Kinderkardiologie Klinik und Praxis der Herzerkrankungen bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen Nikolaus A. Haas Ulrich Kleideiter 484 Abbildungen 110 Tabellen Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York Anschriften PD Dr. med. Nikolaus A. Haas Herz- und Diabeteszentrum NRW Klinik für angeborene Herzfehler Georgstraße 11 32545 Bad Oeynhausen Wichtiger Hinweis: Wie jede Wissenschaft ist die Medizin ständigen Entwicklungen unterworfen. Forschung und klinische Erfahrung erweitern unsere Erkenntnisse, insbesondere was Behandlung und medikamentöse Therapie anbelangt. Soweit in diesem Werk eine Dosierung oder eine Applikation erwähnt wird, darf der Leser zwar darauf vertrauen, dass Autoren, Herausgeber und Verlag große Sorgfalt darauf verwandt haben, dass diese Angabe dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes entspricht. Dr. med. Ulrich Kleideiter Christophorus Kliniken Klinik für Kinder- und Jugendmedizin Südring 41 48653 Coesfeld Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2011 Georg Thieme Verlag KG Rüdigerstraße 14 70469 Stuttgart Deutschland Telefon: +49/(0)711/8931-0 Unsere Homepage: www.thieme.de Geschützte Warennamen (Warenzeichen) werden nicht besonders kenntlich gemacht. Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann also nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt. Zeichnungen: Rose Baumann, Schriesheim und Heike Hübner, Berlin Umschlaggestaltung: Thieme Verlagsgruppe Umschlagfoto: fotosearch.de Zwischentitelbilder: Thieme Verlagsgruppe (I-III, V), PhotoDisc (IV) Satz: Mitterweger & Partner GmbH, Plankstadt gesetzt aus 3B2 Version 9.0 Druck: LEGO S.p.A. Vicenza, Italien ISBN 978-3-13-149001-8 Auch erhältlich als E-Book: eISBN (PDF) 978-3-13-166911-7 Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag jedoch keine Gewähr übernommen werden. Jeder Benutzer ist angehalten, durch sorgfältige Prüfung der Beipackzettel der verwendeten Präparate und gegebenenfalls nach Konsultation eines Spezialisten festzustellen, ob die dort gegebene Empfehlung für Dosierungen oder die Beachtung von Kontraindikationen gegenüber der Angabe in diesem Buch abweicht. Eine solche Prüfung ist besonders wichtig bei selten verwendeten Präparaten oder solchen, die neu auf den Markt gebracht worden sind. Jede Dosierung oder Applikation erfolgt auf eigene Gefahr des Benutzers. Autoren und Verlag appellieren an jeden Benutzer, ihm etwa auffallende Ungenauigkeiten dem Verlag mitzuteilen. 123456 Das Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Vorwort Und noch ein Kinderkardiologie-Buch… Kinderkardiologie sollte heutzutage weit mehr als nur die Diagnostik und Behandlung von angeborenen bzw. erworbenen Herzerkrankungen bei Kindern beinhalten. Vielmehr entwickelte sich die Kinderkardiologie zu einem hoch spezialisierten Fachgebiet, das die interdisziplinäre Betreuung von angeborenen und erworbenen Herzerkrankungen bei Kindern jeder Altersstufe und zunehmend auch von Jugendlichen und Erwachsenen umfasst. Dank einer ständig besser werdenden Versorgung, die auch komplexeste Herzfehler einschließt, erreichen immer mehr herzkranke Kinder das Erwachsenenalter. Diese Gruppe von Patienten stellt uns Kinderkardiologen, aber zunehmend auch Ärzte anderer Disziplinen wie Intensivmedizin, Herzchirurgie oder internistische Kardiologie bzw. Allgemeinmedizin vor ganz neue Aufgaben. Aus dieser besonderen Problematik heraus hat sich sogar eine spezielle Zusatzausbildung entwickelt – der „Arzt für Erwachsene mit Angeborenen Herzfehlern“ – EMAH. Mit diesem Buch möchten wir einen praxisorientierten Überblick über die pädiatrische Kardiologie geben und es ermöglichen, Diagnosen und Therapieentscheidungen zu treffen bzw. nachvollziehbar zu machen. Immer mehr Vitien oder Restdefekte nach vorausgegangenen Eingriffen können mittlerweile definitiv katheterinterventionell behandelt werden. Viele dieser Herzfehler waren bis vor Kurzem ausschließlich eine Domäne der Chirurgie. Darüber hinaus ergeben sich ganz neue therapeutische Optionen durch sog. Hybrid-Operationen, der Kombination eines chirurgischen Vorgehens mit Katheterinterventionen während eines einzigen Eingriffs, z.B. eine Intervention während einer Operation an der Herz-Lungen-Maschine. All diese Entwicklungen machen es für den praktisch tätigen Arzt immer schwieriger, die Übersicht zu behalten – erst recht, wenn man nicht tagtäglich mit den speziellen kinderkardiologischen Fragestellungen zu tun hat oder am Beginn seiner kinderkardiologischen Ausbildung steht. Diese erste Auflage hat sich aus verschiedenen Skripten heraus entwickelt, die von uns in unterschiedlichen Herzzentren während unserer eigenen Ausbildung oder später als Ausbilder verfasst wurden. Selbstverständlich kann ein Buch, das von nur zwei Autoren verfasst wurde, nicht den Anspruch erheben, in allen Punkten das allerneuste detaillierte Expertenwissen zu vermitteln. Wir haben uns aber dennoch bemüht, die klinisch relevanten Themen alltagstauglich darzustellen. Als Leiter eines Herzkatheterlabors für Kinderkardiologie/Angeborene Herzfehler in einem überregionalen Herzzentrum bzw. Kinderkardiologe in einer allgemeinpädiatrischen Klinik sind wir hoffentlich dicht genug am „Alltagsgeschäft“ dran, sodass wir die Fragestellungen aus der täglichen klinischen Routine auch praktisch beantworten können. Unser Dank gilt allen, die uns bei unserem Vorhaben unterstützt haben. An erster Stelle seien unsere Familien genannt, denen wir während der Arbeiten an diesem Buch viel Verständnis abverlangt haben. Den Mitarbeitern des Georg Thieme Verlags, namentlich Herrn Dr. Urbanowicz, Frau Dr. Tiessen und Herrn Zeller sowie dem Redakteur Tom Böttcher danken wir für die unkomplizierte Zusammenarbeit, für ihr nimmer müdes Engagement und die Bereitschaft, sich immer wieder auf unsere Vorstellungen einzulassen. Ihre Geduld haben wir bis zuletzt so manches Mal arg auf die Probe gestellt. Unseren klinischen Lehrern und Mentoren gilt besonderer Dank für deren Bereitschaft und Freude, ihr Wissen in diesem spannenden Fachgebiet weiterzugeben. Wir wünschen uns, dass sich dieses Buch als Begleiter in der täglichen kinderkardiologischen Praxis bewährt. Für Anregungen und Kritik sind wir jederzeit offen und dankbar. Bad Oeynhausen und Coesfeld, im Mai 2011 Nikolaus A. Haas Ulrich Kleideiter V Abkürzungen 18FDG 2D 3D ACC ACE ACTH ADH AF AHA AICD ALCAPA AMLA ANA ANCA ANP ARDS ARVC ARVD ASA ASD ASL ATG ATP AV AVNRT AVRT AVSD BAS BE BGA BNP BPD BPG BSG CAH CAT CDG CK CMV CNP CPA CS VI 2-[18F]Fluor-2-desoxy-D-glucose zweidimensional dreidimensional American College of Cardiology, Arteria carotis communis angiotensin converting enzyme adrenokortikotropes Hormon antidiuretisches Hormon Atemfrequenz American Heart Association automatischer implantierbarer CardioverterDefibrillator anomalous origin of left coronary artery from the pulmonary artery (Bland-White-GarlandSyndrom) antimyolemmale Antikörper antinukleäre Antikörper anti-neutrophile cytoplasmatic antibodies atriales natriuretisches Peptid acute respiratory distress syndrome arrhythmogene rechtsventrikuläre Kardiomyopathie arrhythmogene rechtsventrikuläre Dysplasie American Society of Anaesthesiologists atrialer Septumdefekt (Vorhofseptumdefekt) Antistreptolysin Antithymozytenglobulin Adenosintriphosphat arteriovenös, atrioventrikulär AV-nodale Reentry-Tachykardie AV-Reentry-Tachykardie mit akzessorischer Bahn atrioventrikulärer Septumdefekt Ballonatrioseptostomie nach Rashkind base excess Blutgasanalyse brain natriuretic peptide bronchopulmonale Dysplasie British Pacing Guidelines Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit biatriale Hypertrophie chaotische atriale Tachykardie congenital disorder of glycosylation Kreatinkinase Zytomegalievirus natriuretisches Peptid vom C-Typ kavopulmonale Anastomose Koronarsinus DCM DD DGPK DILV DIRV DKS DOMV DORV DTPA EAT EBV ECMO EF EFE EPU FEV1 FFP FS GABA HACEK HB HCM HDL HF HLA HLHS HMV HOCM HRA HSV HZV IAA IART ICR ILNC INR ISTA IVC IVCT IVRT IVS JET dilatative Kardiomyopathie Differenzialdiagnose Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Kardiologie double inlet left ventricle double inlet right ventricle Damus-Kaye-Stansel-Operation (Anastomose zwischen Pulmonalarterienstamm und Aortenwurzel) double orifice mitral valve double outlet right ventricle Diethylentriaminpentaessigsäure ektope atriale Tachykardie Epstein-Barr-Virus extracorporal membrane oxygenation Ejektionsfraktion Endokardfibroelastose elektrophysiologische Untersuchung forcierte exspiratorische Einsekundenkapazität fresh frozen plasma fractional shortening (Verkürzungsfraktion) Gamma-Amino-Buttersäure Haemophilus, Actinobacillus, Cardiobacterium, Eikenella, Klingella Hepatitis B, His-Bündel hypertrophe Kardiomyopathie high density lipoproteins Herzfrequenz human leucocyte antigen hypoplastisches Linksherzsyndrom Herzminutenvolumen hypertrophe obstruktive Kardiomyopathie hoher rechter Vorhof Herpes-simplex-Virus Herzzeitvolumen interrupted aortic arch (unterbrochener Aortenbogen) intraatriale Reentry-Tachykardie Interkostalraum isolierte linksventrikuläre non-compaction Kardiomyopathie international normalized ratio Aortenisthmusstenose inferior vena cava (Vena cava inferior) isovolumetrische Kontraktionszeit isovolumetrische Relaxationszeit Interventrikularseptum junktionale ektope Tachykardie Abkürzungen KAVSD KOF LAH LAP LCO LPH LQTS LSB LSVC LV LVEDP MAPCA MAT MCL MCLS MCT MHC MIBI MKP MMR MÖT MRSA MVO2 MVV NASPE NO NSAR NYHA PA PAP PAPVC PAPVR PAVSD PCR PCW PDA PEEP PET PFO PHT PJRT PPHN PTCA kompletter atrioventrikulärer Septumdefekt Körperoberfläche linksanteriorer Hemiblock left atrial pressure low cardiac output linksposteriorer Hemiblock Long-QT-Syndrom Linksschenkelblock links persistierende obere Hohlvene linker Ventrikel linksventrikulärer enddiastolischer Druck major aorto-pulmonary collateral arteries mulitfokale atriale Tachykardie Medioklavikularlinie mukokutanes Lymphknotensyndrom (Kawasaki-Syndrom) medium chain triglycerides major histocompatibility complex Methoxyisobutylisonitril Mitralklappenprolaps Masern, Mumps, Röteln Mitralöffnungston multiresistenter Staphylococcus aureus gemischtvenöser Sauerstoffgehalt maximal voluntary ventilation (Atemgrenzwert) North American Society of Pacing and Electrophysiology Stickstoffmonoxid nichtsteroidales Antirheumatikum New York Heart Association Pulmonalarterie, Pulmonalatresie pulmonary arterial pressure partial anomalous pulmonary venous connection partial anomalous pulmonary venous return partieller atrioventrikulärer Septumdefekt polymerase chain reaction pulmonary capillary wedge (pulmonalkapillärer Verschlussdruck) persistierender Ductus arteriosus positive endexpiratory pressure Positronenemissionstomografie patent foramen ovale (offenes Foramen ovale) pressure half time permanent junctional reciprocating tachycardia persistierende pulmonale Hypertonie des Neugeborenen perkutane transluminale Koronarangioplastie posttransplantation lymphoproliferative disease PTSMA perkutane transluminale septale Myokardablation PTT partielle Thromboplastinzeit RAAS Renin-Angiotensin-Aldosteron-System RCA right coronary artery RCM restriktive Kardiomyopathie RCX Ramus circumflexus der linken Koronararterie RIVA Ramus interventricularis anterior RSB Rechtsschenkelblock RV rechter Ventrikel RVA rechtsventrikulärer Apex RVOT right ventricular outflow tract SAM systolic anterior movement SAO2 systemarterieller Sauerstoffgehalt SIRS systemic inflammatory response syndrome SLE systemischer Lupus erythematodes SPECT single photon emission computed tomography Sick-Sinus-Syndrom SSS SSW Schwangerschaftswoche(n) STIKO ständige Impfkommission SVC superior vena cava (Vena cava superior) SVES supraventrikuläre Extrasystole SVR systemic vascular resistance SVT supraventrikuläre Tachykardie TAPVC total anomalous pulmonary venous connection (totale Lungenvenenfehlmündung) TAPVR total anomalous pulmonary venous return (totale Lungenvenenfehlmündung) TASH transseptale Ablation einer Septumhypertrophie TCPC total cavopulmonal connection (totale kavopulmponale Verbindung) TEE transösophageale Echokardiographie TGA Transposition der großen Arterien TGFBR transforming growth factor beta-receptor VACTERL vertebral, anal, cardial, tracheoesophageal, renal, limp defects VAD ventricular assist device VES ventrikuläre Extrasystole VSD Ventikelseptumdefekt VT ventrikuläre Tachykardie VTI velocity time integral WHO World Health Organisation WPW Wolff-Parkinson-White WU Wood unit ZVD zentralvenöser Druck ZVK zentraler Venenkatheter PTLD VII Inhaltsverzeichnis I Grundlagen und Diagnostik 1 1.1 1.2 1.3 Kinderkardiologische Anamnese und Untersuchung . . . . . . . . . . . . Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . Anamnese . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klinische Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 2.1 2.2 2.3 EKG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Besonderheiten des pädiatrischen EKG Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 13 13 14 3 3.1 3.2 3.3 Echokardiografie . . . . . . . . . . . . . . . Transthorakale Echokardiografie . . Transösophageale Echokardiografie Fetale Echokardiografie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 23 36 37 4 4.1 4.2 4.3 4.4 Röntgenbild des Thorax . . . . . . . . . . . . Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Herzgröße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Herzform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beurteilung der Vorhöfe, Ventrikel und großen Gefäße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lungengefäßzeichnung . . . . . . . . . . . . . Abdominaler Situs . . . . . . . . . . . . . . . . . Knöcherner Thorax . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 38 38 38 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 42 42 43 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 79 79 79 80 4.5 4.6 4.7 II 5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 3 3 5 5.1 5.2 Kardiale Magnetresonanztomografie und Computertomografie . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Kardiale Magnetresonanztomografie . . . . . . . . 44 Kardiale Computertomografie . . . . . . . . . . . . . . 47 6 6.1 6.2 6.3 Nuklearmedizinische Untersuchungen Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Myokardperfusionsszintigrafie . . . . . . Positronenemissionstomografie . . . . . 7 7.1 7.2 7.3 Belastungsuntersuchungen Ergometrie . . . . . . . . . . . . . Spiroergometrie . . . . . . . . . Sechs-Minuten-Gehtest . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 8.1 8.2 8.3 8.4 8.5 Herzkatheteruntersuchung . . . Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . Zugangswege . . . . . . . . . . . . . . Untersuchungsablauf . . . . . . . . Unterschiedliche Katheter . . . . Hämodynamische Messungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 48 48 48 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 49 52 55 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 56 56 57 57 59 9 9.1 9.2 9.3 Elektrophysiologische Untersuchung Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Indikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Durchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 72 72 72 13 13.1 13.2 13.3 Palpitationen Grundlagen . Diagnostik . . Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 90 90 92 14 14.1 14.2 Synkopen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 . . . . . . . . Leitsymptome 10 10.1 10.2 10.3 10.4 Zyanose . . . . . . Definition . . . . . Einteilung . . . . Diagnostik . . . . Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 11.1 11.2 . . . 82 . . . 82 11.3 Herzgeräusche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Besonderheiten bei Herzgeräuschen im Neugeborenen- und frühen Säuglingsalter Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 12.1 12.2 12.3 12.4 Thoraxschmerzen . . . Grundlagen . . . . . . . . Diagnostik . . . . . . . . . Therapie . . . . . . . . . . . Prognose und Verlauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 . . . 83 . . . . . . . . . . 86 86 86 88 89 IX Inhaltsverzeichnis III 15.17 15.18 15.19 15.20 15.21 15.22 15.23 15.24 15.25 15.26 15.27 15.28 15.29 15.30 15.31 15.32 15.33 15.34 Angeborene Herzfehler . . . . . . . . . . . . . . . Vorhofseptumdefekte . . . . . . . . . . . . . . . . Ventrikelseptumdefekte . . . . . . . . . . . . . . Atrioventrikulärer Septumdefekt . . . . . . . Persistierender Ductus arteriosus . . . . . . . PDA bei Frühgeborenen . . . . . . . . . . . . . . Partielle Lungenvenenfehlmündung . . . . . Totale Lungenvenenfehlmündung . . . . . . . Aortopulmonales Fenster . . . . . . . . . . . . . Arteriovenöse Fisteln . . . . . . . . . . . . . . . . . Transposition der großen Arterien . . . . . . Angeboren korrigierte Transposition der großen Arterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . „Double outlet right ventricle“ . . . . . . . . . Truncus arteriosus communis . . . . . . . . . . Fallot-Tetralogie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pulmonalatresie mit Ventrikelseptumdefekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pulmonalatresie mit intaktem Ventrikelseptum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ebstein-Anomalie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Trikuspidalatresie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Singulärer Ventrikel . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hypoplastisches Linksherzsyndrom . . . . . Pulmonalstenose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aortenstenose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aorteninsuffizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aortenisthmusstenose . . . . . . . . . . . . . . . . Unterbrochener Aortenbogen . . . . . . . . . . Kongenitale Gefäßringe . . . . . . . . . . . . . . . Mitralstenose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mitralinsuffizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mitralklappenprolaps . . . . . . . . . . . . . . . . Koronaranomalien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bland-White-Garland-Syndrom . . . . . . . . Anomalien der Systemvenen . . . . . . . . . . Dextrokardie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Heterotaxie-Syndrome . . . . . . . . . . . . . . . 16 16.1 16.2 16.3 16.4 16.5 16.6 Erworbene Herzerkrankungen Myokarditis . . . . . . . . . . . . . . . Endokarditis . . . . . . . . . . . . . . Perikarditis . . . . . . . . . . . . . . . Rheumatisches Fieber . . . . . . . Kawasaki-Syndrom . . . . . . . . . Herztumoren . . . . . . . . . . . . . . 17 17.1 17.2 Kardiomyopathien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 Dilatative Kardiomyopathie . . . . . . . . . . . . . . 274 Hypertrophe und hypertrophe obstruktive Kardiomyopathie . . . . . . . . . . . . . 277 15 15.1 15.2 15.3 15.4 15.5 15.6 15.7 15.8 15.9 15.10 15.11 15.12 15.13 15.14 15.15 15.16 X Krankheitsbilder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 101 106 111 117 122 123 127 130 133 135 . . . . . . . . . . . . 143 147 154 158 . . . 164 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 173 177 184 190 195 201 206 210 216 220 224 228 232 234 240 243 244 245 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 250 253 259 263 267 271 17.3 17.4 17.5 17.6 Restriktive Kardiomyopathie . . . . . . . Arrhythmogene rechtsventrikuläre Kardiomyopathie . . . . . . . . . . . . . . . . Endokardfibroelastose . . . . . . . . . . . . Isolierte linksventrikuläre „Non-compaction“-Kardiomyopathie . . . . . . . 283 . . . . . . . 285 . . . . . . . 288 . . . . . . . 290 18.17 18.18 18.19 18.20 18.21 18.22 18.23 18.24 18.25 Herzrhythmusstörungen . . . . . . . . . . . . . . Antiarrhythmika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sinusarrhythmie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sinusbradykardie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sinustachykardie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sinusknotendysfunktion . . . . . . . . . . . . . . AV-junktionaler Ersatzrhythmus . . . . . . . Wandernder Schrittmacher . . . . . . . . . . . Akzelerierter idioventrikulärer Rhythmus Supraventrikuläre Extrasystolie . . . . . . . . Ventrikuläre Extrasystolie . . . . . . . . . . . . . AV-Knoten-Reentry-Tachykardie . . . . . . . AV-Reentry-Tachykardie mit akzessorischer Bahn . . . . . . . . . . . . . . . . . Ektope atriale Tachykardie . . . . . . . . . . . . Junktionale ektope Tachykardie . . . . . . . . Multifokale atriale Tachykardie . . . . . . . . Vorhofflattern und intraatriale Reentry-Tachykardie . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorhofflimmern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ventrikuläre Tachykardie . . . . . . . . . . . . . Kammerflattern und -flimmern . . . . . . . . Sinuatrialer Block . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Atrioventrikulärer Block . . . . . . . . . . . . . . Schenkelblock . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Long-QT-Syndrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Short-QT-Syndrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . Brugada-Syndrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Herzinsuffizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 20 Arterielle Hypertonie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367 21 Pulmonale Hypertonie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374 22 Eisenmenger-Syndrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 380 23 Syndromale Erkrankungen mit Herzbeteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384 Übersicht über syndromale Erkrankungen mit Herzbeteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384 Marfan-Syndrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384 18 18.1 18.2 18.3 18.4 18.5 18.6 18.7 18.8 18.9 18.10 18.11 18.12 18.13 18.14 18.15 18.16 23.1 23.2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 292 305 306 308 309 311 312 313 314 316 318 . . . . . . . . . . . . 321 327 328 330 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 334 336 338 340 342 346 351 356 356 Inhaltsverzeichnis IV Therapie 24 24.1 24.2 Katheterinterventionelle Therapie . . . . . . . . . 393 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393 Spezielle katheterinterventionelle Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395 27 25 Postoperative kinderkardiologische Behandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hämodynamische Überwachung . . Postoperative Intensivtherapie . . . . Postperikardiotomie-Syndrom . . . . Chylothorax . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 25.1 25.2 25.3 25.4 26 26.1 V 32 32.1 32.2 32.3 32.4 27.1 27.2 Mechanische Kreislaufunterstützungssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 442 Extrakorporale Membranoxygenierung . . . . . 442 Kreislaufunterstützungssysteme . . . . . . . . . . . 444 28.1 Erstversorgung kritisch herzkranker Neugeborener . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 447 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 447 29 29.1 Herztransplantation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 457 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 457 30 Impfungen bei herzkranken Kindern . . . . . . . 463 31 Medikamentöse Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . 465 . . . . . . . . . 483 32.5 . . . . . . . . . 483 32.6 Normwerte für die frequenzkorrigierte QT-Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 488 Sportliche Belastungsformen . . . . . . . . . . . . . 488 33 33.1 33.2 33.3 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lehrbücher und Monografien . Übersichtsartikel . . . . . . . . . . . Internet . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 493 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424 424 429 436 437 Operationen mit der Herz-LungenMaschine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 439 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 439 Anhang Tabellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Normalwerte für die M-ModeEchokardiografie . . . . . . . . . . . . . . Aortenwurzeldurchmesser in der 2D-Echokardiografie . . . . . . . . . . . Durchmesser des Mitral- und Trikuspidalklappenrings . . . . . . . . EKG-Normalwerte für Kinder und Jugendliche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 486 . . . . . . . . . 486 . . . . . . . . . 487 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 489 489 490 491 XI DVD-Inhalte Auf der beigelegten DVD finden Sie folgende Inhalte: Vorhofseptum – Vorhofseptumdefekt vom Primum- und Sekundumtyp (ASD I und II) – Sinus-Venosus-Defekt – Cor triatriatrum sinistrum Ventrikelseptum – Normaler rechter und linker Ventrikel – Subaortaler Ventrikelseptumdefekt – Muskulärer Ventrikelseptumdefekt – Multipler Ventrikelseptumdefekt (Swiss Cheese) Atrioventrikuläres Septum – Atrioventrikulärer Septumdefekt – AV-Kanal/ Atrioventrikulärer Septumdefekt Ductus arteriosus Botalli – Großer persistierender Ductus arteriosus – Persistierender Ductus arteriosus Lungenvenenfehlmündung – Partielle Lungenvenenfehlmündung rechts – Totale Lungenvenenfehlmündung vom suprokardialen Typ Pulmonale arteriovenöse Fisteln Transposition der großen Arterien – Transposition der großen Gefäße – Transposition der großen Gefäße mit Ventrikelseptumdefekt – Damus-Kaye-Stansel-Operation Fallot-Tetralogie Pulmonalatresie mit intaktem Ventrikelseptum Ebstein-Anomalie Trikuspidalatresie Singulärer Ventrikel Hypoplastisches Linksherzsyndrom XII Pulmonalstenose – Valvuläre Pulmonalstenose – Stenose des Abgangs der linken Pulmonalarterie – Hochgradige tunnelförmige Stenose der rechten Pulmonalarterie – RPA-Stenose Pulmonalklappeninsuffizienz Normale, trikuspide Aortenklappe Aortenstenose – Subaortenstenose – Aortenklappenstenose Aorteninsuffizienz – Aortenisthmusstenose – Tiefsitzende thorakale „Isthmus“stenose (Midaortic Syndrome) – Native Isthmusstenose – Native hochgradige Isthmusstenose Aortenbogen – Normaler Aortenbogen – Bogenhypoplasie – Zervikaler Aortenbogen Koronarien – Normale, unauffällige Koronararterien – Anomalous left coronary artery arising from the pulmonary artery (ALCAPA) – Koronarfistel der rechten Koronararterien – Koronararterienaneurysmata bei Kawasaki-Syndrom Kardiomyopathien – Dilatative Kardiomyopathie – Hypertroph-obstruktive Kardiomyopathie – Restriktive Kardiomyopathie Ballonatrioseptostomie nach Rashkind Obere kavopulmonale Anastomose Totale kavopulmonale Anastomose (Fontan-Operation) I Grundlagen und Diagnostik 1 Kinderkardiologische Anamnese und Untersuchung 3 2 EKG 13 3 Echokardiografie 23 4 Röntgenbild des Thorax 38 5 Kardiale Magnetresonanztomografie und Computertomografie 44 6 Nuklearmedizinische Untersuchungen 48 7 Belastungsuntersuchungen 49 8 Herzkatheteruntersuchung 56 9 Elektrophysiologische Untersuchung 72 1 1 Kinderkardiologische Anamnese und Untersuchung 1.1 Grundlagen Jede kinderkardiologische Beurteilung beginnt mit einer gründlichen Anamnese und klinischen Untersuchung. Aufgrund der zunehmenden technischen diagnostischen Möglichkeiten besteht eine Neigung dazu, Anamnese und Untersuchung immer mehr in den Hintergrund zu drängen. Eine sorgfältige Anamnese und klinische Untersuchung sind aber wesentliche Voraussetzungen, um die infrage kommenden Differenzialdiagnosen herauszuarbeiten und sinnvolle weitere (apparative) Untersuchungen in die Wege zu leiten. 1.2 * Anamnese Die kinderkardiologische Anamnese beinhaltet neben den aktuellen Beschwerden auch die Erhebung der Schwangerschafts- und Geburtsanamnese, der Familienanamnese sowie der bisherigen körperlichen Entwicklung. Selbstverständlich muss auch nach der aktuellen Medikation gefragt werden. 1.2.1 Schwangerschaftsanamnese In der Schwangerschaftsanamnese sind gezielt folgende Fragen zu klären: * Ergaben sich bereits bei den fetalen Ultraschalluntersuchungen Hinweise auf einen angeborenen Herzfehler? Einen Großteil der angeborenen Herzfehler kann man mittlerweile pränatal mit der fetalen Echokardiografie diagnostizieren. * Wurde bereits pränatal eine Chromosomenanomalie oder genetische Erkrankung vermutet oder diagnostiziert? Eine Vielzahl genetischer Syndrome ist mit angeborenen Herzfehlern assoziiert (Kap. 23.1). Zu den wichtigsten gehören: Trisomie 21 (AV-Kanal, VSD, Fallot-Tetralogie) Trisomie 13 (VSD) Trisomie 18 (VSD) VACTERL-Assoziation (VSD) Mikrodeletion 22q11 (konotrunkale Herzfehler wie Fallot-Tetralogie, Pulmonalatresie, Truncus arteriosus communis) Noonan-Syndrom (Pulmonalstenose, hypertrophe Kardiomyopathie) * * * I Turner-Syndrom (Aortenisthmusstenose, Aortenstenose, Kardiomyopathie) Williams-Beuren-Syndrom (supravalvuläre Aortenstenose, periphere Pulmonalstenosen, Aortenisthmusstenosen) Marfan-Syndrom (Dilatation der Aortenwurzel, Aorteninsuffizienz, Mitralklappenprolaps, Mitralinsuffizienz) Nahm die Mutter während der Schwangerschaft Medikamente, Alkohol oder Drogen ein? Zahlreiche Medikamente werden als teratogen angesehen. Die Einnahme folgender Medikamente in der Schwangerschaft ist beispielsweise mit angeborenen Herzfehlern assoziiert: Phenytoin (Pulmonalstenose, Aortenstenose, Aortenisthmusstenose, PDA) Valproat (ASD, VSD, Aortenstenose, Pulmonalatresie mit intaktem Ventrikelseptum, Aortenisthmusstenose) Lithium (Ebstein-Anomalie) Retinolsäure (konotrunkale Herzfehler wie Fallot-Tetralogie, Truncus arteriosus communis) Amphetamine (VSD, PDA, ASD, TGA) Progesteron/Östrogen (VSD, TGA, Fallot-Tetralogie) Alkohol (VSD, PDA, ASD, Fallot-Tetralogie) Besteht oder bestand ein mütterlicher Diabetes mellitus oder Gestationsdiabetes? Bei einem mütterlichen Diabetes mellitus ist das Risiko beim Kind für eine hypertrophe Kardiomyopathie (reversibel), eine TGA, einen VSD und eine Aortenisthmusstenose erhöht. Liegt bei der Mutter ein systemischer Lupus erythematodes (SLE) vor? Bei einem mütterlichen SLE besteht für das Kind ein erhöhtes Risiko, einen angeborenen AV-Block zu entwickeln. Die transplazentar übertragenen mütterlichen Antikörper können bereits intrauterin das kindliche Reizleitungssystem zerstören. Nicht selten ist der SLE bei der Mutter bis dahin noch gar nicht erkannt und wird erst durch den fetalen AV-Block diagnostiziert. Erkrankte die Mutter während der Schwangerschaft an einer Virusinfektion? Eine mütterliche Rötelninfektion im ersten Trimester kann zu peripheren Pulmonalstenosen, einem PDA und/oder einem VSD führen. Infektionen mit CMV, Herpes simplex oder Coxsackievirus Typ B gelten als potenziell teratogen. In der späten Schwangerschaft können virale Infekte eine angeborene Myokarditis bedingen. 3 1 Kinderkardiologische Anamnese und Untersuchung 1.2.2 Geburtsanamnese 1.2.3 In der Geburtsanamnese sind folgende Punkte zu klären: Geburtsgewicht, Schwangerschaftswoche Das Geburtsgewicht dient als Ausgangspunkt für Verlaufskontrollen. Ein niedriges Geburtsgewicht („small for gestational age“, SGA) kann auf eine intrauterine Infektion hinweisen. Neugeborene einer Mutter mit Diabetes mellitus sind typischerweise auffällig groß und schwer. Neugeborene mit einer TGA weisen ebenfalls häufig ein relativ hohes Geburtsgewicht auf. Die Ursache ist allerdings unklar. * Wie verlief die postpartale Adaptation (Apgar-Score, pH)? Zyanotische Herzfehler sind ein Risiko für eine peripartale Asphyxie. * Besserte sich eine Zyanose nach Applikation von Sauerstoff? Hyperoxietest: Der Anstieg der pulsoxymetrisch gemessenen Sauerstoffsättigung nach Gabe von Sauerstoff spricht eher für ein pulmonales als ein kardiales Problem. * Wurde bereits früh nach der Geburt ein Herzgeräusch festgestellt? Herzfehler, die zu einer Obstruktion führen (z.B. Aortenstenose, Pulmonalstenose), verursachen in der Regel bereits frühzeitig ein Herzgeräusch. Das Geräusch eines Shunt-Vitiums (VSD, PDA) ist dagegen meist erst nach Abfall des Lungengefäßwiderstands hören, wenn der Shunt-Fluss zunimmt. * Tab. 1.1 Wiederholungsrisiko für Herzfehler, wenn ein Geschwisterkind betroffen ist (nach Nora JJ, Nora AH 1978). 4 Herzfehler Wiederholungsrisiko VSD 3% PDA 3% ASD 2,5 % Fallot-Tetralogie 2,5 % Pulmonalstenose 2% Aortenisthmusstenose 2% Aortenstenose 2% TGA 1,5 % AV-Kanal 2% Endokardfibroelastose 4% Trikuspidalatresie Familienanamnese In der Familienanamnese wird geklärt, inwieweit eine familiäre Belastung für kardiale Erkrankungen vorliegt. * Gibt es in der näheren Verwandtschaft angeborene Herzfehler? Rund 1 % aller Neugeborenen weisen einen angeborenen Herzfehler auf. Das Risiko ist höher, wenn nahe Verwandte unter einem angeborenen Herzfehler leiden. Allgemein gilt, dass das Wiederholungsrisiko etwa 3 % beträgt, wenn ein Geschwisterkind an einem angeborenen Herzfehler erkrankt ist. Das Wiederholungsrisiko ist aber je nach Herzfehler unterschiedlich groß (Tab. 1.1). Liegt bei der Mutter ein angeborener Herzfehler vor, ist das Risiko höher, als wenn der Vater betroffen ist (Tab. 1.2). * Gibt es genetische Erkrankungen innerhalb der Familie, die mit einem Herzfehler oder Herzrhythmusstörungen assoziiert sind? Die häufigsten Erbkrankheiten, die mit Herzfehlern assoziiert sind, sind bereits oben aufgelistet (z.B. MarfanSyndrom). Beispiele für familiär bedingte Herzrhythmusstörungen sind Long-QT-Syndrome, Brugada-Syndrom oder familiäres Vorhofflimmern. * Gibt es in der Familie gehäuft auftretende Todesfälle oder Synkopen unklarer Ursache? Bei entsprechenden anamnestischen Angaben muss differenzialdiagnostisch an ventrikuläre Arrhythmien, Long-QT-Syndrome, Brugada-Syndrom und hypertrophe Kardiomyopathien gedacht werden. * Trat bei einem Familienmitglied bereits in jungem Alter ein Herzinfarkt auf? In diesen Fällen muss man nach Risikofaktoren für eine koronare Herzerkrankung, z.B. eine hereditäre Thrombophilie oder Hypertonie bzw. nach Koronaranomalien suchen. Tab. 1.2 Risiko der Kinder für bestimmte Herzfehler, wenn ein Elternteil von diesem Herzfehler betroffen ist (nach Nora JJ, Nora AH 1978). Herzfehler Mutter betroffen Vater betroffen Aortenstenose 13–18 % 3% ASD 4–4,5 % 1,5 % AV-Kanal 14 % 1% Aortenisthmusstenose 4% 2% 1% Ebstein-Anomalie 1% PDA 3,5–4 % 2% Truncus arteriosus communis 1% Pulmonalstenose 4–6,5 % 2% Pulmonalatresie 1% Fallot-Tetralogie 6–10 % 1,5 % hypoplastisches Linksherzsyndrom 1% VSD 6% 2% 1.3 Klinische Untersuchung 1.2.4 Bisherige Entwicklung Gezielt wird in diesem Teil der Anamnese nach Symptomen gefragt, die auf eine Herzinsuffizienz hindeuten oder für eine Zyanose sprechen. Gewichtsentwicklung Eine unzureichende Gewichtszunahme ist ein typisches Zeichen der Herzinsuffizienz. Bei herzinsuffizienten Kindern ist typischerweise die Gewichtsentwicklung stärker beeinträchtigt als die Größenzunahme. Trinkverhalten Eine Trinkschwäche, insbesondere wenn sie mit einer raschen Erschöpfung oder Schwitzen beim Trinken einhergeht, spricht für eine Herzinsuffizienz. Körperliche Belastbarkeit im Vergleich zu Gleichaltrigen Eine verminderte körperliche Belastbarkeit kann Ausdruck einer Herzinsuffizienz und Symptom aller relevanten Herzerkrankungen sein, z.B. von Shunt-Vitien, zyanotischen Herzfehlern, relevanten Klappenobstruktionen, Klappeninsuffizienzen oder gravierenden Arrhythmien. Bei Neugeborenen und Säuglingen lässt sich die körperliche Belastbarkeit meist am besten anhand des Trinkverhaltens beurteilen. Tachypnoe, Dyspnoe Eine Tachy- und/oder Dyspnoe ist ein typisches Zeichen der Herzinsuffizienz. Unter Belastung nehmen die Symptome in der Regel zu. Häufigkeit von Atemwegsinfekten Herzfehler mit einem relevanten Links-rechts-Shunt und Lungenüberflutung (z.B. eine großer VSD oder AV-Kanal) prädisponieren zu pulmonalen Infekten. Bei chronischen Atemwegsproblemen muss auch an Gefäßringbildungen gedacht werden, die die Trachea komprimieren (z.B. doppelter Aortenbogen oder rechter Aortenbogen mit einem linken Ductus-Ligament). Ödeme Ödeme sind ein typisches Zeichen einer Herzinsuffizienz. Bei Neugeborenen und Säuglingen fallen in der Regel zuerst Lidödeme auf. Kardiale Erkrankungen, die Thoraxschmerzen verursachen können, sind u.a. relevante Aortenstenose, hypertrophe obstruktive Kardiomyopathie, pulmonale Hypertonie, Mitralklappenprolaps, Myokarditis oder Perikarditis. Aktuelle Beschwerden I Synkope Bei Synkopen, die unter Belastung auftreten und/oder mit Thoraxschmerzen einhergehen, muss unbedingt eine kardiale Ursache ausgeschlossen werden. Mögliche kardiale Ursachen sind Arrhythmien (z.B. im Rahmen eines Long-QT-Syndroms), eine relevante Aortenstenose oder eine hypertrophe obstruktive Kardiomyopathie. Außerdem müssen angeborene oder bereits operierte Herzfehler bei Patienten mit Synkopen immer an eine kardiale Ursache denken lassen. Die wichtigsten Differenzialdiagnosen sind vasovagale Synkopen und zerebrale Anfälle. Palpitationen Ursachen für Palpitationen können paroxysmale oder permanente Tachykardien oder Extrasystolen sein. Ein Mitralklappenprolaps oder eine Hyperthyreose sollte man ausschließen. Zyanose Eine Zyanose bei jungen Säuglingen beunruhigt häufig die Eltern. Sind nur die Hände und Füße betroffen, handelt es sich in der Regel um eine harmlose periphere Zyanose. Tritt die Zyanose jedoch auch an den Schleimhäuten und Nagelbetten auf, spricht dies für eine zentrale Zyanose. Man sollte klären, wann die Zyanose erstmals auftrat (bei Geburt, wenige Tage nach der Geburt), ob sie permanent oder anfallsartig auftritt und ob sie unter Belastung (z.B. beim Füttern) zunimmt. Neben zyanotischen Herzfehlern ist auch an „breath holding spells“ zu denken, bei denen vor allem Säuglinge nach heftiger Aufregung die Luft anhalten und zyanotisch werden („Wegschreien“). 1.3 Klinische Untersuchung Die kinderkardiologische klinische Untersuchung umfasst neben der Erhebung der Vitalparameter (Puls, Atemfrequenz, Sauerstoffsättigung, Blutdruck) die Inspektion, Palpation und Auskultation. 1.3.1 1.2.5 1 Inspektion Die im Folgenden genannten Symptome führen häufig zu einer Vorstellung beim Kinderkardiologen. Die ausführlichen Differenzialdiagnosen der Symptome sind in Kap. 11–15 dargestellt. Erster Schritt der klinischen Untersuchung ist die Inspektion. Bereits während der Erhebung der Anamnese kann sich der Untersucher einen ersten Eindruck von dem Kind verschaffen. Bei der Inspektion ist auf die folgenden Aspekte zu achten. Thoraxschmerzen In den meisten Fällen sind Thoraxschmerzen im Kindes- und Jugendalter nicht kardial bedingt. Die häufigsten Ursachen sind eine Costochondritis, muskuläre Probleme, Atemwegserkrankungen oder ein Trauma. Ein gastroösophagealer Reflux oder eine Gastritis können ebenfalls zu Thoraxschmerzen führen. Ernährungszustand Herzfehler, die mit einem großen Links-rechts-Shunt, einem Lungenödem oder einer verminderten ventrikulären Funktion einhergehen, führen zu einer verminderten Gewichtsentwicklung. Eine kardial bedingte Gedeihstörung ist eine Indikation für eine antikongestive Therapie (Digitalis, Diuretika, ACE-Hemmer, 5 1 Kinderkardiologische Anamnese und Untersuchung ggf. Betablocker) und ggf. für eine kalorische Anreicherung der Nahrung. Extrakardiale Fehlbildungen Extrakardiale Fehlbildungen kommen bei rund 20 % aller Kinder mit angeborenen Herzfehlern vor. Häufig treten sie im Rahmen syndromaler Erkrankungen auf. Die häufigsten syndromalen Erkrankungen, die mit einem Herzfehler assoziiert sind, werden in Kap. 23 dargestellt. Hautfarbe Bei einem normalen Hämoglobinwert fällt eine Zyanose etwa ab einer Sauerstoffsättigung von unter 85 % auf. Zu unterscheiden ist eine periphere Zyanose von einer zentralen Zyanose. Bei einer zentralen Zyanose ist die arterielle Sauerstoffsättigung vermindert. Entsprechend sind auch die Schleimhäute, die Zunge und Nagelbetten zyanotisch. Bei einer peripheren Zyanose ist die arterielle Sauerstoffsättigung dagegen normal. Ursache der Zyanose ist in diesem Fall eine vermehrte Sauerstoffausschöpfung in der Körperperipherie, z.B. als Folge einer Vasokonstriktion bei Kälte oder bei einem verminderten Herzzeitvolumen (Herzinsuffizienz). Eine isolierte periorale Zyanose fällt insbesondere bei Neugeborenen und Säuglingen mit heller Haut auf und ist in den meisten Fällen ohne krankhafte Bedeutung. Eine auffällige Blässe kann Ausdruck einer Vasokonstriktion sein, beispielsweise im Rahmen einer Herzinsuffizienz oder eines Schocks. Uhrglasnägel, Trommelschlegelfinger Uhrglasnägel und Trommelschlegelfinger sind typische Zeichen einer chronischen Zyanose. Man findet sie heute fast nur noch bei erwachsenen Patienten mit einer Eisenmenger-Reaktion. Ödeme Bei Neugeborenen und Säuglingen treten Ödeme vor allem an den Augenlidern und den Flanken auf. Prätibiale Ödeme und Fußrückenödeme kommen meist erst bei älteren Kindern vor. Schwitzen Als Ausdruck einer Sympathikusaktivierung kommt es bei herzinsuffizienten Kindern zur Kaltschweißigkeit. Typischerweise ist bei Kindern vor allem die Stirn betroffen. Thorax Bei der Beurteilung des Brustkorbs achtet man auf Thoraxdeformitäten: Eine Kielbrust tritt häufig bei einem Marfan-Syndrom auf. Eine Skoliose kann Folge einer Thorakotomie sein. Ein Herzbuckel (Voussure) tritt im Rahmen einer Kardiomegalie auf. Ein hyperaktives Präkordium spricht für eine Volumenbelastung (v.a. im Rahmen eines ausgeprägten Links-rechts-Shunts oder bei schwerwiegenden Klappeninsuffizienzen). Atmung Eine Tachypnoe kann nicht nur Ausdruck einer Lungenparenchymerkrankung sein, sondern ist auch ein klassisches Zeichen eines Shunt-Vitiums mit Lungenüberflutung, eines Lungenödems oder einer metabolischen 6 Azidose. Oft geht die Tachypnoe einher mit sub- und interkostalen bzw. substernalen Einziehungen, die für eine verminderte pulmonale Compliance sprechen. Eine HarrisonFurche (Einziehung am Unterrand des Brustkorbs am Zwerchfellansatz) spricht für eine chronisch verminderte Lungencompliance oder eine chronische Dyspnoe. Eine Orthopnoe ist Zeichen einer verminderten linksventrikulären Funktion oder eines erhöhten Lungenvenendrucks. Halsvenen In einer halbsitzenden Position von 45 ° sollten die Halsvenen nicht sichtbar sein. Eine sichtbare Füllung und Pulsationen der Halsvenen sind Zeichen eines erhöhten Venendrucks (Herzinsuffizienz). 1.3.2 Palpation Die Palpation beinhaltet die Palpation der Pulse, des Präkordiums und des Abdomens. Pulse Die Pulse sollte man stets an allen 4 Extremitäten tasten. Bei Neugeborenen und Säuglingen ist es sinnvoll, auch den Puls an der Fontanelle zu palpieren. Zu beurteilen ist jeweilis die Pulsqualität (kräftig, schwach, fehlend). Ein schwacher Puls an allen Extremitäten findet sich im Rahmen einer hochgradigen Auswurfbehinderung des linken Ventrikels (z.B. kritische Aortenstenose, hypoplastisches Linksherzsyndrom) oder bei einer manifesten Herzinsuffizienz. Kräftige Pulse an den oberen Extremitäten und abgeschwächte oder fehlende Pulse an der unteren Extremität sind das klassische Zeichen einer Aortenisthmusstenose oder eines unterbrochenen Aortenbogens. Ein Pulsus celer et altus (hebender Puls mit raschem Anstieg) ist Ausdruck eines Aortenlecks („run off“) und findet sich typischerweise bei einer hochgradigen Aorteninsuffizienz, einem relevanten persistierenden Ductus Botalli, einem aortopulmonalen Fenster oder einer AV-Fistel. Ein Pulsus paradoxus bezeichnet einen inspiratorischen Abfall der Blutdruckamplitude um mehr als 10 mmHg. Ein Pulsus paradoxus tritt z.B. bei einer Perikardtamponade, einer konstriktiven Perikarditis, einem relevanten Pleuraerguss oder bei Atemproblemen (z.B. Asthma) auf. Präkordium Normalerweise ist der Herzspitzenstoß in der linken Medioklavikularlinie (MCL) im 4./5. ICR zu tasten. Bei einer linksventrikulären Volumenbelastung (z.B. Links-rechts-Shunt, Aorten- bzw. Mitralinsuffizienz) ist er nach links lateral verlagert, bei einer Dextrokardie nach rechts. Unter Schwirren versteht man eine zu palpierende Vibration, die durch eine turbulente Strömung verursacht wird. Je nach Herzfehler variiert die Lage des Schwirrens: oberer linker Sternalrand (z.B. Pulmonalstenose), rechter oberer Sternalrand (z.B. Aortenstenose), unterer linker Sternalrand (VSD), suprasternal (z.B. Aortenstenose, Pulmonalstenose) oder Herzbasis (z.B. linksventrikuläre Ob- 1.3 Klinische Untersuchung struktion). Ein kontinuierliches Schwirren am linken oberen Sternalrand kommt selten bei einem großen PDA vor. MERKE: Ein Schwirren bei einer Pulmonal- oder Aortenstenose weist auf eine relevante Obstruktion hin. Abdomen Eine rechts zu palpierende Leber spricht für einen normalen viszeralen Situs, eine links zu palpierende Leber für einen Situs inversus und eine mittelständige Leber für einen Situs ambiguus bzw. eine Heterotaxie. Bei Säuglingen und jüngeren Kindern kann man die Leber gewöhnlich 2 cm unter dem Rippenbogen tasten, bei älteren Kindern etwa 1 cm unter dem Rippenbogen. Eine vergrößerte Leber spricht für einen erhöhten zentralen Venendruck und venösen Rückstau. Eine Hepatomegalie ist damit ein klassisches Zeichen einer Herzinsuffizienz. Ein Pulsieren bei der Leberpalpation spricht für einen erhöhten rechtsatrialen Druck, meist liegt gleichzeitig eine relevante Trikuspidalinsuffizienz vor. Eine Splenomegalie ist bei Kindern gewöhnlich nicht Ausdruck eines erhöhten zentralen Venendrucks oder eines venösen Rückstaus. Bei Kindern tritt eine Splenomegalie eher bei Infektionen auf. 1.3.3 Blutdruckmessung Eine nichtinvasive Blutdruckmessung sollte man routinemäßig bei jeder kinderkardiologischen Untersuchung durchführen. Um eine Aortenisthmusstenose bzw. einen unterbrochenen Aortenbogen nicht zu übersehen, muss man den Blutdruck sowohl an der oberen als auch an der unteren Extremität messen. Als Screening reicht in der Regel die Messung am rechten Arm und an einem Bein aus. Der rechte Arm wird bevorzugt, weil bei einer Aortenisthmusstenose die linke A. subclavia unter Umständen in die Stenose einbezogen sein kann. Häufig wird der Blutdruck auch an allen 4 Extremitäten gemessen. Dies hat den Vorteil, dass bei dem seltenen aberranten Ursprung der rechten A. subclavia als letztes Aortenbogengefäß distal der linken A. subclavia (als A. lusoria) bei einer Aortenisthmusstenose auch ein Blutdruckgradient gemessen wird. Würde nur der Blutdruck des rechten Armes mit dem der Beine verglichen, wäre kein Gradient festzustellen, da auch der rechte Arm von einem Gefäß (A. lusoria) versorgt wird, welches distal der Stenose entspringt. Wichtig ist die richtige Breite der Blutdruck-Manschette, die etwa zwei Drittel des Oberarmumfangs ausmachen sollte. Eine zu schmale Manschette führt zu einem falsch hohen Blutdruckwert, eine zu breite Manschett zu einem falsch niedrigen Wert. Der an den Beinen gemessene systolische Blutdruck ist in der Regel 5–10 mmHg höher als der an den Armen gemessene. Ein systolischer Blutdruck an den Armen, der mehr als 10 mmHg höher ist als an den Beinen, spricht für eine Aortenisthmusstenose. 1.3.4 1 Auskultation Die Auskultation des Herzens beinhaltet die Beurteilung der Herztöne und den Ausschluss bzw. die Beurteilung von Herzgeräuschen in den unterschiedlichen Phasen des Herzzyklus. Man auskultiert im Sitzen und Liegen und nicht nur das Präkordium und den Thorax, sondern auch den Hals und den Rücken. Das Geräusch einer Aortenisthmusstenose ist oft interskapulär am besten zu hören. Zur Auskultation verwendet man sowohl die Membran als auch die Glocke des Stethoskops. Hochfrequente Geräusche hört man am besten mit der Membran, niederfrequente Geräusche besser mit der Glocke. Der Auskultationsbefund umfasst die Beschreibung der Herztöne und bei Herzgeräuschen die Lautstärke, den Zeitpunkt innerhalb des Herzzyklus, den Charakter, die Lokalisation und ggf. die Ausstrahlung. I Herztöne 1 Herzton (S1) Der 1. Herzton (S1) ist niederfrequent und klingt dumpf. Er fällt zeitlich zusammen mit dem Schluss der Trikuspidal- und Mitralklappe und kennzeichnet damit den Beginn der Systole. In der Regel hört man bei der Auskultation den 1. Herzton als singuläres Geräusch, da beide AV-Klappen annähernd simultan schließen. Ein gespaltener 1. Herzton kann beispielsweise bei einem Rechtsschenkelblock oder einer Ebstein-Anomalie auftreten, bei denen die Trikuspidalklappe später schließt. Differenzialdiagnostisch muss ein gespaltener 1. Herzton von einem systolischen Ejektionsklick abgegrenzt werden, wie er beispielsweise bei einer Stenose der Aortenklappe oder einer Pulmonalklappe vorkommt. Der 1. Herzton wird lauter bei einem hohen Herzzeitvolumen und leiser bei einem niedrigen. 2 Herzton (S2) Der 2. Herzton (S2) ist höherfrequent als der 1. Herzton. Zu hören sind in der Regel 2 Komponenten, der Aorten- und der Pulmonalklappenschlusston (A2 bzw. P2). Den 2. Herzton hört man am besten am linken oberen Sternalrand. Gewöhnlich schließt die Aortenklappe vor der Pulmonalklappe, sodass der Aortenklappenschlusston vor dem Pulmonalklappenschlusston auftritt. Von Bedeutung ist die atemabhängige Spaltung des 2. Herztons: Während der Inspiration nimmt der venöse Rückstrom zum rechten Herzen zu. Dies führt zu einer Verlängerung der Systole des rechten Ventrikels. Entsprechend nimmt die Spaltung des 2. Herztons während der Inspiration zu. Umgekehrt verhält es sich während der Exspiration, sodass die Spaltung des 2. Herztons exspiratorisch geringer wird. Eine weite Spaltung des 2. Herztons besteht, wenn die rechtsventrikuläre Austreibung länger als gewöhnlich dauert oder die linksventrikuläre Austreibungszeit sich verkürzt. Man spricht auch von einer fixierten oder atemunabhängigen Spaltung des 2. Herztons. Wichtigstes Beispiel für eine fixierte Spaltung des 2. Herztons ist eine 7