Schweiz (BAG) www.bag.admin.ch Diese Publikation ist ebenfalls in französischer Sprache erhältlich. Cette publication paraît également en français. Vertrieb Bundesamt für Bauten und Logistik (BBL) Verkauf Bundespublikationen, CH-3003 Bern BBL-Art.-Nr.: 311.600.d (Band 1) BBL-Art.-Nr.: 311.601.d (Band 2) www.bbl.admin.ch/bundespublikationen ISBN 3-905235-54-4 (Band 1) Gedruckt auf chlorfreiem Papier BAG GP 5.06 1200 d 500 f 30EXT06003 138628 Teil I Referenzrahmen Inhalt Band 1 Gesundheitspolitiken in der Schweiz – Potential für eine nationale Gesundheitspolitik Band 1 | Analyse und Perspektiven Vorwort 6 Vorbemerkungen der Autorinnen 7 Einführung 9 Nationale Gesundheitspolitik Schweiz: Versuch einer Begriffsklärung 13 Zusammenarbeit Teil II Teil III Einleitung 16 Kapitel 1 | Bisherige Erfolge und neue Herausforderungen 17 1.1 Ein leistungsfähiges Gesundheitssystem 17 1.2 Neue Herausforderungen und notwendige Veränderungen 18 Kapitel 2 | Vier Merkmale des schweizerischen Gesundheitssystems 20 2.1 Die beherrschende Stellung der kurativen Medizin 20 2.2 Föderalismus und Subsidiaritätsprinzip 29 2.3 Ein liberales System 38 2.4 Der sozialstaatliche Einfluss 41 Kapitel 3 | Stärken und Schwächen des gegenwärtigen Systems 44 3.1Die beherrschende Stellung der kurativen Medizin 44 3.2 Föderalismus und Subsidiaritätsprinzip 44 3.3Liberale und sozialstaatliche ­Einflüsse 46 Schluss 48 Teil II | Zusammenarbeit in der Gesundheitspolitik Einleitung 52 Kapitel 4 | Zusammenarbeit in der Gesundheitspolitik auf Stufe Bund 54 4.1 Ausgangslage 54 4.2 Bundesrätliche Gesamtplanung 54 Perspektiven Teil I | Gesundheitssystem Schweiz: Referenzrahmen Referenzrahmen Teil I Zusammenarbeit Teil II Perspektiven Teil III 4.3 Zusammenarbeit zwischen Bundesstellen 59 4.4 Potential für eine nationale Gesundheitspolitik 69 Anhang: Gesundheitsthemen innerhalb der Bundesverwaltung: Zuständigkeiten 72 Kapitel 5 | Zusammenarbeit der Kantone in der Gesundheitspolitik 73 5.1 Ausgangslage 73 5.2 Auslöser der interkantonalen Zusammenarbeit 74 5.3 Vertragliche Zusammenarbeit zwischen den Kantonen 75 5.4 Organisierte Zusammenarbeit auf regionaler Ebene 77 5.5 Organisierte Zusammenarbeit auf schweizerischer Ebene 93 5.6 Themenzentrierte Zusammen­arbeit zwischen Kantonen 100 5.7 Zusammenfassung 114 5.8 Potential für eine nationale ­Gesundheitspolitik 120 Anhang: Interkantonale Vereinbarungen im Sektor Gesundheit 122 Kapitel 6 | Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen 129 6.1 Ausgangslage 129 6.2 Instrumente der Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen 130 6.3 Themenzentrierte Schnittstellen Bund–Kantone 138 6.4 Neue Ansätze in der Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen 159 6.5 Potential für eine nationale Gesundheitspolitik 168 Anhang: Erwartungen, Ziele und Themen der beiden staats­politischen Akteure Bund und Kantone im Bereich Gesundheit 171 Teil III | Perspektiven zur Entwicklung einer nationalen Gesundheitspolitik Einleitung 178 Vier Voraussetzungen für eine nationale Gesundheitspolitik 178 Kultur der Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen 180 Wissensbasierte Gesundheitspolitiken 183 Stärkung des ganzheitlichen und multisektoralen Ansatzes in der Gesundheitspolitik 185 Gesundheitsinformation und Gesundheitsbildung 189 Bibliographie 191 Register nach Schlüsselbegriffen 193 Verzeichnis der Tabellen 200 Abkürzungsverzeichnis 201 Band 2 | 10 Porträts Einleitung Teil IV | Kantonale Gesundheitspolitiken: 9 Porträts Teil II Zusammenarbeit Band 2 Gesundheitspolitiken in der Schweiz – Potential für eine nationale Gesundheitspolitik Referenzrahmen Teil I Bern (BE) Basel-Landschaft (BL) Freiburg (FR) Genf (GE) Teil III Thurgau (TG) Waadt (VD) Wallis (VS) Zug (ZG) Teil V | Porträt der Gesundheitspolitik des Bundes Perspektiven Uri (UR) Teil I Referenzrahmen Vorwort Umfragen zeigen, dass sich die Bevölkerung in der Schweiz mehrheitlich gesund fühlt. Im internationalen Vergleich schneidet unser Gesundheitssystem sehr gut ab. Und doch beherrscht seit Jahren das Gesundheitssystem und seine Kosten die öffentliche Diskussion. Teil II Der Bericht «Gesundheitspolitiken in der Schweiz – Potential für eine nationale Gesundheitspolitik» setzt bewusst nicht hier an. In diesem Bericht geht es um etwas grundlegend anderes. Es geht darum, inmitten der Komplexität des Sys­ Zusammenarbeit tems, inmitten der Vielfalt divergierender Meinungen und Interessen, den Reichtum und die Innovationskraft der Gesundheitspolitiken in den Kantonen und auf Bundesebene zu dokumentieren und Wege hin zu einer politischen Kultur der Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen zu zeichnen. Mit anderen Worten, es geht darum, das Potential des schweizerischen Föderalismus für eine nationale Gesundheitspolitik aufzuzeigen. Gefordert in einem solchen Prozess sind in erster Linie wir, die Regierungsvertreter auf kantonaler und eidgenössischer Ebene. Zwar bekundet die Schweiz noch Mühe, «national» zu denken: Der Bund denkt und handelt vorwiegend «eidgenössisch», die Kantone im Rahmen ihrer Kompetenzen «kantonal». Es gilt jedoch, die Chancen des Föderalismus zu Teil III nutzen und gleichzeitig seine Schwächen abzubauen. Konkret bedeutet dies, dass wir eine bessere politische Steuerung – will heissen – eine Priorisierung gesundheitspolitischer Ziele und Strategien sowie eine bessere Koordination der Massnahmen auf nationaler Ebene – längerfristig nur gemeinsam erreichen können. Perspektiven Der vorliegende Bericht leistet hier einen besonderen Beitrag. Er gibt erstmals in dieser Form einen Überblick über die bestehenden gesundheitspolitischen Perspektiven, Strategien, Projekte und Strukturen auf Stufe Bund und Kantone. Damit erfüllt er ein wichtiges Anliegen, dass Bund und Kantone im Rahmen des ehemaligen Projekts Nationale Gesundheitspolitik Schweiz formuliert haben – eine Übersicht über das Gesundheitssystem Schweiz zu gewinnen. Die Entstehungsgeschichte dieses Berichts zeigt darüber hinaus, dass die Fachleute der öffentlichen Verwaltungen auf Stufe Bund und Kantone nicht nur bereit waren, Wissen zu teilen, sondern auch daran interessiert sind, die Strategien anderer Akteure kennen zu lernen und zu verstehen. Damit trägt er zu einem besseren Verständnis der Partner untereinander bei. An uns ist es nun, die nationale Route weiterzuverfolgen und den gesundheitspolitischen Dialog zu vertiefen. Wir sind überzeugt, dass wir gemeinsam weitere Etappenziele hin zu einer nationalen Gesundheitspolitik erreichen werden und freuen uns auf diese Zusammenarbeit. Thomas Zeltner Direktor des Bundesamts für Gesundheit Markus Dürr Präsident der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Gesundheits­direktorinnen und -direktoren, Regierungsrat des Kantons Luzern Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Vorwort Teil I Referenzrahmen Vorbemerkungen der Autorinnen Der Bericht «Gesundheitspolitiken in der Schweiz – Potential für eine nationale Politik» gleicht einer Bestandesauf­ nahme, einem Montoring: Er beschreibt eine Auswahl von Gesundheitspolitiken, wie sie in den Kantonen, auf interkantonaler Ebene und beim Bund entwickelt und umgesetzt werden. Die Arbeiten zu dieser Bestandesaufnahme begannen Teil II im Jahr 2003 im Rahmen des Projekts «Nationale Gesundheitspolitik Schweiz» (NGP). Den Arbeiten lag der Auftrag der Projektleitung zu Grunde, das vorhandene, aber verstreute Wissen der Regierungsvertreter/innen und Behörden in der Schweiz über bestehende gesundheitspolitische Ziele, Strategien und Massnahmen zu dokumentieren und dadurch zu Zusammenarbeit einer Gesamtsicht über das Gesundheitssystem beizutragen. Die Vielzahl und die Vielfalt der Gesundheitspolitiken in der Schweiz entpuppten sich bei den Recherchen zu diesem Bericht als aufwändig, ebenso der Anspruch, ein einheitliches Raster für die Darstellung der Gesundheitspolitiken zu entwerfen. Entstanden ist schliesslich eine Publikation, die erstmals in strukturierter und kondensierter Form vor allem die Stärken der bestehenden Gesundheitspolitiken der Kantone und des Bundes und deren Potential für eine nationale Gesundheitspolitik in der föderalen Schweiz aufzeigt. Damit bietet der Bericht nicht nur den an gesundheitspolitischen Fragestellungen interessierten Fachleuten eine Fülle bis jetzt kaum dokumentierter Informationen, sondern er soll den Teil III politischen Entscheidungsträgern Orientierung bei der Weiterentwicklung einer nationalen Gesundheitspolitik sein. Die vorliegende Publikation versteht sich als Ergänzung zu bereits bestehenden Werken über das schweizerische Gesundheitssystem wie dasjenige von Gerhard Kocher und Willy Oggier «Gesundheitswesen Schweiz 2004–2006 – eine Perspektiven aktuelle Übersicht», das Handbuch «Sozial- und Präventivmedizin – Public Health» von Felix Gutzwiller und Olivier Jeanneret oder der Länderbericht über die Leistungsfähigkeit des schweizerischen Gesundheitssystems, der gegenwärtig von der OECD und der WHO erstellt wird. Wir wünschen uns, dass das mit diesem Bericht begonnene Monitoring bestehender gesundheitspolitischer Ziele, Strategien und Massnahmen fortgesetzt wird. Dabei zählen wir auf die Leserinnen und Leser dieses Berichts. An ihnen ist es, in Zusammenarbeit mit kantonalen, interkantonalen und eidgenössischen Gremien das hier präsentierte gesundheits­ politische Wissen zu aktualisieren und mit Blick auf eine nationale Gesundheitspolitik auszuwerten. Wenn es gelingt, einen solchen Prozess des systematischen Wissenstransfers zu konkretisieren, wäre das Ziel dieses Berichts zu einem grossen Teil erreicht. Wally Achtermann und Christel Berset Bern, im Mai 2006 2. Auflage 2004, Verlag Hans Huber, Bern. Verlag Hans Huber Bern, 1999 (Neuauflage 2006). Erscheint im Herbst 2006. Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Vorbemerkungen Autorinnen Referenzrahmen Teil I Zusammenarbeit Teil II Dank Weitere Bundesstellen Wir bedanken uns bei all jenen, die dieses Projekt beglei- Borloz Nadia (Bundesamt für Statistik), Caretti Brigitte tet haben, insbesondere bei den Vertreterinnen und Ver- (Generalsekretariat EDI), Meier Barbara (Bundesamt für tretern der Kantone und des Bundes, die mit ihrer Zeit Sport), Meyer Katharina (Obsan), Meyer Peter C. (Ob- und ihrem Wissen wesentlich zur Entstehung dieses Be- san), Nietlisbach André (Bundeskanzlei), Rossel Ray- richts beigetragen haben. Danken möchten wir auch der mond (Bundesamt für Statistik), Weiss Joseph (Staatsse- Geschäftsstelle des Bundes für die Nationale Gesund- kretariat für Wirtschaft seco), Weiss Walter (Bundesamt heitspolitik (BAG), die diesen Bericht finanziert hat. für Statistik) Und ausserdem Unser Dank gilt insbesondere folgenden Fachleuten: Bochsler Daniel (IDHEAP), Dietrich Nicolas (Coste), Froidevaux Pascal (Gesundheitsförderung Schweiz), Perspektiven Teil III Kantone Herzmann Ruth (Korrekturlesen), Ita Mark (Itaconsult), BE: Bachmann Nicole, Bhend Samuel, Fassbind Jürg Kaufmann Markus (Public Health Schweiz), Sciarini BL: Baumann Giorgio, Furrer Rosmarie, Renz Irène Pascal (IDHEAP), Sprumont Dominique (Institut für FR: Del Curto Petra, Demierre Gérard, Zurich Patrice Gesundheitsrecht), Wettstein Felix (Fachhochschule GE: Debeney Elisabeth, Mino Annie, Robert Claude-Fran- Nordwestschweiz), Wangler Martin (Schweizerisches Chi- çois, Simos Jean ropraktik-Institut), Wiesli Reto (Fachstelle für Gesund- TG: Baumberger Jürg, Eberle Roland, Muggli Alfred, Wei- heitspolitik) lenmann Jakob, Vollenweider Irene UR: Hartmann Roland, Planzer Beat, Stadler Markus VD: Diserens Marc, Mercier Vlasta, Tinturier Gérald VS: König Damian, Marty-Tschumy Elisabeth ZG: Aeschlimann Richard, Pfister Thomas, Schwarz Andreas GDK: Oertle Bürki Cornelia, Unternährer Roland, Wyss Franz Regionalkonferenzen der GDK: Scheuber Andreas, Schwarz Heinrich, Weiss Rolf KdK: Braun Canisius, Minger Thomas Bundesamt für Gesundheit Affolter Christian, Allemann Patrick, Bandi Till, Barth Anne-Rose, Blatter Jürg, Bruggmann Liliane, Charrière Roland, Chenaux Florence, Chopard Caroline, Elmiger Marlen, Gasser Catherine, Guye Christophe, Graser Monika, Gurtner Sabine, Hässig Angelika, Häuselmann Heidi, Hertig Christina, Hodel Maria, Jan Markus, Keller Elvira, Kopp Christine, Läubli Marlène, Lehmann Philippe, Lévy Anne, Lüthy Jürg, Meier Claudia, Monnard Anne Lise, Moser Brigitte, Plancherel Fabienne, Rabiolo Angelo, Raeber Pierre-Alain, Ricka-Heidelberger Regula, Roth Heinz, Sandoz Yves, Schneider Sandra, Sottas Beat, Silberschmidt Gaudenz, Spang Thomas, Stamm René, Stutz Therese, Ulrich Ursula, Vallat Philippe, von Greyerz Salome, Zobrist Stephanie Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Vorbemerkungen Autorinnen Teil I ■ gegenwärtige gesundheitspolitische Prioritäten der ■ Erwartungen der Kantone gegenüber dem Ständigen 10 Jahren im Rampenlicht politischer Diskussionen. Die kritischen Voten zielen alle in eine ähnliche Richtung: Kantone; Das System sei zu teuer und auf nationaler Ebene schwer Dialog zur Nationalen Gesundheitspolitik, gegenüber steuerbar; die getätigten Investitionen führten nicht zu dem Schweizerischen Gesundheitsobservatorium und einem besseren Gesundheitszustand der Bevölkerung; das System halte für die neuen gesellschaftlichen Heraus- Teil II gegenüber dem Bundesamt für Gesundheit; ■ Bedürfnisse der Kantone bezüglich eines schweizwei- forderungen wie die Überalterung der Bevölkerung und ten Wissensmanagements auf dem Gebiet der gesund- die Zunahme chronischer Erkrankungen keine Antworten heitspolitischen Strategien. Zusammenarbeit Das Gesundheitssystem in der Schweiz steht seit rund Referenzrahmen Einführung bereit. Fragestellung und Methodik dessen Innovationsfähigkeit zu stärken, haben verschie- Ausgehend von diesem Mandat stehen die folgenden zwei dene politische Akteure Reformen vorgeschlagen, darun- Fragen im Zentrum des Berichts: ter: eine stärkere Position für die Krankenversicherer; 1)Welche bestehenden gesundheitspolitischen Struk- mehr Wettbewerb unter den Leistungserbringern; ein turen, Perspektiven, Strategien und Projekte können Wechsel vom Paradigma der kurativen Medizin zur Ge- zur Entwicklung regionaler und nationaler Gesund- sundheitsförderung; regionale Steuerung; Ausdehnung heitspolitiken in der Schweiz beitragen? der Bundeskompetenzen; Verpflichtung der Kantone zur 2)Welche bestehenden gesundheitspolitischen Ansätze Zusammenarbeit; Formulierung von Gesundheitszielen; können die Gesundheit der Bevölkerung in der Schweiz nationale Steuerung über konzertierte Aktionen zwischen stärken und die Qualität der Gesundheitsversorgung Bund und Kantonen; ein neuer Verfassungsartikel zu Ge- erhöhen? Teil III Perspektiven Um die Koordination und Kohärenz des Systems sowie sundheit. Kantone und Bund ihrerseits haben ebenfalls neue An­ Der Bericht «Gesundheitspolitiken in der Schweiz – Po- sätze ins Auge gefasst. 1998 lancierten das Eidgenössische tential für eine nationale Gesundheitspolitik» versucht in Departement des Innern (EDI) und die Schweizerische zwei Bänden, sich diesen Fragen anzunähern. Dabei geht Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und der Bericht von der Annahme aus, dass sich eine nationale -direktoren (GDK) das Projekt «Nationale Gesundheits- Gesundheitspolitik in der Schweiz nur in einem föderalen politik Schweiz» (NGP). Im Rahmen dieses Projekts wur- Kontext entwickeln kann. de von den Mitgliedern der Steuerungsgruppe der Wunsch Zur Beantwortung von Frage 1 rückt der Bericht daher nach einer Übersicht über die 27 Gesundheitspolitiken der zum einen die bestehenden Gesundheitspolitiken der Kan- Schweiz laut. Dieser Wunsch gab im Jahr 2003 den An- tone und die Gesundheitspolitik des Bundes ins Zentrum stoss zum vorliegenden Bericht «Gesundheitspolitiken in (Band 2). Zum zweiten konzentriert sich der Bericht auf der Schweiz – Potential für eine nationale Gesundheitspo- die horizontale und vertikale Zusammenarbeit zwischen litik». Die Redaktionsarbeit wurde Wally Achtermann und Bund und Kantonen als eine Möglichkeit, mehr Koordina- Christel Berset unter der Leitung von Philippe Lehmann tion und Kohärenz unter den bestehenden Gesundheits- (alle Bundesamt für Gesundheit) übertragen. politiken zu erzielen (Band 1). Schliesslich werden insbesondere im Rahmen der Kantonsporträts die Erwartungen Mandat einiger Kantone an eine nationale Gesundheitspolitik do- Gemäss dem Mandat geht es um einen Überblick über fol- kumentiert sowie Perspektiven für die Entwicklung einer gende Themen: nationalen Gesundheitspolitik formuliert. ■ Stand der gesundheitspolitischen Reformen und Stra- Zur Beantwortung von Frage 2 geht der Bericht von der tegien in den Kantonen, unter anderem zu den Themen Annahme aus, dass in der gegenwärtigen Situation nicht psychische Gesundheit, Krebs und Alterung der Bevöl- der Ausbau der kurativen Medizin, sondern die Stärkung kerung; der Gesundheitsförderung und Prävention zu mehr Le- ■ Stand der Zusammenarbeit zwischen den Kantonen; bensqualität führt, welche den Gesundheitszustand der ■ Stand der Zusammenarbeit zwischen Kantonen und Bevölkerung erhöht. Daher rückt der Bericht die Gesund- Bund; heitsförderung und Prävention ins Zentrum und präsenBand 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Einführung Referenzrahmen Teil I Zusammenarbeit Teil II tiert sie zusammen mit der kurativen Medizin als zentrale pertise) sind historische und aktuelle Übersichten über Pfeiler der kantonalen Gesundheitspolitiken. die kantonalen, interkantonalen und eidgenössischen Da es nicht möglich war, alle 27 Gesundheitspolitiken in Gesundheitspolitiken in der Schweiz möglich. Die Über- der Schweiz darzustellen, musste eine Auswahl getroffen sichten enthüllen die Vielfalt, aber auch die Gemeinsam- werden. Der Bericht präsentiert die Gesundheitspolitiken keiten und die Kohärenz der Gesundheitspolitiken sowie von neun Kantonen (BE, BL, FR, GE, TG, VD, VS, UR und deren Reichtum und Innovationskraft. Damit stellen Über- ZG) sowie diejenige des Bundes. Für die Wahl der neun sichten eine zentrale Voraussetzung für die Formulierung Kantone waren folgende Kriterien ausschlaggebend: das national koordinierter Gesundheitspolitiken dar. Interesse und Engagement zu Gunsten des Projekts Natitretung der Regionen der Schweiz (nicht vertreten ist die Untersuchungsgegenstand und Grenzen des Berichts lateinische Schweiz) und schliesslich eine ausgewogene Der Bericht zeichnet in zwei Bänden Porträts der Gesund- Mischung von kleinen und grossen Kantonen sowie städ- heitspolitiken einzelner Kantone und dasjenige des Bundes tisch und ländlich geprägten Kantonen. sowie Porträts der horizontalen und vertikalen Zusam- Für alle Kantonsporträts gilt das gleiche Analyseraster, menarbeit zwischen Bund und Kantonen. Konkret werden für das Bundesporträt wurde es leicht angepasst. Die Sys­ in diesen Porträts die gesetzlichen Grundlagen, die Ziele, tematik in der Darstellung der Kantone und des Bundes Strategien und Massnahmen, die statistischen Grundla- soll den Vergleich der Gesundheitspolitiken zwischen den gen, die finanziellen Aufwendungen für die Gesundheit Kantonen sowie mit dem Bund ermöglichen. sowie die Formen der horizontalen und vertikalen Zusam- Der Bericht stützt sich auf offizielle kantonale, interkanto­ menarbeit zwischen Bund und Kantonen herbvorgehoben. nale und eidgenössische Dokumente sowie auf Gespräche, Zur Veranschaulichung dieser Rubriken werden Beispiele die die Autorinnen des Berichts zwischen 2003 und 2006 aus allen Bereichen der Gesundheit gegeben: Gesund- mit Vertreterinnen und Vertretern der Kantone und des heitsförderung und Prävention, Gesundheitsschutz, Ge- Bundes sowie mit Vertreterinnen und Vertretern von sundheitsversorgung, Aus- und Weiterbildung in den Ge- Nichtregierungsorganisationen und von Forschungsins­ sundheitsberufen, die Informationsmittel auf Stufe Bund tituten geführt haben. Diese Gespräche bildeten den und Kantone im Sektor Gesundheit sowie Aspekte auf Grundstock für die Entstehung eines eigentlichen Infor- dem Gebiet der Gesundheitskompetenz der Bevölkerung. mationsnetzwerks zur nationalen Gesundheitspolitik, dem Auf diese Weise zeigt der Bericht, über welches Potenzial im Wesentlichen gesundheitspolitische Fachleute des die kantonalen, interkantonalen und eidgenössischen Po- Bundes und der Kantone angehörten. An insgesamt drei litiken heute für die Formulierung einer nationalen, mul- Treffen erarbeiteten sie Perspektiven für eine nationale tisektoralen Politik verfügen, die zwischen Kantonen und Gesundheitspolitik und diskutierten den möglichen Bedarf Bund koordiniert ist. Abschliessend werden Perspektiven für ein schweizweites Wissensmanagement im Bereich der im Hinblick auf die Entwicklung einer nationalen Gesund- gesundheitspolitischen Strategien und Massnahmen. Das heitspolitik gegeben. Ergebnis dieser Treffen wurde in den «Perspektiven zur Der vorliegende Bericht erhebt nicht den Anspruch, alle Entwicklung einer nationalen Gesundheitspolitik in der gesundheitspolitischen Probleme abzudecken. Besondere Schweiz» in Band 1 dieses Berichts festgehalten. Aufmerksamkeit schenkt der Bericht den politischen Ent- Mit der hier angewandten Methodik (eine Synthese des scheidungsträgern, speziell den Regierungsmitgliedern erfragten individuellen Wissens und der kollektiven Ex- und den Behörden des Bundes und der Kantone. Welche onale Gesundheitspolitik Schweiz, eine angemessene Ver- Perspektiven Teil III Gremien, Instrumente und Prozesse nutzen und benutzen Kantone: BE, BL, FR, GE, TG, VD, VS, UR, ZG sowie die Schwei­zerische Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren und die Konferenz der Kantonsregierungen. Bund: Bundesamt für Gesundheit, Staatssekretariat für Wirtschaft, Bundesamt für Sport, Generalsekretariat des Eidg. Departement des Innern. Nichtregierungsorganisationen: Public Health Schweiz, H+ Die Spitäler der Schweiz, Gesundheitsförderung Schweiz; Forschungsinstitute: Föderalismusinstitut Freiburg, Institut für Gesundheitsrecht Neuenburg, Schweizerisches Gesundheitsobservatorium. 10 diese, um ihre Gesundheitspolitiken auf kantonaler, regionaler, eidgenössischer und nationaler Ebene zu organisieren, zu planen und zu koordinieren? Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Vorgehensweise der Regierungsmitglieder und der Behörden und nicht auf den Massnahmen, die sie schlussendlich ergriffen haben. Aus diesem Grund sind weder die zur Zeit im Rahmen der KVG-Revision dis- Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Einführung Schliesslich ginge es auch darum, einen Konsens über die rungssystems, noch die Kosten des Systems Gegenstand Terminologie von unter anderem folgenden Schlüsselbe- dieses Berichts. Ebenfalls nicht thematisiert wird die Rol- griffen zu erzielen: Public Health und New Public Health, le der Leistungserbringer im Gesundheitswesen wie die- Gesundheitsförderung, Prävention, Gesundheitsschutz, jenige der Ärztinnen und Ärzte, des Pflegepersonals oder multisektorales Verständnis von Gesundheit, Gesund- der Versicherer sowie die Stellung der Patientinnen und heitskompetenz, Chancengleichheit, individuelle Verant- Patienten. Desgleichen wird auch keine kritische Prüfung wortung von Gesundheit, schweizerische bzw. nationale von Vorschlägen vorgenommen, die gegenwärtig zur Lö- Gesundheitspolitik. Teil II Zusammenarbeit kutierten Vorschläge zur Reform des Krankenversiche- Referenzrahmen Teil I sung der finanziellen Probleme des Gesundheitssystems Struktur des Berichts im Detail diskutiert werden. Band 1 analysiert das Potential der föderalistisch gewachsenen schweizerischen Gesundheitspolitiken für eine na- Bei Abschluss des Berichts «Gesundheitspolitiken in der tionale Gesundheitspolitik und formuliert Perspektiven Schweiz – Potential für eine nationale Politik» wurde für eine zukünftige nationale Gesundheitspolitik. Band ersichtlich, dass damit eine erste Etappe auf dem Weg 2 präsentiert die Porträts von neun kantonalen Gesund- hin zu einer umfassenden Dokumentation und vertief- heitspolitiken sowie das gesundheitspolitische Porträt ten Analyse der bestehenden Gesundheitspolitiken in des Bundes. Band 2 stellt mit dieser qualitativen Daten- der Schweiz zurückgelegt wurde. Im Zentrum weiterer sammlung die Grundlage für ein allfälliges Monitoring der Recherchen müsste denn auch folgende Frage stehen: schweizerischen Gesundheitspolitiken dar. Auf diese qua- Wie lässt sich in einem durch hohe Fragmentierung bzw. litativen Daten stützt sich Band 1. Teil III Perspektiven Zukünftiger Forschungsbedarf durch dezentrale politische Steuerung charakterisierten föderalen Staatswesen eine nationale Gesundheitspolitik Band 1 entwickeln? Um die nötige Datenbasis für die mit dieser Band 1 besteht aus drei Teilen. Teil I zeichnet in den Kapi- Frage verbundenen Folgeanalysen zu schaffen, sollte in teln 1, 2 und 3 den Referenzrahmen der schweizerischen weiteren Etappen das mit dem Bericht begonnene Mo- Gesundheitspolitiken nach. Kapitel 1 zeigt die aktuellen nitoring ergänzt werden. Unverzichtbar wäre die Erstel- Erfolge des schweizerischen Gesundheitssystems auf und lung der jetzt noch fehlenden 17 kantonalen Porträts weist auf die neuen Herausforderungen hin, denen es sich sowie eine regelmässige Aktualisierung der Daten. Auch stellen muss. Kapitel 2 nennt vier Charakteristika und sollten auf der Basis dieser Daten themenzentrierte Quer- stellt sie in einen historischen Kontext: die Dominanz der vergleiche der Gesundheitspolitiken auf Stufe Bund und kurativen Medizin, der Föderalismus, der Liberalismus und Kantone oder eine Evaluation der Erfolge und Misser- der Sozialstaat, wobei die drei letztgenannten Elemente folge der verschiedenen hier beschriebenen Instrumente die konstitutiven Faktoren des politischen Systems der der horizontalen und vertikalen Zusammenarbeit sowie Schweiz bilden. Kapitel 2 postuliert, dass jegliche Reform der Planungsprozesse vorgenommen werden. Vorstellbar des Gesundheitssystems diese vier Merkmale berück- wäre beispielsweise die systematische Darstellung und sichtigen muss. Sie machen die Stärken und Schwächen Auswertung aller gesundheitsrelevanten Ziele innerhalb des Systems aus, welche in Kapitel 3 analysiert werden. der Bundesverwaltung als Basis für eine besser koordi- Aus dieser Analyse der Schwächen lassen sich folgende nierte verwaltungsinterne Strategie Gesundheit. Ferner Schlussbetrachtungen ableiten: Das schweizerische Ge- müssten bestehende und neue gesetzliche, institutionelle, sundheitssystem muss sich erneuern, indem es einem um- und organisatorische Elemente analysiert werden, die fassenden, multisektoralen Verständnis von Gesundheit die Entwicklung einer nationalen Gesundheitspolitik in mehr Platz einräumt, seine Fähigkeit zur Koordination Zukunft begünstigen könnten. Hier bietet sich eine Stu- auf nationaler Ebene erhöht, die staatliche Steuerungsfä- die über die mögliche Nutzung der NFA-Instrumente für higkeit verbessert und die Gesundheitskompetenzen der die vertikale Zusammenarbeit Bund–Kantone an oder die Bevölkerung fördert. Konkretisierung strategischer Hilfsmittel wie Führungs- Teil II beschreibt in den Kapiteln 4, 5 und 6 die verschie- indikatoren und deren Anwendung auf den zukünftigen denen Formen und Instrumente der horizontalen und ver- gesundheitspolitischen Planungsprozess Bund–Kantone. tikalen Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen. Die Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Einführung 11 Referenzrahmen Teil I Zusammenarbeit Teil II Perspektiven Teil III Zusammenarbeitsgremien auf regionaler, schweizerischer Band 2 oder nationaler Ebene sowie die damit verbundenen Pro- Band 2 umfasst zehn gesundheitspolitische Porträts: die zesse und Projekte sind Ausdruck des kooperativen Föde- Gesundheitspolitiken der oben erwähnten 9 Kantone so- ralismus in der Schweiz und beinhalten ein beträchtliches wie die Strategien des Bundes. Jedes Porträt enthält In- Potential für die Koordination der verschiedenen Gesund- formationen zu den aus gesundheitspolitischer Sicht re- heitspolitiken auf nationaler Ebene. Kapitel 4 beschreibt levanten Behörden, zu den Perspektiven und rechtlichen aktuelle Formen, Prozesse und Projekte der Zusammen- Grundlagen, zu quantitativen Gesundheitsdaten und zu arbeit zwischen Bundesstellen, während Kapitel 5 nach Forschungsprojekten, zu den finanziellen Aufwendungen einem ähnlichen Raster die Formen, Prozesse und Pro- für die Gesundheit, zu Strategien und Massnahmen auf jekte der Zusammenarbeit zwischen Kantonen auf regio- dem Gebiet der Gesundheitsförderung, der Krankheits- naler und schweizerischer Ebene vorstellt. Kapitel 6 setzt prävention und der Gesundheitsversorgung, zur Aus- und sich mit der noch jungen Geschichte der Zusammenarbeit Weiterbildung in den Gesundheitsberufen sowie zur Infor- zwischen Bund und Kantonen im Sektor Gesundheit aus- mationspolitik im Bereich Gesundheit. einander. Ausserdem enthalten die Kapitel 4, 5 und 6 Bei- Zusammenfassend lässt sich zu Band 2 sagen, dass er spiele der Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Gesund- einerseits die Vielfalt der Gesundheitspolitiken in der heitsförderung und Prävention, des Gesundheitsschutzes, Schweiz darstellt, andererseits aber auch Gemeinsam- der Gesundheitsversorgung sowie der Ausbildung in den keiten aufzeigt. Kantone und Bund stehen vor ähnlichen Gesundheitsberufen. Im Sinne einer Schlussbetrachtung Herausforderungen, die sie mit Hilfe unterschiedlicher zeigt Teil II, dass der Bund im Gegensatz zu den Kantonen Strukturen und Instrumenten versuchen zu bewältigen. keine umfassende Gesundheitspolitik führen kann. Seine verfassungsrechtlichen Kompetenzen gelten nur für ein- Um den Leserinnen und Lesern eine rasche Orientierung zelne Bereiche, auch wenn diese in den letzten 20 Jahren über den Inhalt des Berichts zu ermöglichen, verweist ein stark zugenommen haben. Teil II zeigt ausserdem, dass die Register nach Schlüsselbegriffen am Ende jeden Bandes gut etablierte interkantonale Zusammenarbeit bis jetzt nur auf das entsprechende Kapitel, in dem der Schlüsselbe- bedingt als Nährboden für regionale oder gesamtschwei- griff thematisiert wird. zerische Politikformulierungen im Sektor Gesundheit ge- Der Bericht enthält kein separates Glossar. Die verwende- dient hat, und dass es zwischen Bund und Kantonen noch ten Fachausdrücke werden jeweils im Text erläutert. Eine keine etablierten Formen der paritätischen Zusammenar- erste Definition einer nationalen Gesundheitspolitik findet beit und keine gemeinsame Politikformulierung gibt. sich im Anschluss an diese Einführung. Es handelt sich Teil III schliesslich präsentiert Perspektiven zur Entwick- dabei um einen entwicklungsfähigen Entwurf, der parallel lung einer nationalen Gesundheitspolitik in der Schweiz. zur Entwicklung einer nationalen Gesundheitspolitik rei- Diese Perspektiven beruhen auf vier Säulen: fen muss. 1. Die Entwicklung einer Kultur der Zusammenarbeit zwischen Kantonen und Bund im Rahmen des kooperativen Föderalismus; 2. Die Schaffung eines kollektiven Wissens zu den schweizerischen Gesundheitspolitiken und eines schweizweiten Management dieses Wissens; 3. Ein ganzheitliches und multisektorales Verständnis von Gesundheit; 4. Die Stärkung der Gesundheitskompetenzen der Bevölkerung unter anderem durch eine aktive Informationspolitik. 12 Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Einführung Teil I Referenzrahmen Nationale Gesundheitspolitik Schweiz Versuch einer Begriffserklärung Es gibt für die Schweiz noch keine Definition einer «Na- Voraussetzungen tionalen Gesundheitspolitik». Impulse für eine nationale ■ Die Kantone verfügen über Instrumente, um unter Gesundheitspolitik sind bisher vor allem von den Regie- Wahrung ihrer Souveränität konsolidierte Positionen rungsmitgliedern des Bundes und der Kantone ausgegan- zu ausgewählten Themen auf regionaler oder gesamt- gen. Ihre Erwartungen und Bedürfnisse – mehr Kohärenz schweizerischer Ebene zu formulieren. ■ Bausteine einer nationalen Gesundheitspolitik dar. Darauf strumente, um konsolidierte Positionen zu ausgewähl- aufbauend schlägt die Publikation die nachfolgende Definition vor und stützt sich dabei auf die vertiefte Betrach- Der Bund und seine Bundesstellen verfügen über Inten Themen zu formulieren. ■ Bund und Kantone verfügen über formalisierte Struk- tung der in Band 2 vorgestellten 9 kantonalen Gesund- turen und Prozesse, um Politiken gemeinsam formulie- heitspolitiken sowie der Gesundheitspolitik des Bundes. ren und Vollzugsmassnahmen koordinieren zu können. ■ Bund und Kantone stellen sicher, dass ihre Massnah- Eine nationale Gesundheitspolitik versteht sich sowohl men in demokratische Entscheidprozesse eingebunden als Ausdruck einer politischen Kultur, als auch als Er- sind (Einbezug der kantonalen Parlamente bzw. des eid­ gebnis von politischen Strukturen, Prozessen und Pro- genössischen Parlaments). jekten, wie sie auf regionaler, gesamtschweizerischer, eidgenössischer und nationaler Ebene anzutreffen sind. Zusammenarbeit in der schweizerischen Gesundheitspolitik – stellen erste Teil II ■ Teil III Bund und Kantone stellen sicher, dass die Akteure der Zivilgesellschaft in geeigneter Weise einbezogen sind. Unter «gesamt­schweizerisch» werden dabei konsolidierte Perspektiven Stellungnahmen, Entscheide oder konzertierte Aktionen einer Mehrheit der Kantone verstanden, unter «eidgenössisch» Entscheide oder Aktionen des Bundes auf der Basis von Vernehmlassungen anderer Akteure, und unter «national» schliesslich fallen gemeinsame Stellungnahmen, Ent­scheide oder konzertierte Aktionen von Bund und Kantonen. Föderale politische Kultur Regierungsmitglieder des Bundes und der Kantone, letztere als souveräne Gliedstaaten, betrachten sich als gleichberechtigte und gleichverantwortliche Akteure und arbeiten im Sinne einer privilegierten Partnerschaft regelmässig zusammen. Sie sehen in der Zusammenarbeit einen Weg, um kreative Lösungen für gemeinsame Probleme zu finden. Wirkung Eine nationale Gesundheitspolitik ermöglicht Bund und Kantonen, ihre Gesundheitspolitiken in ausgewählten Bereichen harmonisch aufeinander abzustimmen und dabei gleichzeitig den Reichtum und das Innovationspotential des Föderalismus zu nutzen. Zusammenarbeit und Koordination zwischen Bund und Kantonen tragen nicht nur dazu bei, die Gesundheit der Bevölkerung, weiterzuentwickeln, sondern verbessern auch die Rahmenbedingungen für eine Gleichheit der Chancen von Gesundheit unter der Bevölkerung. Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Begriffserklärung 13 Perspektiven Zusammenarbeit Referenzrahmen Teil I Teil II Teil III Teil II Zusammenarbeit Gesundheitssystem Schweiz: Referenzrahmen Teil III Perspektiven Teil I Referenzrahmen Teil I Teil I Referenzrahmen Einleitung Teil II Das Gesundheitssystem der Schweiz bietet seit rund Rehabilitation berücksichtigt und zudem die Gesundheits- 30 Jahren immer wieder Anlass für negative Schlagzeilen. determinanten in die politischen und strategischen Über- Kritisiert werden die hohen Kosten, die hohe Regelungs- legungen mit einbezieht. dichte, die intensive Verflechtung der Kompetenzen zwirung und die politische Unsteuerbarkeit. Diese Kritik ist Kapitel 2: Vier Merkmale des schweizerischen Gesundheitssystems berechtigt und verlangt nach Lösungen. Doch angesichts Das Gesundheitssystem der Schweiz muss sich den neu- der Vielzahl an kritischen Voten besteht die Gefahr, dass en Herausforderungen stellen und Veränderungen in die die Stärken des über hundertjährigen Gesundheitssystems Wege leiten. Die laufenden und kommenden Reformen ausgeblendet werden. Tragfähige Veränderungen müssen können sich jedoch nicht von den Rahmenbedingungen neben den Schwächen auch bei den Stärken eines Systems befreien, unter denen sich das schweizerische Gesund- ansetzen sowie die historischen, politischen und sozialen heitssystem in den letzten hundert Jahren entwickelt hat. Rahmenbedingungen berücksichtigen, unter denen das Kapitel 2 stellt deshalb aus einer historischen Perspektive System entstanden ist und die es heute noch prägen. die vier wichtigsten Merkmale dar, welche die Entwick- Im ersten Teil dieses Berichts, der in drei Kapiteln den lung des Gesundheitssystems massgeblich geprägt haben: Referenzrahmen der schweizerischen Gesundheitspoli- die beherrschende Stellung der kurativen Medizin, der Fö- tiken beschreibt, werfen wir einen Blick zurück auf die deralismus, der Liberalismus und schliesslich der Einfluss Ursprünge und die Entwicklung des heutigen Gesund- des Sozialstaates. Zusammenarbeit schen Bund und Kantonen, die strukturelle Fragmentie- Teil III Perspektiven heitssystems. Den Texten liegen Berichte und Gespräche mit Exponentinnen und Exponenten der schweizerischen Gesundheitspolitik zugrunde. Kapitel 3: Stärken und Schwächen des heutigen Gesundheitssystems In Kapitel 3 schliesslich werden die Stärken und Schwä- Kapitel 1: Bisherige Erfolge und neue Heraus­ forderungen chen dieser vier Merkmale mit Blick auf das Gesundheits- In Kapitel 1 werden die bisherigen Errungenschaften des für das Gleichgewicht des Gesamtsystems von entschei- Gesundheitssystems beschrieben sowie die Herausforde- dender Bedeutung ist, müssen sie für den laufenden Ver- rungen, mit denen es gegenwärtig konfrontiert wird. änderungsprozess im Gesundheitssystem als eine Einheit Die Leistungen des Systems sind beeindruckend. So ist betrachtet werden. «Das Gesundheitssystem grundlegend die Lebenserwartung in der Schweiz sehr hoch und belegt überprüfen» – Ziel 5 der bundesrätlichen Strategie für international einen Spitzenplatz. Herausforderungen wie die Legislaturperiode 2003–2007 – kann nicht heissen, die Alterung der Gesellschaft oder die steigenden Zah- auf eine der vier Achsen zu verzichten, sondern muss die len bei den chronischen Krankheiten rufen jedoch nach Stärkung ihres Potentials und die Verminderung ihrer Reformen, verlangen nach intersektoralen Strategien Schwächen bedeuten. system der Schweiz kurz vorgestellt. Da jedes von ihnen und nach neuen Formen des Austauschs und der Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Politik, aber auch zwischen Arzt und Patient. Auch wenn innovative Modelle und Projekte an Boden gewinnen, kann das aktuelle System mit seiner starken Ausrichtung auf die kurative Medizin nur ungenügende Antworten auf die neuen Probleme der öffentlichen Gesundheit geben. Neben den oben erwähnten Herausforderungen sieht sich das System deshalb mit noch weiter greifenden Veränderungen konfrontiert: mit dem Ruf nach einem Paradigmenwechsel oder, mit anderen Worten, nach einem Gesundheitsverständnis, das sich nicht nur an Krankheit, Therapie und Heilung orientiert, sondern auch den Schutz und die Förderung der Gesundheit, die Prävention von Krankheiten und die 16 Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Einleitung Teil I Teil I Referenzrahmen Kapitel 1 Bisherige Erfolge und neue Herausforderungen 4. Strukturen und Gremien für Generieren und Weiterga- 1.1 Ein leistungsfähiges Gesund­ heitssystem be von medizinischem Wissen Teil II seit den 1980er-Jahren fühlt sich die in der Schweiz 27 Gesundheitspolitiken mit einer Vielzahl von Gesetzen wohnhafte Bevölkerung im Allgemeinen gesund. Die Aus- und Verordnungen (siehe Band 2 – Gesundheitspolitische wertung der Gesundheitsindikatoren zeigt unter anderem: Porträts). Eines der wichtigsten Gesetze ist in diesem Die Bevölkerung in der Schweiz hat weltweit eine der Zusammenhang das Bundesgesetz über die Krankenver- höchsten Lebenserwartungen (83,7 Jahre für Frauen und sicherung (KVG). Eine von privaten Anbietern offerierte 78,6 Jahre für Männer) und weist eine im internationalen und in einem Bundesgesetz geregelte Kranken- und Un- Vergleich sehr niedrige Säuglingssterblichkeit auf. fallversicherung gibt es in der Schweiz seit 1911. Aber erst Dieser gute Gesundheitszustand ist in erster Linie auf mit dem 1996 in Kraft getretenen neuen Krankenversi- ­einen hohen Lebensstandard und auf eine gute Lebens- cherungsgesetz wurde die Krankenpflegeversicherung für qualität zurückzuführen. Es gibt viele Determinanten, die alle Personen mit Wohnsitz in der Schweiz obligatorisch. für die Gesundheit der Bevölkerung eine wichtige Rolle Das KVG garantiert heute den flächendeckenden Zugang spielen. Dazu gehören politische Stabilität, Wohlstand, zu qualitativ hoch stehenden Leistungen der Grundver- intakte städtische und ländliche Lebensräume, tragfähige sorgung sowie zu spezialisierten Diagnose- und Therapie- soziale Netze, ein gutes Ausbildungssystem und berufliche methoden. Die Liste der durch die obligatorische Kran- Perspektiven. Insgesamt sind diese Determinanten für den kenpflegeversicherung finanzierten Leistungen ist sehr grössten Teil der Bevölkerung als positiv zu bewerten. Als umfassend, und es stehen die neuesten Technologien und weitere Determinante für den Schutz und insbesondere gut ausgebildetes Personal zur Verfügung. Für wirtschaft- für die Wiederherstellung der Gesundheit spielt auch der lich schwache Haushalte wird der Zugang zum Gesund- Zugang zu flächendeckend angebotenen Dienstleistungen heitssystem durch Prämienverbilligungen sichergestellt. des Gesundheitssystems und deren Qualität eine wichtige Gemäss der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gehört Rolle. das schweizerische Gesundheitssystem weltweit zu den Teil III Perspektiven Aufträge sorgen auf Bundes- und Kantonsebene insgesamt Zusammenarbeit Für die Konkretisierung dieser verfassungsrechtlichen Gemäss allen schweizerischen Gesundheitsbefragungen leistungsfähigsten Systemen und es überrascht nicht, Die Qualität des Gesundheitssystems basiert auf den nach- dass mehrere aktuelle Studien die Zufriedenheit der Pa- folgend aufgeführten vier Pfeilern der Gesundheitspolitik, tientinnen und Patienten mit dem Gesundheitssystem be- wie sie in der Bundesverfassung (Artikel 41, 63, 64, 117 legen. und 118) und im kantonalen Recht verankert sind: Betrachtet man das Gesundheitssystem als Wirtschafts- 1. ein in allen Kantonen und Regionen vorhandenes qua- zweig, so waren im Jahre 2001 in diesem Bereich 430 000 litativ hoch stehendes Angebot an Dienstleistungen im Personen beschäftigt, die Pharmaindustrie und der Me- Fall von Krankheit, Sucht und Unfall dizinaltechnikbereich sowie die Krankenversicherer nicht 2. ein eidgenössisches Versicherungssystem gegen die mitgerechnet. Die gesamten Kosten des Gesundheitswe- wirtschaftlichen Folgen von Alter, Invalidität, Krank- sens beliefen sich im Jahr 2002 auf 48 Milliarden CHF, was heit, Unfall, Arbeitslosigkeit, Mutterschaft, Verwaisung einem Anteil von 11,1 % am Bruttoinlandprodukt (BIP) und Verwitwung entspricht. 3. Massnahmen auf der Stufe von Bund und Kantonen zum Schutz der Gesundheit, ergänzt um nationale und kantonale Präventions- und Gesundheitsförderungsprogramme sowie Rehabilitationsmassnahmen Gesundheitsbefragung SOMIPOPS 1985, NFP 8; Gesundheitsumfrage IGIP-Promes 1988; Schweizerische Gesundheitsbefragung 1992–93, 1997; 2002 Bundesamt für Statistik. Quelle: Bundesamt für Statistik, 2004. Bericht zur Gesundheit in der Welt 2000, herausgegeben von der Weltgesundheitsorganisation, Genf, Schweiz. Der vollständige Bericht ist unter der Adresse www.who.int/whr einsehbar. Gesundheitsmonitor GfS-Interpharma, 1997, 1999, 2000, 2001, 2002, 2003; 2003; Umfrage 2003, Plaut Economics, «Welches sind die Leis­ tungen unseres Gesundheitssystems?». Betriebszählung des Bundesamtes für Statistik, 2001. Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 1 17 Referenzrahmen Teil I erregende Perspektiven mit ungewissen Folgen für die Zusammenarbeit Teil II 1.2 Neue Herausforderungen und notwendige Veränderungen menschliche Spezies. Immer mehr Menschen suchen Al- Die Leistungen des auf die kurative Medizin fokussierten zu und werden teilweise von den universitären Autoritäten Gesundheitssystems sind unbestritten. Aber dahinter anerkannt und ins Lehrangebot aufgenommen. Wo liegen zeichnen sich seit längerem Risse und Widersprüche ab. die zukünftigen Chancen und Risiken der medizinischen Langfristig ist mit neuen Herausforderungen zu rechnen. Forschung, der Diagnose und der Therapie? Welchen Stel- Die stetige Zunahme der durch den Lebensstil bedingten lenwert soll die ganzheitliche Medizin erhalten? ternativen zur herkömmlichen Schulmedizin. Die alternativ- und komplementärmedizinischen Angebote nehmen chronischen Krankheiten wird für das Gesundheitsversor- Perspektiven Teil III gungssystem, aber auch für die gesamte Gesellschaft hohe Kostensteigerung Kosten mit sich bringen. Neue übertragbare Krankheiten Das schweizerische Gesundheitssystem ist nach dem der können auftreten und zu nur schwer kontrollierbaren welt- USA und vor demjenigen Deutschlands das zweitteuerste weiten Pandemien führen. Unter dem Druck der demo- der Welt. Einerseits steigen die Gesundheitskosten in grafischen Veränderungen rücken neue Themenbereiche der Schweiz beständig, während das Bruttoinlandprodukt in den Mittelpunkt der Diskussion, die bislang durch die stag­niert. Andererseits steigen die Kosten schneller, als Verantwortlichen des Versorgungsbereichs selbst geregelt sich der Gesundheitszustand der Bevölkerung verbes- wurden, wie etwa die Planung von Pflegeheimen und Pfle- sert. Qualität hat ihren Preis, aber ob die hohen finan- geplätzen. Diese neuen Elemente stellen die Kapazitäten ziellen Investitionen in die medizinische Versorgung zu unseres heutigen Systems in Frage und rufen nach einer einer Verbesserung des Gesundheitszustands der gesam- gesundheitspolitischen Neuausrichtung. ten Bevölkerung führen, ist unklar. Die je nach Kanton Die Herausforderung wird darin bestehen, die Qualitäts- unterschiedlich hohen Pro-Kopf-Gesundheitsausgaben standards auch in Zukunft für die Gesamtbevölkerung – die Abweichungen betragen bis zu 40 % – haben keinen aufrecht zu erhalten und wo nötig zu verbessern. Es wird erkennbaren Einfluss auf den Gesundheitszustand der sich zeigen, ob Kantone und Bund neue Formen der Zu- Bevölkerung in den jeweiligen Kantonen. Die Beispiele sammenarbeit finden und gemeinsam nationale Prioritä- Japans oder Schwedens zeigen, dass gute medizinische ten im Handlungsfeld Gesundheit definieren können, um Leistungen und eine hohe Lebenserwartung durchaus den neuen Herausforderungen zu begegnen, von denen im für weniger Geld zu haben sind. Lassen sich die Kosten Folgenden eine selektive Aufzählung vorgestellt werden des Gesundheitssystems wirklich reduzieren? Wo besteht soll. Sparpotential, ohne gleichzeitig eine Qualitätseinbusse zu riskieren und die Gleichheit des Zugangs zum System zu Demografische Alterung gefährden? Welche Rolle spielen in diesem Zusammen- Die Menschen in den Industrienationen werden immer äl- hang die Prävention und die Gesundheitsförderung? ter, und wenn auch die Mehrheit der Betagten bei guter Gesundheit ist, so nehmen gesundheitliche Probleme wie Chancenungleichheit bezüglich Gesundheit Altersdemenz oder Altersdepression sowie muskuloske­ Auch heute noch sind die sozial bedingten gesundheit- letale Beschwerden zu. Auf welche Weise lässt es sich lichen Ungleichheiten grösser als die biologisch oder ge- in den kommenden Jahrzehnten gesund altern? Welche netisch bedingten Unterschiede. Auch wenn ein umfas- organisatorischen und politischen Antworten muss der sendes, für alle gleichermassen zugängliches System der Staat dem Phänomen der demografischen Alterung der medizinischen Pflege und Versorgung den Gesundheits- Gesellschaft entgegenhalten? zustand der Menschen positiv beeinflusst, so liegen doch die wichtigsten Gesundheitsdeterminanten ausserhalb Technologischer Fortschritt und Komplementär­ medizin Der Gesundheitsbereich ist stark von der Technisierung betroffen. Die Entwicklungen im Bereich der Organtransplantation und der Gentechnologie eröffnen Schwindel 18 % in Bezug auf das BSP: USA 13 %, CH 10,9 %, D 10,7 %, F 9,6 % – Quelle: Eco santé, OECD, 2002. Vgl.: Operation an der offenen Kasse – Das Schweizer Gesundheitssys­ tem ist das teuerste in Europa. Der Konter, es sei schliesslich auch das beste, ist reines Wunschdenken. Von Urs P. Gasche, 25. 3. 04, Die Weltwoche, S. 18. Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 1 so­zialen und umweltrelevanten Gesundheitsdeterminan- dungsstand assoziierte soziale und ökonomische Status, ten; eine bessere Kontrolle des Umfangs und der Kosten der Zustand der natürlichen und bebauten Umwelt, die der medizinischen Leistungen; eine Überprüfung des Fö- Arbeitsbedingungen, die Verkehrssituation oder der Le- deralismus im Hinblick auf eine verstärkte Koopera­tion bensstil haben einen wesentlich stärkeren Einfluss auf die zwischen Bund und Kantonen; eine Verbesserung des Gesundheit des Individuums und der Gesamtbevölkerung. nationalen Wissensmanagements zu den schweizerischen Die Zunahme der chronischen Krankheiten aufgrund von Gesundheitspolitiken; eine ethische Auseinandersetzung Stress, unausgewogener Ernährung und Bewegungs- mit dem Sinn von Leben und Tod, von Krankheit und Ge- mangel sowie das vermehrte Auftreten von psychischen sundheit. Eine Neuausrichtung des Gesundheitssystems Störungen und Suchterkrankungen lassen sich mit den darf jedoch nicht im luftleeren Raum stattfinden, sondern konventionellen Therapien der kurativen Medizin allein muss die sozialen, wirtschaftlichen, historischen und po- nicht beheben. Wie können Wirtschaft, Gesellschaft und litischen Rahmenbedingungen respektieren, die in den Umwelt zu gesundheitsfördernden Faktoren werden? Wie letzten 150 Jahren die Entstehung des heutigen Gesund- lassen sie sich in eine umfassende und multisektorale Ge- heitssystems geprägt haben. Teil II Zusammenarbeit des medizinischen Versorgungssystems. Der mit dem Bil- Referenzrahmen Teil I Teil III samtpolitik einbinden (Paradigmenwechsel)? Die Komplexität des Gesundheitssystems Schliesslich sind einige Gefahren auch durch die Funk­ Perspektiven tionsweise unseres Gesundheitswesens bedingt. In unserem föderalistischen System sind die politischen, strukturellen und rechtlichen Grundlagen stark fragmentiert und doch miteinander verflochten. Die Vielfältigkeit der Akteure und Prozesse erschwert die Steuerung des Gesundheitssystems auf nationaler Ebene. Welches Reformpotential trägt der Föderalismus in sich? Inwiefern bietet eine bessere institutionelle Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen einschliesslich eines effizienten Wissenstransfers eine echte Zukunftsperspektive? Siehe hierzu auch Teil II des Berichts: «Staatspolitische Zusammenarbeit in der Gesundheitspolitik». Seit 30 Jahren gibt es Stimmen, die eine Neuorientierung der schweizerischen Gesundheitspolitik fordern: eine stärkere Berücksichtigung der Anliegen der öffentlichen Gesundheit (Schutz und Förderung der Gesundheit, Krankheitsprävention und Rehabilitation) und der Siehe hierzu besonders: G. KOCHER und P. RENTSCHNICK: Teure Medizin – Für gezielte Reformen in unserem Gesundheitswesen, Bern, Huber, 1980; J. SOMMER und F. GUTZWILLER: Wirtschaftlichkeit und Wirksamkeit im schweizerischen Gesundheitswesen, Bern, Huber, 1986; Institut suisse de la santé publique et des hôpitaux (ISH): La santé des suisses en l’an 2000. Vers une réorientation des politiques sanitaires cantonales, Cahiers d’études de l’ISH, Bd. 39, Aarau 1988. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang, dass die Schweizerische Gesellschaft für Gesundheitspolitik (SGGP) 1976 gegründet worden ist. 1987 trafen sich Vertreter einiger Kantone und des Bundes an mehreren Tagungen in Lausanne und diskutierten eine Neuausrichtung der kantonalen Gesundheitspolitiken. Neuere Publikationen: Schweizerische Akademie der medizinischen Wissenschaften: Zukunft Medizin Schweiz, EHM-Schwabe, Basel, 2002. Herausforderungen 2003–2007, Schweizerische Bundeskanzlei, Bern 2003, S. 60–62. Wir stützen uns in diesem Abschnitt auf eine Analyse von Hans Jörg HUBER, Rechtsexperte, ehemaliger Vorsteher des Gesundheitsdepartements des Kantons Aargau und ehemaliger Ständerat, in der Schweizerischen Ärztezeitung aus dem Jahr 1983. HUBER Hans Jörg, Gesundheitswesen und schweizerische Staatsidee, Schweizerische Ärztezeitung, Bd. 64, 1983, Heft 49, S. 1498–1507. Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 1 19 Teil I Referenzrahmen Kapitel 2 Vier Merkmale des schweizerischen Gesundheitssystems Zusammenarbeit Teil II Historisch gesehen hat sich das schweizerische Gesund- Mittelalter – Hospiz und Religion heitssystem nach politischen Prinzipien und Ideologien Ausgangspunkt war das mittelalterliche Hospiz. Die ältes­ entwickelt, die auch heute noch die Rahmenbedingungen ten Hospize stammen aus dem 9. Jahrhundert, aber erst für die Gesundheitspolitiken in der Schweiz darstellen. zwischen dem 12. und 14. Jahrhundert kam es zur Grün- Die vier wichtigsten Merkmale sind: dung zahlreicher weiterer Einrichtungen. Nebst den Häu- 1. die beherrschende Stellung der kurativen Medizin sern zur Beherbergung von Pilgern entlang der grossen 2. der Föderalismus, der dem Bund im Gesundheitsbe- Verkehrsachsen richteten viele Städte und Gemeinden reich eine subsidiäre Rolle zuweist 3. der Liberalismus, der dem privaten Sektor den Vorzug gibt 4. ein auf dem Konzept der Solidarität beruhender Sozialstaat. Hospitäler und Hospize ein. In der Regel wurden diese von religiösen Orden geführt und verstanden sich als karitative Einrichtungen für Bedürftige – Sammelstellen menschlichen Unglücks. Wer es sich auch nur annähernd leisten konnte, kam nicht auf die Idee, sich in einem solchen Hospital behandeln zu lassen. Im Laufe des 16. Jahrhunderts erhielten die Spitäler in den reformierten Städten eine Perspektiven Teil III 2.1 Die beherrschende Stellung der kurativen Medizin laizistische Führung und wurden der Stadtverwaltung un- Wichtigstes Merkmal des schweizerischen Gesundheits­ Begleitung von Armen, stellte in der Regel jedoch eine sys­tems ist die beherrschende Stellung der kurativen Me­ wirtschaftliche Macht mit hohen Einnahmen aus Land- dizin, die von öffentlichen und privaten Trägern angebo- wirtschaft und Grundbesitz dar. terstellt. Das Hospital des Ancien Régime kümmerte sich nach wie vor hauptsächlich um die Unterstützung und ten wird. Diese Dominanz des kurativen Sektors ist nicht Schutzes vor Gesundheitsrisiken. Seit jener Zeit wird die 19. Jahrhundert – öffentliche Spitäler, medizinische Entdeckungen und die Entwicklung kantonaler Gesundheitspolitiken schweizerische Gesundheitspolitik von einer Auffassung Anfang des 19. Jahrhunderts begannen die medizinische von öffentlicher Gesundheit geleitet, die sich an der dop- Versorgung und die Pflege in den Spitälern eine bedeu- pelten Aufgabe des Gesundheitsschutzes auf der einen tende Rolle für die Verbesserung der Gesundheit der und der Gewährleistung des Zugangs zu medizinischer Bevölkerung zu spielen. Zeitgleich mit dem Beginn der Pflege und deren Qualitätssicherung auf der anderen Sei- Medikalisierung wurden die Spitäler der grössten Städ- te orientiert. Diese Grundsätze sind in den kantonalen Ge- te kantonalisiert (dasjenige von Lausanne zum Beispiel sundheitsgesetzen und in den eidgenössischen Gesetzes- im Jahr 1806). Trotz des medizinischen Fortschritts fiel bestimmungen verankert, die Ende des 19. bzw. Anfang es den alten städtischen Spitälern aus politischen und des 20. Jahrhunderts entstanden sind. In den vergangenen wirtschaftlichen Gründen zu Beginn schwer, sich in reine 20 Jahren wurde die rechtliche Basis um weitere eidge- Zentren der medizinischen Versorgung und Pflege zu ver- nössische und kantonale Gesetze ergänzt und präzisiert. wandeln. Die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts hingegen Anlässlich der Revision der Bundesverfassung im Jahr kann als eine Epoche zahlreicher Spitalgründungen cha- 1999 wurden die den Gesetzen zu Grunde liegenden Wer- rakterisiert werden. Im Kanton Freiburg etwa kam es in te ohne grosse Änderungen übernommen. Die Geschichte dieser Zeit zur Gründung von vier Bezirksspitälern (Bulle- des schweizerischen Gesundheitssystems reicht jedoch Riaz 1863, Romont-Billens 1866, Morat-Meyriez 1868 und weiter als bis ins 19. Jahrhundert zurück. Sie fällt zeitlich Châtel-St-Denis 1892). Einige Kantone wählten die staat- mit der Entwicklungsgeschichte der modernen Medizin liche Form der Spitalversorgung, andere zogen ein System neu und erklärt sich aus der Geschichte der Medizin und der seit Mitte des 19. Jahrhunderts sichtbaren Politik des und ihrer Einbettung ins Spitalwesen zusammen und soll im Folgenden kurz dargestellt werden. Als Quellen dienen unter anderem die historischen Untersuchungen von ­Pierre-Yves Donzé10 zur Geschichte der Spitäler in der Westschweiz und die Analyse des freiburgischen Gesundheitsrechts von Dominique Sprumont.11 20 10 «Bâtir, gérer, soigner. Histoire des établissements hospitaliers de Suisse romande», Pierre-Yves DONZÉ, Georg Editeur (2003). 11 «La législation sanitaire fribourgeoise: une législation en mouvement», Dominique SPRUMONT, Assistenzprofessor an den Rechtsfakultäten der Universitäten Freiburg und Neuenburg. Revue fribourgeoise de jurisprudence, Spezialnummer «RFJ 10 ans», Le droit en mouvement, Freiburg 2002. Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 2 spiel der Impfung12 und später der Antibiotika trugen zu sich mit privaten Partnern zusammen, wie dies in den einer bedeutenden Verbesserung der Volksgesundheit Kantonen Wallis und Neuenburg der Fall war. Bedeutsam bei. Die erweiterten Kenntnisse über Hygiene, Ernährung ist, dass bereits damals die Finanzierung des Systems zur und Wohnverhältnisse liessen den Lebensstandard all- Diskussion stand. So liessen beispielsweise einige Ge- mählich steigen. Nicht zuletzt trugen auch Bildung und meindeverwalter für arme Patienten, deren medizinische Erziehung zu einem gesünderen Verhalten bei.13 Um die Behandlung von der Gemeinde zu bezahlen war, den Jahrhundertwende wurde zudem die Hysterie, damals der Arzt nur selten kommen. Die kantonalen Einrichtungen Oberbegriff für psychische Krankheiten, Gegenstand der der öffentlichen Gesundheit verfügten notorisch über zu medizinischen Forschung. Mit Freud (um 1890), Jung und wenig Mittel, um alle Aufgaben wahrnehmen zu können. Lacan (um 1930) entstand die Psychoanalyse. Teil II Zusammenarbeit mit weniger staatlichen Interventionen vor und schlossen Referenzrahmen Teil I Gleichzeitig begannen die Kantone gesundheitspolizeivor allem auf die Gesundheit des Viehs, auf die Hygiene Gesundheitsberufe, Epidemien und Schaffung einer eidgenössischen Gesundheitspolitik (Wasser und Fleisch) sowie auf die Reglementierung der Der Entwicklung der Spitäler auf kantonaler Ebene ent- Medizinalberufe (Ärzte, Apotheker, Hebammen). sprach auf Bundesebene die Schaffung einer Gesundheits- liche Reglemente zu erarbeiten. Diese konzentrierten sich Teil III schutzpolitik, die zeitlich mit der Gründung des Bundes- Geschichte des Arbeitsgesetzes von 1848 übertrug der jungen Eidgenossenschaft die Zu- 1877: Das erste Bundesgesetz betreffend die Arbeit in ständigkeit für die Überwachung von gefährlichen Epide- den Fabriken wird angenommen. mien. Der eigentliche Beginn der Gesundheitspolitik des 1914: Das zweite Gesetz wird angenommen. Bundes erfolgte im Jahre 1866, als es im Wallis zu einer 1919: Totalrevision des Gesetzes von 1914 und Institu- Typhus­epidemie kam, die 20 Jahre später die Verabschie- tionalisierung der 48-Stunden-Woche. dung des Epidemiengesetzes vom 7. Juli 1886 zur Folge 1964: Das Gesetz wird abgelöst durch das Bundesge- hatte. 1893 wurde das Eidgenössische Gesundheitsamt setz vom 13. März 1964 über die Arbeit in Industrie, geschaffen, dessen Aufgabe in der Anwendung und Um- Gewerbe und Handel (Arbeitsgesetz). Dieses Gesetz setzung des Epidemiengesetzes bestand. Später entwi- wurde seither viele Male teilrevidiert. ckelte sich aus diesem Büro das heutige Bundesamt für Perspektiven staates im Jahre 1848 zusammenfiel. Die Bundesverfassung Gesundheit (BAG).14 Um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert bildeten fünf Im Laufe des 19. Jahrhunderts war die Gesellschaft einem Bundesgesetze den rechtlichen Rahmen der schweize- starken Wandel unterworfen. Stichworte dazu sind die rischen Gesundheitspolitik: Anerkennung und Respektierung von Freiheiten und Grundrechten, die Entstehung des modernen demokratischen Staates, die Industrialisierung, die Atomisierung 1. Das Bundesgesetz von 1877 betreffend die Arbeit in den Fabriken. der menschlichen Beziehungen oder die Schaffung des 2. Das Bundesgesetz vom 19. Dezember 1877 betreffend Sozialstaates. Die Sozialpolitik fing allmählich an zu grei- die Freizügigkeit des Medizinalpersonals in der Schwei- fen. Zugleich kam es in der Medizin und im Gesundheits- zerischen Eidgenossenschaft (in Revision); es regelt bereich mit der Anwendung neuer wissenschaftlicher Er- die Ausübung der beruflichen Tätigkeit von Ärzten, kenntnisse und Techniken zu grossen Fortschritten. Die Medizin entwickelte sich teilweise von einer Heilkunst zu einer Wissenschaft. Das 19. Jahrhundert war von einer stark experimentellen Strömung geprägt, mit der sich bereits die Erfolge des 20. Jahrhunderts ankündigten. Die Einführung von Anästhesie und Antisepsis führte zur Entwicklung der Chirurgie, die ihrerseits von neuen Erkenntnissen aus Anatomie und Physiologie profitierte. Die Anwendung neuer Errungenschaften wie zum Bei- 12 Pocken (Impfung 1796 erfunden von Edward Jenner), Tuberkulose (Albert Calmette, 1920), Diphtherie (Gaston Ramon, 1923), Poliomyelitis (Jonas Salk, 1955) sind in der Schweiz praktisch ausgerottet. 13 In der Schweiz wurde die kostenlose und obligatorische Schulpflicht 1848 eingeführt. In der Praxis wurden aber erst 1877 alle Kinder eingeschult. Zu diesem Zeitpunkt wurde auch ein Gesetz zum Verbot der Kinderarbeit in den Fabriken eingeführt. Die Schulen wurden 1874 der Aufsicht der Kirchen entzogen und der Zivilverwaltung der Kantone unterstellt. 14 Quelle: Historisch-biographisches Wörterbuch der Schweiz, Band 5, Neuenburg 1930. Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 2 21 Referenzrahmen Teil I Zusammenarbeit Teil II Apothekern, Tierärzten innerhalb der Schweizerischen 4. Das Bundesgesetz vom 8. Dezember 1905 betreffend Eidgenossenschaft und garantiert so die Qualität der den Verkehr mit Lebensmitteln und Gebrauchsgegen- medizinischen Praxis. Es basiert auf dem Prinzip, dass ständen (seit der Totalrevision von 1992: Bundesge- die Erlangung eines eidgenössischen Diploms an einer setz vom 9. Oktober 1992 über Lebensmittel und Ge- schweizerischen Universität eine qualitativ gute Medi- brauchsgegenstände [Lebensmittelgesetz]). zin gewährleisten soll. Im Übrigen vertraute man zur 5. Das Bundesgesetz vom 13. Juni 1911 über die Kranken- Sicherung der Qualität auf standesinterne Regeln und versicherung. Dieses Gesetz ermöglichte den Zugang auf Ausbildungsangebote. Das neue Eidgenössische zu medizinischer Pflege für einen grossen Teil der Be- Gesundheitsamt hatte zur Aufgabe, die Gleichwertig- völkerung. Das Gesetz legte zudem den Grundstein für keit der von den fünf medizinischen Hochschulen aus- die Schaffung einer öffentlichen Unfallversicherung für gestellten Diplome zu beurteilen. Das Gesetz erlaubt Industriearbeiter (SUVA). den Ärzten die Berufsausübung auf dem ganzen Staatsgebiet und ermöglicht so ein flächendeckendes Angebot an medizinischen Leistungen, ohne dieses jedoch Teil III Perspektiven explizit sicherzustellen. Erste Hälfte des 20. Jahrhunderts – Aufschwung der Medizin und staatliche ­Investitionen in die Gesundheit 3. Das Bundesgesetz vom 2. Juli 1886 betreffend Mass- Der Beginn des 20. Jahrhunderts war von der Säkulari- nahmen gegen gemeingefährliche Epidemien (Epide- sierung des Krankenpflegeberufs und von einer stärkeren miengesetz; seit der Totalrevision von 1970: Bundes- Präsenz von Fachärzten in den Spitälern geprägt. Mit gesetz vom 18. Dezember 1970 über die Bekämpfung ­ihren zunehmenden Erfolgen erreichte die kurative Medi- übertragbarer Krankheiten des Menschen). zin immer mehr Anerkennung und eroberte allmählich das Feld. Die Zwischenkriegszeit war in der Schweiz geprägt von einem beispiellosen Aufschwung der grossen Univer- Geschichte des Krankenversicherungsgesetzes sitäts- und Kantonsspitäler, die sich zu hochspezialisier- 1890: Annahme des Verfassungsartikels 34 . Darin ten medizinischen Dienstleistungszentren entwickelten. wird der Bund beauftragt, auf dem Weg der Gesetzge- Während dieser Zeit kam es mehr und mehr zu staatlichen bung eine Kranken- und Unfallversicherung einzurich- (kantonalen) Interventionen. Die Finanzierung auf kari- ten. tativer Basis wurde angesichts der explodierenden Be- 1899: Das Parlament verabschiedet am 5. Oktober die triebsbudgets der Spitäler zunehmend als unzureichend «Lex Forrer». Dieses erste Projekt für ein Krankenver- und unangemessen angesehen. Es gab aber auch Kantone sicherungsgesetz war sehr fortschrittlich und schlug wie Freiburg, die sich gerade durch ihr Nichteingreifen eine obligatorische Krankenversicherung mit einkom- ins Spitalwesen auszeichneten. In diesem Kanton unter- mensabhängigen Prämien vor. standen die Regionalspitäler der Verantwortung der Ge- 1900: Die «Lex Forrer» wird in einer Referendumsab- meinden, das Spital erhielt vom Kanton lediglich Gelder stimmung abgelehnt. in der Höhe von 0,2 % der Betriebskosten. Zum Vergleich: 1912: Annahme des KUVG (Kranken- und Unfallver- Der Kanton Genf finanzierte damals 3,8 % und der Kanton sicherungsgesetz) in der Volksabstimmung (1911 im Waadt 5,8 % der Spitalausgaben. bis Parlament verabschiedet). Das Gesetz sieht die Subventionierung der Krankenkassen sowie die Einfüh- Die Kantone engagierten sich auch stark bei Fragen rung der obligatorischen Unfallversicherung für einen des Gesundheitsschutzes.15 Dabei gingen sie von einem wesentlichen Teil der Arbeitnehmenden vor. Die Suva Präventionsbegriff aus, der eng mit den sozialen und wird mit der Durchführung der obligatorischen Unfall- umweltbedingten Gesundheitsdeterminanten verknüpft versicherung und mit der Aufsicht über die Arbeitssi- war: Bekämpfung übertragbarer Krankheiten (Tuberku- cherheit in den Betrieben beauftragt. lose, Geschlechtskrankheiten), Bekämpfung der Säug- 1994: Totalrevision des Gesetzes (Krankenversicherungsgesetz KVG). Das KVG befindet sich mittlerweile im 4. Versuch einer Teilrevision. 22 15 Siehe hierzu: Schweizerische Sanitätsdirektorenkonferenz (SDK), Hg., 1919–1994 – 75 Jahre SDK. Notizen zur Geschichte der Schweizerischen Sanitätsdirektorenkonferenz, von Andreas MINDER. Bern 1994, S. 13 ff. Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 2 Information von Kindern, Jugendlichen und Erwachse- Trinkwasserversorgung, Förderung der Wohnungshygi- nen. Sie vermittelte Dokumentationsmaterial an Schulen, ene, Abfallbeseitigung und Schulgesundheitspflege. Für Behörden und Ärzte und betrieb zu diesem Zweck eine die interkantonale Koordination war die heutige GDK im «Dokumentationsstelle für Gesundheitserziehung». Die- Wesentlichen zuständig. Zudem setzten die Kantone als se Überlegungen zur Prävention wurden aber mehr und Vollzugsbehörden die auf Bundesebene angesiedelten mehr in den Hintergrund gedrängt, da sich die kantonalen Kompetenzen um (Arbeitsschutz, Verhütung von Epide- Gesundheitspolitiken zur gleichen Zeit auf die zweite Pha- mien). Oft wurden Probleme der öffentlichen Gesundheit se der Spitalmodernisierung und auf die Finanzierung der wie etwa Tuberkulose oder Alkoholismus vom Bund erst Defizite in diesem Sektor konzentrierten. Teil II Zusammenarbeit lingssterblichkeit, des Alkoholismus, Verbesserung der Referenzrahmen Teil I wahrgenommen, nachdem die Kantone mehrmals nachBundesgesetz vom 13. Juni 1928 betreffend Massnahmen Ende des 20. Jahrhunderts – technologischer Fortschritt und Krise im Gesundheitssystem gegen die Tuberkulose und das Bundesgesetz vom 21. Juni Ab den 1980er-Jahren verstärkt der Staat seine Unter- 1932 über die gebrannten Wasser (Alkoholgesetz) die ers­ stützung für die so erfolgreiche kurative Medizin. Im ten Meilensteine im Hinblick auf eine zukünftige Präven­ medizinischen Bereich kommt es zu einer zweiten Mo- tionspolitik. dernisierungswelle der Spitäler, wobei diese in moderne drücklich insistiert hatten. Auf Bundesebene setzten das Teil III Unternehmen umgewandelt werden, die über die neues­ Zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts – Moderni­ sierung und Vormarsch der Sozialpolitik ten technischen Errungenschaften und über hoch qua­ Ab 1945 und bis in die 1980er-Jahre erlebte die Schweiz werden gebaut oder vergrössert und miteinander vernetzt eine Modernisierungswelle in der Sozial- und Gesund- (das Centre hospitalier universitaire vaudois CHUV in heitspolitik: 1948 wurde die Alters- und Hinterbliebenen- Lausanne, die Hôpitaux universitaires genevois HUG in versicherung (AHV) eingeführt, ab den 1950er-Jahren Genf, die Universitätsspitäler von Zürich und Basel und wurden die Spitäler erstmals modernisiert, 1951 verab- das Inselspital in Bern). Auch die Regionalspitäler erhal- schiedete man das Betäubungsmittelgesetz (Bundesge- ten modernes technisches Instrumentarium. Die Entwick- setz vom 3. Oktober 1951 über die Betäubungsmittel und lung der Spitäler geht einher mit ausserordentlichen the- die psychotropen Stoffe), 1959 das Bundesgesetz über rapeutischen Durchbrüchen und einer immer stärkeren die Invalidenversicherung, 1962 das Bundesgesetz über Nachfrage nach effizienten medizinischen Leistungen. Bundesbeiträge an die Bekämpfung der rheumatischen Neue, immer höher entwickelte medizinische Technolo- Krankheiten, 1969 das Bundesgesetz über den Verkehr gien kommen auf und lösen sich in einem raschen Rhyth- mit Giften (Giftgesetz) und das Bundesgesetz über die mus ab. Vor diesem Hintergrund gerät die Medizin und Tabakbesteuerung. Mit all diesen Massnahmen wurde eine mit ihr das Gesundheitssystem in eine Krise. Die Schul- Gesundheitspolitik verankert, die fortan auf zwei Säulen medizin, die mit ihrem enormen Zuwachs an Kenntnissen ruhte: auf dem Gesundheitsschutz und auf dem Zugang zu allmächtig erschien und bei der Bevölkerung überzogene medizinischer Pflege. Erwartungen geweckt hatte, wird nun scharf kritisiert. Der starke Ausbau der Spitalpflege während dieser ganzen Diese Kritik zielt auf das durch die medizinischen Institu- Periode war für die GDK Anlass, 1972 in der Vernehmlas- tionen vertretene Machtsystem. Fragen wie «Werden die sung zur Revision des Kranken- und Unfallversicherungs- Krise und die Kostenexplosion im Gesundheitswesen die gesetzes (KUVG) auf die aus ihrer Sicht unzulässige Privi- ungehemmte Ausdehnung des Pflegesektors bremsen?» legierung der Spitalpflege hinzuweisen. Sie wünschte eine werden nun gestellt. stärkere Förderung der Präventivmedizin angesichts der Parallel dazu beginnt man die Wirksamkeit der Medizin Kosten der stationären Medizin, die damals bereits eine immer stärker in Frage zu stellen. Die grossen Umwäl- jährliche Defizitsteigerung von 30 % verzeichneten.16 In zungen sowohl im technischen und therapeutischen Be- der Folge entstand die Stiftung für Gesundheitserziehung. reich (Chirurgie, Psychiatrie, Molekularbiologie) als auch Die Stiftung bezweckte die gesundheitliche Erziehung und im sozioökonomischen und politischen Bereich (dominie- Perspektiven lifiziertes Personal verfügen. Grosse Universitätsspitäler rende Rolle der Pharmaunternehmen im medizinischen 16 ebd., S. 76. System, Kostenexplosion und Krise des GesundheitsfiBand 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 2 23 Referenzrahmen Teil I Zusammenarbeit Teil II nanzierungssystems) geben die grossen Linien der Diskus­ Grundlagen zu stärken. 1987 wird im BAG die Sektion sion vor. Gianfranco Domenighetti, während 15 Jahren «Prävention» (Alkohol, Tabak, Drogen, Impfungen) ge- Vorsteher des Tessiner Gesundheitsdepartements, meint schaffen. 1989 richtet man mit Bundes- und Kantonsbei- dazu: «Die Zahl von 28 000 Operationen pro Jahr (sechs trägen einen Präventionsfonds ein. In Anlehnung an die Operationen im Leben einer Person) lässt Zweifel auf- Ottawa-Charta der WHO von 1986 wird die Präventions- kommen, wenn man weiss, dass in einigen Ländern wie arbeit in einen Kontext übergeordneter Überlegungen zur den USA die Anzahl Operationen nach Einführung einer Gesundheitsförderung eingebunden und geht so über die 17 ärztlichen Zweitkonsultation um 20 % bis 40 % sank.» ­Einige Kantone reagieren und richten Informations- und der Kanton Tessin, der 1983 ein Informationsprogramm zu Projekt «Zukunft Medizin Schweiz» (1999–2004) operativen Eingriffen lanciert hat, um die Häufigkeit von 1999 lancierten Ärztinnen und Ärzte im Umfeld der chirurgischen Interventionen bei der Kantonsbevölkerung Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissen- systematisch zu messen. schaften das Projekt «Zukunft Medizin Schweiz».9 Ziel Kontrollsysteme für das Gesundheitswesen ein, wie etwa Perspektiven Teil III 18 Mit diesem Projekt war der Kanton Tessin der Zeit vo- dieses Projektes ist die Neuorientierung der Medizin. raus. 20 Jahre später hat die schweizerische Akademie Damit wurde ein Thema in die öffentliche Debatte ein- der Wissenschaft die Frage nach der Wirksamkeit und der gebracht, das politisch bereits häufig diskutiert wurde: Grenzen der Medizin im Rahmen ihres Projekts «Zukunft die naturwissenschaftlich orientierte, einseitig auf die Medizin Schweiz» aufgegriffen. medizinische Versorgung der Bevölkerung ausgerichtete Medizin, die an Grenzen stösst – Grenzen zwischen Die 1980er- und 1990er-Jahre – erweiterter Gesundheitsbegriff: New Public Health Machbarem und Sinnvollem, ethische Grenzen; ökono- Die 1980er-Jahre bringen eine Wende in der Gesundheits- Die Neuorientierung hin zu einer ganzheitlicheren Me- politik, die sich nun verstärkt auf eine neue Konzeption dizin umfasst unter anderem folgende Aspekte: des Gesundheitsschutzes auszurichten beginnt und auch ■ Interdisziplinäres Arbeiten den Lebensstil und risikoreiches Verhalten berücksichtigt. ■ Gesundheitsförderndes und präventives Verhalten Dem Bund werden zunehmend neue Aufgaben im Hand- ■ Einbezug sozial- und geisteswissenschaftlicher Er- mische Grenzen. lungsfeld Gesundheit übertragen. 1981 tritt Aids weltweit kenntnisse bei der Erarbeitung medizinischer Mass- als lebensbedrohende Epidemie auf und fordert auch in nahmen der Schweiz entsprechendes Handeln. Einige Jahre später ■ sind auf den öffentlichen Plätzen in den Städten immer mehr Drogenabhängige zu sehen. Diese beiden gleichzei- Partnerschaftlicher Einbezug der Patientinnen und Patienten in Entscheidungsprozesse ■ Die Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte tig auftretenden Phänomene bilden den Beginn von na- der FMH, die fünf Medizinischen Fakultäten und die tionalen Präventionsprogrammen unter der Leitung des Schweizerische Akademie der Medizinischen Wis- BAG: Aids (1985), Drogen (1991), Tabak (1995), Alkohol senschaften führen die Arbeiten gemeinsam weiter, (1997). Ende der 1990er-Jahre lanciert der Bund zudem um einen Konsens über die Ziele, die Zuständig- jährliche Impfkampagnen gegen die Grippe. keiten und die Grenzen der Medizin zu erreichen. Als ein Vorentwurf für ein Bundesgesetz über Krankheitsvorbeugung 1984 in der Vernehmlassung am Widerstand Die Ärztinnen und Ärzte in der Schweiz sollten sich der Kantone und rechts stehender politischer Parteien in Zukunft nicht nur mit der «Linderung körperlicher scheitert, entscheidet der Bundesrat, die Prävention und seelischer Schmerzen und Leiden» beschäftigen, eher mittels konkreter Massnahmen als durch gesetzliche sondern auch mit der «Wiederherstellung der sozialen Funktionsfähigkeit» ihrer Patientinnen und Patienten. 17 Vincent BARRAS: «Le médecin, de 1880 à la fin du XXe siècle», in: L. Callebat (Hg.), Histoire du médecin, Flammarion, Paris 1999, S. 269– 307. 18 G. DOMENIGHETTI: De l’usage d’indicateurs classiques et alternatifs au niveau cantonal, Cahiers d’étude de l’ISH, Bd. 39, 1988, S. 88. 24 9 Siehe: Werner Stauffacher / Johannes Bircher (Hg.): Zukunft Medizin Schweiz. EMH Schweizerischer Ärzteverlag, Basel 2002. Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 2 Prävention zwischen den 1980er-Jahren und dem Jahr naus; sie beginnt, sich an den Gesundheitsdeterminanten 2000 zu verstärken und Public Health umfassender zu auszurichten (New-Public-Health-Ansatz). Dieser neue verstehen (New Public Health). In der Folge haben die Ansatz wird 1994 mit der bundesrechtlichen Verankerung Kantone eine Vielzahl von Programmen in sehr unter- der Stiftung für Gesundheitsförderung auch in das neue schiedlichen Bereichen konzipiert und umgesetzt: Sucht, Krankenversicherungsgesetz übernommen. HIV, Krebs, sexuelle Gesundheit, Arbeit, Ernährung, Alter, Parallel dazu zeugen seit 1987 mehr als zehn nationale psychische Gesundheit und seit kurzem auch Spielsucht. Forschungsprogramme (NFP) zu Gesundheitsproble- Der Schwerpunkt der kantonalen Aktivitäten liegt dabei Teil II Zusammenarbeit Aufforderung zu individuellen Verhaltensänderungen hi- Referenzrahmen Teil I men und zum Gesundheitssystem (siehe dazu auch das Bundesporträt in Band 2) von den Anstrengungen des New Public Health dizin abzielenden akademischen und privaten Forschung WHO und UNO haben mit der Annahme der Ottawa- zu schliessen. Schwerpunkte bilden dabei die Prävention Charta zur Gesundheitsförderung (1986) und der von kardiovaskulären Krankheiten (NFP 1), von neurolo- UN-Agenda 2120 zur nachhaltigen Entwicklung (1992) gischen Krankheiten (NFP 38) und von muskuloskeleta- internationale Referenzrahmen erarbeitet und den len Krankheiten und chronischen Schmerzen (NFP 53), Grundstein für ein umfassendes Verständnis von Ge- die Berücksichtigung der Umwelt als Gesundheitsdeter- sundheit gelegt. Die Charta vertritt eine dynamische minante (NFP 26) sowie die Wirtschaftlichkeit und die Auffassung von Gesundheit. Gemäss dieser Definition Wirksamkeit des schweizerischen Gesundheitssystems ist Gesundheit ein physischer, psychischer und sozialer (NFP 8). Die klinische, therapieorientierte Forschung Prozess, der es dem Menschen erlaubt, sich seiner Um- bleibt allerdings dominierend: Sie profitiert zwar weni- gebung anzupassen und ein erfülltes Leben zu führen. ger von der eidgenössischen Forschungsförderung, dafür Die Ottawa-Charta beinhaltet die folgenden Punkte: umso mehr von einer breiten privaten Finanzierung. ■ ein umfassender Gesundheitsbegriff Nicht nur der Bund, auch die Kantone äussern den ■ die Respektierung individueller und sozialer Gleich- Wunsch nach einer Neuausrichtung ihrer Gesundheitspolitiken. Die Interventionen des Bundes in den Bereichen gewichte ■ Drogen und HIV/Aids wirken als Katalysator und führen ein umfassendes Vorgehen in der Gesundheitsförderung dazu, dass die Mehrheit der Kantone ihre Präventions- ■ eine Perspektive der Selbstverantwortung anstrengungen entweder durch die Umsetzung der eid- ■ ein partizipativer Ansatz genössischen Politik oder durch die Lancierung eigener ■ demokratisches Bemühen Programme ver­stärkt. Anlässlich eines interkantonalen ■ Engagement zugunsten der ganzen Bevölkerung Treffens, das 1987 in Lausanne stattfindet und an dem die Teil III Perspektiven Bundes, die Lücken der mehrheitlich auf die kurative Me- und zur Bekämpfung von Ungleichheiten Kantone Bern, Genf, Tessin und Waadt sowie der Bund Ein solches Verständnis von Gesundheitspolitik führt als Gäste teilnehmen, formuliert die Gruppe für interkan- notwendigerweise zu einem Paradigmenwechsel, weg tonale Zusammenarbeit die Absicht, die kantonalen Ge- vom pathogenetischen Ansatz («Was macht den Men- sundheitspolitiken vermehrt auf Gesundheitsförderung schen krank?») hin zur Salutogenese («Was hält den und Prävention und auf eine effiziente und wirtschaftliche Menschen gesund?»). Ansätze zu einem umfassenden Verwaltung der Spitäler durch DRG («Diagnosis related und multisektoralen Gesundheitsverständnis gibt es in groups», ein System zur Patientenklassifikation) auszu- der Schweiz seit den 1980er-Jahren. Durch die aktuel­ richten. Die «Strategie Gesundheit für alle» der WHO aus len Diskussionen auf Bundesebene zu einer Neurege- dem Jahr 1984 bildet das Motto dieser Tagung. Dies ist lung der Prävention und Gesundheitsförderung werden der Anfang einer Reihe von Reflexionen über die Bedeu- sie zusätzlich gestärkt. tung der Gesundheitsdeterminanten und der Tatsache der gesundheitlichen Ungleichheit in der Bevölkerung der Schweiz. Die Neuorientierung hat eine Mehrheit der Kantone dazu angeregt, ihre Politiken der Gesundheitsförderung und 20 Mit der UN-Umwelt- und Entwicklungskonferenz in Rio de Janeiro 1992 wurde die Idee einer nachhaltigen Entwicklung zu einem gemeinsamen Leitbild der globalen Staatengemeinschaft für das 21. Jahrhundert. Die Agenda 21 ist ein Aktionsprogramm zur Umsetzung dieser Idee weltweit. Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 2 25 Referenzrahmen Teil I Zusammenarbeit Teil II Perspektiven Teil III immer noch auf dem Gebiet der Prävention, wenn auch Gesundheitsförderung im neuen kantonalen Gesetz zur multisektoral ausgerichtete Projekte wie das «Netzwerk Gesundheitsförderung Gesundheitsfördernder Spitäler» lanciert werden oder (Legge sulla promozione della salute e il coordinamento Bestrebungen zur Einführung von Gesundheitsverträg- sanitario – Legge sanitaria). lichkeitsprüfungen erkennbar sind. Der Kanton St. Gallen hat 1979 ein Amt für Gesundheits- Die Kantone Tessin und St. Gallen spielen in diesem Zu- vorsorge eingerichtet, dem die Stelle eines Präventiv- sammenhang eine Vorreiterrolle. Im Kanton Tessin wurde mediziners angegliedert wurde. Die ersten Präventions- die «Sezione sanitaria» 1976 als autonome Verwaltungs- programme dieses Amtes stammen aus dem Jahr 1990 struktur eingerichtet und 1994 wird sie in das «Ufficio di zum Thema medizinische Reiseberatung. Die Fachstelle promozione e di valutazione sanitaria» eingegliedert. Der ­ZEPRA Prävention und Gesundheitsförderung – heute für Kanton führt viele Präventionsprogramme durch und hat- die Kantone St. Gallen und Graubünden zuständig – gibt und Gesundheitskoordination te bereits 1983 als Reaktion auf die Ergebnisse des NFP 1 es seit 1990. ein mehrjähriges kantonales Präventionsprogramm zu den In den 1990er-Jahren haben viele Kantone ihre Verfas- kardiovaskulären Krankheiten lanciert (1984–1989), mit sungen und Gesundheitsgesetze den veränderten Gege- welchem die Risikofaktoren Rauchen, hoher Blutdruck, benheiten angepasst und sich die Kantone Tessin und Bewegungsmangel, einseitige Ernährung und Überge- St. Gallen zum Vorbild genommen. Die Kantone haben der wicht bekämpft werden sollten. 1989 verankerte er die Prävention und der Gesundheitsförderung mehr Gewicht Health Impact Assessment (HIA) Das schweizerische Gesundheitssystem kostet jährlich rund 48 Milliarden CHF. Es vermag jedoch den Gesundheitszustand der Bevölkerung nur um 10 bis 15 % zu beeinflussen Die WHO weist seit den 1980er-Jahren darauf hin, dass nicht nur die Qualität und der Zugang zu medizinischen Leistungen den Gesundheitszustand einer Bevölkerung beeinflussen. Zu 90 % hängt die Gesundheit von den Lebensumständen der einzelnen Menschen ab (Wohnsituation, Arbeit, Arbeitslosigkeit, Verhaltensweisen und Lebensstile …). Diese Lebensumstände wiederum werden durch die Wirtschafts-, die Sozial-, die Umwelt- und die Ausländerpolitik beeinflusst. Man weiss heute beispielsweise, dass der sozioökonomische Status von Personen deren Gesundheit zu 45 bis 50 % prägt und dass die ausschlaggebenden Elemente dieses Status die folgenden sind: Bildungsgrad, ausgeübter Beruf, Arbeitsbedingungen, Vermögen und Einkommen. Die anderen entscheidenden Faktoren sind umweltbezogen: Lärm, Trinkwasser, Luftqualität, Strahlung, chemische und toxische Produkte, Infektionskrankheiten. Auf diesem Hintergrund rechnen Gesundheitsökonomen heute vor, dass die hohen Investitionen in den kurativen Gesundheitsbereich kaum noch zu rechtfertigen seien. Die WHO hält im Zusammenhang mit der Verwirklichung der Entwicklungsziele bis 2015 fest, dass Gesundheitspolitik nicht isoliert betrieben werden dürfe, sondern mit anderen Politikfeldern vernetzt bzw. in ihnen eingebettet sein müsse. Angesprochen sind die Fiskal- und Haushaltpolitik, der Umweltschutz, der Verkehr oder das Bildungswesen. Ein Instrument Health Impact Assessment (HIA) sollte entwickelt werden. In der Schweiz haben die Kantone Freiburg, Jura und Wallis während der 1990er-Jahre den ganzheitlichen Gesundheitsbegriff sowie HIA in die revidierten Gesundheitsgesetze aufgenommen. Diese drei Kantone sind zusammen mit dem Kanton Genf und dem Tessin daran, das Instrument HIA weiterzuentwickeln. In der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren (GDK) hat eine Arbeitsgruppe zum Thema HIA («Etudes d’Impact sur la Santé») im Jahre 2003 ein Argumentarium und einen Bericht zum Thema verfasst, ohne dass diese Arbeit innerhalb der GDK jedoch zu weiteren Schritten geführt hätte. Die Stiftung Gesundheitsförderung Schweiz ist zurzeit daran, in Zusammenarbeit mit dem Tessin ein Projekt für eine Informationsplattform zum Thema HIA zu lancieren. Auf Bundesebene hat das BAG im Jahre 2004 einen Bericht zur multisektoralen Gesundheitspolitik verabschiedet, mit dem das Amt andere Bundesstellen in ein gemeinsames Vorgehen einbinden möchte. 26 Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 2 gegeben und mit einem multisektoralen und ganzheitlichen Gesundheitsverständnis gearbeitet. Allein seit 1998 haben 13 Kantone ihre Gesundheitsgesetze umfassend revidiert bzw. die Revision eingeleitet (vgl. Tabelle 1). Referenzrahmen Teil I Tabelle 1: Übersicht über kantonale Gesundheitsgesetze, die seit 1998 umfassend revidiert wurden oder in Revision sind (ohne Spitalgesetze) (Stand: Dezember 2004) Teil II Neues Gesundheitsgesetz seit dem 1. 1. 1998 Freiburg Neues Gesundheitsgesetz seit dem 16. 11. 1999 Der Begriff «Prävention» selbst kommt in den Bestim- Appenzell I. Rh. Neues Gesundheitsgesetz seit dem 1. 1. 1999 mungen der deutschsprachigen Kantone kaum vor, in Solothurn Neues Gesundheitsgesetz seit dem 1. 1. 2000 plus neue Vollzugsverordnung Bern Neue Verfassung 1992 (Förderung natürlicher Heilmethoden: Art. 41 Abs. 4) Neues Gesundheitsgesetz seit dem 1. 1. 2001 plus neue Gesundheitsverordnung Schwyz Der Kanton Schwyz kennt kein Gesundheitsgesetz, sondern eine Verordnung über das Gesundheitswesen, die sich auf § 40 der Kantonsverfassung stützt. Die Verordnung stammt aus dem Jahre 1971. Totalrevision in Bearbeitung seit 1998. Totalrevision in Kraft seit dem 1. 1. 2004 Waadt Neues Gesundheitsgesetz seit dem 1. 1. 2004 jenen der Westschweizer Kantone hat er sich jedoch seinen gebührenden Platz erobert. In der Deutschschweiz ist eher die Rede von «Gesundheitsschutz, Gesundheitsvorsorge, Verhütung von Krankheiten oder Gesundheitsförderung». Die entsprechenden Bestimmungen finden sich in den Kantonsverfassungen, in kantonalen Gesundheitsgesetzen, in Verordnungen und Reglementen, in interkantonalen Vereinbarungen oder in Legislaturprogrammen, regierungsrätlichen Richtlinien und Gesundheitsleitbildern. Parallel zu diesen Bestimmungen haben die Kantone innerhalb oder ausserhalb der eigenen Verwaltung entsprechende Struk- Teil III Perspektiven Wallis Prävention und Gesundheitsförderung in den Kantonen Zusammenarbeit Neue bzw. revidierte Gesundheitsgesetze turen für die Koordination und Umsetzung der Bestimmungen entwickelt. Immer mehr gibt man die simple Umsetzung von sektoriellen Präventivmassnahmen auf zugunsten einer umfassenden Konzeption einer Prä- Gesundheitsgesetze in Bearbeitung Zürich Entwurf zu einem revidierten Gesundheitsgesetz 1999. Der Regierungsrat hat den Entwurf Anfang 2005 zuhanden des Kantonsrates verabschiedet. Neues Patientinnen- und Patientengesetz seit 2004 Genf Gesundheitsgesetz in parlamentarischer Beratung seit 2005 Basel-Stadt Motion 2003 betreffend die Ausarbeitung eines umfassenden Gesundheitsgesetzes. Das alte Gesetz stammt aus dem Jahr 1879. Gesundheitsgesetz zurzeit in Ausarbeitung Appenzell Totalrevision des aus dem Jahre 1986 stammenden Gesundheitsgesetzes geplant. Eine vom Regierungsrat eingesetzte Expertenkommission hat einen umfangreichen Thesenkatalog erarbeitet. Der Gesetzesprozess wird rund eineinhalb Jahre dauern. ventions- und Gesundheitsförderungspolitik (ein Beispiel ist die Gesundheitsförderungspolitik des Kantons Genf). Die Umsetzung der Bestimmungen zu Gesundheitsförderung und Prävention erfolgt in den Kantonen in Form von Aktionsplänen, Strategien, Kampagnen und Programmen durch private Partnerorganisationen auf der Basis von Leistungsverträgen. Es gibt erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen Kantonen in Bezug auf ihr Engagement im Bereich Prävention und Gesundheitsförderung: Der Kanton Uri hat nach eigenen Angaben im Jahre 2002 rund 55 000 Ausserrhoden CHF für die Gesundheitsförderung und Prävention (inkl. Aidsprävention) ausgegeben, davon 15 000 CHF aus dem Alkoholzehntelfonds. Das macht rund CHF 1.60 pro Kopf der Bevölkerung des Kantons Uri. Genf konnte demgegenüber im Jahre 2001 CHF 60 Mio. in- Luzern Totalrevision des Gesundheitsgesetzes in Vernehmlassung vestieren, das sind 140 CHF pro Kopf. In der Regel werden die Gelder vorwiegend für die Prävention im Suchtbereich und (noch?) nicht für die eigentliche Gesundheitsförderung eingesetzt. Quelle: Zusammenstellung BAG, Sektion Strategie und Gesundheitspolitik CH (2004) Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 2 27 Referenzrahmen Teil I Zusammenarbeit Teil II Perspektiven Teil III Wie Vincent Barras, Medizinhistoriker an der Universität sends stark beschäftigt. Den Auftakt dazu bildet die To- Lausanne (Institut universitaire de l’histoire de la méde- talrevision des Krankenversicherungsgesetzes (KVG) im cine et de la santé publique, IUHMSP) bemerkt, trugen Jahr 1994. Die stetig steigenden Krankenkassenprämien mehrere andere Faktoren ebenfalls zu einer Änderung der sowie die ständigen Gesetzesrevisionen (vier Revisions- Perspektive in der Gesundheitspolitik bei: «Betont wer- bemühungen innerhalb von zehn Jahren) werden die De- den muss die verstärkte Wahrnehmung des Patienten als batte um die Finanzierung des Gesundheitssystems weiter Hauptperson des medizinischen Vorgehens und der thera- verschärfen. Drastische Massnahmen stehen nun zur Dis- peutischen Entscheide, das Aufkommen von bioethischen kussion, etwa die Leistungsrationierung in der Grundver- Bedenken auf kollektiver Ebene, das Phänomen des me- sicherung, das Verbot der Neueröffnung von Arztpraxen dizinischen Pluralismus aufgrund des intensiven globalen oder die Aufhebung des Vertragszwangs zwischen Versi- Austausches sowie der Einbezug der sozial- und umwelt- cherern und Leistungserbringern. bedingten Gesundheitsdeterminanten.» Die aktuellen Schlüsselbegriffe in der Spitalentwicklung 21 Im Laufe der 1980er- und 1990er-Jahre entstehen die ge- der Kantone heissen Restrukturierung, Netzwerkbildung, setzlichen Grundlagen, die den Rahmen für die Regelung Managed Care, Qualitätssicherung und Schaffung von einer weiteren wichtigen Gesundheitsdeterminante schaf- Kompetenzzentren. Die Verlagerung des Bedarfs weg fen: der Umwelt. Dazu gehören das Bundesgesetz vom von den Akutpflegebetten hin zur Langzeitpflege und 7. Oktober 1983 über den Umweltschutz (Umweltschutz- zur Rehabilitation, die Verkürzung der Spitalaufenthalte, gesetz) (1983), die Luftreinhalteverordnung (1985) und die Psychiatrieplanung oder die Konzentration der Spit- die Lärmschutzverordnung (1986) sowie das Gewässer- zenmedizin gehören zu den neuen Hauptstrategien der schutzgesetz (1991). Zwanzig Jahre später führt dieser Kantone. Dabei überschreitet die Spitalpolitik die eigenen Prozess zur Aufnahme eines Artikels zur nachhaltigen Grenzen: Ausgebaut werden sollen zukünftig auch die Entwicklung und zum Schutz der Umwelt in die revidierte spitalexterne Krankenpflege, die Übergangspflege, die Be- Bundesverfassung von 1999. Die «Strategie Nachhaltige reitstellung von Tagesklinikbetten oder neue Strukturen Entwicklung 2002» des Bundesrats hat viele Kantone und für die ambulante Behandlung. Im Bereich der Betreuung Gemeinden veranlasst, ebenfalls in diese Richtung aktiv von älteren Menschen, der psychischen Gesundheit und zu werden. Auch das BAG beteiligt sich an den Überle- der nicht übertragbaren chronischen Krankheiten hat die gungen zum Einfluss der Umwelt auf die Gesundheit. In zu erwartende starke Zunahme der Gesundheitskosten Erfüllung parlamentarischer Anfragen und internationa- einen Reflexionsprozess eingeleitet. Andere Gesundheits- ler Abkommen können das BAG und andere Bundesämter probleme wie die Zunahme von Übergewicht oder des ihre multisektoralen Politiken ausweiten und Themen wie Burnout-Syndroms haben zur Lancierung neuer Projekte Migration, geschlechterbezogene Gesundheitsfragen oder und Programme im Bereich Ernährung und Bewegung Gesundheitsdeterminanten wie Ernährung und Bewegung oder der betrieblichen Gesundheitsförderung geführt. bearbeiten. 2004 verabschiedet das BAG ein «Leitbild für Parallel zu diesen Entwicklungen werden aufgrund von eine multisektorale Gesundheitspolitik», mit dem andere Sparmassnahmen auf kantonaler wie auf nationaler Ebene Bundesämter in ein gemeinsames Vorgehen eingebunden verschiedene Präventions- und Gesundheitsförderungs- werden sollen. programme redimensioniert (z. B. wurde das Programm «Gender Health» im Bundesamt für Gesundheit um die Beginn des 21. Jahrhunderts – Redimensionierung der medizinischen Versorgung Hälfte reduziert) oder sogar ganz aufgegeben (z. B. das Die in den 1980er-Jahren begonnenen Überlegungen zur Zu Beginn des 21. Jahrhunderts ist das Thema Patienten- Rationalisierung der medizinischen Versorgung sowie zur rechte sowohl bei den Kantonen als auch beim Bund aktu- Finanzierung des Gesundheitssystems haben die Politik ell. Das Thema berührt verschiedene Bereiche: Versicher- in den 1990er-Jahren und zu Beginn des neuen Jahrtau- tenkarte, Patientenkarte, Datenschutz, gleicher Zugang Programm «Gesundheit und Umwelt» APUG ab 2007). für alle zu medizinischer Versorgung, Pflegequalität, Informationen und Zugang zu Patientendossiers, Patienten21 Vincent BARRAS: «Le médecin, de 1880 à la fin du XXe siècle», in: L. Callebat (Hg.), Histoire du médecin, Flammarion, Paris 1999, S. 269– 307. 28 verfügungen oder auch Empowerment und Gesundheitskompetenzen. In den vergangenen Jahren hat sich die Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 2 lichen Lebens eingreifen kann. Deshalb werden gesetzliche entwickelt. In der Westschweiz liegen die meisten dieser Bestimmungen erlassen zur Regelung der medizinisch Rechte in ziemlich harmonisierter Form vor und die Unter­ unterstützten Fortpflanzung (Bundesgesetz vom 18. De- schiede von Kanton zu Kanton sind nur mehr geringfügig. zember 1998 über die medizinisch unterstützte Fortpflan- Dies hängt mit der Anpassung an die Rechtsprechung des zung), zur Stammzellenforschung (Bundesgesetz vom Bundesgerichts zusammen, aber auch mit einer gesell- 19. Dezember 2003 über die Forschung an embryonalen schaftlichen Forderung angesichts der «medizinischen Stammzellen (Stamm­zellenforschungsgesetz, StFG), zur Macht». Patientinnen und Patienten, Konsumentinnen Organtransplantation (Bundesgesetz über die Transplan- und Konsumenten sind heute viel sensibler in Bezug auf tation von Organen, Geweben und Zellen, 2004), zur Gen- ihre Rechte und verlangen eine stärkere Anerkennung technik (Bundesgesetz über genetische Untersuchungen derselben. Die Menschenrechtskonvention zur Biomedi- beim Menschen, 2004) und zum Klonen. Teil II Zusammenarbeit kantonale Reglementierung von Patientenrechten stark Referenzrahmen Teil I zin des Europarats sollte sich in der nächsten Zeit als neue Schlussfolgerungen Kantone und der Kanton Zürich im Gegensatz zu ande- Dieser Überblick über die Geschichte der schweizerischen ren Kantonen wie Solothurn ihre Gesetzgebung bezüglich Gesundheitspolitiken lässt den Schluss zu, dass die aktu- der Patientenrechte ausgebaut haben, weist auf die Be- elle Gesundheitsgesetzgebung auf alten Grundlagen be- deutung des Themas hin und sollte verhindern, dass diese ruht, die ständig aktualisiert wurden und werden, ohne Rechte in der Bundesgesetzgebung aufgehen. Aufgrund dass dabei wesentliche Prinzipien geändert wurden. Wie ihrer Kohärenz und ihres Umfangs stellen die kantonalen bereits im 19. Jahrhundert dreht sich die politische Dis- Patientenrechtsgesetze ein interessantes und originelles kussion im Wesentlichen um die kurative Medizin und Modell dar. Sie tragen auch zur Rechtssicherheit in einem um den Schutz vor Gesundheitsrisiken im traditionellen sich stark entwickelnden Gebiet bei. Verständnis. Berücksichtigt man allerdings die im Bun- Auf eidgenössischer Ebene bilden die im 19. Jahrhundert desparlament behandelten Fragen oder die Stellungnah- eingeführten Massnahmen auf dem Gebiet des Gesund- men der wichtigsten Akteure des Gesundheitssystems, so heitsschutzes auch heute noch eine der Hauptaktivitäten stellt man fest, dass Fragen des Public Health an Bedeu- des Bundes. Das Bundesamt für Gesundheit erhielt und tung verloren haben im Vergleich zu den Problemen des erhält regelmässig neue gesetzliche Mandate in die- Gesundheitsmanagements, zur Finanzierung der medizi- sem Bereich, so zum Beispiel das Strahlenschutzgesetz nischen Versorgung und Pflege und zur Reglementierung (1991), das Bundesgesetz über Arzneimittel und Medi- neuer Technologien. Die berechtigten Anstrengungen zur zinalprodukte (Heilmittelgesetz, 2000), die Verordnung Kontrolle der Gesundheitskosten verdrängen die dringend zur Prävention der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (2002), notwendige öffentliche Diskussion über Gesundheitsziele Massnahmen zur Bekämpfung des Bioterrorismus (2002), für die ganze Bevölkerung, über Patientenrechte oder die Verordnung zur Verhinderung der Einschleppung von über gesundheitliche Chancengleichheit. Teil III Perspektiven Referenz etablieren. Die Tatsache, dass die Westschweizer neu auftretenden Infektionskrankheiten (SARS, Vogelgrippe, 2003–2005). Alte oder überholungsbedürftige Gesetze werden revidiert: Das Giftgesetz aus dem Jahr 1969 (neues Chemikaliengesetz) oder das Gesetz über Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände von 1992. 2.2 Föderalismus und Subsidiaritäts­ prinzip Eine weitere aktuelle Tendenz besteht in der Zentrali­ Das zweite Merkmal des schweizerischen Gesundheits- sierung der Zuständigkeiten beim Bund, insbesondere in systems ist seine föderalistische Organisation. Seit der Bereichen, die den medizinischen Fortschritt betreffen. Gründung der Eidgenossenschaft im Jahr 1848 bestimmt Im Zusammenhang mit seinem Auftrag zum Schutz der der Föderalismus durch die Aufgaben- und Kompe- Gesundheit wird sich der Bund immer stärker bewusst, tenzaufteilung zwischen Bund, Kantonen und Gemeinden dass die mittlerweile so dominant gewordene Medizin die Konstruktion des Gesundheitssystems. Im Bereich der nicht mehr nur zur Wiederherstellung der Gesundheit bei- Gesundheit weist die 1999 revidierte Bundesverfassung trägt, sondern nun – meistens im Namen des Fortschritts – wie jene von 1848 dem Bund eine subsidiäre Rolle zu. Die in bisher unantastbar gebliebene Bereiche des mensch- allgemeine Zuständigkeit im Bereich der öffentlichen Ge- Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 2 29 Referenzrahmen Teil I Zusammenarbeit Teil II Perspektiven Teil III sundheit liegt bei den Kantonen. In Artikel 3 hält die Ver- Man kann somit nicht von einem einzigen Gesundheits­ fassung fest: «Die Kantone sind souverän, soweit ihre Sou- system für die ganze Schweiz sprechen und schon gar veränität nicht durch die Bundesverfassung beschränkt nicht von einer einzigen Gesundheitspolitik. ist; sie üben alle Rechte aus, die nicht dem Bund über- Die letzten Jahrzehnte zeichneten sich durch eine zu- tragen sind.» Gemäss diesem Artikel ist die öffentliche nehmende Zentralisierung der Kompetenzen im Gesund- Gesundheit hauptsächlich Sache der Kantone, die auch heitsbereich aus. Dadurch wurde der Föderalismus im Gesetze erlassen können, sofern sie dies als notwendig er- Bereich Gesundheit als solcher zur Diskussion gestellt achten. Artikel 43 der Bundesverfassung hält zudem fest, und die Frage nach der neuen Rolle von Kantonen und dass die «Kantone bestimmen, welche Aufgaben sie im Gemeinden aufgeworfen, nach ihrem Grad an Finanz- und Rahmen ihrer Zuständigkeiten erfüllen». Laut Artikel 42 Entscheidungsautonomie und der Art und Weise, wie der der Bundesverfassung erfüllt der Bund «die Aufgaben, die Bund diese beiden staatspolitischen Ebenen in die Ent- ihm die Bundesverfassung zuweist». Aber auch wenn die scheidfindung einzubeziehen habe. Bundesverfassung für den Bund im Bereich der Gesund- Der Einfluss des Föderalismus auf die politischen Ent- heit eine subsidiäre Rolle vorsieht, so nimmt er trotzdem, scheidungsprozesse hat sich erst kürzlich im Rahmen der wie die Gemeinden auch, eine ganze Reihe wichtiger Auf- Revision des Krankenversicherungsgesetzes (KVG) in al- gaben wahr. ler Deutlichkeit wieder bestätigt: Bei der Diskussion über Die Gesundheitslandschaft in der Schweiz wird heute also die Finanzierung der Langzeitpflege fordern die Kantone von 26 kantonalen Gesundheitspolitiken sowie von einer vom Bund, als gleichwertige Partner angehört und in den sich parallel dazu entwickelnden Bundespolitik geprägt. Entscheidungsprozess eingebunden zu werden. Der schweizerische Föderalismus 1848, im Kontext des Vormärz und der nationalen Aussöhnung, gelingt in der Schweiz die Revolution. Eine Kommission mit Vertretern des Freisinns, der Liberalen und der besiegten Kantone erarbeitet die Verfassung vom 12. September 1848. Diese verbindet den Grundsatz der nationalen Aussöhnung mit kantonaler Autonomie. Die Bundesregierung ist zuständig für Verteidigung, Aussenpolitik und für einige weitere Bereiche von nationaler Bedeutung wie die Bekämpfung von übertragbaren Krankheiten. Zusammen mit dem Instrument der direkten Demokratie stellt der Föderalismus einen der wichtigsten Pfeiler der schweizerischen Verfassungsordnung dar. Er lässt sich als eine spezielle Form der staatlichen Dezentralisierung beschreiben, mit der auf Bundesebene die Integration von unabhängigen und ethnisch, kulturell und wirtschaftlich heterogenen Regionen vorgenommen und der Staat in Bürgernähe rückt. Philosophisch gesehen beruht der Föderalismus auf einer gemeinschaftlichen Vorstellung von Demokratie (direkte Demokratie) und auf dem Grundsatz der Subsidiarität. Dieses Prinzip räumt kleinen Einheiten eine hohe Autonomie ein und basiert auf dezentralisierten Entscheidungsebenen bei Gemeinden und Kantonen. Dem Bund kommt in diesem System nur eine subsidiäre Rolle zu. Heute definiert sich Föderalismus anders: Das neue Verständnis geht davon aus, dass die demokratischen Grundsätze des Staates gewährleistet sind, legt die Machtteilung zwischen den staatlichen Stellen fest und schützt die Minderheiten, indem es ihnen die grösstmögliche territoriale Unabhängigkeit einräumt.22Der in ständiger Wandlung begriffene schweizerische Föderalismus sieht sich heute mit neuen Herausforderungen konfrontiert, sei es der neue Finanzausgleich, die europäische Integration oder die Rolle von wachsenden Städten und Agglomerationen. Der Bund hat mehrere Reformen lanciert, um mit diesen neuen Entwicklungen Schritt zu halten. Die Revision der Bundesverfassung von 1999 legte den Schwerpunkt auf einen Föderalismus, der Partizipation und Zusammenarbeit fördert. Die Schaffung von Dialoggefässen zwischen Bund und Kantonen beweist, dass die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen staatspolitischen Ebenen mittlerweile ebenso wichtig ist wie eine klare Abgrenzung der Zuständigkeiten. 22 Handbuch der Schweizer Politik, Artikel zum Föderalismus, Adrian VATTER, S. 78–79, NZZ-Verlag 1999, hg. von Ulrich KLÖTI et al. 30 Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 2 1848–1990: Klare Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen Bund und Kantonen Das Reglement des Freiburger Gesundheitsrates galt bis Im Laufe des 19. Jahrhunderts entwickelte sich die Schweiz die Freizügigkeit des Medizinalpersonals in der Schweize- vom Staatenbund zum Bundesstaat. Nach dem kurzen In- rischen Eidgenossenschaft. Auch die Kostenkontrolle war termezzo der helvetischen Republik (1798–1803), das den schon damals gang und gäbe. So schrieb eine Bedürfnis- Untergang des Ancien Régime besiegelte, wurde mit der klausel vor, die Anzahl der Apotheken müsse proportional Mediation, die den föderalistischen Aufbau der schweize- zur Bevölkerung sein und dürfe nicht ohne absolute Not- rischen Eidgenossenschaft anerkannte, eine neue Seite wendigkeit erhöht werden. Das Freiburger Reglement von der Schweizer Geschichte aufgeschlagen. Während die 1804 sah zudem vor, dass «kein Arzt oder Chirurg ohne Geschichte der Gesundheitsgesetzgebung auf Bundesebe- Notwendigkeit teure Arzneimittel verschreiben darf». Die ne weitgehend bekannt ist, ist diejenige des kantonalen Arzneimittelpreise durften von den Apothekern nicht frei Gesundheitsrechts bisher noch nicht geschrieben worden. festgelegt werden, sondern wurden vom Gesundheitsrat Es gibt praktisch keine wissenschaftlichen Publikationen, bestimmt. Noch in den Kinderschuhen steckte jedoch die anhand deren die Entwicklung der Gesundheitspolitik in Gewährleistung des Zugangs zu medizinischer Pflege für den Kantonen nachgezeichnet werden könnte. Auf der alle. Es wurde allerdings festgelegt, dass «(…) Personen, Grundlage der Arbeiten von Dominique Sprumont, stell- deren Bedürftigkeit durch die lokale Behörde bezeugt ist, vertretender Direktor des «Institut de droit de la santé» Anrecht auf kostenlose Behandlung haben». Diese Anord- der Universität von Neuenburg, soll hier trotzdem ein kur- nung ergänzte die Verpflichtung der Gemeinden zur Un- zer Abriss versucht werden. terstützung von Mittellosen. Nach der Gründung des Bundesstaates gaben sich die Wie dieser kurze historische Abriss des Kantons Freiburg Kantone neue Verfassungen und die kantonalen Gesetz- zeigt, verfolgen die Kantone seit dem 19. Jahrhundert bei zum Inkrafttreten des Bundesgesetzes von 1877 betreffend Zusammenarbeit Teil II Teil III Perspektiven 23 Referenzrahmen Teil I gebungen wurden modernisiert. Die Zuständigkeit für die Gesundheitspolizei lag im Allgemeinen bei den Kantonen und den Gemeinden. So erliess der Kleine Rat des Kantons Freiburg 1804 beispielsweise ein erstes gesundheitspolizeiliches Reglement, das die Verantwortung des Staates Tabelle 2: Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen Bund und Kantonen zu Beginn des 20. Jahrhunderts Kantonale Zuständigkeit ■ Gesundheitsgesetzgebung ■ Gesundheitspolizei ■ Spitalplanung und Planung der Pflege- (Kantons) in diesem Bereich festlegte. Ein Jahr zuvor hat- einrichtungen te er einen Allgemeinen Gesundheitsrat eingesetzt.24 Das ■ Präventionsmassnahmen gegen einige Reglement dieses Rates enthielt 66 Artikel zur Gesundheit nicht übertragbare Krankheiten (mit Ausnahme der Tuberkulose) des Menschen (Reglementierung der Ausübung der Medizinalberufe [Ärzte, Apotheker und Hebammen] und des Verkaufs von Giften zum Schutz der Patienten vor möglichen Scharlatanen) sowie 82 Artikel zur Gesundheit des Viehs als wirtschaftlicher Ressource. Die Gesetzgebung Bundes­ zuständigkeit (chronologische Reihenfolge) ■ Bundesgesetz betreffend die Arbeit in ■ jener Zeit verbot den Verkauf von Medikamenten durch Ärzte; Arzneimittel und Gifte durften nur von öffentlichen Apotheken angeboten werden. Die Ärzte hingegen ver- ■ fügten über die alleinige Kompetenz, Arzneimittel zu verschreiben. Weiter gab es Vorschriften zur Erteilung von Praxisbewilligungen. Wie heute war das entscheidende Element zur Berufsausübung die absolvierte Ausbildung. 23 «La législation sanitaire fribourgeoise: une législation en mouvement», Dominique SPRUMONT, Assistenzprofessor an den Rechtsfakultäten der Universitäten Freiburg und Neuenburg. Revue fribourgeoise de jurisprudence, Spezialnummer «RFJ 10 ans», Le droit en mouvement, Freiburg 2002. 24 Dieser ehemalige Rat ist heute die Aufsichtskommission für die Gesundheitsberufe und Patientinnen- und Patientenrechte. ■ ■ den Fabriken (1877) – Gesundheitsschutz für Arbeitnehmende Bundesgesetz betreffend die Freizügigkeit des Medizinalpersonals in der Schweizerischen Eidgenossenschaft (1877) – Schutz vor Scharlatanerie Bundesgesetz vom 18. Dezember 1970 über die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten beim Menschen (Epidemien­ gesetz) (1886) – Schutz vor übertragbaren Krankheiten Bundesgesetz über Lebensmittel (1905) – Konsumentenschutz Bundesgesetz über die Krankenversicherung (1911) – Zugang zu Pflege für einen Grossteil der Bevölkerung und Schaffung einer öffentlichen Unfallversicherung für Industriearbeiter (SUVA) Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 2 31 Referenzrahmen Teil I Zusammenarbeit Teil II der Regelung der medizinischen Berufe und der Gesund- ter oben erwähnten interkantonalen Tagung in Lausanne heitsinstitutionen zwei Ziele: den Schutz der Bevölkerung diese Aufgabenteilung – Gesundheitsschutz als Aufgabe vor Scharlatanen und Giftverkäufern und den Zugang zu des Bundes, Verwaltung der Institutionen der kurativen Leistungen im Fall von Krankheit oder Unfall, insbeson- Medizin als kantonale Aufgabe – für einleuchtend: «Diese dere für die Armen. Ab 1848 erhielt die Eidgenossen- klare Trennung der Zuständigkeiten zwischen Bund und schaft mit der Annahme der neuen Bundesverfassung die Kantonen wird auch in Zukunft bestehen. Es ist nicht vor- Hauptzuständigkeit bei der Bekämpfung von gefährlichen stellbar, dass ein Bundesgesetz eines Tages die Autonomie Epidemien und bei der Überwachung der medizinischen der Kantone im Bereich der kurativen Medizin antasten Berufe. Um die auftretenden Gesundheitsprobleme auf wird.»25 nationaler Ebene anzugehen, begann die Eidgenossen- Das mit dem Auftreten von HIV/Aids zu Beginn der schaft ebenfalls Gesetze zu erlassen: Die Verhütung von 1980er-Jahre und mit der Zunahme der Drogenproble- Epidemien, der Gesundheitsschutz von Industriearbeitern matik (1986) aufkommende verstärkte Engagement des oder die Freizügigkeit von Ärzten wurden sowohl durch Bundesgesetze als auch durch kantonale Vollzugsgesetze Teil III geregelt. Tabelle 3: Logik der Aufgabenteilung zwischen Bund, Kantonen und ­Gemeinden auf der Basis des bestehenden Rechts Auch wenn die Zuständigkeiten des Bundes im Laufe der Der Bund ist für eine Reihe verschiedener spezifischer Aufgaben verantwortlich. Er befasst sich mit der Prävention und dem Kampf gegen übertragbare Krankheiten sowie dem Schutz der Bevölkerung vor Gesundheitsrisiken wie Betäubungsmitteln, Chemikalien, Strahlen, Lebensmitteln, Medikamenten, der Fortpflanzung und der Gentechnologie usw. Er setzt sich für den Schutz der natürlichen Umwelt ein. Er ist ferner verantwortlich für die Sozialversicherungen und damit für das Krankenversicherungsgesetz (KVG), für die Forschung, die Regelung der Gesundheitsberufe und die Anerkennung von Diplomen.26 Die Kantone sind allgemein zuständig für die Gesundheitspolitik. Sie haben den Auftrag, im Bereich der Gesundheitsförderung und Krankheitsprä­ vention Massnahmen zu ergreifen sowie die medizinische Versorgung, Pflege und Rehabilitation sicherzustellen (siehe hierzu auch Band 2: «Kantonale Gesundheitspolitiken, 9 Porträts»). Die Gemeinden haben eine ergänzende Funktion und stellen gemeindenahe Versorgungs- und Präventions­ einrichtungen zur Verfügung (Bezirksspitäler, Pflegeheime, Seniorenheime, spitalexterne Pflege, schulärztlicher Dienst, weitere Präventions- und Gesundheitsförderungsmassnahmen). Zeit ausgebaut wurden und immer mehr Bereiche des Gesundheitsschutzes betrafen (Strahlenschutz, Kontrolle Perspektiven von Giften und Lebensmitteln, Kontrolle von Betäubungsmitteln), behielt man die Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen lange bei. Beat Roos, ehemaliger Direktor des Bundesamtes für Gesundheit, hielt 1987 an der wei- Regelung der Gesundheit in den Kantonen zu Beginn des 21. Jahrhunderts 24 von 26 Kantonen verfügen über ein Gesundheitsgesetz, mit dem zentrale Aspekte der menschlichen Gesundheit – von der Geburt bis zum Tode – geregelt werden. Ein kantonales Gesundheitsgesetz umfasst in der Regel: ■ die Krankheitsprävention und die Gesundheitsförderung ■ die Auflistung der kantonalen Gesundheitsbehörden ■ die Regelung der Zulassung medizinischer Berufe ■ die Regelung des Betriebs von Kranken- und Pflege- ■ die Abgabe von Heilmitteln ■ die Patientenrechte ■ gesundheitspolizeiliche Massnahmen (Hygiene, Impfungen) ■ das Bestattungswesen und Hilfsberufe heimen Neben den Gesundheitsgesetzen haben sich einige kantonale Regierungen Leitbilder für Bereiche wie das Alter oder psychische Gesundheit gegeben. 32 25 Beat ROOS: Die Zukunft der kantonalen Gesundheitspolitik, S. 48. Tagung vom 17. August 1987 zur Gesundheit der Schweizer Bevölkerung im Jahr 2000. Für eine Neuausrichtung der kantonalen Gesundheitspolitik. Institut suisse de la santé publique et des hôpitaux, Cahiers d’étude de l’ISH, Bd. 39, 1988. 26 Siehe für eine detaillierte Auflistung der Bundeskompetenzen Band 2 dieses Berichts: Gesundheitspolitik des Bundes. Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 2 Bundes in der Krankheitsprävention, die Arbeiten im Zu- tonen und den Krankenversicherern und unter Aufsicht sammenhang mit der Revision der Krankenversicherung des Bundesrats für den Bereich der Gesundheitsförderung (seit 1990), das 1996 in Kraft getretene neue Krankenver- und der Prävention Massnahmen und eine eigentliche Po- sicherungsgesetz sowie die Arbeiten der WHO in Richtung litik zu entwickeln und zu koordinieren. Referenzrahmen Teil I Teil II Kompetenzaufteilung zwischen Bund und Kantonen im Redimensionierung des Pflegesystems und ­Wirksamkeitsforderung Gesundheitsbereich beginnt sich entscheidend zu verän- Mit dem Inkrafttreten des Krankenversicherungsgesetzes dern. im Jahre 1996 erhält der Bund bereits kurze Zeit später jedoch schon bald relativieren. Die mehr als 100 Jahre alte Zusammenarbeit eines neuen Public-Health-Begriffs sollten diese Aussage die Kompetenz, als zweite Instanz in die Planung und Ver- 1990–2005: Von einer verflochtenen ­Aufgabenteilung zur Anerkennung einer geteilten Zuständigkeit waltung des stationären und ambulanten Gesundheitssys­ tems einzugreifen – eine Kompetenz, die bis zu diesem Zeitpunkt den Kantonen vorbehalten war. Die in der Folge vom Bund lancierten Schritte im Rahmen der drei Erweiterung des Konzepts von öffentlicher ­Gesundheit zu New Public Health ersten Revisionen des KVG führen zu einer weiteren Ver- Anlässlich der bereits erwähnten interkantonalen Tagung Regelungsdichte im Versorgungsbereich. Heute stellt in Lausanne 1987 formulieren die Teilnehmenden mit man im Rahmen der vierten KVG-Revision fest, dass bei Nachdruck folgende Absicht: Die kantonalen Gesund- Aufgabenteilung, Verantwortlichkeiten und Finanzierung heitspolitiken und die Gesundheitspolitik des Bundes des Gesundheitssystems Verwirrung herrscht, und zwar sollen sich stärker auf die Verbesserung der Gesundheit sowohl zwischen Gemeinden, Kantonen und Bund, aber der Bevölkerung ausrichten und nicht primär das Angebot auch zwischen dem öffentlichen und privaten Sektor, wozu an medizinischen Versorgungsstrukturen weiter ausbau- die Krankenversicherer gehören. Unbemerkt hat also die en (New-Public-Health-Ansatz). Diese Idee, 1984 durch Einführung des KVG zu einer Unterwanderung der kanto- die Strategie «Gesundheit für alle» der WHO lanciert und nalen Autonomie in der Gesundheitsplanung geführt. Teil III Perspektiven flechtung der Kompetenzen und zu einer zunehmenden 1986 von der Ottawa-Charta zur Gesundheitsförderung und vom Bundesamt für Gesundheit aktiv aufgenommen. Kompetenzverflechtung oder geteilte ­Kompetenzen? Sie beendet die strikte Aufteilung der Gesundheitsaufga- Diese beiden parallelen Entwicklungen – Verflechtung ben zwischen Bund und Kantonen, da der Bund seit Ende der Zuständigkeiten im Bereich der Prävention und im der 1980er-Jahre auf einem Terrain aktiv wird, das vor- Pflegebereich – haben, wenn nicht schlechthin zu einer mals den Kantonen vorbehalten war. Verlagerung der Zuständigkeiten auf den Bund, so doch Je umfassender der Gesundheitsbegriff verstanden wird, mindestens zu einer subtilen und verwirrenden Aufteilung desto dichter werden die Kompetenzverflechtungen zwi- der Entscheidungskompetenzen zwischen Bund und Kan- schen den beiden Ebenen. In der Folge entwickeln Bund tonen sowie zwischen öffentlichen und privaten Akteuren und Kantone eigenständig zumeist parallele, manchmal geführt. Diese Unklarheit belastet heute in hohem Aus- auch sich ergänzende gesundheitspolitische Strategien mass die gesamte Debatte rund um die KVG-Revision. und Massnahmen im Bereich Gesundheitsförderung und Zu dieser Feststellung gesellt sich eine zweite, die auf po- Prävention. Als Konsequenz haben sich die Strategien der litischer Ebene noch zu wenig wahrgenommen wird und öffentlichen Gesundheit seit Ende der 1980er-Jahre ver- die vom Gesundheitsökonomen Gerhard Kocher wie folgt vielfacht. Sie bilden auf nationaler Ebene ein uneinheit- formuliert wird: «Der Bund hat in den letzten 20 Jahren liches Gebilde mit zahllosen unkoordinierten Überlage- seinen Zuständigkeitsbereich auf Kosten der Kantone rungen und Überschneidungen. Der vorläufige Höhepunkt kontinuierlich ausgebaut. Die Behauptung, die Kantone dieses Prozesses impliziter Verflechtungen auf Bundes­ seien alleine verantwortlich für die Gesundheitspolitik, ebene wird 1994 mit Artikel 19 des neuen KVG erreicht, stimmt so nicht mehr. Die Mehrzahl der Aufgaben wird der einer eidgenössischen Stiftung – der Gesundheitsför- heute in geteilter Verantwortung von Bund und Kanto- derung Schweiz – die Aufgabe erteilt, gemeinsam mit Kan- nen wahrgenommen; sie sind in einem eigentlichen Sinne der WHO weiter unterstützt, wird von einigen Kantonen Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 2 33 Referenzrahmen Teil I Teil II miteinander verknüpft. Die auf Bundesebene getroffenen System der privaten Krankenpflegeversicherung aufge- Entscheidungen werden durch Kantone und Gemeinden teilt. Die Gesundheitspolitik in der Schweiz ist ein geteil- umgesetzt und führen oft auch zu einem Engagement ter Zuständigkeitsbereich.»27 privater Akteure (Spitäler, Pflegeheime, Ärzteschaft, Präventionsorganisationen etc.). Auch die Finanzierung des Zusammenarbeit Systems ist zwischen den staatlichen Beiträgen und dem 27 Siehe hierzu: Gerhard KOCHER, Willy OGGIER (Hg.): Gesundheitswesen Schweiz 2004–2006, Eine aktuelle Übersicht, Verlag Hans Huber, Bern, 2004. Tabelle 4: Kompetenzen- und Aufgabenverteilung zwischen Bund und Kantonen im Sektor Gesundheit Die Tabelle wurde von Gerhard Kocher und Willy Oggier zusammengestellt.28 Sie klassifiziert die Kompetenzen des Bundes und der Kantone für das Handlungsfeld Gesundheit. Während die kantonalen Kompetenzen in 9 Gruppen zusammengefasst werden können, benötigen die Kompetenzen des Bundes dafür 24 Gruppen. Kompetenzen und Aufgaben der Kantone (Auswahl) Teil III 1. Umsetzung von Bundesrecht Perspektiven 2. Aufsicht ■ Berufszulassung und Berufsbildung ■ Gesundheitspolizei ■ Spitäler, psychiatrische Kliniken u. a. 3. Gesundheitsversorgung ■ Sicherstellungsauftrag ■ Kantonale Krankenhäuser und Pflegeheime ■ Spitex ■ Sozialpsychiatrische Dienste ■ Schulärztlicher Dienst ■ Notfall-, Rettungs-, Katastrophen- und Transportdienste ■ Koordinierter Sanitätsdienst in Zusammenarbeit mit Bund, Gemeinden und privaten Organisationen 4. Bildung ■ Kantone als Träger der Berufsschulen, höheren Fachschulen, Fachhochschulen und Universitäten (Studiengänge im Gesundheitsbereich) ■ Umsetzung von Bundesbestimmungen betreffend die universitären und nicht-universitären Gesundheitsberufe 5. Gesundheitsschutz (Umsetzung von Bundesrecht) Lebensmittel- und Giftkontrolle, Störfallvorsorge, Strahlenschutz, biologische Sicherheit, Umweltschutz, Arbeitssicherheit, Verhütung von Berufsunfällen und Berufskrankheiten 6. Prävention und Gesundheitsförderung (kantonales Recht) Programme und Projekte auf zahlreichen Gebieten für unterschiedliche Zielgruppen 7. Finanzierung ■ Finanzierung und Subventionierung verschiedener Einrichtungen im Sektor Gesundheit (zum Beispiel kantonale Spitäler) ■ Verbilligung der Krankenkassenbeiträge für wirtschaftlich schwächere Versicherte ■ Sozialhilfe 8. Genehmigung von Verträgen und Tarifen, Erlass von Tarifen bei vertragslosem Zustand 9. Verschiedenes (Beispiele) ■ Patientenrechte, mit Bund ■ Datenschutz, mit Bund ■ Sozialziele (Art. 41 BV), mit Bund ■ Gesundheitsobservatorium, mit Bund ■ Stiftung «Gesundheitsförderung Schweiz», mit Bund und Krankenversicherern ■ Information der Bevölkerung, Empowerment ■ Forschung, Statistik (u. a. kantonale Gesundheitsberichte) 28 Gerhard KOCHER, Willy OGGIER, (Hg.): Gesundheitswesen Schweiz 2004–2006, Eine aktuelle Übersicht, Verlag Hans Huber, Bern, 2004. 34 Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 2 Diese tief gehenden Änderungen in der Logik der Aufga- Stellung inne. Es ist zum wichtigsten Gesetz des schwei- benteilung zwischen Bund und Kantonen haben de facto zerischen Gesundheitssystems geworden. Es regelt di- stattgefunden, ohne dass sie de jure in der 1999 revidier­ rekt oder indirekt unzählige Bereiche, die weit über die ten Bundesverfassung aufgenommen worden wären. Aus Krankenversicherung hinausgehen. So gesehen bekleidet dieser Situation heraus ergeben sich grosse Mängel bezüg- das KVG den Rang eines schweizerischen Gesundheitsge- lich der Steuerungsfähigkeit des schweizerischen Gesund- setzes. heitswesens, Mängel, die behoben werden müssen. Teil II Zusammenarbeit Das Krankenversicherungsgesetz hat hier eine besondere Referenzrahmen Teil I Kompetenzen und Aufgaben des Bundes (Auswahl) 1. Sozialversicherungen ■ Krankenversicherung ■ Unfallversicherung ■ Mutterschaftsversicherung ■ Invalidenversicherung ■ Militärversicherung 13. Sport 3. Überwachung der Heilmittel (Medikamente) und Medizinprodukte Teilbereiche: Definitionen, Herstellung, Prüfung, Lagerung, Abgabe, Verwendung 4. Impfstoffe und Seren; Blut, Blutprodukte, Transplantate 5. Fortpflanzungsmedizin und Gentechnologie 6. Transplantation von Organen, Geweben und Zellen, Biomedizin und Ethik 7. Patientenrechte, Persönlichkeitsschutz, Datenschutz, Haftung (teilweise) 8. Schutz der Gesundheit, Prävention ■ Lebensmittel ■ Gebrauchsgegenstände ■ Betäubungsmittel, Organismen, Chemikalien, Giftstoffe u. a. ■ Bekämpfung übertragbarer, stark verbreiteter oder bösartiger Krankheiten (u. a. Bekämpfung von Aids, SARS) ■ Strahlenschutz ■ Forschung am Menschen 9. Prävention und Gesundheitsförderung ■ Suchtbekämpfung (z. B. Tabak, Alkohol) ■ Migration und Gesundheit; Gender Health; Gesundheit und Umwelt, psychische Gesundheit ■ Aufsicht über die Stiftung «Gesundheitsförderung Schweiz» (gemeinsam mit Kantonen und Krankenversicherern) 10. Alkoholgesetzgebung: Herstellung, Einfuhr, Reinigung und Verkauf Perspektiven 14. Statistik; Träger des Schweizerischen Gesundheitsobser vatoriums (zusammen mit den Kantonen) 2. Aufsicht über Privatversicherungen (Zusatzversicherungen zum Beispiel bei Krankheit, Unfall, Invalidität, Tod) 11. Verbrauchssteuern auf Alkohol und Tabak (Art. 131 BV) Teil III 12. Arbeitssicherheit sowie die Verhütung von Unfällen und Berufskrankheiten 15. Bildung und Gesundheitsberufe ■ Regelung der Aus- und Weiterbildung aller nicht-universitären Gesundheitsberufe ■ Organisation der Prüfungen in den universitären Medizinal­fächern (Humanmedizin, Zahnmedizin, Veterinärmedizin, Pharmazie); Diplomanerkennung; Bearbeitung von Rekursen ■ Anerkennung von Diplomen nichtuniversitärer Gesundheitsberufe ■ Träger der Eidgenössischen Technischen Hochschulen (u. a. Pharmaziestudium) 16. Forschungsförderung 17. Tierschutz, Tierversuche 18. Umweltschutz 19. Koordinierter Sanitätsdienst (mit Kantonen, Gemeinden und privaten Organisationen) 20. Zivilschutz 21. Konsumentenschutz, Preisüberwacher (Medikamentenpreise) 22. Wettbewerbspolitik 23. Internationales ■ Internationale Beziehungen (WHO, OECD, UNO) ■ Entwicklungszusammenarbeit ■ Gesundheitsaussenpolitik 24. Rechtsprechung ■ Bundesgericht (inkl. Eidgenössisches Versicherungsgericht) ■ Entscheide Bundesrat (u. a. Spitalplanung, Tarifverträge), Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement, Eidgenössisches Departement des Innern, Bundesamt für Sozialversicherung, Bundesamt für Gesundheit Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 2 35 Referenzrahmen Teil I Zusammenarbeit Teil II Tabelle 5: Geteilte Finanzierung des Gesundheitssystems durch die öffentliche Hand (2001) Aktivitäten auf den verschiedenen Staatsebenen und in Aufwand in Millionen CHF ren, um der schweizerischen Gesundheitspolitik eine grös- Total Gesundheitskosten 46 129,5 Öffentlicher Aufwand1) 10 473,9 % der öffentlichen Ausgaben 100,0 % Ausgaben Bund 1 984 18,9 % Ausgaben Kantone 7 054,5 67,4 % Ausgaben Gemeinden 1 435,4 13,7 % 1) Die öffentlichen Ausgaben setzen sich zusammen aus Subventionen der Leistungserbringer, Verwaltungsaufwand, Gesundheitsprävention sowie Prämienverbilligungsbeiträgen für Haushalte. Ausbildungskosten im Gesundheitswesen sind nicht eingeschlossen. Quelle: Bundesamt für Statistik, Kosten Gesundheitswesen 2001, Finanzierung unter dem Gesichtspunkt der sozialen Sicherheit (Tabelle 14) Teil III den verschiedenen Disziplinen seien besser zu koordiniesere Kohärenz zu verleihen. Zudem wurde vorgeschlagen, die Epidemiologie und die Gesundheitsökonomie bei den politischen Entscheidungen stärker zu berücksichtigen. Um der schweizerischen Gesundheitspolitik diesen neuen Anstoss zu verleihen, wurde die Idee einer neuen Koordinationsstruktur laut, mit der Kantone und Bund gemeinsam an der Erreichung nationaler, gemeinsam definierter Gesundheitsziele und an gesundheitspolitischen Themen würden arbeiten können. An dieser Stelle sei auf die Rolle der Kantone der Romandie sowie der beiden Kantone Bern und Tessin hingewiesen, die als treibende Kraft hinter der Idee einer koordinierten Gesundheitspolitik auf nationaler Ebene Perspektiven standen und immer noch stehen. Ebenfalls zu erwähnen Gesundheitsausgaben Bund, Kantone und ­Gemeinden ist, dass der Vorstoss der Kantone auf ein positives Echo Die drei staatlichen Ebenen teilen sich im Gesundheits- Schweizerischen Konferenz der kantonalen Gesundheits- wesen nicht nur die Kompetenzen, sondern auch den direktorinnen und -direktoren (GDK) gestossen ist. Die staatlichen Anteil an der Finanzierung. Es gibt keine ver- interkantonale Tagung vom 17. August 1987 in Lausanne lässlichen Statistiken betreffend die Finanzierung des Ge- stellte eine für diese Entwicklung typische Veranstaltung sundheitssystems durch die öffentliche Hand. Es wurden dar. Sie ergab folgende Resultate: jedoch gewisse Schätzungen mit Hilfe von Datensätzen ■ seitens des Bundesamts für Gesundheit (BAG) und der Die Teilnehmenden werteten das Treffen als Beginn ge- des Bundesamts für Statistik vorgenommen. meinsamer Überlegungen über Sinn und Ziel einer Ge- Gemäss den Schätzungen der Pharmaindustrie («Das Ge- sundheitspolitik für die Schweiz: «(…) Prävention und sundheitswesen in der Schweiz», Pharma Information, Gesundheitsförderung müssen für jeden Kanton oder Basel, 2003) betrugen im Jahr 2001 die Gesamtausgaben jede Region des Landes individuell zugeschnitten wer- der öffentlichen Hand für das Gesundheitswesen (ein- den. (…) Es gibt jedoch Grundelemente, die für alle schliesslich Krankenversicherung) CHF 199 906 Mio. auf- Kantone zutreffen. Und das Projekt der Kantone Bern, geteilt wie folgt: Bund 10,8 % (CHF 2146 Mio.), Kantone Waadt und Tessin zur Untersuchung der Gesundheits- 57,8 % (CHF 14 059 Mio.), Gemeinden 31,4 % (8169 Mio. indikatoren ist Teil dieser Perspektive. Wir erhalten die CHF) . einmalige Gelegenheit, Gesundheitspolitik zu koordi- Die Schätzungen der Pharmaindustrie weichen von den- nieren und dabei gleichzeitig die Vorteile des Födera- jenigen des Bundesamt für Gesundheit (BAG) ab, welche lismus voll auszuschöpfen.»29 Diese Voten zeigen, dass das BAG mit dem Bundesamt für Statistik (BFS) vorge- die Kompetenzen des Bundes und der Kantone immer nommen hat (siehe Tabelle 5). Es wäre wünschenswert, wieder von Neuem zur Diskussion stehen. Das aktuelle wenn das BFS seine Statistik über die Kosten des Ge- Beispiel betrifft die im Jahr 2005 vom Bundesrat lan- sundheitssystems so präzisieren könnte, dass der Anteil cierte Diskussion über eine mögliche Neuregelung der der Kosten der verschiedenen staatlichen Akteure klarer Prävention und Gesundheitsförderung. ersichtlich ist. ■ Die Teilnehmenden einigten sich auf die Schaffung eines gemeinsamen Instruments in der Form einer in- Kooperativer Föderalismus terkantonalen Untersuchung zu den Gesundheitsindi- Einige Gesundheitsexperten hatten die Gefahr dieses Ver- katoren (ein gemeinsames Projekt der Kantone Bern, flechtungsdickichts bereits vor mehr als 20 Jahren vorausgesehen und entsprechende Reformen vorgeschlagen: Die 36 29 dito Beat ROOS, S. 50. Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 2 Waadt und Tessin, der Bundesämter für Gesundheit sion um die Finanzierung der Gesundheitsversorgung und für Statistik sowie der Institute für Sozial- und Prä- die Gesundheit der Bevölkerung nicht ins Hintertreffen ventivmedizin der Universitäten Bern und Lausanne). gerät. ■ ■ Teil II Wissensmanagement im Sektor Gesundheit auf natio- torium vorausgedacht, das 15 Jahre später geschaffen naler Ebene: Statistische Daten auf nationaler Ebene werden sollte. bereitstellen; neues Wissen über die Gesundheitspoli- Die Teilnehmenden bestätigten, dass die Koordination tiken in der Schweiz kreieren; ein Gesundheitsobserva- zwischen den verschiedenen Akteuren des Gesund- torium einrichten (seit 2002 in Betrieb); ein nationales heitssystems im Rahmen eines erneuerten koopera- Monitoring der gesundheitspolitischen Strategien der tiven Föderalismus eine unerlässliche Voraussetzung Kantone und des Bundes realisieren (in Ansätzen mit für eine wirksame Neuausrichtung der Gesundheitspo- diesem Bericht verwirklicht). Zusammenarbeit Damit wird das schweizerische Gesundheitsobserva- Referenzrahmen Teil I litik und für eine sinnvolle Investition der beschränkten Das «Projekt Nationale Gesundheitspolitik Schweiz» wur- einer nationalen Gesundheitspolitik vorweggenommen, de 2003 in den «Ständigen Dialog zwischen Bund und wie sie 1998 mit der Lancierung des Projekts Nationale Kantonen für die Nationale Gesundheitspolitik» überge- Gesundheitspolitik Schweiz erfolgte. führt.30 Zu diesem Zweck haben Bund und Kantone eine Der Wille zu einer Spitalfinanzierung gemäss effektiven Vereinbarung unterzeichnet.31 Mit der Unterzeichnung Leistungen pro homogener Patientenkategorie («Di- dieser Vereinbarung haben Bund und Kantone einen ers­ agnosis related groups», DRG) wird bekundet. Dies ten Schritt hin zu einer nationalen Koordination gesund- nimmt die Realisierung eines Projekts vorweg, das mit heitspolitischer Massnahmen unternommen. In diesem der Gründung des Vereins SwissDRG im Jahr 2004 be- Dialog verstehen sich Bund und Kantone als gleichwertige gonnen hat. Ziel des Vereins ist es, innerhalb dreier Partner, die gemeinsam jene Bereiche definieren, in denen Jahre ein auf schweizerische Verhältnisse angepasstes sie ihre Arbeit koordinieren wollen, ohne dass der Dialog Finanzierungsmodell zu entwickeln (siehe hierzu auch eine neue Entscheidungsstruktur darstellt oder zu einer Kapitel 5.5.1). gemeinsamen Formulierung der gesundheitspolitischen Teil III Perspektiven ■ finanziellen Mittel darstellt. Damit wird die Konzeption Strategien führen würde. Der von der oben erwähnten interkantonalen Koordina­ti­ Nebst dem ständigen Dialog haben die kantonalen und onsgruppe und mit Unterstützung des BAG initiierte Pro- eidgenössischen Akteure ihre Organe und Formen der zess erhielt mit dem Amtsantritt von Ruth Dreifuss als Vor- Zusammenarbeit im Gesundheitsbereich vervielfacht. Der steherin des Eidgenössischen Departements des Innern Bund, konfrontiert mit der Tatsache, dass eine Vielzahl (EDI) 1993 die benötigte politische Unterstützung auf seiner verschiedenen Politikbereiche den Gesundheits- höchster Ebene. Sie beauftragte das BAG, die Grundlagen zustand der Bevölkerung beeinflusst, versucht seinerseits für eine nationale, zwischen Bund und Kantonen koordi- die Kräfte zu bündeln, so zum Beispiel mit dem per 1. Ja- nierte Gesundheitspolitik vorzubereiten. 1998 lancierten nuar 2004 erfolgten Transfer des Geschäftsfeldes «Kran- die GDK unter der Präsidentschaft des Thurgauer Stän- ken- und Unfallversicherung» aus dem Bundesamt für derates Philippe Stähelin und das EDI unter der Führung Sozialversicherungen (BSV) ins BAG. Diese Integration von Bundesrätin Ruth Dreifuss das Projekt «Nationale kann auch als Zeichen für den Willen des Bundes gedeutet Gesundheitspolitik Schweiz» (NGP). Ziel des Projekts war es, eine gemeinsame Vision einer zukünftigen Gesundheitspolitik zu entwickeln, bei der die Gesundheit der Bevölkerung in der Schweiz im Zentrum stehen sollte. Das Projekt machte es sich unter anderem zur Aufgabe, zwei für die Gesundheitspolitik in der Schweiz relevante Ansätze zu stärken: ■ Stärkung des multisektoralen und gesamtheitlichen Verständnisses von Gesundheit, damit in der Diskus- 30 Die erste Sitzung des Ständigen Dialogs zwischen Bund und Kantonen zur Nationalen Gesundheitspolitik hat am 30. April 2004 stattgefunden. Weitere Informationen zum Dialog finden sich im Kapitel 6 (insbesondere 6.4.1) sowie im Schlussbericht des «Institut de hautes études en administration publique» (IDHEAP): «Vers une politique nationale de la santé? Evaluation d’un projet de mise en réseau des cantons et de la Confédération dans le domaine de la santé». Juni 2004. 31 Die «Vereinbarung zwischen der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren (GDK) und der Schweizerischen Eidgenossenschaft (Bund) vertreten durch das Eidg. Departement des Innern (EDI) zur Nationalen Gesundheitspolitik Schweiz» wurde am 15. Dezember 2003 von Pascal Couchepin, Vorsteher des EDI, und Alice Scherrer, Regierungsrätin des Kantons AI und Präsidentin der GDK, unterzeichnet. Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 2 37 Referenzrahmen Teil I Zusammenarbeit Teil II werden, seinen Führungsanspruch in der Gesundheitspo- der Kantone nach verstärkter Zusammenarbeit mit dem litik zu untermauern. In dieselbe Richtung zielt auch die Bund und nach Verbesserung der Rahmenbedingungen Schaffung des neuen Direktionsbereichs «Gesundheitspo- für eine nationale Koordination der Gesundheitspolitiken. litik» innerhalb des BAG im Herbst 2004. Die Kantone wünschen sich das Modell eines kooperativen Die Kantone ihrerseits legen ein immer stärkeres Gewicht Föderalismus, in welchem Kantone und Bund gemeinsam auf ihre eigenen Koordinationsorgane: die Schweizerische die nationalen Ziele der Gesundheitspolitik wie auch de- Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und ren Umsetzungsmodalitäten festlegen könnten. -direktoren (GDK) und deren Regionalkonferenzen. Was die Harmonisierung der kantonalen Gesundheitsgesetze anbelangt, können die Kantone der Romandie als eigentliche «laboratoires législatifs» der Schweiz bezeichnet Perspektiven Teil III 2.3 Ein liberales System werden.32 Sie haben das Institut für Gesundheitsrecht der Das dritte Merkmal des schweizerischen Gesundheitssys­ Universität Neuenburg unter der Leitung von Professor tems ist sein grundsätzlich liberaler Charakter. Durch die Oliver Guillod beauftragt, ihre kantonalen Gesundheits- Integration gewisser marktwirtschaftlicher Elemente und gesetze zu revidieren. Dieser Auftrag hat massgeblich zu den zunehmenden Einfluss des Wettbewerbsprinzips, der ­einer Harmonisierung der Gesundheitsgesetze in dieser Grundregeln der Unternehmensführung und der Profito- Region beigetragen. Was die Beziehung zum Bund anbe- rientierung lässt ein liberales Gesundheitssystem nur ein langt, verlangen die Kantone nach einer klareren poli- moderates Engagement des Staates zu und gibt den pri- tischen Führung seitens des Bundes, wobei ihr Wille, mit vaten Akteuren (profitorientierte Unternehmen, Ärzte mit dem Bund zusammenzuarbeiten, sehr explizit ist. Sie wün- Privatpraxis sowie private Institutionen von öffentlicher schen eine Klärung der Zuständigkeiten im Handlungsfeld Bedeutung) viel Raum und Handlungsfreiheit. Gesundheit sowie bessere Rahmenbedingungen für den Gerhard Kocher, Gesundheitsökonom und während fast Gesetzesvollzug. 30 Jahren Sekretär der Schweizerischen Gesellschaft für Je umfassender der Gesundheitsbegriff verstanden wird, Gesundheitspolitik, hält in diesem Zusammenhang fest: desto mehr beginnt sich die traditionell föderalistische «Obgleich aufgrund der langen Liste der staatlichen Aufga- Kompetenzaufteilung im Gesundheitsbereich zu verwi- ben der Eindruck entstehen mag, dass das Gesundheitssys­ schen. Diese Tatsache begründet den expliziten Wunsch tem der Schweiz zur Hauptsache vom Staat gelenkt wird, so besitzt die Schweiz doch – neben den USA – eines der am stärksten marktwirtschaftlich ausgerichteten Gesund- Bestehende Institutionen, die den politischen Dialog, den Wissenstransfer und gemeinsame gesundheitspolitische Handlungen fördern heitssysteme.»33 Dabei muss auch auf die Bedeutung der nicht gewinnorientierten Akteure hingewiesen werden, d. h. private, gemeinnützige Institutionen. (Auswahl): ■ Ständiger Dialog zwischen dem Eidgenössischen Der schwache Grad der staatlichen Intervention Departement des Innern (EDI) und der Schweize- Gemäss dem liberalen Prinzip greift der Staat nur da ein, rischen Konferenz der kantonalen Gesundheitsdi- wo die Probleme der öffentlichen Gesundheit eine bedeu- rektorinnen und -direktoren (GDK) zur Nationalen tende Dimension annehmen. Für den Rest vertraut er auf Gesundheitspolitik den privaten Sektor. Die Zuständigkeit des Staates, sei es Schweizerische Konferenz der kantonalen Gesund- auf eidgenössischer oder kantonaler Ebene, beschränkt heitsdirektorinnen und -direktoren (GDK) und ihre sich auf die Definition des Rahmens, innerhalb dessen Regionalkonferenzen private Gesellschaften und Organisationen, aber auch die ■ Schweizerisches Gesundheitsobservatorium (Obsan) Individuen über einen grossen Handlungsspielraum ver- ■ Jährliche Arbeitstagung zur nationalen Gesund- fügen. Der in der Bundesverfassung (Art. 27) verankerte ■ heitspolitik 32 Le Temps: Interview mit Olivier Guillod. 11. März 2004. 38 33 Gerhard KOCHER: Kompetenz- und Aufgabenteilung Bund – Kantone – Gemeinden, S. 104–110, in Gerhard KOCHER, Willy OGGIER (Hg.): Gesundheitswesen Schweiz 2004–2006, Eine aktuelle Übersicht, Verlag Hans Huber, Bern, 2004. Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 2 Referenzrahmen Teil I Grundsatz der Wirtschaftsfreiheit spielt eine entschei- Vom Liberalismus zum Neoliberalismus dende Rolle, und das Wettbewerbsprinzip wird von den Die Nachkriegsepoche ist wirtschaftlich stark vom politisch Verantwortlichen immer stärker betont, auch Keynesianismus geprägt: Dem Staat werden erheb- wenn es um den Betrieb von öffentlichen Institutionen liche Eingriffsmöglichkeiten zuerkannt. Doch die Wirt- geht. In den folgenden Bereichen verfügt der Staat nur schaftskrise der 1980er-Jahre und die Globalisierung über sehr beschränkte Zuständigkeiten:34 lassen die liberalen Vorstellungen verstärkt wieder auf- ■ ambulante Medizin (inklusive Zahnmedizin, Spitex, Physiotherapie, Komplementärmedizin u. a.) (1899–1969) tritt in die Fussstapfen von Adam Smith ■ private Spitäler und Heime und dessen liberalen Vorstellungen. Er wendet sich ge- ■ Laboratorien, Röntgeninstitute usw. gen den triumphierenden Keynesianismus und verficht ■ Apotheken und Drogerien das Modell eines minimal eingreifenden Staates. Insbe- ■ Zusatzversicherung zur Krankenversicherung sondere trägt er zur grundsätzlichen Kritik an der Idee ■ alternative Versicherungs- und Versorgungsmodelle von «sozialer Gerechtigkeit» bei, die seiner Ansicht ■ Tarifverträge nach lediglich die Standesinteressen des Mittelstandes ■ private Sozialwerke, Gesundheitsligen, Selbsthilfegrup- Teil III pen, Patienten- und Konsumentenorganisationen Eingriffe der öffentlichen Hand einzustellen. Sein Pro- ■ private Bildungseinrichtungen, Fortbildung gramm führt er in seiner Schrift «Die Verfassung der ■ Forschung Freiheit» (1960) aus: Deregulierung, Privatisierung, Ab- ■ Beratungsfirmen bau von Arbeitslosengeldern, keine Wohnbeihilfen und ■ Pharmazeutika: Forschung und Entwicklung, Herstel- Mietkontrollen, Reduktion der Ausgaben für die soziale Perspektiven schützt. Er empfiehlt, alle sozialen und wirtschaftlichen lung, Produktion Sicherheit und Einschränkung des Einflusses der Ge- ■ Medizintechnik und -informatik werkschaften. Der Staat hat kein Umverteilungsrecht, ■ Medien zum Gesundheitswesen vor allem nicht auf der Basis von Kriterien wie demje- Der Grossteil der ambulanten Pflegeleistungen und ein nigen der «sozialen Gerechtigkeit». Seine Aufgabe be­ Viertel der in den Spitälern erbrachten Leistungen werden stehe nur darin, einen rechtlichen Rahmen mit Grund- im Rahmen der gesundheitsgesetzlichen Bestimmungen regeln («Verfahrensgerechtigkeit») sicherzustellen. auf liberaler, privater Grundlage organisiert. Das Rechts- Die wirtschaftlichen und politischen Vorstellungen verhältnis zwischen Arzt und Patient fällt unter das Privat- von Friedrich von Hayek haben viele Regierungen recht. Im Gegensatz zur Situation in den meisten anderen beeinflusst, nicht zuletzt diejenigen von Reagan und europäischen Ländern sind auch die Krankenversicherer Thatcher. Auch in der Schweiz ist sein Einfluss gross. (knapp 100) private Unternehmen, deren Geschäfte im So hat Hayek in der Waadt massgeblich an der Grün- Bereich der obligatorischen Krankenpflegeversicherung dung der Mont-Pélerin-Gesellschaft mitgewirkt, deren durch das Krankenversicherungsgesetz geregelt werden Mitglieder seine ideologische Ausrichtung teilen. Sie (KVG), während die Zusatzversicherungen den Regeln stellt gewissermassen das Mutterhaus des neoliberalen des freien Marktes und des Wettbewerbs gehorchen. Eine Think Tanks dar. Mit Unterstützung schweizerischer Krankenversicherungspflicht besteht erst seit 1996. Allge- Geschäftsleute entfalten sich die Aktivitäten der Mont- mein werden die Beziehungen zwischen den Tarifpartnern Pélerin-Gesellschaft seit 1947. Um sie herum hat sich (Ärztinnen und Ärzte, Apothekerinnen und Apotheker, mit Stiftungsgeldern grosser multinationaler Gesell- Spitäler, Krankenversicherer, Patientinnen und Patienten) schaften die Hayek-Schule entwickelt, die viele ultra- durch Abkommen geregelt, die unter der (gemässigten) liberale Denker beeinflusst hat.35 Kontrolle der Kantonsregierungen stehen. 35 Denis BONEAU: «Voltaire», Magazine quotidien d’analyses internationales, «Démocratie de marché», Friedrich von Hayek, pape de l’ultralibéralisme, 4. März 2004, Website: «Le réseau voltaire.net». Von Hayek erhält 1974 den Nobelpreis. Sechs weitere Nobelpreise werden an Denker der Hayek-Schule vergeben: Milton Friedman (1976), George Stigler (1982), James Buchanan und Maurice Allais (1988), Ronald Coase (1991) und Gary Becker (1992). Zusammenarbeit leben. Der österreichische Ökonom Friedrich von Hayek Teil II 34 aus Gerhard KOCHER. Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 2 39 Referenzrahmen Teil I Zusammenarbeit Teil II Perspektiven Teil III Politische Kultur, Status der Medizin und ­Subsidiarität tenzen und finanzielle Verantwortung für die Versicherer Entscheidend für das beschränkte staatliche Engagement Versicherern und Leistungserbringern; die Vergrösserung auf den genannten Gebieten ist die politische Kultur der der Auswahl an Zusatzversicherungen; die Beschränkung Schweiz. Einer der dominierenden Werte der schwei- der Leistungen zu Lasten der Grundversicherung; die Stär- zerischen wie auch der gesamten westlichen Kultur ist kung der Eigenverantwortung durch eine Erhöhung des die Doktrin des Wirtschaftsliberalismus, welche die freie Selbstbehaltes, eine eventuelle höhere Kostenbeteiligung Marktwirtschaft, den freien Güterverkehr, die Wohlfahrt betagter Personen usw. Hier besteht die Herausforderung und die Gewinnorientierung fördert. für den Staat darin, den privaten Akteuren im Gesund- Auch wenn die Schweiz wie andere europäische Länder heitssystem so viel Innovationsspielraum wie möglich zu an sozialstaatlichen Interventionen und Zielen festhält, so lassen bei gleichzeitiger Wahrung der gesellschaftlichen wurde doch auch sie als Reaktion auf die Interventionen Interessen und der sozialen Ziele der Gesundheitspoli- des Wohlfahrtsstaates vom klassischen Liberalismus des tik. Hier fehlen zurzeit die geeigneten Steuerungsinstru- 20. Jahrhunderts und dem westeuropäischen Neolibe- mente, um die Aktivitäten der privaten Anbieter unter ralismus der Nachkriegszeit tiefgreifend geprägt. Dieser dem Banner gemeinsam ausgehandelter staatlicher Ziele hohe Grad an Liberalismus hängt unter anderem auch mit zu vereinigen. 35 dem Status der Medizin selbst zusammen, mit ihrem indi- Auch im Bereich der Prävention findet man in jedem viduellen Auftrag und ihrem Selbstverständnis als liberale Kanton und auf nationaler Ebene zahlreiche private Ak- Heilkunst. Zudem haben die direkte Demokratie, der Fö- teure wie etwa die Gesundheitsligen, die sich meist der deralismus und sein Subsidiaritätsprinzip und schliesslich Prävention von Zivilisationskrankheiten verschrieben hat- das Milizsystem die Entwicklung zahlreicher Interessen- ten.36 Ihren Ursprung haben die Gesundheitsligen in den verbände begünstigt. um 1910 in vielen Regionen der Schweiz entstandenen vor; die Aufhebung des Kontrahierungszwangs zwischen Verbänden zur Bekämpfung der Trunksucht und in den Die Rolle der privaten Akteure Zusammenschlüssen von Krankenschwestern, die Haus- Im Gesundheitsbereich gibt es vor allem auf der Ange- besuche vornahmen. Die Hausbesuche dienten vor allem botsseite zahlreiche einflussreiche und gut verwurzelte der Bekämpfung der Tuberkulose und Kindersterblichkeit private Interessengruppen. Sie bieten den Grossteil der sowie der Früherkennung von Krankheiten und Erbkrank- Gesundheitsversorgungsleistungen an, sei es im Bereich heiten. Selbst die Gesundheitsförderung ist streng genom- der Produktion von medizinischen Gütern, im Bereich men keine Aufgabe des Bundes, da sie an die privatrecht- der Versicherungsleistungen, der medizinischen Versor- liche Stiftung Gesundheitsförderung Schweiz delegiert gung oder der Prävention und Gesundheitsförderung. Als wurde. gleichwertige Partner der öffentlichen Hand sind sie auf Die Gesundheitsorganisationen und -institutionen haben der Ebene der Gemeinden und Kantone in die formellen über lange Zeit selbstständig und ohne Koordination ge- und informellen Entscheidprozesse einbezogen und re- arbeitet und die politische Legitimation für ihre Arbeit oft präsentieren so die vierte Ebene der Gesundheitspolitik. in Form von Bundessubventionen erhalten. Als Folge des Zur schwierigen Aufgabe der Koordination zwischen den New Public Management wurden die Subventionen an die öffentlichen Akteuren kommt so die noch schwierigere nationalen und kantonalen Gesundheitsligen in den letz- Aufgabe der Koordination und Konzertation aller privaten ten Jahren vermehrt in Leistungsvereinbarungen umge- Akteure hinzu. wandelt. Paradoxerweise führt diese neue Art der Verwal- Mit der laufenden Revision des Krankenversicherungs- tungsführung, die unter der Fahne des Neoliberalismus mit gesetzes, das auf dem Prinzip eines liberalen, solidarisch finanzierten und auf Wettbewerb ausgerichteten Gesundheitssystems basiert, könnten die privaten Akteure, insbesondere die Krankenversicherer, zukünftig eine noch wichtigere Rolle erhalten. Die propagierten Reformvorschläge sind zahlreich und heftig umstritten. Sie schlagen weniger juristische Reglementierung und mehr Kompe40 36 Schweizerische Lungenliga, Schweizerische Krebsliga, Rheumaliga Schweiz, Schweizerische Fachstelle für Alkohol- und andere Drogenprobleme (SFA), Schweizerische Aids-Hilfe, Schweizerische Liga gegen Epilepsie und rund 40 weitere Ligen, die sich je einer speziellen Erkankung widmen; ausserdem die Stiftung für Konsumentenschutz, das Konsumentenforum (KF), die Fédération romande des consommateurs (FRC), Selbsthilfegruppen, die Stiftung zum Schutz der Versicherten (ASSI), der Schweizerische Versichertenverband (Assuas), Patientenstellen, die Schweizer Patienten-Organisation (OSP) usw. Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 2 nehmenden Verknappung der öffentlichen Finanzmittel externe Partner «auszulagern», dazu, dass der Staat seine selbst nicht zu leisten vermag. Aufsichtsfunktion über den von ihm finanzierten privaten Offensichtlich wird dies vor allem im Bereich der Präven­ Sektor wieder verstärkt. Dies, obgleich die privaten Or- tion der chronischen, nicht übertragbaren Krankheiten ganisationen für die öffentliche Verwaltung in vielen Be- und der Gesundheitsförderung. Während der liberale reichen der öffentlichen Gesundheit zu Steigbügelhaltern schweizerische Staat bereits Ende des 19. Jahrhunderts werden und Aufgaben wahrnehmen, deren Notwendigkeit über eine Politik zur Bekämpfung von übertragbaren vom Staat anerkannt ist, die er jedoch aufgrund der zu- Krankheiten verfügte und 1928 das Tuberkulosegesetz Teil II Zusammenarbeit dem Ziel lanciert wurde, gewisse Verwaltungsaufgaben an Referenzrahmen Teil I verabschiedete (vgl. Kasten) und die Arbeit in den Fabriken überwachte, um Berufskrankheiten und -unfällen Private Akteure in der Gesundheitspolitik: Das Beispiel des Kampfes der Charlotte Olivier gegen die Tuberkulose vorzubeugen, griff er erst sehr spät (und nur in sehr be- Das Prinzip der Subsidiarität befolgend, überliessen die nicht übertragbaren Krankheiten wie Krebs, kardiovasku- staatlichen Behörden der Schweiz während sehr lan- lärer Krankheiten oder Diabetes, aber auch bei der Ver- ger Zeit die Erarbeitung spezifischer Präventionspro- hütung von psychischen Störungen tritt der Staat hinge- gramme der Ärzteschaft, den Krankenschwestern, den gen praktisch überhaupt nicht in Erscheinung. Die Frage, Forschern der Präventivmedizin sowie den privaten Li- ob die Prävention von chronischen nichtübertragbaren gen und Institutionen. Der Einsatz von Charlotte Olivier Krankheiten, die stark mit der Lebens- und Verhaltens- zu Beginn des 20. Jahrhunderts ist in dieser Hinsicht weise und den sozial- und umweltbedingten Gesundheits- exemplarisch. Diese Ärztin, von 1911 bis 1925 Leiterin determinanten verbunden sind (und die für immer mehr des Tuberkulosebehandlungszentrums in Lausanne, vorzeitig verlorene Lebensjahre verantwortlich sind), eine begründete im Kanton Waadt und in andern Teilen der Aufgabe des Staates (Bund und/oder Kantone) darstellt Schweiz eine breite Bewegung, welche die Bevölkerung oder nicht, ist auch zu Beginn des 21. Jahrhunderts noch für das Problem der Tuberkulose sensibilisieren sollte. nicht beantwortet. scheidenem Ausmass) in den Kampf gegen rheumatische Erkrankungen ein. Bei der Bekämpfung von chronischen, Perspektiven Teil III Sie entdeckte die riesigen Einbussen, zu denen diese Krankheit in der Bevölkerung führte, und realisierte, welche Rolle die Lebensbedingungen für das Auftreten der Krankheit spielten: Die schlechten Wohn- und Hy- 2.4 Der sozialstaatliche Einfluss gieneverhältnisse, Mangelernährung und die fehlende Auch wenn sich die Gesundheitspolitiken in der Schweiz Gesundheitserziehung. Deshalb lancierte Charlotte stark an liberale Ideologien anlehnen, so ist doch der Ein- Olivier ab 1912 eine grosse Aktion gegen die Tuberku- fluss sozialstaatlicher Interventionen unverkennbar. Die lose. Zusammen mit der Waadtländer Liga gegen Tu- Idee des Sozialstaates und der sozialen Gerechtigkeit ist berkulose und dem Frauenbund informierte sie über das vierte Merkmal des schweizerischen Gesundheits- die Ursachen der Krankheit und forderte die Bevölke- systems. Sie entstand im 19. Jahrhundert und wurde im rung auf, den Hygienegewohnheiten mehr Beachtung 20. Jahrhundert durch die Vormacht der keynesianischen zu schenken. Sie entwickelte Präventionsmassnahmen Staatsvision gestärkt. Die Bundesverfassung widerspie- und bildete Krankenschwestern für Hausbesuche aus, gelt exemplarisch den Willen, liberale und soziale Wer- die sowohl medizinisch wie sozial kompetent waren. te gleichermassen einzubinden, wenn sie in Artikel 41 Und schliesslich brachte sie mittels Umfragen in den schreibt: «Bund und Kantone setzen sich in Ergänzung zu Haushalten den Kanton Waadt im Jahre 1916 dazu, ein persönlicher Verantwortung und privater Initiative dafür Gesetz zum Schutz von fremd platzierten Kindern an- ein, dass a) jede Person an der sozialen Sicherheit teilhat zunehmen. Die Arbeit der Waadtländer Liga gegen Tu- und b) jede Person die für ihre Gesundheit notwendige berkulose führte bereits 1921 zu Bundessubventionen, Pflege erhält.» und 1928 trat das Bundesgesetz zur Bekämpfung der Soziale Sicherheit, wie sie in der Schweiz heute verstan- Tuberkulose in Kraft. den wird, basiert auf der Solidarität zwischen verschiedenen Einkommensklassen, zwischen den Generationen, Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 2 41 Referenzrahmen Teil I Zusammenarbeit Teil II Teil III zwischen Mann und Frau sowie auf der Respektierung der turiert und modernisiert. Die internationale Arbeitsorga- körperlichen, seelischen und geistigen Unterschiede zwi- nisation (ILO) spielte dabei eine zentrale Rolle: Sie ver- schen den Individuen. Artikel 2 der Bundesverfassung er- abschiedete namentlich die Deklaration von Philadelphia wähnt die Gewährleistung der grösstmöglichen Chancen- (1944), die ILO-Konvention Nr. 102 betreffend Minimal- gleichheit unter den Bürgerinnen und Bürgern als Zweck standards der sozialen Sicherheit (1952) sowie mehrere der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Artikel 8 enthält Instrumente zur Verbesserung der sozialpolitischen Rah- das Diskriminierungsverbot. menbedingungen. Die Vereinten Nationen anerkannten Ausdruck dieses sozialstaatlichen Einflusses, der seit ihrerseits das Recht jedes Menschen auf soziale Sicher- dem 19. Jahrhundert auf das Gesundheitssystem Schweiz heit: universelle Menschenrechtserklärung von 1948; In- wirkt, ist unter anderem das seit dem Inkrafttreten des ternationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kultu- neuen Krankenversicherungsgesetzes (KVG) am 1. Ja- relle Rechte von 1966 (in Kraft getreten für die Schweiz nuar 1996 geltende Versicherungsobligatorium für alle am 18. 9. 1992). Nach der klassischen Definition deckt die Bewohnerinnen und Bewohner der Schweiz. Der kürzlich soziale Sicherheit neun Bereiche ab: Medizinische Versor- gefällte Entscheid des Parlamentes, die Kinderprämien gung; Krankheit; Mutterschaft; Arbeitsunfälle und Berufs- um die Hälfte zu reduzieren und damit die Familien zu krankheiten; Alter; Witwentum, Witwertum, Waisentum; entlasten, folgt derselben sozialen Vision. Invalidität; Arbeitslosigkeit und familiäre Belastungen. Es 37 gibt Bestrebungen, diese Liste z. B. mit einem Recht auf Ursprung der Sozialpolitik einen Minimallohn zur Existenzsicherung zu ergänzen. Perspektiven Wirtschaftliche und soziale Ungleichheiten zwischen den Menschen führen dazu, dass es immer wieder Arme und Sozial- und Gesundheitspolitik in der Schweiz Bedürftige gibt.38 Es war immer schon Aufgabe der Fa- Geprägt von der föderalistischen Staatsstruktur hat sich milie, der nahen Verwandten, Nachbarn und sozialer Ein- das System der sozialen Sicherheit in der Schweiz Schritt richtungen, die Not der Bedürftigen zu lindern. Dieses auf für Schritt entwickelt. Die Umsetzung begann mit kanto- freiwilliger Unterstützung beruhende System erwies sich nalen Gesetzen, während eine Vereinheitlichung auf Bun- zunächst als effizient. Der Gedanke, dass das Kollektiv für desebene erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts die medizinische Behandlung und Pflege des Individuums einsetzte mittels Bundesgesetzen, die zu unterschied- ungeachtet seiner sozialen und wirtschaftlichen Stellung lichen Zeitpunkten und mehr oder weniger koordiniert an- aufkommt, führte im 14. Jahrhundert zur Gründung der genommen wurden und welche die meisten Bereiche der ers­ten Hospize. Der Wandel von einer Agrargesellschaft Sozialpolitik abdecken. Die Versicherungen gegen Krank- zur Industriegesellschaft im 19. Jahrhundert, die durch heit und Unfall (KVG und UVG seit 1911, obligatorisch Kriege und Wirtschaftskrisen verursachte Massenarmut, seit 1996), gegen Alter (AHV, 1947), gegen Invalidität (IV, Epidemien sowie neue ideengeschichtliche Erkenntnisse 1959) und gegen Arbeitslosigkeit (ALV, 1976) bilden den zeigten die Grenzen der medizinischen Betreuung durch Kern des heutigen Systems der sozialen Sicherheit. Private auf. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden So- Es sind insbesondere die Kranken- und die Unfallversi- zialhilfe und Sozialversicherung zunehmend als staatliche cherung wie auch die Invalidenversicherungen, welche als Aufgabe verstanden. Säulen der schweizerischen Sozialpolitik im Gesundheits- Unter den Nachwehen des Zweiten Weltkriegs und des bereich betrachtet werden können. Aufgrund der Solidari- ­Wiederaufbaus wurde die staatliche Sozialpolitik struk- tät zwischen den Versicherten, d. h. zwischen kranken und gesunden Menschen, und der finanziellen Beteiligung des 37 Art. 65 Abs. 1bis und 6 1bis Für untere und mittlere Einkommen verbilligen die Kantone die Prämien von Kindern und jungen Erwachsenen in Ausbildung um mindestens 50 Prozent. 6 Die Kantone liefern dem Bund zur Überprüfung der sozial- und familienpolitischen Ziele anonymisierte Angaben über die begünstigten Versicherten. Der Bundesrat erlässt die notwendigen Vorschriften dazu (Entscheid des Eidg. Parlaments vom März 2005, in Kraft seit Januar 2006). Die Kantone müssen den Vollzug ab 2007 gewährleisten. 38 Pierre-Yves GREBER et al., L’adaptation des systèmes de sécurité sociale aux grands défis actuels, Genève: Cahiers genevois et romands de sécurité sociale, Nr. 19, 1997, S. 7–24. 42 Bundes, der Kantone und der Gemeinden (Sozialhilfen) wird sichergestellt, dass alle Einwohnerinnen und Einwohner der Schweiz, unabhängig von ihrer finanziellen Lage, denselben Zugang zum Gesundheitssystem haben und die für die Wiederherstellung der Gesundheit notwendige Behandlung und Pflege erhalten. Wie im KVG vorgesehen, wurde ein System der Prämienverbilligung eingerichtet, mit einem je nach Kanton unterschiedlichen Berechnungs- Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 2 schlüssel, welches auf einer gemischten Finanzierung alle dank der Kranken- und Unfallversicherung, der durch Bund und Kantone basiert. Im Jahr 2002 wurde ein Invalidenversicherung und dem Mechanismus der Prä- Betrag von 2,9 Milliarden CHF für die Prämienverbilligung mienverbilligung für Personen mit einem geringen Eindie Entwicklung von Programmen zur Bekämpfung tonen (v. a. in den kleinen Kantonen der Deutschschweiz) von übertragbaren oder bösartigen Krankheiten und zur Förderung der Gesundheit von speziell anfälligen Prämienverbilligung. Im Jahre 2005 hat das Parlament Bevölkerungsgruppen (Fabrikarbeiter, Jugendliche, entschieden, eine zusätzliche Unterstützung für Familien Frauen, Migrantinnen und Migranten, ältere Men- mit unteren und mittleren Einkommen zu gewähren: Ge- schen). Zusammenarbeit ■ kamen mehr als 40 % der Versicherten in den Genuss einer 39 Teil II kommen sowie Kinder gemäss KVG eingesetzt. Diese kam 33,1 % der Wohnbevölkerung und 41 % aller Haushalte zugute. In einigen Kan- Referenzrahmen Teil I mäss Art. 65 des KVG müssen die Kantone die Prämien Liberales Gedankengut und das Subsidiaritätsprinzip blie- mindestens 50 % verbilligen, wobei der Bund überprüft, ben jedoch weiterhin die bestimmenden Faktoren des ob die sozial- und familienpolitischen Ziele damit erreicht schweizerischen Sozialstaates. Dies erklärt, warum die werden. Diese Bestimmung trat am 1. 1. 2006 in Kraft und Schweiz keinen sozialen Sicherheitkodex kennt und wes- gibt den Kantonen eine Übergangsfrist von einem Jahr für halb sie erst kürzlich den «Allgemeinen Teil des Sozialver- den Vollzug der Änderung. sicherungsrechts» verabschiedet hat.40 So setzt sie auch Die Sozialpolitik besteht jedoch nicht nur aus der Umla- erst mit einiger Verzögerung die Empfehlungen der WHO gerung der Versicherungsbeiträge und aus der Reduktion zu neuen Themen der Gesundheitspolitik um: Ernährung der finanziellen Belastung für bestimmte Bevölkerungs- und Bewegung, Gesundheit von Frau und Mann, Arbeits- gruppen, sondern auch in der finanziellen Unterstützung bedingungen und Gesundheit, psychische Gesundheit oder aller bedürftigen Personen. In diesem Sinn zählen auch Gesundheit und Umwelt. Schlussendlich ist die Solidarität die Sozialhilfe und die Ergänzungsleistungen der AHV sogar in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung zum System der sozialen Sicherheit. Noch weiter gespannt nur partiell, da sie wegen der Kopfprämien die verschie- umfasst die Sozialpolitik alle Politikbereiche, welche die denen Einkommensschichten nicht berücksich­tigt. Teil III Perspektiven von Kindern und jungen Erwachsenen in Ausbildung um Chancengleichheit verbessern. Sie reicht somit vom Bildungssystem – das Obligatorium besteht in der Schweiz seit 1848 – über die Umverteilung des Reichtums durch die Steuerabgaben bis hin zu den gesundheitspolitischen Massnahmen. Es sind in der Tat die bereits im 19. Jahrhundert etablierten multisektoralen Politiken zum Schutz vor Gesundheitsrisiken wie auch die erst kürzlich verankerten Massnahmen der Gesundheitsförderung, welche die eigentliche Sozialpolitik der Schweiz im Gesundheitsbereich darstellen. Sie ist charakterisiert durch: ■ den Erlass einer ganzen Reihe von Gesetzen zum Gesundheitsschutz (Bekämpfung der Epidemien, Schutz der Arbeitnehmenden, Lebensmittelkontrolle) ■ die flächendeckende Ausdehnung der ambulanten Betreuungsangebote über die gesamte Schweiz und die Kontrolle der Qualität der medizinischen Aus- und Weiterbildung ■ eine qualitativ hoch stehende stationäre Betreuung ■ den Zugang zum Gesundheitsversorgungssystem für 39 Siehe: Bundesamt für Gesundheit, Statistik der obligatorischen Krankenversicherung, 2002. 40 Bundesgesetz vom 6. 10. 2000 zum Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts. Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 2 43 Teil I Referenzrahmen Kapitel 3 Stärken und Schwächen des gegenwärtigen Systems Zusammenarbeit Teil II Teil III Vier verschiedene Faktoren haben die Entwicklung des Die sich seit geraumer Zeit abzeichnenden gesellschaft- heutigen Gesundheitssystems in der Schweiz beeinflusst: lichen Probleme verlangen jedoch nach einer gesundheits- Die beherrschende Stellung der kurativen Medizin, die fö- fördernden Gesamtpolitik, welche auf die individuellen, deralistische Staatsstruktur, die liberalen und sozialstaat- sozioökonomischen und ökologischen Determinanten lichen Visionen des Staates und der Gesellschaft. Welche der physischen und psychischen Gesundheit ausgerich- Rolle spielen diese Faktoren bei der Entwicklung einer tet ist. Die aus der Alterung der Bevölkerung oder der nationalen Gesundheitspolitik Schweiz? Welche Chancen Zunahme der Zahl psychisch kranker Menschen erwach- und welche Risiken beinhalten sie? Antworten auf diese senden Probleme können schon aus Kosten- und Metho- Fragen gab Hans Jörg Huber in seiner Funktion als Re- dengründen nicht allein durch medizinische Massnahmen gierungsrat und Vorsteher des Gesundheitsdepartements gelöst werden. Alternative Strategien sind vorhanden, des Kantons Aargau bereits vor 20 Jahren.41 Die nachfol- aber erst in Ansätzen erkennbar. So zeigen Bund und genden Passagen stützen sich im Wesentlichen auf diese Kantone in ihren Regierungsstrategien, Gesundheits- Quelle, die auch 20 Jahre nach ihrem Erscheinen nichts leitlinien oder Gesundheitsgesetzen ein zunehmend um- von ihrer Aktualität eingebüsst hat. fassenderes Verständnis von Gesundheit und schärfen ihr Bewusstsein für multisektorale Ansätze. In diesem Perspektiven Sinn haben viele Kantone ihre Verfassungsgrundlagen 3.1 Die beherrschende Stellung der kurativen Medizin und die Gesundheitsgesetzgebung in den vergangenen Eine der Stärken des heutigen Gesundheitssystems ist oder zu den Gesundheitsdeterminanten aufgenommen ohne Zweifel die Qualität der kurativen Medizin. Die Auf- haben. merksamkeit, welche dieser Zweig der Gesundheitsver- Was das BAG betrifft, orientiert es sich mit seinen ver- sorgung seit dem 19. Jahrhundert erhalten hat, hat ent- schiedenen Strategien im Bereich der öffentlichen Ge- scheidend zur Verbesserung des Gesundheitszustands der sundheit am New-Public-Health-Ansatz der WHO (vgl. Bevölkerung und zu einer hohen Lebenserwartung beige- dazu das Bundesporträt im Band 2 dieses Berichtes). Aber tragen. Die im kurativen Bereich getätigten Investitionen diese Bemühungen können nicht mit den grossen finan- haben zu einem der weltweit besten Gesundheitssysteme ziellen Anstrengungen rivalisieren, welche in den medi- geführt. zinischen Fortschritt investiert werden. Damit ein Para- Doch die phänomenalen medizinischen Erfolge haben ihre digmenwechsel wirklich stattfinden kann, müssen nicht Kehrseite. Die grenzenlosen Möglichkeiten der kurativen nur die zugrunde liegenden Werte und Konzepte geändert Medizin verdecken die Sicht auf andere Gesundheitskon- werden, sondern es braucht auch eine Neuverteilung der zepte. Die Medikalisierung der Gesundheit hat in den finanziellen Mittel. Jahren dahingehend revidiert, dass sie Kapitel zu Patientenrechten, zu Prävention und Gesundheitsförderung letzten Jahrzehnten zu einer enormen Kostensteigerung geführt und die politische Diskussion zu stark dominiert. Die unmittelbar sichtbaren Resultate der medizinischen Entwicklung haben die auf Langzeitwirkung ausgerichtete Gesundheitsförderung und Prävention in den Schatten 3.2 Föderalismus und Subsidiaritäts­ prinzip gestellt. Der Vergleich der Ausgaben zeigt klar: von den 50 Vorteile des Föderalismus Milliarden CHF, welche im Jahre 2004 ins Gesundheitswe- Der Föderalismus als zweiter Einflussfaktor bietet ver- sen investiert wurden, wurden 49 Milliarden in die medi- schiedene Vorteile. zinische Versorgung und nur 1 Milliarde in die Prävention ■ investiert. Das von Kantonen und Gemeinden organisierte Gesundheitssystem ist sehr bürgernah und entwickelte sich gemäss den Erwartungen und Bedürfnissen der Patientinnen und Patienten. So zeigen verschiedene 41 Hans Jörg HUBER, Dr. iur., ehemaliger Vorsteher des Gesundheitsdepartements des Kantons Aargau und ehemaliger Ständerat: «Öffentliche Gesundheit und schweizerische Staatskonzeption», Schweizerische Ärztezeitung, Band 64, 1983, Heft 49. 44 Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 3 neuere Befragungen, dass die Bürgerinnen und Bürger mit dem schweizerischen Gesundheitssystem ausgesprochen zufrieden sind. Dank der föderalistischen Strukturen können zudem qualitativen Daten. Und eine regelmässige Veröffent- für anfallende Probleme dezentrale Lösungen gefunden lichung eines schweizerischen Gesundheitsberichts werden, die dem soziokulturellen und wirtschaftlichen würde dringend Not tun. ■ ■ gen Bund und Kantone zweifellos über grosses Wissen. Gesundheitssystems zu verdanken, dass die Dienstleis­ Innovative Ansätze in diesem Bereich, beispielsweise tungen flächendeckend in der ganzen Schweiz ein- zu den Themen Vernetzung der Gesundheitssysteme, schliesslich der Randregionen angeboten werden. Qualitätszirkel, Überalterung der Bevölkerung oder Der Föderalismus bremst den ansonsten starken poli- Prävention von chronischen Krankheiten, könnten eine tischen Einfluss der privaten Lobbyisten (FMH, Versi- wertvolle Quelle für eine konsens­orientierte Suche cherungen, Tabak- und Pharmaindustrie) etwas ab, da nach kohärenten und finanziell tragbaren Lösungen es schwieriger ist, 26 Kantone zu überzeugen als eine darstellen. Dieses von den Behörden empirisch erar- zentrale Bundesbehörde in Bern. beitete Wissen wird aber auf eidgenössischer Ebene Schliesslich hat sich der Föderalismus, was die Aufga- im Rahmen der gegenwärtigen Reformen des Gesund- benteilung zwischen Bund und Kantonen anbelangt, heitswesens weder dokumentiert noch genutzt. besonders im Bereich des Gesundheitsschutzes be- ■ Teil II Im Bereich der gesundheitspolitischen Strategien verfü- Ferner ist es der föderalistischen Organisation des Zusammenarbeit Kontext des jeweiligen Kantons entsprechen. ■ Teil III Er erschwert die interkantonale Kohärenz der Gesund- währt. Als Beispiel lassen sich die Bekämpfung von heitspolitiken: Die kantonale Vielfalt in kultureller, Epidemien, die Überwachung der Lebensmittelsicher- wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht, aber auch die je- heit oder der Strahlenschutz nennen: Zuständig ist hier weiligen politischen Prioritäten der einzelnen Kantons- der Bund, der Vollzug liegt bei den Kantonen. regierungen verunmöglichen die Suche nach gemein- Perspektiven ■ Referenzrahmen Teil I samen Lösungen und die Übertragbarkeit einzelner Nachteile des Föderalismus Strategien. Diese Unterschiede sind einer suprakanto- Der Föderalismus kennt allerdings auch zahlreiche Nach- nalen Planung von schweizerischen Gesundheitspoli- teile: ■ ■ tiken nicht eben förderlich. Er begünstigt die Komplexität des Systems: 26 unter- ■ Der Föderalismus in seiner heutigen Form verhindert schiedliche kantonale Gesundheitspolitiken und eine die Einführung einer nationalen Planung des Gesund- Gesundheitspolitik auf Bundesebene haben über die heitssystems: Gemeinden, Kantone und Bund nehmen Jahre zu einer enormen Regelungsdichte geführt, die heute in vielen Bereichen der Gesundheitsversorgung, sich unter anderem in einer Vielfalt von Bundesgeset- der Prävention und der Gesundheitsförderung paralle- zen, kantonalen Gesetzen und interkantonalen Konkor- le Verantwortungen wahr, wobei die Kompetenzen oft- daten sowie Vereinbarungen zwischen Bund und Kan- mals unklar verteilt sind. Diese Lage führt immer wie- tonen äussert (vgl. die gesundheitspolitischen Porträts der zu politischen Konflikten, welche die Effizienz und in Band 2 dieses Berichts). Effektivität der Reformen beeinträchtigen und die De- Er erschwert die Steuerbarkeit des Systems mittels statistischer Erkenntnisse und mittels Forschung: Obschon finition von nationalen Gesundheitszielen verhindern. ■ Zu guter Letzt ist der Föderalismus einer der zahlreichen die Schweiz zum Gesundheitssystem, zur kurativen Faktoren, die für unnötige Kostensteigerungen im Ge- Medizin und zum Gesundheitsschutz umfassende Er- sundheitssystem verantwortlich sind: Die Vielzahl der hebungen vornimmt und viele Daten vorliegen (vgl. politischen Entscheidinstanzen auf kantonaler und Band 2), ist die von der öffentlichen Hand unternom- nationaler Ebene erzeugt, hat zur Folge Doppelspurig- mene oder gesteuerte Forschung stark fragmentiert keiten beim Angebot medizinischer Dienstleistungen und lässt sich für eine nationale Gesundheitspolitik nur oder bei der Information zu gesundheitsförderlichem schwerlich heranziehen. Wesentliche Lücken halten Verhalten. Während der Föderalismus einen flächen- sich hartnäckig bei der Erhebung von statistischen und deckenden Zugang zu medizinischen Versorgungs- 42 strukturen ermöglicht, gilt dies für den Bereich der 42 Der Bund ist zuständig für Forschung und Statistik. Ergänzt werden ­diese Daten durch die Forschung, welche die Kantone selber im Gesundheitsbereich durchführen sowie insbesondere durch die vom privaten Sektor finanzierte Forschung. Prävention und Gesundheitsförderung nicht: Hier variiert das Angebot an Programmen von Kanton zu Kanton sehr stark. Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 3 45 Referenzrahmen Teil I Diese rechtlichen, strukturellen und finanziellen Schwä- Teil II ■ Ebenfalls respektiert wird die persönliche Freiheit je- chen des Föderalismus erklären, weshalb die Kantone des Einzelnen, seinen Lebensstil, seine Werte und sein und der Bund im Bereich der Gesundheitspolitik nicht auf Gesundheitsverhalten zu wählen und bezüglich der konstruktive Weise zusammenarbeiten und weshalb eine ­eigenen Gesundheit selbstverantwortlich zu handeln. Zusammenarbeit effiziente Steuerung der Reformen beeinträchtigt zu sein scheint. Trotz allem machen die Kantone aber grosse An- Die Nachteile des Liberalismus strengungen, um regionale oder interkantonale Koordina- Der starke Einfluss des liberalen Gedankenguts auf den tionsgremien für eine bessere Koordination ihrer Politiken Gesundheitsbereich, die wichtige Stellung, die dem pri- einzurichten (vgl. dazu Band 1/Teil II und Band 2/Kanto- vaten Sektor zugestanden wird sowie der limitierte Zugriff nale Porträts). Gegenwärtig müssen jene föderalistischen des Staates auf die Gewinnorientierung der privaten Ak- Ins­trumente gestärkt werden, welche die Zusammenarbeit teure bringt jedoch auch grössere Schwierigkeiten für die und die Definition von gemeinsamen Zielen fördern. Steuerung der Gesundheitspolitik mit sich: ■ Auf der gesundheitspolitischen Ebene erschwert der starke Einfluss privater Akteure und der Berufsver- Perspektiven Teil III 3.3 Liberale und sozialstaatliche ­Einflüsse bände die Möglichkeiten des Staates, das Gesundheits- Sowohl liberale als auch sozialstaatliche Elemente haben geht der starke Einfluss der Lobbyverbände auf Bun- das Gesundheitssystem in seiner heutigen Form geprägt desebene zu Lasten der Kantone, für die es schwieriger und ihm seine beiden weiteren wichtigen Merkmale ver- ist, sich beim Gesetzgeber für ihre Anliegen Gehör zu liehen. Auf der einen Seite verfügen die privaten Akteure verschaffen. über einen grossen Handlungsspielraum, während auf der system nach Massgabe von an öffentlichen Interessen ausgerichteten Gesundheitszielen zu steuern. Zudem ■ Im Bereich der ambulanten Versorgung wird die op- anderen Seite der Staat interveniert, um die Lücken des timale Verteilung der Ärzte auf dem gesamten Gebiet privaten Angebots zu schliessen und den privaten Tätig- der Schweiz durch das Gebot von Angebot und Nach- keiten einen gesetzlichen Rahmen zu geben. Auf der ge- frage nicht garantiert. Während die urbanen Zentren sundheitspolitischen Ebene führen diese beiden Faktoren eine sehr hohe Praxisdichte aufweisen, herrscht in den zu einer Policy, die individuelle Selbstverantwortung mit Randregionen und in den Spitälern notorischer Ärzte­ dem Bewusstsein der Mitverantwortung gegenüber anderen verbindet sowie Volkswirtschaft und Privatwirtschaft, mangel. ■ Die durch die freie Arztwahl bedingte Multiplikation gesellschaftliche Solidarität und soziale Gerechtigkeit ver- medizinischer Massnahmen, die ökonomischen Interes- eint. sen der Leistungserbringer und der Medizintourismus gewisser Patientinnen und Patienten führen zu einer Die Vorteile des Liberalismus Ohne Zweifel übt in der Schweiz das liberale Element ■ Der Ruf nach einer Stärkung der Eigenverantwortung ­einen prägenden Einfluss auf das System der sozialen hat seine Kehrseite, da die über die Krankenversiche- ­Sicherheit aus. Der geringe Einfluss des Staates auf das rung und über direkte Zahlungen ausserhalb der Kran- Gesundheitssystem hat Vorteile: kenversicherung erfolgende finanzielle Beteiligung der ■ Die Handels- und Gewerbefreiheit ermöglichte seit dem Haushalte an der Finanzierung des Gesundheitssystems 19. Jahrhundert technische Innovationen und führte zu in der Schweiz viel stärker ausgeprägt ist als in anderen einem dynamischen und rentablen Wirtschaftssektor, Staaten. Dies führt dazu, dass in gewissen Kantonen der heute zahlreiche Arbeitnehmerinnen und Arbeit- beinahe die Hälfte der Bevölkerung mittels des kom- ■ 46 Steigerung der Kostenspirale. nehmer beschäftigt. plizierten Mechanismus der Prämienverbilligungen fi- Die Niederlassungsfreiheit der Anbieter medizinischer nanziell entlastet werden muss. Auf der anderen Seite Dienstleistungen sowie die Freiheit der Patientinnen besteht das Risiko, dass die nur noch zu Lasten der und Patienten, einen Anbieter ihrer Wahl aufzusuchen, Zusatzversicherungen verrechenbaren Leistungen zu- ist ebenfalls Ausdruck dieser liberalen Kultur, welche nehmen und so rasch eine Zweiklassen-Medizin ent- die individuellen Rechte und Freiheiten betont. steht. Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 3 ■ Die dem Neoliberalismus teure Vision des Minimal- ■ Referenzrahmen Teil I Die Gesundheitspolitik hat Mühe, Antworten auf die staates nährt die aktuellen Budgetkürzungen, die vor neuen Herausforderungen der öffentlichen Gesundheit allem diejenigen Massnahmen betreffen, welche zu zu finden, wozu die Zunahme von chronischen nicht einer grösseren gesundheitlichen Chancengleichheit übertragbaren Krankheiten gehört, die stark mit der zwischen Arm und Reich beitragen sollen. Lebens- und Verhaltensweise und den sozial- und um- Teil II weltbedingten Gesundheitsdeterminanten verbunden weise durch sozialstaatliche Massnahmen im Gesund- sind. ■ Den auf einer föderalistischen Grundlage erarbeiteten heitsbereich kompensiert. Dazu gehören das Versiche- und umgesetzten Massnahmen der öffentlichen Ge- rungsobligatorium, das System der Prämienverbilligungen sundheit fehlt die Koordination und die Kohärenz auf und das seit dem 19. Jahrhundert entwickelte System des nationaler Ebene, was sich negativ auf ihre Effizienz Gesundheitsschutzes. auswirkt. ■ Die zunehmende Zahl von Bürgerinnen und Bürgern, Die Vorteile des Sozialstaates welche die Leistungen der Sozialversicherungen (IV, ■ Als Gegengewicht zum Liberalismus kann mit sozialen Krankenversicherung) in Anspruch nehmen müssen, Massnahmen eine gewisse Umverteilung des Reich- stellt die langfristige Finanzierung der Sozialwerke in tums erreicht werden, die Chancengleichheit wird ver- Frage und tangiert das tragende Prinzip der Solidarität welche den allgemeinen Wohlstand und die Lebenser- Teil III zwischen Gesunden und Kranken. ■ Die Frage bleibt offen, ob es an der Gemeinschaft ist, wartung für die gesamte Bevölkerung erhöhen. alle Kosten für Krankheit, Prävention und Gesund- Mit ihrer Sozialpolitik garantiert die Schweiz die fun- heitsförderung unabhängig vom Verhalten der Einzel- damentalen Menschenrechte. Diese Politik gründet auf person zu übernehmen bzw. wie weit die Deckung der ethischen Werten wie dem Respekt vor der mensch- Gesundheitskosten durch die Kollektivität gehen kann lichen Würde und der Solidarität unter den sozialen angesichts der technischen Fortschritte und angesichts Gruppen. Der schweizerische Staat anerkennt ausser- der Alterung der Bevölkerung. Perspektiven bessert, der soziale Frieden gestärkt – drei Faktoren, ■ Zusammenarbeit Diese Nachteile des Liberalismus werden zumindest teil- dem, dass die Gesundheit eine existenzielle Ressource darstellt, die es seinen Bürgerinnen und Bürgern erlaubt, ihren familiären, beruflichen, freiwilligen, sozialen oder politischen Aufgaben und Verpflichtungen nachzukommen. Die Erhaltung und die Wiederherstellung dieser Ressource ermöglicht auf kollektiver Ebene, die privaten oder öffentlichen Investitionen in die Schul- und Berufsbildung zu maximieren. Ganz allgemein bekennt sich die Schweiz zur Maxime, wonach der Entwicklungsstand einer Gesellschaft am Grad des Wohlergehens seiner schwächsten Mitglieder gemessen werden kann. Die Schwächen der Sozialpolitik ■ Trotz der flächendeckenden Zugänglichkeit zu Versorgungsstrukturen für die gesamte Bevölkerung bleibt die sozial bedingte Ungleichheit bezüglich Gesundheit bestehen, denn obschon zahlreiche Massnahmen zur Verringerung dieser Unterschiede getroffen wurden, leben armutsbetroffene Menschen in der Schweiz weniger lang und leiden häufiger an schweren Krankheiten als reiche Personen. Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 3 47 Teil I Referenzrahmen Schluss Zwischen Föderalismus und Zentralisierung, zwischen individueller Selbstverantwortung und sozialem Schutz, zwischen Rationalisierung des kurativen Sektors und Teil II Entwicklung der Gesundheitsförderung, zwischen Marktwirtschaft und staatlicher Planung befindet sich das schweizerische Gesundheitssystem gegenwärtig an einer Zusammenarbeit Weggabelung. Die richtigen Fragen werden seit zwanzig Jahren gestellt. Sie sind es wert, beantwortet zu werden: ■ Wie wird in einer Gesellschaft Gesundheit geschaffen? ■ Gibt es ein gutes Gleichgewicht zwischen staatlichen und liberalen/marktwirtschaftlichen, zwischen kollektiven und individuumsbezogenen Elementen im Gesundheitssystem? ■ Teil III Wie kann die Chancengleichheit im Sektor Gesundheit sichergestellt werden? ■ Wie lässt sich das Gesundheitssystem in einem föderalistischen Staat steuern? Perspektiven Erste mögliche Antworten wurden skizziert, die es verdienen, vertieft zu werden: ■ Prävention vor Heilung ■ Beeinflussung der sozialen und umweltbedingten Gesundheitsdeterminanten ■ Erhöhung der Gesundheitskompetenz der Bürgerinnen und Bürger, der Patientinnen und Patienten, der Versicherten ■ Sicherstellen der gemeinsamen politischen Steuerung zwischen Bund und Kantonen auf nationaler Ebene In einem nächsten Schritt wird es darum gehen, diese Antworten in eine erweiterte Diskussion über die Erneuerung des Föderalismus einzubeziehen. 48 Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 3 Referenzrahmen Teil I Zusammenarbeit Teil II Perspektiven Teil III Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 3 49 Perspektiven Zusammenarbeit Referenzrahmen Teil I Teil II Teil III Teil II Zusammenarbeit Staatspolitische Zusammenarbeit in der Gesundheitspolitik Teil III Perspektiven Teil II Referenzrahmen Teil I Teil I Referenzrahmen Einleitung Zusammenarbeit Teil II Wie Teil I dieser Publikation gezeigt hat, haben die föde- Kosten stellt sich immer wieder die Frage nach der Re- ralen Strukturen und das Subsidiaritätsprinzip das Public formfähigkeit des Gesundheitssystems Schweiz. Sollen Health-System in der Schweiz stark geprägt. Gestützt auf Bund und Kantone ihre Verantwortlichkeiten entflechten? Artikel 3 der Bundesverfassung besagt dieses Prinzip, Lässt sich die Komplexität durch eine Zentralisierung der dass die Kantone souverän sind, soweit ihre Souveränität Kompetenzen auf Bundesebene bzw. durch eine zentrale nicht durch die Bundesverfassung beschränkt ist. Steuerung verringern? Oder geht es darum, die Komplexi- Rund 2800 Gemeinden, 26 Kantone und der Bund ent- tät des föderalen Gesundheitssystems zu akzeptieren und wickeln im Rahmen ihrer Kompetenzen Gesundheitspo- anzuerkennen, dass Gesundheit eine gemeinsame Aufgabe litiken auf kommunaler, kantonaler und eidgenössischer von Bund und Kantonen ist und eine Kohärenz der kanto- Ebene und beteiligen sich am Vollzug dieser Politiken. Ne- nalen und eidgenössischen Gesundheitspolitiken auf der ben den Aktivitäten der staatspolitischen Akteure kennt Basis von nationalen Gesundheitszielen anzustreben sei? die Schweiz insbesondere auch den starken Einbezug (Krankenversicherer, Standesorganisationen, Pharma- Horizontale und vertikale Zusammenarbeit ­zwischen Bund und Kantonen industrie) in den politischen Entscheidungsprozess und Eine mögliche Antwort liegt in der Stärkung der Zusam- Vollzug. In Art. 147 der Verfassung heisst es dazu: „Die menarbeit. Konkret geht es in Teil II um die Zusammenar- Kantone, die politischen Parteien und die interessierten beit unter Bundesstellen (Kapitel 4), um die interkantonale Kreise werden bei der Vorbereitung wichtiger Erlasse und Zusammenarbeit zwischen Regierungsverantwortlichen anderer Vorhaben von grosser Tragweite sowie bei wich- der Kantone (Kapitel 5) sowie schliesslich auf nationaler tigen völkerrechtlichen Verträgen zur Stellungnahme ein- Ebene um die Zusammenarbeit zwischen Regierungsver- geladen.“ antwortlichen des Bundes und der Kantone (Kapitel 6). Der Einfluss der privaten Akteure auf die Politikformulie- Im Zentrum stehen folgende Fragen: rung und auf die Entscheidprozesse im Sektor Gesund- ■ nicht staatlicher Organisationen sowie Interessengruppen Perspektiven Teil III Welche Gremien, Projekte und Prozesse sind auf Bun- heit wird in diesem Teil II nicht untersucht. Im Zentrum desebene, in den Kantonen und auf nationaler Ebene stehen vielmehr die staatspolitischen Akteure Bund und vorhanden, die der Koordinierung und der Zusammen- Kantone. arbeit dienen? ■ In welchem Ausmass haben diese Gremien, Projekte Verflechtung der Verantwortlichkeiten zwischen Bund und Kantonen und Prozesse die gemeinsame Zielformulierung, die Seit den 1980er-Jahren lassen sich Veränderungen in der im Handlungsfeld Gesundheit auf eidgenössischer, kan- Kompetenz- und Aufgabenteilung zwischen Bund und tonaler und nationaler Ebene ermöglicht? Kantonen beobachten. Der Zuständigkeitsbereich des Priorisierung der Ziele und deren effiziente Umsetzung ■ Welches Potential tragen die eidgenössischen, kanto- Bundes im Sektor Gesundheit hat sich kontinuierlich ver- nalen und nationalen Strukturen und Prozesse in sich grössert und zu Überschneidungen bei der Erfüllung von für eine noch zu entwickelnde Kultur der Zusammen- Aufgaben zwischen Bund und Kantonen geführt. Heute arbeit zwischen Bund und Kantonen, für eine nationale üben Bund und Kantone in den Bereichen Gesundheits- Gesundheitspolitik? förderung, Prävention, Gesundheitsschutz, Gesundheitsversorgung, Rehabilitation, Pflege sowie Aus- und Wei- Folgende Schlüsse können aus der Analyse der horizonta- terbildung in den Gesundheitsberufen parallele und/oder len und vertikalen Zusammenarbeit gezogen werden. sich überschneidende Kompetenzen bzw. Aufgaben aus. 52 Die verbreitete Meinung, dass aufgrund des Subsidiari- Kapitel 4 tätsprinzips der Sektor Gesundheit im Kern in den kanto- Bundesstellen arbeiten untereinander sporadisch und nalen Kompetenzbereich fällt, stimmt so nicht mehr. punktuell im Handlungsfeld Gesundheit zusammen und Angesichts des im Vergleich zu früher komplexen, mehr- gestalten dort gewisse politische Programme aktiv mit. schichtigen Gesundheitssystems, angesichts der wachsen- Es gibt trotzdem keine kohärente Gesundheitspolitik des den Bedeutung der Krankenversicherer als Finanzierer Bundes, da die verfassungsrechtlichen Kompetenzen des von Leistungen und schliesslich angesichts der steigenden Bundes begrenzt sind und der Bund seine gesundheits- Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Einleitung Teil II Referenzrahmen Teil I politische Verantwortung nur für einzelne Bereiche wahrnehmen kann. Kapitel 5 Teil II Regierungsvertreter/innen der Kantone haben in den letzten 100 Jahren erfolgreich interkantonale Instrumente der Zusammenarbeit Koordination und der Zusammenarbeit entwickelt. Diese benutzen sie mehrheitlich für den Vollzug der Bundesgesetze oder für die Befriedigung ihrer eigenen gesundheitspolitischen Bedürfnisse. Hingegen dient die interkantonale Zusammenarbeit bis jetzt nur bedingt als Nährboden für regionale oder gesamtschweizerische Politikformulierungen im Sektor Gesundheit. Doch sind hier in jüngster Zeit neue Formen der Zusammenarbeit unter den Kanto- Teil III nen auf gesamtschweizerischer Ebene erkennbar. Kapitel 6 Zwischen Bund und Kantonen gibt es noch keine eta- Perspektiven blierten Formen der paritätischen Zusammenarbeit sowie noch keine gemeinsame Politikformulierung im Bereich der nationalen Gesundheitspolitik. Erst allmählich beginnen sich entsprechende Strukturen und Entscheidprozesse herausbilden, deren demokratische Legitimität und politische Wirksamkeit aber noch unklar sind Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Einleitung Teil II 53 Teil I Referenzrahmen Kapitel 4 Zusammenarbeit in der Gesundheitspolitik auf Stufe Bund Dossiers in der gesamten Bundesverwaltung anzutreffen Zusammenarbeit Teil II Teil III 4.1 Ausgangslage sind, erschwert eine ganzheitliche Vision und ganzheit- Die Kantone sind gemäss dem in der Verfassung veran- die Gefahr einer atomisierten Gesundheitspolitik des kerten Prinzip der Subsidiarität (Artikel 3, BV) für weite Bundes in sich. Teile der Gesundheit zuständig. Der Bund nimmt nur in Gemäss der für das Eidgenössische Departement des In- denjenigen Bereichen Kompetenzen wahr, die das Stimm- nern geltenden Organisationsverordnung (OV-EDI) vom volk und die Kantone oder das Bundesparlament in der 28. Juni 2000 wird dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) Regel in Form von Verfassungsartikeln oder Bundesge- eine federführende Rolle in der Gesundheitspolitik zu- setzen dem Bund zugewiesen haben. Im Rahmen dieser gewiesen. Das Bundesamt gilt als «Fachbehörde für die föderalistischen Kompetenz- und Aufgabenverteilung menschliche Gesundheit, für die nationale Gesundheits- zwischen Bund und Kantonen liegt die Verantwortung für politik, für die Mitarbeit der Schweiz in der internationa- die Gesundheitspolitik auf Bundesebene beim Stimmvolk, len Gesundheitspolitik, für die soziale Sicherheit in den dem Parlament und dem Bundesrat. Letzterem stehen Bereichen Krankheit und Unfall sowie für die ihm übertra- zahlreiche Bundesstellen für die Ausführung von Aufga- genen Bereiche des Konsumentenschutzes.» ben im Gesundheitssektor zur Verfügung. Das nun folgende Kapitel geht nicht weiter auf die inhalt- liche Sicht auf das Gesundheitssystem Schweiz und birgt Perspektiven lichen Aspekte der Gesundheitspolitik des Bundes ein. Gesundheit als Querschnittthema Diese werden in Band 2 des Berichts ausführlich vorge- Im Gegensatz zu den Kantonen, die umfassende Ge- stellt. Stattdessen stehen in diesem Kapitel folgende Fra- sundheitspolitiken konzipieren und umsetzen, kann der gen im Zentrum: Wie planen Bundesräte angesichts der Bund wegen des Subsidiaritätsprinzips nur in explizit eingeschränkten rechtlichen Kompetenzen gesundheits- an ihn delegierten Bereichen der Gesundheit tätig wer- politische Programme und formulieren sie Gesundheits- den. In den vergangenen 100 Jahren wurden dem Bund ziele? Wie und wo arbeiten Bundesstellen angesichts der rechtliche Kompetenzen in Phasen und nach politischer Komplexität und der Multisektoralität von Gesundheit Dringlichkeit zugeteilt. Der Bundesrat hat in der Folge zusammen, um Strategien und Massnahmen wirkungs- unterschiedliche Bundesstellen mit der Umsetzung der voll, koordiniert und kohärent umsetzen? Diese Fragen neuen Aufgaben betraut. In den letzten zwanzig Jahren ergeben sich nicht zuletzt aus der Überlegung, dass für war die Zuteilung von Aufgaben an den Bund besonders die Konzipierung einer nationalen Gesundheitspolitik die intensiv, sind doch in diesem Zeitraum die Anforderungen zentralen staatspolitischen Akteure über entsprechende an den öffentlichen Gesundheitssektor komplexer und Visionen, Gesundheitsziele, Strategien und Massnahmen anspruchsvoller geworden. Wie das «Porträt der Gesund- verfügen sollten. heitspolitik des Bundes» (Band 2 des Berichts) deutlich zeigt, haben auf Stufe Bund eine Reihe neuer Themen zu neuen Gesetzen oder Beschlüssen mit entsprechenden Strategien, Programmen, Aktionsplänen geführt. Auf dem 4.2 Bundesrätliche Gesamtplanung Hintergrund dieses historischen Prozesses überrascht es Der Bundesrat ist eine Instanz, die in erster Linie poli- nicht, dass heute 27 Bundesstellen in 7 Departementen tisch und erst in zweiter Linie fachlich handelt. Fachliche Aspekte der Gesundheit bearbeiten, wenn auch mit un- Massnahmen im Bereich Gesundheit werden vor allem terschiedlicher Intensität. Zudem beraten rund 30 ausser- von den Einheiten innerhalb der Bundesämter entwickelt. parlamentarische Kommissionen den Bundesrat in Fragen Die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich auf die der Gesundheit. Durch die Ansiedlung in allen 7 Departe- Fachführung durch den Bundesrat, die rund 25 % seiner menten und mehreren Bundesstellen ist Gesundheit zu Aktivitäten ausmacht. einem Querschnittthema geworden. Die Tabelle «Gesund- Gestützt auf die Bundesverfassung und auf dem aus dem heitsthemen innerhalb der Bundesverwaltung» zeigt dies Jahr 1997 stammenden Regierungs- und Verwaltungsor- eindrücklich (Anhang am Ende des Kapitels 4). Die eingeschränkten Kompetenzen des Bundes im Sektor Gesundheit und die Tatsache, dass gesundheitsrelevante 54 Organisationsverordnung für das Eidgenössische Departement des Innern (OV-EDI) vom 28. Juni 2000, S. 6. Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 4 verhindern würde. Neben der Regierungstätigkeit entlang Verordnung die Planungstätigkeit des Bundesrates wie von Jahreszielen tritt der Gesamtbundesrat zusammen, folgt: um einzelne Politikbereiche gesondert zu besprechen. So ■ Gesamtplanungen, die alle Politikbereiche des Bundes ging der Gesamtbundesrat im Jahr 2002 in Klausur, um umfassen. Dazu gehören die Richtlinien der Regie- eine mögliche Reform des Gesundheitssystems Schweiz rungspolitik nach Artikel 18 und die Jahresziele des zu diskutieren und einzelne Massnahmen wie die Einfüh- Bundesrates nach Artikel 19 als Sachplanungen. rung einer Versichertenkarte oder Prämienentlastungen Finanzplanungen nach Finanzhaushaltsgesetz vom für Familien zu prüfen. ■ Teil II Zusammenarbeit ganisationsgesetz (RVOG) umschreibt die entsprechende Referenzrahmen Teil I 6. Oktober 1989 und nach Finanzhaushaltsverordnung vom 11. Juni 1990 Grundlagen der bundesrätlichen Gesamtplanung ■ Teilplanungen zu einzelnen Politikbereichen des Bun­ Im Zuge der Umstellung auf die bundesrätliche Gesamt- des oder zu Teilen davon planung beschloss der Bundesrat im Vorfeld der Legisla- ■ Weitere Planungen bei Bedarf. turperiode 1995–1999, den Planungsprozess von Anfang an mit Vorgaben und Zielsetzungen zu führen, anstatt wie Die bundesrätliche Gesamtplanung ist verhältnismäs- bisher den Berichtsentwurf über Fachstellen erarbeiten sig jung. Entsprechende Forderungen gehen auf Dis- zu lassen. Teil III 1990er-Jahren zurück, erhoffte man sich doch davon eine Qualitative Umfeldanalyse Stärkung der Führungsfähigkeit des Bundesrates, Kosten- Seit 1998 stützt der Bundesrat seine Legislaturplanung einsparungen und eine effizienter arbeitende Verwaltung. unter anderem auf den Bericht «Herausforderungen – Seit 1995 sind Legislaturplanung und Jahresziele die poli- Trendentwicklungen und mögliche Zukunftsthemen für tischen Planungsinstrumente des Bundesrats. Im «Bericht die Bundespolitik». Der Bericht, es handelt sich um eine des Bundesrats über die Legislaturplanung» zeichnet der qualitative Umfeldanalyse, wird im Abstand von 4 Jahren Bundesrat die Richtlinien der Regierungspolitik für die vom sogenannten Perspektivstab der Bundesverwaltung jeweils kommende Legislaturperiode auf. Mit seinen Jah- erstellt. Dieser Stab ist ein departementsübergreifendes reszielen, den Jahreszielen der Departemente sowie den- Gremium, welchem gemäss dem «Verzeichnis departe- jenigen der Bundesämter konkretisiert der Bundesrat sein mentsübergreifende Gremien und Projektorganisationen» Legislaturprogramm. Zudem dienen die Ziele der allge- aus dem Jahr 2000 25 Bundesämter aus allen 7 Departe- Perspektiven kussionen über New Public Management in den frühen meinen Fortschreibung der schon geplanten Verwaltungsjährlichen Geschäftsbericht ab. Politische Gesamtplanung – eine Aufgabe auch des Parlaments Mit dem neuen Parlamentsgesetz (ParlG), in Kraft seit Die politische Planung war lange Zeit vollständig der dem 1. Dezember 2003, muss der Bundesrat seine Jah- Regierung bzw. den jeweiligen Bundesstellen vorbe- tätigkeiten. Rechenschaft legt der Bundesrat mit seinem resziele dem Parlament jeweils bis zu Beginn der letzten halten. Mit der Bundesverfassung vom 18. April 1999 ordentlichen Session des Jahres bekannt geben und auf wurde die Mitwirkung der Bundesversammlung bei die Legislaturplanung abstimmen (Art. 144 Abs. 1 ParlG). der staatsleitenden Politikgestaltung verankert. Das Gestützt auf die Jahresziele nimmt die Bundespräsidentin Parlamentsgesetz vom 13. Dezember 2002 gibt der oder der Bundespräsident jeweils in der Wintersession im Bundesversammlung konkret die Möglichkeit, mit Be- Namen des Bundesrats eine Standortbestimmung vor. schlüssen an der politischen Planung mitzuwirken. So Der Bundesrat führt mit Hilfe dieser Prioritäten die Arbeit werden beispielsweise die Ziele der Legislaturplanung der Verwaltung und erhofft sich davon mehr Kohärenz in als einfacher Bundesbeschluss verabschiedet (oder ab- der Gesetzgebungs- und Verwaltungstätigkeit. Die Jahres- gelehnt). Bis jetzt hat das Parlament erst zögerlich von ziele sind rechtlich nicht bindend, sondern stellen eine po- dem neuen Planungsinstrument Gebrauch gemacht.2 litische Absichtserklärung dar: Sie sollen die Marschrichtung und die Schwerpunkte der bundesrätlichen Politik abstecken, ohne zum Korsett zu werden, das unvorhersehbare, aber sachlich dringend gebotene Massnahmen Siehe hierzu auch: Susanne HARDMEIER: Die Mitwirkung der Bundesversammlung bei der politischen Planung und ihre Grundlage im neuen Parlamentsgesetz. In: LEGES 2003 (2), S. 79–89. Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 4 55 Referenzrahmen Teil I Tabelle 6: Quellen der bundesrätlichen Gesamtplanung für den Sektor Gesundheit Bundesverwaltung ■ Gesamtrechnung der sozialen Sicherheit (BFS) ■ Schweizerische Gesundheitsbefragung (BFS) ■ Schweizerische Sozialversicherungsstatistik (BSV) Teil II ■ Berichte zur Ausgestaltung der schweizerischen 3-Säulen-Konzeption der Alters-, Hinterlassenen- und Zusammenarbeit ■ ■ ■ ■ ■ ■ Externe Quellen Invalidenvorsorge, zur aktualisierten Gesamtschau des finanziellen Mehrbedarfs der Sozialversicherungen bis zum Jahre 2025 Neue rechtliche Grundlagen (z. B. Verordnung über die Nationale Ethikkommission) Botschaften zu Volksinitiativen im Sektor Gesundheit Botschaften zu Gesetzesrevisionen betreffend die AHV und IV, das BVG, das KVG Bundesrätliche Konzepte (Sportpolitik) und Strategien (Nachhaltige Entwicklung) Bundesamt für Gesundheit: Gesamtstrategie, Forschungskonzept, ausgewählte nationale Programme und Projekte (Migration, Tabakprävention) des BAG Wirkungsanalysen zum Krankenversicherungsgesetz (KVG) ■ Berichte der Geschäftsprüfungskommission des Ständerates und der parlamentarischen Verwaltungskon- trolle zu Fragen betreffend die Kosten der Krankenversicherung Teil III ■ 21 Gesundheitsziele für die Schweiz. Diese Ziele hat die Gesellschaft «Public Health Schweiz» in Zusammen­ ■ ■ Perspektiven ■ ■ arbeit mit dem Bundesamt für Gesundheit erarbeitet. Sie gelten nicht als offizielle, von den politischen Entscheidungsträgern verabschiedeten Ziele. Forschungsergebnisse unter anderem zu Alter, zur psychischen Gesundheit, zu Umwelt und Gesundheit Wissenschaftliche Publikationen zur öffentlichen Sozialhilfe, zu sozialer Ausgrenzung, zu Working Poor Konferenzergebnisse (internationale Föderalismuskonferenz) Wissenschaftliche Publikationen, in denen reformbedürftige Bereiche im Vordergrund stehen (Sozial­ versicherungen) menten angehören. Auf dem Gebiet Gesundheit sind Im Bereich Gesundheit hat sich der Perspektivstab mit folgende Bundesstellen dabei: das Bundesamt für Ge- Blick auf die Erstellung der qualitativen Umfeldanalyse sundheit, das Bundesamt für Sozialversicherung, das Bun- für die Legislaturperiode 2003–2007 auf zahlreiche Ein- desamt für Statistik, das Bundesamt für Berufsbildung und zelquellen abgestützt, nicht zuletzt auch deshalb, weil es Technologie, das Staatssekretariat für Bildung und For- in der Schweiz auf Bundesebene und auf nationaler Ebene schung, das Bundesamt für Umwelt, das Staatssekretariat seit 1993 keinen aktuellen Gesundheitsbericht, keine ge- für Wirtschaft. sundheitspolitischen Leitplanken oder offiziellen Gesund- Die qualitative Umfeldanalyse des Perspektivstabs befasst heitsziele gibt: sich aus einer überdepartementalen Sicht mit politikrelevanten Zukunftsfragen und reflektiert die bundesrätliche Jahresziele des Bundesrates im Sektor Gesundheit Politik im Hinblick auf diese Fragen. Zu diesem Zweck Drei der 16 Ziele des Bundesrats für das Jahr 2005 ent­ führt der Perspektivstab Studien und Szenarienarbeiten hielten gesundheitsrelevante Massnahmen (siehe Tabelle der Bundesverwaltung unter anderem aus den Bereichen 7: «Jahresziele 2005 des Bundesrates und Bilanz für den Energie, Soziale Sicherheit, Verkehr, Gesundheit zu einer Sektor Gesundheit»). Der Geschäftsbericht des Bundes- Gesamtschau zusammen und analysiert deren Rückwir- rats für das Jahr 2005 gibt unter anderem Auskunft über kungen auf verschiedene Politikbereiche unter Einbezug die rund 100 wichtigsten Geschäfte, die der Bundesrat des internationalen Umfelds, der Demographie, der Wirt- in diesem Jahr behandelt hat. Von den 16 Zielen, die für schaft und der Technologie. Schliesslich dient die Um- 2005 gesetzt wurden, konnten drei vollständig, drei über- feldanalyse im Rahmen der Erarbeitung der Legislaturplanung des Bundesrats seit 1999 als Grundlage für eine Aussprache zwischen einer bundesrätlichen Delegation und einer Delegation der Kantone. Der nächste Bericht ist als Vorbereitung auf die Legislaturperiode 2007–2011 auf Anfang 2007 geplant. 56 Als Grundlage für die Zusammenstellung diente das Literaturverzeichnis des Berichts des Perspektivstabs der Bundesverwaltung: Trendentwicklungen und mögliche Zukunftsthemen für die Bundespolitik – Herausforderungen 2003–2007. Der letzte Gesundheitsbericht erschien 1993. Das Bundesamt für Gesundheit hatte ihn in Auftrag gegeben: Walter Weiss (Hg.). Gesundheit in der Schweiz. Seismo-Verlag, Zürich 1993. Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 4 Referenzrahmen Teil I Tabelle 7: Jahresziele 2005 des Bundesrates: Bilanz für den Sektor Gesundheit Ziele Ziel 1 Ziel-Nr. des EDI Bilanz 13 Nicht realisiert Die Bildung und die Forschung stärken ■ Vernehmlassung zum Verfassungsartikel und Bundesgesetz über die For- Teil II schung am Menschen ■ Revision der Fachhochschulverordnung (Integration des Fachbereichs Nicht realisiert ■ Vernehmlassung zu einem Bundesgesetz über die Psychologieberufe und 14 Zusammenarbeit ­Gesundheit) Nicht realisiert Entscheid zum weiteren Vorgehen Ziel 2 Das Vertrauen in die Wirtschaft stärken durch bessere wirtschaftsrechtliche Rahmenbedingungen und Corporate Governance Ziel 3 Mehr Wettbewerb und Transparenz auf dem Binnenmarkt schaffen Ziel 4 Den Ausgleich des Bundeshaushalts dauerhaft sichern Ziel 5 Die natürlichen Lebensgrundlagen erhalten 19 Teilweise realisiert Ziel 6 Die Verkehrsinfrastruktur leistungsfähig erhalten und europäisch vernetzen und die Verkehrssicherheit verbessern Ziel 7 Die Informationsgesellschaft gestalten und fördern Ziel 8 Die Zusammenarbeit zwischen den staatlichen Ebenen verwesentlichen Ziel 9 Eine ausgewogene und nachhaltige räumliche Entwicklung sicherstellen Ziel 10 Die Altersvorsorge und die Invalidenversicherung stabilisieren ■ Botschaften zur 5. Revision der Invalidenversicherung, zur Zusatzfinanzierung 7 Teilweise realisiert 20 Teilweise realisiert Teil III Perspektiven ■ Weitere Verordnungen zum Chemikalienrecht der Invalidenversicherung und zur Straffung des IV-Verfahrens ■ Vorentscheid zu einer Revision des Unfallversicherungsgesetzes Ziel 11 Die kinderbetreuenden und älteren Menschen besser integrieren Ziel 12 Die Kulturpolitik überprüfen, reorganisieren und positionieren Ziel 13 Die Chancen für schweizerische Exporte wahren und die Beziehungen zur Europäischen Union vertiefen Ziel 14 Den Schutz der Menschenrechte auf internationaler und nationaler Ebene stärken Ziel 15 Die neue Sicherheitspolitik umsetzten Ziel 16 Die internen Strukturen, die Prävention und die internationale Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Polizei ­optimieren wiegend und acht teilweise erreicht werden. Zwei müssen Drei Sonderausschüsse bearbeiten zudem Fragen zur Si- als nicht erreicht gelten, weil weniger als die Hälfte der cherheit, zu Europa und zu Drogen (seit 1994). Die Aus- zugehörigen Massnahmen realisiert wurden. Zusammen- schüsse bereiten Beratungen und Entscheidungen des fassend hält die Bundeskanzlei in einer Medienmitteilung Bundesrates vor oder führen für das Kollegium Verhand- fest, dass der Zielerreichungsgrad der Jahresplanung 2005 lungen mit anderen in- oder ausländischen Behörden oder bei rund 60 % liegt. mit Privaten. Mit Ausnahme des Themas Drogen wird Gesundheit in den Ausschüssen nicht diskutiert. Zusammenarbeit der Bundesräte in Gesundheitsfragen Würdigung Departementsübergreifend können die Bundesräte in so Zwar arbeitet der Bundesrat im Rahmen der Gesamtpla- genannten Ausschüssen (Art. 23 RVOG) zusammenar- nung mit vierjährigen Legislaturprogrammen, mit Richt- beiten. Es bestehen 12 Ausschüsse, die aus jeweils drei linien und Jahreszielen. Doch sind diesen Prozessen der Mitgliedern des Bundesrats bestehen. Die Ausschüsse Planung, Priorisierung und Koordination im Sektor Ge- widmen sich spezifischen Themen wie Aussenwirtschaft, sundheit innerhalb der Bundesverwaltung Grenzen ge- Wirtschaft allgemein, Verkehr, Finanzen, Militär, Land- setzt. Diese Grenzen werden unter anderem durch fol- wirtschaft, Raumordnung, Energie, Tourismus, Migration. gende Faktoren festgelegt: Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 4 57 Referenzrahmen Teil I Zusammenarbeit Teil II Perspektiven Teil III 1. Die bundesrätliche Planung im Sektor Gesundheit ist kung der bundesrätlichen Regierungstätigkeit haben aus nationaler Sicht «nur» eine Teilplanung, da es keine nicht zu einer erkennbaren Stärkung der Position des übergeordnete Gesundheitspolitik auf nationaler Ebe- Bundesrates als richtungsweisende Behörde geführt. ne, das heisst, von Bund und Kantonen gibt. So scheiterte der Versuch einer ersten Staatsleitungs- 2. Die Strategien und Massnahmen des Bundes können reform 1996 in einer Volksabstimmung. Damals ging es sich wegen des Subsidiaritätsprinzips nur auf einzelne, um die Stärkung der Exekutive durch das Einsetzen voneinander losgelöste Verfassungsartikel und Bun- von Staatssekretären. Weitere Vorschläge wie die vom desgesetze stützen, nicht aber auf eine übergeordnete Bundesrat vorgeschlagene «Zwei-Kreise-Regierung» Politik. Die fehlende übergeordnete Gesundheitspoli- mit Delegierten Ministern oder die vom Ständerat be- tik ist möglicherweise mit ein Grund dafür, dass es auf vorzugte Aufstockung des Bundesrats auf neun Mit- Stufe Bundesrat bis jetzt noch nicht gelungen ist, die glieder fand im Parlament keine Mehrheit. Gegenwärtig Gesundheitsfelder der 27 betroffenen Bundesstellen konzentriert sich der Gesamtbundesrat deshalb erneut in einer ganzheitlichen Sicht auszuleuchten und de- auf eine Reform der Bundesverwaltung, nachdem eine ren Zusammenhänge und Schnittstellen aufzuzeigen. erste Regierungs- und Verwaltungsreform Ende 2000 Erschwerend auf die bundesrätliche Gesamtsicht in abgeschlossen worden war. der Gesundheitspolitik wirkt sich zudem aus, dass sich 4. Das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) die Bundesräte in den letzten Jahren in zunehmendem zeichnet sich durch eine ausgesprochene Heterogeni- Masse in erster Linie gegenüber ihrer politischen Par- tät der Themen aus: Gleichstellung von Frau und Mann, tei, dann ihrem eigenen Departement und erst an drit- Kultur, Archivierung der Dokumente des Bundes (Bun- ter Stelle gegenüber der Kollegialbehörde verantwort- desarchiv), Meteorologie und Klimatologie, Gesundheit, lich fühlen. Statistik, Sozialversicherung, Aus- und Weiterbildung, 3. Die in den 1990er-Jahren im Zuge von New Public Ma- Forschung, Eidg. Technische Hochschulen. Angesichts nagement angestrebte Zentralisierung und Verstär- der Vielzahl der Themen hat das Departement einen Indikatoren als strategische Führungsgrössen Das Parlament hatte im Jahr 2000 die mangelnde statistische Fundierung des Berichts über die Legislaturplanung 1999–2003 kritisiert und den Aufbau eines Indikatorensystems als Führungsinstrument verlangt. In der Folge erarbeitete das Bundesamt für Statistik in Zusammenarbeit mit dem Perspektivstab der Bundesverwaltung statistische Führungsindikatoren für die politische Gesamtplanung.5 Der Bundesrat beurteilt unter anderem anhand dieser Indikatoren den Zustand der Schweiz, definiert den Handlungsbedarf und richtet seine Ziele danach aus. In der Legislaturperiode 2003–2007 testet der Bundesrat den Nutzen und die Grenzen dieses neuen statistischen Führungsinstruments für die Bundespolitik, um dann für die Planung 2007–2011 über die definitive Einführung zu entscheiden. Es gibt insgesamt 15 übergeordnete Indikatoren: Öffentliche Bildungsausgaben; Aufwendungen für Forschung und Entwicklung; Wachstumsrate des Bruttoinlandprodukts (BIP); Arbeitslosenquote; Ungleichheit der Einkommensverteilung; Staatsquote des Bundes (inkl. Sozialversicherungen); Fiskalquote des Bundes (inkl. Sozialversicherungen); CO2-Emissionen nach CO2-Gesetz; Ozon-Konzentration; Verkehrsleistungen im Personenverkehr; Verkehrsleistungen im Güterverkehr; Unterstützung von Regierung und Parlament bei Volksabstimmungen; Steuerbelastung der natürlichen Personen in den Kantonen; Sozialquoten gemäss Gesamtrechnung für Soziale Sicherheit (GRSS/ESSOSS); Öffentliche Entwicklungshilfe. Neben den übergeordneten Indikatoren gibt es die sektoriellen Indikatoren. Diese heissen für den Bereich Gesundheit: Gesundheitsausgaben; Krankenversicherungsprämien-Index; verlorene potenzielle Lebensjahre; AIDS-Neuerkrankungen; positive HIV-Testergebnisse; Rauchen; Personen mit übermäßigem Alkoholkonsum; bewegungsaktive Bevölkerung. 5 Bundeskanzlei & Bundesamt für Statistik (Hg.), Indikatoren als strategische Führungsgrössen für die Politik. Bericht des Bundesrats vom 25. Februar 2004 in Erfüllung des Postulats «Erarbeitung eines Indikatorensystems als Führungsinstrument» (00.3225) der nationalrätlichen Legislaturplanungskommission (00.016 NR). Neuchâtel 2004. 58 Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 4 EDI delegiert. Die Bundesämter, darunter auch das gen wie auch im Besonderen innerhalb des Bundesamts Bundesamt für Gesundheit, funktionieren teilweise für Gesundheit hat sich im Sektor Gesundheit bis jetzt nach eigenen Planungsvorgaben. noch nicht etablieren können. Auch fehlt eine konsoli- 5. Schliesslich ist die bundesrätliche Gesamtplanung, dierte Vision «Gesundheitspolitik Schweiz» sowohl auf wie weiter oben bereits erwähnt, in einen politischen Regierungsebene wie auf Verwaltungsebene. Die Bundes- Kontext eingebettet, der die Wirkung der Gesamtpla- verwaltung präsentiert sich von innen und von aussen als nung einschränkt. Neben dem Bundesrat beeinflus- ein heterogenes Gebilde bestehend aus eigenständigen sen das Parlament, die Kantone und insbesondere die Einheiten mit unterschiedlichen und zum Teil sich wider- politische Öffentlichkeit wie die Pharmaindustrie, die sprechenden Zielen und Aufgaben im Bereich Gesundheit. Krankenversicherer oder die medizinischen Leistungs- Der Bundesrat selber bestätigt diese Tatsache, wenn er erbringer die Agenda des Bundesrates wesentlich. Po- schreibt: «Jede Verwaltungsstelle versucht, die ihr über- litische Einflüsse können somit ungeplant zu starken tragenen Aufgaben so weit wie möglich zu verwirklichen Neuorientierungen führen. Die sogenannten Entla- und sich nicht durch entgegengesetzte Interessen behin- stungsprogramme zwingen zum Beispiel den Bund zu dern zu lassen. In diesen Spannungsfeldern – legitimerwei- Kosteneinsparungen und damit zum Verzicht auf lau- se – unterschiedlicher Interessen muss durch geeignete fende oder geplante Aufgaben. So wird der seit 1998 Koordinationsinstrumente sichergestellt werden, dass im Bundesamt für Gesundheit (BAG) angesiedelte eine Offenlegung der verschiedenen Interessen zustande Aktionsplan Umwelt und Gesundheit Ende 2007 nicht kommt und deren sachgerechter Ausgleich stattfindet.» Teil II Zusammenarbeit tern und Departementen in bereichsübergreifenden Fra- Teil III Perspektiven Teil der Führung an die einzelnen Bundesämter des Referenzrahmen Teil I mehr weitergeführt. Interessengegensätze und Autonomie der Bundesstellen 4.3 Zusammenarbeit zwischen ­Bundesstellen In der Tat streben die verschiedenen, dem Bund im Sektor Die fachliche Führung im Sektor Gesundheit liegt inner- tale Arbeitsgruppen nicht ausgeglichen werden können. halb der Bundesverwaltung bei den Bundesstellen. Die Neben den entgegengesetzten Interessen ist es die Ei- Zuweisung von rechtlichen Kompetenzen – punktuell und genständigkeit der Bundesstellen, die verhindert, dass in kleinen Schritten – hat über die Jahre dazu geführt, Bundesstellen Zusammenarbeit als Prozess interpretie- dass die Interventionsbereiche der einzelnen Bundesstel- ren, von dem alle mit Blick auf Effizienz und Qualität der len auf dem Gebiet der Gesundheit vielfältig, aber auch Arbeit profitieren könnten. Für die Selbstständigkeit der verzettelt sind. Gesundheit ist in der Bundesverwaltung Bundesstellen bzw. der Einheiten innerhalb einer Bundes- zu einem Querschnittthema geworden (siehe Tabelle 8: stelle, auch innerhalb derjenigen im Bereich Gesundheit, «Gesundheitsrelevante Ziele für das Jahr 2006 innerhalb können folgende Gründe angeführt werden: Gesundheit übertragenen Aufgaben nicht selten in entgegengesetzte Richtungen, die auch über interdepartemen- der Bundesverwaltung»). Die Verantwortungsgebiete der Bundesstellen betreffen nur Teilbereiche der Gesundheit, Eigene Leitlinien sind also vom Charakter her selektiv. Das federführende Die Bundesstellen haben in Ermangelung offizieller Ge- Amt ist das Bundesamt für Gesundheit. sundheitsziele für die Schweiz ihre gesundheitspolitischen Strategien und Massnahmen lange nach eigenen Vorstel- Schwierige Voraussetzungen für eine Kultur der Zusammenarbeit lungen ausgerichtet, die sie mittels interner Leitlinien und Es wird den Bundesämtern nicht leicht gemacht, ange- dient die Legislaturplanung des Bundesrates als bundes- sichts der Verzettelung gesundheitspolitische Themen- interne Orientierung. In jüngster Zeit sind jährliche Bun- felder gemeinsam zu formulieren und untereinander zu desratsziele und Departementsziele hinzugekommen. Strategien konkretisiert haben. Erst seit rund 10 Jahren koordinieren. Bundesstellen tauschen zwar Wissen aus und arbeiten sporadisch und punktuell zusammen. Eine Kultur der horizontalen Zusammenarbeit zwischen Äm- Bericht des Bundesrates über seine Geschäftsführung im Jahre 1996. 4. Abschnitt: Antwort des Bundesrates – A Institutionen und Finan zen. Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 4 59 Referenzrahmen Teil I Tabelle 8: Gesundheitsrelevante Ziele7 innerhalb der Bundesverwaltung für das Jahr 2006 Bundeskanzlei (total 8 Ziele) Vorbereitung der Legislaturplanung 2007–2011 (Ziel 6) Bericht «Herausforderungen 2007–2011» ist erarbeitet. Teil II Departement des Innern (total 24 Ziele) Zusammenarbeit Gesamtschau für die Sozialwerke (Ziel 9) Bericht ist verabschiedet. Weiterentwicklung von Regelungen im Bereich der Humanmedizin (Ziel 13) Vernehmlassungsbericht zur Verfassungsbestimmung und zum Bundesgesetz über die Forschung am Menschen liegt vor. Die Botschaft zum Verfassungsartikel über die Forschung am Menschen ist verabschiedet. Botschaft zur Eidgenössischen Volksinitiative für eine vernünftige Hanf-Politik mit wirksamem Jugendschutz (Ziel 14) Abklärung der Risiken im Bereich drahtloser Netzwerke (Ziel 15) Bericht ist verabschiedet. Klärungen im Bereich der Gesundheitsberufe (Ziel 16) Vernehmlassung zum Bundesgesetz über die Psychologieberufe ist ausgewertet. Der Bundesrat hat über das weitere Vorgehen entschieden. Teil III Überprüfung und Entwicklung des Gesundheitssystems Schweiz (Ziel 17) Diskussion der Empfehlungen des OECD/WHO-Berichts im Rahmen des gesundheitspolitischen Dialogs mit den Kantonen hat stattgefunden. Konzept zu einer nationalen E-Health-Strategie ist erarbeitet. Perspektiven Vorbereitung einer Neuregelung der Prävention und Gesundheitsförderung (Ziel 18) Bericht der Fachkommission «Prävention und Gesundheitsförderung» zur zukünftigen Regelung der Prävention und Gesundheitsförderung in der Schweiz liegt vor. Der Bundesrat hat über das weitere Vorgehen entschieden. Bericht zur gesetzlichen Neuregelung der Prävention und Gesundheitsförderung ist verabschiedet (in Erfüllung der Po. Humbel 05.3161 und Po. SGK-S 05.3230). Festlegung von Massnahmen auf Kosten-und Prämienebene (Ziel 19) Der Bundesrat hat Massnahmen in folgenden Bereichen beschlossen: ■ Senkung der Mindestreserven ■ Neubeurteilung des Leistungskatalogs unter Berücksichtigung der drei Kriterien Wirksamkeit, Wirtschaftlichkeit, Zweckmässigkeit ■ Senkung der Preise für Arzneimittel, Analysen, Mittel und Gegenstände ■ Konzepts zur Lockerung des Territorialitätsprinzips, das die Übernahme grenzüberschreitender medizinischer Leistungen vorsieht ■ Vorbereitung der Einführung der Versichertenkarte im Jahr 2008 Erarbeitung einer Botschaft und verschiedener Berichte im Bereich der Krankenversicherung (Ziel 20) Botschaft zur Volksinitiative «Ja zur Komplementärmedizin» ist erarbeitet. Bericht über Zusammenhänge zwischen Grund- und Zusatzversicherung in der Krankenversicherung ist verabschiedet (in Erfüllung des Po. SGK-N 03.3596). Bericht über Lücken und Unstimmigkeiten bei Taggeldern im KVG ist verabschiedet (in Erfüllung des Po. SGK-N 04.3000). Bundesgesetz über die Unfallversicherung (Ziel 21) Vernehmlassung ist eröffnet. Ziele für das Jahr 2006 / Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (total 23 Ziele) Weiterentwicklung des Bevölkerungsschutzes (Ziel 18) Die mittelfristige Weiterentwicklung des Bevölkerungsschutzes ist eingeleitet Umsetzung der Empfehlungen aus dem Projekt Nationaler ABC-Schutz ist geplant. Umsetzung des Konzeptes des Bundesrates für eine Sportpolitik in der Schweiz (Ziel 21) Definition der Massnahmen 2007–2010 der Sport- und Bewegungsförderung Finanzdepartement (total 19 Ziele) Änderung des Bundesgesetzes über die Tabakbesteuerung (Ziel 7) Botschaft ist verabschiedet. 7 Nicht aufgeführt unter den Jahreszielen der Departemente wie auch unter den Jahreszielen der einzelnen Bundesämter sind diejenigen Aufgaben, die regelmässig erbracht werden (z.B. im BAG: Ausstellung eidgenössischer Diplome im Bereich Humanmedizin 60 Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 4 Referenzrahmen Teil I Volkswirtschaftsdepartement (total 21 Ziele) Vertiefung der Beziehungen mit der EU im Lebensmittelbereich (Ziel 16) gegenseitige Anerkennung von geschützten Bezeichnungen (AOC und IGP) gegenseitige Anerkennung der Hygienevorschriften für Lebensmittel Teil II Revision der Tierschutzverordnung (Ziel 18) Revision ist in Kraft Zusammenarbeit Konkretisierung und laufende Aktualisierung der Abläufe der Pflichtlagerfreigabe und Verteilung von Neuraminidase-Hemmern für den Fall einer Grippepandemie (Ziel 19) Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (total 7 Ziele) Umsetzung der Umweltpolitik auf nationaler und internationaler Ebene (Ziel 1) Konzept betreffend lufthygienische Massnahmen des Bundes ist verabschiedet. Bericht über den Stand der Arbeiten betreffend Vorschläge zu CO2-Reduktionszielen für die Zeit nach 2010 ist vom Bundesrat zur Kenntnis genommen. Der Bundesrat hat über das weitere Vorgehen entschieden. Bericht über die unabhängige Toxikologie-Forschung in der Schweiz ist verabschiedet (in Erfüllung des Postulates Graf 02.3125). Kernenergiegesetzgebung und nukleare Entsorgung (Ziel 6) Die Botschaft zu einem Bundesgesetz über das Eidgenössische Nuklear-Sicherheitsinspektorat ist verabschiedet. Der Bericht über die oberirdischen Auswirkungen eines Atommüllendlagers ist verabschiedet (in Erfüllung des Postulats Fehr HansJürg 03.3279). tere Formen des Outsourcing, die jedoch nicht Gegen- Verwaltungshandeln bedarf immer einer gesetzlichen stand dieses Kapitels sind, wo es ausschliesslich um die Grundlage. Die Departemente bezeichnen in der Regel Zusammenarbeit innerhalb der Bundesverwaltung geht. Perspektiven Gesetzesprimat Teil III nur jeweils eine Bundesstelle und nicht mehrere als verantwortliches Organ für die Umsetzung von Aufgaben, die Interessengegensätze und autonome Handlungen: aus einem Bundesgesetz resultieren. So ist ausschliesslich Beispiele aus dem Sektor Gesundheit das Bundesamt für Gesundheit und dort wiederum die Di- Drogensucht: Das BAG hat auf dem Gebiet Drogen seit rektion Kranken- und Unfallversicherung für das Bundes- 1994 die Meinungen relevanter Bundesämter über die In- gesetz über die Krankenversicherung (KVG), die Direkti- terdepartementale Arbeitsgruppe Drogen (IDAD) einge- on Öffentliche Gesundheit für das Epidemiengesetz oder holt. Das Bundesamt für Polizei (BAP) und das Bundesamt die Direktion Gesundheits- und Verbraucherschutz für für Sozialversicherung (BSV) wurden ebenfalls seit 1994 das Lebensmittelrecht verantwortlich (siehe hierzu auch direkt zu Stellungnahmen betreffend das Massnahmen- die Zusammenstellung «Gesundheitsthemen innerhalb paket Drogen eingeladen. Diese Stellungnahmen blieben der Bundesverwaltung» am Ende dieses Kapitels). Diese aber für den Inhalt des MaPaDro 2 marginal, nicht zuletzt ausschliessliche Zuständigkeit fördert das «Gärtlidenken» wegen der erheblichen Auffassungsunterschiede zwischen und das Fehlen gemeinsamer Ziele innerhalb der Bundes- dem BAG und dem BAP. Auffassungsunterschiede bestan- verwaltung und innerhalb von Bundesstellen. den auch zwischen dem BAG und dem BSV. Während das Bundesamt für Gesundheit in den 1990er-Jahren im Auslagerung von Aufgaben Rahmen des Viersäulenmodells der Drogenpolitik und im Erschwerend auf die Zusammenarbeit bei gemeinsamen Sinne seines Präventionsauftrags für die Ausweitung und gesundheitspolitischen Programmen zwischen Bundes- den Ausbau des Therapiebereichs eintrat, legte das Bun- stellen dürfte sich zudem die Dezentralisierung von Auf- desamt für Sozialversicherung, gestützt durch Entscheide gaben des Bundes durch die Auslagerung einiger Bundesstellen aus der Bundesverwaltung (sogenannte Betriebe im 3. Kreis) auswirken. Im Gesundheitsbereich finden sich unter anderem folgende Einheiten im 3. Kreis: Das schweizerische Heilmittelinstitut Swissmedic8 und die Eidg. Alkoholverwaltung. Selbstverständlich gibt es wei- Siehe hierzu und zur allgemeinen Problematik der Einheiten des Bundes im dritten Kreis nachfolgenden Bericht: Probleme von Swissmedic anlässlich der Inbetriebnahme und Beurteilung der heutigen Lage. Bericht der Geschäftsprüfungskommission des Ständerates vom 25. August 2004. Daniel KÜBLER et.al., Massnahmenpaket Drogen: Determinanten der politischen Verankerung, Schlussbericht. Zürcher Politik- & Evaluationsstudien Nr. 1, September 2003, S. 40. Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 4 61 Referenzrahmen Teil I Teil II des Eidgenössischen Versicherungsgerichts den Invalidi- ab. Sie erteilen anderen Verwaltungseinheiten die Aus- tätsbegriff für suchtkranke Menschen sehr restriktiv aus künfte, die für deren gesetzliche Aufgabenerfüllung erfor- und beurteilte die Finanzierung stationärer Therapien derlich sind.» und Rehabilitationsmassnahmen über die Invalidenversi- Einige Instrumente und Verfahren der Koordination wer- cherung entsprechend zurückhaltend. den hier aufgelistet: ■ Zusammenarbeit HIV: Unterschiedliche Interessen spiegeln sich auch in der Auslegung des Begriffs Krankheit wider. Das BAG Teil III fende Koordination. ■ Generalsekretariate der Departemente: In den letzten wertet – gestützt durch den Entscheid des Eidg. Versiche- 10 Jahren haben sich die Generalsekretariate ange- rungsgerichts aus dem Jahr 1990 – eine HIV-Infektion als sichts der Zunahme der Aufgaben, die dem Bund zu- Krankheit, deren Behandlung über die soziale Kranken- geteilt werden, sowie der Komplexität der Aufgaben versicherung zu finanzieren sei. Um hingegen Diskriminie- personell stark vergrössert. Das Generalsekretariat rungen zu vermeiden, relativiert der Eidg. Datenschutzbe- des EDI zum Beispiel zählt heute 135 Stellen (davon auftragte die Bedeutung von HIV als Krankheit. Er vertritt 74 Informatik). Die Koordinationsfunktionen der Ge- die Meinung, dass HIV beim Abschluss zum Beispiel einer neralsekretariate der 7 Departemente sind manchmal Taggeldversicherung nicht angegeben werden muss, da überschattet von einem gespannten Verhältnis zu den aufgrund der heutigen Behandlungsmethoden Aids nicht nicht selten autonom agierenden Bundesämtern des oder nur beschränkt ausbrechen wird. betreffenden Departements. 10 ■ Perspektiven Die Bundeskanzlei sorgt für die departementsübergrei- Konferenz der Generalsekretäre: Sie ist das oberste Ko- Alkohol: Entgegengesetzte Interessen der Bundesstellen ordinationsorgan und steht unter der Leitung der Bun- finden sich im Bereich Alkohol. Mit dem Thema Alkohol deskanzlei oder des Bundeskanzlers. In dieser Funktion beschäftigen sich 5 Departemente und mehrere Bunde- soll die Konferenz zu einer vorausschauenden, wirk- sämter (siehe hierzu den Anhang «Gesundheitsthemen in- samen und kohärenten Verwaltungstätigkeit beitragen. nerhalb der Bundesverwaltung» am Ende dieses Kapitels), Im Rahmen der seit 2005 laufenden Verwaltungsreform die sich auf Gesetzesgrundlagen abstützen müssen, die des Bundes wird die Rolle der Generalsekretariate ana- kein kohärentes Gesamtkonzept darstellen (siehe hierzu lysiert. Geplant ist, die Konferenz der Generalsekretäre auch Band 2 des Berichts: Gesundheitspolitik des Bundes, zu stärken. Abschnitt 2, Alkohol). Während sich das Bundesamt für ■ Amtsdirektorenkonferenz: Diese jährlich stattfindende Gesundheit beispielsweise für eine Reduzierung des risi- Konferenz wird nicht für policyrelevante, departe- koreichen Alkoholkonsums engagiert, betraut das Bundes- mentsübergreifende Standortbestimmungen genutzt. amt für Kommunikation (BAKOM) die Totalrevision des Im Vordergrund stehen vielmehr verwaltungstech- Bundesgesetzes über Radio- und Fernsehen (RTVG), mit der unter anderem eine Lockerung der Werbeeinschrän- nische Fragen. ■ kungen für Bier und Wein erreicht werden soll. Ämterkonsultation: Im Rahmen des sogenannten Verfahrens der Ämterkonsultation werden die Anträge an den Bundesrat im Entwurfstadium zur Stellungnahme Bundesinterne Koordinationsinstrumente all jenen Bundesämtern und den 7 Departementen mit Die Heterogenität der verschiedenen Bundesstellen be- ihren Generalsekretariaten unterbreitet, die von ihrem dingt Instrumente und Verfahren der Koordination. Fest- Aufgabengebiet her materiell an einer Vorlage interes- gehalten wird die Pflicht zur Zusammenarbeit in der Ver- siert und zur Koordination und Bereinigung von Sach- ordnung zum Regierungs- und Verwaltungsgesetz aus dem fragen beizuziehen sind. Dies gilt insbesondere für die Jahr 1998 (Art. 14): «Die Verwaltungseinheiten sind zur sogenannten Querschnittämter (Bundeskanzlei, Bun- Zusammenarbeit verpflichtet. Sie unterstützen und infor- desamt für Justiz, Eidgenössische Finanzverwaltung, mieren sich gegenseitig. Sie koordinieren ihre Tätigkeiten seco, Staatssekretariat für Bildung und Forschung, und stimmen diese auf die Gesamtpolitik des Bundesrates Eidgenössisches Personalamt). Im Bereich Gesundheitspolitik werden in der Regel zudem neben allen 10 Matthias Horschik (Büro Eidg. Datenschutzbeauftragter): Krankentaggeldversicherung und Datenschutz. Seminar «Datenschutz im Gesundheitswesen» vom 17. März 2000. 62 Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 4 Generalsekretariaten folgende Amtsstellen bei einer Ämterkonsultation berücksichtigt: im EDI die Ämter ■ dafür, dass deren Anliegen möglichst berücksichtigt im UVEK die Ämter ASTRA, BAKOM und BAFU; im werden.»11 Das Bundesamt für Gesundheit pflegt seit EVD das Büro für Konsumentenfragen. Nach der Äm- mehreren Jahren den wirkungsorientierten Ansatz terkonsultation folgt das Mitberichtsverfahren. mit Hilfe seiner internen Evaluationsstelle. Zum Stan- Mitberichtsverfahren: Der Bundesrat entscheidet als dard der BAG-Evaluationsfragen gehören die Zusam- Kollegium. Das sogenannte Mitberichtsverfahren stellt menarbeit und Aufgabenteilung zwischen Beteiligten sicher, dass sich jedes Mitglied des Bundesrats zu den sowie mit anderen Akteuren im Feld. Aktuelle Bei- Anträgen seiner Kolleginnen und Kollegen äussern spiele hierfür ist die BAG-Evaluation nichtionisierende kann. Strahlen (NIS) und Schall (2003–2004) sowie die BAG- Wirksamkeitsüberprüfung bei Bundesrat und Bundes- Zwischenevaluation des Radonprogramms 1994–2014 verwaltung: Artikel 170 der neuen Bundesverfassung (ebenfalls 2003–2004). Teil II Zusammenarbeit ■ BFS und BSV; im VBS das BASPO; im EFD die OZD; Referenzrahmen Teil I verlangt von der Bundesversammlung, dafür zu sorgen, dass die Massnahmen des Bundes auf ihre Wirksamkeit Für Ausnahmezustände, wie z. B. eine Pandemie, sind Kri- überprüft werden. Eine der Massnahmen, die der Bun- senstäbe vorgesehen. Diese setzen sich in der Regel aus desrat 2004 vorgeschlagen hat, lautet: «Die Ämter ko- sämtlichen relevanten Bundesstellen sowie aus weiteren ordinieren sich ab 2005 mit anderen Akteuren. Sie be- Akteuren wie Kantone und Fachleute zusammen. Teil III in geeigneter Weise (Mitsprache bei der Formulierung In Vorbereitung von Pflichtenheften für Aufträge, Einsitznahme in In der Bundesverwaltung läuft im Bereich Geschäftsver- Steuerungs-/Begleitgruppen usw.) mit ein und sorgen waltung derzeit das Projekt «Überdepartementale Pro- Perspektiven ziehen die interessierten Fach- und Querschnittämter zesse (GEVER ÜDP)», bei dem eine Lösung für die elektronische Abwicklung von Geschäften, an denen mehrere Auslöser für bundesinterne Koordinations­ massnahmen Departemente beteiligt sind, entwickelt wird. ■ Aktuelle Ereignisse wie SARS oder Vogelgrippe ■ Erarbeitung und Revision von Gesetzen Das BAG als Steuerungs- und Koordinations­ behörde im Sektor Gesundheit ■ Erarbeitung von bundesrätlichen Stellungnahmen Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) sieht sich wie alle zu Volksinitiativen Bundesstellen mit dem Anspruch konfrontiert, Bundes- ■ Knappe personelle und finanzielle Ressourcen: Zu- gesetze zu vollziehen, die ihm vom Bundesrat und vom sammenlegen von Einheiten oder Teilen von Infra- Parlament übertragenen Aufgaben zu erfüllen, politische struktur Führungsverantwortung zu übernehmen sowie mit inter- Ähnliche Themen, ähnliche Interessen: Zusammen- nen und externen Partnern zusammenzuarbeiten. arbeit zwischen dem Bundesamt für Gesundheit Dieser Anforderung versuchte das BAG in den letzten und dem Staatssekretariat für Wirtschaft in den 15 Jahren auf der strukturellen Ebene unter anderem Bereichen Gesundheit am Arbeitsplatz und Psy- mit verschiedenen Reorganisationen gerecht zu werden chische Gesundheit; Zusammenarbeit zwischen der (1992, 1996, 2003). Der Transfer der Abteilung Kranken- Eidgenössischen. Alkoholverwaltung, der Eidgenös- und Unfallversicherung des Bundesamts für Sozialversi- sischen Alkoholkommission und dem Bundesamt für cherung in das BAG (2004) sowie die Neuausrichtung der Gesundheit im Bereich Alkohol. Eine Übersicht über Geschäftsfeldstrategien des BAG (2006) bilden den vor- Projekte, die das BAG mit anderen Bundesstellen läufigen Abschluss dieser Prozesse. ■ führt, gibt es nicht. ■ Multisektorale Themen: Nachhaltige Entwicklung, Altern und Gesundheit oder Psychische Gesundheit verlangen nach interdisziplinärer Zusammenarbeit: Interdepartementale Entwicklung Arbeitsgruppe Nachhaltige 11 Entscheide des Bundesrats vom 3. November 2004 zur Verstärkung der Wirksamkeitsüberprüfungen bei Bundesrat und Bundesverwaltung (ergänzt durch die Empfehlungen der Generalsekretärenkonferenz (GSK) vom 19. Dezember 2005 über Qualitätsstandards1). Konsolidierte Übersicht über die Entscheide vom 19. 1. 2006. Empfehlungen zum Zeitpunkt der Umsetzung. Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 4 63 Referenzrahmen Teil I Den Anspruch auf eine Führungsrolle hat das BAG in sei- spurigkeiten bei den internen Aktivitäten des BAG und zu ner im Jahr 2005 verabschiedeten Vision bestätigt: «Das Doppelbelastungen unter anderem bei kantonalen Verwal- BAG hat auf nationaler Ebene den Lead in der Gesund- tungsstellen führt. 12 Teil II Zusammenarbeit heitspolitik der Schweiz sowie in der Gestaltung des Ge- Perspektiven Teil III sundheitswesens.» Die in der Auseinandersetzung mit den Beispiel Sucht Anforderungen an ein Bundesamt entwickelten Richtlinien Was die Bereiche illegale Drogen, Alkohol und Tabak zur Zusammenarbeit finden sich heute in der «Leitlinie zu anbelangt, hat eine Reihe von Berichten diese drei Prä- Organisation, Führung und Zusammenarbeit» (1999) so- ventionsbereiche evaluiert: In einem dieser vom BAG wie unter anderem in der Mission des Direktionsbereichs angeforderten Berichte13 stuft dessen Autor, Markus Spi- Gesundheitspolitik (2005), einer der 4 Direktionsbereiche natsch, die Präventionsprogramme des BAG als fragmen- des BAG. tiert, inkohärent und zu wenig wirksam ein. Die Ziele und Leitlinie: «Die erfolgreiche Zusammenarbeit in den traditio­ Massnahmen in den einzelnen Bereichen seien nicht auf- nellen Organisationsbereichen genügt nicht mehr; inter- einander abgestimmt und widersprächen sich teilweise. disziplinäre Zusammenarbeit über Einheitsgrenzen oder Fachleute wünschen sich schon seit längerem eine inte- Führungsstufen hinweg werden zur Regel.» grale Suchtpolitik des Bundes14, die eine verstärkte bun- Mission: «Wir verstehen uns als Kompetenzzentrum einer desinterne Zusammenarbeit nach sich ziehen würde. Ein gesamtheitlichen Gesundheitspolitik innerhalb des BAG. weiterer Bericht empfiehlt denn auch, die Drogen-, Alko- Unsere Leistungen entstehen in gemeinsamen Prozessen hol und Tabakprogramme des BAG einander anzunähern, sowohl für das BAG als auch für externe Partner. Dazu um eine höhere Kohärenz zu erreichen.15 In eine ähnliche sind wir national und international vernetzt.» Richtung zielt der 2005 publizierte Bericht „psychoaktiv. ch“ der Eidg. Kommission für Drogenfragen.16 Er fordert Nachfolgend wird ausschliesslich die Zusammenarbeit die Ausweitung der Drogenpolitik auf eine umfassende innerhalb des BAG und innerhalb der Bundesverwaltung Politik der psychoaktiven Substanzen, auch der heute le- thematisiert. galen wie Alkohol, Tabak und Medikamente. BAG-interne Zusammenarbeit Interdepartementale Zusammenarbeit Auch wenn die bereichsübergreifende Zusammenarbeit in- Das BAG setzt seinen Wunsch nach Koordination un- nerhalb des BAG in den oben zitierten internen Leit­linien ter den Akteuren bis jetzt vor allem in Form des struk- ausdrücklich gewünscht wird, auch wenn neue Führungs- turierten Informationsaustauschs um. Beispiele für den plattformen eingerichtet wurden, die die Koordination strukturierten Informationsaustausch sind die ständigen und den Austausch unter den Direktionsbereichen opti- Plattformen des BAG sowie die departementsübergreifen- mieren sollen, hat sich im BAG eine Kultur der internen den Koordinationsgremien und Projektorganisationen. Koordination und Zusammenarbeit noch nicht wirklich etablieren können. Ständige Plattformen des BAG So wurden in den letzten 20 Jahren die Präventionspro- Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) listet 18 ständige gramme des BAG, in den Bereichen HIV/Aids, illegale Plattformen auf, in denen es sich mit 22 Bundesämtern Drogen, Alkohol, Tabak, Ernährung und Bewegung, in de- oder bundesnahen Institutionen zum Austausch und zur nen das BAG federführend war, nur teilweise mit anderen Koordination trifft (siehe Kasten: Die Partner des BAG in- BAG-Einheiten, die in themenverwandten Gebieten tätig nerhalb der Bundesverwaltung). sind, entwickelt. Bei der Umsetzung der Präventionsprogramme stützen sich die Verantwortlichen zudem auf je eigene themenzentrierte Netzwerke ausserhalb des BAG, ausserhalb der Bundesverwaltung oder ausserhalb der kantonalen Verwaltungen, was nicht selten zu Doppel- 12 BAG-Vision, Januar 2004. Internes Dokument des Bundesamtes für Gesundheit, 2005. 64 13 Bundesamt für Gesundheit (Hg.): Eine neue Suchtpolitik für die Schweiz? Grundlagen und Materialien für eine verstärkte Integration der suchtpolitischen Aktivitäten des Bundes, von Markus SPINATSCH, Bern: 2004. 14 Siehe hierzu auch: Bundesamt für Gesundheit, Neue Suchtpolitik des Bundes? Tagungsbericht der Sachverständigen-Tagung vom 21. Januar 2004. 15 Zobel et al.: Globalevaluation des Massnahmenpakets des Bundes zur Verminderung der Drogenprobleme (MaPaDro). 16 Eidg. Kommission für Drogenfragen (EKDF): psychoaktiv.ch. Bern, 2005. Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 4 Vollständigkeit. Andere Verzeichnisse sind nicht verfügbar angesiedelt. Die Häufigkeit der Treffen variiert zwischen und anderweitige Recherchen auf diesem Gebiet erwiesen 2-mal pro Monat bis 1-mal pro Jahr. Besonders intensive sich als ausserordentlich aufwändig. Kontakte pflegt das BAG gemäss der Plattformliste (sie- In der Regel setzt der Bundesrat interdepartementale Gre- he Tabelle 9: Ständige Plattformen des BAG innerhalb der mien und Projektorganisationen insbesondere dann ein, Bundesverwaltung) mit dem Bundesamt für Veterinär- wenn es politisch aktuelle und/oder sensible Themen zu wesen, dem Heilmittelinstitut Swissmedic, der Direktion bearbeiten gilt (Artikel 55 und 56 des Regierungs- und Ver- für Entwicklung und Zusammenarbeit und dem Staatsse- waltungsorganisationsgesetzes vom 21. März 1997). Die kretariat für Wirtschaft. Die Themen kreisen um Betäu- Gremien können unter anderem themenzentrierte Stra- bungsmittel, Lebensmittel, Bovine Spongiforme Encepha- tegien entwickeln, Forschungsprogramme vorbereiten, Teil II Zusammenarbeit 11 der 18 ständigen Plattformen sind auf Direktionsebene Referenzrahmen Teil I lopathie (BSE), Ausländer und Migration, internationale Gesundheitspolitik, die Beziehungen der Schweiz zur WHO formationsaustauschs und Wissenstransfers im Rahmen Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) listet 18 stän- der Ständigen Plattformen ist nicht dokumentiert. dige Plattformen auf, in denen es sich mit folgenden Neben den hier erwähnten Themen gibt es weitere, wo 22 Bundesämtern oder bundesnahen Institutionen zum Bundesstellen ein gemeinsames Interesse teilen. Im Be- Austausch und zur Koordination trifft (in alphabeti­ reich Gesundheit am Arbeitsplatz und Psychische Gesund- scher Reihenfolge): heit arbeiten beispielsweise das Bundesamt für Gesund- ■ Bundesamt für Justiz (BJ) heit und das Staatssekretariat für Wirtschaft, im Bereich ■ Bundesamt für Kultur (BAK) Alkohol die Eidg. Alkoholverwaltung, die Eidg. Alkohol- ■ Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) kommission und das Bundesamt für Gesundheit phasen- ■ Bundesamt für Migration (BFM) weise zusammen. Eine Übersicht über Projekte, die das ■ Bundesamt für Polizei (BAP) BAG mit anderen Bundesstellen führt, gibt es nicht. ■ Bundesamt für Raumplanung (ARE) ■ Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) In Vorbereitung ■ Bundesamt für Sport (BASPO) Gemäss den BAG-Amtszielen des Jahres 2006 soll neu ein ■ Bundesamt für Statistik (BFS) «Dialog in den Bildungsfragen der Gesundheitsberufe» ■ Bundesamt für Umwelt (BAFU) zwischen dem Bundesamt für Gesundheit und dem Bun- ■ Bundesamt für Veterinärwesen (BVET) desamt für Berufsbildung und Technologie (BBT) initiiert ■ Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit ■ Eidgenössische Forschungsanstalt für Nutztiere ■ Eidgenössische Alkoholverwaltung (EAV) Überdepartementale Gremien und Projekt­organisationen ■ Eidgenössische Ausländerkommission (EKA) im Sektor Gesundheit ■ Eidgenössisches Institut für Geistiges Eigentum tiert über diejenigen überdepartementalen Gremien und ■ Oberzolldirektion (OZD) Projektorganisationen, denen das BAG neben den oben er- ■ Politische Direktion III (Internationale Organisa- werden, um eine «deckungsgleiche Sicht bei den nichtuniversitären Gesundheitsberufen zu erreichen, die den ge- Teil III Perspektiven die Arbeitsgruppe Betäubungsmittel. Die Wirkung des In- Die Partner des BAG innerhalb der Bundes­ verwaltung und um die Nachhaltige Entwicklung. Am häufigsten tagt (DEZA) sundheitspolitischen Anforderungen Rechnung trägt.» und Milchwirtschaft (ALP) Ein bundesinternes Verzeichnis aus dem Jahr 1999 orien­ (IGE) 17 wähnten Plattformen noch zusätzlich angehört. Seit 2000 tionen) des Eidgenössischen Departement des ist dieses Verzeichnis nicht mehr aktualisiert worden. Die nachfolgende Liste erhebt deshalb keinen Anspruch auf 17 Das Verzeichnis «Departementsübergreifende Gremien und Projektorganisationen», das im Rahmen der Regierungs- und Verwaltungsreform von der Verwaltungskontrolle des Bundesrats (VKB) im Jahr 1999 erstellt wurde befindet sich auf der Intranet-Seite der Bundeskanzlei. Äussern ■ Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA) ■ Staatssekretariat für Bildung und Forschung (SBF) ■ Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) ■ Schweizerisches Heilmittelinstitut Swissmedic Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 4 65 Referenzrahmen Teil I Tabelle 9: Ständige Plattformen des BAG innerhalb der Bundesverwaltung Zusammenarbeit Teil II Perspektiven Teil III Name bzw. Thema der Plattform Teilnehmende Bundesämter Regelmässigkeit der Treffen Lebensmittelsicherheit: Koordinationsausschuss BAG, BVET, BLW, ALP (Direktion) 4-mal pro Jahr Lebensmittelsicherheit BAG, BVET (Direktion) 1–2-mal pro Monat Umwelt und Gesundheit: Kontaktgruppe BAG-BAFU BAG, BAFU (Direktion) 2-mal pro Jahr Alkohol BAG, EAV 2-mal pro Jahr Cannabis: Interdepartementale Arbeitsgruppe BAG, EAV, BAP, OZD, BJ, BLW 2–5-mal pro Jahr Betäubungsmittel: Arbeitsgruppe BAG, Swissmedic 5–8-mal pro Jahr Planungsgruppe Ämter (Migration) BAG, BFF, IMES, EKA 3-mal pro Jahr Forschung und Bildung BAG, SBF, BBT 2-mal pro Jahr Heilmittelkontrolle BAG, Swissmedic (Direktion) 4–6-mal pro Jahr Internationale Gesundheitspolitik: Leitungsgremium BAG, DEZA, seco, Mission Genf (Direktion) mind. 1-mal pro Jahr Beziehungen CH-WHO: Interdepartementale Arbeitsgruppe BAG, DEZA, seco, IGE, Pol.Dir.III mind. 2-mal pro Jahr Informationstechnologie: Koordinationssitzung BAG, BVET, ALP (Direktion) 2–4-mal pro Jahr Gesundheitsdaten BAG, BFS (Direktion) 2-mal pro Jahr Unfallversicherung BAG, SUVA (Direktion) 3-mal pro Jahr Interdepartementaler Ausschuss Nachhaltige Entwicklung Plenum: 29 Bundesstellen BAG, seco, DEZA, BAFU, ARE (Direktion) 2-mal pro Jahr Büro 2-mal pro Jahr Plenum Sport und Gesundheit BAG, BASPO 1-mal pro Jahr TSE (transmissible spongiforme Enzephalo­ BAG, BVET, Swissmedic, BLW, BSE-Einheit (Direktion) 4-mal pro Jahr Geschäftsführender Ausschuss des Bundes für eine nationale Gesundheitspolitik BAG, BFS (Direktion) 3-mal pro Jahr Bundesinternes Netzwerk Umwelt und Gesundheit ARE, ASTRA, BAG, BASPO, BFE, BLW, BAFU, BWO 3–4-mal pro Jahr pathien): Plattform Quelle: Bundesamt für Gesundheit (1999) und eigene Ergänzungen oder die Umsetzung eines Programms begleiten. Manche Abschliessend werden nachfolgend einige aktuelle über- Gremien bzw. Projektorganisationen sind ständige, viele departementale Gremien und Projektorganisationen be- haben einen zeitlich befristeten Auftrag und lösen sich schrieben: nach Erfüllung des Mandats wieder auf. Beispiele eines befristeten Auftrags im Bereich Gesundheit waren die Interdepartementaler Ausschuss Nachhaltige beiden bundesinternen Arbeitsgruppen «Finanzierungs- ­Entwicklung (IDANE) perspektiven der Sozialversicherungen» (IDA FiSo I und Anlässlich der UNO-Konferenz über Entwicklung und II). Die beiden Arbeitsgruppen berechneten 1996/97 im Umwelt von 1992 in Rio de Janeiro hat sich die Schweiz Auftrag des Bundesrates den künftigen Finanzmehrbedarf zusammen mit 178 weiteren Staaten verpflichtet, auf na- der Sozialwerke und veröffentlichten zwei entsprechende tionaler und internationaler Ebene eine Politik für die Berichte. Das gleiche gilt für die Interdepartementale Ar- Nachhaltige Entwicklung auszuarbeiten und umzusetzen. beitsgruppe Forschungsprogramm Altersvorsorge (IDA Daraufhin hat der Bundesrat den Interdepartementalen ForAlt: EDI, EFD, EVD, 2000–2003), die als Abschluss ih- Ausschuss Rio (IDARio) eingesetzt, welcher im Oktober rer Tätigkeit 2003 den Synthesebericht zum Forschungs- 2004 in «Interdepartementaler Ausschuss Nachhaltige programm zur längerfristigen Zukunft der Alterssicherung Entwicklung (IDANE)» umbenannt wurde. publiziert hat. 66 Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 4 Tabelle 10: Bundesverwaltung: Überdepartementale Gremien im Sektor Gesundheit das Bundesamt für Energie (BFE) und das Bundesamt für Perspektivstab der Bundesverwaltung Im Rahmen des Aktionsplans Umwelt und Gesundheit Forschungsdatenbank ARAMIS wurde das «BAG-Leitbild für eine multisektorale Gesund- CERN-Begleitgruppe der Verwaltung (Nuklearforschung) heitspolitik» in Zusammenarbeit mit den Bundesämtern Interdepartementale Arbeitsgruppe «Beziehung Schweiz-WHO» BAFU und ARE sowie dem Schweizerischen Gesundheits- Comité national Pékin observatorium (OBSAN), der Schweizerischen Konferenz Referenzrahmen Teil I Landwirtschaft (BLW) angehören. der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren Interdepartementale Arbeitsgruppe Migration tet.18 Die Verankerung und Umsetzung dieses BAG-Leit- EOR-LAR (Bevölkerungsschutz) bildes innerhalb der Bundesverwaltung steht noch aus. Steuerungsgruppe Bildung-Forschung-Technologie Sparmassnahmen im Rahmen des sogenannten «Entla- Interdepartementale Arbeitsgruppe Gentech stungsprogramms des Bundes» bedrohen gegenwärtig die Interdepartementaler Ausschuss Nachhaltige Entwicklung (IDANE) politische Nachhaltigkeit der im Aufbau befindlichen Stra- Zusammenarbeit Groupe de travail interdépartemental «Suivi de la 4 conférence mondiale sur les femmes» e Teil II (GDK) und der Gesundheitsförderung Schweiz erarbei- Teil III tegie «Nachhaltige Entwicklung». Comité Interdépartemental de Consultation – FAO (Landwirtschafts- und Ernährungsorganisation der Vereinten Nationen) – FAO(CIC-FAO) Koordinationsplattform Prävention Arbeitsgruppe «Endokrine Effekte» Die Koordinationsplattform Prävention wurde 2001 ins Leben gerufen. Die Plattform richtet sich an diejenigen Perspektiven Arbeitsgruppe des Bundes für die nukleare Entsorgung (AGNEB) Institutionen, die aufgrund von Rechtsvorschriften in eidgenössischen Gesetzen Präventionsaufträge zu erfüllen IDANE ist im Kontext der bundesinternen Zusammenar- haben. Ziel der Koordinationsplattform ist es, angesichts beit eine besonders gut strukturierte interdepartemen- der Überschneidungen von Kompetenzbereichen der be- tale Gruppe. Seit 1997 bindet sie 29 Bundesämter mit teiligten Institutionen Doppelspurigkeiten zu vermeiden. ihren Direktionen in die Umsetzung der vom Bundesrat Folgende Bundesstellen wirken mit: beschlossenen Massnahmen der Strategie Nachhaltige ■ Beratungsstelle für Unfallverhütung (bfu) Entwicklung ein. Das Wirken der IDARio soll als vielver- ■ Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA) sprechendes Beispiel bundesinterner Vernetzung an die- ■ Schweizerischer Versicherungsverband (SVV) ser Stelle deshalb kurz beschrieben werden. Kernämter ■ Gesundheitsförderung Schweiz der IDANE sind das Bundesamt für Umwelt (BAFU), das ■ Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) Staatssekretariat für Wirtschaft (seco), die Direktion für ■ Eidg. Koordinationskommission für Arbeitssicherheit desamt für Gesundheit (BAG). Der Vorsitz in der Gruppe ■ Kantonale und eidg. Arbeitsinspektorate wechselt jährlich zwischen diesen Ämtern. Das Bundes- ■ Bundesamt für Gesundheit (BAG) Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) und das Bun- (EKAS) amt für Raumentwicklung (ARE) wirkt als Koordinationsund Unterstützungsorgan. Die Kernämter sind für die Wir- Nationales Alkoholprogramm 1999–2003 kungskontrolle der einzelnen Massnahmen verantwortlich Bis 1987 war das Thema Alkohol in der Eidg. Alkohol- und informieren jährlich über den Stand der Aktivitäten. verwaltung angesiedelt. 1988 kam es zum Bundesamt für Das ARE übernimmt das Controlling und erstellt aufgrund Gesundheit. 1999 startete das erste Nationale Alkohol- der Mitteilungen der Ämter einen jährlichen Kurzbericht programm «Alles im Griff?». Dieses grosse Präventions- mit einer Zusammenfassung der Resultate. Der im Rah- programm mit sechs Teilprojekten wurde von drei Part- men der Strategie Nachhaltige Entwicklung ausgearbei- nern getragen: dem Bundesamt für Gesundheit (BAG), tete Aktionsplan Umwelt und Gesundheit unterhält ein der Eidgenössischen Alkoholverwaltung (EAV) und der weiteres Bundesnetzwerk, dem unter anderem Fachleu- Nichtregierungsorganisation Schweizerische Fachstel- te aus den Kernämtern der «Nachhaltigen Entwicklung» (ARE, BAG, BAFU, DEZA, seco) sowie das Bundesamt für Strassen (ASTRA), das Bundesamt für Sport (BASPO), 18 Bundesamt für Gesundheit: Leitbild für eine multisektorale Gesundheitspolitik. April 2005. Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 4 67 Referenzrahmen Teil I Teil II le für Alkohol- und andere Drogenprobleme (SFA). Der derung in der Schweiz» erarbeiten, bevor der Bundesrat Entscheid der drei Partnerorganisationen BAG, EAV, SFA, allenfalls eine Neuregelung der Prävention und Gesund- gemeinsam ein Alkoholpräventionsprogramm zu starten, heitsförderung in Erwägung zieht (siehe hierzu auch Ka- bedeutete 1999 einen ersten Schritt in Richtung einer ge- pitel 6.3: Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen: meinsamen Alkoholpolicy. Durch die Dreierträgerschaft Gesundheitsförderung und Prävention). sollen das vorhandene Wissen, die Verantwortung und die Zusammenarbeit Ressourcen optimal genutzt werden. Aramis Das ARAMIS-Informationssystem über Forschungspro- Teil III Migration und Gesundheit jekte und Entwicklungsvorhaben in der Schweiz ist eine Die Strategie «Migration und Gesundheit 2002–2006», de- Datenbank, die über die vom Bund finanzierten oder ren Umsetzung 2004 begann, ist das Ergebnis einer äm- durchgeführten Forschungsarbeiten informiert und damit terübergreifenden Koordination zwischen dem BAG, dem die Koordination verbessern und Transparenz schaffen Bundesamt für Flüchtlinge (BFF) und dem Bundesamt möchte. Alle Institute, die dem Forschungsgesetz unter- für Ausländer (heute im Bundesamt für Migration zusam- stehen, geben ihre Daten in diese Datenbank ein (rund 50 mengefasst) und der Eidgenössischen Ausländerkommis- Bundesstellen). Perspektiven sion (EKA). Die Inhalte der Strategie stützen sich auf eine breit angelegte Umfrage bei Expertinnen und Experten Interdepartementaler Ausschuss Informationsgesell- und einer ausgedehnten Vernehmlassung. Erarbeitet wur- schaft (IDA IG) de die Strategie in Anlehnung an die WHO-Zielsetzung > www.infosociety.ch «Gesundheit für alle im Jahr 2000» und auf Grundlage der Der Bundesrat hat den IDA IG 1998 beauftragt, die Ak- Verordnung zur Integration von Ausländerinnen und Aus- tivitäten der Departemente und Ämter zu koordinieren ländern vom 13. September 2000. Der Bundesrat hat die und zu begleiten und den Informationsfluss zwischen den Strategie im Juli 2002 verabschiedet. öffentlichen Verwaltungen aller Stufen zu fördern. Dem Ausschuss, der vom Bundesamt für Kommunikation (BA- Gesetzgebungsprojekte KOM) geleitet wird, gehören mehr als 30 Bundesstellen Prozesse der Gesetzgebung (Legiferierung) und der Ge- an, darunter das BAG mit dem Thema E-Health. Gemäss setzesrevisionen sind in der Bundesverwaltung seit jeher seiner Strategie für eine Informationsgesellschaft in der verwaltungsübergreifend organisiert. Aktuell haben hier Schweiz (Januar 2006) setzt der Bundesrat die Schwer- die Bundesämter BAG, BVET, BLW in einem gemeinsamen punkte beim elektronischen Behördenverkehr (E-Govern- Prozess im Jahr 2005 die Revision des Lebensmittelrechts ment) sowie beim Einsatz von Informations- und Kommu- vorbereitet, um es an das EU-Recht anzupassen. nikationstechnologien im Gesundheitswesen (E-Health). Das Verordnungspaket zum neuen Chemikalienrecht Von der Integration der Informations- und Kommunika- wurde ebenfalls im Rahmen eines interdepartementalen tionstechnologien in das Gesundheitssystem (E-Health) Projekts ausgearbeitet, um den Schutz von Umwelt und erhofft sich der Bundesrat für die Bevölkerung in der Gesundheit damit unter ein gemeinsames Dach zu stellen. Schweiz einen verbesserten Zugang zu Gesundheitsinfor- An diesem Projekt waren primär die folgenden Bundes­ mationen und mehr Effizienz im Gesundheitswesen. Eine ämter beteiligt: Bundesamt für Gesundheit (BAG); Bun- konkrete nationale Massnahme betrifft die laufenden Ar- desamt für Umwelt (BAFU) und das Staatssekretariat für beiten an der Versichertenkarte. Wirtschaft (seco). Das Chemikalienrecht ist seit 1. 8. 2005 in Kraft. Weitere Projekte des BAG in ämterübergreifender ­Zusammenarbeit sind: ■ In Diskussion BAG/BASPO Eine vom Eidg. Departement des Innern eingesetzte Fach- ■ Projekt «sport.rauchfrei» – BAG/BASPO/Swiss Olympic kommission, der auch Vertreter/innen der Kantone ange- ■ FocalPointCH – Sicherheit und Gesundheit am Arbeits- hören, soll gemäss Mandat bis Juni 2006 eine «Vision und Thesen zur Zukunft der Prävention und Gesundheitsför68 Programm «LaOla, Suchprävention im Sportclub» – Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 4 platz: seco, suva, EKAS, BAG, BFS Referenzrahmen Teil I zu bestimmten Themen konsolidierte kantonale Positio­ 4.4 Potential für eine nationale ­Gesundheitspolitik nen und Strategien zu erfahren, ist es auch für die Kan- Die gesundheitspolitischen Planungs- und Regulierungs- den Anhang «Gesundheitsthemen innerhalb der Bundes- massnahmen des Bundes auf nationaler Ebene sind aus verwaltung» am Ende dieses Kapitels). verschiedenen Gründen eingeschränkt: Bundesintern geht es dabei auch um die Frage nach dem ■ Wegen des Subsidiaritätsprinzips kann der Bund nur in Verhältnis zwischen Regierung und Verwaltung: Wie stark einzelnen Gesundheitsbereichen aktiv werden. Dies er- sollte sich die Bundesverwaltung auf ausführende Tätig- schwert nicht nur eine ganzheitliche Vision und ganz- keiten beschränken? In welchem Ausmass sollen Bun- heitliche Sicht auf das Gesundheitssystem Schweiz, desstellen auf neue gesundheitliche Herausforderungen ■ Teil II sondern auch eine entsprechende Steuerung. reagieren, auch wenn noch kein gesetzliches Mandat Der Gesundheitsmarkt ist ein besonders stark wach- vorliegt? Welchen Anteil könnten die administrativen Ak- sender Wirtschaftszweig. Er beschäftigt einen volkswirt­ teure an der Ziel- und Programmformulierung haben? Die schaftlich bedeutenden Anteil Erwerbstätiger und ist Beispiele im Sektor Gesundheit (siehe 4.3.4 und 4.3.5) im politischen Prozess durch private Akteure gut ver- zeigen, dass sich die Verwaltung wegen ihres Fachwis- treten. Den Markt mit staatlichen Massnahmen regu- sens, ihrer Eigeninteressen und ihrer Koordinationsfähig- lieren zu wollen, könnte den Abbau von Arbeitsplätzen keit zu einem Akteur entwickelt hat, der selbst politische im Bereich Behandlung, Pflege, Forschung und Produk­ Prozesse anregt, begleitet, durchführt, mitgestaltet und tion von Hilfsmitteln nach sich ziehen. mitentscheidet. Angesichts der ausgezeichneten Qualität der medizini­ Angesichts des markanten Leistungsausbaus des Staates schen Leistungen und der Zufriedenheit der Bevölkerung bei gleichzeitigem Abbau der finanziellen und perso- mit diesen Leistungen scheint kein dringender Bedarf nellen Ressourcen steigt der Druck auf die Amtsstellen auf Seiten des Bundes zu bestehen, in den Gesundheits- der Bundesverwaltung zu fusionieren oder sich strikt auf markt einzugreifen. Einzig die auch im internationalen die Erledigung der Kernaufgaben zu beschränken. Der Vergleich hohen Kosten des Systems sowie neue The- Bundesrat hat seit Beginn der 1990er-Jahre verschiedene men wie die demographische Alterung der Bevölkerung Anläufe unternommen, um mit Regierungs- und Verwal- oder die Zunahme nicht übertragbarer Krankheiten wür- tungsreformen und mit einer Reform der Staatsleitung den zum jetzigen Zeitpunkt ein Eingreifen des Bundes seine Führungsfähigkeit zu stärken und die Verwaltung rechtfertigen. Aber die Gesundheitsförderung und die nach den Grundsätzen von New Public Management aus- Krankheitsprävention oder die besonders kosteninten- zurichten. Zusammenarbeit bestimmten Gesundheitsthemen zu erfahren (siehe hierzu Teil III Perspektiven ■ tone schwierig, eine konsolidierte Haltung des Bundes zu siven Bereiche wie das Spitalwesen und die Spitzenme■ dizin unterstehen der Kompetenz der Kantone. Für den Bereich Gesundheit ergab sich im Zuge der Regie- Zwar ist der Handlungsspielraum des Bundes einge- rungs- und Verwaltungsreform folgende Zentrierung von schränkt. Doch haben Bundesrat und Bundesstellen Aufgaben: in den letzten Jahren Prozesse ausgelöst, Strukturen ■ Alter und Gesundheit: Mit der Zentrierung der bisher errichtet und Projekte lanciert, die als Schritte hin zu auf mehrere Bundesämter verteilen Kompetenzen mehr Koordination und Zusammenarbeit auf nationaler rund um die Themen Kinder, Jugend, Familie und Alter Ebene verstanden werden können. beim Bundesamt für Sozialversicherung (ab 1. 1. 2005) sollen die bundesinterne Koordination verbessert, die Zusammenlegung von Bundesstellen administrativen Prozesse vereinfacht und die externen Viele für eine schweizerische Gesundheitspolitik relevante Kontakte unter anderem mit den Kantonen und den Themen sind über verschiedene Bundesstellen verstreut. Nichtregierungsorganisationen erleichtert werden. Dies erschwert nicht nur die bundesinterne Koordination ■ Lebensmittel: Agroscope Liebefeld-Posieux (ALP) ist und Zusammenarbeit, sondern auch die Zusammenarbeit Anfang 2004 aus der Zusammenlegung der Eidgenös- mit externen Partnern. So wie es für den Bund nicht im- sischen Forschungsanstalten für Nutztiere in Posieux mer einfach ist, angesichts 26 kantonaler Souveränitäten (RAP) und für Milchwirtschaft in Liebefeld (FAM) ent- Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 4 69 Referenzrahmen Teil I Teil II Zusammenarbeit ■ Perspektiven Teil III ■ standen. Die fünf landwirtschaftlichen Forschungsan- gungen betreffend das Gesundheitssystem Schweiz anzu- stalten sind dem Bundesamt für Landwirtschaft unter- stellen. Konkret zur Diskussion steht unter anderem eine stellt. Neuregelung der Prävention und Gesundheitsförderung. Aus- und Weiterbildung im Sektor Gesundheit: Im Zuge Zu diesem Zweck hat der Bundesrat die Fachkommission der Regierungs- und Verwaltungsreform wurden die «Prävention und Gesundheitsförderung» eingesetzt. Ihr Aufgaben in den Bereichen Bildung, Forschung, Tech- gehören Vertreter/innen der Bundesverwaltung, der Kan- nologie, die auf vier Departemente verteilt waren, in tone, Kranken- und Unfallversicherer, Leistungserbringer zwei angesiedelt: das Eidgenössische Departement sowie Expertinnen und Experten an. Die Kommission soll des Innern (EDI) und das Eidgenössische Volkswirt- bis Mitte 2006 erste Vorschläge in Form eines Berichts schaftsdepartement (EVD). Im EDI befindet sich heute «Prävention und Gesundheitsförderung» unterbreiten. das Staatssekretariat für Bildung und Forschung, das Als Diskussionsbasis dient der Fachkommission das vom im Jahr 2004 durch eine Fusion des Staatssekretariats Bundesamt für Gesundheit erstellte Papier «Vision und der Gruppe für Wissenschaft und Forschung mit dem Thesen zur Neuregelung von Prävention und Gesund- Bundesamt für Bildung und Wissenschaft entstand. Im heitsförderung in der Schweiz». EVD ist das Bundesamt für Berufsbildung und Tech- Angesichts der Tatsache, dass gesundheitspolitische nologie angesiedelt. Insbesondere die Kantone und die Dossiers in der gesamten Bundesverwaltung anzutreffen Schweizerische Universitätskonferenz SUK fordern, sind, fliesst ein weiterer Aspekt in die Diskussion über dass sich der Bildungsbereich nur in einem Departe- den Paradigmenwechsel ein: der multisektorale Ansatz in ment befindet. der Gesundheitspolitik. Das Bundesamt für Gesundheit In Diskussion ist die Fusion des Bundesamts für Land- (BAG) hat mit der Entwicklung seines «Leitbilds für eine wirtschaft mit dem Bundesamt für Veterinärwesen, multisektorale Gesundheitspolitik»19 hier einen wertvollen dem Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung Beitrag geleistet. Die Umsetzung des Leitbildes steht noch sowie der Abteilung Lebensmittel im BAG zu einem Le- aus. bensmittelamt. Ausserdem hat der Bundesrat das Eid- Die Auseinandersetzung mit multisektoralen Themen wie genössische Volkswirtschaftsdepartement (EVD) und Nachhaltige Entwicklung, Altern und Gesundheit oder das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) im Psychische Gesundheit könnten Anreize zu vermehrter Jahr 2005 beauftragt, die Zusammenführung der für die Zusammenarbeit unter den Bundesstellen sein: Weder Bildung zuständigen Bundesämter oder deren Teile, zu lassen sich diese Themen rechtlich oder fachlich nur einer prüfen. Zu den zu überprüfenden Bereichen gehört Bundesstelle zuordnen, noch können sie im Alleingang er- auch die Aus- und Weiterbildung in den Gesundheits- folgreich bearbeitet werden, sondern nur interdisziplinär. berufen. Führungsanspruch des BAG auf nationaler Ebene Folgende Bundesstellen im Sektor Gesundheit wurden Der Bund möchte seine Gesundheitspolitik besser koordi- FLAG-Stellen (Führen mit Leistungsauftrag und Global- nieren und innerhalb der Bundesverwaltung und auf Bun- budget): Die Landwirtschaftlichen Forschungsanstalten desebene die politische Führung vermehrt wahrnehmen. und das Bundesamt für Sport. Rechtlich verselbstständigt Diesen Führungsanspruch hält die BAG-Vision aus dem wurde das Schweizerische Heilmittelinstitut Swissmedic. Jahre 2004 fest: «Das BAG nimmt auf nationaler Ebene Im Zuge der Verwaltungsreform 2005/2007 wird der Bund seine Führungsverantwortung in der Gesundheitspolitik die Position von Swissmedic als FLAG-Institution noch- der Schweiz sowie in der Gestaltung des Gesundheitswe- mals überprüfen. sens wahr.»20 Zwei wichtige Voraussetzungen bringt das BAG mit, um den Führungsanspruch einzulösen: Grosses Gesundheitspolitik: Paradigmenwechsel Fachwissen und langjährige Erfahrung in der Entwicklung Der Bundesrat hat im Rahmen seiner Legislaturziele von gesamtschweizerischen Strategien. Zudem scheinen 2004–2007 mit Ziel 5, «Die Sozialversicherungen zukunftsfähig ausgestalten, das Gesundheitssystem grundlegend überprüfen, die Invalidenversicherung stabilisieren», Bereitschaft signalisiert, grundsätzliche strategische Überle70 19 Bundesamt für Gesundheit: Leitbild für eine multisektorale Gesundheitspolitik. April 2005. 20 BAG-Vision, Januar 2004. Internes Dokument des Bundesamtes für Gesundheit, 2004. Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 4 drei weitere aktuelle Entwicklungen den Führungsan- Forschung am Menschen, Stammzellenforschung, Prä- spruch des BAG zu untermauern. vention und Gesundheitsförderung, Medizinalberufe, Referenzrahmen Teil I Psychologieberufe. Siehe hierzu auch Band 2 sowie 1. Nationale Gesundheitspolitik: Gemäss dem Direktor des Bundesamts für Gesundheit (BAG) soll das BAG Teil II Teil I «Gesundheitssystem Schweiz: Referenzrahmen» in diesem Band. als federführendes Amt gehaltvoll und proaktiv Auf- Zusammenarbeit bau-, Vernetzungs- und Bewahrungsarbeit für eine nationale Gesundheitspolitik leisten.21 In diesem Sinne führt das BAG seit 2004 die Geschäftsstelle des Bundes für die Nationale Gesundheitspolitik. Mit der Steuerung des Dialogprozesses und der allfälligen Erarbeitung von koordinierten Gesundheitsstrategien hat der Bund den Geschäftsführenden Ausschuss beauftragt. Ihm gehören gegenwärtig der Direktor des BAG, die Teil III Direktorin des BFS und eine leitende Person des BAGDirek­tionsbereichs Kranken- und Unfallversicherung an. Eine parallele Organisation gibt es auf kantonaler Ebene (siehe hierzu die Abschnitte 5.4.1 und 6.4.1 der Perspektiven Kapitel 5 und 6 in diesem Bericht). 2. Reorganisation des BAG: Am 1. Januar 2004 wurde das Geschäftsfeld Kranken- und Unfallversicherung (KUV) vom Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) in das Bundesamt für Gesundheit (BAG) überführt. Mit diesem Schritt sollen Wissen und Kompetenzen im Sektor Gesundheit in einem Amt vereint werden. Mittelfristig erhofft sich der Vorsteher des eidgenössischen Departements des Innern von diesem Transfer eine ganzheitlichere Sichtweise auf die Gesundheit (Prävention, Gesundheitsschutz und Gesundheitsversorgung), mehr Kohärenz bei den Massnahmen des Bundes im Gesundheitsversorgungsbereich und eine bessere Kenntnis und Kontrolle der Faktoren, die einen Einfluss auf die Gesundheitspolitik haben. Auf ein erhöhtes Bewusstsein für gesundheitspolitische Prozesse weist die im Zuge der Reorganisation des BAG entstandene Direktion Gesundheitspolitik hin. Der Transfer bedingt die Überarbeitung der Gesamtstrategie und der Geschäftsfelder des BAG. Dieser Prozess wird Ende 2006 abgeschlossen sein. 3. Zukunftsgerichtete Gesetzgebungsprozesse: Das Bundesamt für Gesundheit versucht über bereits erfolgte bzw. laufende Gesetzgebungsprozesse seinen politischen Führungsanspruch zu festigen und die Steuerung auf gesamtschweizerischer Ebene zu verstärken: 21 Präsentation der Ziele der neu zu schaffenden Direktion Gesundheitspolitik im BAG durch Th. Zeltner, 15. 3. 2004. Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 4 71 Teil I Referenzrahmen Anhang Gesundheitsthemen innerhalb der Bundesverwaltung: Zuständigkeiten, ohne Eidg. Kommissionen (Auswahl) Zusammenarbeit Teil II Perspektiven Teil III 1. Alkohol, Verkehrssicherheit ASTRA; BAG; BAKOM BASPO; BLW; EAV (Eidg. Alkoholverwaltung); Eidg. Zollverwaltung/Oberzolldirektion; seco 2. Arbeit und Gesundheit, Verhütung von Berufs­ unfällen und berufsbedingten Erkrankungen, betriebliche Gesundheitsförderung Seco; BAG; BSV; SUVA; BAFU 3. Ausbildung und Gesundheit BAG (universitäre Medizinalberufe); BBT (Gesundheitsberufe auf ­Sekundarstufe II und auf Fachhochschulebene); Staatssekretariat für Bildung und Forschung (universitäre Hochschulpolitik, Forschung) 4. Betäubungsmittel (legale und illegale Drogen) BAG, BSV, BAP (Bundesamt für Polizei oder fedpol), swissmedic 5. Biologische Sicherheit/Bioterrorismus Bundesamt für Energie; BAFU; ARE; BAG; VBS (ABC-Schutz) 6. Biomedizin BAG 7. Chemikalien BAG; BAFU 8. Chronische, nichtübertragbare Krankheiten BAG; BASPO; seco 9. Ernährung BAG; Bundesamt für Veterinärwesen (BVET); Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) 10. E-Health BAG; BAKOM 11. Forschung SBF (Staatssekretariat für Bildung und Forschung); Schweizerischer Nationalfonds; BAG; BSV; ETH 12. Gender Health BAG; Eidg. Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann 13. Genetisch veränderte Organismen BAG; BAFU 14. Gesundheitsförderung BAG; BASPO; seco 15. Gesundheitsaussenpolitik BAG; DEZA; EDA (Pol Dir III) 16. Gesundheitsstatistiken BFS; BAG; BSV; BASPO; Bundesamt für Polizei (Schweizerische Betäubungsmittelstatistik) 17. Heilmittel Swissmedic 18. HIV/Aids BAG 19. Epidemien und übertragbare Krankheiten BAG 20. Impfungen BAG 21. Invalidität BSV, Eidg. Büro für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen 22. Krisenmanagement Bundesamt für Gesundheit (BAG) 23. Katastrophenschutz; Sicherheit von Nuklearanlagen Koordinierter Sanitätsdienst (KSD); Bundesamt für Bevölkerungsschutz (BABS); Bundesamt für Energie 24. Lebensmittel; Trinkwasser; BAG; BVET; Bundesamt für Wasser und Geologie (BWG); Eidg. Zollverwaltung; Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) Fleischkontrolle/Tierseuchen 25. Migration und Gesundheit; BAG, Bundesamt für Justiz; Bundesamt für Migration (BFM) grenzsanitarische Untersuchungen 26. Nachhaltige Entwicklung 29 Bundesämter, darunter seco, BAG, BAFU, ARE, DEZA 27. Patientenrechte Bundesamt für Gesundheit; Bundesamt für Justiz (BJ) 28. Prävention BAG; Eidg. Alkoholverwaltung; BASPO; BFM 29. Psychische Gesundheit BAG; seco; BSV, 30. Sport, Bewegung BASPO; BAG 31. Strahlenschutz BAG 32. Tabak; Tabakzoll BAG; BASPO; seco; Eidg. Zollverwaltung; Bundesamt für Landwirtschaft 33. Transplantationsmedizin BAG 34. Unfallverhütung (nichtberufliche) Büro für Unfallverhütung (bfu); Bundesamt für Strassen (ASTRA) 35. Umwelt und Gesundheit BAG; BAFU; ARE 36. Versicherung gegen Krankheit, Invalidität und Unfall BAG; BSV; SUVA; Bundesamt für Privatversicherungen Quelle: Bundesamt für Gesundheit, Sektion Strategie und Gesundheitspolitik Schweiz 72 Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 4 Teil I Referenzrahmen Kapitel 5 Zusammenarbeit der Kantone in der Gesundheitspolitik In Anlehnung an die Kantonsporträts und aus der Per- 5.1 Ausgangslage spektive einer multisektoralen Gesundheitspolitik dürften zudem auch die interkantonalen Konferenzen für Finanzen und für Bildung von Bedeutung sein. Diese interkan- deralistischen Systems der Schweiz kritisiert. In der Tat tonalen Konferenzen sind jedoch nicht Gegenstand von «leistet» sich die im europäischen Vergleich kleinräumige Kapitel 5. Ebenfalls nicht behandelt wird in diesem Ka- Schweiz 26 kantonale Gesundheitspolitiken. Damit prä- pitel die Rolle der kantonalen Parlamente sowie der pri- sentiert sich das Gesundheitssystem Schweiz aus der Vo- vaten Akteure als Wegbereiter zukünftiger gesundheitspo- gelperspektive als ein in hohem Masse komplexes, dezen- litischer Strategien auf nationaler Ebene.23 trales und, wie kritische Stimmen meinen, fragmentiertes Schliesslich stellt Kapitel 5 eine Reihe von Projekten vor, Gebilde. Wie leistungsfähig ist ein solches System, wenn die in den letzten 25 Jahren zwischen Kantonen realisiert es darum geht, eine qualitativ hochstehende Versorgung wurden. Damit soll die interkantonale Zusammenarbeit an zu gewährleisten? Wie gehen die Kantone selbst mit De- konkreten Beispielen dargestellt werden. Teil II Zusammenarbeit Der «Kantönligeist» wird oft als Schwachpunkt des fö- zentralisierung und Kleinräumigkeit um? Kann auf einer reichen von Bund und Kantonen gemeinsam entwickelte Das Recht der Kantone auf Zusammenarbeit ist in der und verantwortete Strategien und Projekte beinhaltet, Bundesverfassung verankert.24 Dieses Recht hat mit der entstehen?22 Wie kann trotz dem Bedarf nach Harmonisie- Annahme der Neugestaltung des Finanzausgleichs und rung die Vielfalt, der Reichtum und die Innovationskraft der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA) der kantonalen und regionalen Strukturen, Prozesse und durch das Volk im November 2004 einerseits eine Auswei- Projekte erhalten bleiben? Tragen am Schluss gar der tung erfahren, andererseits kann mit der NFA die inter- Föderalismus, die dezentrale Steuerung und die Vielfalt kantonale Zusammenarbeit auch eine Pflicht werden.25 der gesundheitspolitischen Strategien zur Qualität des Die Kantone arbeiten seit mehr als 100 Jahren zusammen, schweizerischen Gesundheitssystems bei? vor allem bilateral, dann seit 1919 mit der Gründung der Um diese Frage zu beantworten, rückt Kapitel 5 die in- Schweizerischen Konferenz der kantonalen Gesundheits- terkantonale Zusammenarbeit im Sektor Gesundheit ins direktorinnen und -direktoren (GDK) auch auf schwei- Zentrum. Die folgenden Abschnitte gehen insbesondere zerischer Ebene und seit den 1970er-Jahren zudem auf den Fragen nach, warum und wie die Kantone auf Regie- regionaler Ebene. Koordination und Zusammenarbeit zwi- rungsebene zusammenarbeiten und in welchen Gesund- schen den Kantonen finden sowohl auf Stufe Gesamtre- Teil III Perspektiven heisst, eine Gesundheitspolitik, die in ausgewählten Be- Lange Tradition der interkantonalen ­Zusammenarbeit föderalen Basis eine nationale Gesundheitspolitik, das heitsbereichen sie auf die Möglichkeiten kooperativer Strategien zurückgreifen? Vor diesem Hintergrund werden drei Formen der interkantonalen Zusammenarbeit beschrieben: ■ die vertragliche Zusammenarbeit zwischen den Kanto- ■ die organisierte Zusammenarbeit auf regionaler Ebene ■ die organisierte Zusammenarbeit auf schweizerischer nen Ebene Die Darstellung der organisierten Zusammenarbeit zwischen Kantonen konzentriert sich auf die Regierungskonferenzen im Sektor Gesundheit (Gesundheitsdirektorenkonferenzen) und auf die Gesamtregierungskonferenzen. 22 Eine ausführliche Definition des Begriffs «Nationale Gesundheitspolitik» wird nach der Einleitung zu dieser Publikation gegeben. 23 Gesundheitspolitische Themen von nationaler Relevanz, die gegenwärtig von einigen kantonalen Parlamenten bearbeitet werden, sind beispielsweise das Mammographie-Screening und Verbote im Zusammenhang mit Rauchen. Die Kantone der Romandie bieten ihrer Bevölkerung seit einigen Jahren ein Mammographie-Screening an. In der Februarsession 2006 hat nun das kantonale Parlament von St. Gallen (Kantonsrat) eine überparteiliche Motion überwiesen, die ein Mammographie-Screening-Programm im Kanton einführen will. Das Tessiner Kantonsparlament hat im Oktober 2005 ein Rauchverbot in den Tessiner Restaurants und öffentlichen Lokalen beschlossen, dem das Stimmvolk im März 2006 zugestimmt hat. Im Kanton Graubünden hat das Kantonsparlament im Februar 2006 einen Vorstoss zu einem Rauchverbot in Gaststuben und an öffentlichen Orten überwiesen. Im Auftrag des kantonalen Parlaments bereitet der Kanton Basel-Landschaft ein Gesetz vor, dass Alkohol- und Tabakwerbung auf öffentlichem Grund verbietet. 24 Artikel 48 der Bundesverfassung, Absatz 1: Die Kantone können miteinander Verträge schliessen sowie gemeinsame Organisationen und Einrichtungen schaffen. Sie können namentlich Aufgaben von regionalem Interesse gemeinsam wahrnehmen. 25 Siehe hierzu Kapitel 6 des Berichts: «Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen», der die mit der Neuregelung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zischen Bund und Kantonen (NFA) verbundenen Ergänzungen der Bundesverfassung auflistet. Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5 73 Referenzrahmen Teil I Zusammenarbeit Teil II Teil III gierung als auch auf Stufe Fachminister und Verwaltung Hintergrund gibt es unter anderem folgende Auslöser für statt. Um die Zusammenarbeit zu optimieren, haben die interkantonale Zusammenarbeit:27 Kantone im Laufe der Zeit entsprechende Instrumente 1. Vitales Interesse an einer grenzüberschreitenden Koor- und Strukturen entwickelt, die sie bilateral, regional und dination: Dies betrifft insbesondere den Gesundheits- gesamtschweizerisch einsetzen. Eine Übersicht über die schutz der Bevölkerung, ein Gebiet, auf dem der Bund strukturierten Zusammenarbeitsformen vermittelt Tabel- federführend ist. Hier haben sich die Kantonsärzte, le 11 «Systematik der interkantonalen Zusammenarbeit Kantonsapotheker, Kantonschemiker und Kantonsve- für den Sektor Gesundheit». Nicht ersichtlich in diesem terinäre zu je eigenen interkantonalen Netzwerken zu- Schema ist die spontane Zusammenarbeit zwischen zwei, sammengeschlossen und koordinieren ihre Aktivitäten seltener zwischen mehreren Kantonen. Diese Form der mit dem Bund.28 Zusammenarbeit erfolgt in der Regel sporadisch und eher 2. Bereitstellung öffentlicher Gesundheitsleistungen von zufällig und findet daher besonders häufig statt. Sie ist hoher Qualität sofern die Koordination günstiger ist als gleichzeitig aber auch mit Ausnahme der bilateralen Ver- der Alleingang («Skalenökonomie»): Zum Beispiel der einbarungen schwerer zu dokumentieren (siehe hierzu Ein- und Verkauf von Leistungen im Bereich der Spit- den Kasten «Spontane Zusammenarbeit zwischen Kanto- zenmedizin oder die Errichtung interkantonaler Spitä- Perspektiven nen: Ausgewählte Beispiele»). ler. Dieses dichte und für Aussenstehende kaum überschau- 3. Gemeinsame kulturelle Basis: Die Kantone der West- bare Geflecht von Gremien und Vereinbarungen benutzen schweiz pflegen eine besonders enge Zusammenarbeit die Kantone, um der Bevölkerung qualitativ hochstehende im Rahmen der regionalen Gesundheits- und Sozialdi- Angebote und Leistungen im Sektor Gesundheit auf kom- rektorenkonferenz (CRASS), um ihre Interessen durch munaler, kantonaler, regionaler und schweizerischer Ebe- das Entwickeln gemeinsamer Strategien zu wahren. ne zur Verfügung zu stellen. 26 4. Bedarf nach Rechtsvereinheitlichung oder schweizwei- Eine Schlussfolgerung sei an dieser Stelle vorwegge- ter Koordination, ohne die Kompetenz an den Bund nommen: Die Kantone haben es über verschiedene For- übertragen zu wollen: So versuchen die Kantone ge- men der interkantonalen Zusammenarbeit geschafft, den genwärtig, die Spitzenmedizin im Rahmen der GDK ge- «Kantönligeist» bzw. die Dezentralisierungs- und Kleinräumigkeitsfalle in vielen Bereichen der Gesundheit zu samtschweizerisch zu koordinieren. 5. Gemeinsame Vertretung von kantonalen Standpunkten gegenüber dem Bund: Je mehr die Entscheide auf Bun- umgehen. desebene in die Gesundheitspolitiken der Kantone eingreifen, desto grösser das Bedürfnis der Kantone, ihre 5.2 Auslöser der interkantonalen ­Zusammenarbeit Interessen dem Bund gegenüber gemeinsam zu ver- Zusammenarbeit ist für die Kantone immer dann ein The- (KVG), die Konferenz der Kantonsregierungen (KdK) ma, wenn als gemeinsam erkannte Aufgaben dadurch kos­ bei der Totalrevision der Bundesverfassung, bei den tengünstiger, effizienter und ohne Verlust an politischer Verhandlungen über den Neuen Finanzausgleich oder Legitimität erbracht werden können. bei der Formulierung des bundesrätlichen Legislatur- treten. So vertritt die GDK die Interessen der Kantone bei der Revision des Krankenversicherungsgesetzes Wichtig ist den Kantonen dabei, dass die Zusammenarbeit programms 2004–2007. freiwillig erfolgt, dass also ihre Souveränität und ein hohes 6. Die Umsetzung von Bundesgesetzen: Die Umsetzung Mass an Handlungsfreiheit bewahrt bleiben. Vor diesem des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (KVG) sowie dessen Anpassung an veränderte Be- 26 Beispiele für Dienstleistungen auf kommunaler, kantonaler, regionaler und schweizerischer Ebene: Spitex (kommunal); stationäre medizinische Versorgung (kantonal); erweiterte Grundversorgung durch den Einkauf von Leistungen (regional); interkantonale Spitäler (regional); Zugang zu Fachhochschulen und Universitäten (gesamtschweizerisch); Präventionsprogramme (kantonal und regional); Zugang zu Universitäten (gesamtschweizerisch); Präventionsangebote wie Kariesprophylaxe in den Volksschulen (kommunal) oder HIV-Beratungsstellen in Regionalspitälern. 74 stimmungen sind ein immer wiederkehrendes Thema 27 Als Vorlage für eine Typologie der Zusammenarbeit diente die folgende Publikation: Dieter FREIBURGHAUS, Vital ZEHNDER, Horizontale Kooperation zwischen den Kantonen und die «systematisch pragmatische Zusammenarbeit» in der Zentralschweiz, Working Paper der IDHEAP (Institut de hautes études en administration publique) Nr. 4, 2003, S. 5. 28 Siehe hierzu Abschnitt 5.5 und Kapitel 6 in diesem Bericht. Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5 in der interkantonalen Zusammenarbeit. Dies gilt auch benteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA) bein- für alle anderen Bundesgesetze, die neuer kantonaler haltet weitere Elemente einer verpflichtenden Zusam- Ausführungsbestimmungen bedürfen (exekutiver Fö- menarbeit der Kantone in neun Bereichen, darunter deralismus). Universitäten, Fachhochschulen, Spitzenmedizin und 7. Gesetzliche Pflicht zur Zusammenarbeit: Hier zeichnet Referenzrahmen Teil I Teil II Spezialkliniken. sich eine neue Tendenz ab. Bestimmte in den letzten halten das Recht des Bundes, die Kantone zur Zusammenarbeit zu verpflichten. Die heutige Fachhochschulgesetzgebung verlangt zum Beispiel von den Kantonen, Zusammenarbeit Jahren verabschiedete eidgenössische Gesetze bein- 5.3 Vertragliche Zusammenarbeit zwischen den Kantonen 7 regionale Fachhochschulen zu gründen. Auch inter- Die vertragliche Zusammenarbeit zwischen den Kantonen nationale Entwicklungen wie die Verabschiedung der ist sehr ausgeprägt.29 Nach Art. 48 Abs. 1 der Bundesver- Bologna-Reform im Sektor Bildung dürften den Druck fassung können die Kantone Verträge schliessen sowie auf die Kantone, im Bildungsbereich zusammenzuar- gemeinsame Organisationen und Einrichtungen schaffen. beiten, erhöhen. Der 2005 im Rahmen einer Volksab- Es können Verträge über alle Fragen geschlossen wer- stimmung angenommene Verfassungsartikel über die den, die in den Zuständigkeitsbereich der Kantone fallen. Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufga- Der Abschluss von Verträgen bzw. interkantonalen Ver- Teil III einbarungen erlaubt es den Kantonen, komplexe Aufga- Spontane Zusammenarbeit zwischen Kantonen: Ausgewählte Beispiele Kooperation bilateral, regional oder auf schweizerischer Kantone arbeiten spontan bi- oder multilateral zusam- heitsbereich dienen Verträge vor allem dem Einkauf me- men, um gegenseitig von den Erfahrungen der anderen dizinischer Leistungen. Wie einer idheap-Studie30 zu ent- zu profitieren, um neue Ideen zu konkretisieren, um ge- nehmen ist, haben die Kantone zwischen 1848 und 2003 meinsam ein Projekt umzusetzen. Starke Impulse kom- 733 Vereinbarungen unterzeichnet zu Themen, die in ihren men aus der lateinischen Schweiz. So wird zum Beispiel Zuständigkeitsbereich fallen. Die Zusammenarbeit erfolgt die Gesundheitsverträglichkeitsprüfung (health impact entweder in Form von Konkordaten oder Verwaltungs- assessment) gegenwärtig in den Kantonen Tessin, Jura vereinbarungen. Als Konkordate werden Vereinbarungen und Genf zu einem Policyinstrument ausgebaut. Tessin mit grossen finanziellen Auswirkungen oder mit recht- Perspektiven ben auf effiziente Art und Weise durch Koordination und Ebene zu lösen (kooperativer Föderalismus). Im Gesund- und Genf pflegen den Gedankenaustausch betreffend setzender Bedeutung (d. h. solche, die nicht nur für die Idee und Konzept einer Gesundheits- bzw. Patienten- vertragsschliessenden Kantone, sondern wie ein Gesetz karte. Waadt und Wallis planen die Realisierung eines auch für natürliche und juristische Personen unmittelbare interkantonalen Spitalzentrums mit umfassendem Wirkung entfalten) verstanden. Demgegenüber bestehen Leistungsangebot inklusive Spitzenmedizin bis zum Verwaltungsvereinbarungen aus Regelungen über Gegen- Jahr 2011. Waadt und Genf schliesslich bilden eine Pro- stände, die in den alleinigen Zuständigkeitsbereich des Re- jektorganisation (Association Vaud-Genève), um die gierungsrates fallen. Gegenstand der Vereinbarungen sind Krebs- und Genforschung unter die gemeinsame Ver- Bildung, Wissenschaft und Kultur (25 %), öffentliche Fi- antwortung der beiden Universitätsspitäler HUG (GE) nanzen und Steuern (20 %), Verkehr und Umwelt (16 %), und CHUV(VD) zu stellen. Für die deutschsprachige Wirtschaft und Landwirtschaft (15 %) sowie Staatsorga- Schweiz sei auf die lose Zusammenarbeit zwischen den nisation und Sicherheit (13 %). Das Schlusslicht bilden Kantonen Aargau, Bern, Solothurn und Zürich betreffend die Qualitätssicherung in Akutspitälern hingewiesen (siehe Absatz 5.5). Die Kantone Zug, Aargau, Zürich und Schaffhausen haben bei der Ausarbeitung ihrer Rahmenkonzepte Gesundheitsförderung und Prävention zusammengearbeitet. 29 Siehe zum Thema Verträge: Ulrich HÄFELIN/Walter HALLER, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, 5. Auflage, Zürich 2001, N 1254 bis 1305; Peter HÄNNY, Verträge zwischen den Kantonen und zwischen dem Bund und den Kantonen, in: Daniel THÜRER/Jean-François AUBERT/ Jörg Paul MÜLLER (Hrsg.), Verfassungsrecht der Schweiz, Zürich 2001, § 48. 30 Daniel BOCHSLER, Christophe KOLLER, Pascal SCIARINI, Sylvie TRAIMOND, Ivar TRIPPOLINI: Die Schweizer Kantone unter der Lupe – Behörden, Personal, Finanzen. Haupt Verlag, Bern 2005. Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5 75 Referenzrahmen Teil I gemäss der idheap-Studie die Bereiche Gesundheit und samtheit der interkantonalen Vereinbarungen anbelangt, Soziale Sicherheit (10 %). sind davon 44 % bilaterale Abkommen, 22 % umfassen mindestens 20 Kantone. Nur 11 Vereinbarungen haben Zusammenarbeit Teil II Über hundert interkantonale Vereinbarungen im Gesundheitsbereich alle Kantone unterzeichnet. Auch im Bereich Gesundheit Heute dürfte es mehr als 100 interkantonale Vereinba- gen Tradition der interkantonalen Zusammenarbeit wur- rungen geben, die das Handlungsfeld Gesundheit betref- den nur 2 Vereinbarungen im Bereich Gesundheit sowie fen. Bereits im Jahr 1900 hatten die Kantone eine Ver- 2 GDK-Verordnungen von allen Kantonen angenommen: einbarung im Bereich Heilmittel verabschiedet, welche ■ 31 Teil III herrschen die bilateralen Vereinbarungen vor. In der lan- in den kommenden Jahrzehnten vier Mal (in den Jahren Heilmittel (1971). Der Versuch, die Vereinbarung an 1934, 1942, 1954 und 1971) total revidiert wurde, bis die EU-Recht anzupassen, scheiterte 1988 an den Kanto- Kontrolle der Heilmittel 2003 in Bundeskompetenz über- nen Zürich und Appenzell-Ausserrhoden. Daraufhin ging. Die Datenbank «Interkantonale Zusammenarbeit in beauftragten die Kantone den Bund, ein Gesetz über der Zentralschweiz» nennt allein 23 Konkordate und Arzneimittel und Medizinprodukte (2000) auszuarbei- Verwaltungsvereinbarungen zwischen den Kantonen der ten. Damit ging, wie es ein kantonaler Vertreter aus- Zentralschweiz für den Bereich der kurativen Gesund- drückte, eine Perle der interkantonalen Zusammenar- heitsversorgung, Basel-Landschaft und Basel-Stadt deren beit in Bundeskompetenz über. 32 36. Im Rahmen dieser Vereinbarungen werden folgende 33 ■ Gegenstände geregelt: der Ein- und Verkauf von statio- Perspektiven Interkantonale Vereinbarung über die Kontrolle der nären und ambulanten Leistungen, Kontrolle der Heilmit- Tollwutzentrale an der Universität Bern (1991) ■ tel, Kontrolle der Lebensmittel, Bildung im Gesundheits- Verordnung der GDK über die Anerkennung kantonaler Ausbildungsabschlüsse im Gesundheitswesen in sektor, Sanitätsdienst. Normalerweise beinhalten die Vereinbarungen keine Verwaltungsvereinbarung über die Unterstützung der der Schweiz (1999) ■ Rechtsetzungsbefugnisse.34 Es gibt jedoch Ausnahmen: Verordnung der GDK über die Anerkennung kantonaler Fachhochschuldiplome im Gesundheitswesen (2001) Für den Vollzug der «Interkantonalen Vereinbarung über die Anerkennung von Ausbildungsabschlüssen» (1993) Im Bereich Aus- und Weiterbildung sieht die Bilanz der besitzen die Erziehungsdirektorenkonferenz (EDK) und von allen Kantonen ratifizierten Vereinbarungen besser die Gesundheitsdirektorenkonferenz (GDK) Rechtset- aus. Einschränkend muss hierzu jedoch gesagt werden, zungskompetenzen. Zudem sind die drei GDK-Erlasse – dass Gesundheit in diesen interkantonalen Vereinba- die Verordnung über die Anerkennung von ausländischen rungen kein explizites Thema ist. Ausbildungsabschlüssen (1997), die Verordnung über die nung über die Anerkennung kantonaler Fachhochschuldi- Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA) plome im Gesundheitswesen (2001) – rechtlich bindend. Die so genannte Neugestaltung des Finanzausgleichs und Vereinbarungen können von zwei, von mehreren oder der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA) von allen Kantonen abgeschlossen werden. Was die Ge- wurde von den Schweizer Stimmbürger/innen im Jahr Anerkennung kantonaler Ausbildungsabschlüsse im Gesundheitswesen in der Schweiz (1999) sowie die Verord- 2004 deutlich angenommen. Sie gibt den Kantonen die 31 Gemäss eigenen Recherchen gibt es wesentlich mehr interkantonale Vereinbarungen im Sektor Gesundheit sowie im Sektor Aus- und Weiterbildung in den Gesundheitsberufen, als die Zahl von 73 Vereinbarungen, die man auf der Datengrundlage von Bochsler, Koller und Sciarini ermitteln kann. Vergleiche hierzu den Anhang: Interkantonale Vereinbarungen im Sektor Gesundheit. 32 Siehe hierzu: www.zrk.ch sowie den Anhang zu diesem Kapitel: Interkantonale Vereinbarungen im Sektor Gesundheit. 33 Siehe hierzu Kapitel 4: Gesundheitspolitisches Porträt des Kantons Basel-Landschaft. 34 Als rechtsetzend gelten Bestimmungen, die in unmittelbar verbindlicher und generell-abstrakter Weise Pflichten auferlegen, Rechte verleihen oder Zuständigkeiten festlegen (Artikel 22 des Parlamentsgesetzes). 76 Möglichkeit, Rechtsetzungskompetenzen vermehrt an interkantonale Gremien zu delegieren. Die NFA könnte deshalb eine neue Dynamik in das Vertragswesen zwischen den Kantonen bringen. Siehe hierzu auch Kapitel 6.4. Koordination und Konzentration der Spitzenmedizin Auf diesem Hintergrund dürfte der Prozess, der in den Kantonen und interkantonal auf der Ebene GDK im Bereich Spitzenmedizin zurzeit abläuft, von besonderem Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5 Referenzrahmen Teil I Interesse sein. Ob die Interkantonale Vereinbarung über ten Medizin, welche die Schweizerische Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren 5.4 Organisierte Zusammenarbeit auf regionaler Ebene anlässlich der Plenarversammlung im November 2004 40 Jahre, nachdem die interkantonale Zusammenarbeit verabschiedet haben, zu einer weiteren Perle der inter- auf schweizerischer Ebene ihren Anfang genommen hat- kantonalen Zusammenarbeit wird, ist mehr als ungewiss. te, begann sich die regionale Zusammenarbeit zwischen Mindestens 17 Kantone, darunter zwingend alle Kantone kantonalen Regierungen im Handlungsfeld Gesundheit mit Universitätsspital, müssten zustimmen. Der Kanton in den 1960er-Jahren zu entwickeln, zunächst als regio- Zürich als Standort eines Universitätsspitals hat jedoch nale Gesamtregierungskonferenzen, dann auch in den im August 2005 die Ratifizierung der Vereinbarung abge- 1970er-Jahren im Sektor Gesundheit. Einen eigentlichen lehnt. Aufschwung erlebten die gouvernementalen Regional- Teil II Zusammenarbeit die Koordination und Konzentration der hochspezialisier- konferenzen im Sektor Gesundheit jedoch zu Beginn der 1990er-Jahre mit der Neugestaltung des Krankenversiche- Verträge zwischen Kantonen werden von politischen Ent- rungsgesetzes (KVG). Seit dieser Zeit dient die regionale scheidungsträgern unterschiedlich bewertet. Aus Sicht Zusammenarbeit mehrheitlich der Koordinierung und Har- der kantonalen Exekutiven ist das Verfahren zum Ab- monisierung der kantonalen Umsetzungsstrategien von schluss solcher Verträge einfacher als das ordentliche Ge- Bundesgesetzen in den Bereichen der kurativen Medizin setzgebungsverfahren. Andererseits können vertraglich sowie der Koordination der Aus- und Weiterbildung in den geregelte gemeinsame Organe nur funktionieren, wenn Gesundheitsberufen im Rahmen von Fachhochschulen.36 bei ihrer Gründung ein komplettes Rechtssystem geschaf- Einschränkend sei an dieser Stelle erwähnt, dass die re- fen wird. Das Fehlen eines solchen war schlussendlich gionale Zusammenarbeit für die kantonalen Regierungen mitverantwortlich für das Scheitern der interkantonalen immer nur eine der möglichen Optionen darstellt. Falls es Vereinbarung über die Kontrolle von Heilmitteln. die Situation erfordert, suchen die Kantone auch ausser- Aus Sicht der kantonalen Parlamente haben Verträge den halb «ihrer» Region Allianzen (variable Geometrie der Al- Nachteil, dass sie den Parlamenten nur die Wahl zwischen lianzen37 oder auch funktioneller Föderalismus). der vollständigen Genehmigung oder der vollständigen Nachfolgend werden in einem ersten Teil die vier regio- Ablehnung der von den Exekutiven erarbeiteten Texte nalen Gesundheitsdirektorenkonferenzen mit ihren Struk- lassen. In diesem Zusammenhang spricht man von einem turen und Projekten vorgestellt. Der zweite Teil dieses «demokratischen Defizit». Abschnitts geht auf die regionalen Gesamtregierungskon- Weitere kritische Stimmen sehen in interkantonalen Ver- ferenzen ein. Auch wenn deren Verbindungen zu gesund- trägen die Gefahr einer Demontage des Föderalismus. Sie heitspolitischen Themen gegenwärtig noch schwach sind, befürchten durch die Vereinheitlichung kantonaler Be- können sie wegen ihres multisektoralen Ansatzes und ih- stimmungen einen Verlust an Vielfalt und an kantonaler ren internen Prozessen für die Weiterentwicklung einer Handlungsfreiheit. nationalen Gesundheitspolitik von Interesse sein. Teil III Perspektiven Würdigung Dennoch entsprechen Verträge zwischen den Kantonen einem grossen Bedürfnis, da sie die Annäherung benachbarter Rechtsordnungen ermöglichen, ohne dass ein Umweg über eine eidgenössische Zentralisierung gewählt werden muss.35 35 WALDMANN Bernhard, Skriptum Bundesstaatsrecht 2003/2004, S. 108. 36 Der Aspekt der interkantonalen Zusammenarbeit betreffend die Ausbildung in den Gesundheitsberufen wird in 6.4. «Themenzentrierte Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen» behandelt. 37 Variable Geometrie: Jede öffentliche Aufgabe hat einen anderen räumlichen Wirkungskreis. Für die Planung und Umsetzung der Aufgaben werden deshalb nicht selten so genannte flexible Funktionalregionen gebildet. Siehe hierzu: FREY René L. Braucht die Nordwestschweiz neue politische Institutionen? Vortrag anlässlich der Verleihung des Förderpreises für eine starke Region durch die Vereinigung für eine starke Region Basel/Nordwestschweiz, 6. September 2000. Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5 77 Referenzrahmen Teil I Tabelle 11: Systematik der interkantonalen Zusammenarbeit Interkantonale Zusammenarbeit der Gesamtregierungen Teil II Konferenz der Kantonsregierungen (KdK) Gesamtschweizerische Regierungsebene Zusammenarbeit Gesamtschweizerische Verwaltungsebene Regionale Regierungsebene Präsidentenkonferenz Ständiges Sekretariat der KdK Konferenz der Sekretäre der interkantonalen Konferenzen (KoSeKo) Staatsschreiberkonferenz Konferenz der Regierungen der Westschweiz (CGSO) Regionalkonferenz der Regierungen der Nordwestschweiz Ostschweizer Regierungskonferenz Ständiges Sekretariat der CGSO Ständiges Sekretariat der ZRK Regionale Verwaltungsebene Teil III Zentralschweizer Regierungskonferenz (ZRK) Zentralschweizer Staatsschreiberkonferenz Interkantonale Zusammenarbeit nach Ressort Perspektiven Gesamtschweizerische Regierungsebene Ständige schweizerische Direktorenkonferenzen in den Bereichen Bau, Bildung, Energie, Feuerwehrwesen, Finanzen, Forstwesen, Gesundheit, Justiz und Polizei, Landwirtschaft, Militär- und Zivilschutz, öffentlicher Verkehr, Soziales, Umweltschutz, Volkswirtschaft, Vormundschaft Regionale Regierungsebene Ständige regionale Direktorenkonferenzen unter anderem in den Ressorts Bau, Bildung, Finanzen, ­Gesundheit und Soziales, öffentlicher Verkehr, Sicherheit und Justiz, Umweltschutz, Volkswirtschaft Regionale Verwaltungsebene Regionale Amtsleiterkonferenzen zu den verschiedenen Ressorts Interkantonale Zusammenarbeit für den Sektor Gesundheit Gesamtschweizerische Regierungsebene Regionale Regierungsebene Schweizerische Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren (GDK) Ständiges Sekretariat der GDK Gesundheits- und Sozial­ Nordwestschweizer direktorenkonferenz der GesundheitsdirektorenWestschweiz und des konferenz Tessin (CRASS) Ständiges Sekretariat der CRASS Regionale Verwaltungsebene Gruppe der Leiter der kantonalen Gesundheitsämter Gesundheitsdirektoren­ konferenz der Ostschweizer Kantone und des Fürstentums Liechtenstein Zentralschweizer Gesundheits- und Sozial­ direktorenkonferenz (ZGSDK) Ständiges Sekretariat der ZGSDK Konferenz der Sekretäre Zentralschweizer der GDK-Ost Fachgruppe Gesundheit Stand Dezember 2005 Konferenz der Kantonsregierungen (KdK): siehe Porträt in diesem Kapitel Präsidentenkonferenz: Die Präsidentenkonferenz verfolgt auf politischer Ebene das Ziel, die Koordination unter den Direktorenkonferenzen sowie im Verhältnis zur KdK sicherzustellen. Die Konferenz wird durch die Präsidentinnen und Präsidenten sowie den Sekretärinnen und Sekretären zahlreicher interkantonaler Konferenzen gebildet: Konferenz der Kantonsregierungen (KdK); Schweizerische Bau-, Planungs- und Umweltdirektoren-Konferenz (BPUK); Konferenz Kantonaler Energiedirektoren (EnDK); Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK); Konferenz der kantonalen Finanzdirektoren (FDK); Konferenz der kantonalen Forstdirektoren (FoDK); Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren (KKJPD); Konferenz der kantonalen Direktoren des öffentlichen Verkehrs (KöV); Konferenz kantonaler Landwirtschaftsdirektoren (LDK); Schweizerische Konferenz der kantonalen Militär- und Zivilschutzdirektorinnen und -direktoren (MZDK); Schweizerische Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren (GDK); Konferenz der kantonalen Sozialdirektoren (SODK); Konferenz kantonaler Volkswirtschaftsdirektoren (VDK); Konferenz der kantonalen Vormundschaftsbehörden (VBK); Regierungskonferenz für die Koordination des Feuerwehrwesens (RKKF); Staatsschreiberkonferenz Die Konferenz der Sekretäre der interkantonalen Konferenzen (KoSeKo) koordiniert: die Bearbeitung bereichsübergreifender innenpolitischer Vorlagen zwischen der KdK und den Direktorenkonferenzen, die Aktivitäten der KdK und der Direktorenkonferenzen bei aussenpolitischen Vorlagen, die Aktivitäten 78 Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5 Regionale Gesundheitsdirektoren­Konferenzen: Vier Porträts Zukunft dürfte zudem die Umsetzung der Neuregelung des Vier regionale Gremien auf Fachministerebene (so ge- nalen Gesundheitsdirektorenkonferenzen stehen. Neben nannte Direktorenkonferenzen) nehmen heute die Zusam- diesen gemeinsamen Themen gestalten und leben die vier menarbeit im Sektor Gesundheit in der Schweiz wahr: Regionen ihre Zusammenarbeit unterschiedlich. Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA) auf der Traktandenliste der regio- die Ostschweizer Gesundheitsdirektorenkonferenz mit dem Fürstentum Liechtenstein, gegründet 1974 ■ die Gesundheits- und Sozialdirektorenkonferenzen der Westschweiz (CRASS) inklusive des Kantons Tessin, ■ Tabelle 12: Themen der regionalen Gesundheitsdirektoren­ konferenzen (Auswahl)38 Vorbereitung interkantonaler Vereinbarungen, Aufsicht über ­abgeschlossene Vereinbarungen und Revisionen abgeschlossener Vereinbarungen gegründet 1981 Diskussionen über zukünftige interkantonale Vereinbarungen (z. B. Koordination der Spitzenmedizin) die Nordwestschweizer Gesundheitsdirektorenkonfe- Beschluss über die Lancierung neuer Projekte renz, gegründet ca. Mitte der 1980er-Jahre KVG-Revision rischen Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirekto- Anpassung bestehender kantonaler Gesetze an neue Bundesgesetze (z. B. Prämienverbilligungen gemäss KVG; Neuregelung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen, NFA) rinnen und -direktoren (GDK). Die GDK wohnt als Gast Zugang zu und Finanzierung der ausserkantonalen Hospitalisation den Konferenzen auf Verwaltungsstufe bei und erhält die Qualitätssicherung in den sozialmedizinischen Institutionen Protokolle der Sitzungen der Direktorenkonferenzen. Nur Zugang zu und Finanzierung der Aus- und Weiterbildung in den Gesundheitsberufen In der Systematik der interkantonalen Zusammenarbeit sind die vier Regionalkonferenzen Teil der Schweize- zur Nordwestschweizer Konferenz bestehen keine solchen Verbindungen, vielleicht unter anderem deshalb, weil sie Regionale Fachhochschulen als einzige der Regionalkonferenzen keine strukturierte Rettungswesen Zusammenarbeit auf Verwaltungsstufe kennt. Umsetzung regionaler Gesundheitsschutzmassnahmen (Veterinärdienst, Heilmittelkontrolle) Zahlreiche Handlungsbereiche regionaler ­Zusammenarbeit Alle regionalen Gesundheitsdirektorenkonferenzen bearbeiten die kurative Versorgung und die nicht-universitäre Aus- und Weiterbildung als thematische Schwerpunkte. In Zusammenarbeit die Gesundheits- und Sozialdirektorenkonferenz der Zentralschweiz (ZGSDK), gegründet 1974 ■ Teil II Teil III Perspektiven ■ Referenzrahmen Teil I 38 Diese Themenliste stützt sich auf einen Vergleich der im Rahmen der regionalen Gesundheitsdirektorenkonferenzen realisierten Projekte und auf einige Traktandenlisten der regionalen Gesundheitsdirektorenkonferenzen. Die Protokolle dieser Konferenzen sind in der Regel nicht zugänglich. der KdK und der Direktorenkonferenzen gegenüber dem Bund und unterstützt die Pflege der Beziehungen der KdK und der Direktorenkonferenzen zu den Mitgliedern des eidgenössischen Parlaments, insbesondere des Ständerats; pflegt den Gedankenaustausch zwischen den Mitgliedern, insbesondere zur vorausschauenden Vorwegnahme möglicher Doppelspurigkeiten und zur zukünftigen Entwicklung in der interkantonalen Zusammenarbeit. Die Staatsschreiberkonferenz ist eine Art Stabsstelle von Regierung und Parlament. Sie setzt sich aus den Leitern der Kanzleien von Bund, Kantonen und dem Fürstentum Liechtenstein zusammen. Die Konferenz erbringt Leistungen in den Bereichen Führungsunterstützung, Planung, Reformen und Kommunikation. Sie entwickelt Richtlinien in Protokollfragen, bei der Rechtssetzung oder der Dokumentation. Auf kantonaler Ebene bereiten die Staatsschreiber die Sitzungen der kantonalen Regierungen vor und nach, erarbeiten politische Planungen und liefern Entscheidungsgrundlagen aus übergeordneter Sicht. Zentralschweizer Regierungskonferenz: siehe Porträt in diesem Kapitel Schweizerische Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren: siehe Porträt in diesem Kapitel. Regionale Gesundheitsdirektorenkonferenzen: siehe Porträt in diesem Kapitel. Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5 79 Referenzrahmen Teil I Teil II Unterschiedliche juristische und organisatorische Strukturen tonalen Beauftragten für Gesundheitsförderung (VBGF). Was die Rechtsform der organisatorischen Zusammen- hingegen keine ständige Arbeitsgruppen zu Prävention arbeit anbelangt, präsentiert sich das Bild uneinheitlich. und Gesundheitsförderung und es bestehen bisher kaum Während die Konferenz der Kantonsregierungen auf ei- strukturelle oder projektbezogene Verbindungen zur ner Verwaltungsvereinbarung aller Kantonsregierungen VBGF/ARPS.39 Die Regionalkonferenzen der Deutschschweiz haben Zusammenarbeit basiert, besteht die Schweizerische Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren ohne Im Folgenden werden die vier regionalen Direktorenkon- formelle Rechtsgrundlage. Statuten regeln hier den Ge- ferenzen, die im Sektor Gesundheit tätig sind, in der Rei- schäftsverkehr. henfolge ihrer Gründung porträtiert: Was die organisatorischen Strukturen anbelangt, lassen sich zwischen den verschiedenen Regionalkonferenzen erhebliche Unterschiede feststellen. So verfügen die CRASS und die Zentralschweizer Gesundheits- und So- Teil III zialdirektorenkonferenzen über eigenständige Sekretariate, während die Geschäfte der Nordwestschweizer und Ostschweizer Gesundheitsdirektorenkonferenzen jeweils von demjenigen Kanton wahrgenommen werden, der die Perspektiven Konferenz aktuell präsidiert. Die CRASS und die Direktorenkonferenz der Zentralschweiz (ZGSDK) sind mit ihren Gremien auf Regierungs- und Verwaltungsstufe zudem besonders feingliedrig strukturiert. Dies hängt nicht zuletzt damit zusammen, dass die CRASS wie auch die ZGSDK neben dem Sektor Gesundheit auch den Sektor Soziales bearbeitet. Die Konferenzen der Nordwestschweiz und Ostschweiz sind hingegen ausschliesslich auf den Sektor Gesundheit ausgerichtet. Zwischen der Zentralschweizer Gesundheits- und Sozialdirektorenkonferenz (ZGSDK) und der Zentralschweizer Regierungskonferenz gibt es regelmässige Beziehungen. Solche Verknüpfungen sind in den anderen regionalen Direktorenkonferenzen zur Zeit am Entstehen. Unterschiedliche Politikgestaltung Auffallend sind die Unterschiede in der Politikgestaltung zwischen der lateinischen Schweiz und den übrigen drei Regionen. Im Rahmen der Aktivitäten der CRASS sind starke Bestrebungen im Gange, mit Blick auf das Gesundheitsversorgungssystem die staatlichen Umsetzungsmassnahmen zu vereinheitlichen, die Gesundheitsgesetzgebung der Westschweizer Kantone zu harmonisieren, neue Modelle der Gesundheitsversorgung zu analysieren sowie die Gesundheitsförderung und Prävention mit einer eigenen ständigen Arbeitsgruppe (DiPPS) konsequent in die Planung und die Aktivitäten der CRASS einzubeziehen. Die DiPPS unterhält zudem als Regionalgruppe Verbindungen zur gesamtschweizerischen Vereinigung der kan80 39 Ein erstes interkantonales Projekt ist geplant. Die Kantone AG, SG, ZG, ZH beabsichtigen, gemeinsam mit der VBGF ein Projekt zur betrieblichen Gesundheitsförderung zu lancieren (Projekt INKA). Eine Anfrage an die zuständigen kantonalen Regierungsräte um politische und finanzielle Unterstützung ist hängig. Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5 Referenzrahmen Teil I Porträt 1 Zentralschweizer Gesundheits- und Sozialdirektorenkonferenz (ZGSDK) 1974 Mitglieder Kantone Luzern, Nidwalden, Obwalden, Schwyz, Uri, Zug Präsident Regierungsrat Dr. Leo Odermatt, Vorsteher Gesundheits- und Sozialdirektion, Kanton Nidwalden Teil II Zusammenarbeit Gründungsdatum Struktur und Organisation Regierungsebene Zentralschweizer Gesundheits- und Sozialdirektorenkonferenz (ZGSDK) Mitglieder: Die zuständigen Regierungsräte der Ressorts Gesundheit und Soziales Verwaltungsebene Ständiges Konferenzsekretariat (1 Stelle) Fachebene Zentralschweizer Fachgruppe Gesundheit (ZFG Mitglieder: Die zuständigen Amtsvorsteher der sechs Kantone Projekte ZFG Zentralschweizer Fachgruppe Soziales (ZFS) Mitglieder: Die zuständigen Amtsvorsteher der sechs Kantone Teil III (Auswahl) Perspektiven – Erstellen von Grundlagendaten und Bedarfsplanung mit Rahmenkonzept für die interkantonale Zusammenarbeit im Heim- und Betreuungswesen in der Zentralschweiz (2005) – Zentralschweizer Interessengemeinschaft Gesundheitsberufe (ZIGG): 2003 haben sich die Spitäler/Kliniken, die Alters- und Pflegeheime und die Spitexorganisationen der Zentralschweizer Kantone Luzern, Nidwalden, Obwalden, Schwyz, Uri und Zug zum grössten Arbeitgeberverband der Zentralschweiz zusammengeschlossen mit dem Ziel, bei wichtigen Entscheiden betreffend die Berufsbilder im Gesundheits- und Sozialwesen mitwirken zu können und eine praxisorientierte Ausbildung bei den Pflegeberufen sicher zu stellen. – Einrichtung eines regionalen Veterinärdienstes Urschweiz (2003) – Spitalabkommen zwischen dem Kanton Luzern und (je) den Kantonen Uri, Schwyz, Obwalden, Nidwalden und Zug betreffend die Kostenregelung für Zentrumsleistungen im Kantonsspital Luzern samt Kinderspital (2002). – Vereinbarung der Zentralschweizer Kantone über Ausbildungen für Berufe im Gesundheitswesen (1998) Quelle: ZGSDK; Stand: Dezember 2005 1974 gegründet, ist ZGSDK (damals Zentralschweizer bedarf. Auch erhoffen sich die Verantwortlichen dadurch Gesundheitsdirektorenkonferenz ZGDK) im Bereich Ge- einen Gewinn an Professionalisierung bei der fachlichen sundheit die älteste Regionalkonferenz dieser Art in der Ausgestaltung sozialpolitischer Lösungen. Als operative Schweiz. Organe hat die ZGSDK zwei Fachgruppen eingesetzt: Die Zentralschweizer Fachgruppe Gesundheit (ZFG) und die Koordination der Sozial und Gesundheitsbereiche Zentralschweizer Fachgruppe Soziales (ZFS). Zudem tritt 2003 kam es zur Ausdehnung des Aufgabenspektrums auf die ZGSDK als Trägerin der Fachtagungen Sozialraum sozialpolitische Themen und damit zur Gründung der Zen- Zentralschweiz auf.40 Eine Besonderheit ist die organisa- tralschweizer Gesundheits- und Sozialdirektorenkonfe- torische Einbindung der ZGSDK in die Zentralschweizer renz (ZGSDK). Angesichts des Fehlens einer eigentlichen Regierungskonferenz ZRK.41 Zentralschweizer Sozialdirektorenkonferenz drängte sich die Reorganisation auf, weil der Bereich Soziales aus Sicht der Verantwortlichen wegen der Kleinräumigkeit der Region, aber auch wegen der Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen, zunehmend der interkantonalen Koordination 40 Das Thema der 3. Regionalen Fachtagung, die Ende 2004 stattgefunden hatte, lautete: Eine soziale Wirtschaft und ein wirtschaftliches Sozialwesen: Widerspruch oder Modell zur Zusammenarbeit? 41 Mit dem «Basisdokument über die Direktorenkonferenzen in der Zentralschweiz» vom 23. Mai 2003 regeln die Zentralschweizer Kantone die Stellung der Direktorenkonferenzen innerhalb der Systematik der Zusammenarbeit in der Zentralschweiz. Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5 81 Referenzrahmen Teil I Zusammenarbeit Teil II Erfolge Es gibt weitere Projekte der regionalen Zusammenarbeit Die Zusammenarbeit in der Zentralschweizer Fachgrup- auf dem Gebiet der Gesundheit, die jedoch nicht in erster pe Gesundheit ist vollzugsorientiert. Erfolgreich realisiert Linie die ZGSDK, sondern die Zentralschweizer Bildungs- wurden innerhalb der vier Urkantone NW, OW, UR, SZ un- konferenz betreffen. In diesem Rahmen wurden erfolgreich ter anderem folgende Projekte: die Einrichtung eines re- das regionale Pilotprojekt «Berufslehre Fachangestellte/r gionalen Veterinärdienstes Urschweiz (2003) und dessen Gesundheit (seit 2001) durch das Kompetenzzentrum Ge- Integration in das Laboratorium der Urkantone; die Un- sundheit Zentralschweiz sowie das Projekt «Gemeinsame terzeichnung des seit Jahren bestehenden Zentralschwei- Höhere Fachschule für Gesundheitsberufe für die Zentral- zer Spitalabkommens, das bilateral zwischen Luzern und schweiz» (2004) lanciert. den jeweiligen Kantonen der Zentralschweiz zwecks Regelung der Kosten für Zentrumsleistungen im Kantonsspital Luzern samt Kinderspital 2002 neu ausgehandelt wurde. Teil III Wenig Spielraum bei der politischen Gestaltung Angesichts der zum Teil äusserst knappen Ressourcen in den Kantonen der Zentralschweiz sind Projekte mit gestaltender oder planerischer Dimension eher selten mög- Perspektiven lich. Manchmal behindern zudem kantonale Eigeninteressen eine engere Zusammenarbeit in der Spitalplanung oder in der Gesundheitsförderung. Daran kann auch der hohe Strukturierungsgrad der Zentralschweizer Zusammenarbeit nichts ändern. 2003 wurde zum Beispiel die Einrichtung einer Zentralschweizer Fachstelle Gesundheitsförderung definitiv von den Mitgliedern der Zentralschweizer Fachgruppe Gesundheit abgelehnt. Auch von der ursprünglichen Idee, das Regionale Kinderspital Luzern unter eine gemeinsame Trägerschaft aller sechs Zentralschweizer Kantone zu stellen, sind die Kantone inzwischen abgerückt, dies – wie die Mehrheit der Kantone argumentierte - unter anderem aufgrund der im Verhältnis zu den übrigen Zentralschweizer Kantonen überproportio­ nalen Beanspruchung des Kinderspitals durch Kinder aus dem Kanton Luzern (ca. 70 %). Neue Herausforderungen Die ZGSDK prüft trotzdem periodisch mögliche Auswertungen der regionalen Spitalplanung. Schwerpunktmässig hat sie sich 2004 für die vertiefte Prüfung folgender Themen entschieden (siehe hierzu auch das Porträt der Zentralschweizer Regierungskonferenz in diesem Kapitel): ■ Entwicklung des bestehenden Spitalabkommens (Zentrumsversorgung): Neue Formen der Datenerfassung, der Datenanalyse, der Leistungsabgeltung ■ Koordination betreffend die Zentralschweizer Spitalversorgung (nachgelagert) 82 Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5 Referenzrahmen Teil I Porträt 2 Gesundheitsdirektorenkonferenz der Ostschweizer Kantone und des Fürstentums Liechtenstein (GDK-Ost) 1974 Mitglieder: Kantone Appenzell-Innerrhoden, Appenzell Ausserrhoden, Glarus, Graubünden, St. Gallen, Schaffhausen, Thurgau, Zürich und das Fürstentum Liechtenstein Präsident: Regierungsrat Robert Marti, Vorsteher Sanitäts- und Fürsorgedirektion des Kantons Glarus (2005/06) Teil II Zusammenarbeit Gründungsdatum: Struktur und Organisation Regierungsebene Konferenz der Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren der GDK-Ost Fachebene Konsultativ- und Fachgremium Konferenz der Sekretäre der GDK-Ost Projekte der GDK-Ost Ständige Arbeitsgruppen Arbeitsgruppe Berufsbildung der GDK-Ost Arbeitsgruppe Tarife der GDK-Ost Teil III (Auswahl) In Vorbereitung Perspektiven – Vereinbarung über die Zusammenarbeit und Finanzierung der Ausbildung für Berufe des Gesundheitswesens und Festsetzung des Kantonsbeitrags (1996) – Internationaler Preisvergleich für Medikamente und Medizinprodukte (ab 2002) – Leistungsbezogenes Finanzierungssystem der Suchttherapie für die Region Ostschweiz (2004) – Interkantonale KVG-konforme, leistungsorientierte Bedarfsplanung im Bereich der medizinischen ­Rehabilitation Quelle: GDK-Ost; Stand: Dezember 2004 Die Gesundheitsdirektorenkonferenz der Ostschweizer Ostschweizerische Krankenhausvereinbarung Kantone und des Fürstentums Liechtenstein (GDK-Ost) Die GDK-Ost widmet sich unter anderem der Koordina- wurde 1974 gegründet. Sie ist für rund 30 % der Bevölke- tion und der Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Spi- rung der Schweiz zuständig (ohne Liechtenstein). talversorgung. In diesem Zusammenhang erarbeitete sie Die GDK-Ost vertritt in gesundheitspolitischen Belangen die Ostschweizerische Krankenhausvereinbarung vom Kantone, die sich nicht zuletzt wegen ihres bevölkerungs- 20. November 1995. Der Kanton Zug ist in diesem Bereich mässigen, wirtschaftlichen und finanziellen Potentials als ebenfalls Vertragspartner. Gemäss Zweckartikel strebt die eigenständige Kantone verstehen und die im Rahmen der Vereinbarung folgende Ziele an: GDK-Ost für gewisse Bereiche auch eigene Lösungen suchen. So kritisierte die GDK-Ost 2003 beim so genannten ■ Sicherstellung einer angemessenen, zwischen den Kan- FiSu-Modell des Bundes (leistungsbezogenes Finanzie- tonen koordinierten, medizinisch-pflegerische Betreu- rungssystem der Suchttherapie), politisch zu wenig in ung von Patientinnen und Patienten unter wirtschaft- den Prozess der Modellentwicklung einbezogen worden lichem Einsatz der Mittel zu sein. In der Folge hat eine von der SODK-Ost und der ■ Koordination der Spitallisten gemäss Artikel 39 KVG GDK-Ost eingesetzte Arbeitsgruppe ein alternatives Fi- ■ Regelung der Kostenabgeltung durch die Wohn- oder nanzierungsmodell für die Region Ostschweiz erarbeitet, Aufenthaltskantone für medizinisch bedingte ausser- das seit 2004 umgesetzt wird. kantonal erbrachte Hospitalisationen Der Kanton Zürich nimmt innerhalb der Region eine Zen- ■ trumsfunktion wahr, sowohl was die medizinische stationäre Versorgung anbelangt, als auch in gesundheitspolitischer Hinsicht. Förderung der Zusammenarbeit und sinnvolle Aufgabenteilung zwischen den Kantonen ■ Harmonisierung der Berechnung der ausserkantonalen Tarife: Mittels Tarifmodellen bestimmen die beteiligten Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5 83 Referenzrahmen Teil I Kantone die Kostenberechnungsmethode und vereinbaren untereinander die Tarife für die Behandlung ihrer ausserkantonalen Patienten Teil II Am 23. Februar 1996 wurde eine Vereinbarung über die Zusammenarbeit und Finanzierung der Ausbildung für Zusammenarbeit Berufe des Gesundheitswesens abgeschlossen. Diese Vereinbarung wird mit der neuen Finanzierungsbasis der künftigen Bildungssystematik ihre Berechtigung verlieren und daher aufgelöst. Interkantonale Bedarfsplanung im Bereich der medizinischen Rehabilitation Ausserdem haben die Kantone der GDK-Ost im Jahr 2002 Teil III beschlossen, gemeinsam eine interkantonale KVG-konforme, leistungsorientierte Bedarfsplanung im Bereich der medizinischen Rehabilitation durchzuführen. Bei dieser Bedarfsplanung GDK-Ost handelt es sich um ein in Perspektiven diesem Umfang bisher in der Schweiz noch nicht durchgeführtes Projekt der überkantonalen Versorgungsplanung. Gestützt auf eine umfassende Datenerhebung zum Ist-Zustand sollen prospektiv die Über- und Unterkapazität definiert und die weitere Planung über die Kantonsgrenzen hinaus festgelegt werden.42 Abschliessend sei an dieser Stelle erwähnt, dass das an der GDK-Ost-Sitzung vom März 2005 im Rahmen eines Informationsaustauschs diskutierte Thema «Kantonsspezifische Situationen der hausärztlichen Grundversorgung» im November 2006 auch Thema der Arbeitstagung der Nationalen Gesundheitspolitik Schweiz sein wird. 42 Siehe hierzu auch den Abschnitt «Themenzentrierte Zusammenarbeit zwischen Kantonen» in diesem Kapitel. 84 Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5 Referenzrahmen Teil I Porträt 3 Gesundheits- und Sozialdirektorenkonferenz der Westschweiz und des Tessins (CRASS) 1981 Mitglieder Kantone Bern, Freiburg, Genf, Jura, Neuenburg, Tessin, Waadt, Wallis Präsident M. le Ministre Claude Hêche, Chef du Département de la santé, des affaires sociales et de la police, Jura Teil II Zusammenarbeit Gründungsdatum Struktur und Organisation Gesundheits- und Sozialdirektorenkonferenz der Westschweiz und des Tessins (CRASS) Mitglieder: die zuständigen Regierungsräte der Ressorts Gesundheit und Soziales Verwaltungsebene Ständiges Sekretariat der CRASS Fachebene GRSP Gruppe der Vorsteher der kantonalen Gesundheitsämter (Groupement romand des services de santé publique) GRAS Gruppe der Vorsteher der kantonalen Sozialämter (Groupement romand des affaires sociales) GLAS Gruppe der Vorsteher der kanto­ nalen Sozialversicherungen (Groupement latin des assurances sociales) Ständige Arbeitsgruppen der GRSP Convention Hospitalisation – HOSPEXT – PLAISIR – Qualité – Professions de la santé – Urgences préhospitalières – DiPPS – Promotion des professions de la santé – Convention formation – Validation de la formation des directeurs d’EMS Ständige Arbeitsgruppe der GRAS Alternative FiDé (Système de financement des prestations pour les thérapies des dépendances) Ständige Arbeitsgruppen der GLAS Accords bilatéraux – Dispenses d’assurance-maladie – Contentieux dans l’assurance-maladie – Accords bilatéraux – Dispenses d’assurance-maladie – Contentieux dans l’assurance-maladie Projekte der CRASS Teil III Perspektiven Regierungsebene (Auswahl) Abgeschlossene Projekte – Interkantonale Vereinbarung über die Errichtung der Fachhochschule Westschweiz für Gesundheit und Soziale Arbeit (FH-GS, 2001) – Interkantonale Vereinbarung über ausserkantonale Spitalaufenthalte zwischen den Kantonen Freiburg, Genf, Jura, Neuenburg, Tessin, Wallis, Waadt (2001) – CertEMS: Zertifikat betreffend die Sicherstellung der Qualität in Alters- und Pflegeheimen – Projekt Gesundheitsverträglichkeitsprüfungen Projekte 2005 – Patientenrechte: Hier geht es um eine gemeinsame Information der Kantone an die Bevölkerung in Form einer Broschüre. – Balance of Care: FR/TI/VD/VS/NE/JU: Analyse der Bedürfnisse der älteren Bevölkerung betreffend die Gesundheitsversorgung gemäss dem Modell Balance of Care – Gesetz über die Gleichstellung von Personen mit einer Behinderung Berichte – Die Krankenkassenprämien als Teil des Haushaltsbudgets nach Abzug der Subventionen: ein Vergleich unter den CRASS-Kantonen – Part des primes LAMal dans le budget des ménages après subventions: comparaison des cantons CRASS (GLAS, 2000) – Interkantonaler Vergleich über die finanzielle Situation der Krankenpflegenden in den Kantonen der CRASS – Comparaison intercantonale de la situation financière des infirmières au sein des cantons de la CRASS (GRSP, 2001) – Bericht über die Einrichtung einer Einheitskrankenkasse – Rapport sur la création d’une caisse unique en matière d’assurance-maladie (CRASS/GLAS, 2003) – Psychisch bedingte Invalidität: erste Überlegungen und rechtliche Reformen – Invalidité psychique: réflexions en cours et réformes législatives (GRAS, 2004) Quelle: Sekretariat CRASS; Stand: Dezember 2004 Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5 85 Referenzrahmen Teil I Die Gesundheits- und Sozialdirektorenkonferenz der lateinischen Schweiz (Conférence romande des affaires sanitaires et sociales, CRASS) wurde 1981 gegründet. Sie Teil II weist eine besonders fein strukturierte Untergliederung auf. Zahlreiche Projekte der Gesundheitsförderung und Prä- Zusammenarbeit vention, der Gesundheitsversorgung sowie der Aus- und Weiterbildung sind aus diesem Kreis der strukturierten Zusammenarbeit heraus entwickelt worden. Zudem funktioniert die CRASS als Think-Tank für gesundheitspolitische Visionen sowie für gemeinsame Konzepte und Programme. Die Identität der lateinischen Schweiz ist ausgeprägt und geht so weit, dass im Parlament des Kantons Freiburg der Ruf nach einer «Romandie-Kompatibili- Teil III tät» («romandocompatibilité») für kantonale Projekt laut wurde. Perspektiven Fachstelle für Prävention und Gesundheits­ förderung (DiPPS) der Kantone der Westschweiz und des Kantons Tessin Im Bereich der Gesundheitsförderung und Prävention verfügt die CRASS mit der ständigen Arbeitsgruppe «Dispositif intercantonal de prévention et de promotion de la santé» (DiPPS) über eine Gruppe von Fachleuten mit einem eigenen Sekretariat und interkantonalem Budget. Die DiPPS nimmt zudem eine Brückenfunktion zwischen der CRASS und der Vereinigung der kantonalen Beauftragten für Gesundheitsförderung in der Schweiz (VBGF/ARPS)43 ein, wo sie die lateinische Schweiz vertritt. Weitere Westschweizer Fachgruppen im Handlungsfeld Gesundheit ■ Konferenz der Westschweizer Kantone und des Tessins über Gesundheitsberufe (Conférence romande et tessinoise des professions de la santé, CRTPS) ■ Westschweizer Studiengruppe über Alkohol- und Drogenabhängigkeiten (Groupement Romand d’Etudes sur l’Alcoolisme et les Toxicomanie, GREAT) 43 Nähere Informationen zum VBGF unter 5.5: «Themenzentrierte Zusammenarbeit der Kantone». 86 Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5 Referenzrahmen Teil I Porträt 4 Nordwestschweizer Sanitätsdirektorenkonferenz (GDK-NWCH) ca. Mitte der 1980er Jahre Mitglieder Kantone Aargau, Bern, Basel-Landschaft, Basel-Stadt, Luzern und Solothurn Präsident Regierungsrat Rolf Ritschard, Vorsteher des Departement des Innern des Kantons Solothurn, ab 2005: Regierungsrat Ernst Hasler, Vorsteher des Departements für Gesundheit und Soziales des Kantons Aargau Teil II Zusammenarbeit Gründungsdatum Struktur und Organisation Regierungsebene Nordwestschweizer Sanitätsdirektorenkonferenz Fachebene Ständige Arbeitsgruppe Arbeitsgruppe Berufsbildung Projekte der GDK-NWCH Teil III (Auswahl) – Regionales Heilmittelinspektorat (RHI, 2004) – Regionales Schulabkommen im Gesundheitswesen (2001) Die Nordwestschweizer Gesundheitsdirektorenkonferenz einer regionalen Koordination gegenüber dem Alleingang (GDK-NWCH) wurde Mitte der 1980er-Jahre gegründet. offensichtlich ist. Perspektiven Quelle: Nordwestschweizer Sanitätsdirektorenkonferenz, Stand: Dezember 2004 Der Kanton Bern nimmt als Mitglied sowohl der CRASS als auch der Nordwestschweizer Gesundheitsdirektorenkon- Die Projekte der GDK-NWCH ferenz eine Brückenfunktion zwischen der lateinischen ■ Schweiz und der Deutschschweiz ein. Der Kanton Luzern sam geführte Regionale Heilmittelinspektorat (RHI) sucht neben dem Anschluss an die Zentralschweiz auch denjenigen an die Nordwestschweiz. Das von den Kantonen der Nordwestschweiz gemeinlöste 2004 die Regionale Fachstelle RFS ab. ■ Dank dem Regionalen Schulabkommen im Gesund- Die GDK-NWCH ist ein Gremium unter anderen, das den heitswesen, dem auch der Kanton Zug beigetreten ist, Kantonen dieser Region als Plattform für den gesund- besteht seit 2001 volle Freizügigkeit zwischen allen heitspolitischen Austausch und die Zusammenarbeit zur Kantonen der GDK-NWCH. Verfügung steht. Eine weitere ausgeprägte Form der Zusammenarbeit stellen die bilateralen Kontakte dar, insbesondere diejenigen zwischen Basel-Landschaft und Basel-Stadt mit zahlreichen Verträgen und Vereinbarungen (siehe hierzu Band 2: Gesundheitspolitik des Kantons Basel-Landschaft). Die Strukturen und Aktivitäten der Nordwestschweizer Gesundheitsdirektorenkonferenz beschränken sich daher auf das Wesentliche. Die GDKNWCH hat kein eigenes Sekretariat, Untergliederungen in Form von ständigen Arbeitsgruppen wie sie die CRASS, die ZGDK und die GDK-Ost kennen, gibt es in der Nordwestschweizer Gesundheitsdirektorenkonferenz kaum. Gemeinsame Projekte werden nur dann im Rahmen der GDK-NWCH lanciert und umgesetzt, wenn sie einem klaren Bedürfnis der Kantone entsprechen und der Mehrwert Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5 87 Referenzrahmen Teil I Regionale Zusammenarbeit der kantonalen ­Gesamtregierungen Zusammenarbeit Teil II 2. Seit 1966: Zentralschweizer Regierungskonferenz (ZRK); Mitglieder: Die Kantone LU, NW, OW, UR, SZ, ZG 3. Seit 1972: Regionalkonferenz der Regierungen der Seit den 1960er-Jahren treffen sich alle Mitglieder der Kan- Nordwestschweiz (NWRK); Mitglieder: Die Kantone tonsregierungen regelmässig im Rahmen regionaler Regie- AG, BE, BL, BS, JU, SO rungskonferenzen. Auch wenn ihr Bezug zur Gesundheit 4. Seit 1993: Konferenz der Regierungen der Westschweiz schwach ist, sollen sie an dieser Stelle dennoch erwähnt (La Conférence des Gouvernements de Suisse occiden- werden. Diese regional organisierte «multisektorale» Zu- tale CGSO); Mitglieder: Die Kantone BE, FR, GE, JU, sammenarbeit zwischen den Kantonsregierungen entwi- NE, VD ckelte sich zeitgleich mit den regionalen Gesundheitsdirek- 5. Regierungskonferenz der Gebirgskantone (RKGK); torenkonferenzen. In der Systematik der Zusammenarbeit Mitglieder: Die Kantone GL, GR, NW, OW, TI, UR, VS besteht auf nationaler Ebene die 1993 gegründete Konferenz der Kantonsregierungen (siehe hierzu Kapitel 5.5). Der Kanton Zürich gehörte lange keiner der Konferenzen an. Anlass für eine Änderung dieser Situation war eine An- Perspektiven Teil III Instrumente und Prozesse zu Gunsten einer ­nationalen Gesundheitspolitik frage der Ostschweizer Regierungskonferenz 1998. Um, Im Hinblick auf die Entwicklung einer nationalen Gesund- de Stellung des Kantons Zürich zu vermeiden» und doch heitspolitik können diese Regierungskonferenzen wichtige dem Wunsch Zürichs nach Öffnung Rechnung zu tragen, Funktionen erfüllen, sei es mit der Definition gemeinsamer ist dieser Kanton heute assoziiertes Mitglied (mit Antrags- Interessen oder einer gemeinsamen, multisektoral ausge- recht, aber ohne Stimmrecht) der drei benachbarten regi- richteten politischen Agenda. Insbesondere die Zentral- onalen Regierungskonferenzen der Nordwestschweiz, der schweizer Regierungskonferenz hat auf der technischen Ostschweiz und der Zentralschweiz. wie der Kanton Zürich damals schrieb, «eine dominieren- Ebene Instrumente und Prozesse im Bereich Dokumenta- 88 tion, Wissensmanagement und Schnittstellenmanagement Lose Organisationsformen erarbeitet, um die Identifizierung gemeinsamer Interessen Im Gegensatz zu den regionalen Gesundheitsdirektoren- sowie die Priorisierung und Durchführung von Projekten konferenzen sind die regionalen Regierungskonferenzen durch Verfahren zu regeln. Es würde sich lohnen, deren in der Regel lose strukturierte Gebilde ohne eigenes Bud- Verwendung im Kontext einer nationalen Gesundheitspo- get und ohne ständiges Sekretariat. Eine Ausnahme bildet litik zu prüfen. Zudem gilt es auf das bisher unbenutzte die Zentralschweizer Regierungskonferenz (ZRK), deren Potential der Regierungskonferenzen hinzuweisen, das Strukturen und Prozesse weiter unter beschrieben wer- sich auf den multisektoralen und ganzheitlichen Gesund- den. Ab 2006 wird nach der ZRK auch die Westschwei- heitsbegriff bezieht. zer Regierungskonferenz ihre Zusammenarbeit mit einem Darüber hinaus könnten die sich im Aufbau befindenden Ständigen Sekretariat im Kanton Freiburg konsolidieren. regionalen Regierungskonferenzen und auf nationaler Über die Projekte und Prozesse der übrigen regionalen Re- Ebene die Konferenz der Kantonsregierungen (KdK) Ko- gierungskonferenzen ist nur wenig bekannt. Sie scheinen ordinationsaufgaben wahrnehmen und insbesondere das sich organisatorisch erst im Aufbau zu befinden. Mit Blick Zusammenspiel zwischen Regierungen und Fachdirekto- auf die Nordwestschweizer Regierungskonferenz haben renkonferenzen fördern. Realität ist, dass die kantonalen die Kantone Aargau, Bern, Basel-Landschaft, Basel-Stadt, Gesamtregierungen oft zu wenig über die Vorhaben ein- Jura und Solothurn zu Beginn des Jahres 2004 eine Ver- zelner Fachdirektorenkonferenzen orientiert sind, be- einbarung unterzeichnet, die die Bildung einer ständigen trachten letztere doch die Zusammenarbeit oft noch als Regionalkonferenz mit der Bezeichnung Nordwestschwei- ihre exklusive Domäne. zer Regierungskonferenz zum Ziel hat. Fünf regionale Regierungskonferenzen Ziele der Regionalkonferenzen Heute gibt es fünf regionale Regierungskonferenzen: Die bestehenden regionalen Regierungskonferenzen ver- 1. Seit 1964: Ostschweizer Regierungskonferenz (ORK); folgen vergleichbare Ziele. Exemplarisch werden nachfol- Mitglieder: Die Kantone AI, AR, GL, GR, SG, SH, TG gend die Ziele der Zentralschweizer Regierungskonferenz Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5 Referenzrahmen Teil I aufgelistet, die mit kleinen Abweichungen auch von der Westschweizer und von der Nordwestschweizer Regierungskonferenz geteilt werden: ■ Teil II Gemeinschaftliche Lösungen öffentlicher Aufgaben dort fördern, wo die Aufgaben die Kräfte eines einzelnen Kantons übersteigen oder ihre Lösung durch einen Zusammenarbeit einzelnen Kanton nicht zweckmässig ist (Abstimmung der raumwirksamen Entwicklung; Bildungsinstitutionen) ■ Koordination der Zusammenarbeit der einzelnen Verwaltungszweige ■ Förderung der Standortvorteile im nationalen und europäischen Umfeld ■ Verbesserung der Koordination mit privaten Organi- Teil III sationen und Einbindung der Aktivitäten kommunaler und privater Organisationen zum Nutzen des Konferenzgebietes ■ In Fragen, welche für das ganze Konferenzgebiet be- Perspektiven deutsam sind, gegenüber anderen Kantonen und gegenüber dem Bund eine gemeinsame Haltung der Kantonsregierungen herbeiführen und so zu einem Konsensfindungsprozess beitragen ■ Die Präsenz und den Einfluss der Region gegenüber dem Bund und unter den Regionen Europas verstärken. Das Handlungsfeld Gesundheit spielte bis jetzt keine beherrschende Rolle bei den multisektoralen Zusammentreffen auf Regierungsebene, auch nicht im Rahmen der Zentralschweizer Regierungskonferenz. Erst ein Projekt – die «Einrichtung eines regionalen Veterinärdienstes durch die Kantone Uri, Schwyz, Obwalden und Nidwalden» wurde in diesem Rahmen umgesetzt. Der regionale Veterinärdienst hat Anfang 2004 seinen Betrieb aufgenommen. Das Projekt «Zentralschweizer Kinderspital», das die ZRK auf Initiative des Kantons Luzern 2001 in Auftrag gegeben hatte, scheiterte hingegen. Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5 89 Referenzrahmen Teil I Porträt Zentralschweizer Regierungskonferenz (ZRK) > www.zrk.ch Zusammenarbeit Teil II Gründungsdatum 1966 Mitglieder Kantone Luzern, Nidwalden, Obwalden, Schwyz, Uri und Zug Präsident Regierungsrat Josef Arnold, UR (2004–2005); Nachfolger für 2006–2007: Regierungsrat Lorenz Bösch, Schwyz Grundlagen – Statut der Zentralschweizer Regierungskonferenz (1973) – Grundsätze der Zusammenarbeit in der Innerschweizer Regierungskonferenz (1994, geändert 2003) – Basisdokument über die Direktorenkonferenzen in der Zentralschweiz (2003) – Richtlinie zur Durchführung von Zusammenarbeitsprojekten in der Zentralschweiz (2003) – Vereinbarung betreffend ZRK-Beitritt des Kantons Zürich als assoziiertes Mitglied (2001) – Beschluss über die Führung der ZRK-Rechnung (2003) – Richtlinie für gemeinsame politische Vorstösse und Vernehmlassungen der ZRK (1995) Teil III Perspektiven Struktur und Organisation Regierungsebene 1 ZRK-Präsidium Ein Regierungsmitglied des Vorortkantons. Der Vorort wechselt alle zwei Jahre in der historischen Reihenfolge Luzern, Uri, Schwyz, Obwalden, ­Nidwalden und Zug. Verwaltungsebene Ständiges Sekretariat der ZRK (2 Stellen) Zusammenarbeitsprojekte der ZRK Ausschuss (geschäftsführendes Organ) Er besteht aus je einer Vertretung der Vollmitgliedkantone und wird vom ZRK-Präsidium geleitet. (Stand 2005) – INTERREG III – Zentralschweizer Beteiligung (2005) – Liste der laufenden Zusammenarbeitsprojekte der Zentralschweiz (2005) – NFA - Regionale Umsetzung (2005) – Zusammenarbeit in der Integration von Ausländerinnen und Ausländern (2005) – Geoinformation Zentralschweiz (2005) – BVG- und Stiftungsaufsicht (2004) – Zivilschutz (2004) – Regionale Organisation des Eichwesens (2004) – Verwaltungsweiterbildung Zentralschweiz (2004) – Massnahmenplan Luftreinhaltung Zentralschweiz (2004) – Gemeinsame Organisation der Opferhilfe (2004) – Interkantonale Polizeischule Hitzkirch (2004) – Regionaler Tierarztdienst (2004) – Gemeinsame Durchführung des Haager Adoptionsübereinkommens HAÜ (2003) – Verstärkung der Zusammenarbeit in der Zentralschweiz (2003) In Vorbereitung – Massnahmen gegen die häusliche Gewalt – Integrationspolitik: Einrichtung eines Dolmetschervermittlungsdienstes – Gemeinsame Übernahme von Aufträgen des Bundes im Bereich Nationalstrassen – Erstellen von Grundlagendaten und Bedarfsplanung mit Rahmenkonzept für die interkantonale Zusammenarbeit im Heim- und Betreuungswesen in der Zentralschweiz für die Bereiche Kinder und Jugend­ liche, behinderte Erwachsene, Suchtbereich sowie Straf- und Massnahmenvollzug von ­Jugendlichen Quelle: www.zrk.ch, Stand: Dezember 2005 90 Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5 ■ Konsensfindung: Anregungen an die Regierungen de 1966 gegründet. Sie ist nicht nur eine der ältesten, der Konferenzkantone zur gemeinsamen Lösung be- sondern auch die bisher best strukturierteste regionale stimmter Aufgaben Regierungskonferenz. Seit dem Jahr 2000 versuchen die ■ Teil II Entscheidungskompetenz: Die einzelnen Projekte wer- sechs Kantone der Zentralschweiz, ihre Zusammenarbeit den in einem intergouvernementalen Modus beschlos- im Rahmen der ZRK zu optimieren mit dem langfristigen sen und durchgeführt.45 Priorität haben Projekte mit Ziel, gemeinsame Perspektiven für ihre Region zu entwi- einem ausgewogenen Kosten-Nutzen-Verhältnis. Zusammenarbeit Die Zentralschweizer Regierungskonferenz (ZRK) wur- Referenzrahmen Teil I ckeln. Im Rahmen dieser Diskussionen wurde die Zentralschweizer Regierungskonferenz durch die Schaffung eines Mögliche Gesundheitsthemen in der ZRK eigenständigen Sekretariats im Jahr 2003 aufgewertet. Auf der Liste der Zusammenarbeitsprojekte der Zentral- 44 schweiz figuriert gegenwärtig kein Projekt, das dem Gesundheitsbereich zuzuordnen wäre. Es könnte sein, dass Im Rahmen der Intensivierung der Zusammenarbeit hat die Gesundheit in Zukunft öfters ein Thema sein wird, als die Zentralschweizer Regierungskonferenz interessante dies bisher der Fall war. So sind sechs von acht Themen, Instrumente unter anderem im Bereich der Dokumenta- die auf der Liste möglicher Zusammenarbeitsfelder der tion, des Wissensmanagements und des Schnittstellen- ZRK figurieren, dem Gesundheitsbereich zuzuordnen: managements erarbeitet. Die nachfolgend aufgeführten 1. Gesundheitsförderung gemäss KVG: von der Koordina- Instrumente und Prozesse stellen den Versuch dar, Inno- tion der Fördermassnahmen bis zur zentralen Führung vation und Priorisierung durch Verfahren zu regeln. der Gesundheitsförderung Teil III Perspektiven Koordinationsinstrumente der ZRK 2. Geschützte Wohn- und Arbeitsplätze für psychisch Be■ Dokumentation und Informationspolitik: Da der interkantonalen Zusammenarbeit nicht selten mangelnde 3. Umsetzung drogenpolitischer Massnahmen – von der Demokratie und Transparenz vorgeworfen wird, ging Koordination der kantonalen Massnahmen bis zur zen- die ZRK dazu über, im Internet alle ihre Geschäfte zu tralen Planung und Durchführung drogenpolitischer publizieren, eine Vertragssammlung bereit zu halten Massnahmen und über aktuelle Projekte zu informieren. So führt das ZRK-Sekretariat eine regelmässig aktualisierte Liste der Zusammenarbeitsprojekte in der Zentralschweiz sowie eine Liste möglicher Zusammenarbeitsfelder. ■ hinderte: gemeinsame Bedarfsplanung, Leistungskauf 4. Sanitätsdienst: Koordination der zivilen Mittel im Katastrophenfall 5. Zusammenarbeit im Bereich des Asylwesens: Koordination, eventuell Harmonisierung Schnittstellenmanagement: Um die Zusammenarbeit mit den Fachkonferenzen zu optimieren, hat die Zen- 6. Kooperation betreffend Frauenhaus – regionale Koordination des Leistungsbezuges tralschweizer Regierungskonferenz ein Basisdokument ■ ■ verabschiedet. Damit regeln die Innerschweizer Kan- Würdigung tone die Stellung der Direktorenkonferenzen innerhalb Ein wesentliches Ziel der Zentralschweizer Regierungs- der Systematik der Zusammenarbeit in der Zentral- zusammenarbeit ist die Stärkung der Autonomie der ein- schweiz. zelnen Kantone. Dieses auf den ersten Blick paradoxe Laufende Prüfung des Standes der interkantonalen Ziel hat dazu geführt, dass die regionale Regierungszu- Zusammenarbeit: Sämtliche Kantonsaufgaben werden sammenarbeit in der Zentralschweiz pragmatisch und auf ihre Eignung für gemeinsame Wahrnehmung unter- systematisch zugleich ist.46 So ist sie einerseits freiwillig, sucht. andererseits aber auch standardisiert, indem die ZRK bei- Wissenstransfer: Beobachtung gleicher oder ähnlicher spielsweise Richtlinien für die Durchführung von Zusam- Be­strebungen anderer Regionen der Eidgenossenschaft 44 Vgl. FREIBURGHAUS Dieter, ZEHNDER Vital: Horizontale Kooperation zwischen den Kantonen der Zentralschweiz. Working Paper de l’IDHEAP 4/2003. UER: Europe et politiques publiques. 2003. 45 Siehe FREIBURGHAUS und ZEHNDER (2003), Executive Summary. 46 Siehe hierzu auch: Josef ARNOLD: Wie kommt eine interkantonale Vereinbarung zustande? In: Bernhard WALDMANN (Hrsg.), 1. Nationale Föderalismuskonferenz: Der kooperative Föderalismus vor neuen Herausforderungen, Institut für Föderalismus, Freiburg Schweiz / Helbing & Lichtenhahn, 2005, S. 117–124. Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5 91 Referenzrahmen Teil I Teil II menarbeitsprojekten verabschiedet hat. Nach Möglichkeit Bern, Freiburg, Solothurn und Wallis. Unter den Mitglie- beteiligen sich alle sechs Kantone der Zentralschweiz an dern des Netzwerks ist aus dem Sektor Gesundheit das einem Zusammenarbeitsprojekt; doch führt sie nicht zu Inselspital Bern aufgelistet. Unter der Rubrik «Projekte/ Win-win-Lösungen für alle Kantone, kommt die sogenann- Ideen» findet sich unter anderem die Versorgung des Es- te variable Geometrie zum Zuge. pace mit tertiärer Medizin (Spitzenmedizin) verbunden Zusammenarbeit mit der Frage, mit welchen volkswirtschaftlichen Konse- Westschweizer Regierungskonferenz quenzen die Region rechnen müsste, wenn Bern kein spit- 1993 gegründet fanden in der Westschweizer Regierungs- zenmedizinisches Zentrum mehr hätte. konferenz (Conférence des Gouvernements de Suisse Teil III occidentale, CGSO) in den letzten Jahren Diskussionen Transjurassische Konferenz (CTJ) unter anderem darüber statt, wie kantonale Parlamente Grundlage der CTJ ist das am 12. Oktober 2001 in Be- bei der Aushandlung, Ratifikation, Ausführung und Abän- sançon zwischen dem Schweizerischen Bundesrat – als derung der interkantonalen Verträge und Vereinbarungen Vertreter der Kantone Bern, Waadt, Neuenburg und Jura der Kantone mit dem Ausland beteiligt werden können. – und der Regierung der Französischen Republik unter- Auf dem Hintergrund eines sich entwickelnden interkan- zeichnete Übereinkommen zur Gründung der «TransJu- tonalen kooperativen Föderalismus sowie auf dem Hin- rassischen Konferenz»: Im Bereich Gesundheit nimmt die tergrund der Neuregelung des Finanzausgleichs und der Konferenz gegenwärtig drei Mandate war: Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA) ■ Perspektiven beobachten kantonale Parlamente regionales Denken und Handeln argwöhnisch, befürchten diese doch eine stätten entsprechend einzurichten ■ Verwässerung demokratischer Entscheidprozesse. Um Zusammenarbeit auf dem Gebiet der grenzüberschreitenden Krankheitsüberwachung und, falls nötig, Zu- diesem Demokratiedefizit vorzubeugen, der sich darin äussert, dass kantonale Parlamente interkantonale Verein- Bedarfsanalyse Pflegepersonal, um die Ausbildungs- sammenarbeit in der Information der Bevölkerung ■ Anstreben von geeigneten Spitalpartnerschaften, um in barungen nur entweder annehmen oder ablehnen können, der Grenzregion eine bessere medizinische Versorgung hat die Westschweizer Regierungskonferenz in Zusam- der Bevölkerung Frankreichs und der Schweiz zu er- menarbeit mit den kantonalen Parlamenten die «Interkan- möglichen tonale Vereinbarung über die Aushandlung, Ausführung und Abänderung der interkantonalen Verträge und Ver- Regio Basiliensis einbarungen der Kantone mit dem Ausland» ausgearbeitet Die 1963 gegründete REGIO BASILIENSIS ist zum einen (2000). Alle Westschweizer Kantone (FR, GE, JU, NE, VD, ein Verein, der heute von rund 400 Einzel- und 200 Kol- VS) haben diese Vereinbarung ratifiziert. Die Mitwirkung lektivmitgliedern getragen wird. Darüber hinaus erfüllt sie der Kantone erfolgt gemäss dieser Vereinbarung jeweils seit 1970 als Aussenstelle der Kantone Basel-Stadt und über eine interparlamentarische Kommission, die sich aus Basel-Landschaft auch staatliche Funktionen im Sinn der je sieben Vertretern pro betroffenem Kanton zusammen- kleinen Aussenpolitik. Seit 1996 gilt dies ebenfalls für den setzt. Kanton Aargau und seit 2003 für die Kantone Solothurn und Jura. Beide Komponenten bilden eine betriebliche Espace Mittelland Einheit mit insgesamt sechs Vollzeitstellen. Das jährliche Mit dem Ziel, die gemeinsamen wirtschaftlichen Interes- Gesamtbudget beträgt derzeit CHF 1,2 Mio. Im Bereich sen besser zu koordinieren, haben die Kantone Bern, Frei- Gesundheit gibt es folgende Projekte: burg, Neuenburg, Solothurn, Jura, Wallis und Waadt 1994 ■ das Projekt ESPACE MITTELLAND lanciert. Ende 2005 wurde das Projekt in einen Verein mit eigener Geschäfts- tionsmodells für die Rehabilitation am Oberrhein ■ stelle überführt und das Netzwerk Espace Mittelland neu 92 Grenzüberschreitendes Kooperationsprojekt zur Verbesserung der Versorgung Suchtmittelabhängiger im definiert. Es besteht heute aus Vertreterinnen und Vertretern der Wirtschaft, der Kantone Bern, Freiburg, So- Entwicklung eines grenzüberschreitenden Koopera­ Dreiländereck ■ Etablierung einer Einrichtung im Dreiländereck Lör- lothurn und Wallis, diverser Städte und Bildungsinstitu- rach zur Verbesserung der Versorgungssituation chro- tionen sowie weiteren Interessierten aus den Kantonen nisch Abhängiger (Drehscheibe) Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5 ■ Aufbau eines deutsch-französischen Netzes zur Be- zwischen den kantonalen Fachstellen und den entspre- kämpfung sozialer Ausgrenzung und Langzeitarbeitslo- chenden Stellen innerhalb der Bundesverwaltung. Der sigkeit Organisationsgrad der Konferenzen ist höchst unter- Referenzrahmen Teil I Teil II Die politische Notwendigkeit, sich in Umweltschutzfragen, riat, wie die Schweizerische Konferenz der kantonalen insbesondere im Bereich Gewässerschutz, grenzübergrei- Erziehungsdirektoren EDK mit fast drei Dutzend Mitar- fend abzustimmen, bildete 1972 den Ausgangspunkt für die beitenden eines aufweist. Kooperation der Bodensee-Anrainerländer und -kantone. Die zweite der hier vorgestellten Form der interkanto- Heute gehören der Internationalen Bodenseekonferenz nalen Zusammenarbeit auf schweizerischer Ebene ist die (IBK) aus der Schweiz die Kantone Thurgau, St. Gallen, Konferenz der Kantonsregierungen (KdK). 1993 gegrün- Schaffhausen, Zürich, Appenzell Innerrhoden und Appen- det hat sie im Vergleich zu derjenigen der GDK eine noch zell Ausserrhoden sowie das Fürstentum Liechtenstein, junge Geschichte. Gesundheitsthemen gehören nicht aus Österreich das Land Vorarlberg und aus Deutschland zum Portfolio der KdK, doch lässt sich seit kurzem eine die Bundesländer Baden-Württemberg und Bayern an. interessante Zusammenarbeit zwischen der GDK und der Das Portfolio der IBK umfasst unter anderem Themen KdK beobachten, wenn es darum geht, konsolidierte Posi- zur Gesundheit und Gesundheitsförderung. Im Novem- tionen gegenüber dem Bund zu vertreten (siehe Abschnitt ber 2001 wurde in Bregenz das erste IBK-Symposium für 5.5.2). Gesundheitsförderung und Prävention durchgeführt. In Was die Rechtsform dieser Art der organisierten Zusam- diesem Rahmen prämierte eine Fachjury 16 Projekte aus menarbeit anbelangt, präsentiert sich das Bild uneinheit- dem Gebiet Gesundheitsförderung und Prävention, wel- lich. Die Direktorenkonferenzen sind entweder einfache che anschliessend in einer Wanderausstellung im ganzen Gesellschaften oder Vereine, allenfalls basierend auf inter- IBK-Raum vorgestellt wurden. Eine Wiederholung der Ta- kantonalen Verwaltungsvereinbarungen. Ihre Tätigkeiten gung ist für 2005 geplant. Weitere Fachtagungen finden stützen sich auf Statuten. Die Konferenz der Kantons- zum Thema grenzüberschreitende Gesundheitsleistungen regierungen kann sich beispielsweise auf eine Verwal- statt. Im Zusammenhang mit den Gesundheitsdeterminan- tungsvereinbarung aller Kantonsregierungen abstützen, ten beschäftigt sich die IBK mit Fragen des öffentlichen während die Schweizerische Konferenz der kantonalen Verkehrs sowie die Kommission Umwelt mit Fragen zur Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren ohne formelle grenzübergreifenden Luftqualität. Rechtsgrundlage funktioniert. Statuten regeln hier den Teil III Perspektiven eigene Sekretariatsstruktur bis hin zum Generalsekreta­ Zusammenarbeit schiedlich. Die Spanne reicht vom «Vorortsprinzip» ohne Internationale Bodenseekonferenz (IBK) Geschäftsverkehr. Die gefassten Beschlüsse vermögen Dritte in der Regel nicht zu binden, sondern es kommt ih- 5.5 Organisierte Zusammenarbeit auf schweizerischer Ebene nen lediglich der Charakter von Empfehlungen oder Meinungsäusserungen zu.47. Die organisierte Zusammenarbeit zwischen kantonalen Regierungen im Handlungsfeld Gesundheit auf schweizerischer Ebene kennt eine lange Tradition. Bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts begannen sich kantonale Fachminister zu interkantonalen (Fach-)Direktorenkonferenzen zusammenzuschliessen. Im Lauf der Zeit entstanden insgesamt 14 solcher Fachkonferenzen, darunter 1919 die Schweizerische Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren (GDK). Die Konferenzen dienen vor allem dem Erfahrungsaustausch und der Ausarbeitung von Lösungen für aktuelle, als gemeinsam definierte Probleme. Sie leisten Lobbyarbeit für die Kantone und funktionieren als Verbindungsorgane 47 Diese Zusammenfassung stammt aus folgender Publikation: Kanton Luzern (Hrsg.), Planungsbericht des Regierungsrats an den Grossen Rat über die interkantonale Zusammenarbeit vom 21. Februar 2003, S. 47 ff. Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5 93 Referenzrahmen Teil I Porträt Schweizerische Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren (GDK) Zusammenarbeit Teil II Gründungsdatum: 1919 Rechtliche Grundlage: Statuten gemäss Beschluss der Plenarversammlung der GDK Mitglieder: Alle 26 Kantone, vertreten durch ihre kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren. Delegierte ausgewählter Bundesstellen (EDI, Gesundheitswesen, Kranken- und Unfallversicherung, Berufsbildung, Statistik, Armeegesundheitsdienst) und des Fürstentums Liechtenstein nehmen als ständige Gäste mit je einer beratenden Stimme an den Plenarversammlungen teil. Präsident: Regierungsrat Dr. Markus Dürr, Gesundheits- und Sozialdepartement, Kanton Luzern Struktur und Organisation Perspektiven Teil III Regierungsebene Plenarversammlung Die für das Gesundheitswesen zuständigen Regierungsmitglieder der 26 Kantone Verwaltungsebene Zentralsekretariat Rund 10 Vollzeitstellen Vorstand Präsident, Vizepräsident, Mitglieder – total 10 Regierungsmitglieder Fachgremien der GDK – Interkantonale Prüfungskommission für Chiropraktorinnen und Chiropraktoren – Bildungsrat – Arbeitsgruppe «Fachhochschulen» – Kerngruppe Berufsbildung – Arbeitsgruppe Berufsbildung – Kommission «Vollzug KVG» – Interkantonale Kommission Konzentration der hochspezialisierten Medizin (CICOMS) – Fachgremium für Tariffragen – Arbeitsgruppe «Spitalplanung» – Arbeitsausschuss «Leistungsorientierte Spitalplanung (AA-LOSP)» Projekte der GDK – SwissDRG – Spitzenmedizin – Dach-ODA – Interkantonale Prüfung für Osteopathen – Klärung der Positionierung der tertiären Gesundheitsausbildungen – Fachhochschulen – Revision des Krankenversicherungsgesetzes – Transfer der Kompetenz zur Regelung der Chiropraktik zum Bund und Integration der Chiropraktik in das neue MedBG Quelle: Zentralsekretariat GDK; Stand: Dezember 2004 94 Gegründet im Jahr 1919 ist die GDK (bis Ende 2003 Sani- ziehungsdirektoren (EDK) auch eine der grössten Fach- tätsdirektorenkonferenz, SDK) eine der ältesten und, ge- direktorenkonferenzen in der Schweiz. Seit 1979 verfügt messen an den personellen und finanziellen Ressourcen, die GDK über ein ständiges Sekretariat, das mit dem 1996 mit der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Er- in Kraft getretenen neuen Krankenversicherungsgesetz Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5 wesentlich erweitert wurde. Heute verfügt die GDK über rund zehn Vollzeitstellen bei einem Jahresbudget von CHF 2,4 Mio. (2005). Referenzrahmen Teil I sundheit, Chiropraktikprüfungen) fasst sie rechtlich bindende Beschlüsse. 2. Die GDK vertritt die Interessen der Kantone im Sektor Teil II Bundesinstanzen. Diese Funktion hat mit In-Kraft-Tre- Auf dem Gebiet der Zusammenarbeit nimmt die GDK eine ten des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung doppelte Funktion wahr: 1996 an Bedeutung gewonnen. Zusammenarbeit Gesundheit gegenüber den legislativen und exekutiven Zwei Funktionen für die GDK 1. Die GDK ist die zentrale Instanz für die interkan- Vier Themenschwerpunkte schweizerischer Ebene. Seit ihrer Gründung im Jah- Gemäss der von der GDK erstellten Liste ihrer Hand- re 1919 hat die GDK mit ihrer Koordinationsfunktion lungsbereiche (siehe Tabelle 13: Tätigkeitsgebiete der Entscheidendes zur Verbesserung der Gesundheit der GDK 2004–2006) sind 4 Themen von besonderer Rele- Bevölkerung in den Kantonen beigetragen, insbeson- vanz: erstens, der Vollzug des Krankenversicherungsge- dere was die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten setzes (KVG); zweitens, die Aus- und Weiterbildung in (z. B. Tuberkulose), die interkantonale Regelung der den Gesundheitsberufen; drittens, die Koordination der Berufsausbildung, das Rettungswesen und die Heilmit- Spitzen­medizin; viertens, die Einführung eines neuen telkontrolle anbelangt. Zur Stärkung der interkanto- Entgeltmodells für Spitäler. Der letzte Punkt ist eng mit nalen Koordination formuliert die GDK Empfehlungen der Kostenfrage im Gesundheitssystem verbunden, eine oder bereitet interkantonale Vereinbarungen vor. In Frage, mit der sich die GDK seit den 1960er-Jahren aus- bestimmten Bildungsbereichen (Fachhochschule Ge- einandersetzt. Teil III Perspektiven tonale Zusammenarbeit im Bereich Gesundheit auf Die Themenschwerpunkte entstanden unter anderem auf der Basis einer Umfrage bei den Kantonen, die der Erstes Arbeitsprogramm der GDK von 1919 GDK-Vorstand 1991 angesichts der schleppenden Vorbe- Das erste Arbeitsprogramm der GDK, verabschiedet reitung des neuen KVG in Auftrag gegeben hatte.49 Die an der 1. Sanitätsdirektorenkonferenz in Basel, enthielt Auswertung der Umfrage ergab unter anderem, dass die 5 Teilgebiete: Kantone in bestimmten Bereichen stärker zusammenar- Medizinalwesen: u. a. Organisation der Sanitätsbehör- beiten wollten. Auf diesen Wunsch der Kantone reagierte den, Ausbildung der Medizinalpersonen, Vorschriften die GDK mit einer Empfehlung vom 18. November 1993. über den Handel mit Heilmitteln und Giften. Die Empfehlung umfasste einen besseren Informations- Fürsorge für Kranke und Krankenkassenwesen: u. a. austausch zwischen den Gesundheitsbehörden, bessere Krankenhauswesen, Kranken- und Unfallversiche- Zusammenarbeit und Koordination bei der Planung und rungswesen. Aufgabenteilung in den Bereichen Spitäler und Spitzen- Massnahmen zur Verhütung und Bekämpfung von medizin, betriebswirtschaftliche Verbesserungen, mehr Krankheiten (Prävention): u. a. Säuglingssterblichkeit, Transparenz in den öffentlichen Spitälern und die För- Tuberkulose, Alkoholismus, Geschlechtskrankheiten, derung von Health Maintenance Organisations (HMO). In Kropf, Krebs, «Influenza». der Folge hat die GDK ihr Engagement in den Kernthe- Lebensmittelkontrolle (Prävention): Hier ging es um men KVG und Berufsbildung verstärkt. Die Existenz der Fragen des Vollzugs des Bundesgesetzes über den Ver- zwei ständigen Kommissionen «Vollzug KVG» und «Bil- kehr mit Lebensmitteln, das 1906 vom Volk angenom- dungsrat» tragen dieser inhaltlichen Priorisierung Rech- men und 1909 in Kraft gesetzt worden war. nung. Die Koordination der Spitzenmedizin ist seit 1999 Öffentliche Gesundheitspflege (Prävention): Bedeutung und das Entgeltmodell für Spitäler seit 2004 ein Schwer- und Bekämpfung des Geburtenrückgangs, Verbesse- punkt der GDK. Die Aus- und Weiterbildung in den Ge- 48 rung der Trinkwasserversorgung, Förderung der Wohnhygiene, Abfallbeseitigung, Schulgesundheitspflege. 48 Andreas MINDER. Bern, 1994, S. 13 ff. 49 Schweizerische Sanitätsdirektorenkonferenz: Finanzierung und Steue­ rung im Gesundheitswesen. Zusammenfassung der Ergebnisse der Umfrage bei den Kantonen. 27.10.1993. In: Schweizerische Sanitätsdirektorenkonferenz (SDK), Hg., 1919–1994 – 75 Jahre SDK. Notizen zur Geschichte der Schweizerischen Sanitätsdirektorenkonferenz, von Andreas MINDER. Bern, 1994, S. 74. Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5 95 Referenzrahmen Teil I Zusammenarbeit Teil II Teil III sundheitsberufen, die seit der Gründung der GDK im Jahr begleitet. Die Federführung für die Reglementierung und 1919 immer wieder ein Thema war, wird in der GDK an Steuerung in diesen Bereichen liegt neu beim Bundesamt Priorität verlieren, da im Zuge der Erweiterung der Re- für Berufsbildung und Technologie (BBT), die Erarbei- gelungskompetenzen des Bundes die Gesundheitsberufe tung der Inhalte, die Abstimmung und Koordination bei neu in der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Er- den Organisationen der Arbeitswelt und die Durchführung ziehungsdirektoren (EDK) angesiedelt sind (siehe weiter und Aufsicht bei den kantonalen Erziehungsbehörden, auf unten Abschnitt «Aus- und Weiterbildung in den Gesund- schweizerischer Ebene vertreten durch die Erziehungsdi- heitsberufen»). rektorenkonferenz (EDK), bzw. deren Fachkonferenz, der Die Themen der GDK werden in ständigen Kommissionen, Schweizerischen Berufsbildungsämter-Konferenz (SBBK). Arbeitsausschüssen, Arbeitsgruppen und Kerngruppen Die GDK hat aus einer Gesundheitsversorgersicht nach der GDK konkretisiert. Im Rahmen ihrer Aktivitäten arbei- wie vor ein Interesse an qualitativ gut ausgebildetem Per- tet die GDK mit anderen schweizerischen Direktorenkon- sonal. Aus diesem Grund hat sie sich aktiv für die Grün- ferenzen – mit der Finanzdirektorenkonferenz betreffend dung einer nationalen Dachorganisation der Arbeitswelt die Revision des KVG und mit der Erziehungsdirektoren- Gesundheit (Dach-OdA Gesundheit) engagiert. Sie wird konferenz bei den Gesundheitsberufen – sowie mit Bundes­ ihren Einfluss in Bildungsfragen künftig über diese Dach- ämtern zusammen. OdA wahrnehmen. Neben der GDK werden insbesondere Perspektiven auch die institutionellen Arbeitgeber und die Berufsorga- Vollzug des Krankenversicherungsgesetzes nisationen im Gesundheitswesen Mitglieder der Dach-Oda Die obligatorische Krankenversicherung gehört zu den Gesundheit sein. Kernthemen der GDK. Dieser Bereich beansprucht rund die Hälfte ihrer Personalressourcen (vgl. Tabelle 13: Tätig- Gesundheitsberufe auf Fachhochschulebene: Die Teilre- keitsgebiete der GDK 2004–2006). Die umfassenden Posi- vision des Fachhochschulgesetzes hat dazu geführt, dass tionspapiere, Stellungnahmen zuhanden des Bundesrats der Geltungsbereich des Gesetzes neu auch für die bisher und Anträge zuhanden des eidgenössischen Parlaments kantonal geregelten Studiengänge Gesundheit, Soziale Ar- zu den Themen Prämienverbilligung, Pflegefinanzierung, beit und Kunst (GSK) gilt. Das revidierte Fachhochschul- Spitalfinanzierung, Vertragsfreiheit, Tarmed, Versicher- gesetz ist 2005 in Kraft getreten. tenkarte und Spitalplanung belegen die Wichtigkeit dieses Themas für die Kantone. In diesem Bereich arbeitet die Koordination der Spitzenmedizin GDK mit der Interkantonalen Finanzdirektorenkonferenz Ziel des seit 1999 laufenden Projekts «Spitzenmedizin» und mit dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) zusam- ist es, das Angebot an hochspezialisierter medizinischer men. Mit dem seit 2004 regelmässig stattfindenden Dialog Leistung gesamtschweizerisch zu planen. Ausgewählte zwischen Bund und Kantonen zur nationalen Gesund- spitzenmedizinische Dienstleistungen wie Herztransplan- heitspolitik haben die Kantone über die GDK zudem die tationen oder Lebend-Lebertransplantationen sollen nicht Möglichkeit, im direkten Kontakt mit dem Vorsteher des mehr an verschiedenen Standorten der Schweiz, sondern Eidgenössischen Departements des Innern (EDI) Pro- nur noch an nationalen Kompetenzzentren angeboten bleme betreffend die Umsetzung des Krankenversiche- werden. Diese nationalen Kompetenzzentren werden sich rungsgesetzes und dessen Revision zu besprechen (vgl. meistens als Teil der Universitätsspitäler in den Hoch- hierzu auch Kapitel 6 der Publikation). schulkantonen befinden. Aus gesundheitspolitischer Sicht geht es um zwei Prozesse: 96 Aus- und Weiterbildung in den Gesundheitsberufen 1. Der von einer GDK-Arbeitsgruppe formulierte Entwurf Nicht-universitäre Gesundheitsberufe: Das neue Bundes- zu einem interkantonalen Konkordat über die Planung gesetz über die Berufsbildung (BBG, 2002) erklärt die und Aufgabenteilung in der hochspezialisierten Medi- nicht-universitäre berufliche Bildung zu einer gemein- zin (IVKKM) wurde Ende 2004 von der GDK-Plenar- samen Aufgabe von Bund, Kantonen und «Organisationen versammlung angenommen und muss bis im Frühjahr der Arbeitswelt» (OdA). Die Integration der nicht-uni- 2006 von mindestens 17 Kantonen, darunter zwingend versitären Gesundheitsberufe in das neue BBG und in allen fünf Hochschulkantonen, ratifiziert werden, um das revidierte Fachhochschulgesetz hat die GDK intensiv rechtsverbindlich zu sein. Da der Kanton Zürich die Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5 Referenzrahmen Teil I Nachfolgend werden die Aktivitäten der GDK in der Priorität ihrer Schwerpunkte kurz beschrieben und allfällige Schnittstellen zu einer nationalen Gesundheitspolitik aufgezeigt. Tabelle 13: Tätigkeitsgebiete der GDK (2004–2006) Gesundheitspolitik und Gesundheitsversorgung 2004 2005 2006 234 % 324 % 374 % Gesundheitspolitische Strategien Mittel 51 % 70 % 83 % Gesundheitsförderung Mittel 6 % 7 % 12 % Prävention auf nationaler Ebene: Bekämpfung ansteckender Krankheiten Mittel 7 % 10 % 11 % Koordination Spitzenmedizin Hoch 62 % 117 % 141 % Ethik und Technologiefolgenabschätzung Mittel 24 % 30 % 32 % Versorgungsplanung und Zulassung zur Krankenversicherung Hoch 53 % 58 % 61 % Übrige (Forschung am Menschen, Forschungspolitik, Technologiebewertung, Heilmittelkontrolle) Mittel 31 % 32 % 34 % 253 % 142 % 82 % 62 % 48 % 33 % Berufsbildung und Personalrekrutierung Medizinalberufe Hoch Organisation der Arbeitswelt und Übergang Berufsbildung zum Bund Hoch Übrige Ausbildungsfragen (Fachhochschule Gesundheit, Weiterbildung, Zulassungs­ regelungen, Rekrutierung Gesundheitsberufe) Gesundheitsökonomie und Gesundheitsinformation 65 % 30 % 20 % 126 % 64 % 29 % 223 % 227 % 226 % Spitalfinanzierung Hoch 71 % 72 % 69 % Finanzierung Langzeitpflege Hoch 17 % 15 % 13 % Finanzierung ambulante Leistungen Hoch Versicherungswesen 5 % 5 % 5 % 10 % 10 % 10 % Finanzierung Krankenversicherung / Prämienverbilligung Hoch 90 % 88 % 88 % Gesundheitsberichterstattung, Statistiken Mittel 16 % 17 % 18 % 14 % 20 % 23 % Übrige: Finanzierung anderer Gesundheitsdienste, Informatiksysteme, Patientenkarte Teil II Ressourcen (Stellenprozente) Öffentlichkeitsarbeit und Lobbying Hoch 32 % 38 % 46 % Lobbying bei Parlament und Interessengruppen Hoch 10 % 13 % 17 % Auftritt GDK gegen aussen Hoch 22 % 25% 29 % Leitung und Stabsaufgaben 318 % 319 % 322 % Total 1060 % 1050 % 1050 % Zusammenarbeit Priorität Teil III Perspektiven Handlungsbereiche Aufgabenfelder der GDK, die sie mit Ausnahme des Bereichs «Gesundheitspolitische Strategien» (Priorität mittel) mit Priorität hoch bewertet und für die sie im Vergleich zu anderen GDK-Aufgaben viele Ressourcen einsetzt. Quelle: GDK, 2004 Vereinbarung abgelehnt hat, suchen die Kantone im Falls das Konkordat über die Planung und Aufgabenteilung Rahmen der GDK nach neuen Wegen, darunter mögli- in der hochspezialisierten Medizin zustande kommt, wäre cherweise auch eine Bundeslösung. es nach dem inzwischen hinfällig gewordenen Heilmittel- 2. Parallel zu diesem Prozess konkretisiert die im Rahmen konkordat aus dem Jahre 1971 das zweite von schweize- der GDK tätige Interkantonale Kommission «Konzen- rischer Bedeutung auf dem Gebiet der Gesundheit. Aus tration der hochspezialisierten Medizin» (CICOMS) den der Perspektive einer nationalen Gesundheitspolitik stellt Kriterienkatalog, der diejenigen Bereiche der hochspe- das Konkordat den ersten Versuch dar, Dienstleistungen zialisierten Medizin definiert, bei denen Koordinations- im Bereich Gesundheit auf suprakantonaler Ebene zu und Konzentrationsbedarf besteht. koordinieren. Die Kantone würden ihre PlanungskompeBand 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5 97 Referenzrahmen Teil I Teil II tenzen im Bereich der hochspezialisierten Medizin an die so. Bis zum 2. Weltkrieg beherrschten Präventionsthemen GDK abtreten, die für diesen Bereich neu als suprakanto- die Traktandenliste der GDK.51 Der rasche Ausbau der nales Gremium Beschlüsse verabschieden könnte, die für baulichen, technischen und personellen Infrastruktur im alle Kantone verbindlich wären. Gesundheitsbereich insbesondere im Spitalsektor nach Zusammenarbeit dem 2. Weltkrieg sowie das Abklingen von Epidemien ver- Teil III Entgeltmodell für Spitäler – SwissDRG drängte die auf die gesamte Bevölkerung ausgerichtete Die GDK hat eine federführende Rolle bei der Gründung Prävention. Dies änderte sich etwas mit dem Auftauchen des Vereins SwissDRG (DRG = Diagnosis Related Groups) von Aids und mit der 1989 auf Initiative der Kantone ge- übernommen, den es seit 2004 gibt. Ziel des Vereins ist es, gründeten Schweizerischen Stiftung für Prävention, der innerhalb dreier Jahre ein auf schweizerische Verhältnisse heutigen Gesundheitsförderung Schweiz. Die Tätigkeiten angepasstes Modell zu entwickeln, das es erlaubt, Spitallei- der Stiftung führten zwar zu einer Entlastung des Zentral- stungen im Gegensatz zu heute nach einem einheitlichen sekretariats, gleichzeitig aber auch wiederum zu einer ge- System – Swiss DRG – zu entschädigen (siehe hierzu auch ringeren Präsenz von Themen der Gesundheitsförderung Abschnitt 5.5.1) sowie Vergleiche zwischen Spitälern nicht und Prävention in der GDK. Heute besteht ein Engage- nur innerhalb eines Kantons, sondern auch auf regionaler ment der GDK als Vertreterin der Kantone im Stiftungsrat und gesamtschweizerischer Ebene zu ermöglichen. der Stiftung Gesundheitsförderung Schweiz. Schliesslich Perspektiven wirkt die GDK in unterschiedlichem Ausmass in folgenden Weitere Aktivitäten der GDK Programmen und Initiativen des Bundes im Bereich der Nationale Gesundheitspolitik: Nationale Gesundheitspoli- Gesundheitsförderung mit. tik ist ein junges Thema in der GDK. Seit Ende 1998 en- ■ gagiert sie sich gemeinsam mit dem Bund in Diskussionen über Vorstellungen und mögliche Instrumente für eine Nationales Forum für betriebliche Gesundheitsförderung (seco, Gesundheitsförderung Schweiz) ■ nationale, von Kantonen und Bund gemeinsam getragene Programm «Bildung und Gesundheit, Netzwerk Schweiz» (BAG/EDK) Gesundheitspolitik. Mit der Vereinbarung zur Nationalen ■ Strategie «Migration und Gesundheit» (BAG) Gesundheitspolitik Schweiz vom 15. Dezember 2003 ha- ■ Aktionsplan «Umwelt und Gesundheit» (BAG) ben die GDK und das Eidgenössische Departement des In- ■ Nationales Krebsprogramm (Oncosuisse) nern (EDI) diese Gespräche institutionalisiert. Im Rahmen ■ Nationaler Referenzrahmen Psychische Gesundheit der «Plattform Nationale Gesundheitspolitik Schweiz» treffen sich Vertreterinnen von Bund und Kantonen mineinen geschäftsführenden Ausschuss50 mit der Steuerung Multisektorales Gesundheitsverständnis: Health Impact Assessment des Dialogprozesses und der allfälligen Erarbeitung von Eine aus Vertreter/innen der Kantone und des Projekts koordinierten Gesundheitsstrategien beauftragt. Für die Nationale Gesundheitspolitik Schweiz zusammenge­ Unterstützung der Gesundheitspolitik mit statistischen setzte Arbeitsgruppe hat im Auftrag der Schweizerischen Daten und Auswertungen unterliegt das Gesundheitsob- Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen servatorium (Obsan) der doppelten Verantwortung der und -direktoren (GDK) zum Thema «Gesundheitsver- SDK und des Bundes; auf institutioneller Ebene bleibt das träglichkeitsprüfung» («Etudes d’Impact sur la Santé») Obsan dem Bundesamt für Statistik angegliedert. ein Argumentarium (2003) erarbeitet und einen Be- destens dreimal jährlich. Die GDK und der Bund haben je richt zur Methode der GesundheitsverträglichkeitsprüGesundheitsförderung und Prävention: Gesundheitsförde- fung verfasst. Die GDK hat den Bericht zur Kenntnis rung und Prävention sind Randthemen in der GDK, ent- genommen, ohne über weitere Schritte zu befinden. sprechende Projekte gibt es kaum. Dies war nicht immer 50 Geschäftsführender Ausschuss der Kantone: 2 Regierungsräte sowie der Zentralsekretär der Gesundheitsdirektorenkonferenz; Geschäftsführender Ausschuss des Bundes: der Direktor/die Direktorin des Bundesamts für Gesundheit und des Bundesamts für Statistik sowie die Leiterin/der Leiter der Abteilung Krankenversicherung im BAG. 98 51 Schweizerische Sanitätsdirektorenkonferenz (SDK), Hrsg., 1919–1994 – 75 Jahre SDK. Notizen zur Geschichte der Schweizerischen Sanitätsdirektorenkonferenz, von Andreas MINDER. Bern, 1994, S. 42. Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5 Referenzrahmen Teil I Porträt Konferenz der Kantonsregierungen (KdK) 1993 Rechtliche Grundlage Vereinbarung über die Konferenz der Kantonsregierungen (8.10.1993) Mitglieder Vertreterinnen und Vertreter aller 26 Kantonsregierungen. Die Kantonsregierungen regeln Wahl und Amtsdauer ihrer jeweiligen Vertretung in der KdK. Präsident des leiten­ den Ausschusses Consigliere di Stato Luigi Pedrazzini, Chef des Justiz- und Militärdepartements des Kantons Tessin; ab Januar 2006: Regierungsrat Lorenz Bösch, Vorsteher des Baudepartements des Kantons Schwyz Teil II Zusammenarbeit Gründungsdatum Struktur und Organisation Verwaltungsebene Plenarversammlung (vierteljährlich) An der Plenarversammlung ist jeder Kanton mit einer ein- oder mehrköpfigen Delegation seiner Regierung vertreten. Die Stimmengleichheit der Kantone bleibt gewahrt. Leitender Ausschuss Präsident, Mitglieder – total 9 Regierungsvertreter aus 9 Kantonen Teil III Ständiges Sekretariat der KdK Die ch Stiftung führt das Sekretariat der KdK. Der Geschäftsführer der ch Stiftung amtiert gleichzeitig als Konferenzsekretär; rund 15 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Perspektiven Regierungsebene Arbeitsgruppen der KdK – Begleitorganisation Bilaterale Verhandlungen: Beobachtet die Weiterentwicklung der Abkommen mit der EG bzw. die Verhandlungen mit der EU aus Sicht der Kantone – Europa-Reformen der Kantone (EzRefKa, seit 1998): Evaluiert den Reformbedarf im Falle der Realisierung der verschiedenen europapolitischen Optionen; Ausarbeitung von Elementen einer europapolitischen Strategie der Kantone – Kommission Städte (seit 1995): Vertritt die KdK bzw. die Kantone in der Tripartiten Agglomerationskonferenz (TAK) Projekte der KdK (Auswahl) – Mitarbeit bei der Totalrevision der Bundesverfassung – Föderalismus-Dialog (seit 1997) – Mitarbeit bei der Erarbeitung des Bundesgesetzes über die Mitwirkung der Kantone an der Aussenpolitik des Bundes (Bundesgesetz in Kraft seit 1999) – Tripartite Agglomerationskonferenz (seit 2001) – Konsolidierte Stellungnahme zum Grundlagenpapier des Bundesrates (Legislaturplanung 2003–2007 des Bundes), 2003 – Mitarbeit bei der Reform der Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (vom Volk 2005 angenommen) Quelle: KdK; Stand: Dezember 2004 In den 1980er-Jahren kamen neue und komplexe Aufga- Gemeinschaft würden ihre Interessen zu wenig berück- ben auf die Kantone zu, so in der Raumplanung, im Um- sichtigt. Zwar hatten sich kantonale Dienststellen für Aus- weltschutz, in der Aussenpolitik, die eine Gesamtsicht der senbeziehungen in den grösseren und mittleren Kantonen Problematik über das eigentliche Fachgebiet hinaus erfor- in den letzten Jahren etabliert, doch gab es noch kein in- derte. Im gleichen Zeitraum gewann der europäische Wirt- terkantonales Gremium wie in anderen Bereichen (unter schaftsraum an Bedeutung und die Kantone befürchteten, anderem Gesundheit, Bildung, Finanzen). In der Folge bei den Verhandlungen des Bundes mit der Europäischen gründeten die Kantone 1993 die Konferenz der Kantons- Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5 99 Referenzrahmen Teil I Teil II regierungen (KdK). Im Gegensatz zu den interkantonalen es nicht, dass das Ressort Gesundheit im neunköpfigen Direktorenkonferenzen agiert die KdK seit ihrer Grün- Leitenden Ausschuss der KdK lange Zeit nicht vertreten dung auf der Ebene der Politikformulierung, insbesondere war. Geplant ist, in Zukunft jeder Fachdirektorenkonferenz im Bereich der Aussenpolitik. Einen Grossteil ihrer Akti- einen Sitz im Leitenden Ausschuss der KdK zuzuteilen. vitäten investiert sie deshalb in den Mitwirkungsprozess der Kantone bei den Verhandlungen des Bundes mit der Zusammenarbeit Europäischen Union sowie in der Formulierung entsprechender Policies. Hier war sie erfolgreich, wie unter anderem das Bundesgesetz über die Mitwirkung der Kantone Teil III 5.6 Themenzentrierte Zusammen­ arbeit zwischen Kantonen an der Aussenpolitik des Bundes zeigt (seit 1999). Die Kantone haben gemäss Bundesverfassung eine hohe Gemäss Canisius Braun, geschäftsleitender Sekretär der Regelungskompetenz im Gesundheitsbereich inne. Die KdK, baut die Konferenz der Kantonsregierungen an Kantonsporträts (Band 2 dieser Publikation) zeigen denn einem Haus der Kantone. Es gilt, Organisationsstrukturen auch, wie vielfältig und umfassend die Themen und Pro- für das interkantonale Zusammenwirken zu entwickeln jekte sind, die die Kantone im Handlungsfeld Gesundheit und zu festigen. Die KdK verstehe sich hingegen nicht als zu bearbeiten haben. In diesem Abschnitt soll ausgehend transkantonales Gremium. Diese vierte Ebene – neben von den Kantonsporträts gezeigt werden, dass die sehr un- den staatspolitischen Ebenen kommunal, kantonal und terschiedlichen Formen der interkantonalen Koordination eidgenössisch – werde nicht angestrebt. und Zusammenarbeit im Sektor Gesundheit, insbesonde- Perspektiven re in der Prävention und Gesundheitsförderung sowie in Mit einer Stimme sprechen der Gesundheitsversorgung, noch kaum zu gemeinsamen Neben der Aussenpolitik koordiniert die KdK in ausge- Politikformulierungen auf interkantonaler Ebene geführt wählten Bereichen die vielfältigen Aktivitäten der Kan- haben. tone untereinander und gegenüber dem Bund. Diese Rolle nommen, als es um die Vorbereitung der bundesrätlichen Interkantonale Zusammenarbeit in der Gesund­ heitsförderung und Prävention Legislaturplanung ging, oder im Jahr 2004, als die KdK das Die Kantone betrachten Gesundheitsförderung und Prä- Finanzreferendum mit der fachlichen Unterstützung der vention vor allem als eine inner-, selten als eine interkanto- Finanzdirektorenkonferenz (FDK) koordinierte. Schliess- nale Angelegenheit. Nichts desto trotz gibt es Strukturen lich sind GDK und KdK im Herbst 2005 gemeinsam auf- und Projekte, in denen die Kantone zusammenarbeiten. hat sie zum Beispiel in den Jahren 1999 und 2003 wahrge- getreten, als es darum ging, eine Alternative zum ständerätlichen Modell der Spitalfinanzierung zu präsentieren. Strukturen Siehe hierzu auch Kapitel 6.3.1 «Gesundheitspolitik auf Teil IV des Berichts zeigt anhand von 9 Kantonsporträts, nationaler Ebene: Positionen und Planungsprozesse». wie vielfältig die kantonalen Landschaften im Sektor Gesundheitsförderung und Prävention sind, aber auch wie Zusammenarbeit zwischen der GDK und der KdK unterschiedlich in inhaltlicher, strategischer, organisa- Canisius Braun bezeichnet die Beziehungen zwischen der torischer Hinsicht die Kantone ihre jeweiligen Politiken KdK und den Fachdirektorenkonferenzen als eine kom- strukturiert haben. Trotz aller Unterschiede ist eine plementäre. Die Beziehung selbst wird über eine Rahmen- Mehrheit der Kantone in den Bereichen Sucht, Schulge- ordnung geregelt. Diese Ordnung soll der wirkungsvollen sundheit und Sexualpädagogik aktiv. Eine Gemeinsamkeit Kooperation dienen und die Zuständigkeit der Federfüh- scheint ausserdem zu sein, dass sie Massnahmen zur Ge- rung in den politischen Dossiers klären.52 sundheitsförderung und Prävention mehrheitlich durch Die GDK und die Konferenz der Kantonsregierungen hat- externe private Partnerorganisationen auf der Basis von ten bis jetzt kaum Gelegenheit, über gemeinsame Projekte Leistungsverträgen umsetzen lassen. zusammenzuarbeiten. Auf diesem Hintergrund überrascht Die Zusammenarbeit der Kantone auf regionaler bzw. schweizerischer Ebene in diesem Bereich ist schwach. 52 Rahmenordnung über die Arbeitsweise der KdK und der Direktorenkonferenzen bezüglich der Kooperation von Bund und Kantonen, vom 14. Dezember 2001. 100 Die bestehenden interkantonalen Regierungskonferenzen werden mit Ausnahme der CRASS nicht benutzt, um Pro- Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5 ren und zu verankern. Erkennbar sind gegenwärtig vier der Stiftung befindet sich erst im Aufbau. Hier liegen noch Formen der interkantonalen Zusammenarbeit in der Ge- keine Evaluationsergebnisse vor. sundheitsförderung und Prävention. Diese werden nach2. Vereinigung der kantonalen Beauftragten für Gesund- folgend näher vorgestellt. heitsförderung in der Schweiz (VBGF) 1. Gesundheitsförderung Schweiz Im Jahr 2000 wurde die Vereinigung der kantonalen Beauf- Die Gesundheitsförderung ist auf Bundesebene in Artikel tragten für Gesundheitsförderung und Prävention (VBGP) 19i des Krankenversicherungsgesetzes von 1994 veran- gegründet. Alle Kantone ausser dem Kanton Schaffhausen kert. Mit der Umsetzung gesundheitsfördernder Massnah- sind über diese Vereinigung national und über VBGP-Un- men haben die Versicherer und die Kantone die Stiftung tergruppen auch regional miteinander vernetzt. Ständige Gesundheitsförderung Schweiz beauftragt (siehe hierzu Gäste der Vereinigung sind das Bundesamt für Gesund- auch Kapitel 6.3.2). Die Aufsicht über die Gesundheits- heit (BAG), die GDK, die Stiftung Gesundheitsförderung förderung Schweiz nimmt der Bund wahr. Ein Ziel der Schweiz und die Stiftung Radix Gesundheitsförderung. Stiftung ist es, die Gesundheitsförderung auf kantonaler Die Gesundheitsförderung Schweiz unterstützt diese nati- Ebene zu stärken. Zurzeit finanziert sie neun kantonale onale Plattform des Informationsaustauschs zwischen den Projekte. Die Mehrzahl der Projekte wird in der West- Verantwortlichen der verschiedenen Kantone. Langfris­ schweiz realisiert: tiges Ziel der Plattform ist es, den Bereich Gesundheits- Gemäss einer im Auftrag des Bundesrats im Rahmen sei- förderung im Gesundheitswesen auf kantonaler Ebene ner Aufsichtsfunktion durchgeführten Evaluation der Stif- zu stärken. Während die Beziehungen des VBGF zur la- tung Gesundheitsförderung Schweiz kritisieren die West- teinischen Schweiz – insbesondere zur ständigen Arbeits- schweizer Kantone unter anderem, dass die Stiftung Ziele gruppe DiPPS («Dispositif intercantonal de prévention et und Prioritäten definiere, ohne die von den Kantonen fest- de promotion de la santé») – recht eng sind, bekundet die gelegten Prioritäten zu berücksichtigen. Die Zusammen- VBGS Mühe, sich in den Kantonen der Deutschschweiz als 53 Teil II Zusammenarbeit arbeit zwischen den Kantonen der Deutschschweiz und Teil III Perspektiven jekte der Gesundheitsförderung und Prävention zu lancie- Referenzrahmen Teil I Ansprechpartner zu etablieren. So ist es ihr bis jetzt im 53 Bundesamt für Gesundheit: Evaluation der Stiftung Gesundheitsförderung Schweiz. Bericht erstellt durch PriceWaterhouseCoopers, April 2005, S. 145–146. Gegensatz zu den Kantonen der Westschweiz und des Tessins noch nicht gelungen, flächendeckende gesundheits- Tabelle 14: Gesundheitsförderung und Prävention in der lateinischen Schweiz im Rahmen der CRASS 50+santé: Für zusätzliche Informationen siehe Kästchen weiter unten: «Projekt 50+santé» Früherkennung von Brustkrebs durch Mammographie Interkantonale Rahmenvereinbarung und Programm der Kantone Freiburg, Genf, Jura, Waadt, Wallis: Ziel ist eine gemeinsame Publikumsbroschüre und eine gemeinsame Position der beteiligten Kantone gegenüber den Krankenversicherern betreffend der Forderung nach Finanzierung der Mammographie über das KVG. «PIPADES»: Programm der Kantone Genf, Tessin und Waadt zur Unfallverhütung zu Hause bei Kindern im Alter zwischen 0 und 5 Jahren Fourchette verte: Interkantonales Programm der Westschweiz und des Tessin für eine gesunde Verpflegung in Restaurants sowie in Schulen und in Betriebsmensen Allez Hop: Nationale Bewegungskampagne des Bundesamts für Sport in Zusammenarbeit mit Gesundheitsförderung Schweiz, Swissolympic und Santésuisse (seit 1996). Hier haben die Westschweizer Kantone eine eigene Koordinationsstelle eingerichtet, um die Kampagne in der Romandie zu verankern. Alco-ligne: Telefonische Anlaufstelle der Kantone Genf und Waadt für Fragen und Auskünfte rund um die Alkoholsucht (0848 800 808; www.alco-line.ch) CIAO.ch: Interaktive Webseite rund um Fragen zur Gesundheit (www.ciao.ch) für junge Leute. Das Projekt wird finanziell im Rahmen der CRASS von allen Westschweizer Gesundheitsdepartementen sowie vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) unterstützt. Grippeimpfung: Teilnahme der Westschweizer Kantone an der nationalen Grippekampagne des BAG In Vorbereitung Spielsucht: Zusammenarbeit betreffend die Finanzierung von Präventionsmassnahmen auf dem Gebiet der Spielsucht (ab 2007) Gesundheitsverträglichkeitsprüfung: Entwicklung von Instrumenten durch die Kantone Genf, Jura und Tessin Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5 101 Referenzrahmen Teil I Teil II fördernde Projekte in den Regionen der Deutschschweiz (DiPPS) mit einem interkantonalen Budget und einem zu realisieren. Ein solches befindet sich gegenwärtig in eigenen Sekretariat eingerichtet. Diese Struktur ermög­ der Startphase: Das Projekt INKA zur interkantonalen licht eine gewisse politische Verbindlichkeit, was die Rea- Verbreitung der betrieblichen Gesundheitsförderung. Ihre lisierbarkeit von Projekten der Gesundheitsförderung und Teilnahme an diesem Projekt zugesichert haben die Kan- Prävention anbelangt. Neben ihrer Koordinationsfunktion tone Zürich, Aargau und Zug. innerhalb der lateinischen Schweiz stellt die DiPPS zudem Zusammenarbeit als regionale Untergruppe der Vereinigung der kantonalen Teil III 3. Fachstelle für Prävention und Gesundheits- Beauftragten für Gesundheitsförderung in der Schweiz förderung (DiPPS) der Kantone der Westschweiz und (VBGF/ARPS) die Vernetzung der lateinischen Schweiz des Kantons Tessin mit den übrigen Kantonen sicher. Gegenwärtig benutzen nur die Kantone der Westschweiz Die Zahl der Projekte, die die DiPPS im Auftrag der und des Tessins die regionale Gesundheits- und Sozialdi- CRASS realisiert, ist ansehnlich, wie Tabelle 14 zeigt. Die rektorenkonferenz (CRASS), um Projekte der Gesund- Themen reichen von der Früherkennung von Brustkrebs, heitsförderung und Prävention zu lancieren. Zu diesem über Unfallverhütung, Grippeprävention und Alkoholprä- Zweck wurde im Jahr 2000 die Fachstelle «Dispositif in- vention hin zu Jugend und Gesundheit sowie zu gesunder tercantonal de prévention et de promotion de la santé» Ernährung und Bewegung. Das Zusammenwirken von CRASS und DiPPS zeigt, wel- Perspektiven che Elemente für eine erfolgreiche interkantonale Zusam- Projekt 50+santé menarbeit auf dem Gebiet der Gesundheitsförderung und Im Mai 2002 haben die CRASS und die Gesundheitsför- Prävention entscheidend sind: Wirkungskreis und Hand- derung Schweiz eine Vereinbarung unterzeichnet unter lungsspielraum der kantonalen Beauftragten für Gesund- anderem mit dem Ziel, gemeinsame Projekte zu reali- heitsförderung und Prävention sind umso grösser, je besser sieren. In der Folge haben die Kantone der lateinischen der/die Beauftragte in interkantonale Gremien integriert Schweiz (FR, GE, JU, NE, TI, VS, VD) beschlossen, ist und für die Lancierung von Projekten die politische Un- im Rahmen der DiPPS ein dreijähriges Pilotprogramm terstützung der kantonalen Fachminister/innen hat. Eine zum Thema Gesundheitsförderung für Personen über solche Einbettung der Gesundheitsförderung und Präven- 50 zu konzipieren (2004–2006). Die Wahl des Themas tion in bestehende gesundheitspolitische Strukturen auf erfolgte auf der Basis einer Analyse der Prioritäten der Regierungs- und Verwaltungsebene kann zudem die poli- Kantone der Westschweiz und des Tessins im Bereich tische Verbindlichkeit der Entscheidungsträger gegenüber Gesundheitsförderung, einer Literaturrecherche in den der Gesundheitsförderung und Prävention erhöhen. We- Bereichen soziale Ungleichheit, Arbeit, physische und sentlich für die Stärkung der regionalen Zusammenarbeit psychische Gesundheit und soziales Umfeld der über ist zudem, dass interkantonale Projekte mit den kanto- 50-Jährigen sowie auf der Basis von rund 50 Interviews nalen Schwerpunkten der Gesundheitsförderung im Ein- mit verschiedenen Fachleuten in den Kantonen. Dieses klang stehen. Das Projekt 50+ santé zeigt, dass ein solcher Vorgehen wird von den Verantwortlichen als eine wich- Prozess zwar aufwändig ist, sich aber lohnt. tige Voraussetzung für das Gelingen eines Projekts gewertet. Ziel des Programms ist es, die Kantone zu 4. Fachstelle für Gesundheitsförderung und Prävention motivieren, eine Bestandesaufnahme auf eigenem der Kantone Ob- und Nidwalden Gebiet vorzunehmen, um dann mit entsprechenden Fragen wirft das Fehlen der interkantonalen Zusammen- Massnahmen die Rahmenbedingungen am Arbeitsplatz arbeit in der Gesundheitsförderung und Prävention in der für Menschen über 50 Jahre günstig zu beeinflussen. Deutschschweiz auf. Eine vergleichbare Form der Zu- Ausserdem geht es darum, die Kompetenzen und Res- sammenarbeit wie diejenige zwischen dem regierungsrät- sourcen der Menschen über 50 zu stärken, um besser lichen Gremium CRASS und der DiPPS gibt es noch nicht: zu bestehen, sei es an der Arbeit, bei Verlust oder Un- Die regionalen Gesundheitsdirektorenkonferenzen der terbruch der Arbeit, oder bei der bevorstehenden Pen- Deutschschweiz arbeiten kaum mit den Deutschschweizer sionierung. Untergruppen des Verbands der kantonalen Beauftragten für Gesundheitsförderung (VBGF) zusammen. 102 Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5 den Kantonen zu verankern und für diesen Bereich eine der Deutschschweiz, die mit finanzieller Unterstützung gemeinsame Politik der beiden Kantone zu entwickeln. der Gesundheitsförderung Schweiz seit 2001 eine kan- Weitere Ziele der Fachstelle sind die Entwicklung eines tonsübergreifende Fachstelle für Gesundheitsförderung Gemeindenetzes zur Verbesserung der Lebensqualität der und Prävention führen. Auf der Policy-Ebene verfolgt die Gemeindebewohner sowie die Erarbeitung von Massnah- Fachstelle das Ziel, die Gesundheitsförderung in den bei- men zum Thema Migration und Gesundheit. Teil II Zusammenarbeit Ob- und Nidwalden sind bisher die einzigen Kantone in Referenzrahmen Teil I Tabelle 15: Kantone: Projekte der Gesundheitsförderung mit finanzieller Beteiligung der Gesundheitsförderung Schweiz Kantonale Projekte im Sektor Gesundheitsförderung mit finanzieller Beteiligung der Gesundheitsförderung Schweiz Freiburg Education familiale Genf Promotion communautaire de la santé et de la qualité de vie Jura Implémentation conjointe du développement durable, de la promotion de la santé et de l’aménagement du territoire St. Gallen Quarz – Gesundheitszirkel im Quartier Wallis Kurzfassung des Walliser Gesundheitsberichts Wallis Entwicklung der Walliser Spitäler zu gesundheitsfördernden Krankenhäusern Teil III Lateinische Schweiz Projekt 50+ santé – Gesundheitsförderung für Personen ab 50 Jahre Kantone Obwalden und Nidwalden Kantonsübergreifenden Fachstelle Gesundheitsförderung und Prävention Aargau, St. Gallen, Thurgau, Zug, Zürich Interkantonale Zusammenarbeit in betrieblicher Gesundheitsförderung (INKA-BGF) Gesamtschweizerisch Vereinigung der kantonalen Beauftragten für Gesundheitsförderung in der Schweiz (VBGF) Perspektiven Interkantonale Projekte der Gesundheitsförderung mit finanzieller Beteiligung der Gesundheitsförderung Schweiz Quelle: Internetseite der Gesundheitsförderung Schweiz, Stand: März 2006 (www.gesundheitsfoerderung.ch) Netzwerk Gesundheitsfördernder Spitäler > www.healthhospitals.ch Das Netzwerk Gesundheitsfördernder Spitäler (Health Promoting Hospitals, HPH) ist eine Aktion der Weltgesundheitsorganisation (WHO), die sich an der Ottawa-Charta von 1988 orientiert. Gegründet im Jahr 1999, möchte das Schweizer Netzwerk eine Medizin unterstützen, welche in Ergänzung der kurativen Medizin (Pathogenese) die Gesundheit der Bevölkerung fördert (Salutogenese). Das schweizerische Netzwerk der WHO zählte im Jahr 2005 24 Mitglieder und umfasst mehr als 50 Spitäler in den drei Sprachregionen der Schweiz. Es hat ein Label-Verfahren entwickelt, um Spitäler auszuzeichnen, die konsequent eine auf Mitarbeitende sowie Patientinnen und Patienten ausgerichtete Politik der Gesundheitsförderung betreibt. Neun der 24 Mitglieder haben diese spezielle Qualitätsauszeichnung bereits erhalten (die Liste dieser Spitäler befindet sich auf der Website). Ein Spital, welches das Label «Gesundheitsförderndes Krankenhaus, Mitglied des Schweizer Netzwerkes, ein Netzwerk der Weltgesundheitsorganisation (WHO)» führen möchte, muss in der Schweiz eine Reihe von Voraussetzungen erfüllen: Im Bereich Organisationsentwicklung durch das Gesamtspital wird die Integration von Gesundheitsförderung in die Ziele und die Pflegepolitik der Institution, interne und externe Kommunikation, Gesundheitsförderung für Mitarbeitende sowie Gesundheitsförderung für Patientinnen, Patienten und Angehörige verlangt. Zudem muss das Spital rauchfrei sein und Projekte in Gesundheitsförderung durchführen, wovon deren zwei durch die Expertenkommission evaluiert werden. Das Label gilt beim erstmaligen Gesuch für die Dauer von vier Jahren und für fünf Jahre bei dessen Erneuerung. In Anlehnung an das schweizerische Beispiel hat die WHO 2004 unter Mitwirkung unter anderem von zwei Vertreter/innen aus der Schweiz einen «Standard» für die Evaluation gesundheitsfördernder Massnahmen in den Spitälern vorbereitet. Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5 103 Referenzrahmen Teil I Zusammenarbeit Teil II Perspektiven Teil III Der Versuch, eine Zentralschweizer Fachstelle Gesund- Kurzer Rückblick heitsförderung einzurichten, haben die Mitglieder der Die Kantone planen ihre Angebote in der stationären Ge- Zentralschweizer Fachgruppe Gesundheit der Zentral- sundheitsversorgung nicht erst seit Inkrafttreten des KVG schweizer Gesundheits- und Sozialdirektorenkonferenz im Jahr 1996. Seit Jahrzehnten schliessen sie zahlreiche, im Jahr 2003 abgelehnt. Es bleiben einzelne Gruppen wie insbesondere bilaterale Verträge miteinander ab mit dem die Zentralschweizer Arbeitsgruppe Prävention (ZAP). Ziel, für die kantonseigene Bevölkerung ein optimales Ein Grund für das Fehlen der interkantonalen Zusammen- Angebot an stationären Versorgungsleistungen bereitzu- arbeit in der Deutschschweiz mag die grosse Spannweite stellen. Diese Verträge regeln folgende Bereiche: Ein- und zwischen den Kantonen bezüglich der zur Verfügung ste- Verkauf von Versorgungsleistungen, Führen gemeinsamer henden personellen und finanziellen Mittel sein. Darüber Spitäler an zwei Standorten, Planung interkantonaler hinaus dürften wegen der wirtschaftlichen und sozialen Spitalzentren; Gründung grösserer Versorgungsregionen; Gegebenheiten die Bedürfnisse der Bevölkerung und der Koordination der Spitzenmedizin; Qualitätssicherung in definierte Bedarf an Dienstleistungen und Angeboten Akutspitälern; Harmonisierung der Spitaltarife; kanton- im Bereich Gesundheitsförderung und Prävention in der sexterne Spitalaufenthalte. Infolge der gestiegenen Ko- Deutschschweiz von Kanton zu Kanton variieren. Das wei- sten im Spitalbereich begannen die Kantone, die interkan- ter oben erwähnte interkantonale Projekt INKA (betrieb- tonale Koordination des stationären Versorgungsangebots liche Gesundheitsförderung) bildet vielleicht den Auftakt in den 1970er-Jahren zu verstärken (siehe Kasten: Das zu vermehrter Zusammenarbeit zwischen den Kantonen Schweizerische Krankenhausinstitut). der Deutschschweiz. Das Bundesgesetz über die Krankenversicherung (KVG) hat Mitte der 1990er-Jahre der Zusammenarbeit der Kan- Interkantonale Zusammenarbeit in der Gesund­ heitsversorgung tone im Spitalsektor neue Impulse gegeben, spricht es Die dezentrale Organisation des schweizerischen Gesund- gemeinsam aufgestellten Planung für eine bedarfsgerechte heitssystems bringt es mit sich, dass die Kantone ange- Spitalversorgung» (Artikel 39, Absatz d).54 doch von der Möglichkeit einer «von mehreren Kantonen sichts der ausgeprägten Regelungskompetenz, die sie auf diesem Gebiet besitzen, in der Gesundheitsversorgung Insbesondere den Spitalsektor inklusive die Polikliniken Das Schweizerische Krankenhausinstitut (1972–1996) haben die Kantone nach dem 2. Weltkrieg ausgebaut. Die Die Kantone haben zwischen 1972 bis 1996 das Schwei- interkantonale Zusammenarbeit konzentriert sich denn zerische Krankenhausinstitut (SKI) betrieben. Das auch auf diesen Bereich der Gesundheitsversorgung. Auf Institut sollte angesichts des massiven Ausbaus der schweizerischer Ebene koordinieren die Kantone im Rah- medizinischen Versorgungsstrukturen und der damit men der GDK ihre Positionen betreffend des Bundesge- verbundenen Kosten nicht nur Information und Do- setzes über die Krankenversicherung (KVG). Grössere kumentation bereitstellen, sondern auch die Gebiete Zusammenarbeitsprojekte in der Gesundheitsversorgung, Krankenhausplanung, Betriebsführung, Personalwe- an denen mehrere Kantone mit einer gemeinsamen ge- sen, Bauwesen, Krankenhaus- und Untersuchungswe- sundheitspolitischen Perspektive beteiligt sind, stellen sen sowie Forschungstätigkeit umfassen. Im Laufe der auf gesamtschweizerischer und regionaler Ebene bis jetzt Zeit traten dem Institut Verbände und Organisationen noch Ausnahmen dar. Solche Ausnahmen sind Tarmed bei, darunter der Schweizerische Berufsverband der sowie die Projekte SwissDRG und die Koordination der Krankenschwestern und Krankenpfleger (SBK) und Spitzenmedizin. Die Zusammenarbeit läuft statt dessen das Konkordat der Schweizerischen Krankenkassen sporadisch und punktuell ab. (KSK, heute Santésuisse). Auch mehrere grössere In den folgenden Abschnitten werden einige Facetten der Städte schlossen sich dem Institut an. Ab 1993 hiess das interkantonalen Zusammenarbeit zunächst auf schweize- Institut «Schweizerisches Institut für das Gesundheits- rischer Ebene beschrieben. Abschliessend soll auf jüngere wesen» (IfG). 1996 wurde es nicht zuletzt im Zuge des Entwicklungen in der Zusammenarbeit auf regionaler Ausbaus des Zentralsekretariats der GDK aufgehoben. ihre je eigenen Versorgungssysteme entwickelt haben. Ebene hingewiesen werden. 104 Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5 gutgeheissene «Interkantonale Vereinbarung über Kan- 1997 dem Artikel 39 KVG mit folgender Empfehlung Rech- tonsbeiträge an private gemeinnützige Heilanstalten» nung getragen: «Die Kantone arbeiten bei der Erstellung (Volksheilbäder, Anstalt für Epileptische, Sanatorien, Pa- der Planung zusammen, speziell in Bezug auf Leistungen, raplegikerzentrum). Nur drei statt der erforderlichen Min- die nicht in jedem Kanton angeboten werden. In jedem destzahl von 6 Kantonen ratifizierten die Vereinbarung. Fall sind die Planungen, zumindest jene für die Spitäler, Heute gibt es einige gesamtschweizerische Institutionen, aufeinander abzustimmen und zu koordinieren. Für die an die die Kantone regelmässige Beiträge zahlen (siehe Versorgung in Grenzgebieten sind bilaterale oder multila- Tabelle 16: Beiträge der Kantone an gesamtschweizerisch terale Abkommen zu fördern.» tätige Institutionen). Teil II Zusammenarbeit Die GDK-Kommission «Vollzug Krankenversicherung» hat Referenzrahmen Teil I Planung und Aufgabenteilung in der hochspezialisierten Zusammenarbeit der Kantone auf schweizerischer Ebene Medizin: Mehr als ungewiss ist, ob das interkantonale Kon- Zwei Richtungen der Koordination und der Zusammen- spezialisierten Medizin (IVKKM), das Ende 2004 von der arbeit der Kantone in der Gesundheitsversorgung auf ge- GDK-Plenarversammlung angenommen wurde, in Kraft samtschweizerischer Ebene lassen sich beobachten: die treten kann. Mindestens 17 Kantonen, darunter zwingend Zusammenarbeit auf Stufe GDK und die Zusammenarbeit alle fünf Hochschulkantonen müssen das Konkordat ratifi- mit weiteren Akteuren wie Spitäler, Krankenversicherer, zieren. Der Kanton Zürich als einer der fünf Universitäts- Bund. Beiden Formen der Zusammenarbeit sind wech- kantone hat die Ratifikation bereits abgelehnt. kordat über die Planung und Aufgabenteilung in der hoch- Teil III Perspektiven selnde Erfolge beschieden.. Weitere Akteure GDK Auf schweizerischer Ebene arbeiten die Kantone nicht nur Auf Stufe GDK stehen unter anderem folgende Themen innerhalb der GDK, sondern auch mit Spitälern und mit im Vordergrund: Prämienverbilligung, Pflegefinanzierung, privaten Akteuren des Sektors Gesundheit zusammen: Pflegetarife, Spitalfinanzierung, Spitalplanung, Risikoaus- Entgeltmodell für Spitäler – SwissDRG: Die Abkürzung gleich unter den Krankenversicherern, Vertragsfreiheit, SwissDRG steht für ein Entgeltmodell, das Behandlungs- Versichertenkarte. Konkret geht es in der GDK gegen- fälle nach Diagnosegruppen (DRG = Diagnosis Related wärtig um die Ausarbeitung eines Leitfadens für eine leis- Groups) entschädigt. Die GDK hat eine federführende Rol- tungsorientierte Spitalplanung, um die Grundsätze der le bei der Gründung des Vereins SwissDRG übernommen, Psychiatrie- und Rehabilitationsplanung sowie um Vor- den es seit 2004 gibt. Die Mitglieder des Vereins SwissDRG schläge zur Koordination der hochspezialisierten Medizin. sind neben der GDK folgende Gruppierungen und Berufs- Einzelne vergangene und laufende Projekte werden kurz verbände: Die Vereinigung der Schweizer Ärztinnen und beschrieben: Ärzte (FMH), H+ Die Spitäler der Schweiz, Santésuisse, Interkantonale Vereinbarung über die Kontrolle der Heil- Medizinaltarifkommission UVG, Militärversicherung, In- mittel: Wenn man die Kontrolle der Heilmittel zur Gesund- validenversicherung. Das Bundesamt für Statistik (BFS), heitsversorgung rechnet, dann war die interkantonale das Bundesamt für Gesundheit (BAG) und der Berufsver- Vereinbarung über die Kontrolle der Heilmittel und deren band der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner (SBK) Umsetzung ein Erfolg. Heute ist dieser Sektor eine Bun- arbeiten ebenfalls am Projekt mit. deskompetenz. Ziel des Vereins ist es, innerhalb dreier Jahre ein auf Kantonsbeiträge an private gemeinnützige Heilanstalten: schweizerische Verhältnisse angepasstes Modell zu entwi- Hingegen scheiterte im Jahr 1955 eine von der GDK ckeln, das erlaubt, Spitalleistungen im Gegensatz zu heute nach einem einheitlichen System – SwissDRG – zu entschä- 54 Art. 39 Spitäler und andere Einrichtungen 1 Anstalten oder deren Abteilungen, die der stationären Behandlung akuter Krankheiten oder der stationären Durchführung von Massnahmen der medizinischen Rehabilitation dienen (Spitäler), sind zugelassen, wenn sie: d. der von einem oder mehreren Kantonen gemeinsam aufgestellten Planung für eine bedarfsgerechte Spitalversorgung entsprechen, wobei private Trägerschaften angemessen in die Planung einzubeziehen sind; digen. Das System soll Anreize zu mehr Wirtschaftlichkeit geben und Vergleiche von Leistungen zwischen Spitälern ermöglichen. Zudem erwarten die Gesundheitsökonomen Daten für die bessere Steuerung von Spitälern. Aus der Perspektive einer nationalen Gesundheitspolitik besteht das Potential von SwissDRG darin, Vergleiche zwi- Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5 105 Referenzrahmen Teil I Zusammenarbeit Teil II Perspektiven Teil III schen Spitälern nicht nur innerhalb eines Kantons, sondern nären Gesundheitsbereichen» überführt. Die Trägerschaft auch auf regionaler und schweizerischer Ebene zu ermög- der neu gegründeten Gesellschaft bilden die nationalen lichen und damit zu einem eigentlichen Spitalplanungsin- Verbände der Spitäler, H+ und der Krankenversicherer, strument zu werden. Die Chancen für die Einführung eines Santésuisse, die Unfallversicherer, die Militärversicherung solchen Entgeltmodells in der Schweiz stehen gut. MV und die Invalidenversicherung IV. Als Beobachter in Qualitätssicherung in den Spitälern der Schweiz: Das den Gremien der Gesellschaft vertreten sind das Bundes- schweizerische Krankenversicherungsgesetz (KVG) for- amt für Gesundheit (BAG) und die Konferenz der kanto- dert die Sicherung und Förderung der Qualität von Spi- nalen Gesundheitsdirektoren (GDK). Als vorrangiges Ziel talleistungen. Im Juli 2000 haben die beiden nationalen verfolgt die Gesellschaft die aktive Förderung der schritt- Verbände der Spitäler und der Krankenversicherer, H+ weisen Einführung von Ergebnismessungen in der ganzen und Santésuisse, gemeinsam eine Koordinationsstelle Schweiz in den Fachbereichen Akutsomatik, Rehabilitati- (KIQ) gegründet, um die Qualitätssicherung in den Spi- on und Psychiatrie. Die Gesellschaft möchte die Partner tälern koordiniert in Angriff zu nehmen. 2004 wurde die im Gesundheitswesen und die Kantone in ihre Arbeit ein- KIQ in die «Gesellschaft für Qualitätssicherung in statio- beziehen. Tabelle 16: Beiträge der Kantone an gesamtschweizerisch tätige Institutionen (Auswahl) Schweizerische Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren seit 1919 Schweizerisches Rotes Kreuz seit 1965 Schweizerisches Toxikologisches Informationszentrum seit 1969 Schweizerisches Krankenhausinstitut (SKI) 1972 bis 1996 Tollwutzentrale an der Universität Bern seit 1991 Schweizerisches Gesundheitsobservatorium (Obsan) seit 1999 Schweizerische Universitätskonferenz (SUK): Finanzierung durch Universitätskantone und Bund seit 2001 Rektorenkonferenz: Finanzierung durch Universitätskantone und Bund seit 2001 Organ für Akkreditierung und Qualitätssicherung: Finanzierung durch Universitätskantone und Bund seit 2001 Quelle: Andreas MINDER: 1919–1994 – 75 Jahre SDK. Notizen zur Geschichte der Schweizerischen Sanitätsdirektorenkonferenz (SDK). SDK, Bern 1994. H+: Zusammenarbeit unter den Spitälern der Schweiz Die Spitäler der Schweiz bewegen sich an der Schnittstelle zwischen öffentlicher und privater Gesundheitsversorgung. Ihre Betriebsstrukturen und Trägerschaften sind entsprechend vielfältig: öffentlich/rechtliche Spitäler, Privatspitäler; Spitäler mit einer Aktiengesellschaft als Trägerschaft oder mit dem Kanton als Träger; Spitäler mit kantonalem Leistungsauftrag und Globalbudget und Spitäler, die auf keiner der kantonalen Spitallisten aufgeführt sind. Hinzu kommen fachlich unterschiedliche Ausrichtungen wie zum Beispiel Akutspitäler, psychiatrische Kliniken, Pflegeheime, Universitätskliniken mit spitzenmedizinischen Angeboten; Rehabilitationskliniken. Zur Wahrung ihrer Interessen haben sich die Spitäler in der Schweiz zum Spitzenverband H+ zusammengeschlossen. Der Verband vertritt rund 400 Spitäler und Heime als Aktiv- und rund 250 Organisationen, Firmen und Personen als Partnerschaftsmitglieder. Unter den Organisationen befinden sich auch eine Reihe kantonaler Gesundheitsdirektionen. Ziel von H+ ist es, die Spitäler und Heime im gegenwärtigen Strukturwandel zu unterstützen. 2004 hat sich eine regionale Untergruppe von H+ gebildet, die «Vereinigung Nordwestschweizer Spitäler» (VNS). Ihr gehören die öffentlichen und privaten Spitäler des Kantons Basel-Stadt sowie einige der privaten Spitäler des Kantons Basel-Landschaft an. Die Tatsache, dass die öffentlichen Spitäler des Kantons Basel-Landschaft der Vereinigung nicht beigetreten sind, deutet in der Diskussion um vermehrte unternehmerische Freiheit auf ein inhärentes Konfliktpotential der öffentlichen Spitäler mit den Kantonen als deren öffentliche Auftraggeber und Finanzverantwortliche hin. 106 Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5 Referenzrahmen Teil I Tabelle 17: Interkantonale Zusammenarbeit im Spitalsektor (die Auflistung der Projekte erfolgt in chronologischer Reihenfolge) Spitäler unter Beteiligung von zwei Kantonen Interkantonales Spital in der Broye an zwei Standorten (Estavayer-le-Lac und Payerne 1998 Waadt; Wallis Interkantonale Spitalzentrum Chablais an zwei Standorten (Aigle und Monthey) 1998 Basel-Stadt; Basel-Landschaft Gemeinsames Kinderspital an zwei Standorten 1999 Waadt; Wallis In Vorbereitung: Interkantonales Spitalzentrum Riviera-Chablais 2011 Basel-Landschaft; Solothurn Spitalabkommen: Volle Freizügigkeit für die Einwohnerinnen und Einwohner beider Kantone. Die Kantone Solothurn und Basel-Landschaft sind dadurch de facto zu einer integralen Spitalregion geworden. 1998 Basel-Landschaft; Basel-Stadt Gemeinsame Spitalliste für den stationären somatischen Akutbereich seit 1998 GDK-Ost Interkantonale Bedarfsplanung Rehabilitation Seit 2002 Luzern; Obwalden; Nidwalden Absichtserklärung (unterzeichnet 2004): Entwicklung einer gemeinsamen ­Spitalregion 2020 Aargau; Basel-Landschaft; Basel-Stadt; Jura; Solothurn Intensivierung der interkantonalen Zusammenarbeit zur Bildung einer Versorgungsregion Nordwestschweiz in Planung Schwyz; Uri Gemeinsame ambulante Kinder- und Jugendpsychiatrie seit 2003 Aargau; Bern; Solothurn; Zürich Qualitätssicherung in den Akutspitälern seit 2003 Genf; Waadt Übereinkunft (2004): Netzwerk Transplantation der Universitätsspitäler der Westschweiz 2004 Waadt; Wallis Rahmenvertrag über die gemeinsame Nutzung ausgewählter Dienstleistungen, unter anderem: Rechtsmedizin, Herzchirurgie, Arbeitsmedizin, Gesundheitsförderung, Prävention, Gesundheitsstatistik Nidwalden; Obwalden Die beiden Kantonsspitäler arbeiten unter gemeinsamer Leitung in folgenden Sektoren zusammen: Ökonomie, Technischer Dienst, Personalwesen. Geplant ist zudem eine gemeinsame Chirurgie. seit 2004 CRASS Auftrag an das Schweizerische Gesundheitsobservatorium (Obsan), einen regionalen Gesundheitsbericht zu erstellen 2004 Teil II Zusammenarbeit Freiburg; Waadt Kantonsübergreifende Spitalregionen Teil III Interkantonale Zusammenarbeit auf regionaler Ebene Vier der oben aufgelisteten Projekte werden nachfolgend Seit Inkrafttreten des Bundesgesetzes über die Krankver- Teil IV: «Kantonale Gesundheitspolitiken – 9 Porträts» zu sicherung (KVG) im Jahre 1996 lassen sich Tendenzen in finden. Perspektiven Gemeinsame Dienstleistungen näher vorgestellt. Weitere Informationen sind in Band 2, der interkantonalen Zusammenarbeit in der Gesundheitsversorgung auf regionaler und schweizerischer Ebene be- Netzwerk Transplantation obachten. Es geht nicht mehr nur um den Einkauf und Im Rahmen einer Übereinkunft hat der Ausschuss der Verkauf von Leistungen, sondern auch Vereinigung Waadt-Genf im Jahr 2004 das Netzwerk ■ um regionale Ansätze in der Spitalplanung und die Ent- Transplantation der Universitätsspitäler der Westschweiz wicklung interkantonaler Spitalstrukturen geschaffen (Réseau romand hospitalo-universitaire de ■ um die Einrichtung gemeinsam genutzter ambulanter la transplantation). Lungen- und Herztransplantationen und stationärer Dienstleistungen in der Region werden in Lausanne, Darm- und Lebertransplantationen ■ um die Vergleichbarkeit statistischer Daten (regionale in Genf und Nierentransplantationen sowohl in Lausanne Gesundheitsdaten, Spitalkosten) als auch und Genf durchgeführt. Die Gründung des Netzwerks ist eng verbunden mit dem Ziel der Schweizerischen Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5 107 Referenzrahmen Teil I Zusammenarbeit Teil II Perspektiven Teil III Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und ursachen, Lebenserwartung, Suchtmittel. Auf schweize- -direktoren (GDK), die hochspezialisierte Medizin zu rischer Ebene sind die Statistikstellen in der Konferenz koordinieren und auf die fünf Universitätsspitäler in der Statistischer Ämter der Schweiz CORSTAT/KORSTAT zu- Schweiz zu konzentrieren. sammengeschlossen und arbeiten hier untereinander und mit dem Bund zusammen, wenn es um die Durchführung Ostschweiz: Interkantonale Bedarfsplanung statistischer Erhebungen des Bundes geht, bei denen die Rehabilitation Kantone zur Mitwirkung von Gesetzes wegen verpflichtet Aufgrund des geographischen Auseinanderklaffens von sind. Angebot und Nachfrage im Bereiche der Rehabilitation Einige Kantone haben in den letzten 10 Jahren kanto- besteht in der Ostschweiz ein interkantonaler Koordina- nale Gesundheitsberichte erstellen lassen, die sie unter tionsbedarf. Die acht in der Sanitätsdirektoren-Konferenz anderem für die Planung ihrer kantonalen Gesundheits- Ost (SDK-OST) zusammengeschlossenen Kantone haben politiken verwenden. Die statistischen Grundlagen für die deshalb im Jahr 2002 beschlossen, im Rahmen einer ge- Berichte liefern seit 1993 die Schweizerischen Gesund- meinsamen Projektorganisation die Erarbeitung einer heitsbefragungen. Die Kantone hatten die Möglichkeit, interkantonal koordinierten Bedarfsplanung Rehabilita- durch finanzielle Beteiligung den jeweiligen kantonalen tion in Angriff zu nehmen. Ziel des Projekts ist auf regi- Stichprobenumfang zu erhöhen, um zuverlässige kanto- onaler Ebene die quantitative und qualitative Sicherung nale Auswertungen durchführen zu können. Die nachfol- der stationären medizinischen Versorgung im Bereich gende Tabelle gibt einen Überblick über die Kantone, für der Rehabilitation. Auf dem Gebiet der interkantonalen die entsprechende Datensätze vorliegen. Bedarfsplanung stellt dieses Projekt das erste dieser Art in der Schweiz dar. Folgende Punkte sollen für den Bereich Rehabilitation geklärt werden: das medizinische Versorgungskonzept, der Leistungsbedarf, das bestehende Leistungsangebot, Vergleich zwischen Leistungsbedarf und Leistungsangebot, die zur Sicherung der stationären Versorgung notwendigen Leistungsaufträge, die erforderlichen Steuerungsinstrumente. Projekt «Qualitätssicherung in den Akutspitälern» Tabelle 18: Schweizerische Gesundheitsbefragung: erhöhter Stichprobenumfang für einige Kantone Schweizerische Gesundheitsbefragung Erhöhter Stichprobenumfang für folgende Kantone 1993 Aargau, Bern, Basel-Stadt, Freiburg, Genf, Waadt, Wallis, Zürich 1997 Aargau, Bern, Genf, Tessin, Waadt, Wallis, Zürich 2002 Aargau, Bern, Basel-Landschaft, BaselStadt, Freiburg, Genf, Jura, Luzern, Neuenburg, St. Gallen, Solothurn, Tessin, Waadt, Wallis, Zug, Zürich Im Zusammenhang mit der Einführung des Globalbudgets messen die Kantone Aargau, Bern, Solothurn, und Zürich die Ergebnisqualität ihrer Akutspitäler messen. Ziel ist es, ein ergebnisorientiertes Qualitätskonzept einzuführen Was die Auswertung der Gesundheitsbefragung des Jah- sowie ein Benchmark zwischen den Spitälern dieser Kan- res 2002 anbelangt, haben die Kantone der Deutsch- tone zu ermöglichen. Zu diesem Zweck sind die Kantone schweiz ein individuelles Vorgehen gewählt. Die Kantone dem Verein Outcome, eine Nonprofit-Organisation in Zü- Basel-Landschaft55, Basel-Stadt56, Bern57, Luzern58 und St. rich, beigetreten. Die Qualitätsmessungen werden zu 50 Prozent von den Kantonen und zu 50 Prozent von den Krankenversicherern finanziert. Erhebung von Gesundheitsdaten Die kantonalen und städtischen statistischen Ämter erheben Daten zum Gesundheitswesen und zum Gesundheitszustand der Bevölkerung: Ärzte, Zahnärzte, Apotheken, Krankenhäuser, sozialmedizinische Institutionen, spitalexterne Krankenpflege, Patientinnen und Patienten, Kosten im Gesundheitswesen; Krankheiten, Sterblichkeit, Todes108 55 Volkswirtschafts- und Sanitätsdirektion des Kantons Basel-Landschaft in Zusammenarbeit mit dem Schweizerischen Gesundheitsobservatorium (Hrsg.): Gesundheit im Kanton Basel-Landschaft. Ergebnisse aus der Schweizerischen Gesundheitsbefragung 2002. Neuenburg, 2005. 56 Schweizerisches Gesundheitsobservatorium, im Auftrag des Gesundheitsdepartements des Kantons Basel-Stadt: Gesundheit im Kanton Basel-Stadt. Ergebnisse aus der Schweizerischen Gesundheitsbefragung 2002. Neuenburg, 2005. 57 Schweizerisches Gesundheitsobservatorium, im Auftrag der Gesundheits- und Fürsorgedirektion des Kantons Bern. Ergebnisse aus verschiedenen gesundheitsrelevanten Datenbanken. Neuenburg, 2005. 58 Gesundheits- und Sozialdepartement Luzern in Zusammenarbeit mit dem Schweizerischen Gesundheitsobservatorium: Gesundheit im Kanton Luzern. Ergebnisse aus der Schweizerischen Gesundheitsbefragung 2002. Neuenburg, 2005. Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5 berichts beauftragt. Der Kanton Zug60 hat die wichtigsten Gemäss ihrer Statuten dient die VKS folgendem Zweck: Resultate in Broschürenform publiziert, der Kanton Solo- Der gegenseitigen Information im Bereich des öffentlichen thurn hat in Zusammenarbeit mit der Fachhochschule für Gesundheitsschutzes; der Besprechung und Bearbeitung Sozialarbeit einen Sozialbericht publiziert, der gleichzeitig gemeinsamer Probleme; der Erarbeitung von Vernehmlas- soziale und gesundheitsrelevante Themen behandelt61. sungen und Anträgen im Bereich gemeinsamer Probleme Das Institut für Sozial- und Präventivmedizin Zürich von gesamtschweizerischer Bedeutung unter anderem (ISPM-ZH) schliesslich wird einen Gesundheitsbericht im zuhanden der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Auftrag des Kantons Zürich erstellen . Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren, des Eidgenös- Die lateinische Schweiz hat ein regional abgestütztes sischen Departements des Innern und des Bundesamtes Vorgehen gewählt. Auf Initiative der DiPPS hat die West- für Gesundheit. 62 Teil II Zusammenarbeit torium (Obsan) mit der Erstellung „ihres“ Gesundheits- Vereinigung der Kantonsärztinnen und Kantons­ ärzte der Schweiz (VKS) Gallen59 haben das Schweizerische Gesundheitsobserva- Referenzrahmen Teil I schweizer Gesundheits- und Sozialdirektorenkonferenz Vereinigung der Kantonsapotheker Genf, Jura, Neuenburg, Tessin, Waadt und Wallis einen Die Vereinigung der Kantonsapotheker ist der zentrale regionalen Gesundheitsbericht zu erstellen. Der Bericht Partner der Swissmedic, wenn es darum geht, die Ent- liefert eine vergleichende Analyse über den Gesundheits- scheide der Swissmedic betreffend Zulassung und Markt- zustand der Bevölkerung, das Gesundheitsverhalten und überwachung der Heilmittel in den Kantonen einheitlich die Inanspruchnahme von Leistungen in den jeweiligen umzusetzen. Im Jahr 2002 ist die Kontrolle der Heilmit- Kantonen. Die Ergebnisse werden unter anderem in Re- tel mit in Kraft treten des «Bundesgesetzes über Arznei- lation zu den bestehenden kantonalen Präventionsstrate- mittel und Medizinprodukte» (Heilmittelgesetz) von den gien gesetzt. Damit ermöglicht der Bericht eine Auswer- Kantonen zum Bund übergegangen. Die Vereinigung der tung der Wirksamkeit kantonaler Gesundheitspolitiken Kantonsapotheker hat an der Ausarbeitung des neuen und deren Fähigkeit, auf die Bedürfnisse der Bevölkerung Heilmittelgesetzes aktiv mitgewirkt. Ausdruck der Kom- zu reagieren.63 petenzverschiebung ist die Gründung von Swissmedic, Teil III Perspektiven (CRASS) das Obsan beauftragt, für die Kantone Freiburg, das Schweizerische Heilmittelinstitut, als neue Behörde Interkantonale Zusammenarbeit im Gesundheitsschutz des Bundes. Aufgrund der Neuregelung der Kompetenzen Bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts haben die Kantone neu definiert werden. Dieser Prozess ist gegenwärtig noch als Vollzugsorgane des Bundes im Bereich des Gesund- im Gange. mussten zahlreiche Abläufe zwischen Bund und Kantonen heitsschutzes (Epidemien, Arbeitsschutz) untereinander und mit dem Bund eng zusammengearbeitet. Heute gibt Verband der Kantonschemiker der Schweiz es im Gesundheitsschutz gut etablierte interkantonale Verantwortungsbereiche: Vollzug des Bundesgesetzes Netzwerke auf schweizerischer Ebene. über Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände; Bundesgesetz über den Verkehr mit Giften; Teile der Verordnung über umweltgefährdende Stoffe; im Bereich Biosicherheit 59 Gesundheitsdepartement des Kantons St. Gallen in Zusammenarbeit mit dem Schweizerischen Gesundheitsobservatorium: Gesundheit im Kanton St. Gallen. Ergebnisse aus der Schweizerischen Gesundheitsbefragung 2002. Neuenburg, 2005. 60 Kanton Zug, Schweizerisches Gesundheitsobservatorium (Hrsg): Gesundheit im Kanton Zug. Schweizerische Gesundheitsbefragung 2002, Ergebnisse und Massnahmen. Zug, 2004. 61 Amt für Soziale Sicherheit des Kantons Solothurn und Fachhochschule Solothurn Nordwestschweiz: Sozialbericht 2005. 62 Hämmig, O., Bopp, M., Stähli, R. (2004): Konzept zur Gesundheitsberichterstattung im Kanton Zürich 2003–2007. Forschung und Dokumentation Nr. 25. Zürich: Institut für Sozial- und Präventivmedizin der Universität Zürich. 63 Enquête suisse sur la santé: Exploitation intercantonale des données pour la Suisse romande et le Tessin. Der Bericht ist im Spätherbst 2005 erschienen. die Einschliessungs- und Freisetzungsverordnungen; die kantonalen Bäderverordnungen. In den letzten Jahren realisierte der Verband verschiedene Projekte: ■ Hinweise zum Gebrauch der amtlichen Exportzertifikate für Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände (Juni 2002) ■ Interpretation des Begriffs «Rückverfolgbarkeit» durch ■ Engagement zugunsten einer besseren Leserlichkeit den Verband der Kantonschemiker der Schweiz (2003) der Etiketten auf Lebensmittel und Präzisierung der gesetzlichen Mindestanforderungen (2004) Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5 109 Referenzrahmen Teil I Zusammenarbeit Teil II Vereinigung der Schweizer Kantonstierärztinnen und Kantonstierärzte sind, regelt der Bund seit 1877 die Anerkennung der Diese interkantonale Vereinigung erfüllt schwerpunkt­ che Qualität der Medizin in allen Regionen der Schweiz. mässig Vollzugs- und Koordinationsaufgaben in den Be- Ein wesentlicher Teil der Strategie und Planung der reichen Tierseuchen-, Lebensmittel- (Teilbereich Fleisch- Hochschulmedizin findet seit dem Jahr 2001 in der hygiene) und Tierschutzgesetzgebung. Die Aufträge im Schweizerischen Universitätskonferenz (SUK) statt, Einzelnen: ein von Bund und Kantonen gemeinsam geführtes Or- ■ Tiergesundheit: Prophylaxe und Bekämpfung von Tier- gan, das aufgrund seiner Strukturen als gelungenes seuchen, Direktzahlung Beispiel eines kooperativen Föderalismus gilt (siehe Fleischhygiene: Plan- und Betriebsbewilligungen für hierzu auch Kapitel 6: Zusammenarbeit zwischen Bund Schlachtanlagen, Fleischkontrollen, Inspektionswesen und Kantonen). ■ medizinischen Diplome und garantiert damit eine glei- in Fleisch-Exportbetrieben ■ Tierschutz: Tierhaltung, Tierversuche Unabhängig von der Form der Zusammenarbeit hat sowohl bei der universitären als auch bei der nicht-univer- Perspektiven Teil III Interkantonale Erfahrungsaustauschgruppe von Fachstellen im Bereich der Bio- und Gen­ technologie (ERFA BIO) sitären Ausbildung eine Zentralisierung der Kompetenzen ERFA BIO ist ein Zusammenschluss kantonaler Vollzugs- sen Herausforderungen, denen sich der schweizerische stellen aus allen 26 Kantonen und dem Fürstentum Liech- Bildungssektor nicht zuletzt wegen der Integration der tenstein im Bereich der Biosicherheit. Ziel der Vereinigung Schweiz in die europäische Bildungslandschaft stellen ist die Harmonisierung des Vollzugs von Massnahmen, de- muss. Ausgelöst wurde der Zentralisierungsprozess zum nen folgende Gesetze zu Grunde liegen: Umweltschutzge- einen durch die Verhandlungen der Schweiz mit der Euro- setz, Gentechnikgesetz, Einschliessungsverordnung, Frei- päischen Union über den freien Personenverkehr. Der Ab- setzungsverordnung, Störfallverordnung. schluss der Verhandlungen 1999 bedingte die Anpassung auf Bundesebene stattgefunden. Die Bündelung der Kompetenzen auf Bundesebene ist eine Antwort auf die gros- bestehender Gesetze in der Schweiz an EU-Recht. Zum Interkantonale Zusammenarbeit bei der ­Ausbildung im Bereich Gesundheit zweiten hat die Schweiz zusammen mit 29 weiteren europäischen Staaten 1999 die Bologna-Erklärung unterzeichnet und sich damit verpflichtet, bis ins Jahr 2010 die Ziele Ausgangslage der Bologna-Erklärung umzusetzen: die Harmonisierung Auf dem Gebiet der Ausbildung im Gesundheitswesen der Studienstrukturen in Europa (Einführung des zwei- können die Kantone auf eine lange Tradition der überre- stufigen Studiums mit Bachelor- und Master-Abschluss), gionalen Zusammenarbeit zurückblicken. Es lassen sich die Verbesserung der Diplomanerkennung, die Förderung zwei verschiedene Formen der Zusammenarbeit im Be- der Mobilität und die Förderung der Zusammenarbeit in reich der Aus- und Weiterbildung in den Gesundheitsbe- Fragen der Qualitätssicherung. rufen unterscheiden. ■ ■ 110 Was die nicht-universitäre Berufsausbildung anbelangt, Auf diesem Hintergrund fand der Zentralisierungsprozess haben die Kantone als allein zuständige staatspolitische im Bereich Berufsbildung seinen Ausdruck konkret unter Akteure ihre Kompetenzen bis im Jahr 2004 über ein anderem in folgenden Beschlüssen: komplexes System von interkantonalen Vereinba- 1. Integration der Gesundheitsberufe in die schweize- rungen und Koordinationsorganen wahrgenommen. rische Bildungssystematik: 1999 beschloss die Schwei- Die Zusammenarbeit der Kantone in der universitären zerische Konferenz der kantonalen Gesundheitsdi- Ausbildung der Medizinalpersonen geht über das ei- rektorinnen und -direktoren (GDK), die Berufe des gentliche System der interkantonalen Vereinbarungen Gesundheitswesens neu zu ordnen mit dem Resultat, hinaus und ist ein klassisches Beispiel der geteilten dass die Gesundheitsberufe Schritt für Schritt in die Kompetenzen und Aufgaben zwischen Bund und Kan- schweizerische Bildungssystematik der übrigen Berufe tonen. Während die Kantone als Träger der Universi- integriert werden. Im Einzelnen sprach sich die GDK täten für die medizinischen Fakultäten verantwortlich 1999 für die Tertiarisierung der Diplomberufe und für Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5 2. Ausdehnung der Bundeskompetenz auf sämtliche Be- Seit den 1970er-Jahren haben die Kantone zwecks Rege- rufsbildungen ausserhalb des Hochschulbereichs: Eben- lung der Berufsausbildung im Gesundheitssektor eng zu- falls 1999 hat das Stimmvolk die total revidierte Bundes- sammengearbeitet.64 Die Schweizerische Konferenz der verfassung angenommen und damit der Ausdehnung 26 kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren der Bundeskompetenz auf sämtliche Berufsbildungen (seit 2004 GDK, früher SDK) diente als politisches Koordi- ausserhalb des Hochschulbereichs zugestimmt. Analog nationsorgan mit Rechtsetzungskompetenzen und war bis zum Zuständigkeitswechsel auf gesamtschweizerischer 2004 insbesondere für die Ausbildungsbestimmungen und Ebene haben viele Kantone die Verantwortlichkeiten die Anerkennung aller nichtuniversitären Gesundheitsbe- für die Berufsbildung im Gesundheitswesen von den rufe verantwortlich.65 In einer Vereinbarung (1976) hatten Gesundheitsdepartementen in die Erziehungsdeparte- die Kantone dem Schweizerischen Roten Kreuz die recht- mente transferiert. Auf der interkantonalen Ebene liche Legitimation zur Regelung und Überwachung der Be- spielt neu die Schweizerische Konferenz der kanto- rufe im Gesundheitswesen übertragen. Faktisch hat das nalen Erziehungsdirektoren (EDK) bzw. deren Fach- Schweizerische Rote Kreuz (SRK) diese Rolle bereits seit konferenz, die Schweizerische Berufsbildungsämter- Jahrzehnten gespielt. Erste Richtlinien zur Ausbildung von konferenz (SBBK), anstelle der GDK eine zentrale Krankenschwestern hat das SRK im Jahr 1925 erlassen. Rolle. Seit 1965 unterstützen die Kantone zudem das SRK regel- 3. Ausdehnung der Bundeskompetenz auf den Bereich mässig finanziell bei der Erfüllung seines Ausbildungsauf- «Weiterbildung der medizinischen Berufe»: Der Anstoss trags.66 Zudem regelten die Kantone über Vereinbarungen zur Neuregelung kam nach dem Scheitern des Beitritts die Abgeltungen für die Ausbildung im nicht-universitären der Schweiz zum europäischen Wirtschaftsraum 1992 Tertiärbereich. Ab 2004 ist der Bund für die nicht-univer- von den Kantonen selbst. Die gesetzliche Regelung sitäre Berufsausbildung im Gesundheitsbereich zuständig der Weiterbildung wurde 2001 mit der Teilrevision des und die Rolle der SRK wird im Zuge dieses Transfers über- Bundesgesetzes vom 19. Dezember 1877 betreffend die dacht. Freizügigkeit des Medizinalpersonals in der Schweize- Der überregionale Charakter der Zusammenarbeit in der rischen Eidgenossenschaft (FMPG) angepasst und zu- Berufsbildung kommt unter anderem darin zum Ausdruck, sammen mit der Verordnung über die Weiterbildung und dass die meisten interkantonalen Vereinbarungen in der Anerkennung der Diplome und Weiterbildungstitel der Gesundheitsbildung von mehreren Kantonen unterzeich- medizinischen Berufe per 1. Juni 2002 in Kraft gesetzt. net wurden. Damit hebt sich dieser Bereich von anderen Das FMPG wird voraussichtlich 2008 vom Bundesge- wie die Gesundheitsversorgung oder die Gesundheitsför- setz über die Regelung der Medizinalberufe (MedBG) derung ab, wo es kaum zu regionalen oder überregionalen abgelöst. Die Regelung betreffend die Weiterbildung Vereinbarungen zwischen den Kantonen gekommen ist, wurde im MedBG weitgehend übernommen und in Teil- sondern bilaterale Absprachen vorherrschen. Teil II Zusammenarbeit stufe II aus («Fachangestellte Gesundheit»). Lange Tradition der interkantonalen Zusammen­ arbeit in der Berufsbildung Teil III Perspektiven die Konzeption einer neuen Berufslehre auf Sekundar- Referenzrahmen Teil I bereichen wie der Akkreditierung konkretisiert. An der Formulierung des MedBG haben die Kantone aktiv mitgearbeitet (siehe hierzu auch Kapitel 6.3.5). Die nachfolgenden Abschnitte beleuchten zwei Aspekte der interkantonalen Zusammenarbeit im Ausbildungssektor: Die lange Tradition der interkantonalen Zusammenarbeit in der ausseruniversitären Ausbildung im Gesundheitswesen sowie die unterschiedlichen Ausbildungskulturen zwischen der lateinischen Schweiz und der Deutschschweiz. 64 Siehe hierzu die Liste der interkantonalen Vereinbarungen im Bereich Gesundheit im Anhang zu Kapitel 5. 65 Für den Vollzug der «Interkantonalen Vereinbarung über die Anerkennung von Ausbildungsabschlüssen» (1993) besitzen die Gesundheitsdirektorenkonferenz (GDK) und die Erziehungsdirektorenkonferenz (EDK) Rechtsetzungskompetenzen. Zudem sind die beiden GDK-Erlasse «Verordnung über die Anerkennung von ausländischen Ausbildungsabschlüssen» (1997), die «Verordnung über die Anerkennung kantonaler Ausbildungsabschlüsse im Gesundheitswesen in der Schweiz» (1999) sowie die Verordnung über die Anerkennung kantonaler Fachhochschuldiplome im Gesundheitswesen (2001) rechtlich bindend. 66 Vereinbarung zwischen den Kantonen und dem Schweizerischen Roten Kreuz betr. die berufliche Ausbildung des Pflegepersonals, des medizinisch-technischen und des medizinisch-therapeutischen Personals (in Kraft seit 1976). Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5 111 Referenzrahmen Teil I Zusammenarbeit Teil II Tabelle 19: Massnahmen der GDK im Bereich der nicht-universitären Gesundheitsberufe (Auswahl) Zukunft über die Dach-Organisation der Arbeitswelt Ge- 1999 Beschluss Neue Bildungssystematik Gesundheitsberufe: Tertiarisierung der Diplomausbildungen im Gesundheitssektor; Berufslehre auf Sekundarstufe II sundheitswesen einbringen. 2000 Verabschiedung Profil Fachhochschulbereich Gesundheit (überarbeitet 2004) 2001 Verordnung der GDK über die Anerkennung kantonaler Fachhochschuldiplome 2001 Integration der Medizinisch-technischen und Medizinisch-therapeutischen Berufe (MTT-Berufe) in die Bildungssystematik 2002 2002 Teil III Perspektiven 2004 2004 2005 Unterschiedliche regionale Ausbildungskulturen Der bisher ausseruniversitäre Tertiärbereich bei den Gesundheitsberufen wird zurzeit von Grund auf reformiert. Um die zunehmende Nachfrage nach qualifizierten Arbeitskräften zu befriedigen und um die internationale Anerkennung der Ausbildungsabschlüsse zu erleichtern, werden die meisten dieser höheren Berufsausbildungen Verabschiedung Bildungsverordnung Fachangestellte Gesundheit/Fachangestellter Gesundheit umstrukturiert und in die regionalen «Fachhochschulen» Verabschiedung Revidierte Ausbildungsbestimmungen für die Ausbildung zur dipl. Pflegefachfrau/zum dipl. Pflegefachmann (Aufhebung der beiden Diplomniveaus Der Fachhochschulbereich ist bis heute der einzige Be- von 1992) 2004 sundheit (OdA Gesundheit) in die Berufsbildung im Ge- Verabschiedung überarbeitetes Profil Fachhochschulbereich Gesundheit. Die Lösung der Romandie wurde zur allgemein gültigen. Beschluss Positionierung Physiotherapie und Ergotherapie ausschliesslich auf Fachhochschulstufe (FH) (hautes écoles spécialisées) integriert. reich, in dem die Kantone regional planen. Ganz freiwillig erfolgte die Planung nicht. Es brauchte das Bundesgesetz über die Fachhochschulen von 1995, das die Kantone verpflichtete, ihre 28 Ingenieurschulen resp. Höheren Technischen Lehranstalten (HTL), 21 höheren Wirtschafts- und Verwaltungsschulen (HWV) und neun Höheren Fachschulen für Gestaltung (HFG) mit fast 200 Studiengängen in Schaffung von Fachhochschulstudiengängen im Bereich Pflege sieben Fachhochschulregionen zusammenzufassen. Aber Beschlüsse betreffend die Integration von Gesundheitsberufen in die Bildungssystematik: Höhere Fachschule: Medizinisches Labor, Dentalhygiene Fachhochschule (ab 2009): Hebamme, Ernährungsberatung nanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund auch die Vorbereitungsarbeiten zur Neugestaltung des Fiund Kantonen (NFA) könnten hier eine Rolle gespielt haben. Die im Jahr 2005 vom Stimmvolk angenommene NFA verpflichtet die Kantone im Fachhochschulbereich zur Zusammenarbeit. Der Grund für die Forderung des Bundes nach der Bildung von Fachhochschulregionen besteht in der Auffassung, dass das Einzugsgebiet eines Kantons für Als interkantonales Koordinationsorgan hat die GDK im eine einzelne Fachhochschule in der Regel zu klein ist. Rahmen der Integration der Gesundheitsberufe in die Heute gibt es sieben öffentliche Fachhochschulen und Bildungssystematik der Schweiz richtungsweisende Be- eine private Fachhochschule in der Schweiz. schlüsse auf dem Gebiet der Ausbildung gefasst. Die Überführung der Gesundheitsberufe in Bundeskom- Aus Distanz lassen sich zwischen der Deutschschweiz und petenz bedingte zwischen 1999 und 2004 eine enge Zu- der Romandie zwei Ausbildungskulturen beobachten: sammenarbeit zwischen Bund und Kantonen. Zu diesem 112 Zweck hatten sich Bund und Kantone auf eine gemein- Fachhochschule Gesundheit in der Westschweiz same Projektorganisation «Transition» geeinigt (siehe In der französischsprachigen Schweiz hatte sich unter hierzu auch Kapitel 6: Zusammenarbeit zwischen Bund dem Einfluss der Modelle in Frankreich, Belgien und und Kantonen). Quebec und im Hinblick auf die schon seit Jahren viel Nach Abschluss der Integration der Gesundheitsberufe höheren Quoten von Zugängerinnen zu den Gesundheits- in die Bildungssystematik der Schweiz wird die Ver- ausbildungen mit einer abgeschlossenen schulischen antwortung für diesen Bereich zur Erziehungsdirekto- Sekundarstufe II (Maturität und Diplommittelschule) renkonferenz (EDK) wechseln, die als interkantonales Fachhochschulstudiengänge entwickelt. Für die in der Koordina­tionsorgan der Ansprechpartner des Bundes in Westschweizer Gesundheits- und Sozialdirektorenkonfe- der Regelung der Berufsbildung ist. Die GDK wird sich in renz (CRASS) zusammengeschlossenen Kantone war es Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5 arisierung der Gesundheitsausbildungen so umzusetzen, Medizinischen Fakultät der Universität Basel, das erste dass Pflege, Ergo- und Physiotherapie, Geburtshilfe, Er- und bis jetzt einzige universitäre Institut für Pflegewissen- nährungsberatung und medizinisch-technische Radiologie schaft an einer Schweizer Universität. Im Unterschied zur auf Fachhochschulebene angeboten würden. Bereits 2001 Westschweiz sahen sich die Kantone der Deutschschweiz entstand auf der Basis einer Interkantonalen Vereinbarung ausserstande, dem Beschluss der GDK aus dem Jahre die Fachhochschule Westschweiz für Gesundheit und So- 1999 zu folgen. Bei ihnen war das klassische Modell der ziale Arbeit FH-GS (Haute école specialisée Santé-Social dualen Berufsausbildung (parallele Ausbildung in Betrieb HES-S2). Heute bietet die HES-S2 zehn Studiengänge in und Berufsschule) und nicht etwa das in ihren Augen pra- Gesundheit an. Wie schon das Beispiel der Gesundheits- xisferne Studium das vorherrschende Modell. In den letz- förderung und Prävention gezeigt hat, belegt auch das ten zwei Jahren wurden jedoch eingehende Abklärungen Beispiel Ausbildung, dass die Kantone der Westschweiz durch das Zentralsekretariat der GDK in Zusammenarbeit eher als die Kantone der Deutschschweiz bereit sind, Pro- mit den betroffenen Organisationen und Institutionen jekte über ihre regionale Gesundheitsdirektorenkonferenz getroffen. In den Kantonen der Deutschschweiz und des zu realisieren. Tessins befinden sich zurzeit mehrere Fachhochschulprojekte im Bereich Gesundheit in Planung: ■ Pflege: Kantone St. Gallen, Zürich, Bern, Tessin Westschweiz: Fachhochschule für Gesundheit ■ Physiotherapie: Kantone Bern, Zürich, Tessin Die sechs Westschweizer Kantone und der Kanton Bern ■ Ergotherapie: Kanton Bern oder Zürich und Kanton haben 2001 die interkantonale Vereinbarung zur Grün- Teil II Zusammenarbeit nahme bildet das Institut für Pflegewissenschaften an der Teil III Perspektiven denn auch klar, den GDK-Beschluss von 1999 zur Terti- Referenzrahmen Teil I Tessin dung der Fachhochschule Westschweiz für Gesundheit Diese drei Ausbildungsgänge werden 2006 starten. Auch und soziale Arbeit (FH-GS) unterzeichnet. Geplant ist, die Ausbildungsgänge Ernährungsberatung und Hebam- die Fachhochschule Westschweiz und die Fachhoch- me sollen bis spätestens 2009 in der Deutschschweiz auf schule Gesundheit und soziale Arbeit bis 2006 zu einer Fachhochschulebene angeboten werden. einzigen Fachhochschule zusammenzufassen. In Vorbereitung Dienstleistungszentrum Berufsbildung: Die kantonalen Fachhochschule Gesundheit in der Deutschschweiz Erziehungsdirektorinnen und -direktoren planen ein ge- Der Grossteil der Diplomausbildungen im Gesundheits- meinsames Dienstleistungszentrum Berufsbildung, Be- sektor in der Deutschschweiz war bis vor kurzer Zeit auf rufs-, Studien- und Laufbahnberatung (DBB). Dieses soll der Stufe Höhere Fachschule (HF) positioniert. Eine Aus- ab 2007 eine ganze Reihe von Dienstleistungen zentral für Tabelle 20: Ausbildung in den Gesundheitsberufen: interkantonale Zusammenarbeit in der Deutschschweiz BE, FR, SG, ZH Der Kanton Bern plant für die Deutschschweiz zusammen mit den Kantonen Freiburg, St. Gallen und Zürich gemeinsame Studiengänge auf Niveau Fachhochschule oder Höhere Fachschule in den Bereichen Hebamme, Physiotherapie, Ergotherapie, medizinisch-technische Radiologie und Ernährungsberatung. In Verhandlungen haben sich die Regierungsrätinnen und Regierungsräte auf Standorte für künftige Studiengänge geeinigt. Ergotherapie soll an der Zürcher Fachhochschule, Ernährungsberatung an der Berner Fachhochschule angeboten werden (2005). Zentralschweiz Die Kantone der Zentralschweiz planen eine Höhere Fachschule für nichtärztliche Gesundheitsberufe mit drei Kompetenzzentren in Luzern, Sarnen und Zug. BL, BS Auf dem Hintergrund des neuen Berufbildungsgesetzes haben die Regierungen der Kantone Basel-Stadt und BaselLandschaft Ende 2002 beschlossen, die Neukonzeption der Ausbildungen im Gesundheitswesen auf Sekundarstufe II und im Tertiärsektor gemeinsam anzugehen. Basel-Landschaft ist für den Ausbildungsgang Fachangestellte Gesundheit (FaGe) verantwortlich und hat zu diesem Zweck im Jahr 2004 eine Leistungsvereinbarung mit dem Kanton Basel-Stadt abgeschlossen. Der Kanton Basel-Stadt ist Träger der Höheren Fachschule Gesundheit und hat im Jahr 2004 eine Leistungsvereinbarung mit dem Kanton Basel-Landschaft betreffend Leistungen der Höheren Fachschule Gesundheit Basel-Stadt abgeschlossen. Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5 113 Referenzrahmen Teil I Zusammenarbeit Teil II Perspektiven Teil III alle Kantone anbieten: Informationsmittel, Ausbildungs- nicht sein: 26 souveräne Kantone mit gleicher Rechtsstel- unterlagen, Entwicklung und Koordination der Weiter- lung, aber verschieden in Kultur, Sprache, Grösse, wirt- bildung für die Fachleute der Berufsbildung und Berufs- schaftlichem Potential. Dazu kommen 26 kantonale Ge- beratung. Das Dienstleistungszentrum wird – getragen sundheitspolitiken. von den Kantonen – Vollzugs- und Entwicklungsarbeiten Die Darstellung der interkantonalen Formen der Zusam- übernehmen, die interkantonale Zusammenarbeit unter- menarbeit zeigt nun aber, dass es den Kantonen gelun- stützen und Dienstleistungen für die Kantone und für die gen ist, ihre historischen, sprachlichen und kulturellen Organisationen der Arbeitswelt erbringen. Besonderheiten sowie ihre unterschiedlichen politischen Schweizerisches Berufsregister: Der Bildungsrat der GDK Vorstellungen unter dem Dach verschiedener Ordnungs- hat am 16. März 2005 dem Vorstand empfohlen, einer prinzipien wie den kooperativen Föderalismus und den neuen Vorschrift für die Führung eines Registers über funktionellen Föderalismus zu integrieren. Von den be- Abschlüsse in den nicht-universitären Gesundheitsberu- grifflichen Inkonsistenzen einmal abgesehen, können die fen zuzustimmen (Interkantonale Vereinbarung zur Regis- Kantone im Rahmen dieser Ordnungsprinzipien über die trierung der Ausbildungsabschlüsse). Die entsprechende Zusammenarbeit ihre Unterschiede bis zu einem gewissen Rechtsgrundlage würde im Rahmen einer Revision der Grad ausgleichen und gleichzeitig ihre Autonomie bewah- interkantonalen Vereinbarung zur Diplomanerkennung ren. Die verschiedenen Ausprägungen des gelebten Fö- von 1993 geschaffen. Im von den Kantonen getragenen deralismus finden seit Beginn des 20. Jahrhunderts ihren Register sollen berufsrelevante Verstösse von Berufsange- Ausdruck unter anderem in den zahlreichen Zusammen- hörigen verzeichnet und damit allenfalls gesamtschweize- arbeitsgremien auf regionaler und schweizerischer Ebene: risch Berufsverbote durchgesetzt werden. die Schweizerische Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren (GDK) oder die regi- Würdigung onalen Gesundheitsdirektorenkonferenzen. In diesen Gre- Die Überführung der Gesundheitsausbildungen in Bundes­ mien versuchen die Kantone einerseits eine Einheit in der kompetenz abschliessend zu würdigen, ist an dieser Stel- Vielfalt zu bilden, beispielsweise über regionale und ge- le nicht möglich. Die aufgeführten Beispiele zeigen aber, samtschweizerische Koordinationsmassnahmen auf dem dass die Kantone trotz ihrer unterschiedlichen Kulturen Gebiet der Aus- und Weiterbildung in den Gesundheitsbe- auf schweizerischer Ebene über Gremien verfügen, die rufen. Mit Hilfe des funktionellen Föderalismus hingegen, in verhältnismässig kurzer Zeit richtungsweisende stra- der sich in den zahlreichen Vereinbarungen zwischen zwei tegisch-politische Entscheide vorbereitet und umgesetzt Kantonen niederschlägt, strebt jeder Kanton eine optima- haben. Es wird interessant sein zu beobachten, wie sich le und bürgernahe Befriedigung eigener Bedürfnisse an die föderalistische Kompetenzaufteilung im Bereich der (u. a. durch die Bildung von funktionalen Regionen, insbe- ausseruniversitären und universitären Ebene in den näch- sondere im Spitalsektor). Erste bilaterale Vereinbarungen sten Jahren entwickeln wird. wurden bereits vor 100 Jahren abgeschlossen. Zusammenarbeit im Rahmen des funktionellen Föderalismus dient dabei als Mittel, die kantonale Autonomie zu erhalten. 5.7 Zusammenfassung Nachfolgend werden die vielfältigen Formen und Themen Kapitel 5 begann mit der Frage, ob angesichts der 26 kan- dargestellt, bevor die Grenzen der Zusammenarbeit zur tonalen Gesundheitspolitiken in der Schweiz eine natio- Sprache kommen. der interkantonalen Zusammenarbeit noch einmal kurz nale Gesundheitspolitik möglich ist. Um Antworten auf tersucht, wie die Kantone selbst mit der Fragmentierung Vielfältige Formen der interkantonalen ­Zusammenarbeit und Kleinräumigkeit im Sektor Gesundheit umgehen. Zu In Kapitel 5 konnte gezeigt werden, dass die Kantone eine diesem Zweck wurden die verschiedenen Formen und In- lange Tradition der Zusammenarbeit im Bereich Gesund- halte der interkantonalen Zusammenarbeit vorgestellt. heit aufweisen. Sichtbare Zeichen der interkantonalen Zu- Die Voraussetzungen für eine nationale Gesundheitspolitik sammenarbeit sind neben den zahlreichen bi- und multi- in der Schweiz könnten auf den ersten Blick ungünstiger lateralen Vereinbarungen die Strukturen, die die Kantone die Frage zu finden, wurde in diesem Kapitel zunächst un- 114 Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5 abschliessen können (siehe Anhang am Ende dieses Ka- auf nationaler, seit den 1970er-Jahren auch auf regionaler pitels). Die in den letzten 5 Jahren ausgearbeitete inter- Ebene aufgebaut haben. Die Wahrung der politischen Sou- kantonale Vereinbarung über die Koordination spitzen- veränität der Kantone ist dabei ein bestimmender Faktor medizinischer Angebote gilt wegen des Widerstands des der interkantonalen Zusammenarbeit. Mit anderen Wor- Kantons Zürich zum jetzigen Zeitpunkt als gescheitert. ten: Bis heute stehen die gesundheitspolitischen Bedürfnisse sowie die wirtschaftlichen und finanziellen Interes- Strukturiert sen eines jeden Kantons im Zentrum der Zusammenarbeit Mit Hilfe von Kooperationsstrukturen auf schweizerischer und weniger der Wunsch nach einem aufeinander abge- und später auch auf regionaler Ebene haben sich die Kan- stimmten Vorgehen. tone Plattformen geschaffen, wo sie regelmässig Informa- Teil II Zusammenarbeit seit 1919 (Gründung der GDK) zu diesem Zweck zunächst Referenzrahmen Teil I tionen und Erfahrungen austauschen sowie gemeinsame Projekte entwickeln und umsetzen können. Die struktu- Die sporadische und punktuelle Zusammenarbeit bietet rierte interkantonale Zusammenarbeit beruht auf Freiwil- den Kantonen die Möglichkeit, entsprechend den gesund- ligkeit. heitlichen und kulturellen Bedürfnissen der kommunalen Auf schweizerischer Ebene hat sich die Schweizerische bzw. kantonalen Bevölkerung in einem überschaubaren Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und Rahmen gesundheitspolitisch relevante Projekte zu lan- -direktoren (GDK) in den 85 Jahren ihres Bestehens zu cieren und zu testen (Projekte der Gesundheitsförderung einem zentralen Gesprächsforum entwickelt. Mit Hilfe und Prävention, Einrichtung interkantonaler Spitäler und dieser Plattform haben die kantonalen Gesundheitsdi- medizinischer Kompetenzzentren, Einführung von Health rektorinnen und –direktoren unter anderem gesund- Impact Assessmment, Pilotversuch Versichertenkarte). heitspolitische Weichen für die Regulierung der Aus- und Dezentrale Strukturen fördern darüber hinaus die Ent- Weiterbildung in den Gesundheitsberufen sowie für die wicklung verschiedener Projekte zu ähnlichen Themen, Gewährleistung des Gesundheitsschutzes stellen können. auch solche mit neuen bzw. innovativen Ansätzen, und da- Auf regionaler Ebene weist die Zusammenarbeit zwischen mit den Wettbewerb unter den Projekten. Jedoch haben den Kantonen einen nur geringen Politisierungsgrad auf. In diese Projekte oft nur einen geringen Bekanntheitsgrad, den letzten Jahren sind jedoch Ansätze erkennbar, die da- sowohl unter den Kantonen als auch auf eidgenössischer rauf hindeuten, dass sich eine Art regionales Bewusstsein Ebene und ihr Innovationspotential kann deshalb kaum für gesundheitspolitische Themen auszubilden scheint. Teil III Perspektiven Sporadisch und punktuell genutzt werden. Vertraglich Vielfältige Themen der interkantonalen ­Zusammenarbeit Die vertragliche Zusammenarbeit in Form der interkan- Auch wenn jeder Kanton in den letzten 25 Jahren viel Zeit tonalen Vereinbarungen betrifft zu einem grossen Teil und Energie in die Gesundheitsversorgung investiert hat, die ausserkantonale stationäre Behandlung. Da, wo ent- ist es den Kantonen immer wieder gelungen, alle Bereiche sprechende Angebote fehlen, kaufen die Kantone diese der Gesundheit – Verbraucherschutz, Gesundheitsschutz, Leistungen extern bei anderen Kantonen ein. Zu diesem Prävention, Gesundheitsförderung, medizinische Versor- Zweck haben die Kantone in den letzten Jahrzehnten zahl- gung, Rehabilitation und Bildung – zu Themen der inter- reiche, vor allem bilaterale Vereinbarungen abgeschlossen kantonalen Zusammenarbeit zu machen. Die Intensität und in einigen Fällen auch vertraglich festgelegte Funk- der Zusammenarbeit variiert dabei stark nach Bereich tionalregionen gebildet. Die Vereinbarungen weisen eine und Region. Stand vor 100 Jahren der Gesundheitsschutz hohe Verbindlichkeit auf und funktionieren erfolgreich (Bekämpfung übertragbarer Krankheiten) sowie die inter- vor allem dann, wenn sie zwischen einigen Kantonen ab- kantonale Regelung der Ausbildung in den Gesundheits- geschlossen werden. Diese Form der Zusammenarbeit hat berufen im Vordergrund, ist es seit den 1960er-Jahren die den Vorteil, dass sie – ökonomisch gesprochen – zu «Win- Optimierung der stationären Gesundheitsversorgung in win-Lösungen» führen. den einzelnen Kantonen. Seit 10 Jahren prägen zwei wei- Auf gesamtschweizerischer Ebene haben die Kantone tere Schwerpunkte die interkantonale Zusammenarbeit: interkantonale Vereinbarungen erst in wenigen Fällen das neue Bundesgesetz über die Krankenversicherung Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5 115 Referenzrahmen Teil I Zusammenarbeit Teil II und deren Umsetzung durch die Kantone sowie die Über- fen haben die Kantone seit Beginn des 20. Jahrhunderts tragung der kantonalen Kompetenz bei der Ausbildung in eine Koordination auf schweizerischer Ebene angestrebt den Gesundheitsberufen auf den Bund. und realisiert. In diesem Prozess der Harmonisierung Während beim Gesundheits- und Konsumentenschutz so- haben die Kantone auch Kompetenzen dem Bund über- wie bei der Aus- und Weiterbildung in den Gesundheits- tragen. Entscheidendes Koordinationsgremium war hier berufen die strukturierte Zusammenarbeit besonders die Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen ausgeprägt ist, überwiegen bei der stationären Gesund- und -direktoren (GDK). Es scheint, dass internationaler heitsversorgung die bilateralen Vereinbarungen (siehe Li- Druck hinsichtlich der Anerkennung von Ausbildungsdi- ste im Anhang). Schwach war und ist die Zusammenarbeit plomen (unter anderem Bologna-Reform) die Suche nach zwischen den Kantonen auf dem Gebiet der Gesundheits- nationalen Lösungen beschleunigt hat. Die Neuordnung förderung und Krankheitsprävention. der Verfassungsbestimmungen zur Bildung, über die das Stimmvolk im Jahr 2006 abstimmen wird, zeigt zudem auf Perspektiven Teil III Gesundheitsschutz und Prävention Verfassungsebene einen Weg auf, wie Bund und Kantone In den Bereichen Gesundheitsschutz und Verhütung über- gemeinsam Verantwortung für die Steuerung des Bil- tragbarer Krankheiten arbeiten die Kantone bereits seit dungswesens in der Schweiz übernehmen können – ein Jahrzehnten intensiv regional, überregional und national möglicher Weg auch für den Sektor Gesundheit. zusammen. Dank einer wirkungsvollen Präventionspolitik durch Bund und Kantone im 19. und 20. Jahrhundert Gesundheitsversorgung und dank der Fortschritte auf dem Gebiet der Impfungen Seit den 1960er-Jahren sind die kantonalen Gesundheits- konnten die übertragbaren Krankheiten stark einge- politiken und damit auch die interkantonale Zusammen- schränkt werden. Mit dem Auftreten von Aids und mit arbeit im Wesentlichen auf die stationäre Gesundheits- der Zunahme des Konsums illegaler Drogen in den 1980er versorgung ausgerichtet. Die zahlreichen bilateralen Jahren kehrte die Prävention auf die Traktandenliste der Vereinbarungen, die Kantone in diesem Bereich abge- interkantonalen Gremien zurück. schlossen haben, führen zu zwei Erkenntnissen. Erstens: In den letzten 10 Jahren war die Krankheitsprävention nur Planung und Koordination in der stationären Gesund- noch selten ein Thema der interkantonalen Zusammenar- heitsversorgung finden auf kantonaler Ebene bereits seit beit. Über die Umsetzung der Bundesgesetze in Bereichen mehreren Jahrzehnten statt und haben nicht erst mit dem wie Epidemienbekämpfung, Strahlenschutz, Lebensmit- Bundesgesetz über die obligatorische Krankenversiche- telsicherheit, Heilmittelkontrolle oder Unfallverhütung rung im Jahre 1996 eingesetzt. Zweitens: Die vielen Ein- garantieren die Kantone den Gesundheitsschutz ihrer zelabkommen verdeutlichen, dass die Kantone bis jetzt Bevölkerung. Dies geschieht in Form regelmässiger Kon- ihre Angebote im Bereich der ambulanten und stationären trollen, unter anderem bei den Lebensmitteln oder beim Gesundheitsversorgung zwar bilateral, aber kaum regio- Trinkwasser, aber auch bei den Sicherheitsbestimmungen nal oder überregional koordiniert haben (siehe hierzu den am Arbeitsplatz. Die gesamtschweizerische Koordination Anhang «Interkantonale Vereinbarungen im Sektor Ge- wird über gut funktionierende Netzwerke bestehend aus sundheit» am Ende dieses Kapitels). Kantonsärzten, Kantonschemikern, Kantonsapothekern und Kantonsveterinären sowie über die kantonalen Ar- Gesundheitsförderung und Prävention beitsinspektorate gewährleistet. Seit den 1980er-Jahren realisieren die Kantone in An- Mit dem Auftreten übertragbarer Krankheiten wie BSE, lehnung an die Ottawa-Charta und die WHO-Gesund- SARS und Vogelgrippe hat die Prävention übertragbarer heitsziele Massnahmen im Sinne des modernen Public Krankheiten in der interkantonalen Zusammenarbeit wie- Health-Begriffs (Verhaltens- und Verhältnisprävention der an Aktualität gewonnen (siehe hierzu auch Kapitel sowie Gesundheitsförderung). Die Zusammenarbeit zwi- 6.3.3., Schweizerischer Pandemieplan). schen den Kantonen auf diesem Gebiet ist schwach. Jeder Kanton entwickelt gemäss der Bedürfnisse und 116 Aus- und Weiterbildung in den Gesundheitsberufen der verfügbaren Ressourcen seine eigenen gesundheits- Auf dem Gebiet der nicht universitären und universi- fördernden Strategien. Eine Ausnahme bildet die latei- tären Aus- und Weiterbildung in den Gesundheitsberu- nische Schweiz. Dank der interkantonalen Arbeitsgruppe Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5 medizin zustimmen. Es überrascht daher nicht, dass in motion de la santé) haben die Kantone der lateinischen nur wenigen Fällen alle 26 Kantone eine interkantonale Schweiz eine Reihe von Projekten gemeinsam realisieren Vereinbarung ratifiziert haben. Diese Einstimmigkeit trifft können. vor allem für den Sektor Ausbildung in den Gesundheits- Nach Bedarf arbeiten die einzelnen Kantone mit dem berufen und für die Heilmittelkontrolle zu. Die «Interkan- Bund oder mit der Gesundheitsförderung Schweiz zusam- tonale Vereinbarung über die Kontrolle der Heilmittel», men. Sowohl der Bund als auch die Gesundheitsförderung eine «Perle» der interkantonalen Zusammenarbeit, schei- Schweiz unterstützen mehrere kantonale und einige weni- terte 1988 beim Versuch der Revision der Vereinbarung ge interkantonale Projekte in finanzieller Hinsicht. am Widerstand zweier Kantone, so dass nach einer langen Teil II Zusammenarbeit DiPPS (Dispositif intercantonal de prévention et de pro- Referenzrahmen Teil I erfolgreichen Phase der interkantonalen Zusammenarbeit Grenzen der interkantonalen Zusammen­arbeit eine Lösung auf Bundesebene realisiert werden musste. Obwohl die Kantone seit rund 100 Jahren zusammen- Gegenwärtig scheint eines der wenigen interkantonalen arbeiten, ist es ihnen trotz zahlreicher Vereinbarungen Projekte auf schweizerischer Ebene im Bereich der Ge- und interkantonaler Strukturen und trotz unbestrittener sundheitsversorgung, die Koordination und Konzentrati- Erfolge noch nicht gelungen, da, wo wünschbar, Ansätze on spitzenmedizinischer Leistungen, am Widerstand des für regionale oder gesamtschweizerische Gesundheitspo- Kantons Zürich zu scheitern und damit ebenfalls eine litiken zu entwickeln. Auf diesem Hintergrund stellt sich Bundeslösung zu provozieren. Teil III bestehenden interkantonalen Formen der Zusammenar- Fehlender Gesamtblick auf die Gesundheit beit ausreichen, um auf das zunehmend komplexer wer- Am Anfang der interkantonalen Zusammenarbeit stehen dende Gesundheitssystem Schweiz mit konsensfähigen nicht gemeinsame gesundheitspolitische Ziele, sondern Lösungen reagieren zu können. Die Rede ist von der de- der Wunsch eines jeden Kantons, seine gesundheitspoli- mographischen Alterung der Gesellschaft, von der Zunah- tische Autonomie zu erhalten sowie seiner Bevölkerung me nicht übertragbarer Krankheiten, vom Kostendruck, ein optimales Angebot an Leistungen im Bereich Gesund- der auf dem Gesundheitssystem lastet, vom steigenden heitsversorgung zu garantieren. Wie die Kantonsporträts internationalen Druck (grenzüberschreitende Pande- in Teil IV des Berichts eindrücklich zeigen, fällt jeder Kan- mien, Nachvollzug internationaler Standards wie sie mit ton zunächst für sich seine politisch-strategischen Ent- der «Bologna-Reform» oder mit der internationalen Ta­ scheide, arbeitet an seiner eigenen kantonalen Gesund- bakkonvention vorgegeben sind). heitspolitik. Bei der Ausgestaltung dieser Politik stützen Aus dieser Perspektive zeigen sich folgende Schwächen sich die 26 Regierungen und Kantonsparlamente auf die der interkantonalen Zusammenarbeit: kantonalen Gesundheitsgesetze sowie auf ihre gesund- Perspektiven auf der politisch-strategischen Ebene die Frage, ob die heitspolitischen Strategien und Leitbilder. Die Ergebnisse Hohe Anzahl der Gliedstaaten und kulturelle Vielfalt dieser autonomen kantonalen Gesundheitspolitiken sind Ein Hemmschuh der interkantonalen Zusammenarbeit ist offensichtlich: Jeder Kanton besitzt sein eigenes Kantons- die mit 26 Kantonen hohe Anzahl von Gliedstaaten, die spital, entwirft mit wenigen Ausnahmen im Alleingang sich in Grösse, in ihrem wirtschaftlichen und finanziellen sein Alters- und Gesundheitsleitbild, konzipiert Spital- Potential, aber auch in ihren Gesetzessammlungen und und Psychiatrieplanungen, schreibt seinen kantonalen Verwaltungsstrukturen deutlich voneinander unterschei- Gesundheitsbericht oder entwickelt eigene Konzepte für den. Erschwerend auf die interkantonale Zusammenarbeit eine qualitative und quantitative Gesundheitsversorgung. wirken ausserdem die kulturelle Vielfalt der Schweiz, die Zwar haben sich mit den regionalen Gesundheitsdirek- sich nicht nur in den verschiedenen Sprachregionen mani- torenkonferenzen eindeutig identifizierbare regionale festiert, sondern auch innerhalb einer Sprachregion wie in Räume herausgebildet. Jedoch verhandeln die Kantone der Deutschschweiz. Der kooperative Föderalismus wird einer Region auch mit Kantonen aus anderen Regionen auf eine harte Probe gestellt, wenn es darum geht, dass über den Einkauf von Leistungen, wenn dies ihren wirt- eine Mehrheit der politisch und kulturell eigenständigen schaftlichen Interessen besser entspricht (sogenannte va- Einheiten, jede mit einem Vetorecht ausgestattet, einem riable Geometrie oder funktioneller Föderalismus). Diese Projekt wie zum Beispiel die Koordination der Spitzen- wechselnden Allianzen zahlen sich wirtschaftlich aus. Sie Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5 117 Referenzrahmen Teil I Zusammenarbeit Teil II Perspektiven Teil III erschweren aber nicht nur die Entstehung identitätsbil- bar und komplex. Einfache Lösungen für das in hohem dender Regionen, sondern auch die Entwicklung regional- Masse dezentrale Gesundheitssystem scheint es nicht ge- politischer Perspektiven im Sektor Gesundheit unter den ben zu können. Andererseits kann man sagen, dass dank Regierungsverantwortlichen der Kantone. dem dichten Netz von Vereinbarungen, Zusammenarbeitsgremien und interkantonalen Projektorganisationen die Rechtsstaatliche Grenzen Kantone bisher die Grundversorgung der Bevölkerung im Der Politikformulierung als Folge von verbindlichen Ver- Bereich Gesundheit sicherstellen und gesamtschweize- einbarungen zwischen kantonalen Regierungen («inter- risch ein hohes Mass an Versorgungsgerechtigkeit garan- kantonaler Exekutivföderalismus») sind in der Schweiz tieren konnten. Wenn man die interkantonalen Konkorda- wie auch in anderen föderalen Staaten rechtsstaatliche te und Konferenzen in diesem Licht betrachtet, erscheint Grenzen gesetzt. die Fragmentierung des schweizerischen Gesundheitssy- Kantonale Parlamente, die den berechtigten Anspruch stems in 27 Gesundheitspolitiken eher als Synonym für geltend machen, Politik auf regionaler und nationaler Vielfalt, Reichtum und Qualität denn als Last. Ebene mitzubestimmen, beurteilen regionales bzw. natio- Die interkantonale Zusammenarbeit bewegt sich heute nales Denken und Handeln skeptisch und befürchten eine in einem Spannungsfeld, in dem auf der einen Seite die Verwässerung demokratischer Entscheidprozesse. Aus ih- kantonale Verantwortung für die Sicherstellung einer op- rer Optik sind die zahlreichen interkantonalen Konkorda- timalen Gesundheitsversorgung unter Wahrung der kan- te, die Regierungsmitglieder untereinander aushandeln, tonalen Souveränität steht, und auf der anderen Seite schwerfällig, demokratiepolitisch fragwürdig, intranspa- der Druck nach konzertierten gesundheitspolitischen Ak­ rent und politisch kaum kontrollierbar. Ihre Skepsis fusst tionen steigt. Liegen Lösungsansätze in der Abschaffung auf der Tatsache, dass kantonale Parlamente interkanto- der Kantone, in der Bildung von funktionalen Grossregi- nale Vereinbarungen nur entweder annehmen oder ableh- onen (regionale Gesundheitszentren), in der Entwicklung nen können. einer interkantonalen Souveränität auf regionaler und/ Diese rechtsstaatlichen Grenzen dürften dafür verant- oder schweizerischen Ebene, in der Zentralisierung von wortlich sein, dass der Politisierungsgrad der interkanto- bisher kantonalen Gesundheitskompetenzen auf Bundes- nalen Gremien gering ist. Die kantonale Souveränität lässt ebene, in der Formulierung nationaler Gesundheitsziele die Delegation von Kompetenzen an eine nächst höhere mit entsprechenden nationalen Strategien? Nachfolgend Ebene nicht zu und schränkt damit den Handlungsspiel- werden einige Ansätze beschrieben, die die Kantone ih- raum der interkantonalen Gremien ein. Interkantonale rerseits anzubieten haben. Regierungskonferenzen – im Sektor Gesundheit sind dies Schweizerische Konferenz der kantonalen Gesundheitsdi- Neue Ansätze in der interkantonalen ­Zusammenarbeit rektorinnen und -direktoren (GDK) – beruhen deshalb auf Die Annahme der Vorlage «Neuregelung des Finanzaus- Freiwilligkeit und arbeiten ohne Entscheidkompetenzen. gleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kan- Dies wirkt sich auf die Art der Zusammenarbeitsprojekte tonen» (NFA) durch das Stimmvolk Ende 2004 könnte der aus, die mehrheitlich vollzugsorientiert sind. Die gestal- interkantonalen Zusammenarbeit weitere Impulse verlei- tenden und planenden Staatstätigkeiten bleiben dem je- hen und sie stärker als bisher überregional und national weiligen kantonalen Parlament und der kantonalen Re- ausrichten. die regionalen Gesundheitsdirektorenkonferenzen und die gierung vorbehalten. Solche Aufgaben interkantonalen Gremien zu übertragen, würde einen gewissen Souverä- Gemeinsame gesundheitspolitische Perspektiven nitätsverlust und eine Schwächung der kantonalen Parla- Im Zuge der langen Tradition der Zusammenarbeit unter mente nach sich ziehen. den Kantonen sind in den letzten Jahren Ansätze erkennbar, die in Richtung gemeinsame gesundheitspolitische Würdigung Perspektiven in einzelnen Bereichen weisen. Nachfolgend Ohne Zweifel präsentiert sich die interkantonale Zusam- werden einige Beispiele aufgelistet: menarbeit in ihren vielfältigen Formen und ihrem undurch- ■ sichtigen Netz von Vereinbarungen als schwer überblick118 Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5 Die Gesundheitsdirektorenkonferenz der Ostschweizer Kantone und des Fürstentums Liechtenstein führen das Westschweiz die «Interkantonale Vereinbarung über die tierte Bedarfsplanung im Bereich der medizinischen Aushandlung, Ausführung und Abänderung der interkan- Rehabilitation durch (seit 2002). tonalen Verträge und Vereinbarungen der Kantone mit Die Gesundheits- und Sozialdirektorenkonferenz der dem Ausland» ausgearbeitet (2000). Alle Westschweizer Westschweiz und des Tessin gibt eine Studie zur Ein- Kantone (FR, GE, JU, NE, VD, VS) haben diese Vereinba- richtung einer nationalen Einheitskrankenkasse in rung ratifiziert. Die Mitwirkung der Kantone erfolgt gemä- Auftrag, setzt Akzente in der Harmonisierung der kan- ss dieser Vereinbarung über eine interparlamentarische tonalen Gesundheitsgesetze der Westschweiz und lan- Kommission, die sich aus je 7 Vertretern pro betroffenen ciert als Region eine Reihe von Projekten der Gesund- Kanton zusammensetzt. Teil II Zusammenarbeit ■ Projekt Interkantonale KVG-konforme, leistungsorien- Referenzrahmen Teil I heitsförderung und Prävention. ■ Die Zentralschweizer Regierungskonferenz hat ihre Transparenz durch Dokumentation Infrastruktur im Jahr 2000 verstärkt mit dem Ziel, ge- Die Zentralschweizer Regierungskonferenz begegnet dem meinsame Vorstellungen zu entwickeln, wie die Zen- Vorwurf des Demokratiedefizits mit Transparenz. Sie ist tralschweiz in zwanzig bis dreissig Jahren aussehen dazu übergegangen, im Internet all ihre Geschäfte zu pu- könnte. blizieren, eine Vertragssammlung bereit zu halten und Erfolgsversprechend scheint der in den letzten Jahren über aktuelle Projekte zu informieren. Das Sekretariat der zu beobachtende Ansatz der Kantone zu sein, über die Zentralschweizer Regierungskonferenz führt zudem eine Schweizerische Konferenz der kantonalen Gesund- regelmässig aktualisierte Liste der Zusammenarbeitspro- heitsdirektorinnen und -direktoren mit konsolidierten jekte in der Zentralschweiz sowie eine Liste möglicher Zu- Haltungen einer Lösung auf nationaler Ebene näher sammenarbeitsfelder. Teil III Perspektiven ■ zu kommen. Aktuelle Beispiele finden sich hier in der Langzeitpflege und in der Spitalfinanzierung (siehe hierzu Kapitel 6). Multisektoraler und ganzheitlicher Ansatz in der Gesundheitspolitik Eine Herausforderung, der sich das Gesundheitssystem Arbeiten an einer «interkantonalen Souveränität» Schweiz stellen muss, ist, ein Gegengewicht und eine Die interkantonale Zusammenarbeit basierte bis jetzt auf Ergänzung zur Dominanz der kurativen Medizin und zur den Prinzipien der Souveränität der Kantone und der Frei- Ungleichheit der Verteilung von Gesundheitschancen an- willigkeit. Wie bereits dargelegt wurde, bekunden die kan- zubieten. Ein möglicher Weg hierzu bietet das multisekto- tonalen Parlamente daher Mühe mit interkantonalen Gre- rale und ganzheitliche Verständnis von Gesundheit. Hier- mien, die verbindliche Entscheide treffen. Die Diskussion zu liegen einige Ansätze in den Kantonen vor (siehe Band über mögliche Demokratiedefizite hat sich mit der Annah- 2, Kantonale Gesundheitspolitiken: 9 Porträts): me der «Neuregelung des Finanzausgleichs und der Auf- ■ gabenteilung zwischen Bund und Kantonen» (NFA) durch das Stimmvolk Ende 2004 noch akzentuiert: Mit der NFA Idee und Projekte auf dem Gebiet «Health Impact Assessment» ■ Stärkung der Gesundheitsförderung und Prävention können die Kantone zur regionalen und schweizerischen in der Westschweiz durch das Einrichten der Inter- Zusammenarbeit in ausgewählten Gesundheitsbereichen kantonalen Fachstelle für Gesundheitsförderung und verpflichtet werden (siehe hierzu auch Kapitel 6.5). Noch Prävention (DiPPS) und deren Einbettung in die West- offen ist zudem, wie sich die Umsetzung der NFA auf die schweizer Gesundheits- und Sozialdirektorenkonferenz Tätigkeiten der Schweizerischen Konferenz der kanto- (CRASS) nalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren (GDK) ■ auswirken wird. Die Erweiterung der Gesundheitsdirektorenkonferenzen der Zentral- und der Westschweiz um den Sektor Soziales Einbezug der kantonalen Parlamente ■ Die regionalen Regierungskonferenzen als mögliche ■ Die Massnahmen einiger Kantone zur Stärkung der Ge- Um die kantonalen Parlamente in die Ausgestaltung interkantonaler Vereinbarungen von Anfang an einzubeziehen, hat die Westschweizer Regierungskonferenz in Träger multisektoraler Gesundheitsthemen sundheitskompetenzen ihrer Bevölkerung Zusammenarbeit mit den kantonalen Parlamenten der Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5 119 Referenzrahmen Teil I ■ Zusammenarbeit Teil II 5.8 Potential für eine nationale ­Gesundheitspolitik einer regionalen Bedarfsplanung im Bereich Rehabili- Welche Schlüsse können aus den Erfahrungen in der inter- derung und Prävention. tation in der Ostschweiz oder in Form des Zusammenwirkens von CRASS und DiPPS in der Gesundheitsför- kantonalen Zusammenarbeit für die Ausgestaltung einer nationalen Gesundheitspolitik, bzw. für die Zusammenar- Eine Kultur der Kollegialität und Partnerschaft an sich beit zwischen Bund und Kantonen im Sektor Gesundheit ist kein Garant für die konfliktfreie Zusammenarbeit zwi- gezogen werden? Drei Aspekte sind von besonderer Re- schen Kantonen. Auch die Zusammenarbeit zwischen levanz: Bund und Kantonen im Rahmen einer zukünftigen natio- ■ Vertrauensbildung durch regelmässigen Dialog nalen Gesundheitspolitik wird immer wieder in die Span- ■ Instrumente der Koordination und des Wissensma- nungsfelder von Zentralisierung und Dezentralisierung, nagements von geteilter Verantwortung und Eigenverantwortung, Die GDK als privilegierter Gesprächspartner des Bundes von Einheit und Vielfalt geraten. Doch bleibt die struk- ■ Teil III Gemeinsame Politikformulierung zum Beispiel in Form turierte Zusammenarbeit der Kantone ein wichtiger Bau- Vertrauensbildung durch regelmässigen Dialog stein für die nationale Gesundheitspolitik, da dank dieser Bemerkenswert ist, mit welcher Regelmässigkeit und bilaterale, regionale und gesamtschweizerische Lösungen Selbstverständlichkeit kantonale Regierungen seit rund möglich sind. Perspektiven 100 Jahren zusammenarbeiten. Das eigentliche Poten­tial gierungsgremien für eine nationale Gesundheitspolitik Instrumente der Koordination und des Wissens­ managements dürfte darin liegen, im kontinuierlichen und systema- Mit den nachfolgenden Arbeitsinstrumenten wurden Wis- tischen Dialog gemeinsame Interessen zu identifizieren, senstransfer und Konsensfindung im Rahmen der inter- sich auf ausgewählte Projekte zu einigen und pragma- kantonalen Zusammenarbeit im Laufe der Zeit professi- tische Lösungen zu suchen in einem Umfeld, das durch onalisiert, dies vor allem im Rahmen der strukturierten souveräne Partner geprägt ist. interkantonalen Zusammenarbeit. Diese Instrumente gel- Diese Beständigkeit im Austausch von Wissen, Erfah- ten auch für eine nationale Gesundheitspolitik: rungen und Erwartungen, wie sie die Kantone im Rah- ■ der regionalen und schweizerischen interkantonalen Re- Zentralschweizer Regierungskonferenz, Gesundheits- schweizerischer Ebene praktizieren, fördert die Vertrau- und Sozialdirektorenkonferenz der Westschweiz und ensbildung, was wiederum die Kooperationsbereitschaft des Tessin) erhöht. Auf schweizerischer Ebene hat insbesondere die ■ Instrumente der Dokumentation und des Wissensma- Schweizerische Konferenz der kantonalen Gesundheitsdi- nagements: Liste der Zusammenarbeitsprojekte sowie rektorinnen und -direktoren (GDK) wesentlich zur Ver- Liste möglicher gemeinsamer Handlungsfelder auf trauensbildung unter den Kantonen beigetragen. Internet: zum Beispiel die Instrumente der Zentral- Vertrauensbildung zwischen den kantonalen Regierungsmitgliedern umfasst unter anderem folgende Prozesse, schweizer Regierungskonferenz ■ Erarbeitung von Hilfsmitteln, die einen klaren und die auch auf nationaler Ebene ihre Anwendung finden straffen Ablauf der Prozessgenerierung, der Machbar- könnten: keitsprüfung und der Beschlussfassung für Projekte in ■ Strukturierter Austausch und regelmässige Weitergabe einem intergouvernementalen Modus vorsehen (z. B. von Wissen und Erfahrungen die Richtlinie zur Durchführung von Zusammenar- Identifikation von Divergenzen sowie von gemeinsamen beitsprojekten in der Zentralschweiz, 2003); Klärung Interessen und Themen von Schnittstellen zwischen den bestehenden Konfe- ■ ■ ■ Priorisierung von Themen und Suche nach gemein- renzen (z. B. Rahmenordnung über die Arbeitsweise samen Lösungen der KdK und der Direktorenkonferenz bezüglich der «Mit einer Stimme sprechen»: konsolidierte Stellung- Kooperation von Bund und Kantonen, 2001). nahmen der Kantone gegenüber dem Bund 120 Interkantonales Budget und eigenes Sekretariat (z. B. men ihrer interkantonalen Gremien auf regionaler und Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5 sprächspartner des Bundes werden. Ihre für eine natio- ■ Realisierung von regionalen Projekten mit einem guten nale Gesundheitspolitik besonders relevante Fähigkeit Kosten-Nutzen-Verhältnis (z. B. santé 50+; Mammogra- – die Erarbeitung konsolidierter Haltungen der Kantone ■ ■ ■ phiescreening) in ausgewählten Bereichen – prädestiniert sie für diese Koordination der Aktivitäten auf regionaler Ebene, ins- Rolle. In letzter Zeit hat die GDK hier Unterstützung von besondere auch was die Zusammenarbeit der einzelnen der Konferenz der Kantonsregierungen erhalten, was das Verwaltungszweige und die Einbindung der Aktivitäten Gewicht der Kantone als Gesprächspartner des Bundes kommunaler und privater Organisationen zum Nutzen erhöhen und gleichzeitig dem Bund Verhandlungen mit des Konferenzgebietes betrifft den Kantonen dank einer klar formulierten Ausgangspo- Koordination der Aktivitäten auf schweizerischer oder sition erleichtern dürfte. nationaler Ebene: z. B. Gesundheitsberufe, koordinierte Die Neuregelung des Finanzausgleichs und der Aufgaben- Vorschläge zur Spitalfinanzierung teilung zwischen Bund und Kantonen (NFA) hat zudem Harmonisierung zum Beispiel der kantonalen Gesund- die Rechtsgrundlage dafür geschaffen, dass interkanto- heitsgesetze in der Westschweiz (jeweils ein Abschnitt nale Gremien wie die GDK eines ist, in bestimmten Be- zu Prävention und Gesundheitsförderung und zu den reichen (unter anderem Universitäten, Fachhochschulen, Patientenrechten) Spitzenmedizin, Spezialkliniken) suprakantonale Funktio­ nen wahrnehmen können.67 Teil II Zusammenarbeit Erhoffte bzw. erzielte Wirkung Referenzrahmen Teil I Teil III sporadischen und punktuellen Zusammenarbeit zwischen Abschliessende Bemerkung Kantonen, wo ein grosses Innovationspotential auszu- Dank den strukturierten Formen der Zusammenarbeit machen ist. Diese Projekte haben oft nur einen geringen auf regionaler und schweizerischer Ebene, den bi- und Bekanntheitsgrad, sowohl unter den Kantonen als auch multilateralen Vereinbarungen, den gemeinsamen Projek- auf eidgenössischer Ebene. Einige Projekte wie die Ver- torganisationen und den Instrumenten der Koordination sichertenkarte oder Health Impact Assessment, könnten und des Wissensmanagements haben die Kantone ihrem bei entsprechender Dokumentation frühzeitiger für den gemeinsamen Handeln eine gewisse Verbindlichkeit ver- gesundheitspolitischen Prozess auf nationaler Ebene leihen können. Auch wiegt auf diesem Hintergrund die nutzbar gemacht werden. Vielzahl der kantonalen Gesundheitspolitiken und die da- Perspektiven Handlungsbedarf besteht noch bei der Dokumentation der mit verbundene Gefahr der Fragmentierung der Politiken Die GDK als privilegierter Gesprächspartner des Bundes und der Gesundheitssysteme weniger schwer. Die Schweizerische Konferenz der kantonalen Gesund- sich in einer ersten Phase ihrer Entwicklung an den oben heitsdirektorinnen und -direktoren (GDK) hat sich in vorgestellten interkantonalen Entscheidprozessen und den 85 Jahren ihres Bestehens zu einem zentralen Ge- Instrumenten der Koordination und des Wissensmanage- sprächsforum der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen ments orientieren, um politische Verbindlichkeit über und -direktoren entwickelt. Jahrzehntelang auf die inter- vertrauensbildende Massnahmen wie den Ständigen Dia- kantonale Koordination ausgerichtet, hat sich die GDK in log zwischen Bund und Kantonen zur Nationalen Gesund- jüngster Zeit nach aussen geöffnet und ihre Lobbyarbeit heitspolitik zu erreichen. Ein weiterer Schritt in Richtung in den parlamentarischen Kommissionen verstärkt. Auch eines kooperativen Föderalismus in der Schweiz wäre da- die Ende 2003 unterzeichnete Vereinbarung zwischen mit vollzogen. Eine nationale Gesundheitspolitik für die Schweiz könnte Bund und Kantonen zur nationalen Gesundheitspolitik ist Ausdruck des Willens der Kantone, gesundheitspolitisch auf nationaler Ebene aktiver zu werden und im Dialog mit dem Bund auf exekutiver Ebene zu einer kohärenteren Gesundheitspolitik beizutragen. Damit ist im Sinne eines ersten Schritts die Türe hin zu einer gemeinsamem Politikformulierung durch Bund und Kantone geöffnet. Die GDK könnte in diesem Prozess zum privilegierten Ge- 67 Suprakantonal bedeutet analog zum Begriff supranational eine Verlagerung von Kompetenzen von der kantonalen Ebene auf eine höher stehende Ebene. Zwar liesse sich die Interkantonale Vereinbarung über die Anerkennung von Ausbildungsabschlüssen vom 18. Februar 1993 auch als suprakantonale Vereinbarung charakterisieren, diese Art interkantonaler Vereinbarung stellte bis jetzt aber eine Ausnahme dar. Siehe hierzu auch Kapitel 6.4: «Neue Ansätze in der Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen». Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5 121 Referenzrahmen Teil I Anhang Interkantonale Vereinbarungen im Sektor Gesundheit Auswahl* (in chronologischer Reihenfolge, ohne das Fürstentum Liechtenstein) Zusammenarbeit Teil II Perspektiven Teil III Von allen Kantonen ratifizierte Vereinbarungen Vereinbarung Beteiligte Kantone Anzahl Kantone Schweizerisches Toxikologisches Informationszentrum, gegründet 1969: Die Kantonsbeiträge an die Stiftung werden durch die Schweizerische Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren festgelegt. Alle Kantone 26 Interkantonale Vereinbarung über die Kontrolle der Heilmittel Convention intercantonale sur le contrôle des médicaments: Seit 1900 vier Totalrevisionen. 2002 wurde die Vereinbarung vom Bundesgesetz über Arzneimittel und Medizinprodukte abgelöst. Alle Kantone 26 1900–2002 Verwaltungsvereinbarung über die Unterstützung der Tollwutzentrale an der Universität Bern Alle Kantone 26 1991 Interkantonale Universitätsvereinbarung Alle Kantone Interkantonales Konkordat über universitäre Koordination Concordat intercantonal de coordination universitaire Universitäts­kantone BE, BS, GE, VD, ZH 5 1999 Interkantonale Fachhochschulvereinbarung (FHV) für die Jahre 1999–2005 Accord intercantonal sur les hautes écoles spécialisées (AHES) 1999–2005 Alle Kantone 26 1999 Interkantonale Fachhochschulvereinbarung (FHV) ab 2005 Accord intercantonal sur les hautes écoles spécialisées (AHES) à partir de 2005 Alle Kantone 25, Ratifizierung durch NE gilt als sicher 2005 In der Phase der Ratifizierung Interkantonale Vereinbarung über die Koordination und Konzentration der hochspezialisierten Medizin – von der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren anlässlich der Plenarversammlung im November 2004 verabschiedet Convention intercantonale relative à la coordination et à la concentration de la médecine hautement spécialisée (CICCM) Interkantonale Vereinbarung über die Aufsicht sowie die Bewilligung und Ertragsverwendung von interkantonal oder gesamtschweizerisch durchgeführten Lotterien und Wetten vom 7. Januar 2005 zur Ratifizierung in den Kantonen verabschiedet (u. a. Stärkung der Suchtbekämpfung und -prävention) Alle Kantone Datum** 1997 Zustandekommen unsicher Interkantonale Vereinbarungen Westschweiz 122 Vereinbarung Beteiligte Kantone Anzahl Kantone Datum** Convention pour l’utilisation du Laboratoire cantonal neuchâtelois JU, NE 2 1980 Vertrag zwischen dem Kanton BE, vertreten durch den RR, und der Republik und dem Kanton JU, vertreten durch die Regierung, betr. die Abgeltung von Leistungen der Spitäler an Einwohner des Nachbarkantons Convention avec le canton de BE portant, dans le domaine hospitalier, sur l’indemnisation de prestations scolaires aux habitants du canton voisin BE, JU 2 1981 Convention intercantonale de lutte contre les dégâts causés par les hydrocarbures BE, FR, NE, VD 4 1982 Convention intercantonale relative aux tarifs hospitaliers applicables aux patients hors canton FR, GE, JU, NE, VD, VS 6 1991 Convention intercantonale relative à la collaboration hospitalière entre le Canton de BE et la République et Canton du JU BE, JU 2 1993 Convention intercantonale JU-NE relative à l’hospitalisation de patients franc-montagnards à l’Hôpital de La Chaux-de-Fonds JU, NE 2 1996 Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5 Referenzrahmen Teil I 3 1996 Convention pour l’hôpital du Chablais (HDC) et la libre circulation des patients valaisans et vaudois Vereinbarung betreffend das Spital des Chablais (HDC) und die volle Freizügigkeit in der stationären Versorgung für die Einwohnerinnen und Einwohner der Kantone Waadt und Wallis VD, VS 2 1997 Convention entre les cantons de FR et de VD relative à l’Hôpital intercantonal de la Broye à Estavayer-le-Lac et Payerne (hôpital sur deux sites) FR, VD 2 1998 Protocole d’accord Vaud-Genève de libre circulation (hospitalisation hors canton Vaud-Genève) Übereinkommen der Kantone Waadt und Genf über den freien Personenverkehr (ausserkantonale Hospitalisierung) GE, VD 2 1999 Convention associant les parlements à la négociation des conventions intercantonales et des traités des cantons avec l’étranger Interkantonale Vereinbarung über die Aushandlung, Ausführung und Abänderung der interkantonalen Verträge und Vereinbarungen der Kantone mit dem Ausland FR, GE, JU, NE, VS, VD 6 2000 Convention intercantonale d’hospitalisation hors canton Interkantonale Vereinbarung über ausserkantonale Spitalaufenthalte FR, GE, JU, NE, TI, VS, VD 7 2002 Accord sur le réseau romand hospitalo-universitaire de la transplantation Übereinkunft betreffend das Netzwerk Transplantation der Universitätsspitäler der Westschweiz GE, VD 2 2004 Vereinbarung Beteiligte Kantone Anzahl Kantone Datum** Vertrag zwischen der Sanitätsdirektion des Kantons BL und dem Erziehungsdepartement des Kantons BS betr. Überlassung von Leichen an die normalanatomische Anstalt der Universität Basel BL, BS 2 1948 Vereinbarung der nordwestschweizerischen Kantone über die regionale Durchführung von Inspektionen in Betrieben und Unternehmen, die Arzneimittel herstellen oder mit solchen Grosshandel betreiben AG, BE, BL, BS, SO 5 1973 Interimistische Vereinbarung zwischen den Kantonen AG und BL betr. die Hospitalisierung von Patienten AG, BL 2 1974 Vereinbarung zwischen dem Sanitätsdepartement des Kantons BS und der Sanitätsdirektion des Kantons BL über die Schlachtung seuchenkranker und seuchenverdächtiger Tiere im Schlachthof Basel BL, BS 2 1974 Vertrag über die Kremation von Leichen aus dem Kanton Basel-Landschaft und die Abdankung im Krematorium der Stadt Basel BL, BS 2 1975 Vertrag betr. die Kremation von Leichen aus dem Kanton AG im Krematorium der Stadt Basel zwischen dem Kanton BS und dem Kanton AG AG, BS 2 1975 Vereinbarung zwischen dem Sanitätsdepartement des Kantons BS und der Sanitätsdirektion des Kantons BL über die gemeinsame Bestellung der Fachkommission Psychologen BL, BS 2 1975 Vertrag mit dem Kanton SO und dem Kanton BE über die Abgeltung von Spitalleistungen BE, SO 2 1977 Vereinbarung zwischen dem Kanton BL und dem Kanton BS über die gegenseitige Benützung von Einrichtungen des koordinierten Sanitätsdienstes BL, BS 2 1978 Teil II Zusammenarbeit FR, JU, NE Teil III Perspektiven Comité intercantonal d’éthique des Cantons de Fribourg, Jura et Neuchâtel Interkantonale Vereinbarungen Nordwestschweiz Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5 123 Referenzrahmen Teil I Interkantonale Vereinbarungen im Sektor Gesundheit (Fortsetzung) Zusammenarbeit Teil II Perspektiven Teil III Vertrag zwischen den Kantonen SO, BS, BE, BL, und AG über den Betrieb eines gemeinsamen Sanitätsnotrufes in der Telefonnetzgruppe 061 unter der Telefonnummer 144 AG, BE, BL, BS, SO 5 1979 Vereinbarung zwischen dem Kanton BE und dem Kanton BL betr. Finanzierung der Aus- und Weiterbildung für nichtärztliche Berufe des Gesundheitswesens BE, BL 2 1990 Vereinbarung zwischen dem Kanton BL und dem Kanton AG betr. Finanzierung der Aus- und Weiterbildung für nichtärztliche Berufe des Gesundheitswesens AG, BL 2 1991 Vereinbarung über die Aufnahme von Patientinnen und Patienten aus dem Kanton BL in die Chrischonaklinik (Vereinbarung Chrischonaklinik) BL, BS 2 1992 Vereinbarung zwischen dem Kanton BL und den privaten Trägern von ­Schulen im Kanton BS für nichtärztliche Berufe des Gesundheitswesens BL, BS 2 1992 Convention intercantonale relative à la collaboration hospitalière entre le Canton de BE et la République et Canton du JU BE, JU 2 1993 Vereinbarung zwischen dem Kanton BL und dem Kanton BS betr. Finanzierung der Aus- und Weiterbildung für nichtärztliche Berufe des Gesundheitswesens BL, BS 2 1993 Vertrag über die Abgeltung von zentrumsmedizinischen Spitalleistungen ­sowie der klinischen Lehre und Forschung des Kantons BS durch den ­Kanton BL (Spitalabkommen BS/BL) BL, BS 2 1993 1994 Vertrag zwischen den Kantonen BL und BS über die Hospitalisation von Patientinnen und Patienten in der Universitäts-Augenklinik Basel bzw. in der Augenabteilung des Kantonsspitals Liestal (Augenspitalvertrag) BL, BS 2 1996 Spitalabkommen zwischen dem Kanton Aargau und dem Kanton Basel-Stadt und dem Kanton Aargau und dem Inselspital Bern zur Sicherstellung der medizinischen Versorgung für allgemeinversicherte Aargauer Patientinnen und Patienten AG, BS, BE 3 1996 Abkommen über die Kostenabgeltung für die gegenseitige Behandlung von Patientinnen und Patienten zwischen den Kantonen BL und SO (Spitalabkommen BL/SO) BL, SO 2 1997 Vereinbarung beider Basel über die Statistiken im Bereich des Gesundheitswesens BL, BS 2 1997 Spitalabkommen zwischen dem Kanton Aargau und dem Kanton Zug über die Zusammenarbeit im Bereich der Neurochirurgie und die Abgeltung der Leistungen AG, ZG 2 1998 Vertrag zwischen den Kantonen BS und BL über das Universitäts-Kinder­ BL, BS 2 1998 Vereinbarung über Dienstleistungen der Sanität Basel auf dem Gebiet des Kantons BL (Vereinbarung Sanitätsdienst) BL, BS 2 2001 Vereinbarung der nordwestschweizerischen Kantone über die Führung eines regionalen Heilmittelinspektorates AG, BE, BL, BS, LU, SO 6 2003 Vereinbarung Beteiligte Kantone Anzahl Kantone Datum** Vereinbarung über die Aufnahme von Patienten aus dem FL in den st. gallischen Heil- und Pflegeanstalten St. Pirminsberg und Wil SG 1 1965 Vertrag zwischen den Kantonen AI und AR über die Aufnahme psychisch Kranker aus dem Kanton AI in die Kantonale Psychiatrische Klinik in Herisau AI, AR 2 1976 spital beider Basel (Kinderspitalvertrag) Interkantonale Vereinbarungen Ostschweiz 124 Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5 2 1976 Vereinbarung über die Aufnahme von Patienten aus dem FL im Kantons­ SG 1 1977 Vereinbarung über das Rehabilitationszentrum für Drogenabhängige Lutzenberg (Drogenheim) AI, AR, GL, GR, SG, SH, TG, 7 1981 Vereinbarung über die Zusammenarbeit im Spitalbereich und die Abgeltung von Spitalleistungen (Ostschweizer Krankenhausvereinbarung) AI, AR, GL, GR, SG, SH, TG, ZH 8 1995 Vereinbarung über eine gemeinsame Lebensmittelkontrolle der Kantone AR, AI, GL und SH AI, AR, GL, SH 4 1997 Gegenrechtserklärung gegenüber dem Kanton SH über die Anerkennung von Naturheilpraktikern SH, SG 2 1997 Gegenrechtserklärung gegenüber dem Kanton TG über die Anerkennung von Naturheilpraktikern SG, TG 2 1997 Gegenrechtserklärung gegenüber dem Kanton GR über die Anerkennung von Naturheilpraktikern GR, SG 2 1997 Gegenrechtserklärung gegenüber dem Kanton GR über die Anerkennung von Naturheilpraktikerprüfungen GR, TG 2 2000 Gegenrechtserklärung gegenüber dem Kanton SG über die Anerkennung von Naturheilpraktikerprüfungen SG, TG 2 2000 Spitalabkommen zwischen den Kantonen ZH und SH SH, ZH 2 2002 Verwaltungsvereinbarung zwischen den Kantonen ZH, vertreten durch die Gesundheitsdirektion, und SH, vertreten durch den RR, betr. Übernahme der ethisch-medizinischen Begutachtungen klinischer Versuche mit Heilmitteln und anderer biomedizinischer Versuche SH, ZH 2 2002 Vereinbarung Beteiligte Kantone Anzahl Kantone Datum** Konkordat der Kantone UR, SZ und ZG betr. die Psychiatrische Klinik Oberwil-Zug (Psychiatriekonkordat) UR, SZ, ZG 3 1982 Konkordat zwischen den Kantonen LU, SZ und ZG über den Betrieb einer Schule für praktische Krankenpflege am Spital und Pflegezentrum Baar LU, NW, OW, SZ, ZG 5 1982 Vereinbarung über die Aufnahme von Psychischkranken aus dem Kanton Obwalden in die Psychiatrische Klinik Oberwil NW, OW 2 1991 Vereinbarung über die Aufnahme und Behandlung von Patienten aus dem Kanton OW im Kinder- und Jugendpsychiatrischen Dienst des Kantons LU (identische Verträge auch mit Uri, Nidwalden und Zug) LU, NW, OW, UR, ZG 5 1992 Vereinbarung über die Aufnahme und Behandlung von Patientinnen und Patienten aus dem Kanton NW in der psychiatrischen Abteilung am Kantonsspital OW NW, OW 2 1993 Vereinbarung betreffend die Führung einer Beratungsstelle für Heilpädagogische Früherziehung für die Kantone Obwalden und Nidwalden NW, OW 2 1994 Spitalabkommen zwischen dem Kanton LU vertreten durch das Gesundheitsund Sozialdepartement und dem Kanton NW vertreten durch die Gesundheitsdirektion betr. die Kostenregelung für die Behandlung von Patientinnen und Patienten mit zivilrechtlichem Wohnsitz im Kanton NW, die im Kantonsspital LU (inkl. Kinderspital) Zentrumsleistungen beanspruchen LU, NW 2 1996 spital SG und in den kantonalen Spitälern Grabs und Walenstadt Teil II Zusammenarbeit AR, GL Teil III Perspektiven Vertrag zwischen den Kantonen GL und AR über die Aufnahme psychisch Kranker aus dem Kanton GL in die Kantonale Psychiatrische Klinik in Herisau Referenzrahmen Teil I Interkantonale Vereinbarungen Zentralschweiz Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5 125 Referenzrahmen Teil I Interkantonale Vereinbarungen im Sektor Gesundheit (Fortsetzung) Zusammenarbeit Teil II Perspektiven Teil III Spitalabkommen zwischen dem Kanton OW und dem Kanton NW betr. die Behandlung von Engelberger Patientinnen und Patienten auf der Allgemeinen Abteilung im Kantonsspital NW (Spitalabkommen Engelberg) NW, OW 2 1996 Verwaltungsvereinbarung zwischen dem Kanton LU und (je) den Kantonen UR,SZ, OW, NW und ZG betreffend Aufträge an die Ethik-Kommission des Kanton Luzern für die Beurteilung von klinischen Versuchen mit Heilmitteln LU, NW, OW, SZ, UR, ZG 6 1996 Vertrag über die Durchführung der amtlichen Erhebungen des Bundes der Statistik der stationären Betriebe des Gesundheitswesens zwischen dem Kanton Luzern (Amt für Statistik) und (je) den Kantonen Uri, Schwyz, Obwalden, Nidwalden und Zug LU, NW, OW, SZ, UR, ZG 6 1997 Verwaltungsvereinbarung über die Unterstützung der Tollwutzentrale an der Universität Bern NW, OW, UR 3 1998 Verwaltungsvereinbarung über die Zusammenarbeit der Kantonsspitäler von Uri, Obwalden und Nidwalden NW, OW, UR 3 1998 Verwaltungsvereinbarungen zwischen dem Kanton Schwyz und den Kantonen Uri, Ob- und Nidwalden für die Heilmittelkontrolle durch die Kantonsapothekerin des Kantons Schwyz und deren Stellvertreter NW, OW, SZ, UR 4 1998 Vereinbarung zwischen dem Kanton Obwalden und dem Kanton Uri betreffend die stationäre Ophthamologie OW, UR 2 1998 Konkordat betreffend das Laboratorium der Urkantone NW, OW, SZ, UR 4 1999 Vertrag zwischen dem Kantonsspital Luzern und dem Rettungsdienst des Kantons Zug betreffend Dienstleistungen der Einsatzzentrale am Kantonsspital Luzern für den Rettungsdienst des Kantons Zug (ähnlich lautende Verträge mit den Kantonen Obwalden und Nidwalden) LU, NW, OW, ZG 4 2000 2002 2003 Vertrag zwischen der ZGDK und dem Amt für Statistik Luzern über die Auswertung der Statistik der stationären Betriebe des Gesundheitswesens für die Zentralschweiz LU, NW, OW, SZ, UR, ZG 6 2000 Vereinbarung über die Fachstelle für Gesundheitsförderung und Prävention für die Kantone OW und NW NW, OW 2 2001 Spitalabkommen zwischen dem Kanton Luzern und (je) den Kantonen Uri, Schwyz, Obwalden, Nidwalden und Zug betreffend die Kostenregelung für Zentrumsleistungen im Kantonsspitals Luzern samt Kinderspital (2002) LU, NW, OW, SZ, UR, ZG 6 2002 Vereinbarung über die Zusammenarbeit der Kantonsspitäler Obwalden und Nidwalden / Spital INFRA- OW/NW NW, OW 2 2002 Zusammenarbeitsvertrag zwischen dem Kantonsspital Obwalden und dem Kantonsspital Luzern betreffend der Zusammenarbeit der Chirurgie des Kantonsspitals OW und der chirurgischen Klinik A des Kantonsspitals LU LU, OW 2 2002 Zusammenarbeitsvertrag zwischen dem Regierungsrat des Kantons Uri und der Stiftung Kinder- und Jugendpsychiatrie des Kantons Schwyz SZ, UR 2 2003 Verwaltungsvereinbarung zwischen dem Kanton Schwyz und dem Kanton Nidwalden betreffend Aufträge an die Schwyzer Kantonsapothekerin im Bereich der Heilmittelkontrolle (analog Vereinbarung SZ mit UR, OW und GL) NW, OW, SZ, UR, GL 5 2004 Vereinbarung Beteiligte Kantone Anzahl Kantone Datum** Convention signée entre les cantons de BE, FR et SO avec la coopérative des maîtres bouchers de Suisse centrale (GZM) concernant l’élimination des cadavres d’animaux BE, FR, JU, SO 4 1979 Übrige interkantonale Vereinbarungen 126 Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5 Spitalabkommen zwischen dem Kanton LU vertreten durch das Gesundheitsund Sozialdepartement und dem Kanton BS / Kantonsspital Basel vertreten durch das Sanitätsdepartement und dem Kanton NW vertreten durch die Gesundheitsdirektion über die Zusammenarbeit im Bereich der Herzchirurgie / interventionelle Kardiologie und die Abgeltung der Leistungen BS, LU, NW Spitalabkommen des Kantons OW mit dem Kanton AG über die Zusammenarbeit in der Neurochirurgie Gleichlautende Abkommen zwischen dem Kanton AG und je den Kantonen NW und Luzern AG, OW AG, NW AG, LU 2 2 2 1997 Spitalabkommen des Kantons OW mit dem Kanton LU und dem Kanton BS über die Zusammenarbeit in der Herzchirurgie/interventionelle Kardiologie BS, LU, OW 3 1997 Vereinbarung zwischen den Trägern der öffentlichen und öffentlich sub­ LU, NW, OW, SZ, UR, ZG, GL 7 1999 1996 Vertrag betreffend die Inspektion pharmazeutischer Betriebe (Regionale Fachstelle für Heilmittelkontrolle der Ost- und Zentralschweiz (RAS-OZ) NW, OW, SZ, UR, ZG; Kantone der Ostschweiz 2002 Interkantonale Vereinbarung für soziale Einrichtungen (unter anderem stationäre Therapie- und Rehabilitationsangebote im Suchtbereich) AG, BE, BL, BS, FR, GL, JU, LU, NE, NW, OW, SG, SO, SZ, TI, UR, VD VS 18 2002 Vereinbarung Beteiligte Kantone Anzahl Kantone Datum** Vereinbarung zwischen den Kantonen und dem Schweizerischen Roten Kreuz betr. die berufliche Ausbildung des Pflegepersonals, des medizinischtechnischen und des medizinisch-therapeutischen Personals. Streng genommen handelt es sich hierbei nicht um eine interkantonale Vereinbarung, da jeder Kanton einen separaten Vertrag mit dem SRK abgeschlossen hatte. Alle Kantone waren zwar der Vereinbarung beigetreten, handelten aber unabhängig voneinander. Alle Kantone 26 1976–1999 Konkordat zwischen den Kantonen Luzern, Schwyz und Zug über den Betrieb einer Schule für praktische Krankenpflege am Spital und Pflegezentrum Baar LU, SZ, ZG 3 1983 Interkantonale Vereinbarung über die Anerkennung von Ausbildungs­ AG, BE, BL, BS, GL, GR, LU, NW, OW, SH, SO, SZ, TG, UR, ZG, ZH 16 1993 Vereinbarung zwischen dem Kanton BL und dem Kanton BS betr. Finanzierung der Aus- und Weiterbildung für nichtärztliche Berufe des Gesundheitswesens BL, BS 2 1993 Convention intercantonale concernant la formation aux professions de la santé (professions médicales exceptées) et son financement – Interkantonale Vereinbarung über die Ausübung in Berufen des Gesundheitswesens; (medizinische Berufe ausgenommen) und ihre Finanzierung BE, FR, GE, JU, NE, TI, VD, VS, 8 1996 Vereinbarung über die Zusammenarbeit und Finanzierung der HebammenGrundausbildung LU, NW, OB, SZ, UR, ZG 6 1998 Vereinbarung der Innerschweizer Kantone über Ausbildungen für Berufe des Gesundheitswesens LU, NW, OB, SZ, UR, ZG 6 1998 Zusammenarbeit Teil II Teil III Perspektiven ventionierten Spitäler und Kliniken der Zentralschweiz, dem Träger der öffentlichen Spitäler des Kantons Glarus sowie der Zentralschweizer Spitalkonferenz 3 Referenzrahmen Teil I Interkantonale Vereinbarungen auf dem Gebiet Gesundheit und Bildung abschlüssen Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5 127 Referenzrahmen Teil I Interkantonale Vereinbarungen im Sektor Gesundheit (Fortsetzung) Zusammenarbeit Teil II Perspektiven Teil III Zentralschweizer Fachhochschul-Konkordat (FHZ-Konkordat) LU, NW, OB, SZ, UR, ZG 6 1999 Leistungsvertrag der Schweizerischen Sanitätsdirektorenkonferenz mit dem Schweizerischen Roten Kreuz (SRK) über die Regelung, Überwachung und Förderung der Gesundheitsberufe durch das SRK. Ersetzt die Interkantonale Vereinbarung von 1976. GDK, SRK, Interkantonale Vereinbarung über die Hochschule für Heilpädagogik Zürich OB, SZ, ZG, ZH 4 1999 Verwaltungsvereinbarung über die Fachhochschule Ostschweiz AI, AR, GL, SG, SH, SZ, TG, ZH 8 1999 Vertrag zwischen als Auftraggeber: dem Bundesamt für Berufsbildung und Technologie (BBT) und den Kantonen, diese vertreten durch die Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) und die Schweizerische Sanitätsdirektorenkonferenz (SDK) und als Auftragnehmer: dem Schweizerischen Roten Kreuz (SRK) über den Ersatz des Leistungsvertrags vom 29. April / 20. Mai 1999 und seiner Ergänzung vom 24. Januar 2000 bzw. die Regelung der mit Blick auf die Überführung der Gesundheitsberufe in die Kompetenz des Bundes und der kantonalen Erziehungsdirektionen vom SRK zu erbringenden Leistungen. Kantone, Bund und SRK Regionales Schulabkommen über die Finanzierung der Aus- und Weiterbildung für Gesundheitsberufe der Kantone Aargau, Basel-Landschaft, BaselStadt, Bern, Luzern, Solothurn AG, BE, BL, BS, LU, SO 6 2000 Interkantonale Vereinbarung über die Errichtung der Fachhochschule Westschweiz für Gesundheit und Soziale Arbeit (FH-GS) BE, FR, GE, JU, NE, VD, VS 7 2001 Beitritt des Kantons Zug zur Interkantonalen Vereinbarung über die Hochschule für Heilpädagogik, Zürich Beitritt des Kantons Obwalden zur Interkantonalen Vereinbarung über die Hochschule für Heilpädagogik, Zürich ZG, ZH 2 2001 Vertrag zwischen dem Bundesamt für Berufsbildung und Technologie und den Kantonen (Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren und die Schweizerische Sanititätsdirektorenkonferenz) und dem Schweizerischen Roten Kreuz betreffend die Reglementierung, Überwachung und Förderung der Gesundheitsberufe (ohne Weiterbildungen).. Kantone (GDK, EDK), Bund (BBT) und SRK 2003 bis Ende 2006 Kooperationsvereinbarung zwischen den Kantonen Bern und Basel-Stadt, den Universitäten Bern und Basel sowie der Inselspital-Stiftung Bern über eine zukünftige Zusammenarbeit in der Human- und Zahnmedizin BE, BS Beitritt des Kantons Bern zur Interkantonalen Hochschule für Heilpädagogik, Zürich BE, ZH 2 2004 Interkantonale Vereinbarung zwischen dem Kanton Freiburg und den Universitäten Lausanne, Basel, Bern, Genf und Zürich betreffend die medizinische Ausbildung BE, BS, FR, GE, VD, ZH 6 2004 Staatsvertrag zur Fachhochschule Nordwestschweiz AG, BL, BS, SO, ZH 5 2005 1999–2000 1999–2003 2004 In Vorbereitung: Interkantonale Vereinbarung zur Registrierung der Ausbildungsabschlüsse In Vorbereitung: Interkantonale Vereinbarung betreffend die Regelung der interkantonalen Zusammenarbeit im Sonderschulbereich Ab 2011 Quelle: Datenbank der Konkordate des Instituts für Föderalismus an der Universität Freiburg und Desktop-Recherchen *Diese Liste erwähnt in erster Linie die Vereinbarungen der in Band 2 porträtierten 9 Kantone. Im Zuge der Recherchen wurden weitere Vereinbarungen in die Liste aufgenommen. Die Liste erhebt jedoch keinen Anspruch auf Vollständigkeit. **Die in dieser Spalte aufgeführten Jahreszahlen sollen nur eine zeitliche Einstufung der Vereinbarungen ermöglichen. Eine Spezifizierung nach «unterzeichnet», «ratifiziert» bzw. «in Kraft getreten» wurde nicht vorgenommen. 128 Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 5 Kapitel 6 Referenzrahmen Teil I Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen in der Gesundheitspolitik Bereichen geplant: Psychologieberufe, Finanzierung der 6.1 Ausgangslage Pflege, Forschung am Menschen (Verfassungsartikel und Die gesundheitspolitischen Porträts des Berichts (Teile Zudem werden die Stimmberechtigten im Jahre 2006 über IV und V) zeigen, dass Bund und Kantone in den letzten die Neuordnung der Verfassungsbestimmungen zur Bil- 150 Jahren entlang föderaler Strukturen im Rahmen der dung abstimmen. verfassungsrechtlichen Kompetenzen ihre je eigenen Ge- Parallel zu diesem Prozess der Zentralisierung bzw. Aus- sundheitspolitiken entwickelt haben. Während die Kan- dehnung von gesetzlichen Kompetenzen auf Bundesebene tone unter Wahrung der politischen Eigenständigkeit die hat das Bundesamt für Gesundheit (BAG) angesichts neu- Gesundheitsversorgung ihrer Bevölkerung in bestimmten er Herausforderungen auch ohne explizites gesetzliches Bereichen über verschiedene interkantonale Gremien der Mandat zu den bereits bestehenden Aufgaben zusätzliche Zusammenarbeit sichergestellt haben (siehe hierzu Kapi- auf den Gebieten Gesundheitsschutz, Prävention und Ge- tel 5), bestand zwischen Bund und Kantonen grundsätz- sundheitsförderung übernommen. So führt der Bund un- lich kein Bedarf an institutionalisierter Zusammenarbeit. ter anderem in folgenden Sektoren nationale Programme Bis Ende der 1970er-Jahre waren die gesundheitspoli- durch: Impfungen, HIV/Aids, Alkohol, Tabak, illegale Dro- tischen Kompetenzen des Bundes bescheiden. Berüh- gen; Umwelt, Arbeit; Sport, Bewegung, Gender Health, rungspunkte mit den Kantonen beschränkten sich im Migration, Ernährung. Wesentlichen auf den Gesundheitsschutz und die Be- Das Gesundheitssystem Schweiz präsentiert sich heu- kämpfung übertragbarer Krankheiten. Es bestand daher te als ein komplexes, mehrschichtiges Gebilde. Bund auch kein Bedarf für eine strukturierte Zusammenarbeit und Kantone nehmen in allen Bereichen der Gesundheit zwischen Regierungsmitgliedern des Bundes und der Kan- – Gesundheitsförderung, Gesundheitsschutz, Präventi- tone. on, medizinische Versorgung, Rehabilitation, Integration, Mit dem Auftauchen neuer Gesundheitsrisiken (unter Forschung, Information, Aus- und Weiterbildung gemein- anderem Drogen, HIV), mit der Neuorientierung der Ge- same, parallele oder sich überschneidende Aufgaben wahr. sundheitspolitiken nach dem Konzept von New Public Gesundheit ist zu einer gemeinsamen Verantwortung von Health und mit der Totalrevision der Krankenversiche- Bund und Kantonen geworden. rung hat seit den 1980er-Jahren in zahlreichen Bereichen Die Bilanz der Kompetenzverschiebungen zugunsten des eine Verlagerung von Kompetenzen auf den Bund statt- Bundes im Handlungsfeld Gesundheit ist durchzogen. gefunden, Kompetenzen, die ursprünglich ausschliesslich Mit der Ausdehnung gesetzgeberischer Tätigkeiten auf den Kantonen vorbehalten waren. Die Erweiterung der Bundesebene müssen die Kantone Kompetenzbeschrän- Bundeskompetenzen erfolgte dabei nicht systematisch, kungen und einen von «oben» verordneten Vollzug hin- sondern nach politischer Aktualität, und dies auch nur in nehmen (Vollzugsföderalismus), und doch weiterhin ei- Einzelbereichen. nen grossen Teil der finanziellen Verantwortung tragen. Allein in den letzten zehn Jahren sind unter anderem Die Kantone sind ausserdem der Ansicht, angesichts der folgende kantonale Gesundheitskompetenzen in Bundes­ Aufgabenverflechtung zu wenig an der Willensbildung des kompetenz übergegangen: Heilmittelkontrolle (2000); Bundes beteiligt zu sein. Sie fühlen sich nicht genügend nicht-universitäre Aus- und Weiterbildung in den Gesund- konsultiert bzw. haben den Eindruck, dass ihre Meinung heitsberufen (2002); Weiterbildung in den Medizinalberu- im Vergleich zu denjenigen privater Interessengruppen zu fen (2003); Aus- und Weiterbildung in der Gesundheit auf wenig wahrgenommen und berücksichtigt wird. Stufe Fachhochschule (2005). Zudem wurden folgende Der Bund seinerseits kritisiert die Heterogenität der Kan- neue Aufgaben direkt dem Bund übertragen: Fortpflan- tone und deren grosse Gestaltungsfreiheit bei der Umset- zungsmedizin (1998), Beseitigung von Benachteiligungen zung von Bundesgesetzen. Er vermisst zudem bei den 26 von Menschen mit Behinderungen (2002); Forschung an Kantonen Ansprechpersonen mit klaren Mandaten. embryonalen Stammzellen (2003), genetische Untersu- Seit den 1990er-Jahren steht die Frage im Raum, wie an- chungen am Menschen (2004), Transplantation von Or- gesichts der Verflechtung der Aufgaben die unabdingbar ganen (2004), Mutterschaftsversicherung (2004) Schliess- gewordene Zusammenarbeit zwischen Bund und Kanto- lich sind Bundeskompetenzen unter anderem in folgenden nen auf nationaler Ebene zu organisieren sei. Bundesgesetz), Prävention und Gesundheitsförderung. Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 6 Zusammenarbeit Teil II Perspektiven Teil III 129 Referenzrahmen Teil I Teil II Um diese Frage zu beantworten stellt Kapitel 6 zunächst Die nachfolgenden Ausführungen stützen sich im We- einige bestehende Instrumente der Zusammenarbeit sentlichen auf die 9 porträtierten Kantone (Teil IV des zwischen Bund und Kantonen vor. Anschliessend folgt Berichts) sowie auf das Bundesporträt (Teil V). Nach ein Überblick über fünf gesundheitspolitisch relevante Möglichkeit wurden zudem gesundheitspolitisch rele- Schnittstellen zwischen Bund und Kantonen: Gesund- vante Studien konsultiert, wobei das Angebot an entspre- heitspolitische Positionen und Planungsprozesse auf na­ chenden Studien noch bescheiden ist. Zusammenarbeit tionaler Ebene, Gesundheitsförderung und Prävention, Gesundheits- und Verbraucherschutz, Krankenversicherung und Ausbildung in den Gesundheitsberufen. Im letzten Teil schliesslich werden neue Ansätze in der Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen vorgestellt, die Perspektiven Teil III 6.2 Instrumente der Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen das Potential für eine gemeinsame Politikformulierung in Verfassungsrechtliche Grundlagen sich tragen: der Dialog zwischen Bund und Kantonen zur Die in den 1990er-Jahren total revidierte und 1999 durch Nationalen Gesundheitspolitik, die Neugestaltung des Fi- Volk und Stände angenommene Schweizerische Bundesver- nanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund fassung regelt in einer Reihe von Artikeln die Zusammen- und Kantonen (NFA) sowie die Alkoholpolitik des Bundes arbeit zwischen Bund und Kantonen. Dabei stützt sie sich als Ansätze einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit auf eine moderne föderalistische Verfassungsordnung, die zwischen Bund und Kantonen. die Souveränität der Kantone betont und gleichzeitig die Die Auswertung der vorgestellten Instrumente, Prozesse, Zusammenarbeit zwischen dem Bund und den Kantonen Formen und Inhalte der vertikalen Zusammenarbeit am als souveräne Gliedstaaten einfordert. Damit entspricht sie Schluss dieses Kapitels deutet darauf hin, dass das idea- den Prinzipien eines kooperativen Föderalismus. le Ordnungsprinzip für eine nationale Gesundheitspolitik In verschiedenen Bestimmungen der Bundesverfassung der Schweiz der kooperative Föderalismus ist. werden namentlich die Staatlichkeit und die Eigenstän- Tabelle 21: Nationale Gesundheitspolitik Schweiz: Unterschiedliche Ausgangssituationen in den Kantonen und beim Bund 130 Kantone Bund Umfassende Kompetenzen im Bereich Gesundheit – umfassendes Gesundheitsverständnis Kompetenzen nur in einzelnen Gesundheitsbereichen – atomisiertes Gesundheitsverständnis Gesundheitspolitik in allen Sektoren: umfassende kantonale Gesundheitspolitiken Gesundheitspolitik nur in einzelnen Sektoren (Subsidiaritäts­ prinzip): keine rechtliche Grundlage, um eine umfassende Gesundheitspolitik zu entwickeln Kantonale Gesundheitsgesetze in den meisten Kantonen Kein Bundesgesetz Gesundheit, sondern eine Vielzahl von ­Einzelgesetzen Alle teilen ähnliche Probleme, kommen aber zu unterschiedlichen (vielfältigen) Lösungen: Innovationspotential Bundesstellen mit zum Teil gegensätzlichen Interessen im Sektor Gesundheit – erschwert die Rollendefinition des Bundes Komplexität des Systems nimmt zu; Harmonisierungsdruck steigt; Kantone delegieren Aufgaben an den Bund; Autonomieverlust: Kantone als blosse Vollzugsorgane des Bundes? Komplexität des Systems nimmt zu; Koordinationsbedarf mit dem Ausland; neue Kompetenzen und Aufgaben für den Bund; mehr Machtkompetenz: Hat der Bund die Ressourcen, um die neuen Aufgaben umzusetzen? Wille der Kantone, ihre Souveränität zu bewahren Zentralisierungstendenz: Wunsch des Bundes nach Lead in der Gesundheitspolitik Lange Tradition der freiwilligen Zusammenarbeit: Zahlreiche Gremien und Instrumente für die interkantonale Zusammenarbeit und Koordination auf regionaler und schweizerischer Ebene Wenige interne Koordinationsgremien und -instrumente, in jüngerer Zeit einzelne Ansätze erkennbar Privilegierter Partner eines Kantons: andere Kantone Privilegierter Partner des Bundes: die Versicherer Erwartungen an den Bund vorhanden und thematisiert Wenige Erwartungen an die Kantone bekannt Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 6 Artikel 147 Vernehmlassungsverfahren desebene, die herausragende Rolle der Kantone bei der Die Kantone, die politischen Parteien und die interessier- Umsetzung des Bundesrechts sowie die Möglichkeiten ten Kreise werden bei der Vorbereitung wichtiger Erlasse und Pflichten der Kantone zur partnerschaftlichen Zu- und anderer Vorhaben von grosser Tragweite sowie bei sammenarbeit untereinander, mit dem Bund und mit dem wichtigen völkerrechtlichen Verträgen zur Stellungnahme benachbarten Ausland verankert und garantiert. eingeladen. Siehe hierzu auch die Ausführungen weiter Im Folgenden werden mit Blick auf die partnerschaftliche unten. Teil II Zusammenarbeit digkeit der Kantone, deren Mitwirkungsrechte auf Bun- Referenzrahmen Teil I Beziehung zwischen Bund und Kantonen die wichtigsten verfassungsrechtlichen Bestimmungen wiedergegeben: Artikel 186 Beziehungen zwischen Bund und Kantonen Artikel 44 Grundsätze 1 1 Bund und Kantone unterstützen einander in der Erfül- Der Bundesrat pflegt die Beziehungen des Bundes zu den Kantonen und arbeitet mit ihnen zusammen. lung ihrer Aufgaben und arbeiten zusammen. Sie schulden einander Rücksicht und Beistand. Sie lei- sten einander Amts- und Rechtshilfe. Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA) Streitigkeiten zwischen Kantonen oder zwischen Kanto- Revision von Verfassungsartikeln im Zusammenhang mit nen und dem Bund werden nach Möglichkeit durch Ver- der NFA. Die NFA soll 2008 in Kraft treten (siehe hierzu handlung und Vermittlung beigelegt. auch 6.4). Artikel 45 Mitwirkung an der Willensbildung des Bundes Gesetze, Verordnungen, Richtlinien 3 (in chronologischer Reihenfolge) Die Kantone wirken nach Massgabe der Bundesverfas- Im Sinne der oben formulierten verfassungsrechtlichen sung an der Willensbildung des Bundes mit, insbesondere Grundlagen des kooperativen Föderalismus haben sich an der Rechtsetzung. Bund und Kantone ihrerseits in den letzten Jahren Ge- 1 Der Bund informiert die Kantone rechtzeitig und um- setze, Richtlinien und Verordnungen gegeben, die insbe- fassend über seine Vorhaben; er holt ihre Stellungnahmen sondere durch Klärung der Abläufe die vertikale Zusam- ein, wenn ihre Interessen betroffen sind. menarbeit zwischen Bund und Kantonen stärken sollen. 2 Teil III Perspektiven 2 Die meisten dieser rechtlichen Grundlagen sind nicht äl- Artikel 48 Verträge zwischen Kantonen ter als 6 Jahre. Nachstehend werden einige Beispiele in Die Kantone können miteinander Verträge schliessen chronologischer Reihenfolge aufgelistet, die auch für die sowie gemeinsame Organisationen und Einrichtungen Beziehung zwischen Bund und Kantonen auf dem Gebiet schaffen. Sie können namentlich Aufgaben von regionalem der Gesundheit relevant sein können. Neben den Geset- Interesse gemeinsam wahrnehmen. zen, Verordnungen und Richtlinien werden zudem die 1 2 Der Bund kann sich im Rahmen seiner Zuständigkeiten Ver­einbarungen zwischen Bund und Kantonen aufgelistet. beteiligen. Auch diese sind nicht älter als 6 Jahre. Artikel 55 Mitwirkung der Kantone an aussen­ politischen Entscheiden Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetz (1997) Die Kantone wirken an der Vorbereitung aussenpoli- In Artikel 3 Absatz 2 verpflichten sich Bundesrat und tischer Entscheide mit, die ihre Zuständigkeiten oder ihre Bundesverwaltung, die Zusammenarbeit zwischen Bund wesentlichen Interessen betreffen. und Kantonen zu fördern. Artikel 10 hält fest, dass der 1 2 Der Bund informiert die Kantone rechtzeitig und umfas- send und holt ihre Stellungnahmen ein. 3 Bundesrat die Information unter anderem an die Kantone gewährleistet. Den Stellungnahmen der Kantone kommt besonderes Gewicht zu, wenn sie in ihren Zuständigkeiten betroffen sind. In diesen Fällen wirken die Kantone in geeigneter Weise an internationalen Verhandlungen mit. Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 6 131 Referenzrahmen Teil I Teil II Organisationsverordnung für das Eidgenössische Departement des Innern (2000) ziellen Auswirkungen des Erlasses und seines Vollzugs auf Diese Verordnung stützt sich auf die Artikel 43 Absatz 2 der Kostendeckung, der Einfluss auf die Finanzplanung und 47 Absatz 2 des Regierungs- und Verwaltungsorga- und das Verhältnis von Kosten und Nutzen. nisationsgesetzes vom 21. März 1997. Die Artikel 2a. und 2b OV-EDI halten fest, dass das Departement eng mit den Zusammenarbeit Kantonen, Gemeinden sowie mit nichtstaatlichen Organisationen, Sozialpartnern und Wirtschaftsverbänden zusammenarbeitet und den Grundsatz der Subsidiarität beachtet. Teil III Rahmenordnung über die Arbeitsweise der Konferenz der Kantonsregierungen (KdK) und der Direktorenkonferenzen bezüglich der Kooperation von Bund und Kantonen (2001) Ziel der Rahmenordnung ist es insbesondere, durch die Klärung der Abläufe die Vollzugstauglichkeit von Massnahmen des Bundes zu verbessern sowie die Umsetzung des Bundesgesetzes über die Mitwirkung der Kantone an Perspektiven Bund, Kantone und Gemeinden sowie die Art und Weise der Aussenpolitik des Bundes zu optimieren. Damit entspricht die Rahmenordnung auch einem Wunsch des Bundesrates. Richtlinien zuhanden der Bundesverwaltung ­betreffend die Zusammenarbeit zwischen Bund, Kantonen und Gemeinden (2002) Diese Richtlinien betreffen die Agglomerationspolitik des Bundes. Ähnlich wie bei dem Bundesgesetz betreffend die Mitwirkung der Kantone an der Aussenpolitik des Bundes dominiert auch hier die partnerschaftliche und gleichwertige Beziehung zwischen Bund und Kantonen. Die Richtlinien halten unter anderem fest: (1) Die vertikale Zusammenarbeit ist zu verstärken. Dies gilt sowohl für die Phase der Ausarbeitung von Massnahmen des Bundes als auch bei deren Umsetzung und Eva- Tabelle 22: Vereinbarungen zwischen Bund und Kantonen Vereinbarungen zwischen Bund und Kantonen Vereinbarung zwischen dem Bund und den Universitätskantonen über die Zusammenarbeit im universitären Hochschulbereich vom 4. Dezember 2000 2000 Rahmenordnung über die Arbeitsweise der Konferenz der Kantonsregierungen (KdK) und der Direktorenkonferenzen bezüglich der Kooperation von Bund und Kantonen vom 14. Dezember 2001 2001 Vereinbarung zwischen dem Bund, den Kantonen sowie den Städten und Gemeinden zur Schaffung einer 2001 tripartiten Agglomerationskonferenz (2001) Vertrag Bund-Kantone Schweizerisches Rotes Kreuz (2003) 2003 Vereinbarung zwischen der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren (GDK) und der Schweizerischen Eidgenossenschaft (Bund) vertreten durch das Eidg. Departement des Innern (EDI) zur Nationalen Gesundheits­ politik Schweiz (2003) 2003 Vereinbarung zwischen der Konferenz der Kantons­ regierungen (KdK) und dem Eidg. Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) betreffend die Entsendung eines kantonalen Beobachters ins EJPD (2005). Aufgrund ihrer Kompetenzen im Polizeisektor sollen die Kantone über den entsandten kantonalen Beobachter frühzeitig und umfassend in die Weiterentwicklung von Schengen/Dublin einbezogen werden. 2005 In Vorbereitung Vereinbarung zwischen Bund und Kantonen über die Ausgestaltung des Studienangebots und der Akkreditierungsrichtlinien an den Fachhochschulen luation. Die partnerschaftlichen Beziehungen schliessen der Ausarbeitung von Massnahmen des Bundes sowie bei Vereinbarung zwischen dem Bund und den Universitätskantonen über die Zusammenarbeit im universitären Hochschulbereich (2000) deren Umsetzung und Evaluation mit. Diese Vereinbarung zwischen Bund und Kantonen bildet den Bund, die Kantone und die Gemeinden ein. (3) Die Kantone wirken als Hauptpartner des Bundes bei eine der Grundlagen für die Einrichtung der Schweize- 132 Bundesgesetz über die Bundesversammlung (2002) rischen Universitätskonferenz (SUK). Die SUK verfügt Artikel 141 (Botschaften des Bundesrates zu Erlassent- über bindende Entscheidungskompetenzen in definierten würfen) spricht die Vollzugstauglichkeit von Massnahmen Bereichen. des Bundes an. Konkret hält der Artikel fest, dass der Die Vereinbarung ist bis jetzt die einzige dieser Art ge- Bundesrat unter anderem folgende Punkte in seinen Bot- blieben. Rechtssetzende Verträge, ausgehandelt und ab- schaften besonders erläutert: die personellen und finan­ geschlossen durch Regierungsvertreter/innen, haben zwar Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 6 Schweizerischen Roten Kreuz (SRK) über den Ersatz des schen Bund und Kantonen konsequent verwirklichen. Der Leistungsvertrags vom 29. April/20. Mai 1999 und seiner Nachteil liegt im Demokratiedefizit. Im Bericht des Bun- Ergänzung vom 24. Januar 2000 bzw. die Regelung der mit desrates über rechtsetzende Verträge zwischen Bund und Blick auf die Überführung der Gesundheitsberufe in die Kantonen aus dem Jahr 2002 heisst es: Verträge zwischen Kompetenz des Bundes und der kantonalen Erziehungsdi- Bund und Kantonen mit rechtsetzenden Bestimmungen rektionen vom SRK zu erbringenden Leistungen. würden «nicht als geeignetes Instrument zur Stärkung des Über die Verlängerung des Auftrags an das SRK wird im kooperativen Föderalismus betrachtet.» Aus seiner Sicht Rahmen des Masterplans entschieden, der von den Kan- gilt es, den pragmatischen Weg einzuschlagen. In einzel- tonen und vom Bund im Hinblick auf die Umsetzung der nen Kompetenzbereichen soll man eine demokratische Ziele der Botschaft vom 29. November 2002 über die För- Mitwirkung an Verträgen Bund–Kantone mit rechtsset- derung von Bildung, Forschung und Technologie in den zenden Bestimmungen einführen und damit Erfahrungen Jahren 2004–2007 und die finanzielle Beteiligung des sammeln. Falls sich diese Erfahrungen als positiv erweisen Bundes gemeinsam erarbeitet wird. 68 Teil II Zusammenarbeit den Vorteil, dass sie den Gedanken der Partnerschaft zwi- Referenzrahmen Teil I und sinnvolle Vorkehrungen getroffen werden können, um fassung die einzelnen aufgabenspezifischen Regelungen Mitwirkung der Kantone im parlamentarischen Verfahren später in eine allgemeine, demokratisch abgesicherte Re- Das eidgenössische Parlament hat seine politischen Steue­ gelung übergeführt werden. rungsmöglichkeiten im Sektor Gesundheit bis jetzt vor die möglichen Nachteile zu beheben, könnten in der Ver- Teil III Vertrag Bund–Kantone Schweizerisches Rotes Kreuz (2003) den Krankenversicherungsbereich und dessen Finanzie- Vertrag zwischen als Auftraggeber: dem Bundesamt für rischen Anfragen zum Thema Gesundheit betreffen die- Berufsbildung und Technologie (BBT) und den Kantonen, sen Bereich. Für die Kantone ist der Ort des politischen diese vertreten durch die Konferenz der kantonalen Erzie- Mitwirkens an der Bundespolitik der Ständerat. Hier war hungsdirektoren (EDK) und die Schweizerische Sanitäts- ihr Einfluss bisher bescheiden. Zwar ist der Ständerat als direktorenkonferenz (SDK) und als Auftragnehmer: dem Kantonskammer «eines der Kernstücke der Einflussnah- Perspektiven allem auf Teilaspekte der Gesundheit, insbesondere auf rung ausgerichtet. Mehr als die Hälfte aller parlamenta- me der Kantone auf die Willensbildung des Bundes».69 Jedoch stimmen die Ständerate nicht als Abgeordnete der Verankerung der partnerschaftlichen ­Zusammenarbeit Bund-Kantone in Bundes­ gesetzen (Auswahl) Kantone, sondern parteipolitisch ab. Der Ständerat erfüllt Ab Ende der 1990er-Jahren begannen Bund und Kan- Die Bundesverfassung ermöglicht den Kantonen die Mit- tone, die partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen wirkung auf eidgenössischer Ebene vor und während der Bund und Kantonen in einigen Bundesgesetzen zu ver- parlamentarischen Phase mit folgenden Instrumenten: ankern: ■ deshalb seine Funktion als Vertreter der Kantone nur in beschränktem Masse.70 Standesinitiative (Art. 160 Abs. 1 BV; Art. 21): Jedem ■ Fachhochschulgesetz (1995), revidiert 2004 Kanton steht das Recht zu, der Bundesversammlung ■ Bundesgesetz über die Förderung der Universitäten Initiativen zu unterbreiten. und über die Zusammenarbeit im Hochschulbereich ■ ■ Ständerat: die 23 Kantone sind mit je zwei Vertretern (1999) im Ständerat vertreten, die sechs Halbkantone jeweils Bundesgesetz über die Mitwirkung der Kantone an nur mit einem Vertreter (Art. 150 BV) der Aussenpolitik des Bundes (2000) ■ Bundesgesetz über die Berufsbildung (2002) 68 Bericht des Bundesrates über rechtsetzende Verträge zwischen Bund und Kantonen vom 27. März 2002 in Erfüllung des Postulats 01.3426 der Staatspolitischen Kommission des Ständerates vom 27. August 2001, S. 2. 69 Ulrich KLÖTI, Peter KNOEPFEL, Hanspeter KRIESI, Wolf LINDER, Yannis PAPADOPOULOS, Handbuch der Schweizer Politik, 3., überarbeitete Auflage. Verlag Neue Zürcher Zeitung, Zürich 2002, S. 85. 70 Siehe hierzu auch: Wolf LINDER, Reto WIESLI: Repräsentation, Artikulation und Durchsetzung kantonaler Interessen in Stände- und Natio­ nalrat. Studie im Auftrag der Parlamentsdienste. Institut für Politikwissenschaft, Universität Bern, Dezember 2000. Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 6 133 Referenzrahmen Teil I ■ Ausserordentliche Einberufung der Bundesversamm- Kantons Wallis, einen «Runden Tisch» zum Gesundheits- lung durch ¼ des Ständerates: Art. 151 Abs. 2 BV wesen einzurichten (2000), ist eine Einzelaktion. Die zu- ■ Hearings der Kantone (wie auch anderer Interessenver- ständige Kommission hat das Begehren mit der Begrün- Zusammenarbeit Teil II treter) in den ständigen parlamentarischen Kommissio­ dung abgelehnt, die Institution des «Runden Tisches» sei nen, insbesondere in den beiden Kommissionen für undemokratisch. Die Teilnehmenden seien nicht reprä- Soziale Sicherheit und Gesundheit des National- und sentativ, da die Gremien nicht in einem demokratischen Ständerates. Den ständigen parlamentarischen Kom- Verfahren gewählt worden seien. missionen kommt als Vorinstanzen erhebliches Gewicht ■ Perspektiven Teil III ■ zu, sowohl in fachlicher, wie auch in politischer Hin- Neue Ansätze der Mitwirkung sicht. Grundsätzlich kann davon ausgegangen werden, Seit einigen Jahren sind Tendenzen erkennbar, die auf dass der National- bzw. der Ständerat den Entscheiden eine Bündelung der kantonalen Interessen im parlamen- seiner Kommission folgt. tarischen Prozess hindeuten. So werden Vertreter/innen 71 Fakultatives Referendum auf Verlangen von 8 Kanto- der Kantone (kantonale Gesundheitsminister, Vertreter nen (Art. 141 Abs. 1 BV): sogenanntes Standesreferen- der Konferenz der Kantonsregierungen KdK) von nati- dum oder Kantonsreferendum onal- und ständerätlichen Kommissionen vermehrt zu Volks- und Ständemehr für alle konkreten Verfassungs- Hearings eingeladen. Damit sich die kantonalen Gremien revisionen, dringlichen Bundesgesetze und Beitritte zu entsprechend vorbereiten können, übermittelt das Sekre- supranationalen Organisationen (Art. 140 Abs. 1 lit. a–c tariat des Ständerates der KdK jeweils vor Sessionsbeginn und Art. 142 Abs. 2–4 BV). eine Liste mit den zur Behandlung in den Kommissionen anstehenden Geschäften. Die Konferenz der Kantonsre- Eine Analyse über den Einsatz und die Wirkung dieser gierungen (KdK) lädt ihrerseits seit dem Jahr 2000 jeweils kantonalen Instrumente auf die Gesundheitspolitik in der am Abend des ersten Sessionstages die Eidgenössischen Schweiz ist noch ausstehend. Im Rahmen dieses Berichts Räte zu einem «Stammtisch der Kantone» ein mit dem kann nur eine allgemeine Einschätzung gegeben und auf Ziel, die Beziehungen zu den eidgenössischen Parlamen- einige Tendenzen hingewiesen werden. tarierinnen und Parlamentariern zu pflegen (Ständeräte sowie ehemalige Regierungsmitglieder des Nationalrats) Beispiele im Bereich Gesundheitspolitik und den Meinungsaustausch zu intensivieren. Zweimal Mit den weiter oben aufgeführten Gremien und Instru- pro Jahr findet ausserdem eine Zusammenkunft zwischen menten können die Kantone zwar politische Prozesse dem Büro des Ständerates und dem Leitenden Ausschuss auslösen. Dabei handelt es sich aber mehrheitlich um Ak- der KdK statt, um unter anderem aktuelle politische Fra- tionen einzelner Kantone, und nicht um kollektive kanto- gen zu diskutieren. Ebenfalls als Zeichen eines stärker nale Handlungen mit dem Ziel, aktiv auf die Gesundheits- werdenden kollektiven Bewusstseins der Kantone zu wer- politik auf eidgenössischer Ebene einzuwirken. Als ein ten ist der erstmalige und dann gleich auch erfolgreiche Beispiel mögen die Standesinitiativen der Kantone Solo- Gebrauch des Ständereferendums im Jahr 2005 durch elf thurn, Basel-Landschaft und Zürich zur Legalisierung der Kantone gegen das Steuerpaket des Bundes. Auch für den Cannabisprodukte (SO 1992) bzw. zur Neuregelung von kontrovers diskutierten Bereich der Spitalfinanzierung ha- Cannabisprodukten im Betäubungsmittelgesetz (BL 1997, ben die Kantone das Ständereferendum als mögliche Op- ZH 1998) dienen. Der Nationalrat hatte allen drei Stan- tion in Erwägung gezogen. In der Folge wurden die Kan- desinitiativen 1999 Folge gegeben, der Ständerat im Jahre tone über einen ständerätlichen Kommissionsvorschlag 2000 nur den Initiativen der Kantone Zürich und Basel- zur Spitalfinanzierung gesondert vernehmlasst. Aufgrund Landschaft. 12 Jahre nach Einreichen der Initiative des der deutlichen Opposition der Kantone haben letztere an- Kantons BL lehnte es der Nationalrat im Jahr 2004 ab, auf geboten, mit der Kommission und dem Bundesrat neue die Vorlage des Bundesrates zur Revision des Betäubungs- konsensfähige Lösungen zu suchen. mittelgesetzes einzutreten. Auch die Standesinitiative des 71 Lüthi, Ruth, «Das Parlament», in: Ulrich Klöti et al. (Hrsg.) Handbuch der Schweizer Politik. Zürich: NZZ Verlag. 3. überarb. Aufl. S. 132–158, 2002. 134 Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 6 Mitwirkung der Kantone im vorparlamentarischen Verfahren Bis 2005 war das Vernehmlassungsverfahren nur auf Ver- In der Schweiz berührt die Rechtsetzung auf Bundesebene den Vorgaben der neuen Bundesverfassung. Zudem wur- zwangsläufig Fragen der Aufgabenteilung und Zusammen- de das traditionelle Vernehmlassungsverfahren von den arbeit zwischen Bund und Kantonen, sind letztere doch in Kantonen dahingehend kritisiert, dass es sie zu wenig in der Regel für den Vollzug der Bundesgesetze zuständig. die Willensbildung des Bundes einbeziehe und dadurch Angesichts der umfassenden rechtlichen Kompetenzen ein optimaler Vollzug nicht gegeben sei.74 Nachfolgend der Kantone in Gesundheitsfragen und der schwachen sollen angesichts der Bedeutung der Vernehmlassung als Strukturen in der Zusammenarbeit zwischen Bund und vertrauensbildende Massnahme in der Beziehung zwi- Kantonen sollte es im Interesse des Bundes liegen, die schen Bund und Kantonen und damit auch für eine na- Kantone als gleichberechtigte Partner in der vorparla- tionale Gesundheitspolitik die Schwachstellen des alten mentarischen Phase an gesetzgeberischen Prozessen zu Vernehmlassungsverfahren aufgezeigt und das Potential beteiligen. Dazu steht im Sinne einer vertrauensbildenden des neuen Vernehmlassungsgesetzes gewürdigt werden. Referenzrahmen Teil I ordnungsstufe geregelt. Damit entsprach es nicht mehr Zusammenarbeit Teil II Massnahme insbesondere das Vernehmlassungsverfahren Vernehmlassungsverfahren und Qualität des Vollzugs von Vernehmlassungen Verfassungsartikeln, Bundesgesetzen und Verordnungen Das klassische Instrument der Mitwirkung ausserparla- durch die Kantone sind miteinander verhängt. An dieser mentarischer Akteure im vorparlamentarischen Gesetzes­ Stelle sei daran erinnert, dass das Bundesparlament seit prozess ist das Vernehmlassungsverfahren. Ziel von Ver- 1985 rund 20 neue Gesetze im Bereich Gesundheit ver- nehmlassungen ist es, unter den politischen Akteuren zur abschiedet hat, darunter das Krankenversicherungsgesetz Konsensfindung beizutragen. Diese Funktion bestätigt (KVG). Was letzteres anbelangt, gibt es Vollzugsprobleme, eine Studie, die im Auftrag der Parlamentsdienste der unter anderem bei der obligatorischen Spitalplanung, Schweizerischen Bundesversammlung 1998 durchgeführt der Prämienverbilligung oder der Umsetzung präventiver wurde. Darin heisst es: «Insbesondere wenn der Vor- Leistungen gemäss KVG. entwurf im Vernehmlassungsverfahren auf breite Kritik Mit Blick auf den Vollzug von Bundespolitiken schreibt stiess, diese jedoch im Bundesratsentwurf kaum berück- die Parlamentarische Verwaltungskontrollstelle (PVK) in sichtigt wurde, und die ins Parlament gelangte Vorlage die ihrem Schlussbericht aus dem Jahr 1997, dass Vollzugsde- wichtigen Kompromisse nicht enthielt, wurde die Vorlage fizite oft auf eine unklare Kompetenzverteilung zwischen sehr oft und nachhaltig verändert. Die Umkehrung lässt Bund und Kantonen, manchmal auf eine ungenügende sich nicht mit der gleichen Dringlichkeit aufzeigen.»72 horizontale Koordination, Heterogenität der kantonalen Untersuchungen hingegen belegen eine andere Realität Verwaltungen, prekäre Bundesfinanzen, zu detaillierte – nämlich, dass den zuständigen Bundesstellen, Experten Bundesgesetzgebung, ungenügende Berücksichtigung der und referendumsfähigen Interessenverbänden generell regionalen Besonderheiten und auf eine lückenhafte Auf- eine stärkere Stellung in Vernehmlassungsverfahren zuge- sicht über einen wirksamen kantonalen Vollzug zurück- billigt wird als den Kantonen oder politischen Parteien. 73 zuführen seien.75 Im System des Vollzugsföderalismus, Mit Blick auf diese Einschätzung könnte die bewusstere verzichtet der Bund – auch im Sektor Gesundheit – fast Handhabung des Vernehmlassungsverfahrens im Sinne ei- vollständig auf einen eigenen Verwaltungsapparat für die ner vertrauensbildenden Massnahme nicht unwesentlich Umsetzung seiner Programme. Diese Aufgabe ist den Kan- zu einer Kultur der Zusammenarbeit zwischen Bund und tonen zugedacht. Obwohl die Kantone, als Vollzugsbehör- Kantonen auf der Basis des kooperativen Föderalismus den, der Aufsicht des Bundes unterstehen, verfügen sie beitragen. 72 Schweizerische Bundesversammlung: ein aktives Gesetzgebungsorgan. Eine empirische Untersuchung des Gesetzgebungsprozesses in den Jahren 1995–97. Bern, Herbst 1998, S. 84. 73 Ulrich KLÖTI et al., Handbuch der Schweizer Politik, 3. überarbeitete Auflage (2002), S. 93–94. Teil III Perspektiven Vollzugstauglichkeit von Bundeserlassen zur Verfügung. 74 Vollzug von Bundespolitiken und Vernehmlassung der Kantone. Schlussbericht der parlamentarischen Verwaltungskontrolle (PVK) zuhanden der Sektion «Wirksamkeit» (S-H3) der Geschäftprüfungskommission des Ständerats (1997). 75 Vollzug von Bundespolitiken und Vernehmlassung der Kantone. Schlussbericht der Parlamentarischen Verwaltungskontrollstelle (PVK) zuhanden der Sektion «Wirksamkeit» (S-H3) der Geschäftsprüfungskommission des Ständerates vom 20. März 1997, S. 20. Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 6 135 Referenzrahmen Teil I Zusammenarbeit Teil II über einen beträchtlichen Freiraum in der Umsetzung von klausel im ambulanten Bereich» (2000). Seit 2003 wird Bundesgesetzen dank ihrer eigenen Ausführungsgesetz- der Dialog zwischen Bund und Kantonen zur Nationalen gebung, die keiner Bundeskontrolle untersteht. Gesundheitspolitik unter anderem auch für informelle Aufgrund der unbefriedigenden Situation im Vernehm- Konsultationen benutzt. lassungsprozess schlug die Parlamentarische Verwal- Vorvernehmlassungen könnten in eine stärker ausgestal- tungskontrolle 1996 deshalb zuhanden der Geschäftsprü- tete Zusammenarbeit münden, zum Beispiel in die ge- fungskommission des Ständerates vor, das traditionelle meinsame Ausarbeitung von Erlassentwürfen und/oder Vernehmlassungsverfahren unter Berücksichtigung fol- die gemeinsame Bereinigung von Vernehmlassungsergeb- gender Vorschläge zu revidieren: nissen. ■ eine genügend lange Frist für Stellungnahmen zu gewähren ■ ■ Perspektiven Teil III gültigen Kriterien festzulegen Bundesgesetze und ihre Folgen für die Wirtschaft die Kantone frühzeitig über voraussichtliche Vollzugs- Was den Wirtschaftssektor anbelangt, ist der Bund für bestimmungen zu orientieren und die Kantone recht- mögliche Auswirkungen entsprechender Bundesge- zeitig einzubinden. setze sensibilisiert. Seit 1999 muss bei allen neuen und eine Gewichtung der Stellungnahmen nach allgemein- zu revidierenden rechtlichen Erlassen auf Stufe VerfasDamit liesse sich auch die Vollzugserfahrung der Kantone sung, Gesetz und Verordnungen eine so genannte Re- nutzen. gulierungsfolgenabschätzung (RFA) durchgeführt werden. Die RFA beinhaltet die systematische Prüfung der Vorvernehmlassungen volkswirtschaftlichen Wirkungen neuer Regulierungen. In der Regel wird der Bundesrat mit der Ausarbeitung Ziel der RFA ist es unter anderem, die Wirtschaft von von Vorentwürfen zu Bundeserlassen betraut. So hat Kostenfolgen neuer Regulierungen zu entlasten. Ein die Bundesversammlung zwischen 1995 und 1997 162 ähnliches Instrument könnte auch den Bedürfnissen Erlasse verabschiedet. Davon wurden 17 mit externen des föderalen Systems dienen, indem die Anwendbar- Fachleuten und/oder den Kantonen, der weit überwie- keit von Bundesgesetzen überprüft und deren Folgen gende Teil dagegen verwaltungsintern erarbeitet.76 Seit für die Kantone abgeschätzt würden. den 1990er-Jahren sind aber im Vorfeld der eigentlichen Vernehmlassungen so genannte Vorvernehmlassungen zu beobachten. Bei Vorvernehmlassungen handelt es Neuregelung des Vernehmlassungsverfahrens sich um informelle Kontakte, bei denen mit relevanten In der Zwischenzeit wurde das Vernehmlassungsverfahren Fachstellen, Kantonen, Fachdirektorenkonferenzen oder revidiert. Das ab September 2005 geltende Bundesgesetz ausserparlamentarischen Kommissionen die Grundsätze über das Vernehmlassungsverfahren enthält folgendes eines Gesetzesentwurfs besprochen, die Probleme aufge- Verbesserungspotential mit Blick auf die politische Mit- listet und die Vollzugsaspekte vor der Ausarbeitung des wirkung der Kantone und die Umsetzung von Erlassen Erlasses geprüft werden. Damit stellen Vorvernehmlas- durch die Kantone: sungen einen möglichen Weg dar, in einer frühen Phase ■ Einbezug der gesamtschweizerischen Dachverbände einen Grundkonsens über die Stossrichtung eines zukünf- von Kantonen, Gemeinden, Städten sowie der Bergge- tigen Gesetzes und seiner Vollzugsaspekte zu finden.77 biete: Mit dem Einbezug dieser gesamtschweizerischen Der Bund hat das Instrument der Vorvernehmlassung im Dachverbände als ständige Vernehmlassungsadres- Sektor Gesundheit bis jetzt nur punktuell und sporadisch saten wird sichergestellt, dass diese bei sämtlichen Ver- angewendet (z. B. Runder Tisch zum Thema «Bedürfnis- nehmlassungsverfahren des Bundes begrüsst werden, und ein Anreiz zur vermehrten Einreichung von koor- 76 Dieter BIEDERMANN, Die verwaltungsinterne Erarbeitung: das Behindertengesetz, in: LEGES 2002/3, S. 23–33. 77 Siehe hierzu: Vollzug von Bundespolitiken und Vernehmlassung der Kantone. Schlussbericht der parlamentarischen Verwaltungskontrolle (PVK) zuhanden der Sektion «Wirksamkeit» (S-H3) der Geschäftsprüfungskommission des Ständerats (1997), S. 12 ff. 136 Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 6 dinierten und konsolidierten Stellungnahmen besteht. Dieser institutionalisierte Einbezug soll zur Verbesserung der Vollzugstauglichkeit von Bundesmassnahmen und zur Umsetzung der allgemeinen Mitwirkungs- und ■ Städte und Berggebiete beitragen. Mit der Neuregelung der Vernehmlassung sind auf der Vernehmlassungsverfahren zu Verordnungserlassen: rechtlichen Ebene die Voraussetzungen für einen besseren Dieses ist bei den Kantonen durchzuführen, wenn sie Einbezug der Kantone in den politischen Mitwirkungspro- in erheblichem Mass betroffen sind. Damit kann dem zess auf Bundesebene geschaffen worden. Im politischen föderalistischen Anliegen Rechnung getragen werden. Alltag kann man gegenwärtig beobachten, dass Bund und Koordination aller Vernehmlassungen durch die Bundes- Kantone über Vernehmlassungen und konsolidierten Stel- kanzlei: Um die Vernehmlassungsadressaten von einer lungnahmen im hier relevanten Bereich Gesundheitspoli- zeitlichen Häufung zahlreicher Vernehmlassungsver- tik das Gespräch miteinander suchen. Da die Meinungs- fahren zu entlasten und die Qualität bei allen Vernehm- äusserung bei einer konferenziellen Vernehmlassung, an lassungen des Bundes einheitlich zu gewährleisten, ist der alle relevanten Akteure teilnehmen, eingeschränkt ist, die Bundeskanzlei neu gesetzlich dazu verpflichtet, erhielten die Kantone nach dem Scheitern der KVG-Re- die Verfahren zu koordinieren. Fristverkürzungen zur vision im Parlament Ende 2003 zum Neustart der KVG- Einreichung von Stellungnahmen sowie konferenzielle Revision im April 2004 auf ihr Verlangen hin eine eigene Vernehmlassungen sind nur noch ausnahmsweise und Anhörung beim Vorsteher des Departements des Innern. bei Dringlichkeit zulässig, da die Meinungsäusserung Erwähnt sei zudem die konsolidierte Stellungnahme der bei solchen Konferenzen eingeschränkt ist. Kantone in Sachen Pflegefinanzierung (Februar 2005). Keine Gewichtung der Stellungnahmen: Eine Gewich- Auch bei der Spitalfinanzierung, ebenfalls Teil der neu lan- tung der eingereichten Stellungnahmen findet nicht cierten KVG-Revision, konnten die Kantone ihre Position statt. Wie der Bundesrat jedoch in seiner Botschaft im Rahmen von speziellen Vernehmlassungen darlegen, zum Entwurf festhält, hat er die Departemente ange- unter anderem mit einer konsolidierten Stellungnahme Teil II Zusammenarbeit ■ Würdigung Teil III Perspektiven ■ Anhörungsrechte der Kantone, sowie der Gemeinden, Referenzrahmen Teil I halten, im Hinblick auf die Verbesserung der Vollzugstauglichkeit von Bundesmassnahmen den Stellungnahmen der Kantone besondere Bedeutung beizumessen, Paritätische Erarbeitung von Erlassentwürfen soweit es um Fragen des Vollzugs geht. Eine gewisse Die paritätische Erarbeitung von Gesetzen durch Bund Hilfe bei der Abschätzung und Vermeidung möglicher und Kantone erfolgte unter anderem in folgenden Be- Vollzugsprobleme bieten bundesintern die Ämterkon- reichen: sultationen und Mitberichtsverfahren (siehe hierzu ■ auch Kapitel 4). Darüber hinaus sollen entsprechende und die Kantone im Rahmen der Verfassungsreform Weisungen des Bundesrates an die Verwaltung durch die Bundeskanzlei, unter Mitwirkung des EJPD erar- Vorbereitung der Bestimmungen über den Bund (1990er Jahre), in Kraft seit 1. 1. 2000. ■ beitet werden.78 Bundesgesetz vom 22. 12. 1999 über die Mitwirkung der Kantone an der Aussenpolitik des Bundes, in Kraft seit 1. 7. 2000. Zusätzlich verlangt Artikel 141 Absatz 2f des Bundesge- ■ Verfassungsänderung: Neugestaltung des Finanz- setzes über die Bundesversammlung (Parlamentsgesetz – ausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund ParlG, 2002), dass der Bundesrat in der Botschaft die per- und Kantonen (NFA), in der Volksabstimmung vom sonellen und finanziellen Auswirkungen des Erlasses und 28. 11. 2004 angenommen, in Kraft setzen geplant seines Vollzugs auf Bund, Kantone und Gemeinden sowie auf 2008; gemeinsame Projektorganisation Bund/ die Art und Weise der Kostendeckung, der Einfluss auf die Kantone in den 1990er-Jahren. Bund und Kantone Finanzplanung und das Verhältnis von Kosten und Nutzen haben das Projekt als vorbildlichen Prozess bezeich- erläutert. net, den sie gemeinsam konzipiert und ausgestaltet haben. ■ Vernehmlassungsentwürfe für einen neuen Hoch- ■ Bundesgesetz über die Landessprachen und die Ver- schulartikel in der Bundesverfassung 78 Siehe hierzu: Bundesamt für Justiz: Gesetzgebungsleitfaden. Leitfaden für die Ausarbeitung von Erlassen des Bundes. 2., überarbeitete Auflage. Bern, 2002, S. 142. ständigung zwischen den Sprachgemeinschaften Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 6 137 Referenzrahmen Teil I Zusammenarbeit Teil II (KdK, GDK, FDK) zum ständerätlichen Vorschlag der Spi- sollten aus deren Sicht auf nationaler Ebene, das heisst, talfinanzierung. Schliesslich diskutieren Bund und Kan- zwischen Bund und Kantonen, besprochen werden? tone gesundheitspolitisch aktuelle Themen im seit 2004 Es gibt bis jetzt keine Anläufe des Bundes und der Kan- bestehenden Dialog zwischen Bund und Kantonen zur Na- tone, um diejenigen Handlungsfelder zu identifizieren, tionalen Gesundheitspolitik (siehe hierzu auch Abschnitt die aus gesundheitspolitischer Sicht einer besonderen 6.4). Solche informellen und formellen Vernehmlassungen vertikalen Zusammenarbeit bedürfen. Nachfolgend findet können als Anreize an die Adresse der Kantone und der sich eine Zusammenstellung derjenigen Themen, die die Bundesstellen gelten, ihre Positionen zu einem Bundesge- Kantone mit dem Bund gemeinsam besprechen möchten. setz oder zu einer Gesetzesrevision in einer frühen Phase Diese Liste stützt sich auf drei Quellen: zu konsolidieren und zu koordinieren. 1. Umfrage im Anschluss an die Plenarversammlung der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Sanitätsdirektorinnen und -direktoren (SDK) vom 22. 5. 2003. Perspektiven Teil III Erarbeitung von gesundheitsrelevanten Erlas­ sen unter Einbezug der Kantone (Stand: 2006) Ergebnisse der Umfrage. Unveröffentlichtes Papier der ■ Bundesgesetz über die Berufsbildung (in Kraft seit (NGP 2003). ■ Revision des Bundesgesetzes über die Fachhoch- 2003–2007 des Bundes. Konsolidierte Stellungnahme schulen (in Kraft seit 2005) zum Grundlagenpapier des Bundesrates, verabschiedet ■ Bundesgesetz über die Medizinalberufe (in Bera- an der Plenarversammlung der KdK vom 3.10. 2003 im tung im Parlament) Hinblick auf die Aussprache vom 28. November 2003 ■ Psychologieberufegesetz (in Vorbereitung) zwischen dem Bundesrat und den Kantonsregierungen 2002) Projektleitung Nationale Gesundheitspolitik Schweiz 2. Konferenz der Kantonsregierungen: Legislaturplanung (KdK 2003). 3. Die Positionen von Kantonsvertretern zur Nationalen Gesundheitspolitik, die in den 9 Kantonsporträts in Band 2 dieser Publikation festgehalten sind (NGP 6.3 Themenzentrierte Schnittstellen Bund–Kantone 2004–05). Eine Themenliste mit Erwartungen des Bundes an die Wie zu Beginn des Kapitels bereits festgehalten, nehmen Kantone gibt es bis jetzt noch nicht. Hingegen gibt es das Bund und Kantone in vielen Bereichen der Gesundheit Legislaturprogramm des Bundesrates, die Jahresziele der auf Grund der stattgefundenen Aufgabenverflechtung der Departemente und Bundesämter sowie die Visionen und letzten Jahrzehnte parallele, gemeinsame oder sich über- Gesamtstrategien der Bundesämter. Im Anhang zu Kapi- schneidende Aufgaben wahr. Ansätze für eine gemeinsame tel 6 findet sich eine vergleichende Gegenüberstellung der Politikformulierung zwischen Bund und Kantonen gibt es Erwartungen der Kantone mit den Visionen, Zielen und jedoch nur in einem sehr begrenzten Masse. Der Prozess Strategien des Bundes. Dabei handelt es sich nicht um der Aufgabenverflechtung drückt sich in unterschied- eine systematische Auswertung der zitierten Quellen. Die­ lichen Zusammenarbeitsformen zwischen Bund und Kan- se Arbeit ist für eine zukünftige nationale Gesundheitspo- tonen aus. Nachfolgend werden Beispiele für folgende Be- litik noch zu leisten. reiche gegeben: gesundheitspolitische Planungsprozesse, Gesundheitsförderung und Prävention, Verbraucher- und Planungsprozesse zwischen Bund und Kantonen Gesundheitsschutz, Gesundheitsversorgung sowie Ausbil- Politisch verbindliche Planungsprozesse zwischen Bund dung in den Gesundheitsberufen. und Kantonen gibt es keine in der Schweiz. Seit einigen Jahren lassen sich jedoch Prozesse beobachten, die den 138 Gesundheitspolitik auf nationaler Ebene: Positionen und Planungsprozesse Kantonen die Möglichkeit bieten, ihre Meinung zu gesund- Welche Themen und Probleme im Bereich Gesundheit be- gen: die Anhörung der Kantone zur bundesrätlichen Legis- schäftigen die Kantone und den Bund vorrangig? Welche laturplanung (seit 1999) und die Teilnahme der Kantone heitspolitischen Plänen und Zielen des Bundes einzubrin- Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 6 am Dialog zwischen Bund und Kantonen zur Nationalen die Schweiz, an ihre jeweiligen Bedürfnisse anpassen. Gesundheitspolitik (seit 2004). Zwischen 1992 und 1997 Drei Mal liess die Schweiz ihre Gesundheitsziele durch konnten die Kantone auch an der Erarbeitung nationaler die WHO evaluieren – 1992, 1995 und 1997. Seither hat Gesundheitsziele auf der Basis der WHO-Gesundheitsziele keine Evaluation der Zielerreichung mehr stattgefun- mitarbeiten. Diese waren allerdings nicht verbindlich und den. Die aktuelle Version «21 Gesundheitsziele für die ein solcher Prozess hat seither nicht mehr stattgefunden. Schweiz» wurde von Fachleuten der Schweizerischen Referenzrahmen Teil I Teil II WHO-basierte Gesundheitsziele für die Schweiz -direktoren (GDK), des Bundesamts für Gesundheit, des Gesundheitsziele können ein Instrument sein, um Priori- Vereins Public Health Schweiz und von Gesundheitsförde- täten in der Gesundheitspolitik festzulegen. Die Diskus- rung Schweiz 2001 erarbeitet. Die Gesundheitsziele gelten sion von Gesundheitszielen begann 1978 durch das von jedoch nicht als verbindliches Planungsinstrument für die der Weltgesundheitsorganisation (WHO) verabschiedete politischen Entscheidungsträger. Zusammenarbeit Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und Ziele-Programm «Health for All by the year 2000». Seit Gesundheitsbehörde in regelmässigen Abständen Ge- Anhörung der Kantone zum Legislaturprogramm des Bundesrats sundheitsziele, die die WHO-Mitgliedstaaten, darunter Die Kantonsregierungen wurden ein erstes Mal im Juni diesem Zeitpunkt formuliert die WHO als internationale 1999 eingeladen, den Planungsprozess der bundesrät- Teil III Die Plenarversammlung der KdK nahm dieses Angebot Kantonale Delegierte in der Bundesverwaltung gibt es ferenziell zu beraten. Hierzu verabschiedete die Plenar- im Integrationsbüro, in der Schweizer Mission in Brüs- versammlung vom Oktober 1999 ein Grundlagenpapier, sel, im EJPD im Zusammenhang mit Schengen/Dublin welches dem Bundesrat an der Anhörung vom 25. Novem- und schliesslich im Finanzdepartement. Hier haben ber 1999 überreicht wurde. Auch zur Vorbereitung der sie Zugang zu Informationen, die für die Kantone von Legislaturplanung 2003–2007 hatte der Bundesrat am Fö- Perspektiven lichen Legislaturplanung 1999–2003 aktiv zu begleiten. Informations- und Erfahrungsaustausch: Delegierte der Kantone bzw. des Bundes an und beschloss, die Ziele des Bundesrates mit ihm kon- Interesse sein könnten. Die grösseren Kantone leisten deralismus-Dialog vom 3. Oktober 2002 einen konkreten sich zudem einen Delegierten für Aussenbeziehungen Vorschlag für den Einbezug der Kantone in die Legisla- (Bund, andere Kantone, Ausland) in ihren kantonalen turplanung 2003–2007 unterbreitet. In der Folge erarbei- Verwaltungen. teten die Kantone für die Aussprache mit dem Bundesrat Der Bund seinerseits hat 2005 die Stelle eines Dele- über die Legislaturplanung 2003–2007 eine konsolidierte gierten für kantonale Finanzfragen im Eidg. Finanz- Stellungnahme zum bundesrätlichen Grundlagenpapier. departement eingerichtet. Die Schaffung der Stelle ist Die KdK hatte dieser Form des Austauschs zwischen zum einen als Reaktion auf die Annahme der Neuge- Bund und Kantonen eine hohe Bedeutung beigemessen, staltung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung empfand jedoch das letzte Grundlagenpapier des Bundes- zwischen Bund und Kantonen (NFA), zum zweiten aber rates als zu allgemein und zu abstrakt, um auf dieser Basis auch als Antwort auf das erfolgreich lancierte Referen- in einer anschliessenden Diskussion zwischen Bund und dum der Kantonsregierungen gegen das Steuerpaket Kantonen fassbare Ergebnisse erzielen zu können.79 Ihrem des Bundes zu werten. Der Delegierte soll die Kontakte Wunsch, den Politikbereich Sozial- und Gesundheitspo- zu den Kantonen bei finanzpolitischen Themen inten- litik als eigenständigen Themenbereich aufzuführen, hat sivieren. Zudem wird er dann den Kontakt zum Parla- der Bundesrat aber entsprochen. ment intensivieren, wenn es um gemeinsame Belange von Bund und Kantonen geht. Ausserdem hatte der Bundesrat 2005 zwar die Entsendung eines Informa­ tionsbeauftragten des Bundes ins Sekretariat der Konferenz der Kantonsregierungen (KdK) diskutiert, auf diesen Schritt dann aber verzichtet. 79 Legislaturplanung 2003–2007 des Bundes: Konsolidierte Stellungnahme zum Grundlagenpapier des Bundesrates, verabschiedet an der Plenarversammlung der KdK vom 3. Oktober 2003 im Hinblick auf die Aussprache vom 28. November 2003 zwischen dem Bundesrat und den Kantonsregierungen, S. 2–3. Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 6 139 Referenzrahmen Teil I Tabelle 23: Erwartungen der Kantone an und Themen für eine nationale Gesundheitspolitik (ab 2002) Alterspolitik ■ Vertiefung des Themas Altern und Gesundheit (NGP 2003). ■ Klärung der Verantwortlichkeiten des Bundes, der Kantone, der Gemeinden und der privaten Organi­ sationen im Bereich Alter. Mit Blick auf die Einführung der Neuregelung der Finanzen und der Aufgaben­ teilung zwischen Bund und Kantonen (NFA) sind die Bestrebungen von Bund und Kantonen bei der Hilfe und Pflege von Betagten und Behinderten zu koordinieren, um das Netz der sozialen Hilfe generell zu stärken (KdK 2003). ■ Neuregelung der Pflegeheimfinanzierung als vordringliches Geschäft der nächsten KVG-Revision (KdK 2003). ■ Versorgung von Langzeitpatientinnen und -patienten; Nachbetreuung und Übergangspflege; Finanzierung der Langzeitpflege (NGP 2003). ■ Sicherstellung einer qualitativ guten aber auch finanzierbaren Gesundheitsversorgung der älteren Bevölkerung (KdK 2003). Zusammenarbeit Teil II Teil III Arbeitsgesetz ■ Auswirkungen des Arbeitsgesetzes auf die Lohnkosten des Personals im Gesundheitssektor (NGP 2003). E-Health ■ Elektronisch verknüpfte Patientendossiers oder Gesundheitskarten (NGP 2003). Hochschulmedizin ■ Universitäre Ausbildung: Schwerpunktbildung der medizinischen Fakultäten (NGP 2003). Gesundheitsstatistik ■ Verbesserung der statistischen Vergleichbarkeit der Kantone; Harmonisierung der Gesundheitsdaten; aussagekräftige Datenerhebung, insbesondere mit Blick auf die Erfassung von Patientenströmen; Messinstrumente zur Effizienz der sozial-medizinischen Einrichtungen (NGP 2003). Perspektiven Gesundheitsförderung und Prävention ■ Schnittstellen zwischen Bund und Kantonen von nationaler Reichweite im Bereich der Gesundheitsför- ■ ■ ■ ■ Gesundheitsschutz derung und Prävention sollten auf nationaler Ebene besprochen werden, z. B. Werbeverbot für Tabakprodukte (NGP 2004–05). Programme des Bundes: Konzipieren und Umsetzen in Zusammenarbeit mit den Kantonen. Die Koordination solcher Programme ist insbesondere für kleine Kantone aus Gründen der Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit zwingend. In diesem Kontext sollten auch Umsetzungsstrategien nach Regionen geprüft werden. Dies würde den besseren Einbezug regionaler Zusammenarbeitsgremien wie die regionalen Gesundheits- und Sozialdirektorenkonferenzen erlauben (NGP 2004–05). Stärkung der Gesundheitsförderung, um Gesundheitskosten möglichst tief zu halten (KdK 2003). Information der Bevölkerung: Den Kantonen sollten 50% der Mittel der Gesundheitsförderung Schweiz (GF-CH) zur Verfügung stehen. Allgemeine Rahmenbedingungen für die Verwendung der Mittel sind zu vereinbaren (NGP 2004–05). Themen für eine nationale Präventionspolitik: Früherkennung von Brustkrebs; Strategie «Psychische Gesundheit»; Tabakprävention, Alkoholprävention, Regelung des Konsums von Cannabis; Arbeitswelt und veränderte Lebensgewohnheiten; Umwelt und Gesundheit; Zukunft der 21 Gesundheitsziele (NGP 2003); Arbeitssicherheit, Rauchen, Krebserkrankung, psychische Gesundheit (KdK 2003). ■ Absprachen zwischen Bund und Kantonen bezüglich der wichtigsten Massnahmen im Falle einer Epide- mie (NGP 2004–05). Invalidität ■ Stärkung der interinstitutionellen Zusammenarbeit unter Krankenversicherungen, Krankentaggeldversi- cherungen, Unfallversicherungen, Unfalltaggeldversicherungen; Arbeitgeber und Invalidenversicherung mit dem gemeinsamen Ziel, die Integrationschancen zu erhöhen (KdK 2003). KVG ■ Deckung der Gesundheitskosten in der Krankenversicherung durch angemessene rechtliche Instru- mente, die durch Bund und Kantone gemeinsam zu entwickeln sind (KdK 2003). ■ Kostentransparente Gestaltung der Finanzierungssysteme im Gesundheitswesen; Nachhaltigkeit der verschiedenen stationären Vergütungssysteme thematisieren (KdK 2003). ■ Entwicklung neuer Modelle für die Krankenpflegegrundversicherung im Sinne eines kostenbewussten Konsums; Stärkung der Selbstständigkeit und -verantwortung durch geeignete – vor allem auch monetäre – Anreize; Förderung der solidarischen Selbsthilfe (KdK 2003). ■ Schaffung der gesetzlichen Grundlagen für den Ausschluss wirtschaftlich nicht vertretbarer Leistungen aus der Leistungspflicht. Bedeutung von evidence based-medicine (Umfrage 2003). ■ Transparenz in den Rahmenbedingungen auf Bundesebene für die KVG-Revision; Kontrahierungszwang (NGP 2003). ■ Klärung der Frage nach sinnvollen Standards und Leistungen im Gesundheitsbereich (KdK 2003). 140 Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 6 Nationale Gesundheitspolitik Planung des Angebots Referenzrahmen Teil I ■ Grundsatzdiskussion über die Planung eines nationalen Gesundheitssystems, das sich auf die vier Säulen Gesundheitsförderung und Prävention, Gesundheitsschutz, Gesundheitsversorgung und Finanzierung einer solchen globalen Politik stützt; Einbezug von NGOs und weiterer interessierter Gremien (NGP 2004–05). ■ Spitalplanung: Rechtsprechung des Bundes bei Spitallisten und Tarifen; Spitalfinanzierung; Managed Teil II Qualitätssicherung ■ Qualität im stationären Gesundheitssektor sichern (NGP 2003). Wissensmanagement ■ Instrument schaffen, damit gemeinsame Projekte auf regionaler Ebene und punktuelle Zusammenar- Zusammenarbeit Care; einheitliche Planungskriterien für den stationären Bereich; Tarifstruktur der somatischen Akut­ spitäler (NGP 2003). ■ Ambulante Versorgung: Planung der ambulanten Versorgung (NGP 2003). ■ Koordination der spitzenmedizinischen Leistungen (NGP 2003). beitsprojekte allen Kantonen und dem Bund bekannt sind (NGP 2004–05). ■ Fundierte Analysen von Systemen und Systemveränderungen im Bereich des Gesundheitswesens; Auf- zeigen der praktischen Folgen von politischen Prozessen und Systemveränderungen auf allen Ebenen (NGP 2004-05). Zusammenarbeit Bund–Kantone ■ Direkte Gespräche: Die Kantone werten direkte Gespräche als vertrauensfördernde Massnahmen in der Beziehung zum Bund (NGP 2004–05). Teil III ■ Rahmengesetz: Festlegen der Kompetenzen der verschiedenen staatspolitischen Ebenen im Gesund- ■ ■ ■ Dialog zwischen Bund und Kantonen zur Nationalen Gesundheitspolitik vierteljährlich stattfindenden Plenarversammlungen der Seit Anfang 2004 treffen sich regelmässig auf Regie- schaftlichen Planung gesundheitspolitisch relevanter Dos- rungs- und Fachebene Vertreter/innen des Bundes und siers, sondern dem gegenseitigen Informationsaustausch. Perspektiven ■ heitsbereich und die Formen der Zusammenarbeit. Wo braucht es kantonale, interkantonale bzw. nationale Lösungen? Prüfen, ob die NFA als Vorbild für eine Neuverteilung der Aufgaben im Sektor Gesundheit dienen kann (NGP 2004–05). Good practice: Der Bund sollte die guten Ideen und Projekte der Kantone für Vorhaben auf nationaler Ebene nutzen (NGP 2004–05). Vorvernehmlassung: Prüfung von politischen Entscheiden auf Bundesebene und deren Auswirkungen auf Leistung, Kosten und Umsetzung in den Kantonen. Mit Blick auf die Umsetzung von Bundesrecht wünschen die Kantone, dass das federführende Bundesamt für Gesundheit die Erfahrungen der Kantone in Umsetzungsfragen berücksichtigt (NGP 2004–05). Zur Sicherung eines hohen Niveaus der medizinischen Grundversorgung ist die Zusammenarbeit von Bund und Kantonen in den Bereichen Bildung und Forschung weiter zu stärken (KdK 2003). Vorbereitung der KVG-Geschäfte gemeinsam durch Bund und Kantone (NGP 2004–05) KdK. Diese Kontakte dienen jedoch nicht der partner- der Kantone, um aktuelle gesundheitspolitische Fragen insbesondere zur Gesundheitsversorgung zu diskutieren. Sporadische Treffen Ausführliche Informationen zum Dialog werden in Ab- Darüber hinaus kam und kommt es auf Regierungsebene schnitt 6.4 gegeben. im Sektor Gesundheit je nach politischer Dringlichkeit immer wieder zu sporadischen und informellen Treffen, bei Weitere regelmässige Kontakte zwischen Bund und Kantonen denen Bund und Kantone vor allem Themen der Kranken- Zwei Mal im Jahr nimmt jeweils die Vorsteherin/der Vor- Beispiel die damalige Bundesinnenministerin Ruth Drei- steher des Eidgenössischen Departements des Innern an fuss die wichtigsten Partner im Gesundheitswesen – da- den Plenarversammlungen der schweizerischen Konferenz runter die Kantone – zu einem Runden Tisch zum Thema der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren «Bedürfnisklausel im ambulanten Bereich» eingeladen. (GDK) teil. Zudem ist ein Bundesrat auf Einladung der Obwohl weitere solcher «Runden Tische» geplant waren, Konferenz der Kantonsregierungen (KdK) Gast an den blieb es bei dem einen. Im Vorfeld der 4. IV-Revision fan- versicherung diskutieren. Im November 2000 hatte zum Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 6 141 Referenzrahmen Teil I Teil II den weitere informelle Aussprachen mit den Kantonen Rechtliche Ausgangssituation statt. Auf Verlangen der Kantone erhielten diese nach dem Der Bund kennt im Gegensatz zu den Kantonen kein Ge- Scheitern der 2. KVG-Revision im Parlament im Jahr 2003 sundheitsgesetz, sondern regelt über zahlreiche Einzel- eine eigene Anhörung beim Vorsteher des Departements gesetze gesundheitsrelevante Bereiche, darunter auch des Innern. Ihre abweichenden Vorschläge zu den Anträ- einige der Prävention und Gesundheitsförderung (siehe gen des Bundesrates wurden jedoch nicht berücksichtigt. hierzu Teil V dieses Berichts). Möchte er seine Aktivitäten Zusammenarbeit ausdehnen, benötigt er eine neue rechtliche Grundlage Teil III Ausblick (Verfassungsgrundlage bzw. Bundesgesetz). Als möglicher Ansatz für eine Gesamtplanung bzw. für den Heute hat eine Mehrheit der Kantone Bestimmungen zur Prozess der Zielformulierung und Priorisierung der Ziele Gesundheitsförderung und Krankheitsprävention in ih- zwischen Bund und Kantonen könnten neben der regel- ren Kantonsverfassungen und/oder Gesundheitsgesetzen mässigen Erhebung der gesundheitsrelevanten Ziele der verankert. Darüber hinaus finden sich kantonale Visionen Kantone und des Bundes strategische Führungsindika- zu einer gesundheitsfördernden Gesamtpolitik in Verord- toren im Sektor nationale Gesundheitspolitik dienen (sie­ nungen und Reglementen, in kantonalen Legislaturpro- he hierzu auch Kapitel 4). grammen, in regierungsrätlichen Richtlinien und Gesundheitsleitbildern oder in interkantonalen Vereinbarungen. Gesundheitsförderung und Prävention Einige dieser Strategiepapiere enthalten multisektorale Ausgehend vom Prinzip der Subsidiarität liegen die Kom- Ansätze wie Gesundheitsverträglichkeitsprüfungen. Perspektiven petenzen im Bereich der Gesundheitsförderung und 142 Krankheitsprävention in erster Linie bei den Kantonen. Themenbereiche Teil IV und Teil V des Berichts zeigen jedoch, dass nicht Sowohl in den Kantonen als auch beim Bund überwiegen nur die Kantone, sondern auch der Bund auf zahlreichen Massnahmen der Prävention gegenüber denjenigen der Gebieten in der Gesundheitsförderung und Prävention Gesundheitsförderung. (übertragbare und nichtübertragbare Krankheiten) tätig Die Kantone konzentrieren sich dabei auf Themen wie ist. HIV, sexuelle Gesundheit, legale und illegale Drogen, Politikformulierung im Sinne einer Evidenz basierten Pri- Krebs, Arbeitssicherheit, Unfallverhütung, psychische orisierung der Themen durch Bund und Kantone und ei- Gesundheit, Ernährung, Alter, Spielsucht. ner Steuerung der Aktivitäten hat in der Gesundheitsför- Der Bund hat nationale Programme, Referenzrahmen bzw. derung und Prävention bis jetzt nur in wenigen Bereichen Aktionspläne zu Aids, illegale Drogen, Migration, Alkohol, stattgefunden. In der Regel planen die 26 Kantone und der Tabak, Gender Health, Umwelt, Ernährung entwickelt. Bund ihre je eigenen Präventions- und/oder Gesundheits- In gemeinsamer Verantwortung haben Bund und Kantone förderungsprogramme. Bund und Kantone vollziehen ihre eine nationale Strategie Psychische Gesundheit und ein Massnahmen subisdiär (sogenannter subsidiärer Vollzug): nationales Krebsprogramm erarbeiten lassen (beide Man- Private Vereine bzw. Organisationen wie Radix Gesund- date im Jahre 2001 erteilt). heitsförderung, Selbsthilfegruppen, Gesundheitsligen, die Die zur Verfügung stehenden Mittel sind gesamtschweize- lokal, regional oder gesamtschweizerisch tätig sind, sowie risch beschränkt. Gemäss Finanzstatistik der öffentlichen einige kantonale und nationale Netzwerke setzen auf der Haushalte des BFS betrugen die Aufwendungen für Prä- Basis von Leistungsverträgen die Massnahmen des Bundes vention und Gesundheitsförderung im Jahre 2002 insge- und der Kantone um. Daneben gibt es zusätzliche Institu- samt CHF 1,052 Mia. bzw. 2.2 % der Gesamtaufwendungen tionen (bfu, SUVA, Gesundheitsförderung Schweiz, usw.), von CHF 48 Mia. für das schweizerische Gesundheitssy- die, mit einem öffentlich rechtlichen Mandat versehen, für stem. In wirtschaftlich schlechten Zeiten laufen die Mittel die ganze Schweiz Strategien im Bereich Krankheits- und für Gesundheitsförderung und Prävention Gefahr, gekürzt Unfallprävention und Gesundheitsförderung erarbeiten, zu werden. Besonders das Gebiet der Gesundheitsförde- Massnahmen konzipieren und/oder Projekte realisieren rung ist hier betroffen, bestehen in diesem Sektor doch (siehe Kasten: National tätige Gremien mit einem bundes- kaum gesetzlich abgesicherte Aktivitäten. gesetzlichen Auftrag in der Prävention und Gesundheits- Nachfolgend werden anhand ausgewählter Beispiele in förderung). drei Bereichen die Verflechtung und Zusammenarbeit in Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 6 Ebene dargestellt. men des Bundes beteiligen. Schnittstellen zwischen Bund und Kantonen Schnittstelle 1 Die Vielzahl der bestehenden Politiken in der Gesund- National tätige Gremien mit einem gesetzlichen Auftrag heitsförderung und Prävention, die unterschiedlichen in der Prävention und Gesundheitsförderung rechtlichen Ausgangssituationen sowie die Aufsplitterung Drei Institutionen – die Eidgenössische Kommission für Ar- der Gesundheitsförderung und Prävention auf verschie- beitssicherheit (EKAS), der Fonds für Verkehrssicherheit dene Stellen innerhalb der Bundesverwaltung sowie auf und die Gesundheitsförderung Schweiz – haben je einen verschiedene Amtsstellen innerhalb eines Kantons wirken gesetzlichen Auftrag, Krankheiten und Unfälle zu verhüten sich erschwerend auf die Zusammenarbeit zwischen Bund bzw. die Gesundheit zu fördern. In allen drei Institutionen und Kantonen aus. Zudem weisen Bund und Kantone so- sind neben privaten Akteuren auch Bund und Kantone für wie die Kantone untereinander unterschiedliche Schwer- die strategische Ausrichtung dieser Institutionen verant- punkte und Zeitpläne in den Präventionsprogrammen wortlich. Die Institutionen finanzieren sich über Abgaben auf, was eine nationale Koordination ebenfalls behindern aus Versicherungsprämien. Der Bundesrat nimmt bei allen kann. drei Institutionen eine Aufsichtsfunktion wahr. Trotzdem ergeben sich Schnittstellen zwischen Bund und Kantonen, vor allem dann, wenn die Kantone im Auftrag Fonds für Verkehrssicherheit des Bundes Massnahmen der Gesundheitsprävention im Der Fonds für Verkehrssicherheit hat den gesetzlichen Bereich übertragbare Krankheiten umsetzen oder wenn Auftrag, sich für die Sicherheit aller im Strassenverkehr Teil II Zusammenarbeit sie sich freiwillig an den nationalen Präventionsprogram- Teil III Perspektiven der Gesundheitsförderung und Prävention auf nationaler Referenzrahmen Teil I Ein eidgenössisches Präventionsgesetz? Bereits in den 1980er-Jahren hatte der Bund einen ersten erfolglosen Anlauf unternommen, um im Präventionsbereich die Kompetenzen zu klären, Gesundheitsförderung und Prävention zu stärken sowie die Aktivitäten gesamtschweizerisch besser zu koordinieren. Nach der Ablehnung der Initiative «gegen Suchtmittelreklame» (Guttempler Initiative) führte der Bund eine Vernehmlassung zu einem Entwurf für ein Bundesgesetz über Krankheitsvorbeugung (Präventionsgesetz) durch. Obwohl die meisten Kantone einen Ausbau der Prävention befürworteten, lehnten 1984 24 von 26 Ständen den Entwurf für ein Bundesgesetz ab (mit Ausnahme der Kantone Bern und Tessin). Eine Mehrheit der Stände wollte an der alleinigen Zuständigkeit der Kantone für präventive Massnahmen festhalten. Auf Initiative des Kantons Waadt entstand 1989 in Zusammenarbeit mit dem Bund die Schweizerische Stiftung für Gesundheitsförderung (SSGF). 1996 wurde die Stiftungsurkunde im Hinblick auf den Artikel 19 des neuen Krankenversicherungsgesetzes (KVG) abgeändert und der Stiftungsrat neu zusammengesetzt (siehe Teil V des Berichtes). Der Bundesrat entschied sich seinerseits, die Prävention eher mittels konkreter Massnahmen als durch gesetzliche Grundlagen zu stärken. 1987 wurde im BAG die Sektion «Prävention» (Alkohol, Tabak, Drogen, Impfungen) geschaffen. In Anlehnung an die Ottawa-Charta der WHO von 1986 wurde die Präventionsarbeit in einen Kontext übergeordneter Überlegungen zur Gesundheitsförderung eingebunden. 1994 fand dieser neue Ansatz Anerkennung und wurde mit Artikel 19 zur Prävention und Gesundheitsförderung in das neue Krankenversicherungsgesetz übernommen. Heute liegt die Frage einer neuen gesamtschweizerischen Regelung von Prävention und Gesundheitsförderung erneut auf dem Tisch, eine Folge der Neuorganisation des BAG im Jahr 2004 und der Neuformulierung seiner Gesamtstrategie. Letztere verrät den deutlichen Willen, auf nationaler Ebene die Führung in der Gesundheitspolitik zu übernehmen. Das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) hat 2005 auf diesem Hintergrund eine Fachkommission «Prävention und Gesundheitsförderung Schweiz 2010» eingesetzt, die sich zur Zukunft von Prävention und Gesundheitsförderung in der Schweiz äussern und Empfehlungen für das weitere Vorgehen im Hinblick auf die Schaffung neuer rechtlicher Grundlagen für Prävention und Gesundheitsförderung abgeben soll. Der Fachkommisssion gehören auch Vertreter/innen der Kantone an. Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 6 143 Referenzrahmen Teil I Tabelle 24: Öffentlich-rechtliche Gremien mit Beteiligung des Bundes und der Kantone (Stand: 2004) Zusammenarbeit Teil II Perspektiven Teil III Akteur Aktiv seit Finanzierung (2004) Delegierte des Bundes/der Kantone Jahresbudget (2004) Fonds für Verkehrs­ sicherheit 1976 Beiträge aus der Haftpflichtversicherungsprämie (CHF 4–5 pro Motorfahrzeughalter) Bund: ASTRA, VBS Kantone: Basel-Landschaft, Genf (2006) CHF 18 Millionen Eidg. Koordinations­ kommission für Arbeits­ sicherheit 1984 Zuschlag auf den Nettoprämien der obligatorischen Unfallversicherung Bund: Suva, seco, BAG Kantone: Luzern, Zürich CHF 106 Millionen Gesundheitsförderung Schweiz 1996 Zuschlag von zurzeit CHF 2.40 pro Person/Jahr auf den KVG-Kopfprämien Bund: nur Aufsicht Kantone: Luzern, Waadt, Zug, Zürich CHF 17 Millionen Teilnehmenden (LKW- und PW-Fahrende, Motorradfah- Einrichtung der Kantone und der Versicherer. Sie unter- rende, Fahrradfahrende, zu Fuss gehende) einzusetzen. steht der Aufsicht des Bundes, die seit 2004 vom Bundes- Zu diesem Zweck fördert er Massnahmen, die auf Ver- amt für Gesundheit wahrgenommen wird. Gesundheitsför- haltensprävention abzielen und die Verhütung von Stras- derung Schweiz setzt sich gemäss ihrem Leitbild zum Ziel, senunfällen zum Ziel haben. Mit einem Jahresbudget von «… persönliche und soziale Ressourcen für Gesundheit zu CHF 18 Mio. ist der Fonds einer der Hauptakteure in der stärken (salutogenetischer Ansatz) und gesellschaftliche Finanzierung von Massnahmen auf dem Gebiet der Ver- Lebenswelten zu schaffen, welche die Individuen und kehrssicherheit. Die Schwerpunktthemen des Fonds lau- Gruppen befähigen, die eigene Lebensweise so zu gestal- ten: ten, dass sie der Gesundheit und dem Wohlbefinden för- ■ Schule und Verkehr derlich ist und zu erhöhter Lebensqualität führt.»80 Dieses ■ Schutzverhalten multisektorale und umfassende Verständnis von Gesund- ■ Fahrfähigkeit heit versucht die Gesundheitsförderung Schweiz mit drei ■ Geschwindigkeit Schwerpunktprogrammen umzusetzen: Mitglieder der Verwaltungskommission des FVS sind un- ■ Bewegung, Ernährung und Entspannung ter anderem auf Stufe Bund je ein Delegierter des Bun- ■ Gesundheit und Arbeit desamts für Verkehr und des VBS. Die Kantone sind mit ■ Jugendliche und Erwachsene einem Delegierten vertreten. Im Rahmen dieser Programme unterstützt die GesundEidg. Koordinationskommission für Arbeits­sicherheit heitsförderung Schweiz seit 1998 eine Reihe von Pro- (EKAS) jekten81 und arbeitet dabei punktuell mit Kantonen und Die EKAS gilt als die Zentralstelle für Arbeitssicherheit Gemeinden, mit Versicherern, mit Behörden des Bundes, in der Schweiz. Sie ist verantwortlich für die einheitliche mit nichtstaatlichen Organisationen sowie mit den Fach- Anwendung der Sicherheitsvorschriften in den Betrie- stellen der Gesundheitsförderung, der Präventivmedizin, ben gemäss dem Unfallversicherungsgesetz (UVG). Die der Wissenschaft und der Forschung zusammen. Suva, 26 kantonale Arbeitsinspektorate, 2 eidgenössische Die langfristige Strategie der Gesundheitsförderung Arbeitsinspektionen sowie aktuell 6 Fachorganisationen Schweiz (2007–2018) sieht eine Fokussierung auf fol- setzen die Sicherheitsbestimmungen der EKAS auf Stufe gende drei Kernthemen vor: Bund und in den Kantonen um. Um ihre Aufgaben erfüllen ■ Gesundheitsförderung und Prävention stärken zu können, ist die EKAS mit Weisungsrechten gegenüber ■ Gesundes Körpergewicht den Versicherern und den Durchführungsorganen ausge- ■ Psychische Gesundheit – Stress stattet. Gesundheitsförderung Schweiz GF-CH Die Gesundheitsförderung Schweiz ist eine gemeinsame 144 80 Siehe hierzu: Leitbild der Gesundheitsförderung Schweiz vom 1. Januar 2002. 81 Siehe hierzu auch Kapitel 5.6.1 dieser Publikation (u.a. Projekt «50+ santé»). Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 6 Das politisch-strategische Organ der Gesundheitsförde- Impfungen im Schulalter rung Schweiz ist der Stiftungsrat. Er wird gegenwärtig vom Einige Kantone benutzten die Aufnahme der Schulimp- Kanton Zürich präsidiert. Auf der politisch-strategischen fungen in den Pflichtleistungskatalog zur Abkehr vom Ebene möchte die Gesundheitsförderung Schweiz mit ei- Schularztsystem und zur finanziellen Entlastung. Diese ner in ihren Wirkungen überprüfbaren Gesundheitsförde- Vorsorgeleistung wurde früher in den Kantonen systema- rungs-Policy die nationale Gesundheitspolitik prägen. tisch von der öffentlichen Hand getragen und im Rahmen Referenzrahmen Teil I Teil II der Integration dieser Leistung in die obligatorische Kran- Umsetzung von Präventionsleistungen gemäss KVG kenpflegeversicherung wird sie zur privaten Leistung, die Mit Artikel 26 des KVG sind Elemente der Sozial- und Prä- von privaten Ärzten erbracht wird. Als Folge werden we- ventivmedizin auf Bundesebene verankert. Damit regelt niger Impfungen beim Schularzt in Anspruch genommen. das Bundesgesetz zwar die Bedingungen der Vergütung Das kann sich negativ auf den Durchimpfungsgrad der einer medizinischen Massnahme, jedoch nicht den Voll- schulpflichtigen Kinder auswirken. zug. Im Rahmen der Wirkungsanalyse des Krankenversi- Der Evaluationsbericht empfiehlt unter anderem, dass bei cherungsgesetzes konnte anhand von Evaluationen ge- der Aufnahme von Präventivleistungen im Sinne der Ver- zeigt werden, dass die Aufnahme präventivmedizinischer sorgungsgerechtigkeit auch Vollzugsaspekte zu berück- Massnahmen in den Pflichtleistungskatalog (unter ande- sichtigen sind. Die Chancen für einen optimalen Vollzug rem Mammographie-Screening und Impfungen im Schul- im Sinne von Versorgungsgerechtigkeit steigen, je mehr alter) zu Diskrepanzen zwischen der gesetzlich vorgese- sich die bundesstaatlichen Ziele mit kantonspolitischen henen Form der Leistungserbringung und der tatsächlich Interessen und Strategien in Einklang bringen lassen. Teil III Perspektiven Schnittstelle 2 Zusammenarbeit der schulärztlichen Untersuchungen durchgeführt. Mit vorherrschenden Praxis in den Kantonen geführt hat.82 Damit hätten die angebotenen präventivmedizinischen Schnittstelle 3 Massnahmen bei der Zielbevölkerung keine oder nicht die Umsetzung nationaler Programme des Bundes beabsichtigten Verhaltensänderungen ausgelöst. Die nationalen Programme des Bundes im Bereich der Krankheitsprävention wurden bisher mit wenigen Aus- Mammografie: Screening-Programme nahmen ohne aktives Mitwirken der Kantone entwickelt. In der oben erwähnten Evaluation vertreten die Auto- Auch die Umsetzung der Programme durch die Kantone ren die Ansicht, dass sich das KVG als eine ungenügende war kaum Gegenstand der Bundesprogramme. Ausnah- Rechtsgrundlage für die Finanzierung von Präventions- men stellen die Drogenpolitik des Bundes (siehe Kasten) leistungen erweist, wenn deren Vergütungspflicht an die und die Aids-Prävention dar. Einbettung in organisierte Programme geknüpft ist. So hatte die Aufnahme der «neuen» Leistung Screening- Gesundheitsfördernde Schulen Mammografie in den Pflichtleistungskatalog zunächst le- Das Programm «bildung+gesundheit Netzwerk Schweiz», diglich in drei Kantonen – Genf, Waadt und Wallis – die 1993 vom BAG initiiert, bindet Gesundheit und Präven­- Lancierung von Programmen zur Folge. Später kamen tion in die schulische Ausbildung ein. Es wird vom Bundes­ die Kantone Freiburg und Jura dazu. Demnächst wird amt für Gesundheit (BAG) und von der Schweizerischen Neuenburg ein entsprechendes Programm lancieren. Für Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) die erfolgreiche Lancierung waren drei Voraussetzungen getragen. Die Zusammenarbeit mit der EDK hat sich für gegeben: das politische Engagement der Regierung und die Akzeptanz und Realisierung von Schulprojekten als Verwaltung, die Sicherstellung der Finanzierung und die wesentlich erwiesen. Dem Netzwerk gehören Schulen aus Klärung der präventionspolitischen Aufgabenteilung zwi- 23 Kantonen an. Zudem bestehen regionale Netzwerke in schen den Kantonsbehörden, den Leistungserbringern der Stadt Bern, den Kantonen Thurgau, Basel-Landschaft, und privaten Akteuren. Tessin und Zürich (Stand: 2004). Die Gemeinden sind wichtige Partner bei der Konkretisierung der Schulpro- 82 Christian RÜEFLI, Fritz SAGER: «Public Health, Prävention und Föderalismus. Erkenntnisse aus der Umsetzung des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung», Sozial- und Präventivmedizin. International Journal of Public Health 49 (2004). 216–223. jekte. Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 6 145 Referenzrahmen Teil I Tabelle 25: Gesundheitsförderung und Prävention: Projekte der Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen Zusammenarbeit Teil II Perspektiven Teil III (Auswahl) Akteure Bereich Zeitrahmen BAG, EDK Gesundheitsfördernde Schulen: nationales Programm «bildung+gesundheit Netzwerk Schweiz» seit 1993 BAG, SODK Stationäre Drogentherapie: nationale Koordinations- und Fachstelle seit 1995 BAG, Gemeinden Umwelt und Gesundheit: Schweizerischer Aktionsplan 1997–2007 BAG, Städte Interventions-Forschungsprogramm zur Suchtprävention und Gesundheitsförderung bei gefährdeten Jugendlichen. Teilnehmende Städte: Liestal, Winterthur, Zürich, Bern, Delémont, Fribourg, Moudon, Lausanne und Genf (2004) 1998 BAG,EAV, Gemeinden, Radix Alkoholprävention: Programm zur Entwicklung lokaler Alkoholpräventionspolitiken seit 2000 BAG, GDK, seco Psychische Gesundheit: Erarbeitung eines nationalen Referenz­ rahmens 2000–2005 ARE, BPUK, SSV Nachhaltige Entwicklung: Gründung des «Forums für Nachhaltige Entwicklung» 2001 BAG, GDK, oncosuisse Krebsprävention: Erarbeitung einer nationalen Strategie durch oncosuisse im Auftrag von BAG und GDK 2001–2005 ARE, BAG, BAWU, GF-CH, GDK, Obsan Multisektorale Gesundheitspolitik: Erarbeitung eines BAG-Leitbildes 2002–2004 BAG, GF-CH Gesundes Körpergewicht: Gemeinsame Trägerschaft des Programms «Suisse Balance» 2002–2005 BAG, GDK Tabakprävention: Konzipierung einer neuen Präventionsstrategie in Vorbereitung GF-CH und secco Betriebliche Gesundheitsförderung: Nationales Forum für Betriebliche Gesundheitsförderung in Vorbereitung Stationäre Drogentherapie den realisiert. In diesem Sinne dient APUG als Modell der Die Koordinations- und Fachstelle KOSTE wurde Ende nationalen Zusammenarbeit. Wegen des Entlastungspro- 1995 zur Koordination und Unterstützung des Bereichs der gramms des Bundes wird der Aktionsplan nach 2007 nicht stationären Drogentherapie gegründet. Rechtliche Grund- weitergeführt. lage bildet der «Bundesratsbeschluss vom 3. 10. 1994 zur Koordination und Unterstützung des Bereichs der statio- Psychische Gesundheit nären Therapieangebote» (Massnahmenpaket Drogen I). Bund und Kantone haben im Rahmen der Nationalen Ge- Nach einer evaluierten Pilotphase von fünf Jahren hat sich sundheitspolitik Schweiz 1998 das Teilprojekt «Psychische die Stelle als schweizerische Koordinations- und Fachstel- Gesundheit» lanciert. Heute liegt ein von Bund, Kantonen le etabliert, die heute von Bund (Bundesamt für Gesund- und Fachleuten gemeinsam erarbeiteter und verabschie- heit BAG) und von den Kantonen (Konferenz der kanto- deter nationaler Referenzrahmen vor (April 2005), an dem nalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren SODK) sich zukünftige Projekte und Massnahmen des Bundes gemeinsam getragen wird. (BAG, BSV, seco,) und der Kantone zur Förderung, Erhaltung und Wiederherstellung der psychischen Gesundheit Umwelt und Gesundheit orientieren können. Gegenwärtig laufen unter anderem Der Schweizerische «Aktionsplan Umwelt und Gesund- folgende Aktionen im Rahmen dieser Strategie: heit» (APUG) versteht sich als Ergänzung zur Strategie ■ In den Kantonen Zug (2004) und Bern (2005): Pilot- ■ Modelltarife für stationäre und ambulante psychiat- Nachhaltige Entwicklung des Bundesrates. In den letzten 5 Jahren wurden im Rahmen des APUG mit den Ge- 146 projekt «Bündnis gegen Depression» meinden Crans-Montana, Aarau und Thal Pilotprojekte rische Behandlung. Probedurchläufe sind in den Kan- zu den Themen Natur/Mobilität/Wohnen und Wohlbefin- tonen Luzern und Bern geplant Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 6 ■ Erarbeitung von Planungskriterien für die psychische Tabakprävention Versorgung im Rahmen der Arbeitsgruppe Spitalpla- Tabakprävention ist ein Querschnittthema, das unter- nung der GDK schiedliche Rechtsgebiete tangiert: Handel und Gewerbe, Erarbeitung eines Konzepts «Mental Health in Public Schulpläne, Personal, Polizei, Gastgewerbe. Dies hat auf Health» als Basis für ein Aktionsprogramm des BAG Stufe Bund und Kantone unterschiedliche Zuständigkeiten zur Folge und erschwert eine kohärente Tabakprävention. Alkoholprävention Teil II Die Kantone regeln vor allem fünf für die Tabakpräven- Die Eidgenössische Alkoholverwaltung (EAV) und das ­tion zentrale Bereiche autonom: Die Prävention auf Grund Bundesamt für Gesundheit (BAG) haben im Rahmen der kantonalen Schulhoheit, die Werbung auf öffentlichem ihres Präventionsprogramms «Alles im Griff?» die gemein- Grund, Abgabeeinschränkungen auf Grund der handels- nützige, gesamtschweizerisch tätige Stiftung «Radix Ge- und gewerbepolizeilichen Kompetenzen, den Schutz der sundheitsförderung» beauftragt, Gemeindepolitiker und Nichtrauchenden in öffentlichen Gebäuden sowie die -behörden bei der Suche nach einer lokalen, auf die jewei- Gastronomie. Die kantonalen Tabakpolitiken sind durch ligen Bedürfnisse zugeschnittenen Alkoholpolitik zu un- sektorale Optiken geprägt. Internationaler Druck, das terstützen. Entstanden ist im Jahr 2000 das Projekt «Die Rahmenübereinkommen (FCTC) der Weltgesundheitsor- Gemeinden handeln!» Heute sind 75 Gemeinden mit einer ganisation (WHO) sowie das erste Nationale Programm lokalen Alkoholpräventionspolitik dem Programm ange- zur Tabakprävention 2001–2005 des BAG (2001), haben schlossen (Stand 2006). Bewegung in die Tabakprävention auf nationaler Ebene Zusammenarbeit ■ Referenzrahmen Teil I Teil III Nachhaltige Entwicklung Kantonen im Rahmen der Konzipierung der neuen Tabak- Im Jahr 2001 wurde auf Initiative des Bundesamtes für strategie stärken. Der Zentralsekretär der GDK ist erst- Raumentwicklung (ARE), der Schweizerischen Bau-, Pla- mals Mitglied in einer entsprechenden Arbeitsgruppe. Aus nungs- und Umweltschutzdirektorenkonferenz (BPUK) Sicht der Gesundheitsdirektorenkonferenz sind Bund und sowie des Schweizerischen Städteverbandes (SSV) das Kantone in der Tabakprävention denn auch nicht Konkur- «Forum für Nachhaltige Entwicklung» eingerichtet. renten, sondern Partner im Hinblick auf ein gemeinsames Forumsveranstaltungen mit Vertretern des Bundes, der Ziel: die Verstärkung der Tabakprävention83. Perspektiven gebracht. Das BAG möchte die Zusammenarbeit mit den Kantone und der Städte finden zweimal jährlich statt. Dabei kommen bestehende und geplante Projekte (z. B. Betriebliche Gesundheitsförderung Kernindikatoren der Nachhaltigen Entwicklung) zur Spra- Seit einigen Jahren laufen auf Initiative des Staatssekreta- che. Das Forum soll wesentlich zur Konsolidierung von riats für Wirtschaft (seco) und der Gesundheitsförderung bestehenden bzw. zur Stimulierung von neuen nachhaltig- Schweiz (GF-CH) Vorbereitungen zur Gründung eines Na- keitsbezogenen Aktivitäten in Kantonen und Gemeinden tionalen Forums für Betriebliche Gesundheitsförderung. beitragen. Ziel des Forums soll es sein, die Gesundheitsförderung auf politischer und betriebliche Ebene besser zu veran- Krebsprävention kern. Dem Forum sollen neben den Arbeitgeberverbänden Die Dachorganisation «oncosuisse» hat ihre Tätigkeit im auch Gewerkschaften, die Krankenversicherer, die Suva, Jahre 2000 aufgenommen, um die Empfehlungen der WHO die GDK, die Gesundheitsförderung Schweiz und Bundes­ für Nationale Krebskotrollpolitiken in der Schweiz umzu- ämter (BAG, BSV, seco) angehören. setzen. Das BAG und die GDK erteilten darauf im Jahre 2001 «oncosuisse» den Auftrag, ein nationales Krebspro- Gesundes Körpergewicht gramm für die Schweiz zu erarbeiten. Dieses wurde bis Auf der Basis des 4. Schweizerischen Ernährungsberichts Ende 2004 erstellt und bei Kantonen und Bundesstellen haben das Bundesamt für Gesundheit (BAG) und die Ge- im Jahre 2005 in zahlreiche Vernehmlassungen gegeben. sundheitsförderung Schweiz (GF-CH) im Jahr 2002 das Der Dialog zur Nationalen Gesundheitspolitik Schweiz Programm «Suisse Balance» lanciert. Das Besondere an hat im selben Jahr beschlossen, die Umsetzung einzelner Massnahmen dieser nationalen Krebsstrategie zu fördern. 83 Nationale Tabakpräventionskonferenz, Freiburg (CH), 2. 12. 2004: «Das Engagement der Kantone in der Tabakprävention» von Franz WYSS, Zentralsekretär der GDK. Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 6 147 Referenzrahmen Teil I gung und Körpergewicht miteinander verbindet. Suisse Tendenzen und neue Ansätze in der Zusammen­ arbeit zwischen Bund und Kantonen Balance unterstützt Projekte und Massnahmen finanziell. In den letzten Jahren lassen sich Entwicklungen in der Kinder und Jugendliche sind dabei eine wichtige Zielgrup- Gesundheitsförderung und Prävention beobachten, die pe. Für die zukünftige Ausrichtung einer Ernährungs- und auf eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen Bund und Bewegungspolitik empfiehlt die Evaluation unter ande- Kantonen im strategischen Bereich hinweisen. Die aktu- rem: alisierten Programme des Bundes im Bereich HIV/AIDS ■ eine spezifische Politik, die sich aber auf eine globale und Migration zum Beispiel sind beispielsweise policy- Vision stützt und national ausgerichtet ist übergreifend formuliert und erwähnen im Gegensatz zu grössere Professionalität in der Umsetzung der Politik früheren Programmen ausdrücklich die Partnerschaft mit mit Partnern wie den NGO und den Kantonen den Kantonen. Suisse Balance ist, dass es die Themen Ernährung, Bewe- Zusammenarbeit Teil II ■ Teil III Kooperativer Föderalismus am Beispiel der schweizerischen Drogenpolitik Die Drogenpolitik des Bundes (illegale Drogen) zeichnet sich dadurch aus, dass es Bund, Kantonen und grossen Städten mit einer inhaltlich überzeugenden Drogenpolitik gelungen ist, in den 1980er- und 1990er-Jahren das Drogenproblem in den Griff zu bekommen. Als es darum ging, eine schweizerische Drogenpolitik zu entwickeln, stand die konzertierte Aktion der drei staatspolitischen Ebenen im Vordergrund. In der Folge entwickelten sich verschiedene Perspektiven Zusammenarbeitsgremien. Ihre Aufgabe war es, die multisektorale Verankerung im Kampf gegen Drogen, den Informationsaustausch, die Interventionen zwischen Kantonen und Städten, aber auch zwischen Bundesstellen sicherzustellen mit dem Ziel, die Drogenpolitik auf eine breite Basis zu stellen. Das mit der Zeit entstandene System der multisektoralen Zusammenarbeit in Strukturen, wie es weiter unten beschrieben wird, ist komplex; denn es berücksichtigt auf jeder Stufe die föderale Struktur der Schweiz und könnte damit als Modell für eine nationale Gesundheitspolitik dienen: ■ Die Koordinations- und Dienstleistungsplattform (KDS) hat der Bundesrat 1996 eingesetzt mit dem Ziel, die Vier- ■ Dem Nationalen Drogenausschuss (NDA) gehören die Kantone (EDK, SODK; GDK, KKJPD, KKBS), die Städte ■ Mitglieder der Drogenplattform des Schweizerischen Städteverbandes (DSSV) sind Exekutivpolitiker/innen (Poli- Säulen-Politik des Bundes gesamtschweizerisch zu verankern. (SSV, SKBS) und Bundesstellen (BAP, BJ, GS-EDI, BSV, BAG) an. zei-, Sozial-, Gesundheitsdirektion) aus 23 Städten. Das Ziel der Drogenplattform ist nebst einem Informationsaustausch zwischen den Städten das Einbringen der suchtpolitischen Positionen der Städte auf Bundesebene und der Austausch mit den zuständigen Bundesämtern (Bundesamt für Gesundheit und Bundesamt für Polizei). ■ Die Konferenz der kantonalen Beauftragten für Suchtfragen (KKBS) umfasst 23 Kantone. Das Ziel ist, unter Be- ■ Der Städtischen Konferenz der Beauftragten für Suchtfragen (SKBS) gehören 26 Städte an, die durch ihre Suchtbe- rücksichtigung der kantonalen Eigenheiten, eine einheitliche schweizerische Suchtpolitik zu führen. auftragten sowie Polizistinnen und Polizisten vertreten sind. Schwerpunktthema der SKBS ist die Zusammenarbeit zwischen sozialen, gesundheitlichen und polizeilichen Stellen auf kommunaler Ebene im Bereich Suchtfragen und Drogenpolitik. ■ Die Eidgenössische Kommission für Drogenfragen (EKDF) besteht aus 14 Expertinnen und Experten. Ihre Aufgabe ist es, die Landesregierung und insbesondere das Innenministerium bei den Ausführungsbestimmungen zur Betäubungsmittelgesetzgebung zu beraten. ■ Mitglieder der Arbeitsgruppe Zusammenarbeit zwischen Polizei und Sozialarbeit (ZUPO) sind das Bundesamt für Polizei (BAP), das Bundesamt für Gesundheit (BAG), der Verband Schweizerischer Polizeibeamtinnen und –beamten (VSPB) sowie die Fachstelle für Schadensminderung im Drogenbereich (FASD). Ziel ist ein direkter fachlicher Austausch zwischen der Polizei und dem Sozial- und Gesundheitsbereich sowie das Entwickeln von gemeinsamen Strategien. 148 Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 6 ist eine Stärkung der Gesundheitsförderung und Präven- Das BAG sieht sich seit einigen Jahren mit der Heraus- tion in der Schweiz. Das Eidgenössische Departement forderung konfrontiert, sein drogenpolitisches Impulspro- des Innern (EDI) plant auf diesem Hintergrund unter der gramm zusammen mit den übrigen Sektoralpolitiken Federführung des Bundesamts für Gesundheit (BAG) (Alkohol, Tabak) in eine umfassende nationale Suchtpo- eine Neuregelung der Prävention und Gesundheitsförde- litik auf der Basis der vier Säulen Prävention, Therapie, rung. Es hat dazu eine Fachkommission eingesetzt, die Schadensminderung, Repression zu integrieren.84 Diese ihre Empfehlungen im Juni 2006 abliefern soll. Obwohl Richtung vertreten auch die Konferenzen der kantonalen in der Kommission Kantonsvertreter Einsitz haben, wird Gesundheits- und Sozialdirektoren.85 Der Bund wollte der der Prozess vom Bund gesteuert. Die Möglichkeit, darü- Herausforderung mit der Revision des Betäubungsmittel- ber vorgängig mit der GDK im Rahmen des Dialogs Bund gesetzes begegnen. Diese Revision sah unter anderem ein – Kantone zu diskutieren und den Prozess gemeinsam zu koordiniertes Vorgehen aller Akteure im Drogenbereich gestalten, wurde nicht genutzt. Teil II Zusammenarbeit Integrale Suchtpolitik des Bundes Referenzrahmen Teil I vor (Bund, Kantone und Städte, Gremien, Verbände). Ein Neue Ideen in der Alkoholpolitik des Bundes ankern, scheiterte 2004 mit dem Nichteintretensentscheid Interessante Ideen mit Blick auf die Zusammenarbeit des eidgenössischen Parlaments auf die Revision des Be- zwischen Bund und Kantonen beinhaltet die Alkohol- täubungsmittelgesetzes, insbesondere deswegen, weil die politik des Bundes (siehe hierzu Absatz 6.5 «Tendenzen Revision unter anderem den straffreien Konsum von Can- und neue Ansätze»). Ein Prüfstein auf dem Weg zu einer nabis beinhaltet hatte. Für seine ganzheitliche Suchtpoli- partnerschaftlichen Policyformulierung Bund-Kantone ist tik hingegen hatte der Bundesrat gemäss den Vernehmlas- auch das BAG-Projekt «Entwicklung nationale Dachstra- sungsergebnissen grosse Unterstützung erhalten. tegie Tabak 2006–2010». Teil III Perspektiven erster Versuch, diesen integralen Ansatz politisch zu ver- Es bleibt abzuwarten, wie das BAG die Idee «Neue Suchtpolitik des Bundes» angehen wird. Die gegenwärtigen Ak- Zusammenfassung und Ausblick tivitäten des BAG in der Prävention sprechen gegen eine Für den Bereich Gesundheitsförderung und Prävention integrale Suchtpolitik: Die Präventionsstrategien in den gilt folgendes: Bereichen Tabak, Drogen und Alkohol werden unabhängig ■ Bund und Kantone führen im Bereich der Prävention voneinander überarbeitet. und Gesundheitsförderung ihre je eigenen Politiken. Auf kantonaler Ebene dürfte der Richtungswechsel – weg Ihre Ausgangslage unterscheidet sich jedoch stark. Im von präventiven Sektoralpolitiken und hin zu einer inte- Gegensatz zu den Kantonen kann bzw. darf der Bund gralen Suchtpolitik (koordiniertes, übergreifendes Vorge- wegen des Subsidiaritätsprinzips nur in einzelnen Be- hen Tabak-Alkohol-Cannabis) auf Schwierigkeiten stossen. reichen der Gesundheitsförderung und Prävention tä- Erfolg versprechende Realisierungsfenster, wie sie zurzeit in einigen Kantonen beim Tabak bestehen, könnten aufs tig sein. ■ Spiel gesetzt werden. Gesundheitsförderung und Prävention spielen sowohl in den Kantonen als auch beim Bund, gemessen an den getätigten Investitionen und den realisierten Massnah- Stärkung der Prävention und Gesundheitsförderung men in der kurativen Medizin, eine untergeordnete Herausforderungen wie die demographische Entwicklung, Rolle. die Zunahme chronischer Krankheiten und Wiederkehr ■ Eine Reihe von Institutionen und Gremien setzen die bzw. Neuauftreten von Infektionskrankheiten zwingen Massnahmen des Bundes und der Kantone auf der Ba- dazu, das Gesundheitssystem grundsätzlich zu überden- sis von Leistungsaufträgen oder öffentlich-rechtlichen ken. Eine mögliche Antwort auf diese Herausforderungen Mandaten zum Teil schon seit Jahrzehnten um. Darunter befinden sich einige, in denen sowohl der Bund als 84 Markus Spinatsch, Eine neue Suchtpolitik für die Schweiz? Grundlagen und Materialien für eine verstärkte Integration der suchtpolitischen Aktivitäten des Bundes. Kurzfassung eines Berichts zuhanden des Bundesamtes für Gesundheit, Mai 2004, S. 6. 85 BetmG, wie weiter? Letter of Intent, März 2005. Franz Wyss gehört in seiner Funktion als Zentralsekretär der GDK zu den Erstunterzeichnern dieses Letter of Intent. auch die Kantone involviert sind (Fonds für Verkehrssicherheit, EKAS, Gesundheitsförderung Schweiz, usw.). ■ Es gibt gemeinsame Schnittstellen (Strategien bzw. Projektorganisationen) zwischen Bund und Kantonen Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 6 149 Referenzrahmen Teil I Zusammenarbeit Teil II Perspektiven Teil III in der Gesundheitsförderung und Prävention, die sich und Ärzten der Hausarztmedizin zählen, die seit 1986 aus einer gesundheitspolitischen Dringlichkeit heraus wöchentlich auf freiwilliger Basis epidemiologische Daten ergeben haben (z. B. das Auftauchen des HI-Virus, der nach Bern übertragen (Sentinella-Meldesystem). übermässige Konsum illegaler Drogen). ■ Trotz dieser Schnittstellen teilen Bund und Kantone Gesetzgebungsprozess bis heute keine Vision oder Politik der Gesundheits- Gesetzesrevisionen werden unter Beizug der Kantone förderung und Prävention. Bund und Kantone haben vorgenommen, so zum Beispiel die Revision des Epide- das Potential an Fachwissen und Erfahrung, das in den miengesetzes oder des Lebensmittelgesetzes. Für Aus- bestehenden, gesamtschweizerisch tätigen Organisati- nahmesituationen haben der Bundesrat und die 26 Kan- onen und Gremien liegt, noch nicht für die gemeinsame tonsregierungen 1997 das Konzept des Koordinierten Konzipierung einer nationalen Politik der Gesundheits- Sanitätsdienstes gutgeheissen (siehe Teil V, Bundespor- förderung und Prävention ausgeschöpft. trät). Gesundheits- und Verbraucherschutz Schweizerischer Pandemieplan Der Gesundheits- und Verbraucherschutz (Bekämpfung Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) hat als eine Kon- übertragbarer Krankheiten, Strahlenschutz, Chemikalien, sequenz aus SARS ein umfassendes Konzept Krisen- Lebensmittelsicherheit, Heilmittelkontrolle, Gesundheits- management erstellt, das in Zukunft ein professionelles schutz am Arbeitsplatz) dient als Beispiel für eine Auf- Vorgehen bei Ernstfällen sicherstellen soll. Wesentlicher gabenteilung zwischen den beiden staatspolitischen Ebe- Bestandteil des Krisenmanagements, das zuletzt Ende nen, die dank klarer gesetzlicher Grundlagen mehrheitlich 2005 bei der Vogelgrippe zum Einsatz gelangte, ist der konfliktfrei funktioniert. Bei dieser Art von Aufgabentei- schweizerische Grippepandemieplan «Plan de pandémie». lung, die unter dem Begriff «Vollzugsföderalismus» läuft, Gesetzliche Grundlage des Pandemieplanes ist neben dem setzen die Kantone seit Jahrzehnten Massnahmen um, die Epide­miengesetz die Verordnung über Massnahmen zur in Bundesgesetzen geregelt sind. Hierfür steht ein Netz Bekämpfung einer Influenza-Pandemie (Influenza-Pan- von Kantonsärzten, -apothekern, -veterinären und -che- demierverordnung IPV), die im April 2005 verabschie- mikern zur Verfügung, die mit dem im Verbraucher- und det wurde. Die nationale und internationale Entwicklung Gesundheitsschutz federführenden Bundesamt für Ge- erfordern eine ständige Anpassung der Dokumente des sundheit zusammenarbeiten. Das BAG nimmt informell an schweizerischen Pandemieplans. Die Anpassungen stüt- den Versammlungen der interkantonalen Fachverbände zen sich auf die Empfehlungen der Weltgesundheitsorga- teil. Zeit, um neben gesundheitspolitischen Fragen auch nisation (WHO) und erfolgen in Zusammenarbeit mit der wissenschaftliche Fragen zu klären, gab es bis jetzt zwi- Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte (FMH) schen Bund und Kantonen kaum. Deshalb soll neu zwi- und mit den Kantonen: mit der Vereinigung der Kanton- schen BAG und den Kantonsärzten eine jährliche wissen- särztinnen und Kantonsärzten der Schweiz (VKS), mit schaftliche Tagung stattfinden. der Kantonsapothekervereinigung (KAV) und mit dem Schweizerischen Apothekerverband (SAV), wobei die Arbeitssicherheit VKS für die technische Koordination unter den Kantonen Im spezifischen Bereich Arbeitssicherheit kontrollieren verantwortlich ist. Diese Anpassungen bilden die Grund- 26 kantonale Arbeitsinspektorate zusammen mit der Suva, lage für die Pandemiepläne der Kantone, an denen zurzeit mit zwei eidgenössischen Arbeitsinspektionen und mit ebenfalls intensiv gearbeitet wird. 6 Fachorganisationen im Auftrag der Eidgenössischen Koordinationskommission für Arbeitssicherheit EKAS Kontrolle der Heilmittel (Commission fédérale de coordination pour la sécurité au Die Kontrolle der Heilmittel galt lange Zeit als eine Per- travail) die Sicherheitsmassnahmen in den Betrieben. le der interkantonalen Zusammenarbeit (Interkantonale Vereinbarung vom 3. Juni 1971, IVKM). Im Jahr 1994 150 Überwachung der Infektionskrankheiten sahen sich die Kantone auf Grund der Entwicklungen in Auf dem Gebiet der Überwachung übertragbarer Krank- der Europäischen Union gezwungen, dem Bundesrat ihre heiten kann das BAG auf ein Netzwerk von Ärztinnen Unterstützung für die Erarbeitung eines eidgenössischen Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 6 Heilmittelgesetzes zuzusichern.86 Bei der eigentlichen lanciert. Mit der Revision möchten Bund und Kantone die Vorbereitung des Gesetzes waren die Kantone selber nicht Kompetenzen und Aufgaben des Bundes und der Kantone vertreten. Die den Entwurf vorbereitende Expertenkom- neu regulieren. Damit soll die Schweiz gegen eine allfällige mission bestand vorwiegend aus Vertreterinnen und Ver- internationale Bedrohung der öffentlichen Gesundheit treter der Pharmazie und der Medizin.87 besser gewappnet sein. Das Bundesgesetz über die Kontrolle der Heilmittel trat Referenzrahmen Teil I Teil II eine eigene Rechtspersönlichkeit verfügt. Der mit dem Nationale Zusammenarbeit: «Monitoring der Durchimpfung in der Schweiz» Transfer verbundene Aufbau der von Bund und Kanto- Nach Vorarbeiten durch den Kanton Bern hat eine Ar- nen gemeinsamen betriebenen Einrichtung Swissmedic beitsgruppe der GDK und des BAG ein in allen Kan- gestaltet sich schwierig. Angesichts der Probleme zwi- tonen anwendbares einheitliches Studienprotokoll aus- schen Swissmedic und den Kantonen gab der Vorsteher gearbeitet. Der Vorstand der Konferenz der kantonalen des Eidg. Departements des Innern (EDI) ein Schnittstel- Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren (GDK) be- lendokument in Auftrag, das laufend aktualisiert wird und schloss im Frühjahr 2004 auf Antrag der Vereinigung die Aufgabenteilung zwischen Kantonen und Swissmedic der Kantonsärztinnen und Kantonsärzte der Schweiz besser regeln soll. (VKS) und des BAG, dem Konzept für ein Monitoring rat das Heilmittelinstitut Swissmedic beauftragt, das über Zusammenarbeit am 1. 1. 2002 in Kraft. Mit dem Vollzug hat der Bundes- Teil III den Kantonen zu empfehlen, alle 3 Jahre auf kantonaler Es gehört zum Ziel der im Jahre 1986 in Kraft gesetzten Ebene eine entsprechende Erhebung durchzuführen Lärmschutzverordnung (LSV), die bestehenden Anlagen, und für die Finanzierung dieser Erhebung besorgt zu von denen erhebliche Lärmbelastungen ausgehen, zu sein. Das Monitoring hat im Jahre 2005 in 8 bis 9 Kan- sanieren. Als Frist für die Sanierungen wurden 15 Jahre tonen begonnen. Perspektiven der Durchimpfung in der Schweiz zuzustimmen sowie Lärmschutz vorgegeben. Der mit Abstand grösste Sanierungsbedarf besteht im Bereich des Strassenlärms, als Anlagebesitzer sind die Kantone für die Sanierungen zuständig. Die Frist Krankenversicherung ist am 31. März 2002 abgelaufen. In den vergangenen 15 Die zentrale Schnittstelle zwischen Bund und Kantonen in Jahren ist im Bereich der Strassen erst rund ein Drittel der Gesundheitsversorgung bildet das Bundesgesetz über der Sanierungen erfolgt. Leidtragende dürften die von die Krankenversicherung (KVG). Bis heute haben Bund übermässigem Strassenlärm Betroffenen sein, welche ge- und Kantone in diesem Bereich wenig zusammengearbei- sundheitliche und soziale Auswirkungen in Kauf nehmen tet, trotz der zahlreichen Schnittstellen, die sich aus der müssen. Umsetzung des KVG ergeben. Bereits die interkantonale Zusammenarbeit beschränkt sich hier im wesentlichen auf In Vorbereitung bilaterale Vereinbarungen. Auf Bundesebene fehlte bis zur Das Bundesgesetz vom 18. Dezember 1970 über die Be- Einrichtung des Dialogs zur Nationalen Gesundheitspolitik kämpfung übertragbarer Krankheiten des Menschen (Epi- im Jahr 2003 der regelmässige Austausch zwischen Bund demiengesetz) wird gegenwärtig revidiert. Unter Ziel 18 und Kantonen gänzlich (siehe Abschnitt 6.5). des Eidg. Departement des Innern für das Jahr 2005 heisst Das KVG regelt in erster Linie krankenversicherungsre- es dazu: «Das Projekt zur Revision des Epidemiengesetzes levante Aspekte und die Finanzierung der Leistungen. 2005–2008 ist in Zusammenarbeit mit der Konferenz der Daneben enthält es aber auch Vorgaben, die die Kantone kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren über den Versicherungsbereich hinaus in ihre gesundheitspolitische Pflicht nehmen, sie in ihrer Gestaltungs- 86 Als Quelle der folgenden Ausführungen diente der folgende Bericht: Geschäftsprüfungskommission des Ständerates (GPK-S) vom 25. August 2004: Probleme von Swissmedic anlässlich der Inbetriebnahme und Beurteilung der heutigen Lage. S. 4 ff. 87 Paul RICHLI: Die verwaltungsexterne Erarbeitung: Drei strukturell unterschiedliche Beispiele (Heilmittelgesetz, Berufsbildungsgesetz, Psychologiegesetz), in: LEGES 2002/2003, S. 13–22. und Handlungsfreiheit einschränken und hohe finanzielle und administrative Verpflichtungen nach sich ziehen: Vorgaben zur kantonalen Spital- und Pflegeheimplanung, zur Wirtschaftlichkeit der Leistungen, zur Prävention und zum Qualitätsmanagement, zur Spitalfinanzierung, zur Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 6 151 Referenzrahmen Teil I bestehen weiterhin grosse kantonale Unterschiede bezüg- Kantonale Spitalplanung: Rechtsprechung des Bundes lich der Umsetzung der Prämienverbilligungspolitik. Der Wie die Kantonsporträts zeigen (Teil IV), sind die Kantone Bundesrat wollte zu diesem Zweck ein Sozialziel im KVG auf dem Gebiet der Spitalplanung seit langem aktiv, dies in verankern, die Kantone waren jedoch dagegen.89 erster Linie auf eigenem Kantonsgebiet. Im Rahmen die- Pflegeheimfinanzierung oder zur Tarifgestaltung88. Zudem Teil II ser Planung haben die Kantone bilateral eine Reihe von Zusammenarbeit Vereinbarungen abgeschlossen, um die Qualität der Versorgung zu gewährleisten. Sie haben sich dabei aber ein hohes Mass an Autonomie bewahrt. Perspektiven Teil III 88 Der Kanton Schaffhausen und die Schweizerische Sanitätsdirektorenkonferenz (SDK) hatten sich im Jahre 2001 in Aufsichtseingaben an die Bundesversammlung über die Entscheidpraxis des Bundesrats bei Beschwerden gegen Tarifentscheide der Kantonsregierungen in der Krankenversicherung beschwert. Der Kanton Schaffhausen machte geltend, die Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen im Bereich der Tarifgestaltung nach Krankenversicherungsgesetz (KVG) sei in hohem Masse konfliktträchtig geregelt. Der Bundesrat habe seit Inkrafttreten des KVG im Jahr 1996 in über 200 Urteilen die vorinstanzlichen Entscheide von Kantonsregierungen nur in wenigen Fällen geschützt. Siehe hierzu: Jahresbericht 2002/2003 der Geschäftsprüfungskommissionen und der Geschäftsprüfungsdelegation der eidgenössischen Räte vom 23. Januar 2004; Stellungnahmen des Bundesrats vom 30. September 2002 (Bundesblatt BBI 2003, 334) und 9. April 2003. 89 Siehe hierzu: Andreas BALTHASAR, Beiträge zur sozialen Sicherheit; «Die sozialpolitische Wirksamkeit der Prämienverbilligung in den Kantonen: Monitoring 2002, Forschungsbericht Nr. 20/03, BSV, Bern 2003 Das KVG verlangt zwar von den Kantonen eine verbindliche Spitalplanung (Artikel 39), wobei die Kantone ge­ mäss KVG bei der Ausarbeitung der Spitalplanung und der Spitalliste über einen beträchtlichen Ermessensspielraum verfügen sollen. Einschränkend auf die Gestaltungsfreiheit der Kantone wirkt sich jedoch die Kompetenz des Bundes aus, bei Rekursen gegen kantonale Spitallisten Recht zu sprechen. Ein Bericht der Parlamentarischen Verwaltungskontrollstelle aus dem Jahr 2001 kommt in ihrer Gesamteinschätzung zu diesem Thema zum Schluss,90 dass der Bundesrat mit seiner bisherigen Rechtssprechung tendenziell eher die Interessen von Beschwerdeführern (mehrheitlich aus- Tabelle 26: Schnitt- bzw. Reibungsstellen zwischen Bund und Kantonen im KVG serkantonale Privatspitäler und Krankenversicherer) als Kompetenz des Bundesrats, Beschwerden gegen die Umsetzung des KVG zu beurteilen der fallbezogenen Einzelentscheide die Vereinheitlichung Artikel 39 Spital- und Pflegeheimlisten Kantonen erschwert hat. Die Kantone fordern denn auch, Artikel 45 Sicherung der medizinischen Versorgung dass die Kriterien, welche die Kantone bei der Erarbei- Artikel 46, Absatz 4 Genehmigung von Tarifverträgen Artikel 47 Erlass von Tarifen im vertragslosen Zustand Artikel 48 Absätze 1 bis 3 Tarifverträge mit Ärzten Artikel 49 Absatz 7 Änderung von Tarifen aufgrund von Betriebsvergleichen Rück- und Ausblick Artikel 51 Globalbudgets für Spitäler und Pflegeheime Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Krankenversiche- Artikel 54 Globalbudgetierung durch Genehmigungsbehörde zuletzt auch darauf zurückzuführen sein. Weitere Prüf- Artikel 55 Tarifstopp steine in der Zusammenarbeit zwischen Bund und Kan- Weitere Schnittstellen zwischen Bund und Kantonen im KVG und in anderen Sozialversicherungen 152 Spitalfinanzierung KVG: Artikel 21, 22, 23, 25, 29, 35, 39, 41, 47 49, 50, 51, 104 Pflegefinanzierung Artikel 43 (AHV), Artikel 3 (ELG), Artikel 25 (KVG), 50 (KVG), 104 (KVG) Prämienverbilligung KVG: Artikel 1, 18, 64, 65, 66, 84 die der Kantonsregierungen gestützt und zudem wegen der Planungskriterien und die Harmonisierung unter den tung der Spitalplanung und der Erstellung der Spitalliste berücksichtigen müssen, vom Bund aus Transparenzgründen auf Gesetzes- oder Verordnungsebene festgehalten werden sollen.91 Bund und Kantone wissen um die schwache vertikale rung. Das Scheitern der 2. KVG-Revision dürfte nicht tonen dürfte die zukünftige Ausrichtung der Spitalfinan90 Kostendämpfungsmassnahmen im Krankenversicherungsgesetz. Massnahmen und Handlungsspielräume der Träger des Bundes. Synthese der Parlamentarischen Verwaltungskontrollstelle zuhanden der Geschäftsprüfungskommission des Ständerates vom 30. November 2001. S. 381 ff. 91 Schweizerische Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren (GDK), Arbeitsgruppe «Spitalplanung» der Kommission «Vollzug KVG»: 2. Teilrevision des KVG und Spitalplanung: Postulate, 21.06.2001. Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 6 zierung und der Pflegefinanzierung sein, die beide Teil Gesundheitsberufen auf den staatspolitischen Ebenen eines KVG-Revi­sionspakets sind. Zu mehr Transparenz und auf den «Schattenebenen»). Referenzrahmen Teil I in den gesundheitspolitischen Positionen und zu tragfä- Beide, Bund und Kantone, treten als Träger und Finanzie- men diskutiert: Pflegefinanzierung, Spitalfinanzierung, rer von Universitäten und damit als Verantwortliche für Vertragsfreiheit, die universitären Medizinalberufe in Erscheinung. Prämienverbilligung, Spitzenmedizin, medizinische Grundversorgung, Komplementärmedizin, Fünf Kantone in der Schweiz (Basel-Stadt, Bern, Genf, Überprüfung des Leistungskatalogs der obligatorischen Lausanne, Zürich) beherbergen als Träger kantonaler Krankenversicherung (siehe hierzu auch Abschnitt 6.4: Universitäten medizinische Fakultäten. Alle Kantone sind «Neue Formen der Zusammenarbeit zwischen Bund und überdies über interkantonale Vereinbarungen an der Fi- Kantonen»). Im Bereich der Spitalfinanzierung sind nach nanzierung der Universitäten beteiligt. nicht unerheblichen Spannungen zwischen den Kantonen Der Bund leistet finanzielle Beiträge an die kantonalen Uni- und der ständerätlichen Kommission Soziale Sicherheit versitäten und kann die Gewährleistung der Subventionen und Gesundheit gewisse Erfolge sichtbar: Nicht zuletzt an gewisse Bedingungen knüpfen. Die Regelung der uni- mit dem gemeinsamen Auftritt der Kantone (gemeinsame versitären Medizinalberufe – Inhalt der Ausbildungsgänge, Stellungnahme der GDK und der KdK), mit der Zusam- Weiterbildung (seit 2003), Diplomanerkennung, Regelung menarbeit zwischen Bund und Kantonen im «Dialog zur der Niederlassung der Ärztinnen und Ärzte – ist seit 1877 Nationalen Gesundheitspolitik» sowie mit der Diskus­ eine Bundeskompetenz. Der Bund ist zudem Träger zwei- sionsbereitschaft der Parlamentskommission wurde ein er Eidgenössischer Hochschulen in Zürich und Lausanne Weg aufgezeigt, wo es bei der Spitalfinanzierung mit einer (Chemie; angewandte Biowissenschaften; Pharmazie; Be- mehrheitsfähigen Lösung langgehen könnte. wegungs- und Sportwissenschaften; Themenfeld Mensch, 92 Teil II Zusammenarbeit Dialogs haben die zwei Akteure bisher folgende KVG-The- eingerichtete Dialog zwischen Bund und Kantonen zur Teil III Perspektiven Nationalen Gesundheitspolitik führen. Im Rahmen des Gesundheitsberufe: Aufgabenteilung und ­Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen auf Stufe Universität higeren Lösungen könnte der zu Beginn des Jahres 2004 Arbeit, Technik und Gesundheit). Gesundheitsberufe Die universitären Gesundheitsberufe sind heute aus ei- Die Aus- und Weiterbildung in den Gesundheitsberufen ist ner gesundheitspolitischen Sicht auf verschiedenen Ak- seit den 1990er-Jahren einem starken strukturellen und tivitätsfeldern angesiedelt, welche Aus- und Weiterbil- inhaltlichen Wandel ausgesetzt. Sowohl der Bund als auch dung, Forschung und Gesundheitsversorgung umfassen. die Kantone haben in diesem Bereich Regelungskompe- Da zudem sowohl Bund als auch Kantone stark von den tenzen. Trotz der Spannungen, die diesen Prozess der ablaufenden Prozessen in der Hochschulmedizin betrof- Veränderungen begleiten, gehen Bund und Kantone im fen sind, charakterisieren sich die Hochschulmedizin und Sinne des kooperativen Föderalismus die Aus- und Wei- damit die universitären Gesundheitsberufe als eine Ver- terbildung in den Gesundheitsberufen gemeinsam an. bundaufgabe von Bund und Kantonen. Rund um dieses Aus Sicht einer nationalen Gesundheitspolitik von beson- Thema gibt es eine Reihe von Projekten und Prozessen, derem Interesse sind die verschiedenen Prozesse und Gre- in denen es um die zukünftige Struktur und Ausrichtung mien, die im Rahmen der Neuregelung der Kompetenzen der hochschulmedizinischen Institutionen in der Schweiz in der Aus- und Weiterbildung zwischen Bund und Kan- geht. Diese Projekte und Prozesse, die auf verschiedenen tonen stattgefunden haben bzw. entstanden sind. Nach- staatspolitischen Ebenen und in verschiedenen Projekt- folgend werden einige dieser Prozesse und Gremien für organisationen ablaufen sowie zahlreiche Akteure einbin- die Ausbildung auf Stufe Universität, für die Ausbildung den, sind Ausdruck der Komplexität des Gesundheitssys­ auf Stufe Fachhochschule sowie für die nicht-universitäre tems Schweiz. Zu nennen wären unter anderem folgende Ausbildung beschrieben (siehe hierzu auch Tabelle 27: Projekte und Prozesse: Verankerung des Sektors Aus- und Weiterbildung in den ■ Schaffung gesetzlicher Grundlagen für die Einrichtung von Gremien, die gemeinsam von Bund und Kantonen 92 Siehe hierzu auch den Newsletter der Nationalen Gesundheitspolitik Schweiz vom Dezember 2005. getragen werden (z. B. die Schweizerische Universitätskonferenz) Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 6 153 Referenzrahmen Teil I Zusammenarbeit Teil II ■ das Projekt «Hochschullandschaft Schweiz 2008» Aus Sicht der Kantone soll die Vereinbarung damit zu ei- ■ die Erweiterung der Bundesverfassung zum «Bildungs- ner koordinierten schweizerischen Hochschulpolitik bei- raum Schweiz» tragen. ■ die Ausarbeitung eines Hochschul-Rahmengesetzes ■ die Neuregelung der universitären Medizinalberufe Universitätsförderungsgesetz (in Kraft seit 2000) (MedBG) Artikel 1 dieses Gesetzes hält fest: «Der Bund arbeitet mit ■ die Neupositionierung des Bereichs Gesundheit in den den Kantonen im Bereich der universitären Hochschul- Fachhochschulen und höheren Fachschulen politik partnerschaftlich zusammen; er kann sich an ge- ■ die Klärung des Regelungsbedarfs im Bereich Alterna- meinsamen Einrichtungen der universitären Hochschulen tivmedizin und Komplementärtherapien beteiligen, wenn sie Aufgaben von gesamtschweizerischer ■ die Revision des Krankenversicherungsgesetzes (u. a. Bedeutung erfüllen.» Über dieses Gesetz soll mit einer Diskussion über verschiedene Spitalfinanzierungsmo- gesamtschweizerisch koordinierten Hochschulpolitik die delle sowie über den Leistungskatalog) Qualität der Lehre und Forschung gefördert und die die Reform der Hochschulstudiengänge im Sinne der Zukunft des Forschungs- und Bildungsplatzes Schweiz Bologna-Deklaration gesichert werden. Vermutlich 2011 soll das Universitäts- die interkantonale «Planung, Koordination und Aufga- förderungsgesetz vom neuen Hochschul-Rahmengesetz benteilung in der hochspezialisierten Medizin», die in abgelöst werden. Das neue Hochschul-Rahmengesetz der Kompetenz der Kantone liegt. wird den gesamten Hochschulbereich – ETH, kantonale ■ Teil III ■ Perspektiven Universitäten, Fachhochschulen – einheitlich regeln. Zahlreiche Akteure haben in der Zwischenzeit Berichte, Konzepte und Stellungnahmen über die zukünftige Aus- Vereinbarung zwischen dem Bund und den gestaltung der Hochschulmedizin präsentiert. Es scheint, ­Universitätskantonen über die Zusammenarbeit im dass die Vorstellungen betreffend die zukünftige Struktu- ­universitären Hochschulbereich (2000) rierung und Ausrichtung der Hochschulmedizin Schweiz Aus der Optik der Zusammenarbeit zwischen Bund und unter den Akteuren Bund, Kantone, Vertreter/innen der Kantonen heisst es in dieser Vereinbarung: «Der Bund Universitäten und der medizinischen Fakultäten sowie und die Universitätskantone arbeiten im Bereich der Uni- Vertreter/innen der Universitätsspitäler und der Versiche- versitätspolitik partnerschaftlich zusammen. Sie gründen rungen gegenwärtig noch stark voneinander abweichen. dafür die Schweizerische Universitätskonferenz als ge- Unter den Projekten ist das MedBG dasjenige, dessen er- meinsames universitätspolitisches Organ» (Artikel 2). folgreicher Abschluss unmittelbar bevorsteht. Nachfolgend werden einige Prozesse und Gremien be- Schweizerische Universitätskonferenz (2001) schrieben, mit denen Bund und Kantone die universitäre Die «Vereinbarung zwischen dem Bund und den Universi- Ausbildung in den Gesundheitsberufen partnerschaftlich tätskantonen über die Zusammenarbeit im universitären steuern möchten. Hochschulbereich (Dezember 2000)» führte zusammen mit dem Universitätsförderungsgesetz im Jahr 2001 zur Interkantonale Universitätsvereinbarung (1997) Einrichtung der Schweizerischen Universitätskonferenz Die Vereinbarung (SUK). Die SUK ist damit die Nachfolgeorganisation der ■ regelt den gleichberechtigten interkantonalen Zugang Schweizerischen Hochschulkonferenz. Die Schweizerische zu den Universitäten und die Abgeltung der Kantone Universitätskonferenz setzt sich aus zwei Vertretern des ■ ■ an die Universitätskantone Bundes, je einem Vertreter jedes Universitätskantons und dokumentiert die Absicht der Universitätskantone, ihre zwei Vertretern der Nichtuniversitätskantone zusammen. Universitätspolitik untereinander zu koordinieren so- Mit dieser Institution verfügen Bund und Kantone über wie mit dem Bund zusammenzuarbeiten ein Gremium, das Regelungskompetenzen für Studien- bezweckt eine Kohärenz zwischen der Universitätspoli- richtzeiten und für die Anerkennung und Akkreditierung tik der Kantone mit der Fachhochschulpolitik der Kan- von Institutionen oder Studiengängen besitzt oder Richt- tone und des Bundes linien für die Bewertung von Lehre und Forschung erlassen kann. Diese Art von Entscheidkompetenzen sind eine 154 Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 6 Wiederholt als exemplarisch gelobt wurde das breit ab- und Kantonen. Konkret hat die SUK im Zuge der Umset- gestützte Verfahren bei der Erarbeitung der Gesetzes­ zung der Bologna-Erklärung beispielsweise beschlossen, entwürfe zum heutigen MedBG, zuletzt im Mai 2002, als die europäischen Standards (ECTS, Bachelor/Master) in die betroffenen und interessierten Kreise (die Kantone der Schweiz einzuführen. Wegen ihrer Struktur und ihrer Waadt, Basel-Landschaft und Zürich, Universitäten, Be- Regelungskompetenzen wird die SUK als Modell des hori- rufsorganisationen und Fachgesellschaften) zu insgesamt zontalen und vertikalen Föderalismus gelobt. Die Integra- vier Informationsveranstaltungen eingeladen wurden. tion der Fachhochschulen und der dadurch nötige Umbau Nach verschiedenen Überarbeitungen wird der Gesetze- der Struktur der SUK sind Gegenstand von Diskussionen sentwurf aktuell im Parlament beraten und dürfte Ende im Rahmen des Projekts «Hochschullandschaft Schweiz 2007 in Kraft treten. Teil II Zusammenarbeit Neuheit in der vertikalen Zusammenarbeit zwischen Bund Referenzrahmen Teil I 2008». schulmedizin» (April 2004) hat die Steuergruppe be- In der Schweiz gibt es 7 öffentliche Fachhochschulen stehend aus dem Vorsteher des EDI sowie den Gesund- (Fachhochschulregionen) mit rund 60 Hochschulen und heits- und Bildungsdirektorinnen und -direktoren der eine vom Bund anerkannte private Fachhochschule. Auf Universitätskantone beschlossen, die Neuregelung der der Basis der total revidierten Bundesverfassung (1999) Medizinalberufe als selbstständigen Teil anzusehen, der und des revidierten Fachhochschulgesetzes (in Kraft seit losgelöst vom Ausgang der Diskussionen über die Hoch- Herbst 2005) sind die bisher kantonal geregelten Studien- schulmedizin bearbeitet wird.93 gänge des Bereichs Gesundheit, Soziales und Kultur in die Die Vorarbeiten zu einer Neuregelung der universitären Regelungskompetenz des Bundes übergegangen (siehe Medizinalberufe (MedBG), seit 1877 eine Bundeskompe- hierzu auch Abschnitt 5.6: «Interkantonale Zusammenar- tenz, begannen 1991 mit einer Anfrage der GDK betreffend beit bei der Ausbildung im Bereich Gesundheit»). Heute einer Bundesregelung für die Weiterbildung der Medizi- ist der Bund für die Fachhochschulen in den Bereichen nalpersonen (siehe hierzu auch Teil V des Berichts: «Por- Technik und Architektur, Wirtschaft und Verwaltung, trät der Gesundheitspolitik des Bundes»). Hier strebten Landwirtschaft, Gestaltung, Gesundheit, Soziales und die Kantone eine einheitliche Regelung an, nicht zuletzt, Kunst zuständig. Für Fachhochschulen in den Bereichen um die Bewilligungen zur selbstständigen Praxisausübung angewandte Linguistik (Übersetzer/-innen, Dolmetscher/- nach in Kraft treten der Bilateralen Abkommen zwischen innen) und angewandte Psychologie sowie Pädagogik sind der Schweiz und der EU auf der Basis des Bundesgesetzes die Kantone zuständig. vom 19. Dezember 1877 betreffend die Freizügigkeit des Auch nach dem Kompetenztransfer ist ein partnerschaft- Medizinalpersonals in der Schweizerischen Eidgenos- liches Zusammengehen von Bund und Kantonen in der senschaft (FMPG) einheitlich zu regeln. Die Regelungs- Aus- und Weiterbildung der Gesundheitsberufe auf Fach- kompetenz in der Weiterbildung betreffend die Medizi- hochschulebene vorgesehen. Die aktuellen gesetzlichen nalberufe wurde schliesslich 1999 dem Bund übertragen Grundlagen und Strukturen sind Ausdruck dieser beab- (Verordnung FMPG, in Kraft seit 2002). sichtigten Zusammenarbeit: Teil III Perspektiven Auf der Basis des Berichts «Für eine Stärkung der Hoch- Gesundheitsberufe: Aufgabenteilung und ­Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen auf Stufe Fachhochschule Neuregelung der universitären Medizinalberufe Eine vom Bundesrat eingesetzte Eidg. Kommission unter der Leitung von Thomas Fleiner, Direktor des Instituts für Interkantonale Fachhochschulvereinbarung (2005) Föderalismus der Universität Freiburg, präsentierte 1997 Untereinander regeln die Kantone den Zugang zu den einen ersten Gesetzesentwurf für die Aus- und Weiterbil- kantonal geführten Fachhochschulen sowie deren Finan- dung der Medizinalpersonen. Die Kantone waren in die- zierung über interkantonale Vereinbarungen auf regio- sem Prozess mit vier Regierungsräten (Basel-Stadt, Frei- naler und schweizerischer Ebene (siehe hierzu auch den burg, Waadt und Zürich) vertreten. Anhang zu Kapitel 5: «Interkantonale Vereinbarungen im Sektor Gesundheit»). Die Interkantonale Fachhochschul- 93 Siehe hierzu: Botschaft zum Bundesgesetz über die universitären Medizinalberufe (Medizinalberufegesetz, MedBG) vom 3. 12. 2004 (BBI 2005, S. 175). vereinbarung in ihrer aktuellen Form (seit 2005) hält in Artikel 1 und 2 fest: Die Vereinbarung regelt den interkan- Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 6 155 Teil III 156 Zusammenarbeit Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 6 Träger der öffentlichen Schulen, der Berufsschulen, höheren Fachschulen, Fachhochschulen und Universitäten Kompetenzen Rechtliche Grundlagen Staatspolitische Ebene Schattenebene Projekte Leistungsvereinbarung BL und BS betreffend Leistungen der Höheren Fachschule Gesundheit Basel-Stadt (Fachan­ gestellte Gesundheit) Verträge ■ regionale Dachorganisa- In Vorbereitung Interkantonale Vereinbarung «Koordination der ­Spitzenmedizin» Konkordat über die universitäre Koordination ■ Interkantonale Fachhochschul­ vereinbarung rung über die Errichtung der Fachhochschule Westschweiz für Gesundheit und Soziale Arbeit (FH-GS) ■ Interkantonale Vereinbarung über die Hochschule für Heilpädagogik Zürich In Vorbereitung Konkretisierung der Studien­ gänge auf regionaler Fachhochschulebene ■ Interkantonales ■ Interkantonale Vereinba- der Arbeitswelt Gesundheit ■ Dachorganisation ■ SRK ■ Regionale EDK tionen der Arbeitswelt Gesundheit ■ EDK ■ Regionale GDK ■ Kantonale Ämter ■ GDK Ebene ganze Schweiz ■ Kantonale Parlamente Regionale Ebene In Vorbereitung ■ Psychologieberufe­ gesetz ■ MedBG Abstimmung 2006 «Bildungsverfassung» In Vorbereitung Hochschulrahmengesetz ■ Berufsbildungsgesetz ■ Fachhochschulgesetz förderungsgesetz ■ Universitäts­ ■ Dialog Bund-BBT ■ Bundesämter ■ Eidg. Parlament Ebene Bund Referenzrahmen In Vorbereitung Vereinbarung zwischen Bund und Kantonen über die Ausgestaltung des Studienangebots und der Akkreditierungsrichtlinien an den Fachhoch­ schulen ■ Hochschullandschaft Schweiz 2008 ■ Projekt Transition SUK: Entscheidkompetenzen unter anderem in den Bereichen ■ Studienrichtzeiten ■ Anerkennung von Studienleistungen und ­Studienabschlüssen ■ Bewertung von Lehre und Forschung ■ Umsetzung des Wissens im Forschungsbereich Universitätskantonen über die Zusammenarbeit im universitären Hochschulbereich ■ Gemäss NFA: Allgemeinverbindlichkeit interkantonaler Verträge in den Bereichen kantonale Fachhochschulen und Universitäten ■ Leistungsvertrag Bund–Kantone–SRK ■ Vereinbarung zwischen dem Bund und den ­Nationalen Gesundheitspolitik ■ Politische Plattform Bund-Kantone zur sicherung (OAQ) ■ Organ für Akkreditierung und Qualitäts­ ■ Rektorenkonferenz ■ Schweizerische Universitätskonferenz (SUK) Nationale Ebene Teil II Institutionen Gremien Ebene Kantone Aus- und Weiterbildung in den Gesundheitsberufen Tabelle 27: Verankerung des Sektors Aus- und Weiterbildung in den Gesundheitsberufen auf den staatspolitischen Ebenen und auf den «Schattenebenen» Perspektiven Teil I direktoren (EDK), die Schweizerische Konferenz der tung, welche die Wohnsitzkantone der Studierenden den kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren Trägern von Fachhochschulen leisten. Sie fördert damit (GDK) und das Schweizerische Rote Kreuz haben diesen den interkantonalen Lastenausgleich, die Freizügigkeit Prozess der Integration auf der Basis einer gemeinsamen für Studierende sowie die Optimierung des Fachhoch- Plattform (Projekt «Transition») partnerschaftlich gestal- schulangebots. Sie trägt zu einer koordinierten schweize- tet. Auf interkantonaler Ebene wird die Berufsbildung im rischen Hochschulpolitik bei. Gesundheitswesen sukzessive von der GDK an die EDK Teil II Zusammenarbeit tonalen Zugang zu den Fachhochschulen und die Abgel- Referenzrahmen Teil I übergehen. Revidiertes Bundesgesetz über die Fachhoch­schulen Nach der Überführung in die Bundeszuständigkeit soll die (2005) Ausbildung in den Gesundheitsberufen ausserhalb der Die Zusammenarbeit mit dem Bund – insbesondere die Hochschulen eine Verbundaufgabe bleiben, wie das ent- politische Steuerung auf gesamtschweizerischer Ebene sprechende Bundesgesetz und das neue Gremium Dach- wird über das revidierte Fachhochschulgesetz geregelt: ODA Gesundheit zeigen: «Der Bund strebt gemeinsam mit den Kantonen die geBundesgesetz über die Berufsbildung (in Kraft seit 2004) Zusammenarbeit im gesamten Hochschulbereich an und Das neue Bundesgesetz über die Berufsbildung hält in berücksichtigt dabei die internationale Zusammenarbeit. den Artikeln 1, 2 und 3 fest: «Die Berufsbildung ist eine Zu diesem Zweck arbeitet er mit den Kantonen, den Trä- gemeinsame Aufgabe von Bund, Kantonen und Organisa- gern der Fachhochschulen sowie mit ihren gemeinsamen tionen der Arbeitswelt (Sozialpartner, Berufsverbände, Organen zusammen» (Artikel 1a des revidierten Fach- andere zuständige Organisationen und andere Anbieter hochschulgesetzes). der Berufsbildung). Sie streben ein genügendes Angebot Teil III Perspektiven samtschweizerische und regionale Aufgabenteilung und im Bereich der Berufsbildung, insbesondere in zukunftsKonferenz der Fachhochschulen (1999) fähigen Berufsfeldern an. Die Massnahmen des Bundes Eines der Fachhochschul-Organe ist die Konferenz der zielen darauf ab, die Initiative der Kantone und der Orga- Fachhochschulen. Sie wurde 1999 mit dem Ziel gegrün- nisationen der Arbeitswelt so weit als möglich mit finanzi- det, die Interessen der Fachhochschulen gegenüber dem ellen und anderen Mitteln zu fördern. Zur Verwirklichung Bund und den Kantonen sowie anderen bildungs- und for- der Ziele dieses Gesetzes arbeiten Bund, Kantone und die schungspolitischen Institutionen und der Öffentlichkeit zu Organisationen der Arbeitswelt zusammen; arbeiten die vertreten. Sie ist dabei Partnerin des Fachhochschulrates Kantone und die Organisationen der Arbeitswelt auch je der EDK und unterhält enge Kontakte zum Bundesamt für unter sich zusammen.» Bildung und Technologie (BBT), das die Fachhochschule Nationale Dachorganisation der Arbeitswelt Gesundheit auf schweizerischer Ebene regelt und mitfinanziert. (2005) Gesundheitsberufe: Aufgabenteilung und ­Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen auf nicht-universitärer Stufe Die Dach-OdA Gesundheit ist zentraler Ansprechpartner Die nicht-universitäre Ausbildung hatten die Kantone me der universitären Medizinalberufe. Sie wurde im Jahr bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt regional und ge- 2005 gegründet. Ihr gehören folgende Berufsverbände samtschweizerisch koordiniert (siehe hierzu Kapitel 5.6: und kantonale Gremien an: H+ Spitäler der Schweiz, Cu- «Interkantonale Zusammenarbeit bei der Ausbildung im raviva - Heime und Institutionen der Schweiz, Spitex Ver- Bereich Gesundheit»). band Schweiz, Schweizerischer Verband der Berufsorga- Die Regelung der Ausbildung in den Gesundheitsberufen nisationen im Gesundheitswesen (SVBG), Schweizerische ausserhalb der Hochschulen ist mit dem neuen Bundes- Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und gegenüber den Behörden des Bundes und der Kantone für die Ausbildung aller Gesundheitsberufe mit Ausnah- gesetz über die Berufsbildung (in Kraft seit 1. 1. 2004) -direktoren (GDK). Die Dach-OdA Gesundheit wird unter eine Kompetenz des Bundes geworden. Die Hauptakteure anderem darüber entscheiden, welche Ausbildungsinhalte Bundesamt für Berufsbildung und Technologie (BBT), die in welcher Form vermittelt werden. Die GDK wird sich in Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungs- Zukunft über die Dach-OdA Gesundheit in den politischen Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 6 157 Referenzrahmen Teil I Gestaltungsprozess der Aus- und Weiterbildung der Ge- Ausblick: Hochschullandschaft Schweiz sundheitsberufe ausserhalb der Hochschulen einbringen. Das Parlament hat den Bundesrat beauftragt, spätestens bis 2008 eine Neuregelung der Hochschullandschaft Zusammenarbeit Teil II Perspektiven Teil III Rück- und Ausblick Schweiz auf Verfassungsstufe vorzulegen, ist doch die Der Bereich Ausbildung in den Gesundheitsberufen hat Geltungsdauer des Universitätsförderungsgesetzes (UFG) seit den 1990er-Jahren starke Veränderungen erfahren. gegenwärtig auf den 31. Dezember 2007 befristet. Unter Verschiedene Projekte, an denen Bund und Kantone in der Bezeichnung «Hochschullandschaft Schweiz 2008» gemeinsamer Verantwortung beteiligt waren, haben diese haben Bund und Kantone zu diesem Zweck im April 2003 Veränderungen begleitet. ein Projekt lanciert, das auf eine Reform des schweize- Ohne Zweifel hat die Darstellung einiger Aspekte der rischen Hochschulsystems hinzielt. Im Zentrum steht die Aus- und Weiterbildung in den Gesundheitsberufen in Schaffung eines kohärenten Hochschulraums Schweiz, den verschiedenen Bereichen aufgezeigt, wie komplex der alle Hochschultypen (kantonale Universitäten, ETH, das Thema ist. Trotz oder wegen dieser Komplexität ist Fachhochschulen) umfasst. die Bereitschaft des Bundes und der Kantone zur part- Auf Verfassungsstufe hat die Kommission für Wissen- nerschaftlichen Zusammenarbeit hoch. Diese Bereitschaft schaft, Bildung und Kultur des Nationalrats 2003/2004 zur Koordination und Zusammenarbeit, zur Harmonisie- in enger Zusammenarbeit mit der EDK einen Vorschlag rung der Strukturen und Ausbildungsgänge dürfte nicht für eine Neuordnung der Verfassungsbestimmungen zur zuletzt eine Folge des internationalen Drucks auf die Bildung (so genannte Bildungsverfassung) ausgearbeitet. Schweiz sein, der von den Bilateralen Verträgen zwischen Die Neuordnung beinhaltet insbesondere zwei Verfas- der Schweiz und der Europäischen Union sowie von der sungsartikel. Gemäss den zukünftigen Bildungsartikeln Bologna-Reformprozessen ausgegangen ist. (insbesondere Art. 61 und Art. 63a BV) werden Bund und Bund und Kantonen ist es in den letzten 10 Jahren ge- Kantone zu verstärkter Kooperation und Koordination lungen, über rechtliche Grundlagen, über gemeinsame verpflichtet. Im Bereich der Hochschulen ist vorgesehen, Projektorganisationen, über strukturierte Formen der dass Bund und Kantone zur Erfüllung der Aufgaben Ver- Zusammenarbeit oder über Verträge die Ausbildung- und träge abschliessen und gemeinsame Organe einrichten Weiterbildung in den Gesundheitsberufen als eine Ver- können, die die Hochschulen lenken. Diese Organe sollen bundaufgabe in einem föderalen System zu verankern ausschliesslich für die Regelung der Studienstufen sowie (siehe Tabelle 27: Verankerung des Sektors Aus- und Wei- für Qualitätssicherung, strategische Planung und Finan- terbildung in den Gesundheitsberufen auf den staatspoli- zierungsgrundlagen zuständig sein. Die Volksabstimmung tischen Ebenen und auf den «Schattenebenen»). über die «Bildungsverfassung» findet im Jahre 2006 Zusammenarbeit bedeutet nicht, dass es keine Span- statt. nungen in diesem Sektor zwischen Bund und Kantonen Um die Bildungsverfassung für den Bereich Hochschule gibt. Diese beziehen sich vor allem auf Finanzierungs- zu konkretisieren, erarbeitet eine Projektgruppe aus Ver- und Regulierungsfragen (unter anderem Steuerungs-, treter/innen des Bundes, der Kantone, der Hochschulen, Vollzugs- oder Bewilligungsaufgaben). Es ist nicht davon der Wissenschaft und der Studierenden gegenwärtig ein auszugehen, dass zum Beispiel bei einer Neuregelung der Hochschulrahmengesetz. In Ergänzung zum Rahmen- Hochschullandschaft Schweiz der Bund seinen Anteil an gesetz müssen die Kantone ein neues Konkordat ausar- der Finanzierung erhöhen wird. Die Kantone als Träger beiten sowie Bund und Kantone eine neue Zusammenar- der Hochschulen oder als Beitragsleister werden ihrer- beitsvereinbarung abschliessen. Da diese Prozesse Zeit seits darum besorgt sein, dass ihre Interessen gebührend benötigen, beantragt der Bundesrat dem Parlament im beachtet werden, ansonsten die Gefahr bestünde, dass Rahmen seiner Botschaft für Bildung, Technologie und In- sich die Kantone aus der Finanzierung ganz oder teilwei- novation (BFI) für die Jahre 2008–2011 eine Verlängerung se zurückziehen und damit der Hochschulplatz Schweiz des Universitätsförderungsgesetzes (UFG) um vier Jahre. Schaden erleidet. Geplant ist, dass Verfassungsartikel und Rahmengesetz im Jahr 2011 in Kraft treten. 158 Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 6 Ausblick: Fachhochschule Bund und Kantonen zur Nationalen Gesundheitspoli- Geplant ist eine Vereinbarung zwischen Bund und Kanto- tik ist bis jetzt das einzige Forum, in dem Bund und nen über die Ausgestaltung des Studienangebots und der Kantone Themen der Gesundheitsversorgung disku- Akkreditierungsrichtlinien an den Fachhochschulen. tieren können. Das bestehende Bundesgesetz über die Krankenversicherung (KVG) wirkt nicht als Koordinationsorgan, sondern bietet im Gegenteil immer wieder 6.4 Neue Ansätze in der Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen Teil II ■ Zusammenarbeit Anlass zu Konflikten zwischen Bund und Kantonen. Aus- und Weiterbildung in den Gesundheitsberufen: Das Gebiet Ausbildung in den Gesundheitsberufen stellt eine Verbundaufgabe des Bundes und der Kantone dar. Hier haben Bund und Kantone in den letzten angesichts der Verflechtung der Aufgaben Bund und Kan- Jahren grosse Anstrengungen unternommen, um trotz tone zusammenarbeiten. Im Sinne einer Zwischenbilanz zahlreicher Konfliktherde auf partnerschaftlicher Basis können für die Bereiche Gesundheitsförderung und Prä- eine Klärung der Kompetenzen und Aufgaben vorzu- vention, Gesundheits- und Verbraucherschutz, Gesund- nehmen. Konkret haben die beiden staatspolitischen heitsversorgung sowie Aus- und Weiterbildung in den Ge- Akteure Bundesgesetze ausgearbeitet, Vereinbarungen sundheitsberufen folgende Schlüsse gezogen werden: geschlossen, gemeinsame Gremien wie die SUK ein- Gesundheitsförderung und Prävention: In diesem Sek- gerichtet und sogar auf eine Neuordnung der Verfas- tor nehmen Bund und Kantone parallele Kompetenzen sungsbestimmungen zur Bildung hingewirkt. Mit diesen wahr. Die gesetzlichen Grundlagen sind auf kantonaler Massnahmen ist der Prozess der Aufgabenklärung im Ebene gut etabliert, auf nationaler Ebene jedoch wenig Bereich Hochschulbildung aber noch nicht abgeschlos- gesichert. Zu einer Zusammenarbeit zwischen Bund sen. Teil III Perspektiven Zu Beginn des Kapitels 6 wurde die Frage formuliert, wie ■ Referenzrahmen Teil I und Kantonen mit dem Ziel, ihre jeweiligen Massnah- ■ men aufeinander abzustimmen oder gar gemeinsame In den letzten Jahren sind neue Ansätze in der Zusam­ Politikformulierungen ins Auge zu fassen, ist es bis jetzt menarbeit zwischen Bund und Kantonen zu beobachten, nicht gekommen. Die seit mehr als 10 Jahren beste- die direkt oder indirekt für eine nationale Gesundheitspo- hende Organisation «Gesundheitsförderung Schweiz» litik von Interesse sind. Im Folgenden sollen vier neue An- haben Bund und Kantone bis jetzt nicht als «ihr» natio- sätze bzw. Tendenzen in der gesundheitspolitischen Zu- nales Koordinationsorgan eingesetzt. sammenarbeit zwischen Bund und Kantonen vorgestellt Gesundheits- und Verbraucherschutz: Im Gesund- und gemäss den oben formulierten Kriterien ihr Potential heits- und Verbraucherschutz besteht für die meisten für eine nationale Gesundheitspolitik ausgelotet werden: Bereiche 1. der Dialog zwischen Bund und Kantonen zur Natio- – Lebensmittelsicherheit, Epidemienbe- kämpfung, Katastropheneinsatz, Heilmittelkontrolle, Arbeitssicherheit – eine klare Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen. Das zweckmässige Zusammenwirken von Bund und Kantonen ist möglich dank gesetzlicher Grundlagen auf Bundes- und Kan- nalen Gesundheitspolitik 2. die Mitwirkung der Kantone im vorparlamentarischen gesetzgeberischen Prozess 3. die Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA) tonsebene, funktionierender kantonaler und eidgenös- 4. die neue Alkoholpolitik des Bundes, die aus Sicht ei- sischer Vollzugsorgane sowie interkantonaler Foren auf ner nationalen Gesundheitspolitik interessante Ansät- schweizerischer Ebene wie die schweizerischen Verei- ze zur Umsetzung der Strategie auf kantonaler Ebene nigungen der Kantonsärztinnen und -ärzte, der Kan- aufweist tonsapotheker, der Kantonstierärztinnen und -ärzte, ■ der Kantonschemiker. Diese Ansätze drehen sich um die strukturierte Zusam- Gesundheitsversorgung: In diesem Bereich ist es bis menarbeit, um die Mitwirkung der Kantone an der poli- jetzt kaum zu koordinierten Formen der Zusammenar- tischen Willensbildung und um die Umsetzung nationaler beit zwischen Bund und Kantonen gekommen. Der seit Programme. zwei Jahren regelmässig stattfindende Dialog zwischen Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 6 159 Referenzrahmen Teil I Tabelle 28: Stationen auf dem Weg hin zu einem kooperativen Föderalismus 1967 «ch Stiftung für eidgenössische Zusammenarbeit»: durch sämtliche Kantone und die Neue Helvetische Gesellschaft unter der Mitwirkung des Bundes gegründet. Seit 1993 ist die «ch Stiftung» eine ausschliesslich von sämtlichen Kantonen getragene Institution. Ihr Tätigkeitsfeld ist auf die Pflege des Föderalismus ausgerichtet und umfasst heute folgende Sparten: Kulturaustausch über die Sprachgrenzen, Dienstleistungen für die Kantonsregierungen sowie konzeptuelle und praktische Arbeiten im Zusammenhang mit Föderalismusfragen. Die «ch Stiftung» führt unter anderem das Sekretariat der Konferenz der Kantonsregierungen (KdK). 1978–1997 Kontaktgremium Bund-Kantone (KG): Im Jahre 1978 lud der Bundesrat die Kantonsregierungen ein, die Arbeiten betreffend die Neuverteilung der Aufgaben zwischen Bund und Kantonen zu begleiten und im gemeinsamen Interesse liegende tragfähige Lösungen zu erarbeiten. Zu diesem Zwecke wurde ein neues ständiges Organ, das Kontaktgremium Bund–Kantone geschaffen und der politische Dialog zwischen dem Bundesrat und den Kantonsregierungen erstmals institutionalisiert. Vorher gab es nur Direktorenkonferenzen auf departementaler Ebene. Das KG stand unter dem Vorsitz des Vorstehers des EJPD und setzte sich aus Vertreterinnen und Vertretern aller Kantonsregierungen zusammen. seit 1990 Informationsbeauftragte bzw. Vertreter der Kantone (Chargée d’information des cantons) in der Bundesverwaltung: ■ bei der Schweizer Mission in Brüssel (seit 1990) ■ im Integrationsbüro der beiden Eidg. Departemente für auswärtige Angelegenheit bzw. für Volkswirtschaft (seit 1994) Zusammenarbeit Teil II Perspektiven Teil III 160 ■ im Eidg. Justiz- und Polizeidepartement (seit 2005) seit 1993 Konferenz der Kantonsregierungen (KdK) 1995 Fachhochschulgesetz seit 1997 Föderalismus-Dialog: Nach der Errichtung der Konferenz der Kantonsregierungen (KdK) im Oktober 1993 wurde zur Vermeidung von Doppelspurigkeiten das Kontaktgremium Bund–Kantone im November 1997 sistiert und durch den regelmässig stattfindenden «Föderalismus-Dialog» ersetzt. Damit sollen Kooperationsfragen im Verhältnis Bund–Kantone frühzeitig erkannt, der Informations- und Meinungsaustausch über wichtige föderalistische Themen sichergestellt und die politische Abstimmung zwischen Kantons- und Bundesebene erwirkt werden. Themen des Dialogs: Mitwirkung der Kantone an der Aussenpolitik des Bundes, Vollzug von Bundespolitiken durch die Kantone, die NFA und die Agglomerationspolitik. 1999 Totalrevidierte Bundesverfassung vom Volk angenommen: Stärkere Gewichtung der Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen 2000 Bundesgesetz über die Mitwirkung der Kantone an der Aussenpolitik des Bundes 2000 Vereinbarung zwischen dem Bund und den Universitätskantonen über die Zusammenarbeit im universitären Hochschulbereich 2001 Vereinbarung zwischen dem Bund, den Kantonen sowie den Städten und Gemeinden zur Schaffung einer tripartiten Agglomerationskonferenz (TAK): auf Vorschlag der KdK gegründet. Die TAK dient der Förderung der vertikalen Zusammenarbeit Bund–Kantone–Gemeinden sowie insbesondere der Entwicklung einer gemeinsamen Agglomerationspolitik. 2001 Rahmenordnung über die Arbeitsweise der KdK und der Direktorenkonferenzen bezüglich der Kooperation von Bund und Kantonen 2003 Vereinbarung zwischen der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren (GDK) und der Schweizerischen Eidgenossenschaft (Bund) vertreten durch das Eidg. Departement des Innern (EDI) zur Nationalen Gesundheitspolitik Schweiz. Auf der Basis dieser Vereinbarung findet seit 2004 der Dialog zwischen Bund und Kantonen zur Nationalen Gesundheitspolitik statt. 1994–2004 Bund und Kantone arbeiten gemeinsam an der Vorlage «Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen» (NFA); Annahme der Vorlage durch das Stimmvolk im Jahr 2005. 2004 Der Bund richtet die Stelle eines Delegierten für kantonale Finanzfragen im Eidg. Finanzdepartement ein. Herbst 2005 Nationale Föderalismuskonferenz in Freiburg – Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen auf konferenziellem Weg: Revitalisierung des Föderalismusverständnisses. Eine Folgekonferenz wird in 2 bis 3 Jahren ins Auge gefasst. Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 6 Dialog zwischen Bund und Kantonen zur ­Nationalen Gesundheitspolitik die seit 1999 jährlich stattfindenden Arbeitstagungen zu Der Dialog zwischen Bund und Kantonen zur Nationalen chen Arbeitstagung erfolgte im Jahr 2000 die Priorisie- Gesundheitspolitik ist das Ergebnis eines Prozesses, der rung der auf nationaler Ebene zu bearbeitenden Gesund- im Herbst 1998 von den Kantonen und dem Bund (Ge- heitsthemen: psychische Gesundheit, Empowerment der sundheitsdirektorenkonferenz und Eidg,. Departement Bevölkerung und Angebotsplanung in der Spitzenmedizin. des Innern) lanciert wurde. Ziel des Projektes und heu- Konkrete Ergebnisse liegen für die Bereiche Psychische tigen Dialogs war und ist es, die vertikale gesundheitspo- Gesundheit (siehe 6.4) und Spitzenmedizin (siehe 5.4.1) litische Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen vor. Diese beiden Themen stehen auch heute noch auf der zu stärken und die Gesundheitspolitiken des Bundes und Traktandenliste des Dialogs. Es ist noch zu früh, um zu der Kantone besser aufeinander abzustimmen. Das Pro- beurteilen, ob die im Rahmen der Tagungen diskutierten jekt wurde 2003 in den Dialog zwischen Bund und Kan- Themen zu gemeinsam verantworteten Strategien des tonen zur Nationalen Gesundheitspolitik übergeführt. Der Bundes und der Kantone führen. Dialog stützt sich auf die «Vereinbarung zwischen Bund Seit 2004 finden drei Mal pro Jahr Gespräche zwischen und Kantonen zur Nationalen Gesundheitspolitik», die im dem Bund (Departementsvorsteher des EDI, Amtsdi- Jahr 2003 von der GDK und dem Bundesrat unterzeichnet rektor des BAG, Amtsdirektorin BFS, Kaderleute des wurde. Die Vereinbarung beinhaltet eine Zusammenarbeit Bundes) und einer Delegation des Vorstands der GDK zwischen Bund und Kantonen auf freiwilliger Basis und statt. Die Traktandenliste der Sitzungen werden von den hat keinen rechtssetzenden Charakter wie die Vereinba- geschäftsführenden Ausschüssen des EDI und der GDK rung zwischen dem Bund und den Universitätskantonen gemeinsam vorbereitet. über die Zusammenarbeit im universitären Hochschulbe- Im ersten und zweiten Jahr des Dialogs stand die Revi- reich (2000). sion des Krankenversicherungsgesetzes im Vordergrund. Als eine der ersten «Handlungen» beschlossen Bund und Neben der Einführung von Tarmed ging es insbesondere Kantone die Gründung des Schweizerischen Gesundheits- auch um die Spitalfinanzierung. Hier besteht der grösste observatoriums im Jahr 2000 (siehe hierzu Teil V: «Porträt Klärungs- und Handlungsbedarf zwischen Bund und Kan- der Gesundheitspolitik des Bundes»). tonen. Public Health-Themen hingegen werden selten in- Fester Bestandteil des Projektes Nationale Gesundheits- tensiv diskutiert, auch wenn sie auf der Traktandenliste politik Schweiz und des heutigen Dialogs waren und sind des Dialogs zu finden sind. Referenzrahmen Teil I gesundheitspolitischen Themen. Im Rahmen einer sol- Zusammenarbeit Teil II Perspektiven Teil III Tabelle 29: Arbeitstagungen Nationale Gesundheitspolitik Schweiz 1999 Lancierung des Projekts Nationale Gesundheitspolitik und der Idee eines Gesundheitsobservatoriums 2000 Anhand von 10 Themen (Empowerment der Bevölkerung; Empowerment der Vertreter/innen der Gesundheitsberufe; Überalterung der Bevölkerung; Kriterien für die Angebotsplanung; Evaluation der Medizintechniken; Planung und Koordination des Angebots im Bereich der Spitzenmedizin; Evidence Based Medicine; mentale Gesundheit; nichtübertragbare Krankheiten; Prävention der übertragenen Krankheiten durch Impfungen) diskutieren Bund und Kantone mögliche Inhalte und Prioritäten einer zukünftigen national koordinierten Gesundheitspolitik. Wahl von drei Themen: Psychische Gesundheit, Empowerment sowie Planung und Koordination des Angebots im Bereich der Spitzenmedizin. 2001 Die bestimmenden Faktoren der Gesundheit und ihre Bedeutung für die Gesundheitspolitik 2002 ■ Psychische Gesundheit ■ Mandat an die Steuerungsgruppe der Nationalen Gesundheitspolitik, eine politische Plattform Bund-Kantone vorzubereiten 2003 ■ Arbeitsbedingungen und Gesundheit – hin zu gemeinsam getragenen Strategien ■ Verabschiedung einer Resolution zur Verankerung der «Gesundheitsziele für die Schweiz im 21. Jahrhundert» 2004 E-Health 2005 Altern und Gesundheit 2006 Medizinische Grundversorgung Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 6 161 Referenzrahmen Teil I Tabelle 30: Themen des Dialogs zwischen April 2004 bis Oktober 2005 (in alphabetischer Reihenfolge, ohne Gewichtung) Teil II Krankenversicherungsthemen Public Health-Themen ■ Behandlungen im Ausland: Risiken und Grenzen der Förde- ■ Arbeitsgesetz: Antizipieren allfälliger Vollzugsschwierigkeiten Zusammenarbeit ■ ■ ■ ■ ■ Teil III ■ ■ Perspektiven ■ ■ ■ rung von Spitalbehandlungen im Ausland – Informationsaustausch Effizienzvergleich: Präsentation einer Studie über einen Effi­ zienzvergleich zwischen öffentlichen und privat geführten Spitälern E-Health: Bund und Kantone diskutieren die Perspektiven einer Versichertenkarte. Komplementärmedizin: keine Pflichtleistung der Krankenversicherung mehr. Information durch den Bundesrat. Krankenversicherungsgesetz: Revision Leistungen der obligatorischen Krankenversicherung: Überprüfung Monitoring der KV-Kostenentwicklung: Das BAG entwickelt zusammen mit der GDK und santésuisse ein Monitoring nach Kostengruppen und Kantonen, das ab 2006 vierteljährlich publiziert wird. Pflegefinanzierung Spitalfinanzierung: Die Kantone präsentieren Alternativen zu den bundesrätlichen Vorschlägen und zu den Vorschlägen der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Ständerates. Ein tragfähiger Kompromiss scheint in Reichweite. TARMED: Gemeinsame Erstellung von Dokumentationen und Analysen durch Bund und Kantone; Antizipieren allfälliger Vollzugsschwierigkeiten in den Kantonen Vertragsfreiheit: Durchführen eines Fachseminars zur Meinungsbildung in den Kantonen ■ Grundversorgung: Sicherstellung der medizinischen Grund- versorgung – Gemeinsame Erstellung von Dokumentationen und Analysen durch Bund und Kantone ■ Krebs: Bund und Kantone diskutieren das von ihnen in Auftrag gegebene Nationale Programm zur Krebsbekämpfung 2005– 2010 ■ Medizinalberufe: Der Bundesrat informiert über den Stand der parlamentarischen Beratungen betreffend das Bundesgesetz über die Medizinalberufe. ■ Observatorium: Der Leistungsauftrag 2006–2010 des Schweizerischen Gesundheitsobservatoriums wird von Bund und Kantonen gutgeheissen. ■ Prävention und Gesundheitsförderung: Der Bundesrat lädt die Kantone ein, an den Vorarbeiten des BAG zu einer Neuregelung der Prävention und Gesundheitsförderung in der Schweiz mitzuarbeiten. Psychische Gesundheit: Umsetzung von Massnahmen auf nationaler Ebene im Bereich der psychischen Gesundheit: Federführung bei der Geschäftsstelle des Bundes und der Geschäftsstelle der Kantone zur Nationalen Gesundheitspolitik ■ Sparprogramm des Bundes: Umsetzung durch BAG und BFS sowie Auswirkungen auf die Kantone ■ Spitzenmedizin: Der Bundesrat erhofft sich von den Kantonen trotz aller Schwierigkeiten eine einvernehmliche interkantonale Lösung bei der Koordination und Konzentration spitzenmedizinischer Leistungen. ■ Vogelgrippe und Grippepandemie Dialog Bund–Kantone: Würdigung wo informelle Vernehmlassungen stattfinden. Eigentliche Mit der Institutionalisierung des Dialogs haben die Kan- Prozesse der gemeinsamen Politikformulierung oder der tone ein wichtiges Anliegen, nämlich als gleichberechtigte Priorisierung von Themen haben in der jungen Geschich- Partner mit dem Bund regelmässig Gespräche auf mini- te des Dialogs noch nicht stattgefunden. Auch vermochte sterieller Ebene zu führen, erreicht. Angesichts der bisher der Dialog bis jetzt bundesverwaltungsintern nur die bei- fehlenden Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen den Bundesämter Gesundheit und Statistik in den Prozess in der medizinischen Versorgung füllt der Dialog hier eine einer nationalen Gesundheitspolitik zu integrieren. Hier grosse Lücke. Es ist jedoch noch zu früh, den Dialog aus besteht weiterhin Handlungsbedarf. Sicht einer nationalen Gesundheitspolitik zu beschrei- Kantone ihn als Austauschplattform intensiv nutzen. Die Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA) Prozesse, die im Rahmen des Dialogs ausgelöst werden, Auch wenn die neue Bundesverfassung die Notwendig- sind zunächst als vertrauensbildende Massnahmen zu ver- keit der Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen stehen. Auch können die Kantone den Bund auf allfällige anerkennt, ändert dies nichts an der historisch gewach- Vollzugsschwierigkeiten hinweisen (Stichworte: Sozial- senen Kompetenzaufteilung und an den klassischen In- ziel/Prämienverbilligung; TARMED; Arbeitsgesetz). In strumenten, die den Kantonen zur Durchsetzung ihrer diesem Sinne hat sich der Dialog zu einem Ort entwickelt, Interessen zur Verfügung stehen. Die Zentralisierung von ben. Grundsätzlich lässt sich aber festhalten, dass Bund und Kantone den Dialog schätzen und insbesondere die 162 Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 6 Kantonen hatte die Forderung nach Entflechtung der Auf- Kantonsaufgaben gemäss NFA gaben und gleichzeitig nach vermehrter Zusammenarbeit ■ Turnen und Sport: freiwilliger Schulsport, Herausgabe der zwischen den Kantonen laut werden lassen. Parallel zur Finanzausgleichs und der Aufgaben zwischen Bund und Lehrmittel ■ Hilfe und Pflege vor Ort (u. a. Spitex) ■ Bau- und Betriebsbeiträge an Behindertenheime (Wohnheime, Werkstätten und Tagesstätten) ■ Beiträge an Ausbildungsstätten für soziale Berufe Kantonen (NFA). Dieser Prozess wurde von Bund und Bundesaufgaben gemäss NFA die Arbeiten zu einer grundlegenden Neugestaltung des Kantonen von Anfang als paritätisch zusammengesetzte Projektorganisation geführt (Projektorganisation «Neuer ■ Individuelle Leistungen der Invalidenversicherung ■ Definition von Mindeststandards im Behindertenbereich Finanzausgleich» des Eidgenössischen Finanzdeparte- und Unterstützung der Betagten- und Behindertenorganisationen (schweizerische Dachorganisationen) ments und der Konferenz der Kantonsregierungen). Obwohl der Name vermuten lässt, dass es sich bei der NFA Verbundaufgaben gemäss NFA um eine Neuregelungen der finanziellen Verhältnisse zwi- ■ Ausbildungsbeihilfen im schen Bund und Kantonen handelt, geht es hierbei doch gang entscheidend auch um eine Neuregelung der föderalen Beziehungen zwischen Bund und Kantone sowie zwischen den Kantonen, im besonderen um eine Entflech- ■ ■ tung der Aufgaben und um neue Instrumente der bundes■ staatlichen Kooperation. Volk und Stände (Kantone) haben die NFA 2004 deutlich angenommen. Nur drei Kantone – Zug, Nidwalden und Schwyz – stimmten dagegen. Im Rahmen der Umsetzung der NFA sollen in einem Mantelerlass 30 bestehende Bun- ■ ■ Tertiärbereich (neu) Sicherstellung der amtlichen Vermessung (neu) Finanzierung der AHV/IVErgänzungsleistungen (neu) Agglomerationsverkehr (neu) Hauptstrassennetz (neu) Straf- und Massnahmenvollzug (neu) ■ Prämienverbilligung in ■ ■ ■ ■ ■ der Krankenversicherung (bisher) Gewässerschutz (bisher) Lärmschutz an Kantonsund Gemeindestrassen (bisher) Natur- und Landschaftsschutz (bisher) Hochwasserschutz (bisher) Wald (bisher) Teil III Perspektiven Revision der Bundesverfassung begannen deshalb 1994 Teil II Zusammenarbeit nehmende Aufgabenverflechtung zwischen Bund und Tabelle 31: Entflechtung der Aufgaben gemäss NFA im Sektor Gesundheit Kompetenzen auf Bundesebene beziehungsweise die zu- Referenzrahmen Teil I desgesetze geändert und drei neue oder totalrevidierte Bundesgesetze erlassen werden. Die NFA soll auf den 1. Januar 2008 in Kraft treten. Beispiel Invalidenversicherung: 1 von 30 NFA-Bundesgesetzen Die «Institutionen zur Eingliederung und Betreuung von Verbundaufgaben gemäss NFA Invaliden» sind einer der 9 in der Verfassung abschlies- Verbundaufgaben sind gemäss der ersten NFA-Bot- send aufgeführten Bereiche, wo die Kantone zur Beteili- schaft Aufgaben, für deren Erfüllung Bund und Kan- gung an interkantonalen Verträgen verpflichtet werden tone gemeinsam die finanzielle Verantwortung tragen. können. Die entsprechende bundesrätliche NFA-Vorlage Zu den Verbundaufgaben gehören Bundesaufgaben, sieht auf dem Gebiet der kollektiven IV-Leistungen ein deren Vollzug den Kantonen übertragen ist, aber auch neues Bundesgesetz über die Institutionen zur Förderung Aufgabenbereiche, in denen der Bund eine beschränkte der Eingliederung von invaliden Personen (IFEG) vor. In Zuständigkeit hat oder seine Zuständigkeit nicht aus- diesem Bundesgesetz werden die Ziele, Grundsätze und schöpft (z. B. Agglomerationsverkehr). Die NFA möchte Kriterien der Eingliederung festgelegt sein. Aufgabe der in diesen Bereichen effizientere Zusammenarbeits- und Kantone wird es in Zukunft sein, die Eingliederung invali- Finanzierungsformen festlegen. Im Sektor Gesundheit der Menschen vor Ort zu fördern. Eine Auflistung derjeni- bleibt es bei einer Verbundaufgabe: die individuelle gen Bereiche im Sektor Gesundheit, wo eine Entflechtung Prämienverbilligung in der Krankenversicherung. An- gemäss NFA vorgesehen ist, findet sich in Tabelle 31 «Ent- dere NFA-Verbundaufgaben im Sektor Gesundheit sind flechtung der Aufgaben gemäss NFA im Sektor Gesund- gegenwärtig keine vorgesehen. heit». Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 6 163 Referenzrahmen Teil I Teil II Neue Zusammenarbeits- und Finanzierungsformen mungen ermächtigen, die einen interkantonalen Vertrag Aus gesundheitspolitischer Perspektive sind zwei neue umsetzen, sofern der Vertrag: Zusammenarbeits- und Finanzierungsformen interessant, a. nach dem gleichen Verfahren, das für die Gesetzgebung welche für die NFA entwickelt wurden: die Programmver- gilt, genehmigt worden ist; einbarung und die Allgemeinverbindlichkeitserklärung b. die inhaltlichen Grundzüge der Bestimmungen festlegt. von interkantonalen Verträgen. Sie haben zum Ziel, die fi- 5 Die Kantone beachten das interkantonale Recht. Zusammenarbeit nanziellen Mittel sparsam und zugleich wirksam einzusetzen sowie die interkantonale Zusammenarbeit zu stärken. Art. 48a, Abs. 1 und 2 BV 1 Programmvereinbarungen genden Aufgabenbereichen interkantonale Verträge all- Die Bundesverfassung hält fest : gemeinverbindlich erklären oder Kantone zur Beteiligung Art. 46, Abs. 2 und 3 an interkantonalen Verträgen verpflichten: a) Straf- und Bund und Kantone können miteinander vereinbaren, Massnahmenvollzug, b) kantonale Universitäten; c) Fach- dass die Kantone bei der Umsetzung von Bundesrecht be- hochschulen; d) Kultureinrichtungen von überregionaler stimmte Ziele erreichen und zu diesem Zweck Programme Bedeutung; e) Abfallbewirtschaftung; f) Abwasserreini- ausführen, die der Bund finanziell unterstützt (Programm- gung; g) öffentlicher Agglomerationsverkehr,; h) Spitzen- vereinbarungen). medizin und Spezialkliniken; i) Institutionen zur Einglie- 2 Teil III 3 Perspektiven Auf Antrag interessierte Kantone kann der Bund in fol- Der Bund belässt den Kantonen möglichst grosse Ge- derung und Betreuung von Invaliden staltungsfreiheit und trägt den kantonalen Besonder- 2 heiten Rechnung. eines Bundesbeschlusses. 3 Die Allgemeinverbindlichkeitserklärung erfolgt in Form Das Gesetz legt die Voraussetzung für die Allgemein- Programmvereinbarungen gelangen bei so genannten verbindlichkeitserklärung und die Beteiligungspflicht fest Verbundaufgaben zur Anwendung. Ziel der Programmver- und regelt das Verfahren (Art. 10, 14 und 15 des Bundes- einbarungen ist es, die Rollen von Bund und Kantonen zu gesetz über den Finanz und Lastenausgleich FiLaG vom klären sowie eine neue Zusammenarbeit und effizientere 3. Oktober 2003). Subventionsformen zu realisieren. 94 Unter dem Aspekt des Föderalismus ist von grosser Bedeutung, dass die Bundesgesetzes über den Finanz- und Lastenausgleich Kantone mitentscheiden können: Der Bund und die ein- Die Artikel 10 bis 17 des Bundesgesetzes über den Finanz- zelnen Kantone verhandeln auf der Basis der jeweiligen und Lastenausgleich (FiLaG, 2003) regeln im Detail, wie Bundesgesetze über die zu erreichenden Ziele, welche in die Bundesversammlung die Kantone über interkantonale Programmvereinbarungen münden. Die Bundesbeiträge Rahmenvereinbarungen oder über interkantonale Verträ- (Global- oder Pauschalbeiträge) an diese Verbundaufga- ge zur Zusammenarbeit mit Lastenausgleich in den 9 oben ben werden auf die vereinbarten, mehrjährigen Leistungs- erwähnten Bereichen verpflichten kann. ziele ausgerichtet und nicht mehr auf den Aufwand von einzelnen Projekten oder auf die Finanzkraft der Empfän- Art. 10 FiLaG: Pflicht zur Zusammenarbeit gerkantone. Zudem soll der Bund statt Einzelobjekte ziel- 1 konforme Mehrjahresprogramme subventionieren. gabenbereichen gemäss Artikel 48a Absatz 1 der Bundes- Die Bundesversammlung kann die Kantone in den Auf- verfassung zur Zusammenarbeit mit Lastenausgleich verAllgemeinverbindlichkeitserklärung von interkantonalen pflichten. Verträgen und Beteiligungspflicht 2 Die Bundesverfassung hält fest: licherklärung (Art. 14) oder der Beteiligungspflicht (Art. Art. 48, Abs. 4 und 5 BV 15). 4 Die Kantone können interkantonale Organe durch in- terkantonalen Vertrag zum Erlass rechtsetzender Bestim- 3 Die Verpflichtung erfolgt in Form der Allgemeinverbind- Die Kantone regeln ihre Zusammenarbeit in interkanto- nalen Verträgen. 94 Siehe hierzu: Giovanni Biaggini, NFA-Gutachten (August 2000). 164 Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 6 Art. 14 FiLaG: Allgemeinverbindlicherklärung keitserklärung: Antrag von mindestens 18 Kantonen nötig). Mit anderen Worten, Allgemeinverbindlicherklärung und Beteiligungspflicht können gegen den ausdrücklichen verbindlich erklären: Willen von Parlament und/oder Volk der betroffenen Kan- a. auf Antrag von mindestens 21 Kantonen: die interkanto- tone ausgesprochen werden. Ein entsprechender Be- nale Rahmenvereinbarung; schluss des Parlaments unterliegt dem fakultativen Refe- b. auf Antrag von mindestens 18 Kantonen: einen inter- rendum. kantonalen Vertrag in den Bereichen nach Artikel 48a Ab- Aktuelle Beispiele für einen solchen Vertrag sind die In- satz 1 der Bundesverfassung. terkantonale Vereinbarung für soziale Einrichtungen IVSE Teil II Zusammenarbeit Die Bundesversammlung kann in Form eines dem Refe- rendum unterstehenden Bundesbeschlusses für allgemein 1 Referenzrahmen Teil I oder die «Interkantonale Vereinbarung über die KoordiArt. 15 FiLaG: Beteiligungspflicht nation und Konzentration der Hochspezialisierten Medi- Die Bundesversammlung kann in Form des einfachen zin» (IVKKM), deren Ratifizierungen gegenwärtig bei den Bundesbeschlusses auf Antrag von mindestens der Hälfte Kantonen in Gang sind. Zudem kann die Bundesversamm- der Kantone, die an einem interkantonalen Vertrag oder lung einzelne Kantone zur Beteiligung an interkantonalen an einem definitiv ausgehandelten Vertragsentwurf be- Verträgen verpflichten (Beteiligungsverpflichtung: Antrag teiligt sind, einen oder mehrere Kantone zur Beteiligung von mindestens der Hälfte der an einem Vertrag bzw. Ver- verpflichten. tragsentwurf beteiligten Kantone). 1 Teil III kantonalen Zusammenarbeit mit Lastenausgleich in den lage für die interkantonalen Verträge gemeinsam eine 9 Bereichen über die so genannte Interkantonale Rah- interkantonale Rahmenvereinbarung. Darin legen sie die menvereinbarung (IRV). Darin legen sie die Grundsätze Grundsätze der interkantonalen Zusammenarbeit, die der interkantonalen Zusammenarbeit, die Grundsätze des Grundsätze des Lastenausgleichs, die zuständigen Organe Lastenausgleichs, die zuständigen Organe sowie das Bei- sowie das Beitritts- und das Austrittsverfahren fest. Ar- tritts- und das Austrittsverfahren fest. Gemäss Artikel 46, tikel 12 FiLaG sieht vor, dass der Bundesrat die Kantone Absatz 4 der Bundesverfassung können die Kantone neu zur Zusammenarbeit mit Lastenausgleich in den 9 oben interkantonale Organe durch interkantonale Verträge er- erwähnten Bereichen verpflichten kann. mächtigen, rechtsetzende Bestimmungen zu erlassen und Gemäss diesen Verfassungsartikeln kann die interkan- Justizorgane einzusetzen. Bisher hatten die Kantone von tonale Zusammenarbeit in neun in der Verfassung ab- dieser Möglichkeit in nur ganz eingeschränktem Mass Ge- schliessend aufgeführten kantonalen Aufgabenbereichen brauch gemacht (siehe Kapitel 5.1). Mindestens 21 Kan- obligatorisch erklärt und der kantonsübergreifende Lei- tone müssen der IRV zustimmen. Im Juni 2005 wurde die stungsbezug finanziell abgegolten werden. Zum einen soll IRV von der Plenarversammlung der Konferenz der Kan- damit eine übermässige Aufgabenzentralisierung beim tonsregierungen (KdK) zuhanden der Ratifikation in den Bund verhindert werden. Zweites wird über den Ab- Kantonen verabschiedet. Parallel zur Ratifikation der IRV schluss interkantonaler Verträge sichergestellt, dass Zen- werden bestehende Zusammenarbeitsverträge in den ein- trumskantone für ihr Angebot an Leistungen – z. B. in der zelnen Aufgabenbereichen angepasst, so auch die bereits Spitzenmedizin – von den Bezügerkantonen angemessen oben erwähnte Interkantonale Vereinbarung für soziale entschädigt werden. In den 9 Bereichen ist die Zusam- Einrichtungen (IVSE). Perspektiven Die Kantone ihrerseits regeln die Modalitäten der interNach Artikel 11 FiLaG erarbeiten die Kantone als Grund- menarbeit deshalb mit einem Lastenausgleich verknüpft, weshalb hier von der «Interkantonalen Zusammenarbeit NFA: Würdigung mit Lastenausgleich» gesprochen wird. Als Gegenleistung Mit der NFA soll die Position der Kantone wieder gestärkt erhält der Bezügerkanton ein Mitspracherecht. Die Bun- und deren Handlungsspielraum gesichert bzw. erweitert desversammlung (das Bundesparlament) kann auf Antrag werden. Schliesslich sollen Anreize geschaffen werden, einer bestimmten Anzahl von Kantonsregierungen er- damit Aufgaben mit Hilfe von flexiblen Zusammenarbeits- mächtigt werden, interkantonale Verträge in den oben er- formen über die Kantonsgrenzen hinweg gelöst werden. wähnten 9 Bereichen allgemeinverbindlich – also für alle Aus politischer Sicht wird der Neue Finanzausgleich un- Kantone bindend – zu erklären (Allgemeinverbindlich- terschiedlich beurteilt. Während Befürworter wie Staats- Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 6 165 Referenzrahmen Teil I Zusammenarbeit Teil II rat Urs Schwaller (FR) den Neuen Finanzausgleich als Planung der Gesundheitsversorgung Chance sehen, kantonale Aufgaben gemeinsam zu lösen Verbindliche interkantonale Gesundheitsplanung wird und damit deren Zentralisierung auf Bundesebene zu ver- ge­­mäss NFA nur bei der Spitzenmedizin und den Spezial­ hindern , bemängeln kritische Stimmen wie der Staats- kliniken möglich sein. Die Frage steht im Raum, ob die rechtler René Rhinow, dass damit der dreistufige Bundes- Kantone längerfristig die in der Verfassung abschliessend staat zu einem vierstufigen, und wenn die regionale Ebene aufgeführten Aufgabenbereiche um die ambulante Ge- hinzugezählt wird, zu einem fünfstufigen ausgebaut wird: sundheitsversorgung oder die Versorgung durch Akutspi- Gemeinde, Kanton, Region, interkantonale gesamtschwei- täler erweitern werden, um die Planung regionaler Versor- zerische Institution, Bund. Aus seiner Sicht stärkt die gungszentren zu begünstigen. 95 grenzüberschreitende Zusammenarbeit die Regierungen und schwächt die Parlamente und das Volk. Damit würde Verbesserung der Vollzugsbestimmungen die Autonomie der einzelnen Kantone verringert und exe- Programmvereinbarungen sind eine besondere Form der kutivstaatliche Entscheidungsstrukturen gestärkt, dies zu Umsetzung von Bundesrecht. Durch das gemeinsame Lasten des Parlamentarismus und der Volksrechte . Festlegen von Umsetzungszielen durch Bund und Kan- 96 Perspektiven Teil III tone im Rahmen von Programmvereinbarungen kann die Potential der NFA für die nationale Gesundheitspolitik Gefahr von Vollzugsdefiziten reduziert werden. Allgemeinverbindlichkeitserklärung von interkantonalen Verträgen und Programmvereinbarung Kooperativer Föderalismus am Beispiel der Alkoholpolitik des Bundes Der Kanton Bern hatte bereits 2003 den Wunsch nach ei- Seit den 1980er-Jahren engagiert sich der Bund und ins- ner Diskussion über die Föderalismusreform im Gesund- besondere das Bundesamt für Gesundheit in der Krank- heitsbereich analog zu den vorgeschlagenen Reformen heitsprävention und hat zu diesem Zweck eine Reihe von betreffend das Projekt «Neuer Finanzausgleich» angeregt Strategien entwickelt (siehe hierzu Band 2, Teil V: Por- (siehe hierzu Teil IV, Porträt des Kantons Bern). Mit der trät der Gesundheitspolitik des Bundes). Diese Strategien Allgemeinverbindlichkeitserklärung und der Programm- können sich oft nur auf schwache rechtliche Grundlagen vereinbarung stehen Bund und Kantone zwei Instrumente abstützen. Die Kantone ihrerseits verfügen wegen des zur Verfügung, die die interkantonale Zusammenarbeit Subsidiaritätsprinzips über ausgesprochen grosse Kom- und die partnerschaftliche Beziehung zwischen Bund und petenzen auf dem Gebiet der Gesundheitsförderung und Kantonen stärken könnten. Gemäss der abschliessenden Prävention. Dort, wo der Bund über ausreichende Rege- Liste der Aufgabenbereiche und der Liste der Verbundauf- lungsbefugnisse verfügt, haben die Kantone über das In- gaben scheinen sich bisher nur wenige Aktionsfelder im strument der Ausführungsgesetzgebung die Möglichkeit, Bereich Gesundheit für die Anwendung dieser zwei neuen die gesundheitspolitischen Programme des Bundes an Instrumente zu qualifizieren. Spitzenmedizin, die Spezial- ihre spezifischen Bedürfnisse anzupassen.97 Angesichts kliniken (Allgemeinverbindlichkeitserklärung) sowie die dieser Ausgangslage ist der Bund für eine sinnvolle Um- Finanzierung der IV-Ergänzungsleistungen. Mit Blick auf setzung seiner Präventionsprogramme auf die freiwillige die Neuregelung der Prävention und Gesundheitsförde- Zusammenarbeit mit den Kantonen angewiesen. rung wäre zu prüfen, ob ein zukünftiges Bundesgesetz von Auf dem Gebiet der Alkoholprävention des Bundes ha- Anfang an als Verbundaufgabe konzipiert wird und sich ben in den letzten Jahren mit Blick auf die Zusammen- damit für Programmvereinbarungen im Bereich der Ge- arbeit zwischen Bund und Kantonen vielversprechende sundheitsförderung und Prävention qualifiziert. Entwicklungen stattgefunden, die an dieser Stelle kurz beschrieben werden sollen. Aus Sicht einer nationalen Gesundheitspolitik könnten die im Rahmen der zukünf- 95 SCHWALLER Urs: Auswirkungen der NFA auf die Parlamente. Stellungnahme aus der Sicht der Konferenz der Kantonsregierungen. In: Parlament 3/03, S. 15–17. 96 RHINOW René: Auswirkungen der Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA) auf die Parlamente. Referat gehalten vor der Schweizerischen Gesellschaft für Parlamentsfragen. 20. September 2003. S. 2. 166 tigen Alkoholpolitik des Bundes formulierten Ideen und Vorschläge als Anregung auch für andere Präventionspro97 Siehe hierzu auch Fritz SAGER, Kompensationsmöglichkeiten föderaler Vollzugsdefizite. Das Beispiel der kantonalen Alkoholpräventionspolitiken. Swiss Political Science Review 9 (1) 309–333. Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 6 gramme gelten, die der Bund in den nächsten Jahren zu Folge ein Politikinstitut mit der Erarbeitung von 26 alko- realisieren plant. holpolitischer Kantonsprofilen.98 Diese Profile sollen dem Referenzrahmen Teil I Bund das Grundlagenwissen über die kantonalen Alkohol- Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) hatte im Frühjahr hin zu einer nationalen Alkoholpolitik dienen. So formu- 1999 zusammen mit der Eidg. Alkoholverwaltung (EAV) liert der Bericht 12 Empfehlungen, wie die Zusammenar- und der Schweizerischen Fachstelle für Alkohol- und an- beit zwischen Bund und Kantonen bei der Umsetzung der dere Drogenprobleme (SFA) unter dem Titel «Alles im Alkoholpolitik des Bundes optimiert werden kann. Diese Griff?» zum ersten Mal ein nationales Alkoholprogramm Empfehlungen orientieren sich stark an der Souveränität lanciert, das in einer ersten Phase vier Jahre dauerte. der Kantone, gleichzeitig aber auch an den Ideen eines Ein Jahr später publizierte die Eidgenössische Kommis- kooperativen Föderalismus. sion für Alkoholfragen (EKA) einen nationalen Alkoholak­ Nachfolgend werden diese Empfehlungen zusammenge- tionsplan (NAAP). Viele Massnahmen des NAAP liegen fasst wiedergegeben: sammenarbeit zwischen Bund und Kantonen auf dem Weg in der Kompetenz der Kantone. Deshalb hat die EKA im Sommer 2001 den NAAP den Kantonen zur Stellungnah- Unterschiedliche finanzielle und fachliche Anreize me unterbreitet, 2002 überarbeitet und aufgrund der po- anbieten sitiven Rückmeldungen der Kantone ein Konzept «Kan- Es gibt grosse Unterschiede in den Präventionsaktivitäten tonale Alkoholaktionspläne» (KAAP) entwickelt. Ziel des der Kantone. Je nach Aktivitätsgrad der Kantone gelten KAAP-Konzepts ist es, die Kantone durch Beratung und verschiedene Massnahmen: Bei Kantonen, die sich gegen- Information des Bundes bei der Entwicklung eigener Al- über dem Bund im Vorsprung befinden, sollte der Bund koholaktionspläne zu unterstützen. Zu diesem Zweck hat- als Lernender auftreten. Weniger aktive Kantone lassen te der Bund zwischen November 2003 und Oktober 2004 sich über finanzielle und/oder fachliche Anreize in eine ge- Tagungen durchgeführt. Dabei wurde deutlich, dass der samtschweizerische Präventionsstrategie einbinden. Teil II Zusammenarbeit politiken liefern und als Orientierung für die weitere Zu- Teil III Perspektiven Vorschläge für eine Alkoholpolitik auf nationaler Ebene Bund für die Zusammenarbeit mit den Kantonen mehr Wissen über die Situation in den Kantonen generieren Kantonsinterne Koordinationsstrukturen nutzen muss. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) und die Eid- Die Kantone weisen heterogene Organisationsstrukturen genössische Alkoholverwaltung (EAV) beauftragten in der und heterogene kantonsinterne Zusammenarbeits- oder Koordinationsstrukturen auf. Diese gilt es zu kennen und darauf Rücksicht zu nehmen. Nationales Präventionsprogramm Alkohol Bis heute hat der Bundesrat die seit 1999 vom BAG Interkantonale Koordinationsstrukturen nutzen und der EAV durchgeführten Alkoholpräventionspro- Für die Umsetzung nationaler Präventionsstrategien ist gramme noch nicht als offizielle Alkoholpolitik des eine gemeinsame Problem- und Lösungssicht der kan- Bundes verabschiedet. Zurzeit laufen deshalb Vorbe- tonalen Vollzugsträger unumgänglich. Erst wenn die ge- reitungsarbeiten zu einem Nationalen Präventionspro- meinsamen Interessen und Ziele der strukturell sehr un- gramm Alkohol (NPPA) 2006–2010, das dem Bundes- terschiedlichen Kantone ausdrücklich als solche erkannt rat 2006 zur Verabschiedung vorgelegt wird. Mit dem werden, bestehen für die Kantone genügend Anreize, Programm werden nicht nur die Aufgaben und Zustän- aktiv an einer gemeinsamen Alkoholpolitik mitzuarbeiten. digkeiten der einzelnen Präventionspartner definiert, Zu diesem Zweck könnten nicht nur die Kantone, sondern sondern auch die Kantone bei der Umsetzung des auch der Bund die bestehenden interkantonalen Gremien Programms aktiv einbezogen. Geplant ist, im Rahmen dieses Prozesses das KAAP-Projekt in das nationale Präventionsprogramm Alkohol zu integrieren und in Zukunft nicht mehr von der EKA, sondern vom BAG begleiten zu lassen. 98 Fritz SAGER, Martina SCHLÄPFER, Céline ANDEREGGEN: Alkoholpolitische Kantonsprofile. Schlussbericht im Auftrag des Bundesamts für Gesundheit und der Eidgenössischen Alkoholverwaltung. Bern, Oktober 2004. Unveröffentlicht. Ausserdem: Fritz SAGER, Martina SCHLÄPFER, Céline ANDEREGGEN: Kantonale Alkoholaktionspläne (KAAP). Kurzfassung des Schlussberichts zuhanden der Eidgenössischen Kommission für Alkoholfragen (EKA). Bern, Januar 2005. Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 6 167 Referenzrahmen Teil I Zusammenarbeit Teil II der Zusammenarbeit (z. B. die regionalen Gesundheits- sprochen aufwändiges Unterfangen ist. Deutlich wird, wie direktorenkonferenzen) besser nutzen, um national ge- unabdingbar das Wissen über kantonale Aktivitäten in den dachte Präventionsstrategien besser zu verankern. jeweiligen Präventionsbereichen für ein solches Vorhaben ist. Heute ist dieses Wissen nicht zentral abgelegt und Von kantonalen Erfahrungen profitieren auch nicht zentral abrufbar. Nur für den Bereich Alkohol Der Bund sollte die Erfahrungen der Kantone nutzen und liegt dieses Wissen nun in dieser Gesamtheit vor. diese frühzeitig in den Prozess einer allfälligen Strategie- Aufgrund der Resultate der Berichte könnte sich das Bun- entwicklung einbeziehen. desamt für Gesundheit als nationales Kompetenzzentrum etablieren, das seine Verantwortung in der Alkoholpräven- Teil III Kantonale Präventionskonzepte einbeziehen tion mit entsprechenden Koordinationsaufgaben und mit Kantonale Präventionspolitiken sind in der Regel in kan- der Weitergabe von Fachwissen gegenüber den Kantonen tonale Legislaturprogramme eingebunden und lassen sich wahrnimmt. Wie der Bericht «Alkoholpolitische Kan- kurzfristig nicht ändern. Für den Bund bedeutet dies, die tonsprofile» zudem aufzeigt, sollte ein nationales Gesamt- bestehenden kantonalen Präventionskonzepte zu kennen programm weniger nationale, sondern vor allem regionale und zu berücksichtigen und allfällige Kompatibilitätsfra- Prioritäten setzen, um der föderalistischen Kompetenz- gen frühzeitig zu prüfen. und Aufgabenteilung und der damit einhergehenden Heterogenität im Massnahmenvollzug zwischen den Kanto- Vertikal strukturiertes Netzwerk einrichten nen und zwischen den Landesteilen gerecht zu werden. Perspektiven Die Auswertung der Alkoholpolitik des Bundes zeigt, dass die Kantone das Fachwissen des Bundes schätzen und empfänglich sind für die Vermittlung von neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen zur Wirksamkeit von Massnahmen auf dem Gebiet der Gesundheitsförderung und Prä- 6.5 Potential für eine nationale ­Gesundheitspolitik vention. Mit der Bereitstellung von Fachwissen entlastet In den letzten 20 Jahren hat sich das Gesundheitssystem der Bund insbesondere ressourcenschwache Kantone. Schweiz zu einem zunehmend komplexeren Gebilde ent- Zudem besteht auf Seiten der Kantone das Bedürfnis wickelt. Zur Komplexität beigetragen haben aus gesund- nach interkantonalem Austausch und nach Information heitspolitischer Sicht insbesondere: die Ausweitung des über laufende und geplante kantonale und interkantonale Begriffs Gesundheit auf Krankheitsprävention und Ge- Projekte. Der Bund könnte für einen ausreichenden und sundheitsförderung; zahlreiche neue Aufgaben und Ver- bedarfsorientierten Wissenstransfer ein vertikal struktu- pflichtungen auf Seiten des Bundes und der Kantone, das riertes Netzwerk einrichten. Die Vernetzung wiederum vermehrte Auftreten neuer nicht übertragbarer Krank- kann ressourcenschwächeren Kantonen als Anreiz die- heiten wie Fettleibigkeit, psychische Probleme; eine stär- nen, ebenfalls in der Prävention aktiv zu werden. kere Aufgabenverflechtung zwischen Bund und Kantonen; die Einbindung der Schweiz in die internationale Gesund- Kongruenz zwischen kantonalen Gesetzen und Strategie heitspolitik. Wie kann man dieser Komplexität begegnen? des Bundes überprüfen Wie bringt man Themen, die angesichts der Aufgabenver- Es gilt zu überprüfen, ob die kantonalen Gesetzgebungs- flechtung eine verstärkte Koordination und Kohärenz zwi- prozesse in Einklang mit der Strategie des Bundes stehen. schen Bund und Kantonen benötigen, auf eine nationale Allenfalls könnte der Bund als Fachinstanz Hilfestellungen Ebene? für kantonale parlamentarische Vorstösse interessierter Kapitel 6 hat versucht, einige Antworten auf diese Fragen Politikerinnen und Politiker bereitstellen (z.B. Argumen- zu geben und zu diesem Zweck verschiedene Instrumente, tarium). Prozesse, Formen und Inhalte der vertikalen Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen vorgestellt. Diese 168 Alkoholpolitik des Bundes: Würdigung zeigen, dass sich eine nationale Gesundheitspolitik zum Ohne Zweifel zeigt das Vorgehen im Bereich Alkohol, dass jetzigen Zeitpunkt nicht durch ein klar definiertes Gebil- eine auf den Grundzügen des kooperativen Föderalismus de auszeichnet, sondern sich über verschiedene Leitge- zu entwickelnde nationale Präventionsstrategie ein ausge- danken, über rechtliche Grundlagen, über interkantonale Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 6 Partnerschaftliche Gesetzesvorbereitungen über gemeinsame Projektorganisationen charakterisiert. In Fällen, wo die Kantone besonders tangiert waren, ist es Erkennbar sind in all diesen Elementen Ansätze einer bereits zu paritätischen Gesetzesvorbereitungen zwischen gesundheitspolitischen Kultur, die sich mit dem Begriff Bund und Kantonen gekommen. des vertikalen kooperativen Föderalismus umschreiben Beispiele: Die Vorbereitung der Bestimmungen über den lässt. Im Rahmen dieses Ordnungsprinzips bietet sich Bund und die Kantone im Rahmen der Verfassungsreform den Kantonen und dem Bund die Möglichkeit, bestehen- in den 1990er-Jahren sowie die Vorbereitung der Neuge- de Probleme als gemeinsame Probleme wahrzunehmen, staltung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung Verantwortlichkeiten zu klären und Aufgaben dort zu ent- zwischen Bund und Kantonen (NFA) als gemeinsame Pro- flechten, wo parallele oder sich überschneidende Kompe- jektorganisation Bund/Kantone ebenfalls in den 1990er- tenzen zwischen ihnen bestehen. Jahren. Teil II Zusammenarbeit und nationale Gremien des Dialogs und der Koordination, Referenzrahmen Teil I Eine derartig verstandene nationale Gesundheitspolitik Regelmässiger Informations- und Erfahrungsaustausch folgreich sein, wenn sie zugleich föderalistisch und eid- zwischen Bund und Kantonen genössisch gedacht und umgesetzt wird, das heisst, unter Kooperativer Föderalismus fordert von Bund und Kanto- Respektierung und Einbezug der bereits bestehenden Ge- nen gemeinsam verantwortete Einrichtungen, in denen sundheitspolitiken der Kantone und des Bundes. konsensuale und partnerschaftliche Prozesse der Politik- Nachfolgend werden einige in diesem Kapitel vorgestell- formulierung auf nationaler Ebene stattfinden können. ten Elemente des kooperativen Föderalismus, die bereits Beispiel: Der Dialog zwischen Bund und Kantonen zur in Kraft bzw. zum Einsatz gelangt sind, auf ihr Potential Nationalen Gesundheitspolitik ist eine gemeinsame Ein- für eine nationale Gesundheitspolitik gewürdigt: richtung des Bundes und der Kantone. Dieser Dialog auf Teil III Perspektiven dürfte im schweizerischen Kontext jedoch nur dann er- Regierungsebene könnte dazu beitragen, die KommuniVerfassungsrechtlicher Leitgedanken kation zwischen Bund und Kantonen zu verbessern, das Die Philosophie des kooperativen Föderalismus widerspie- Modell einer privilegierten Partnerschaft zwischen Bund gelt sich in der total revidierten Bundesverfassung (Arti- und Kantonen zu konkretisieren und damit ein Vertrau- kel 44, 45, 55 BV). Letztere stützt sich auf eine moderne ensverhältnis zwischen Bund und Kantonen zu Gunsten föderalistische Perspektive, die die Souveränität der Kan- einer nationalen Gesundheitspolitik aufzubauen. Der Dia- tone betont und gleichzeitig die Zusammenarbeit zwischen log enthält aufgrund seines Charakters als Regierungsgre- Bund und Kantonen, die gegenseitige Unterstützung und mium zudem das Potential, Ziele im Sektor Gesundheit zu die Beteiligung der Kantone an der Willensbildung des priorisieren. Dabei könnte der Dialog bei entsprechenden Bundes einfordert. Zudem ist die vertikale Zusammenar- Vorarbeiten wie die konsolidierte Stellungnahme der Kan- beit in einigen Bundesgesetzen explizit verankert. tone zu den Regierungsprioritäten auf Bundesebene (Legislaturprogramm des Bundes) anknüpfen. Konsultation Weitere, von Bund und Kantonen gemeinsam verantwor- Das Vernehmlassungsverfahren als zentrales Instrument tete Einrichtungen auf nationaler Ebene sind das Schwei- eines kooperativen Föderalismus wurde neu geregelt und zerische Gesundheitsobservatorium und die Schweize- ermöglicht, dass zukünftige Bundesgesetze näher an den rische Universitätskonferenz. Vollzug herangeführt werden, um der besonderen Stellung der Kantone als Vollzugspartner des Bundes Rechnung zu Programmvereinbarungen zwischen Bund und Kantonen tragen. Vernehmlassungen sind Anreize an die Adresse Ein weiteres Mittel, das den Geist des kooperativen Fö- der Kantone und der Bundesstellen, in einer frühen Phase deralismus trägt, ist das NFA-Instrument der Programm- ihre Positionen zu einem Bundesgesetz oder zu einer Ge- vereinbarung: Der Bund und die einzelnen Kantone ver- setzesrevision zu konsolidieren und zu koordinieren und handeln auf der Basis der jeweiligen Bundesgesetze über damit einen Grundkonsens über die Stossrichtung eines die zu erreichenden Ziele, welche in Programmvereinba- zukünftigen Gesetzes zu finden. Ein frühzeitiger Einbezug rungen münden. Es bleibt abzuwarten, wie dieses Instru- der Kantone ermöglicht zudem das Antizipieren allfälliger ment ab 2008 eingesetzt wird. Vollzugsschwierigkeiten in den Kantonen. Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 6 169 Referenzrahmen Teil I Zusammenarbeit Teil II Teil III Rechtssetzende Verträge zwischen Bund und Kantonen beigetragen, die in hohem Masse dezentrale Struktur des Verträge dienen als rechtlich verbindliche Basis für die schweizerischen Gesundheitssystems aufzubrechen und Einrichtung gemeinsamer Gremien des Bundes und der kompensierend auf die Tendenz zur Fragmentierung zu Kantone, welche verbindliche Entscheide treffen kön- wirken. nen. Während der Abschluss von Verträgen einerseits Gleichzeitig muss angemerkt werden, dass die Zusam- die konsequente Folge einer gelebten Partnerschaft zwi- menarbeit zwischen Bund und Kantonen auf der Basis des schen Bund und Kantonen darstellt, befürchten anderer- kooperativen Föderalismus keine raschen und einfachen seits kritische Stimmen die Herausbildung einer vierten Lösungen bereithält. Um hier zu gemeinsamen Zielen und staatspolitischen Ebene, die losgelöst von demokratischen verbindlichen Vereinbarungen zu kommen, braucht es Zeit Entscheidprozessen funktioniert. Heute gibt es erst eini- und Verhandlungen. Die Ergebnisse sind oft komplexe Ge- ge wenige rechtssetzenden Verträge zwischen Bund und bilde. Dafür führen sie nicht selten zu Win-win-Lösungen. Kantonen, keinen bis jetzt ausschliesslich im Sektor Ge- In der Weiterentwicklung des schweizerischen Födera- sundheit. Wie beim NFA-Instrument der Programmverein- lismus hin zu einem kooperativen Föderalismus liegt die barung dürfte es auch bei diesem Instrument interessant Chance, auf der Basis der regelmässigen horizontalen und sein zu beobachten, ob und wie es im Kontext einer natio- vertikalen Zusammenarbeit eine Vielzahl von Akteuren, nalen Gesundheitspolitik zum Einsatz gelangt. Kulturen und Innovationen in eine nationale Gesundheitspolitik, das heisst, für die Gesundheit der Bevölkerung in Vollzug von Gesundheitsprogrammen des Bundes der Schweiz, einzubinden. Perspektiven Die in Kapitel 6.5 präsentierten Resultate betreffend die Umsetzung der Alkoholpräventionsprogramme des Bundes zeigen, dass Programme des Bundes im Bereich Krankheitsprävention und Gesundheitsförderung weniger nationale, als vielmehr regionale Prioritäten setzen sollte, um der föderalistischen Kompetenz- und Aufgabenteilung und der damit einhergehenden Heterogenität im Massnahmenvollzug zwischen den Kantonen und zwischen den Landesteilen gerecht zu werden. Diese Erkenntnisse könnten die Diskussion um die Neuregelung der Prävention und Gesundheitsförderung in der Schweiz ergänzen und bereichern. Die hier präsentierten Instrumente, Inhalte, Prozesse und Formen könnten wesentliche Bestandteile einer nationalen Gesundheitspolitik für die Schweiz sein. Würdigung Die Grundlagen für einen Ausbau der Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen zu Gunsten einer nationalen Gesundheitspolitik sind in der Schweiz vorhanden. Dies zeigt Kapitel 6, in dem eine Reihe von entsprechenden Strukturen, Prozessen und Projekten des kooperativen Föderalismus dargestellt wurden. Ohne Zweifel haben zudem sowohl Kapitel 6 wie auch Kapitel 5 gezeigt, dass der Föderalismus in der Schweiz kein Hindernis für eine nationale Gesundheitspolitik ist. Die verschiedenen Formen der Zusammenarbeit zwischen Kantonen sowie zwischen Bund und Kantonen haben dazu 170 Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 6 Anhang Referenzrahmen Teil I Erwartungen, Ziele und Themen der beiden staatspolitischen Akteure Bund und Kantone im Bereich Gesundheit (in alphabetischer Reihenfolge) Bei der nachfolgenden vergleichenden Übersicht handelt es sich nicht um eine systematische Auswertung der zitierten Quellen. Diese Arbeit ist für eine zukünftige Gesundheitspolitik noch zu leisten. Teil II ■ Zusammenarbeit Die kantonalen Themen und Positionen stützen sich auf drei Quellen: Umfrage im Anschluss an die Plenarversammlung der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Sanitätsdirektorinnen und -direktoren (SDK) vom 22. 5. 2003. Ergebnisse der Umfrage. Unveröffentlichtes Papier der Projektleitung Nationale Gesundheitspolitik Schweiz. (NGP 2003) ■ Konferenz der Kantonsregierungen: Legislaturplanung 2003–2007 des Bundes. Konsolidierte Stellungnahme zum Grundlagenpapier des Bundesrates, verabschiedet an der Plenarversammlung der KdK vom 3. 10. 2003 im Hinblick auf die Aussprache vom 28. November 2003 zwischen dem Bundesrat und den Kantonsregierungen. (KdK 2003) Die Positionen von Kantonsvertretern zur Nationalen Gesundheitspolitik, die in den 9 Kantonsporträts festgehalten sind (siehe Band 2 des Berichts). NGP 2004-05 Die Themen und Vorhaben des Bundes stützen sich auf folgende Quellen: ■ Legislaturprogramm des Bundesrates 2003–2007 (BR 2003–2007) ■ Vision des Bundesamts für Gesundheit (Vision BAG 2005) ■ Missionen (Stand 2005) der BAG-Einheit Gesundheitspolitik (Mission GP) sowie der BAG-Einheit Kranken- und Un- Teil III Perspektiven ■ fallversicherung (Mission KUV) ■ Jahresziele des Eidgenössischen Departement des Innern (EDI 2006) Alterspolitik Kantone: Erwartungen an und Themen für eine nationale Gesundheitspolitik (ab 2002) Vorhaben des Bundes (ab 2003) ■ Vertiefung ■ Die demographischen Herausforderungen bewältigen ■ ■ ■ ■ Arbeitsgesetz des Themas Altern und Gesundheit (NGP 2003) Klärung der Verantwortlichkeiten des Bundes, der Kantone, der Gemeinden und der privaten Organisationen im Bereich Alter. Mit Blick auf die Einführung der Neuregelung der Finanzen und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA) sind die Bestrebungen von Bund und Kantonen bei der Hilfe und Pflege von Betagten und Behinderten zu koordinieren, um das Netz der sozialen Hilfe generell zu stärken (KdK 2003) Neuregelung der Pflegeheimfinanzierung als vordringliches Geschäft der nächsten KVG-Revision (KdK 2003) Versorgung von Langzeitpatientinnen und -patienten; Nachbetreuung und Übergangspflege; Finanzierung der Langzeitpflege (NGP 2003) Sicherstellung einer qualitativ guten aber auch finanzierbaren Gesundheitsversorgung der älteren Bevölkerung (KdK 2003) ■ Eine Politik für die Verlängerung des Arbeitslebens und die Integration der älteren Personen in die Arbeitswelt ist zu entwickeln (BR 2003–2007) ■ Neuordnung der Pflegefinanzierung Der Bundesrat wird prüfen, ob ein Gesetzgebungsprogramm zur Beseitigung von Diskriminierung älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt sowie die Förderung der Erwerbstätigkeit eingeleitet werden soll. Eine mögliche Massnahme: Gesundheitsvorsorge am Arbeitsplatz, ergonomische und organisatorische Anpassungen am Arbeitsplatz älterer Erwerbstätiger (BR 2003–2007) Auswirkungen des Arbeitsgesetzes auf die Lohnkosten des Personals im Gesundheitssektor (NGP 2003) Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 6 171 Referenzrahmen Teil I Kantone: Erwartungen an und Themen für eine nationale Gesundheitspolitik (ab 2002) Vorhaben des Bundes (ab 2003) E-Health Elektronisch verknüpfte Patientendossiers oder Gesundheitskarten (NGP 2003) Das BAG ist verantwortlich für die Entwicklung einer nationalen E-Health-Strategie (Mission KUV). Vorbereitung der Einführung der Versichertenkarte im Jahr 2008 (EDI 2006) Hochschul­ medizin Universitäre Ausbildung: Schwerpunktbildung der medizinischen Fakultäten (NGP 2003) Projekt «Hochschullandschaft Schweiz» (Bund und Kantone) Gesundheits­ statistik Verbesserung der statistischen Vergleichbarkeit der Kantone; Harmonisierung der Gesundheitsdaten; aussagekräftige Datenerhebung, insbesondere mit Blick auf die Erfassung von Patientenströmen; Messinstrumente zur Effizienz der sozial-medizinischen Einrichtungen (NGP 2003) Monitoring Krankversicherung-Kostenentwicklung Gesundheits­ förderung und Prävention ■ Schnittstellen zwischen Bund und Kantonen von na- Vorbereitungen einer Neuregelung der Prävention und Gesundheitsförderung (EDI 2006) Zusammenarbeit Teil II Perspektiven Teil III tionaler Reichweite im Bereich der Gesundheitsförderung und Prävention sollten auf nationaler Ebene besprochen werden, z. B. Werbeverbot für Tabakprodukte (NGP 2004–05) ■ Programme des Bundes: Konzipieren und Umsetzen in Zusammenarbeit mit den Kantonen. Die Koordination solcher Programme ist insbesondere für kleine Kantone aus Gründen der Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit zwingend. In diesem Kontext sollten auch Umsetzungsstrategien nach Regionen geprüft werden. Dies würde den besseren Einbezug regionaler Zusammenarbeitsgremien wie die regionalen Gesundheits- und Sozialdirektorenkonferenzen erlauben (NGP 2004–05) ■ Stärkung der Gesundheitsförderung, um Gesundheitskosten möglichst tief zu halten (KdK 2003) ■ Information der Bevölkerung: Den Kantonen sollten 50 % der Mittel der Gesundheitsförderung Schweiz (GF-CH) zur Verfügung stehen. Allgemeine Rahmenbedingungen für die Verwendung der Mittel sind zu vereinbaren (NGP 2004–05) Themen für eine nationale Präventionspolitik: Früherkennung von Brustkrebs; Strategie «Psychische Gesundheit»; Tabakprävention, Alkoholprävention, Regelung des Konsums von Cannabis; Arbeitswelt und veränderte Lebensgewohnheiten; Umwelt und Gesundheit; Zukunft der 21 Gesundheitsziele (NGP 2003); Arbeitssicherheit, Rauchen, Krebserkrankung, psychische Gesundheit (KdK 2003) Gesundheits­ schutz 172 Absprachen zwischen Bund und Kantonen bezüglich der wichtigsten Massnahmen im Falle einer Epidemie (NGP 2004–05) Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 6 Revision des Epidemiengesetzes. Schweizerischer Grippepandemieplan Stärkung der interinstitutionellen Zusammenarbeit unter Krankenversicherungen, Krankentaggeldversicherungen, Unfallversicherungen, Unfalltaggeldversicherungen, Arbeitgeber und Invalidenversicherung mit dem gemeinsamen Ziel, die Integrationschancen zu erhöhen (KdK 2003) ■ Die Zunahme der Neurenten soll gedämpft werden ■ Deckung der Gesundheitskosten in der Kranken- ■ Kostendämpfende Massnahmen sollen gefördert wer- versicherung durch angemessene rechtliche Instrumente, die durch Bund und Kantone gemeinsam zu ent­wickeln sind (KdK 2003) Kostentransparente Gestaltung der Finanzierungssys­ teme im Gesundheitswesen; Nachhaltigkeit der verschiedenen stationären Vergütungssysteme thematisieren (KdK 2003) Entwicklung neuer Modelle für die Krankenpflegegrundversicherung im Sinne eines kostenbewussten Konsums; Stärkung der Selbstständigkeit und -verantwortung durch geeignete – vor allem auch monetäre – Anreize; Förderung der solidarischen Selbsthilfe (KdK 2003) Schaffung der gesetzlichen Grundlagen für den Ausschluss wirtschaftlich nicht vertretbarer Leistungen aus der Leistungspflicht. Bedeutung von evidence based-medicine (NGP 2003) Transparenz in den Rahmenbedingungen auf Bundesebene für die KVG-Revision; Kontrahierungszwang (NGP 2003) Klärung der Frage nach sinnvollen Standards und Leistungen im Gesundheitsbereich (KdK 2003) den. Dies gilt insbesondere für folgende Bereiche: Kontrahierungszwang, Spitalfinanzierung, Versicherungsmodelle, Kostenbeteiligung der Versicherten (BR 2003–2007). Ausserdem: Senkung der Mindestreserven der Versicherer (EDI 2006) ■ Es gilt die Solidarität unter den Versicherten und die qualitativ hoch stehende Versorgung zu erhalten (BR 2003–2007) ■ Das BAG baut ein gesundheitsökonomisches Kompetenzzentrum auf, das im universitären Bereich bzw. national und international vernetzt ist. Zentrale Aufgabe dieses Zentrums ist das Erarbeiten von KostenNutzenanalysen für das gesamte Gesundheitssystem (Mission KUV) ■ Das BAG schafft konzeptuelle, politische und strukturelle Voraussetzungen, um die Gesundheitskompetenz der Menschen in der Schweiz zu fördern (Mis­ sion GP) ■ ■ ■ ■ ■ ■ Für Personen, die wegen Krankheit arbeitsunfähig werden, ist ein System der Früherkennung zu schaffen, um eine frühzeitige Integration in den Arbeitsprozess zu fördern ■ Die IV-Renten sollen in den ersten Jahren befristet zugesprochen werden ■ Kooperation mit den übrigen Sozialversicherungen, schwergewichtig IV (Mission KUV) Teil II Zusammenarbeit KVG Vorhaben des Bundes (ab 2003) Teil III Perspektiven Invalidität Kantone: Erwartungen an und Themen für eine nationale Gesundheitspolitik (ab 2002) Referenzrahmen Teil I Neubeurteilung des Leistungskatalogs unter Berücksichtigung der drei Kriterien Wirksamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmässigkeit Schwerpunkte in der Umsetzung des KVG (Quelle: Mission KUV): ■ Chancengleiche Versorgung aller Einwohner der Schweiz mit qualitätsgesicherten und kosteneffi­ zienten Gesundheitsleistungen (von Spitzenmedizin bis palliative Behandlung und adäquate Betreuung älterer Menschen) ■ Arbeitssicherheit ■ Information der Versicherten Nationale Gesundheits­ politik Grundsatzdiskussion über die Planung eines nationalen Gesundheitssystems, das sich auf die vier Säulen Gesundheitsförderung und Prävention, Gesundheitsschutz, Gesundheitsversorgung und Finanzierung einer solchen globalen Politik stützt; Einbezug von NGOs und weiterer interessierter Gremien (NGP 2004–05) Die Empfehlungen des OECD/WHO-Berichts über das Gesundheitssystem Schweiz sind im Rahmen des gesundheitspolitischen Dialogs mit den Kantonen erörtert (EDI 2006) Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 6 173 Referenzrahmen Teil I Zusammenarbeit Teil II Kantone: Erwartungen an und Themen für eine nationale Gesundheitspolitik (ab 2002) Vorhaben des Bundes (ab 2003) Planung des Angebots ■ Spitalplanung: Rechtsprechung des Bundes bei Spital- ■ Revision des KVG Qualitäts­ sicherung Qualität im stationären Gesundheitssektor sichern (NGP 2003) Wissensma­ nagement ■ Instrument schaffen, damit gemeinsame Projekte Teil III listen und Tarife; Spitalfinanzierung; Managed Care; einheitliche Planungskriterien für den stationären Bereich; Tarifstruktur der somatischen Akutspitäler (NGP 2003) ■ Ambulante Versorgung: Planung der ambulanten Versorgung (NGP 2003) ■ Koordination der spitzenmedizinischen Leistungen (NGP 2003) auf regionaler Ebene und punktuelle Zusammenarbeitsprojekte allen Kantonen und dem Bund bekannt sind (NGP 2004–05) ■ Fundierte Analysen von Systemen und Systemverän- Perspektiven derungen im Bereich des Gesundheitswesens; Aufzeigen der praktischen Folgen von politischen Prozessen und Systemveränderungen auf allen Ebenen (NGP 2004-05) Zusammen­ arbeit Bund– Kantone ■ Direkte Gespräche: Die Kantone werten direkte Ge- ■ Handlungs- und reformfähig ist der Bundesstaat nur spräche als vertrauensfördernde Massnahmen in der Beziehung zum Bund (NGP 2004–05) Rahmengesetz: Festlegen der Kompetenzen der verschiedenen staatspolitischen Ebenen im Gesundheitsbereich und der Formen der Zusammenarbeit. Wo braucht es kantonale, interkantonale bzw. nationale Lösungen? Prüfen, ob die NFA als Vorbild für eine Neuverteilung der Aufgaben im Sektor Gesundheit dienen kann (NGP 2004–05) Good practice: Der Bund sollte die guten Ideen und Projekte der Kantone für Vorhaben auf nationaler Ebene nutzen (NGP 2004–05) Vorvernehmlassung: Prüfung von politischen Entscheiden auf Bundesebene und deren Auswirkungen auf Leistung, Kosten und Umsetzung in den Kantonen. Mit Blick auf die Umsetzung von Bundesrecht wünschen die Kantone, dass das federführende Bundesamt für Gesundheit die Erfahrungen der Kantone in Umsetzungsfragen berücksichtigt (NGP 2004–05) Zur Sicherung eines hohen Niveaus der medizinischen Grundversorgung ist die Zusammenarbeit von Bund und Kantonen in den Bereichen Bildung und Forschung weiter zu stärken (KdK 2003) Vorbereitung der KVG-Geschäfte gemeinsam durch Bund und Kantone (NGP 2004–05) dann, wenn Bund und Kantone optimal zusammenwirken (BR 2003–2007) Das BAG übernimmt – in partnerschaftlicher Zusammenarbeit mit den Kantonen und im Dialog mit den Anspruchsgruppen – eine führende Rolle im Prozess der Weiterentwicklung einer kohärenten Gesundheitspolitik der Schweiz Zu den Instrumenten gehört unter anderem der Dialog der nationalen Gesundheitspolitik (Mission GP) Diese Massnahmen der 5. IV-Revision erfordern eine Klärung der Verantwortlichkeiten zwischen Bund und Kantonen sowie die Einbindung der Sozialpartner in die Aufsicht über den Vollzug der Invalidenversicherung (BR 2003–2007) Die partnerschaftliche Zusammenarbeit von Bund und Kantonen in der Forschungs- und Bildungspolitik hat für den Bundesrat höchste Priorität. Verbessert werden muss die gemeinsame Steuerung der Hochschulpolitik (BR 2003–2007) Im Bereich Kranken- und Unfallversicherung widmet das BAG der effizienten Zusammenarbeit und engen Kooperation mit den kantonalen Gesundheitsdirek­ tionen besondere Aufmerksamkeit (Mission KUV) ■ ■ ■ ■ ■ 174 Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 6 ■ ■ ■ ■ Referenzrahmen Teil I Zusammenarbeit Teil II Perspektiven Teil III Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Kapitel 6 175 Teil II Zusammenarbeit Perspektiven zur Entwicklung einer nationalen Gesundheitspolitik Teil III Perspektiven Teil III Referenzrahmen Teil I Referenzrahmen Teil I Band 1 des Berichts bietet einen Referenzrahmen und Einleitung Teil II ■ die historischen Rahmenbedingungen des schweize- ■ die föderalen und sozialliberalen Elemente dieses Sys­ ■ die Strukturen, Projekte und Prozesse der horizontalen Der vorliegende Bericht entstand mit dem Ziel, einen Überblick über die vorhandenen Ressourcen der Kantone rischen Gesundheitssystems, und des Bundes zu geben, auf deren Basis eine zukünftige nationale Gesundheitspolitik entstehen könnte. Eine sol- Zusammenarbeit Grundlagenwissen über tems, che Politik, gemeinsam gestaltet von Bund und Kantonen, und vertikalen Zusammenarbeit der staatspolitischen ist eine unerlässliche Voraussetzung, soll die Leistungs­ Akteure Bund und Kantone, fähigkeit des Gesundheitssystems der Schweiz verbessert, das heisst, Fortschritte in der Chancengleichheit, in ■ die Ansätze zu Gunsten einer Stärkung der Prävention und Gesundheitsförderung. der Prävention und Gesundheitsförderung, in der Quali- Perspektiven Teil III tät der medizinischen Versorgung erzielt werden. Auch Band 2 stellt mit seinen Porträts über 9 kantonale Ge- wenn dank der getätigten Investitionen und angesichts sundheitspolitiken sowie mit dem Porträt über die Ge- der hohen Lebensqualität in der Schweiz die bisherigen sundheitspolitik des Bundes die eigentliche Datensamm- Ergebnisse insgesamt gesehen gut sind, könnten sie doch lung der vorliegenden Publikation zu den schweizerischen besser ausfallen, wenn Bund und Kantone mehr Einsatz Gesundheitspolitiken dar. bei der Steuerung des Gesundheitssystems leisteten, so- Der Bericht möchte aber mehr als einen Referenzrahmen wie, angesichts der Zunahme chronischer Erkrankungen, und gesundheitspolitisches Grundlagenwissen bieten, er der Prävention und Gesundheitsförderung mehr Auf- sucht den Blick nach vorne. An der Materie interessierte merksamkeit schenkten. Eine eigentliche Bewertung der Vertreterinnen und Vertreter des Bundes und der Kan- Qualität des schweizerischen Gesundheitssystems und tone haben deshalb im Rahmen der Recherchen zu diesem der Gesamtheit seiner Gesundheitspolitiken stellt jedoch Bericht Ideen und Vorschläge betreffend der Entwicklung ein äusserst schwieriges Unterfangen dar, nicht zuletzt einer nationalen Gesundheitspolitik für die Schweiz geä- deshalb, weil gewisse Voraussetzungen für eine solche ussert, die in die nachfolgenden «Perspektiven zur Ent- Bewertung, wie zum Beispiel nationale Gesundheitsziele, wicklung einer nationalen Gesundheitspolitik» eingeflos- ein Monitoring der Gesundheitspolitiken der Kantone und sen sind. des Bundes oder regelmässig publizierte Gesundheitsberichte, fehlen. Vor diesem Hintergrund hat der vorliegende Bericht versucht, Möglichkeiten zugunsten einer effizienteren Steuerung des Gesundheitssystems aufzuzeigen, sowie insbe- Vier Voraussetzungen für eine ­nationale ­Gesundheitspolitik sondere auch Ansätze der Kantone und des Bundes in der Die in dem Bericht zusammengetragenen Informationen Gesundheitsförderung und Prävention zu dokumentieren. zeigen deutlich: Heute nehmen Bund und Kantone in al- Die dabei angewendete Methode ist eine Art Monitoring len Bereichen der Gesundheit parallele, gemeinsame oder der Gesundheitspolitiken in der Schweiz, das heisst, der sich überschneidende Aufgaben wahr. Ein möglicher Aus- gesundheitspolitischen Perspektiven, Strategien, Prozes­ weg aus dieser Überschneidung der Verantwortlichkeiten se und Projekte des Bundes und der Kantone. Das Mo- wäre eine alleinige Steuerung durch den Bund. Da dies im nitoring zeigt einerseits die Fragmentierung des Gesund- föderalen System der Schweiz nicht möglich ist, sollten heitssystems auf. Andererseits zeigt der Bericht aber Bund und Kantone versuchen, das System unter Respek- auch auf, welche Mechanismen der Zusammenarbeit und tierung der sozialliberalen Grundsätze und der föderalen der Koordination heute in der föderalen Schweiz beste- Strukturen durch eine konzentrierte nationale Gesund- hen und welches Potential im Föderalismus steckt, um die heitspolitik gemeinsam zu steuern. Steuerung und die Qualität des schweizerischen Gesund- Bund und Kantone sind auf Grund ihrer Kompetenzen heitssystems zu verbessern. dazu legitimiert, in der Ausgestaltung einer nationalen Gesundheitspolitik eine Führungsrolle einzunehmen. So können die Kantone wegen der Nähe zur lokalen Bevölke- 178 Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven turen und Prozesse sichergestellt würde. ausgesprochene Erfahrungen in der Konzipierung und 3. Stärkung des ganzheitllichen und multisektoralen An- Umsetzung gesundheitspolitischer Perspektiven, Ziele satzes in der Gesundheitspolitik: Eine nationale Ge- und Massnahmen. Aus dieser Perspektive betrachtet sind sundheitspolitik setzt voraus, dass die politischen die 27 Gesundheitspolitiken in der Schweiz eine Chance Entscheidungsträger des Bundes und der Kantone das und kein Hindernis auf dem Weg hin zu einer nationalen Gesundheitssystem als ein umfassendes System ver- Gesundheitspolitik. In der Tat lassen sich in den Kantonen stehen und die Gesundheitsdeterminanten systema- sowie beim Bund kreative Ideen sowie zahlreiche Prozesse tisch in ihre politischen Überlegungen mit einbeziehen. und Projekte beobachten, die das Innovationspotential des Dies würde unter anderem bedeuten, dass Bund und Föderalismus belegen und – auf eine nationale Ebene ge- Kantone Gesundheitsförderung, Gesundheitsschutz, bracht und miteinander verbunden – das Gerüst einer Ge- Krankheitsprävention und Rehabilitation gegenüber sundheitspolitik für die gesamte Schweiz bilden können. der kurativen Medizin stärken würden. Dazu gehörte Mit der Vereinbarung zwischen Bund und Kantonen zur auch eine gerechtere Verteilung derjenigen Mittel, die Nationalen Gesundheitspolitik vom 12. Dezember 2003 ist für die Finanzierung des Gesundheitssystems zur Ver- etwas Bewegung in die gesundheitspolitische Landschaft fügung stehen. der Schweiz gekommen. Das Ziel einer nationalen und ko- 4. Erhöhung der Gesundheitskompetenz: Die Führung ei- härenten Gesundheitspolitik, gemeinsam erarbeitet durch ner nationalen Gesundheitspolitik setzt das Vorhanden- Bund und Kantone, erscheint jedoch noch weit. sein von Mitteln zur Förderung der Gesundheitskom- Auf der Basis des Berichts, dessen Inhalt und dessen Ana- petenz der Bevölkerung und der Chancengleichheit lyse sich auf offizielle Dokumente und auf die Auswertung voraus. Dies würde bedeuten, dass Bund und Kantone von Gesprächen mit Fachleuten des Bundes und der Kan- zusammen mit Nichtregierungsorganisationen und pri- tone stützen, haben sich folgende Voraussetzungen für vaten Akteuren regional und national aufeinander ab- eine nationale Gesundheitspolitik als besonders relevant gestimmte Gesundheitsinformationen vermittelten und herauskristallisiert: Programme anböten mit dem Ziel, die Gesundheits- 1. Kultur der Zusammenarbeit zwischen Bund und Kan- kompetenz der Bevölkerung zu stärken. Teil II Zusammenarbeit mal abschätzen. Zudem verfügen Bund und Kantone über schweizerische, eidgenössische oder nationale Struk- Teil III Perspektiven rung Bedürfnisse und Bedarf im Gesundheitsbereich opti- Referenzrahmen Teil I tonen: Eine nationale Gesundheitspolitik setzt voraus, dass die politischen Entscheidungsträger des Bundes Eine nationale Gesundheitspolitik lässt sich nicht von und der Kantone zur Zusammenarbeit bereit sind. Dies heute auf morgen verwirklichen. Um Fortschritte zu er- würde bedeuten, dass Bund und Kantone die bereits zielen, bedarf es neben dem Faktor Zeit die Bereitschaft bestehenden Strukturen und Prozesse der horizonta- des Bundes und der Kantone, an einer Kultur der gesund- len und vertikalen Zusammenarbeit intensiver nutzten. heitspolitischen Zusammenarbeit zwischen gleichgestell- Ziel einer solchen Kultur der Zusammenarbeit müssten ten Partnern zu arbeiten, die sich gegenseitig respektie- gemeinsame Politikformulierungen durch Bund und ren und Verantwortung auf nationaler Ebene übernehmen Kantone in ausgewählten Bereichen des Handlungs- wollen. Die nachfolgenden Empfehlungen sind als mittel- felds Gesundheit sein. Damit würde mittelfristig ein fristige Prozesse zu verstehen, die in einem Zeitraum von Mehrwert an politischer Steuerung im schweizerischen zehn Jahren realisiert werden könnten. Gesundheitssystems entstehen. Die Empfehlungen selbst sind in vier Themenblöcke geglie­ 2. Wissensbasierte Gesundheitspolitiken: Eine nationale dert. Jeder Themenblock wird von einer kurzen Analyse Gesundheitspolitik setzt voraus, dass das Wissen der eingeleitet, bevor die eigentlichen Empfehlungen folgen. Kantone und des Bundes über bestehende gesund- Die Empfehlungen sollen dazu dienen, die kantonalen Re- heitspolitische Perspektiven, Projekte und Prozesse gierungen und, auf eidgenössischer Ebene, den Vorsteher zentral erfasst, dokumentiert, analysiert und verbrei- des Departements des Innern in ihrem Willen zu unter- tet wird. Dies würde bedeuten, dass der regelmäs- stützen, ihre jeweiligen Gesundheitspolitiken untereinan- sige Wissens- und Erfahrungsaustausch zwischen den der abzustimmen und das Innovationspotential des Föde- Entscheidungsträgern des Bundes und der Kantone ralismus zu Gunsten einer nationalen Gesundheitspolitik über bereits vorhandene oder zu schaffende regionale, zu nutzen. Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven 179 Referenzrahmen Teil I seit den 1980er-Jahren eine beträchtliche Verlagerung Zusammenarbeit Teil II Perspektiven Teil III Kultur der Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen von Kompetenzen, die ursprünglich den Kantonen vor- Der Bericht zeigt anhand von Beispielen, dass über lan- Aufgaben nicht zuletzt auch aufgrund von Erwartungen ge Zeit Kantone und Bund dank einer klaren Zuteilung seitens der Kantone und Fachkreisen zugewiesen, selbst von Kompetenzen und Aufgabenbereichen keine Not- dann, wenn die Verfassung dem Bund die entsprechenden wendigkeit dafür sahen, eine Kultur des Dialogs und der Kompetenzen nicht für alle neuen Gesundheitsaufgaben gemeinsamen Politikformulierung zu entwickeln. Die in ausdrücklich zugeteilt hat. Heute besitzt der Bund in den letzten 20 Jahren erfolgte Verflechtung der Aufgaben, vielen Einzelbereichen des Handlungsfelds Gesundheit insbesondere in den Sektoren Prävention und Gesund- abschliessende Kompetenzen und nimmt dort zahlreiche heitsversorgung, und, damit verbunden die zunehmende Aufgaben wahr. Komplexität der Konsensfindung und der Entscheidpro- Obwohl der Bund mehr Aufgaben und Kompetenzen über- zesse bedingen jedoch in zunehmendem Masse nicht nur nommen hat, kooperieren Bundesstellen untereinander Koordination, sondern auch horizontale und vertikale Ko- nur sporadisch und punktuell. Es hat bis jetzt kein struk- operationen sowie längerfristig eine Basis für die gemein- turierter und regelmässiger Wissenstransfer und keine same Politikformulierung zwischen Bund und Kantonen gemeinsame Politikformulierung stattgefunden, weder in ausgewählten Bereichen. Entsprechende Gremien und innerhalb des Bundesamts für Gesundheit noch zwischen Prozesse der horizontalen und vertikalen Zusammenarbeit denjenigen Bundesstellen statt, die einen Bezug zur Ge- sind gegenwärtig jedoch noch nicht überall vorhanden. sundheit aufweisen. Koordination und Zusammenarbeit zwischen ­Kantonen Koordination und Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen Die gesundheitspolitischen Porträts in diesem Bericht Teil II des Berichts zeigt, dass die Erweiterung der Auf- (Band 2) machen deutlich, dass die Kantone – ausgehend gabenbereiche des Bundes in der Prävention und in der von dem in der Verfassung verankerten Prinzip der Subsi- Gesundheitsversorgung zu einer Verflechtung der Aufga- diarität – auf eine lange Tradition der gesetzlichen Veran- ben zwischen Bund und Kantonen geführt hat. Diese Ver- kerung, der Planung, und Ausgestaltung ihrer je eigenen flechtung hat bis jetzt aber kaum zu einer regelmässigen Gesundheitspolitiken in den Bereichen Gesundheitsför- Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen geführt. derung/Prävention, Gesundheitsversorgung, Rehabilitati- Die dafür erforderlichen Strukturen und Prozesse fehlen. on/Integration sowie Aus- und Weiterbildung zurückbli- So haben seit Inkrafttreten des Bundesgesetzes über die cken können. Mit den 26 kantonalen Gesundheitspolitiken Krankenversicherung (KVG) im Januar 1996 bis zum Be- steht der Schweiz nicht nur ein hohes Mass an Wissen und ginn des Dialogs zur Nationalen Gesundheitspolitik Anfang Innovationspotential zur Verfügung, sondern es gibt da- 2004 ausser der Teilnahme des Gesundheitsministers an rüber hinaus bewährte gesundheitspolitische Strukturen, den jährlichen Plenarversammlungen der Schweizerischen Prozesse und Projekte der Zusammenarbeit. Darüber hi- Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und naus haben die Kantone in den letzten 100 Jahren erfolg- -direktoren (GDK) keine regelmässigen Aussprachen reich Instrumente der interkantonalen Koordination und zwischen Bund und Kantonen zu gesundheitspolitischen der Zusammenarbeit entwickelt, die sie bilateral, regional Themen stattgefunden. Eine Ausnahme stellt der Sektor und gesamtschweizerisch auf Stufe Gesamtregierung, Bildung dar, der die Aus- und Weiterbildung in den Ge- Fachminister und Verwaltung für die Sicherstellung der sundheitsberufen einschliesst. Die Zentralisierung die- Gesundheitsversorgung der Bevölkerung einsetzen. ser Kompetenzen auf Bundesebene hat einen Prozess behalten waren, auf den Bund stattgefunden hat. Zudem wurden dem Bund im gleichen Zeitraum zahlreiche neue der Klärung der Aufgaben zwischen Bund und Kantonen 180 Koordination und Zusammenarbeit zwischen ­Bundesstellen ausgelöst. Der Bericht zeigt in Teil I «Gesundheitssystem Schweiz: Ansätze erkennbar sind, die mittelfristig in Richtung ei- Referenzrahmen» und in Teil V «Bundesporträt», dass ner gemeinsamen Politikformulierung durch Bund und Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven Teil II des Berichts zeigt aber auch, dass in jüngster Zeit Referenzrahmen Teil I Kantonen in von noch zu bestimmenden Bereichen der in welchen Bereichen sie auf nationaler Ebene im Sinne des kooperativen Föderalismus in Strukturen sundheitspolitik» oder die «Neuregelung des Finanzaus- zusammenarbeiten wollen. gleichs und der Aufgabenverteilung zwischen Bund und Kantonen» (NFA). Der Koordination und Kooperation Eine Klärung der Verantwortlichkeiten und Aufgaben sind jedoch staatsrechtliche Grenzen gesetzt, insbesonde- sollte vor allem in der Gesundheitsförderung und Prä- re, was die demokratische Legitimation von Absprachen vention, in der ambulanten und stationären Versorgung zwischen Exekutivbehörden anbelangt. Diese Grenzen gilt und im Bereich der Information und Gesundheitserzie- es auszutesten, insbesondere gegenüber den kantonalen hung stattfinden. Eine solche Klärung liesse sich im und eidgenössischen Legislativen sowie den privaten Kontext von Vorbereitungsarbeiten zu einer Neurege- Akteuren, die ihrerseits ebenfalls den berechtigten An- lung der Prävention und Gesundheitsförderung oder zu spruch geltend machen, Politik auf nationaler Ebene zu einem zukünftigen Bundesgesetz über die Gesundheit formulieren. vornehmen, wobei die in diesem Bericht formulierten Erwartungen der Kantone an den Bund als erste Inputs hierzu dienen könnten (siehe Band 2 der Publikation: Impulse für eine nationale Gesundheitspolitik Kantonale Gesundheitspolitiken, 9 Porträts). Eine nationale Gesundheitspolitik versteht sich sowohl Das BAG sollte seinen Anspruch auf eine Leadership- als Ausdruck einer politischen Kultur, als auch als Er- Position in der Gesundheitspolitik konkretisieren. Die- gebnis von politischen Strukturen, Prozessen und Pro- sem Ziel könnte der im Jahr 2004 begonnene Prozess jekten, wie sie auf regionaler, gesamtschweizerischer der Neuformulierung der Amtsstrategie und die Über- und national Ebene anzutreffen sind. Diese Definition arbeitung der Aufgabenschwerpunkte dienen. Darüber einer nationalen Gesundheitspolitik beinhaltet Prämis- hinaus müsste das BAG seine Prioritäten sowohl amts- sen, die nachfolgend aufgeführt sind: intern als auch mit denjenigen Bundesämtern abspre- Teil II Zusammenarbeit ■ «Dialog zwischen Bund und Kantonen zur Nationalen Ge- Teil III Perspektiven Gesundheit führen könnten. Ein solcher Ansatz ist der chen, die einen Bezug zur Gesundheit aufweisen. Dies Kompetenz- und Aufgabenklärung bedingte eine engere Zusammenarbeit des BAG mit Bund und Kantone sollten anerkennen, dass sie fak- den rund 25 Bundesstellen und rund 30 Kommissionen, tisch in allen Bereichen des Handlungsfelds Gesund- die sich, wenn auch mit unterschiedlicher Intensität, heit – in der Gesundheitsförderung, der Prävention, für die Gesundheit der Bevölkerung einsetzen. Eine dem Gesundheitsschutz, der Gesundheitsversorgung, stärkere Nutzung der bundeseigenen Koordinations- der Rehabilitation/Integration, der Aus- und Weiter- plattformen im Bereich Gesundheit müsste daher ein bildung, der Forschung und Lehre – parallele, gemein- zentrales Element in der Leadership-Strategie des BAG same oder sich überschneidende Aufgaben wahrneh- werden. men. Der immer wieder gehörte Satz, die Gesundheit Die Kantone ihrerseits würden in jenen Bereichen eine sei eine Kompetenz der Kantone, entspricht nicht mehr federführende Position einnehmen, wo sie aufgrund der Realität. ihres Wissens und ihrer Erfahrungen sowie der Nähe zu den regionalen und lokalen Bedürfnissen besse- Der Bund und die 26 Kantone könnten in einem ge- re Ergebnisse erzielen als der Bund. Für ausgewählte meinsamen Prozess klären, Bereiche würden sie ihre kantonalen Gesundheitspoli- ■ in welchen Gesundheitsbereichen sie ihre je eigenen tiken untereinander bzw. mit dem Bund koordinieren. Gesundheitspolitiken führen möchten, Zu diesem Zweck müssten die Kantone die bestehen- in welchen Bereichen sie die politische Federfüh- den Strukturen der interkantonalen Zusammenarbeit, rung an nur eine staatspolitische Ebene delegieren insbesondere auch diejenigen auf regionaler Ebene, für ■ ■ möchten, den Sektor Gesundheit intensiver nutzen. in welchen Bereichen sie regionale bzw. schweize- Auf nationaler Ebene könnten das BAG als federführen- rische Lösungen anstreben und des Bundesamt in Sachen Gesundheit und die GDK als Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven 181 Referenzrahmen Teil I Zusammenarbeit Teil II Koordinationsorgan der Kantone die Abstimmung der tionsplattform der Dialog zwischen Bund und Kantone kantonalen und regionalen Gesundheitspolitiken un- zur Nationalen Gesundheitspolitik. Konkrete Beispiele tereinander unterstützen und sich für die Bekanntma- der paritätischen Vorbereitung von rechtlichen Normen chung und Verbreitung von Good Practice einsetzen. sind unter anderem die Reform der Bundesverfassung, das Bundesgesetz über die Mitwirkung der Kantone an Kooperativer Föderalismus der Aussenpolitik des Bundes sowie die Neugestaltung Dialog zwischen Bund und Kantonen zur Nationalen des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwi- Gesundheitspolitik schen Bund und Kantonen (NFA). Es wäre wünschbar, wenn sich der Dialog zwischen Perspektiven Teil III Bund und Kantonen zur Nationalen Gesundheitspoli- Innovationspotential sichern und nutzen tik, der auf eine Vereinbarung aus dem Jahr 2003 zu- Die 27 Gesundheitspolitiken in der Schweiz beherber- rückgeht, zu einem Instrument der paritätischen Poli- gen ein hohes Mass an Innovationspotential. Gegen- tikformulierung weiter entwickelte. Bund und Kantone wärtig gibt es kein strukturiertes Verfahren, mit dessen würden als gleichgestellte Partner für ausgewählte Hilfe innovative Ansätze in den Kantonen und auf Bun- Bereiche der Gesundheit die Leitplanken sowie die desebene – seien es Gesetze, Strategien, Strukturen, entsprechenden Strategien und Aktionspläne gemein- Prozesse oder Projekte – zum Nutzen aller in eine Ge- sam festlegen. In diesem Zusammenhang sollten Bund sundheitspolitik für die Schweiz einfliessen können. und Kantone prüfen, inwieweit die Organisations- und Bund und Kantone sollten ein entsprechendes Verfah- Entscheidstrukturen der Schweizerischen Universi- ren erarbeiten und die auf regionaler Ebene eingesetz- tätskonferenz (SUK) oder die Strukturen und Prozesse ten Instrumente benutzen. Ein ers­ter Schritt in diese der Westschweizer Gesundheits- und Sozialdirektoren- Richtung wäre der Aufbau eines nationalen Monito- konferenz (CRASS) bzw. diejenigen der Zentralschwei- rings der gesundheitspolitischen Strategien, Prozesse zer Regierungskonferenz (ZRK) für die Organisation und Projekte in der Schweiz. Der vorliegende Bericht der Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen stellt einen ersten Beitrag hierzu dar. im Rahmen der nationalen Gesundheitspolitik als VorDamit könnte der Dialog mittelfristig zum zentralen Priorisierungsprozesse für eine schweizerische Gesundheitspolitik Steuerungsorgan der kantonalen und eidgenössischen Bund und Kantone sollten möglichst rasch ihre Ge- Exekutivbehörden werden, um in Ergänzung bzw. Ver- sundheitspolitiken nach nationalen Gesundheitszielen stärkung der kantonalen und eidgenössischen Gesund- ausrichten. An ihnen wäre es, erste Vorschläge aus- heitspolitiken die grossen Linien der schweizerischen zuarbeiten und den Prozess der Zielformulierung im Gesundheitspolitik zu zeichnen. Rahmen des Dialogs zur Nationalen Gesundheitspolitik bilder dienen könnten. gemeinsam zu leiten. Eine Priorisierung der gesund- 182 Zusammenarbeit bei der Erarbeitung von Bundes­gesetzen und Verordnungen heitspolitischen Ziele müsste unter anderem auf der Der Bund sollte die Rahmenbedingungen für die Erar- toren erfolgen (siehe Abschnitt «Wissensbasierte Ge- beitung von Bundesgesetzen verbessern, insbesonde- sundheitspolitiken» weiter unten) und die kantonalen re dort, wo die Umsetzung der Rechtsgrundlagen ein bzw. regionalen Gesundheitsziele, -strategien und -pro- hohes Mass an kantonalem Engagement verlangt. Im gramme sowie die Ziele des Bundes berücksichtigen. Sinne eines vorbeugenden Konfliktmanagements wäre Zentrale Akteure des Gesundheitssystems Schweiz es zum Beispiel sinnvoll, gesundheitsrelevante Entwür- würden sich im Rahmen von Vernehmlassungen zu den fe von Bundesgesetzen und Verordnungen paritätisch Zielen äussern. Um Demokratiedefizite zu vermeiden, durch Bund und Kantone vorbereiten zu lassen. Für müssen die Gesundheitsziele von den kantonalen Par- das Handlungsfeld Gesundheit könnte als Ansprech- lamenten und den eidgenössischen Räten genehmigt partner der 26 Kantone die GDK dienen, als Koordina- werden. Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven Basis qualitativer und quantitativer Führungsindika- Referenzrahmen Teil I tenbanken aufnehmen lassen. Die Liste nennt 61 Datengesundheitsrelevante Angaben enthalten. 34 dieser Da- zerischen Gesundheitssystems sind die zahlreichen tenbanken werden von den Bundesämtern für Statistik Nichtregierungsorganisationen und die privaten Ak- (BFS), für Gesundheit (BAG) und für Sozialversicherung teure wichtige Partner des Staates. Sie erbringen nicht (BSV) erstellt und bewirtschaftet. Die Daten zur Kranken- nur Dienstleistungen im Sektor Gesundheit und setzen versicherung werden von den Krankenversicherern (santé­ staatliche Massnahmen um, sondern mischen sich auch suisse) erhoben und verwaltet. Der Zugang der Behörden aktiv in den Meinungsbildungsprozess und in Prozesse zu den santésuisse-Daten ist erschwert. der Rechtsetzung ein. So unerlässlich eine solche Be- Trotz der Fülle der Gesundheitsdaten handelt es sich teiligung ist, kann sie sich auch kontraproduktiv aus- bei den Produkten häufig um isoliert betrachtete Teilbe- wirken, wenn dadurch auf Kosten des Allgemeininte- reiche. Es fehlen Publikationen wie ein Gesundheitsbe- resses private Interessen wahrgenommen werden. Der richt für die Schweiz, die in regelmässigen Abständen eine Bericht erwähnt unter anderem als Beispiel das Heil- statistische Übersicht über das Gesundheitssystem der mittelgesetz. Angesichts der Interessenbindung bei Schweiz gewähren und interkantonale Vergleiche bieten. der Vorbereitung des Heilmittelgesetzes konnte kein Darüber hinaus gibt es zu wenige Daten unbefangenes Gespräch und Konzipieren in der Exper- ■ über die diagnosebezogenen Leistungen der Spitä- tengruppe zustande kommen. Aus Sicht einer interdis- ler. Zurzeit erarbeitet der Verein SwissDRG ein den ziplinär verstandenen Rechtsetzungslehre wurde dies schweizerischen Verhältnissen angepasstes Patienten- von Fachleuten als klare strukturelle Schwäche gewer- klassifikationssystem, das in Zukunft die einheitliche tet. Bund und Kantone sollten von Fall zu Fall prüfen, Abgeltung der stationären, akut-somatischen Spital- was und in welcher Form nichtstaatliche Akteure wie aufenthalte mittels diagnosebezogener Fallpauschalen Krankenversicherer, medizinische Leistungserbringer, erlaubt. Einmal eingeführt sollte dann auch ein Leis­ Pharmaindustrie, Patientenorganisationen sowie Versicherte zur Erarbeitung und Konkretisierung einer Teil III tungsvergleich zwischen allen Spitälern möglich sein. ■ über die Leistungen und die Inanspruchnahme der schweizerischen Gesundheitspolitik beitragen können ambulanten medizinischen Versorgung und der Versor- und bei welchen Prozessen Bund und Kantone den Ein- gung im Pflegebereich. fluss der privaten Akteure zugunsten einer stärkeren Teil II Zusammenarbeit banken (darunter 2 internationale), die für die Schweiz Aufgrund der starken liberalen Wurzeln des schwei- Perspektiven Rolle der nichtstaatlichen Akteure ■ staatspolitischen Führung weniger gewichten wollen. über die Prävalenz, die Folgen und die Behandlung der von der WHO als «nicht übertragbar» bezeichneten Krankheiten wie Krebs, arbeitsassoziierte Störungen, psychische Störungen, muskulo-skelettale Krank- heiten, Diabetes, die Folgen von Übergewicht. Wissensbasierte Gesundheitspolitiken ■ über die sozialen Kosten von Krankheiten sowie über Komplexe Systeme, wie das Gesundheitssystem der ■ über Kosten, Wirkung und Nutzen gesundheitsför- ■ über die Unterschiede zwischen dem wünschbaren An- den Nutzen der Therapien. Schweiz eines ist, setzen viel Wissen und Fachkompetenz voraus, um Steuerung zu ermöglichen. Eine wissensorien- dernder und präventiver Massnahmen. tierte Politikgestaltung im Gesundheitsbereich sollte auf gebot an Public Health-Leistungen und dem tatsäch- zwei Datentypen zurückgreifen können: auf statistische lichen Versorgungsangebot in den Kantonen. und auf systembezogene Daten. In der Schweiz bestehen für beide Datensätze Lücken. Systembezogene Gesundheitsdaten Die in diesem Bericht präsentierten gesundheitspoli- Statistische Gesundheitsdaten tischen Porträts (Band 2) zeigen, dass es in den Kantonen Das Schweizerische Gesundheitsobservatorium (Obsan), und auf Stufe Bund zahlreiche das Gesundheitssystem 2001 im Zuge des Projekts Nationale Gesundheitspoli- betreffende Daten gibt: gesundheitspolitische und auch tik Schweiz (NGP) von Bund und Kantonen gegründet, multisektoral ausgerichtete Positionspapiere, Berichte zu hat 2004 den Bestand der vorhandenen Gesundheitsda- Trendentwicklungen, Regierungsziele, Strategien, MassBand 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven 183 Referenzrahmen Teil I nahmen zu Themen wie Gesundheitsförderung und Prä- Zusammenarbeit Teil II vention, qualitative und quantitative Gesundheitsver- schweizerische Gesundheitsstatistik, ein gesundheits- sorgung, ambulante und stationäre Versorgungsnetze, politisches Monitoring und einen Gesundheitsbericht Qualitätsmanagement oder Projekte zur Stärkung der für die Schweiz erstellen. Gesundheitskompetenz der Bevölkerung. Diese qualitativen Gesundheitsdaten sind in der Schweiz auf nationaler Regelmässige Gesundheitsstatistiken Ebene jedoch schlecht dokumentiert und kaum evaluiert Es braucht verstärkte Anstrengungen, um einerseits und stehen damit für eine wissensorientierte Politikfor- die bestehenden Lücken in der Gesundheitsstatistik mulierung und -gestaltung durch Bund und Kantone nicht zu füllen. Weiterhin sollten die bereits bestehenden zur Verfügung. statistischen Gesundheitsdaten zu einem Gesamtbild zusammengefügt werden und dadurch einen Überblick über das Gesundheitssystem Schweiz und über dessen Teil III Impulse für eine nationale Gesundheitspolitik Qualität sowie über den Gesundheitszustand der Be- Die Aufbereitung und Zugänglichkeit systembezogener völkerung ermöglichen. Dieses Ziel liesse sich zum Bei- ­Daten im Handlungsfeld Gesundheit in Form von Mo- spiel in Form einer regelmässig publizierten Gesund- nitoring und Analysen sollen den staatspolitischen Ak- heitsstatistik realisieren. teuren des Bundes und der Kantone zu einem Gesamtmit den erfassten Visionen, Prozessen, Strukturen und Monitoring der Gesundheitspolitiken in der Schweiz Projekten durchaus im Sinne eines Frühwarnsystems Eine auf Steuerung ausgerichtete nationale Gesund- die Erwartungen und Wünsche der staatspolitischen heitspolitik benötigt ein Monitoring der politischen Partner erforschen sowie neue Ansätze, Ergebnisse Strategien und deren Ergebnisse bezüglich Gesundheit und good practice kennen lernen. Schliesslich sollen und Leis­tungsfähigkeit des Systems. Dabei handelte es die systembezogenen Daten der Meinungsbildung, Pla- sich um ein systematisches Beobachten der zeitlichen nung und Entscheidfindung dienen. In Kenntnis der Entwicklung gesundheitspolitischer Prozesse in der systembezogenen Daten könnten die gesundheitspoli- Schweiz. Ein so verstandenes Monitoring würde sich tischen Akteure Projekte in den Kantonen, auf Bundes- vor allem auf Daten zu gesundheitspolitischen Perspek- ebene oder auf nationaler Ebene umfassender vorbe- tiven, Zielen, Strategien, Massnahmen und Projekten reiten und besser in das bestehende Umfeld einbetten. auf interkantonaler und nationaler Ebene stützen. Die Schliesslich würde eine regelmässige Aktualisierung in Band 2 dieser Publikation präsentierten gesund- dieser Daten zu den öffentlichen Politiken auch zu heitspolitischen Porträts könnten ein erster Schritt einem besseren Verständnis der historischen Dynamik hin zu einem solchen qualitativen Monitoring sein, das und der gegenwärtigen Entwicklung erlauben. regelmässig aktualisiert und mit entsprechendem stati- Perspektiven bild Gesundheit verhelfen. Darüber hinaus lassen sich stischen Datenmaterial vernetzt werden müsste. 184 Das Obsan als Schaltstelle des Wissens­ managements Gesundheitsindikatoren Auf diesem Hintergrund wäre es zu begrüssen, wenn Mit einer nationalen Gesundheitspolitik sollten gesund- sich das Schweizerische Gesundheitsobservatorium heitspolitische Ziele angestrebt werden. Dazu müssten (Obsan) zu einer eigentlichen Schaltstelle des Wissens- Bund und Kantone eine Auswahl an Indikatoren für den managements für eine nationale Gesundheitspolitik Bereich Gesundheit treffen, die sie jeweils parallel zum entwickelte. In Zusammenarbeit mit relevanten Bundes­ Prozess der Legislaturplanung und anhand sich än- ämtern (BFS, BAG, BSV), dem Koordinationsgremi- dernder politischer Prioritäten überprüfen würden (so um REGIOSTAT, der Schweizerischen Konferenz der genannte Führungsindikatoren). Statistische Gesund- kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren heitsindikatoren könnten sein: Krankenversicherungs- (GDK) sowie den Public Health-Forschungsinstituten prämien-Index (KVPI), Gesundheitsausgaben, aktu- würde das Obsan in regelmässigen Abständen eine elle übertragbare und nicht übertragbare Krankheiten Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven Referenzrahmen Teil I on und der Gesundheitsversorgung beinhaltet, hat die gesundheitspolitischen Diskussionen in der Schweiz bisher Alkoholkonsum, Tabakrauchen, Fettleibigkeit, Suizid, kaum entscheidend beeinflusst. Gesundheitspolitik wird psychische Störungen, Gewalt), verlorene potentielle vor allem noch aus einer krankheitsorientierten und kura- Lebensjahre (VPL) als Folge von Krankheiten. Zu den tiven Perspektive heraus betrieben. systembezogenen Gesundheitsindikatoren würden zum Die Weltgesundheitsorganisation WHO und die Vereinten Beispiel Ergebnisse von Evaluationen gesundheitspo- Nationen (UNO) haben in verschiedenen Grundsatzdoku- litischer Strategien und Massnahmen auf interkanto- menten wie etwa in der Ottawa-Charta zur Gesundheits- naler und nationaler Ebene gehören. förderung (1986) oder in der Agenda 21 der UNO eine Teil II Zusammenarbeit (Grippe, Sars, Vogelgrippe, Aids, Krebs, übermässiger umfassende Definition von Gesundheit gegeben und damit einen internationalen Standard geschaffen. Gemäss die- Die Schweiz braucht einen regelmässig publizierten, sem Ansatz werden Gesundheitsförderung, Prävention, umfassenden Gesundheitsbericht, der sowohl be- medizinische Versorgung, Rehabilitation/Integration und schreibt, als auch kritisch analysiert. Er sollte die stati- Pflege als gleichwertige Elemente innerhalb eines Gesund- stischen und die systembezogenen Daten miteinander heitssystems gewichtet. Zudem erfordern die Erhaltung, verknüpfen und in ihrer Wechselwirkung analysieren. die Förderung und die Wiederherstellung der Gesundheit Die in diesem Bericht enthaltenen systembezogenen eine multisektorale Verantwortung. Umweltfaktoren, Bil- Daten sollten daher fester Bestandteil des nächsten dung, Einkommen, Wohnverhältnisse oder Arbeitssitua- schweizerischen Gesundheitsberichts sein. Ein solcher tionen beeinflussen in entscheidender Weise – ob positiv Gesundheitsbericht könnte zum einen die Grundlage oder negativ – die Gesundheit von Bevölkerungsgruppen für horizontale und vertikale Vergleiche im Sektor Ge- und zwar mindestens gleich stark wie die Inanspruchnah- sundheit bilden und den politischen Entscheidungsträ- me medizinischer Leistungen. Die WHO betont deshalb gern zur Formulierung nationaler Ziele und Prioritäten die Notwendigkeit des Einbezugs der Gesundheitsdeter- dienen. Gleichzeitig liesse er sich als Input für Länder- minanten in die Ausgestaltung von Gesundheitspolitiken. vergleiche nutzen, wie sie in regelmässigen Abständen Die Schweiz investiert nur rund 2 % der gesamten Gesund- von internationalen Organisationen wie die WHO oder heitskosten in die Gesundheitsförderung und Prävention – die OECD vorgenommen werden. bescheidene Mittel, verglichen mit denjenigen, die für den Teil III Perspektiven Gesundheitsbericht für die Schweiz kurativen Sektor zur Verfügung stehen. Dieses Ungleichgewicht bleibt nicht unbemerkt. Fachleute der Gesundheitsökonomie rechnen beispielsweise vor, dass sich die Stärkung des ganzheitlichen und multisektoralen Ansatzes in der Gesundheitspolitik Dominanz der kurativen Medizin, dass heisst, die einseitig Eine nationale, an der Gesundheit der Bevölkerung aus- der erzielte Gesundheitsgewinn im Vergleich zu den Inve- gerichtete Gesundheitspolitik benötigt neben Strukturen stitionen zu bescheiden aus. Die klassische Ausrichtung auf und Prozessen für den Dialog und die Zusammenarbeit die kurative Medizin biete kaum Antworten auf die neuen normative Leitplanken, um Ziele zu definieren, Strategien Herausforderungen, denen sich das Gesundheitssystem zu formulieren und Massnahmen umzusetzen. Wie viele stellen müsse: die demographische Alterung der Bevölke- andere Berichte auch, die auf Reformen der Gesundheits- rung; die Zunahme der chronischen, nicht-übertragbaren systeme in der Schweiz oder im Ausland abzielen, liegt Krankheiten (u. a. Krebs, kardiovaskuläre und zerebro- dem Bericht «Gesundheitspolitiken in der Schweiz – Po- vaskuläre Krankheiten, Diabetes, Asthma, Allergien); die tential für eine nationale Gesundheitspolitik» ein ganzheit- Zunahme psychischer Störungen; Stress, Übergewicht als liches und multisektorales Verständnis von Gesundheit Folge von unausgewogener Ernährung und/oder Bewe- zugrunde. gungsmangel, umweltbedingte Krankheiten. Schliesslich Das ganzheitliche Verständnis von Gesundheit, das die sind die Erhöhungen der Krankenkassenprämien, die Gleichwertigkeit der Gesundheitsförderung und Präventi- sich unter anderem aus diesen neuen Problemen erge- hohen Investitionen in den kurativen Bereich, nicht mehr rechtfertigen lassen: Angesichts des bereits sehr guten körperlichen Gesundheitszustands der Bevölkerung falle Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven 185 Referenzrahmen Teil I Zusammenarbeit Teil II ben, politisch nicht mehr tragbar. Aus dieser Erkenntnis das Passivrauchen sowie auf der Ebene der Gesundheits- heraus haben Bund und Kantone in den 1990er-Jahren determinanten die Einführung von Gesundheitsverträg- die Stiftung Gesundheitsförderung Schweiz gegründet. lichkeitsprüfungen. Bei den öffentlichen Spitälern ist der Im Rahmen ihrer jeweiligen Kompetenzen haben Bund Trend zu erkennen, psychischen Störungen und nicht und Kantone zudem in den vergangenen 20 Jahren neue übertragbaren Krankheiten mit speziellen Programmen Präventions- und Gesundheitsförderungsprogramme ent- zu begegnen und dabei die finanziellen und personellen wickelt bzw. durch privatrechtliche Gesundheitsorganisa- Ressourcen für die Gesundheitsförderung und Präventi- tionen entwickeln lassen. In der Regel bleiben jedoch die on entsprechend zu erhöhen. Konkrete Massnahmen zur gesprochenen finanziellen Mittel sowie die Koordination Prävention und Gesundheitsförderung, die auf kantonaler der bereits bestehenden Strategien der Gesundheitsför- und interkantonaler Ebene ergriffen werden, sind in Band derung und der Prävention untereinander zu bescheiden, 2 (Teil IV) und in Band 1 (Teil II) beschrieben. was eine wirksame Umsetzung entsprechender Massnah- Perspektiven Teil III men auf Stufe Bund und Kantone sowie eine Bewertung Ansätze auf Bundesebene der Leistungsfähigkeit der Politiken der Gesundheitsför- Rund 25 Bundesstellen und 30 eidgenössische Kommis- derung und der Prävention erschwert. sionen sind in Erfüllung gesetzlicher Aufträge im Public Auch wenn Gesundheitsförderung und Krankheitspräven- Health-Bereich aktiv und verfügen zum Teil über entspre- tion in der Schweiz eine Nebenrolle spielen, dokumentiert chende finanzielle Mittel. Sie entwickeln Programme zur der Bericht konsequent eine Auswahl kantonaler, inter- Prävention von Krankheiten, zur Förderung oder zum kantonaler und eidgenössischer Strategien, Programme Schutz der Gesundheit und setzen diese auch stellenwei- und Projekte zur Gesundheitsförderung und zur Präventi- se selber um. Wichtigster Akteur auf Bundesebene ist das on und beschreibt Massnahmen, die auf die Gesundheits- Bundesamt für Gesundheit (BAG). Die prioritären Hand- determinanten einwirken. lungsfelder des BAG im Bereich Prävention und Gesund- Was die Bekämpfung chronischer, nicht übertragbarer heitsförderung sind die Suchtbekämpfung (Alkohol, Ta- Krankheiten anbelangt, haben Bund und Kantone noch bak, illegale Drogen) sowie der Schutz vor übertragbaren keine sichtbaren, kohärenten und effizienten Gesund- Krankheiten wie Grippe oder Aids bzw. deren Bekämp- heitspolitiken entwickelt und umgesetzt. Auch fehlt eine fung. Im Rahmen seiner Kompetenzen engagiert sich das gesamtschweizerische Strategie Altern und Gesundheit. BAG zudem in Zusammenarbeit mit weiteren Akteuren für eine gesunde Ernährung, auch wenn diese Massnahmen 186 Ansätze in den Kantonen noch bescheiden anmuten. Aus der Optik eines multisek- Es fällt schwer, angesichts der Vielzahl der kantonalen toralen Verständnisses von Gesundheit hat das BAG 1998 Politiken, die kantonalen Ansätze auf dem Gebiet der den «Aktionsplan Umwelt und Gesundheit» (APUG) lan- Gesundheitsförderung und Prävention zu gewichten, ge- ciert, der Ende 2007 ausläuft. Ferner hat die BAG-Leitung schweige denn deren Wirkung abzuschätzen. Folgende im Jahr 2004 das Leitbild für eine multisektorale Gesund- Aussagen lassen sich jedoch machen: Die meisten Kan- heitspolitik verabschiedet. Im Bereich Gesundheitsschutz tone haben ihre Gesundheitsgesetze um gesundheitsför- und Sicherheit am Arbeitsplatz ist das Staatssekretariat dernde Bestimmungen ergänzt, finanzielle, strukturelle für Wirtschaft (seco) aktiv. und personelle Mittel für die Gesundheitsförderung und Ein entscheidender Schritt auf Bundesebene hin zu einer Prävention zur Verfügung gestellt und Aktionspläne für Gesamtsicht Gesundheit erfolgte 2004 mit dem Trans- die Gesundheitsförderung lanciert (z. B. Agenda 21). Alle fer der BSV-Einheit Kranken- und Unfallversicherung Kantone verfügen über Suchtpräventionsprogramme und ins BAG. Damit sind heute wichtige Bereiche wie Ge- über Therapieangebote bei Suchtproblemen. Eine Mehr- sundheitsschutz, Schutz vor übertragbaren Krankheiten, heit der Kantone engagiert sich in der Schulgesundheit. Suchtprävention, Einige Kantone bauen ihr Dienstleistungsangebot im Forschung und Evaluation, medizinische Aus- und Wei- Bereich der psychischen Gesundheit aus, andere planen terbildung sowie die nationale Gesundheitspolitik des Massnahmen zur Prävention altersbedingter Krankheiten. Bundes unter dem Dach eines Bundesamts vereint, und Ebenfalls Gegenstand kantonaler Gesundheitspolitiken die Voraussetzungen für eine Gesamtsicht der Gesundheit sind die Tabakprävention oder Schutzmassnahmen gegen sind gegeben. Die Interessen der verschiedenen Direk- Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven Kranken- und Unfallversicherung, Referenzrahmen Teil I tionsbereiche des BAG sind jedoch nach wie vor diverAngesichts nationaler Herausforderungen wie die de- gestartet. mographische Alterung der Gesellschaft, die Grenzen der Medizin, gesellschaftsbedingte oder Lebensstil be- Ansätze auf regionaler Ebene dingte Krankheitsbilder, sollte das ganzheitliche und Gesundheitsförderung und Prävention sind in erster Linie multisektorale Verständnis am Anfang gesundheits- kantonale Aufgaben. Zunehmend finden diese Themen politischer Überlegungen stehen. Dazu müssten sich auch Eingang in die Regionalkonferenzen, vor allem in der Bund und Kantone mit den privaten Akteuren auf ge- Westschweiz. Hier haben die in der CRASS zusammenge- meinsame Perspektiven einigen. Die nachfolgend auf- schlossenen Kantone der Westschweiz und des Tessin ein geführten Schritte können zu einer Weiterentwicklung eigenes Organ für Prävention und Gesundheitsförderung des ganzheitlichen und multisektoralen Verständnisses auf regionaler Ebene gebildet, das Projekte finanziert und von Gesundheit auf nationaler Ebene beitragen. Eine durchführt. Vergleichbare Strukturen und Prozesse fehlen unabdingbare Voraussetzung für einen solchen Paradig- in der Deutschschweiz noch. menwechsel muss die Bereitschaft der politischen Entscheidungsträger sein, die dafür benötigten finanziellen Ansätze auf nationaler Ebene Mittel zu sprechen – sei es über eine Umverteilung der Auf nationaler Ebene hat die Gesundheitsförderung 1994 heutigen Mittel vom kurativen Sektor zur Prävention mit ihrer Verankerung im Krankenversicherungsgesetz und Gesundheitsförderung, sei es über neue Abgaben. Teil II Zusammenarbeit Impulse für eine nationale Gesundheitspolitik tischen Perspektiven innerhalb des BAG wurde im 2005 Teil III Perspektiven gent. Ein Prozess hin zu gemeinsamen gesundheitspoli- (Artikel 19, KVG) eine gewisse Anerkennung gefunden. Heute setzt die Stiftung Gesundheitsförderung Schweiz Bestehende Gremien nutzen im Auftrag der Kantone und der Krankenversicherer und Auf nationaler Ebene gibt es seit 1996 die Stiftung Ge- unter Aufsicht des Bundesrates Artikel 19 des KVG um. sundheitsförderung Schweiz. Übergeordnetes langfris­ Auch die Gesundheitsförderung Schweiz legt ihren Pro- tiges Ziel von Gesundheitsförderung Schweiz ist die jekten ein ganzheitliches Verständnis von Gesundheit zu- Stärkung und Verankerung von Gesundheitsförderung grunde. und Prävention in der Bevölkerung, in der Politik, in der Im Rahmen des Projekts «Nationale Gesundheitspolitik Verwaltung und in der Wirtschaft. Bund und Kantone Schweiz» (1998–2003) haben Bund und Kantone ge- haben das Potential dieser Stiftung für die Koordina­ meinsam einen Referenzrahmen Psychische Gesundheit tion und die Formulierung von Zielen der Gesundheits- erarbeitet. Ausserdem haben Bund und Kantone die förderung noch nicht ausgenutzt. Aus Sicht einer na- Dachorganisation Oncosuisse beauftragt, ein nationales tionalen Gesundheitspolitik wäre es zu begrüssen, wenn Programm zur Krebsbekämpfung zu entwickeln. Bund und Kantone die Hauptträger der Stiftung wären und die Tätigkeitsfelder der Stiftung auf diejenigen des Ansätze im kurativen Bereich Bundes und der Kantone im Sektor Gesundheitsförde- Neben den Kantonen und dem Bund setzen sich auch rung und Prävention abgestimmt werden könnten. medizinische Fachleute mit dem Gut Gesundheit und der zerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften, Stärkung der Prävention und Gesundheits­ förderung die Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte Der Bundesrat hat in seiner Legislaturplanung 2003- (FMH) sowie die Medizinischen Fakultäten der Schweiz 2007 mit dem Ziel 5 eine grundlegende Überprüfung ziehen zum Beispiel aus ihrem Projekt «Zukunft Medizin des schweizerischen Gesundheitssystems gewünscht. Schweiz»(1999–2004) unter anderem folgenden Schluss: Ein bedeutender Schritt in diese Richtung könnte die Die Ärztinnen und Ärzte in der Schweiz sollten sich in vom Vorsteher des Eidgenössischen Departements des Zukunft nicht nur mit der «Linderung körperlicher und Innern lancierte Idee einer Neuregelung der Gesetz- seelischer Schmerzen und Leiden» beschäftigen, sondern gebung auf dem Gebiet der Prävention und Gesund- auch mit der «Wiederherstellung der sozialen Funktions- heitsförderung sein. Ohne Zweifel würde eine solche zukünftigen Rolle der Medizin auseinander. Die Schwei- fähigkeit» ihrer Patientinnen und Patienten. Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven 187 Referenzrahmen Teil I Zusammenarbeit Teil II Perspektiven Teil III Neuregelung die Chance zu einem Paradigmenwechsel Verträglichkeitsprüfungen Gesundheit und Umwelt bieten, indem einige gesundheitspolitische Grundsätze Während die Umweltverträglichkeitsprüfung in der gesetzlich verankert werden könnten: die Gleichwer- Schweiz bereits regelmässig eingesetzt wird, befinden tigkeit der Gesundheitsförderung, der Prävention, der sich Instrumente oder Prozesse für den multisektoralen medizinischen Versorgung, der Rehabilitation/Integra- Ansatz im Handlungsfeld Gesundheit erst in der Test- tion und Pflege; Gesundheit als multisektorale Verant- phase. Mit einem Health Impact Assessment (HIA) lies- wortung; Prävention und Gesundheitsförderung als sen sich mögliche Auswirkungen einer Strategie, eines ein gemeinsam verantworteter Bereich von Bund und Programms oder eines Projekts auf die Gesundheit der Kantonen. Ob der Prozess, der unter der Federführung betroffenen Bevölkerung beurteilen. Der Kanton Tessin des Eidgenössischen Departements des Innern abläuft, sowie einige Kantone der Westschweiz sammeln gegen- eine konsolidierte Position von Bund und Kantonen er- wärtig Erfahrungen in diesem Bereich. Auch auf Bun- möglicht, ist zurzeit ungewiss. Angesichts der Tatsache, desebene gibt es Überlegungen zu diesem Thema. Es dass die Kompetenzen in der Gesundheitsförderung wäre sinnvoll, dass Bund und Kantone ihre Erfahrungen und Prävention bei den Kantonen liegen, wäre es aus auf dem Gebiet der Umweltverträglichkeitsprüfungen Sicht einer nationalen Gesundheitspolitik zwingend, und des Health Impact Assessment austauschten und dass Bund und Kantone im Rahmen des Dialogs zur gemeinsam überlegten, wie diese zwei Instrumente Nationalen Gesundheitspolitik das Thema Neuregelung auf nationaler Ebene allenfalls in Form eines einzigen Prävention und Gesundheitsförderung eingehend dis- Instruments zum Einsatz gelangen könnten. Bei Pro- kutierten. jekten, die nur indirekt den Gesundheitsbereich betreffen, sollten Health Impact Assessment auf Stufe Bund Multisektorale Impulse integrierter Bestandteil verwaltungsinterner Vernehm- Die gesundheitspolitischen Porträts in Band 2 dieses lassungsverfahren werden (Ämterkonsultationen, Mit- Berichts zeigen verschiedene Ansätze in den Kantonen berichtsverfahren). und auf Bundesebene im multisektoralen Bereich. Im Rahmen des Dialogs zwischen Bund und Kantonen gilt Setting-Ansatz es, diese Projekte zugunsten einer Stärkung des multi- Eine Möglichkeit, im Rahmen einer multisektoralen sektoralen Ansatzes im Rahmen einer nationalen Ge- Gesundheitspolitik die Gesundheitsdeterminanten wie sundheitspolitik zu evaluieren. Wirtschafts-, Umwelt-, Verkehrs-, Bildungs- oder Migrationsfaktoren besser auf nationaler Ebene zu veran- Bund kern, könnte darin bestehen, dass Bund und Kantone Damit das BAG-Leitbild für eine multisektorale Ge- noch stärker als bisher den Setting-Ansatz auf ihre sundheitspolitik zu einem verbindlichen Rahmen für Strategien und Programme im Bereich Gesundheits- die gesamte Bundesverwaltung werden kann, sollte es förderung und Prävention anwenden würden. Projekte aktiv nach innen und aussen bekannt gemacht werden. und Netzwerke wie «Gesundheitsfördernde Schulen», Das bedingt, dass das BAG die bestehenden Koordina- «Gesundheitsfördernde Spitäler» und «Betriebliche tionsplattformen des Bundes im Bereich Gesundheit Gesundheitsförderung», leisten heute schon einen intensiver nutzt. Im Rahmen der Überprüfung seiner nicht zu unterschätzenden Beitrag zur Schaffung von Amtstrategie böte sich dem BAG zudem die Gelegen- gesundheitsfördernden Lebenswelten. heit, das Leitbild für eine multisektorale Gesundheitspolitik der neuen Amtsstrategie zu Grunde zu legen Dialog Politik-Medizin und die Federführung im Management entsprechender Bund und Kantone könnten sich von den Ergebnis- Prozesse und Netzwerke innerhalb der Bundesverwal- sen des Projekts Zukunft Medizin Schweiz sowie von tung zu übernehmen. den Publikationen der Nationalen Ethikkommission im Bereich Humanmedizin (NEK) inspirieren lassen. Im Dialog mit ehemaligen Projektverantwortlichen 188 Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven Referenzrahmen Teil I kerung richtet (zum Beispiel das Internet-gestützte Informationssystem Sanimédia des Kantons Waadt). Bis die Neuausrichtung des kurativen Systems auf der jetzt ist es aber zu keiner regionalen Zusammenarbeit Basis eines multisektoralen und ganzheitlichen Ver- zwischen den Kantonen in diesem Bereich gekommen. ständnisses von Gesundheit weiterentwickelt werden. Auch auf Ebene Bund und auf nationaler Ebene fehlen Im Rahmen dieses Prozesses müsste auch die Umver- entsprechende Strategien und Projekte. Die Informati- lagerung finanzieller Mitte vom kurativen Bereich in onen erfolgen stattdessen punktuell und sporadisch. die Gesundheitsförderung und Prävention ein Thema 2. In der Vielzahl der Gesundheitsinformationen sind sein. Teil II Zusammenarbeit und Projektteilnehmenden sollten die Ansätze über kaum Hauptbotschaften erkennbar, mit denen sich die staatspolitischen Akteure Bund und Kantone an die Bevölkerung wenden. Auf nationaler Ebene erreichen einzig die Sensibilisierungskampagnen des Bundes zu den Themen HIV/Aids, Tabak oder Alkohol eine gewisse Breitenwirkung. 3. Die bisherigen Informationsangebote der öffentlichen Nach einer langen Phase, in der der kranke Mensch in Hand im Bereich Gesundheit berücksichtigen kaum die erster Linie als Objekt der wissenschaftlichen Forschung sozialen, ökonomischen und umweltbezogenen Fak- und der medizinischen Behandlung betrachtet wurde, toren (Gesundheitsdeterminanten). Insbesondere die rückt seit einigen Jahren der kranke Mensch als Indivi- Wechselbeziehungen zwischen sozialer Ungleichheit duum und Bürger, als mündiger Patient mit Rechten und Teil III Perspektiven Gesundheitsinformation und Gesund­ heitsbildung und Krankheit werden nicht thematisiert. Pflichten, als Experte, als Partner der behandelnden Fach- 4. Gesundheitsinformation im Sinne von Gesundheitsbil- person und schliesslich auch als wichtiger Mitfinanzierer dung / Gesundheitserziehung wird in den Kantonen des medizinischen Versorgungssystems ins Zentrum des und auf Bundesebene erst im Rahmen weniger Projekte Interesses. Gleichzeitig wächst die Erkenntnis, dass nicht praktiziert. Erwähnenswert sind das Netzwerk gesund- alle Menschen die gleichen Chancen auf ein Leben in heitsfördernder Schulen oder die Verpackungsbeilagen guter Gesundheit haben. Solche mit besseren Arbeits- zu den Medikamenten. plätzen, mit höherer Bildung und mit höheren Einkommen sind gesünder und leben länger als benachteiligte Bevölkerungsgruppen. Parallel zu diesen Überlegungen Impulse für eine nationale Gesundheitspolitik appellieren Politikerinnen und Politiker nicht zuletzt an- Die Betonung der Selbstverantwortung des Einzelnen gesichts der steigenden Kosten im Gesundheitswesen an für seine Gesundheit macht bei Personen mit guter die Selbstverantwortung des Individuums für seine Ge- Bildung, hohem beruflichen Status und hohem Ein- sundheit. Auf dem Hintergrund dieser Tendenzen gewin- kommen Sinn. Die Betonung der individuellen Verhal- nen Gesundheitsinformationen und Gesundheitsbildung tensprävention dürfte aber bei Personen aus unteren sowie die gesundheitliche Chancengleichheit zunehmend sozialen Schichten mit eingeschränktem Handlungs- an Bedeutung. spielraum nur wenig bewirken. Es gilt zu verhindern, dass die Ausrichtung der Gesundheitsinformationen Folgende Beobachtungen lassen sich hierzu machen: und Projekte auf die individuelle Selbstverantwortung 1. Es gibt in der Schweiz zahlreiche Publikumsbroschü- zur Schuldzuweisung an sozial Schwache wird und zu ren und Dokumente in gedruckter und elektronischer einer Unterhöhlung des Prinzips des gleichen Zugangs Form zu praktisch allen relevanten Gesundheitsthe- für alle zu einem qualitativ guten Gesundheitssystem men (Gesundheitsförderung, Prävention, Gesundheits- und damit zu einer Infragestellung der Solidarität zwi- versorgung, Krankenversicherung). schen gesunden und kranken Menschen führt. Aus der Herausgeber sind die Kantone, der Bund oder private Perspektive einer nationalen Gesundheitspolitik, die Organisationen. In einzelnen Kantonen gibt es zudem sowohl die Stärken einer liberalen, als auch die Stärken Ansätze für eine strukturierte und regelmässig aktuali- einer sozialstaatlichen Grundhaltung respektiert und Rehabilitation, sierte Informationspolitik, die sich an die GesamtbevölBand 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven 189 Referenzrahmen Teil I Zusammenarbeit Teil II anerkennt, sollten deshalb die nachfolgenden Impulse rem in folgenden Bereichen: gerechtfertigte und nicht betreffend die Gesundheitsinformationen und die Ge- gerechtfertigte Erwartungen der Bevölkerung an die sundheitsbildung als Vorschläge verstanden werden, über Prämiengelder finanzierte obligatorische Kran- die gleichzeitig umzusetzen sind. kenversicherung; Informationen über das Leistungsangebot der Zusatzversicherungen; Patientenrechte Verbreitung von Gesundheitsinformationen und -pflichten sowie Rechte und Pflichten der medizi- In der Schweiz sollte eine Grundsatzdiskussion darüber nischen Leistungserbringer; gesundheitsfördernde und stattfinden, welche gemeinsamen Ziele Bund und Kan- präventive Botschaften zu den gesellschaftsbedingten tone mit ihren Gesundheitsinformationen erreichen Krankheitsbildern. möchten. Ein Ziel müsste lauten, die persönlichen Ge- Perspektiven Teil III sundheitskompetenz des einzelnen Menschen zu einer Förderung der Gesundheitskompetenz gesunden Lebensführung, aber auch die kollektive Ver- Parallel zu den oben erwähnten Massnahmen auf dem antwortung für eine gesundheitsfördernde Gesamtpoli- Gebiet der Gesundheitsinformation sollte der Bund in tik zu erhöhen. Zusammenarbeit mit den Kantonen, mit privaten Akteuren und mit Betroffenen Projekte lancieren und fi- Zugang zu Informationen nanzieren, die die gesundheitliche Chancengleichheit Bund und Kantone sollten sicherstellen, dass ihre Ge- vor allem für Menschen mit geringem Handlungsspiel- sundheitsinformationen leicht auffindbar und rasch raum zum Ziel hat. Setting-orientierte Projekte, die die verfügbar sind. Bezüglich der Folgenabschätzung neu- Gesundheitsdeterminanten in besonderem Masse ein- er Informationsmedien wie E-Health oder Telemedi- beziehen (Bildungsinstitutionen, Arbeitswelt, Freizeit) zin sollten Bund und Kantone untereinander und mit verdienen in diesem Zusammenhang eine besondere dem Zentrum für Technologiefolgen-Abschätzung des Förderung. Als gelungenes Beispiel gilt die bundesrät- Schweizerischen Wissenschafts- und Technologierats liche Strategie Migration und Gesundheit. zusammenarbeiten und entsprechende Gütesiegel auf dem Gebiet der Qualitätssicherung entwickeln. Entsprechende Vorarbeiten haben Bund und Kantone bereits geleistet. Gemeinsame Botschaften Die Kantone sollten versuchen, ihre Öffentlichkeitsarbeiten auf dem Gebiet der Gesundheitsförderung und Prävention regional zu koordinieren. Zudem wäre es sinnvoll, dass Bund und Kantone sich gegenseitig rechtzeitig über Informationskampagnen im Handlungsfeld Gesundheit informierten, die sie zuhanden der Gesamtbevölkerung bzw. von Zielgruppen-Segmenten durchführen möchten. Damit liessen sich Doppelspurigkeiten zwischen Bund und Kantonen, wie sie beispielsweise im Sektor Sucht stattfinden, vermeiden und Kosten sparen. Längerfristig sollten sich Bund und Kantone auf einige zentrale Gesundheitsbotschaften zuhanden der Gesamtbevölkerung einigen, die von entsprechenden kantonalen, regionalen und nationalen Projekten begleitet würden. Handlungsbedarf besteht unter ande- 190 Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven Frey René L. Braucht die Nordwestschweiz neue poli- cle, in: L. Callebat (Éd.), Histoire du médecin, Flammari- tische Institutionen? Vortrag anlässlich der Verleihung on, Paris, 1999. des Förderpreises für eine Starke Region durch die Ver- Biedermann Dieter. 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Grundlagen und Materialien für eine verstärkte Integrati192 Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Bibliographie Alter und Gesundheit; Betreu­ ung und Pflege im Alter ■ Ambulanter Versorgungs­sektor ■ Aufgabenverflechtung zwischen Bund und Kantonen ■ Referenzrahmen Register nach Schlüsselbegriffen (alphabetische Reihenfolge) Teil I Band 2, Teil IV, Kantonale Gesundheitspolitiken: 9 Porträts, Abschnitt 5: Gesundheitsversorgung Gesundheitsversorgung Teil II Zusammenarbeit Band 2, Teil IV, Kantonale Gesundheitspolitiken: 9 Porträts, Abschnitt 5: Band 1, Kapitel 2.2, Vier Merkmale des schweizerischen Gesundheits­ systems: Föderalistische Strukturen ■ Band 1, Kapitel 6.3, Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen in der Gesundheitspolitik: Themenzentrierte Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen ■ Band 1, Teil III, Perspektiven zur Entwicklung einer nationalen Gesundheitspolitik: Die Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen verbessern ■ Band 1, Kapitel 5.6, Zusammenarbeit zwischen Kantonen in der Gesundheitspolitik: Themenzentrierte Zusammenarbeit zwischen Kantonen ■ Teil III Band 1, Kapitel 6.3, Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen in der Gesundheitspolitik: Themenzentrierte Zusammenarbeit zwischen Perspektiven Ausbildung im Gesundheits­ wesen: universitäre/nicht­ universitäre Gesundheits­ berufe, Psychologieberufe Bund und Kantonen ■ Band 2, Teil V, Porträt der Gesundheitspolitik des Bundes, Abschnitt 4: ■ www.gdk-cds.ch: Ausbildung Ausgaben für die Gesundheit in 9 Kantonen: allgemeine Ausgaben ■ Band 2, Teil IV, Kantonale Gesundheitspolitiken: 9 Porträts, Abschnitt 1: Ausgaben für die Gesundheitsförderung und Prävention in 9 Kantonen ■ Ausgaben für die Gesundheitsversorgung in 9 Kantonen ■ Ausgaben für den Gesundheitsschutz – Bund (einschliesslich Gesundheits­ förderung und Prävention) ■ Ausgaben im Sektor Gesundheit: Gemeinde, Kantone, Bund ■ Ausbildung Gesundheitsbehörden, Tabelle Kennzahlen Band 2, Teil IV, Kantonale Gesundheitspolitiken: 9 Porträts, Abschnitt 4: Gesundheitsförderung und Prävention, Tabelle Kennzahlen Band 2, Teil IV, Kantonale Gesundheitspolitiken: 9 Porträts, Abschnitt 5: Gesundheitsversorgung, Tabelle Kennzahlen Band 2, Teil V, Porträt der Gesundheitspolitik des Bundes, Abschnitt 2: Gesundheitsschutz Band 1, Kapitel 2.2, Vier Merkmale des schweizerischen Gesundheits­ systems: Föderalistische Strukturen ■ Band 2, Teil V, Porträt der Gesundheitspolitik des Bundes, Abschnitt 3: Gesundheitsversorgung Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Schlüsselbegriffe 193 Referenzrahmen Teil I Zusammenarbeit Teil II Ausgaben der Präventions­ fonds mit einem öffentlichen Mandat ■ Bundesstellen mit Zuständigkeiten im Bereich Gesundheit ■ Band 2, Teil V, Porträt der Gesundheitspolitik des Bundes, Abschnitt 2: Gesundheitsschutz Band 1, Kapitel 4, Zusammenarbeit in der Gesundheitspolitik auf Stufe Bund, Anhang: Zuständigkeiten der Bundesstellen nach Gesundheitsthemen ■ Band 2, Teil V, Porträt der Gesundheitspolitik des Bundes, Abschnitt 6: Eidgenössische Departemente, Bundesstellen und Kommissionen Dialog zwischen Bund und Kantonen zur Nationalen Gesundheitspolitik ■ Band 1, Kapitel 2.2, Vier Merkmale des schweizerischen Gesundheits­ systems: Föderalistische Strukturen ■ Band 1, Kapitel 6.4, Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen in der Gesundheitspolitik: Neue Ansätze in der Zusammenarbeit auf nationaler Teil III Ebene E-Health ■ Band 2, Teil IV, Kantonale Gesundheitspolitiken: 9 Porträts, Abschnitt 3: Planungsinstrumente Perspektiven ■ Band 2, Teil V, Porträt der Gesundheitspolitik des Bundes, Abschnitt 2: Schutz der Gesundheit Erwartungen der Kantone an eine nationale Gesund­ heitspolitik ■ Band 1, Kapitel 6.3, Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen: Themenzentrierte Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen ■ Band 2, Teil IV, Kantonale Gesundheitspolitiken: 9 Porträts, Abschnitt 8: Nationale Gesundheitspolitik aus Sicht des Kantons Forschungsprogramme im Bereich Gesundheit ■ Band 2, Teil V, Porträt der Gesundheitspolitik des Bundes, Abschnitt 9: ■ www.snf.ch ■ Band 2, Teil V, Porträt der Gesundheitspolitik des Bundes, Abschnitt 7: ■ www.admin.ch/ch/d/sr: Systematische Sammlung des Bundesrechts Gesetze im Bereich Gesundheit in 9 Kantonen ■ Band 2, Teil IV, Kantonale Gesundheitspolitiken: 9 Porträts, Abschnitte Gesundheitsdeterminanten ■ Gesetze im Bereich Gesundheit – Stufe Bund Forschung und Evaluation Rechtliche Grundlagen und Planungsinstrumente Planungsinstrumente Band 1, Teil III, Perspektiven zur Entwicklung einer nationalen Gesundheitspolitik: Das ganzheitliche und multisektorale Verständnis von Gesundheit stärken ■ Band 2, Teil IV, Kantonale Gesundheitspolitiken: 9 Porträts, Abschnitt 4: Gesundheitsdeterminanten Gesundheitsgesetze der Kantone – revidiert bzw. in Revision 194 ■ Band 1, Kapitel 2.1, Vier Merkmale des schweizerischen Gesundheits­ systems: Dominanz der kurativen Medizin Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Schlüsselbegriffe Gesundheitspolitik des Bundes ■ Referenzrahmen Teil I Band 1, Kapitel 2.1, Vier Merkmale des schweizerischen Gesundheits­ systems: Dominanz der kurativen Medizin ■ Band 1, Kapitel 4.1, Zusammenarbeit in der Gesundheitspolitik auf Stufe Bund: Ausgangslage ■ Band 1, Kapitel 4.2, Zusammenarbeit in der Gesundheitspolitik auf Stufe Teil II ■ Zusammenarbeit Bund: Bundesrätliche Gesamtplanung Band 1, Kapitel 4,3, Zusammenarbeit in der Gesundheitspolitik auf Stufe Bund: Zusammenarbeit zwischen Bundesstellen ■ Band 2, Teil V, Porträt der Gesundheitspolitik des Bundes Gesundheitspolitik des Bundes – Zusammenfassung ■ Band 2, Teil V, Porträt der Gesundheitspolitik des Bundes: Einleitung Gesundheitspolitische Zusammenarbeit zwischen Kantonen – Überblick ■ Band 1, Kapitel 5.7, Zusammenarbeit zwischen Kantonen in der Gesund- Gesundheitsschutz auf Bundesebene – Überblick ■ Gesundheitsziele, gesund­ heitspolitische Prioritäten auf Stufe Bund ■ heitspolitik: Zusammenfassung Teil III Perspektiven Band 2, Teil V, Porträt der Gesundheitspolitik des Bundes, Abschnitt 2: Gesundheitsschutz Band 1, Kapitel 4.2, Zusammenarbeit in der Gesundheitspolitik auf Stufe Bund: Bundesrätliche Gesamtplanung ■ Band 1, Teil III, Perspektiven zur Entwicklung einer nationalen Gesundheitspolitik: Die Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen verbessern ■ Band 2, Teil V, Porträt der Gesundheitspolitik des Bundes, Abschnitt 1: Gesundheitspolitische Perspektiven ■ www.public-health.ch: Abschnitt Gesundheitsziele für die Schweiz Gesundheitsziele, gesund­ heitspolitische Prioritäten: 9 Kantone ■ Band 2, Teil IV, Kantonale Gesundheitspolitiken, Abschnitt 2: Gesundheits- Indikatoren der Gesundheit und des Gesundheitssystems ■ politische Perspektiven Band 1, Kapitel 4.2, Zusammenarbeit in der Gesundheitspolitik auf Stufe Bund: Bundesrätliche Gesamtplanung ■ Band 1, Teil III, Perspektiven zur Entwicklung einer nationalen Gesundheitspolitik: Gesundheitspolitiken auf Wissen abstützen Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren (GDK) auf schweizerischer Ebene Konferenz der Kantonsregie­ rungen (KdK) auf schweize­ rischer Ebene ■ www.obsan.ch: Monitoring nach Indikatoren ■ Band 1, Kapitel 5.5, Zusammenarbeit zwischen Kantonen in der Gesundheitspolitik: Organisierte Zusammenarbeit auf schweizerischer Ebene ■ www.gdk-cds.ch; www.kdk.ch Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Schlüsselbegriffe 195 Referenzrahmen Teil I Zusammenarbeit Teil II Konferenzen der regionalen Gesundheitsdirektoren Konferenzen der regionalen Regierungskonferenzen ■ ■ www.zrk.ch Kooperativer Föderalismus ■ Band 1, Kapitel 2.2, Vier Merkmale des schweizerischen Gesundheits­ Band 1, Kapitel 5.4, Zusammenarbeit der Kantone in der Gesundheits­politik: Organisierte Zusammenarbeit auf regionaler Ebene systems, Föderalistische Strukturen ■ Band 1, Teil II, Einleitung ■ Band 1, Kapitel 6.1, Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen in der Gesundheitspolitik: Ausgangslage ■ Band 1, Kapitel 6.4, Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen in der Gesundheitspolitik: Neue Ansätze in der Zusammenarbeit auf nationaler Ebene Teil III ■ Band 1, Kapitel 6.5, Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen in der Gesundheitspolitik: Potential für eine nationale Gesundheitspolitik ■ Band 1, Teil III, Perspektiven zur Entwicklung einer nationalen Gesund- Perspektiven heitspolitik: Die Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen verbessern Krankenversicherungsgesetz (KVG) – Revision Nationale Gesundheits­ themen aus Sicht der Kantone ■ Band 2, Teil V, Porträt der Gesundheitspolitik des Bundes, Abschnitt 3: Gesundheitsversorgung ■ www.bag.admin.ch: Krankenversicherung ■ Band 1, Kapitel 6.3, Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen in der Gesundheitspolitik: Themenzentrierte Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen ■ Band 1, Teil III, Perspektiven zur Entwicklung einer nationalen Gesundheitspolitik in der Schweiz: Die Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen verbessern ■ Band 2, Teil IV, Kantonale Gesundheitspolitiken: 9 Porträts, Abschnitt 8: Nationale Gesundheitspolitik aus Sicht des Kantons Nationale Gesundheitspolitik Schweiz ■ Band 1, Kapitel 4.4, Zusammenarbeit in der Gesundheitspolitik auf Stufe Bund: Potential für eine nationale Gesundheitspolitik ■ Band 1, Kapitel 5.8, Zusammenarbeit zwischen Kantonen in der Gesundheitspolitik: Potential für eine nationale Gesundheitspolitik ■ Band 1, Kapitel 6.4, Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen in der Gesundheitspolitik: Neue Ansätze in der Zusammenarbeit auf nationaler Ebene ■ Band 1, Kapitel 6.5, Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen in der Gesundheitspolitik: Potential für eine nationale Gesundheitspolitik ■ Band 1, Teil III, Perspektiven zur Entwicklung einer nationalen Gesundheitspolitik: Die Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen verbessern ■ Band 2, Teil IV, Kantonale Gesundheitspolitiken: 9 Porträts, Abschnitt 7: Potential für eine nationale Gesundheitspolitik 196 Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Schlüsselbegriffe< Nationale Gesundheitspolitik Schweiz (Fortsetzung) ■ Patientenrechte ■ Referenzrahmen Teil I Band 2, Teil IV, Kantonale Gesundheitspolitiken: 9 Porträts, Abschnitt 8: Nationale Gesundheitspolitik aus Sicht des Kantons Band 1, Teil III, Perspektiven zur Entwicklung einer nationalen Gesundheitspolitik: Gesundheitsinformation und Gesundheitsbildung fördern Band 2, Teil IV, Kantonale Gesundheitspolitiken: 9 Porträts, Abschnitt 5: Zusammenarbeit ■ Teil II Gesundheitsversorgung Politik der Prävention und Gesundheitsförderung in der Schweiz ■ Band 1, Kapitel 2.1, Vier Merkmale des schweizerischen Gesundheits­ systems: Dominanz der kurativen Medizin ■ Band 1, Kapitel 5.6, Zusammenarbeit zwischen Kantonen in der Gesundheitspolitik: Themenzentrierte Zusammenarbeit ■ Band 1, Kapitel 6.3, Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen in der Gesundheitspolitik: Themenzentrierte Zusammenarbeit ■ Band 1, Teil III, Perspektiven zur Entwicklung einer nationalen Gesundheitspolitik: Das ganzheitliche und multisektorale Verständnis von Gesund- Teil III Prämienverbilligung ■ Perspektiven heit stärken Band 1, Kapitel 2.4, Vier Merkmale des schweizerischen Gesundheits­ systems: Begrenzung des liberalen Systems durch sozialstaatliche Einflüsse ■ Band 2, Teil IV, Kantonale Gesundheitspolitiken: 9 Porträts, Abschnitt 5: Gesundheitsversorgung ■ Band 2, Teil V, Porträt der Gesundheitspolitik des Bundes, Abschnitt 3: Gesundheitsversorgung Programme auf dem Gebiet der Gesundheitsförderung und Prävention – Beispiele aus 9 Kantonen ■ www.bag.admin.ch: Statistik der obligatorischen Krankenversicherung 2003 ■ Band 1, Kapitel 5.6, Zusammenarbeit der Kantone in der Gesundheits­politik: Themenzentrierte Zusammenarbeit ■ Band 1, Kapitel 6.3, Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen in der Gesundheitspolitik: Themenzentrierte Zusammenarbeit ■ Band 2, Teil IV, Kantonale Gesundheitspolitiken: 9 Porträts, Abschnitt 4: Gesundheitsförderung und Prävention Programme auf dem Gebiet der Prävention, des Gesundheitsschutzes und der Gesundheitsförderung auf Bundesebene ■ Psychische Gesundheit ■ Band 2, Teil V, Porträt der Gesundheitspolitik des Bundes, Abschnitt 2: Gesundheitsschutz: Beschreibung der Programme in alphabethischer ­Reihenfolge Band 1, Kapitel 6.3, Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen in der Gesundheitspolitik: Themenzentrierte Zusammenarbeit ■ Band 1, Kapitel 6.4, Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen in der Gesundheitspolitik: Neue Ansätze in der Zusammenarbeit auf nationaler Ebene Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Schlüsselbegriffe 197 Referenzrahmen Teil I Psychische Gesundheit ■ (Fortsetzung) Zusammenarbeit Teil II Band 2, Teil IV, Kantonale Gesundheitspolitiken: 9 Porträts, Abschnitt 4: Gesundheitsförderung und Prävention und Abschnitt 5: Gesundheitsversorgung ■ Band 2, Teil V, Porträt der Gesundheitspolitik des Bundes, Abschnitt 2: ■ www.bag.admin.ch: Themen/Gesundheitspolitik/Psychische Gesundheit Qualitätssicherung in der Gesundheitsversorgung ■ Band 2, Teil IV, Kantonale Gesundheitspolitiken: 9 Porträts, Abschnitt 5: Spitzenmedizin ■ Gesundheitsschutz Gesundheitsversorgung Band 1, Kapitel 5.4, Zusammenarbeit zwischen Kantonen in der Gesundheitspolitik: Organisierte Zusammenarbeit auf schweizerischer Ebene ■ Teil III Gesundheitspolitik: Neue Ansätze in der Zusammenarbeit auf nationaler Ebene ■ www.gdk-cds.ch: Gesundheitsversorgung ■ Band 2, Teil IV, Kantonale Gesundheitspolitiken: 9 Porträts, Abschnitt 5: ■ www.bfs.admin.ch: Krankenhausstatistik, Statistik der sozialmedizinischen ■ www.gdk-cds.ch: Gesundheitsversorgung, Gesundheitsökonomie Vereinbarungen im Bereich Gesundheit zwischen Kantonen ■ Band 1, Kapitel 5, Zusammenarbeit der Kantone in der Gesundheitspolitik: Vereinbarungen im Bereich Gesundheit zwischen Bund und Kantonen ■ Vereinbarungen im Bereich Gesundheit – International ■ Versorgungsnetze – Beispiele aus 9 Kantonen ■ Stationäre Versorgungs­ angebote Perspektiven Band 1, Kapitel 6.4, Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen in der Gesundheitsversorgung Institutionen Anhang Interkantonale Vereinbarungen im Sektor Gesundheit Band 1, Kapitel 6.2, Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen in der Gesundheitspolitik: Instrumente der Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen Band 2, Teil V, Porträt der Gesundheitspolitik des Bundes, Abschnitt 7: Rechtliche Grundlagen und Planungsinstrumente Band 1, Kapitel 5.6, Zusammenarbeit zwischen Kantonen in der Gesundheitspolitik: Themenzentrierte Zusammenarbeit zwischen Kantonen ■ Band 2, Teil IV, Kantonale Gesundheitspolitiken: 9 Porträts, Abschnitt 5 Gesundheitsversorgung Zusammenarbeit zwischen Bundesstellen im Sektor Gesundheit ■ Band 1, Kapitel 4.3, Zusammenarbeit in der Gesundheitspolitik auf Stufe Bund: Zusammenarbeit zwischen Bundesstellen ■ Band 1, Teil III, Perspektiven zur Entwicklung einer nationalen Gesundheitspolitik: Die Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen verbessern 198 Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Schlüsselbegriffe ■ Band 1, Kapitel 5, Zusammenarbeit der Kantone in der Gesundheitspolitik ■ Band 1, Teil III, Perspektiven zur Entwicklung einer nationalen Gesundheitspolitik: Die Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen verbessern ■ Band 2, Teil IV, Kantonale Gesundheitspolitiken: 9 Porträts, Abschnitte 4 und 5: Beispiele der interkantonalen Zusammenarbeit (Kästchen) ■ Band 1, Kapitel 6, Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen in der Gesundheitspolitik ■ Band 1, Teil III, Perspektiven zur Entwicklung einer nationalen Gesundheitspolitik: Die Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen verbessern ■ Band 2, Teil IV, Kantonale Gesundheitspolitiken: 9 Porträts, Abschnitt 8: Nationale Gesundheitspolitik aus Sicht des Kantons Teil III Perspektiven Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen im Sektor Gesundheit Teil II Zusammenarbeit Zusammenarbeit zwischen Kantonen im Sektor Gesundheit Referenzrahmen Teil I Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Schlüsselbegriffe 199 Referenzrahmen Teil I Verzeichnis der Tabellen Seite Zusammenarbeit Teil II Perspektiven Teil III Tabelle 1 Übersicht über kantonale Gesundheitsgesetze, die seit 1998 umfassend revidiert wurden oder in Revision sind (ohne Spitalgesetze) 21 Tabelle 2 Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen Bund und Kantonen zu Beginn des 20. Jahrhunderts 31 Tabelle 3 Logik der Aufgabenteilung zwischen Bund, Kantonen und ­Gemeinden auf der Basis des bestehenden Rechts 32 Tabelle 4 Kompetenzen- und Aufgabenverteilung zwischen Bund und Kantonen im Sektor Gesundheit 34 Tabelle 5 Geteilte Finanzierung des Gesundheitssystems durch die öffentliche Hand (2001) 36 Tabelle 6 Quellen der bundesrätlichen Gesamtplanung für den Sektor Gesundheit 56 Tabelle 7 Jahresziele 2005 des Bundesrates: Bilanz für den Sektor Gesundheit 57 Tabelle 8 Gesundheitsrelevante Ziele innerhalb der Bundesverwaltung für das Jahr 2006 60 Tabelle 9 Ständige Plattformen des BAG innerhalb der Bundesverwaltung 66 Tabelle 10 Bundesverwaltung: Überdepartementale Gremien im Sektor Gesundheit 67 Tabelle 11 Systematik der interkantonalen Zusammenarbeit 78 Tabelle 12 Themen der regionalen Gesundheitsdirektoren­konferenzen 79 Tabelle 13 Tätigkeitsgebiete der GDK (2004–2006) Tabelle 14 Gesundheitsförderung und Prävention in der lateinischen Schweiz im Rahmen der CRASS Tabelle 15 Kantone: Projekte der Gesundheitsförderung mit finanzieller Beteiligung der Gesundheitsförderung Schweiz 103 Tabelle 16 Beiträge der Kantone an gesamtschweizerisch tätige Institutionen 106 Tabelle 17 Interkantonale Zusammenarbeit im Spitalsektor 107 Tabelle 18 Schweizerische Gesundheitsbefragung: erhöhter Stichprobenumfang für einige Kantone 108 Tabelle 19 Massnahmen der GDK im Bereich der nicht-universitären Gesundheitsberufe 112 Tabelle 20 Ausbildung in den Gesundheitsberufen: interkantonale Zusammenarbeit in der Deutschschweiz 113 Tabelle 21 Nationale Gesundheitspolitik Schweiz: Unterschiedliche Ausgangssituationen in den Kantonen und beim Bund 200 97 101 130 Tabelle 22 Vereinbarungen zwischen Bund und Kantonen 132 Tabelle 23 Erwartungen der Kantone an und Themen für eine nationale Gesundheitspolitik (ab 2002) 140 Tabelle 24 Öffentlich-rechtliche Gremien mit Beteiligung des Bundes und der Kantone (Stand: 2004) 144 Tabelle 25 Gesundheitsförderung und Prävention: Projekte der Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen 146 Tabelle 26 Schnitt- bzw. Reibungsstellen zwischen Bund und Kantonen im KVG 152 Tabelle 27 Verankerung des Sektors Aus- und Weiterbildung in den Gesundheitsberufen auf den staatspolitischen Ebenen und auf den «Schattenebenen» 156 Tabelle 28 Stationen auf dem Weg hin zu einem kooperativen Föderalismus 160 Tabelle 29 Arbeitstagungen Nationale Gesundheitspolitik Schweiz 161 Tabelle 30 Themen des Dialogs zwischen April 2004 bis Oktober 2005 162 Tabelle 31 Entflechtung der Aufgaben gemäss NFA im Sektor Gesundheit 163 Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Verzeichnis der Tabellen Referenzrahmen Abkürzungsverzeichnis Teil I Eine Zusammenstellung derjenigen Bundesstellen, die sich mit Aspekten der Gesundheit beschäftigen, befindet sich im Porträt der Gesundheitspolitik des Bundes (Band 2) Arbeitsgruppe des Bundes für die nukleare Entsorgung ALP Agroscope Liebefeld-Posieux (Eidg. Forschungsanstalt für Nutztiere und Milchwirtschaft) AOC Appellation d’Origine Contrôlée APUG Aktionsplan Umwelt und Gesundheit ARAMIS Informationssystem der Bundesverwaltung über Forschungsprojekte und Entwicklungsvor- Teil II Zusammenarbeit AGNEB haben in der Schweiz Bundesamt für Raumentwicklung ASTRA Bundesamt für Strassen BABS Bundesamt für Bevölkerungsschutz BAG Bundesamt für Gesundheit BAK Bundesamt für Kultur BAKOM Bundesamt für Kommunikation BAP Bundesamt für Polizei BASPO Bundesamt für Sport BBG Bundesgesetz über die Berufsbildung BBT Bundesamt für Berufsbildung und Technologie BFE Bundesamt für Energie BFF Bundesamt für Flüchtlinge BFI Bildung, Forschung und Innovation BFM Bundesamt für Migration BFS Bundesamt für Statistik bfu Beratungsstelle für Unfallverhütung BJ Bundesamt für Justiz BLW Bundesamt für Landwirtschaft BPUK Schweizerische Bau-, Planungs- und Umweltschutzdirektorenkonferenz BSE Bovine spongiforme Enzephalopathie BSV Bundesamt für Sozialversicherung BTMG Bundesgesetz über die Betäubungsmittel und die psychotropen Stoffe BV Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft BVET Bundesamt für Veteriärwesen BWG Bundesamt für Wasser und Geologie BWO Bundesamt für Wohnungswesen CertEMS Zertifikat betreffend die Sicherstellung der Qualität in Alters- und Pflegeheimen CGSO Konferenz der Regierungen der Westschweiz (conférence des gouvernements de Suisse Teil III Perspektiven ARE occidentale) CICOMS Interkantonale Kommission «Konzentration der hochspezialisierten Medizin» CRASS Die Gesundheits- und Sozialdirektorenkonferenz der Romandie (Conférence romande des affaires sanitaires et sociales) CRTPS Konferenz der Westschweizer Kantone und des Tessins über Gesundheitsberufe (Conférence romande et tessinoise des professions de la santé) Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Abkürzungen 201 Referenzrahmen Teil I Zusammenarbeit Teil II Perspektiven Teil III CTJ Transjurassische Konferenz DEZA Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit DiPPS Fachstelle für Prävention und Gesundheitsförderung (DiPPS) der Kantone der Westschweiz und des Kantons Tessin DRG Diagnosis Related Groups DSSV Drogenplattform des Schweizerischen Städteverbandes EAK Eidgenössische Kommission für Alkoholfragen EAV Eidgenössische Alkoholverwaltung EDA Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten EDI Eidgenössisches Departement des Innern EDK Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren EFD Eidgenössische Finanzdirektion EJPD Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement EKA Eidgenössische Ausländerkommission EKAS Eidgenössische Koordinationskommission für Arbeitssicherheit EKDF Eidgenössische Kommission für Drogenfragen EOR-LAR Einsatzorganisation Radioaktivität – Leitender Ausschuss Radioaktivität ERFA BIO Interkantonale Erfahrungsaustauschgruppe von Fachstellen im Bereich der Bio- und Gentechnologie ETH Eidgenössische Technische Hochschule EU Europäische Union EVD Eidgenössisches Volkswirtschaftsdepartement EuRefKa Arbeitsgruppe der KdK: Europa-Reformen der Kantone FASD Fachstelle für Schadensminderung im Drogenbereich FCTC Framework Convention on Tobacco Control / Rahmenübereinkommen der WHO zur Eindämmung des Tabakgebrauchs FDK Konferenz der kantonalen Finanzdirektoren FH Fachhochschule FH-GS Fachhochschule Westschweiz für Gesundheit und Soziale Arbeit FiLAG Bundesgesetz über den Finanz- und Lastenausgleich FiSu-Modell des Bundes Leistungsbezogenes Finanzierungssystem der Suchttherapie FLAG Führen mit Leistungsauftrag und Globalbudget FMH Schweizerische Ärzteorganisation: Föderatio Medicorum Helveticorum – Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte FMPG Bundesgesetz betreffend die Freizügigkeit des Medizinalpersonals in der Schweizerischen Eidgenossenschaft GDK Schweizerische Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren GDK-NWCH Nordwestschweizer Gesundheitsdirektorenkonferenz GDK-Ost Gesundheitsdirektorenkonferenz der Ostschweizer Kantone und des Fürstentums Liechtenstein 202 BAFU Bundesamt für Umwelt GEVER ÜDP Projekt der Bundesverwaltung «Geschäftsverwaltung Überdepartementale Prozesse» Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Abkürzungen GLAS Referenzrahmen Teil I Gruppe der Vorsteher der kantonalen Sozialversicherungen (Groupement latin des assurances sociales) Westschweizer Studiengruppe über Alkohol- und Drogenabhängigkeiten (Groupement ­Romand d’Etudes sur l’Alcoolisme et les Toxicomanies) GRSP Gruppe der Vorsteher der kantonalen Gesundheitsämter (Groupement des Services de santé publique des cantons romands, de Berne et du Tessin) GS-EDI Generalsekretariat des Eidgenössischen Departement des Innern H+ Verband der Spitäler der Schweiz Health Impact Gesundheitsverträglichkeitsprüfung Teil II Zusammenarbeit GREAT ­assessment HES-S2 Haute école santé-social de Suisse romande (Fachhochschule Westschweiz für Gesundheit und soziale Arbeit) Höhere Fachschule HFG Höhere Fachschule Gesundheit HIV Human Immuno-deficiency Virus HPH Health Promoting Hospitals HTL Höhere Technische Lehranstalt HWV Höhere Wirtschafts- und Verwaltungsschule IBK Internationale Bodensee Konferenz IDA FiSo Interdepartementale Arbeitsgruppe «Finanzierungsperspektiven der Sozialversicherungen» IDA ForAlt Interdepartementale Arbeitsgruppe «Forschungsprogramm Altersvorsorge» IDA IG Interdepartementaler Ausschuss «Informationsgesellschaft» IDAD Interdepartementale Arbeitsgruppe «Drogen» IDANE Interdepartementaler Ausschuss «Nachhaltige Entwicklung» IDARio Interdepartementaler Ausschuss «Rio» IDHEAP Institut de hautes études en administration publique IfG Schweizerisches Institut für das Gesundheitswesen IGE Eidgenössisches Institut für Geistiges Eigentum IGP Indication Géographique Protégée INKA Interkantonales Projekt «Betriebliche Gesundheitsförderung» IPV Influenza-Pandemieverordnung IRV Interkantonale Rahmenvereinbarung (für die interkantonale Zusammenarbeit mit Lastenaus- Teil III Perspektiven HF gleich) ISPM Institut für Sozial- und Präventivmedizin IV Invalidenversicherung IVKKM Interkantonale Vereinbarung über die Koordination und Konzentration der hochspezialisierten Medizin IVKM Interkantonale Vereinbarung für die Kontrolle der Heilmittel IVSE Interkantonale Vereinbarung für Soziale Einrichtungen KAAP Kantonale Alkoholaktionspläne KAV Kantonsapothekervereinigung KdK Konferenz der Kantonsregierungen KDS Koordinations- und Dienstleistungsplattform Drogen Schweiz Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Abkürzungen 203 Referenzrahmen Teil I Zusammenarbeit Teil II Perspektiven Teil III KIQ Nationale Koordinations- und Informationsstelle für Qualitätsförderung H+/santésuisse KKBS Konferenz der Kantonalen Beauftragten für Suchtfragen KKJPD Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren KORSTAT Konferenz Statistischer Ämter der Schweiz KOSTE Schweizerische Koordinationsstelle für stationäre Therapieangebote im Drogenbereich KSD Koordinierter Sanitätsdienst KUV Kranken- und Unfallversicherung KVG Bundesgesetz über die Krankenversicherung LSV Lärmschutz-Verordnung MaPaDro Massnahmenpaket Drogen MedBG Bundesgesetz über die universitären Medizinalberufe MV Militärversicherung NAAP Nationaler Alkoholaktionsplan NDA Nationaler Drogenausschuss NFA Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen NGO Non Govermental Organisations, Nicht-Regierungsorganisationen NPPA Nationales Präventionsprogramm Alkohol NWRK Regionalkonferenz der Regierungen der Nordwestschweiz Obsan Schweizerisches Gesundheitsobservatoriums OdA Gesundheit Organisation der Arbeitswelt Gesundheit OECD Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ORK Ostschweizer Regierungskonferenz OV-EDI Organisationsverordnung für das Eidgenössische Departement des Innern OZD Oberzolldirektion ParlG Bundesgesetz über die Bundesversammlung (Parlamentsgesetz) PIPADES Programm zur Unfallverhütung zu Hause bei Kindern im Alter zwischen 0 und 5 Jahren PVK Parlamentarische Verwaltungskontrolle RFA Regulierungsfolgenabschätzung RKGK Regierungskonferenz der Gebirgskantone RTVG Bundesgesetz über Radio und Fernsehen RVOG Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetz Santésuisse Branchenverband der schweizerischen Krankenversicherer (ehemals «Konkordat der Schweizerischen Krankenkassen», KSK)» 204 SARS Severe Acute Respiratory Syndrom SAV Schweizerischer Apothekerverband SBBK Schweizerischen Konferenz der kantonalen Berufsbildungsämter SBF Staatssekretariat für Bildung und Forschung SBK Schweizer Berufsverband der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner SECO Staatssekretariat für Wirtschaft SFA Schweizerische Fachstelle für Alkohol- und andere Drogenprobleme SKBS Städtische Konferenz der Beauftragten für Suchtfragen SNF Schweizerischer Nationalfonds SODK Konferenz der kantonalen Sozialdirektoren und Sozialdirektorinnen Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Abkürzungen Schweizerisches Rotes Kreuz SSV Schweizerischer Städteverband SUK Schweizerische Universitätskonferenz SUVA Schweizerische Unfallversicherungsanstalt SVV Schweizerischer Versicherungsverband SwissDRG Schweizerisches Entgeltmodell für Spitäler nach Diagnosis Related Groups Swissmedic Schweizerisches Heilmittelinstitut TAK Tripartite Agglomerationskonferenz TARMED Einzelleistungstarif für in der Schweiz erbrachte ambulante ärztliche Leistungen im Spital Teil II Zusammenarbeit SRK Referenzrahmen Teil I und in der freien Praxis UFG Bundesgesetz über die Förderung der Universitäten und über die Zusammenarbeit im Hochschulbereich (Universitätsförderungsgesetz) Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation UVG Bundesgsetz über die Unfallversicherung VBGF Vereinigung der kantonalen Beauftragten für Gesundheitsförderung in der Schweiz VBS Eidgenössisches Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport VKS Vereinigung der Kantonsärztinnen und Kantonsärzten der Schweiz VNS Vereinigung Nordwestschweizer Spitäler VSPB Verband Schweizerischer Polizeibeamter WHO Weltgesundheitsorganisation / World Health Organisation ZAP Zentralschweizer Arbeitsgruppe Prävention ZFG Zentralschweizer Fachgruppe Gesundheit ZFS Zentralschweizer Fachgruppe Soziales ZGSDK Gesundheits- und Sozialdirektorenkonferenz der Zentralschweiz ZIGG Zentralschweizer Interessengemeinschaft Gesundheitsberufe ZRK Zentralschweizer Regierungskonferenz ZUPO KDS-Arbeitsgruppe «Zusammenarbeit zwischen Polizei und Sozialarbeit» Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven | Abkürzungen Teil III Perspektiven UVEK 205 Referenzrahmen Teil I Zusammenarbeit Teil II Perspektiven Teil III 206 Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven Referenzrahmen Teil I Zusammenarbeit Teil II Perspektiven Teil III Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven 207 Referenzrahmen Teil I Zusammenarbeit Teil II Perspektiven Teil III 208 Band 1 | Gesundheitspolitiken in der Schweiz | Analyse und Perspektiven