1 AUFMERKSAMKEITS- DEFIZIT- HYPERAKTIVITÄTSSTÖRUNG © MEDICE • Iserlohn 2003 2 Deutsche Bezeichnungen: ADS Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom HKS Hyperkinetisches Syndrom ADHS Aufmerksamkeits-Defizit-HyperaktivitätsStörung Amerikanische Bezeichnungen: ADD Attention-Deficit-Disorder ADHD Attention-Deficit-Hyperactivity-Disorder © MEDICE • Iserlohn 2003 3 HISTORIE DES ADHS-Krankheitsbildes 1876 Hoffmann (Frankfurt/M.): Erste Beschreibung des komplexen Verhaltens eines hyperkinetischen Kindes („Zappelphilipp“ ) 1902 Still (England): Erste Beschreibung der Störungen als ein eigenes komplexes Krankheitsbild. Ursache: angeborene Konstitution und keine äußeren Einflüsse. 1904 Pick (Prag): Feststellung, dass das „psychomotorische Syndrom“ einer gezielten Behandlung bedarf. © MEDICE • Iserlohn 2003 4 HISTORIE DES ADHS-Krankheitsbildes 1918 / Nach der großen Grippe-Epidemie: 1923 Virale Encephalitis: Symptome eines Morbus (Europa) Parkinson Kinder mit Symptomen: impulsiver Bewegungsdrang motorische Unruhe übermäßige starke Erregbarkeit übermäßige Aggressivität erhöhte Affektlabilität fehlende Hemmungsfunktion Dopaminmangel © MEDICE • Iserlohn 2003 5 HISTORIE DES ADHS-Krankheitsbildes Ca. 1960 (USA) Keine Hirnschädigung, sondern Störung der Erregungsübertragung an den Synapsen. 1. Definition: „Minimal Brain Dysfunction“ (MBD). Ca. 1980 Barkley (USA): Defizit des Hemmungssystems im Gehirn, bleibt unbehandelt lebenslänglich bestehen. 1980 2. Definition: „Attention Deficit Hyperactivity Disorder“ (ADHD) (USA) 1987 (USA) 3. Definition: „Attention Deficit Syndrome“ (ADS). ADHD kann auch ohne Hyperaktivität und ohne gesteigerte Impulsivität auftreten. © MEDICE • Iserlohn 2003 6 HISTORIE DES ADHS-Krankheitsbildes 1999 (BRD) 2000 (BRD) Leitlinie zur Diagnose und Behandlung von hyperkinetischen Störungen. „Hyperkinetische Störungen“ (HKS) „Hyperkinetisches Syndrom“ (HKS) Allgemeiner Begriff: „Aufmerksamkeitsdefizitstörung“ Kurzbezeichnung heute: ADHS © MEDICE • Iserlohn 2003 7 © MEDICE • Iserlohn 2003 8 Biologische Risikofaktoren • AHDS tritt häufiger bei leiblichen Verwandten auf (z.B. Faraone and Biederman 1999, Zwillinge ~ 70%) • Prenatale Probleme (z.B. Alkohol, Nikotin) • Geburtskomplikationen; niedriges Geburtsgewicht • chronische Bleivergiftung → Situationsspezifisches und situationsübergreifendes ADHS sind gleich stark vererbbar © MEDICE • Iserlohn 2003 9 ADHS - Pathophysiologie Assoziierte Gene (Dopamin/Serotonin) • DAT (Dopamintransporter) (z.B. Curran et al. 2001) • DRD 2 (Dopa-2-rezeptor) (z.B. Blum et al. 1995) • DRD4-7 (Dopa-4-rezeptor-Variante!) (z.B. Faraone Meta-analysis 2001) ! • 5-HTTLPR (Serotoninrezeptor) (z.B. Manor et al. 2001) • DDC (Decarboxilase) (z.B. Hawi et al. 2001) © MEDICE • Iserlohn 2003 10 ADHS - Pathophysiologie Neuroanatomie (z.B. Gied and Castellanos AACAP 2001) • Gehirn kleiner (4%): Frontallappen rechts (8%) • Basalganglien kleiner (~ 6%) • Cerebellum kleiner (12%); vor allem Posterior-inferiorer Vermis (15%) • Fehlende Asymmetrie • → Volumetrische Unterschiede erscheinen früh, werden aufrechterhalten und entstehen nicht als Folge von Stimulantiengabe! © MEDICE • Iserlohn 2003 11 ADHS - Pathophysiologie Neurophysiologie • Entwicklungsverzögerung plus Entwicklungsabweichung im EEG/EP (Moll + Rothenberger 2000) • Verringerte corticale neuronale Aktivität frontal/temporal/parietal/Cingulum (z.B. Rubia et al. 1999, Ernst et al. 1994, Bush et al. 1999, Brandeis et al. i.p.) • Verringerte neuronale Hemmung aber höhere neuronale Aktivität in sensorimotorischen Gebieten (Moll et al. 2000, 2001, Schweitzer et al. 2000, Yordanova et al. 2001) • Verringerte neuronale Aktivität im Striatum (Rubia et al. 1998, Vaidya et al. 1998) • Verringerte Fokussierung cortikaler elektrischer Gehirnaktivität MOT/COG © MEDICE • Iserlohn 2003 12 © MEDICE • Iserlohn 2003 13 INDIVIDUELLE ENTWICKLUNG der ADHS KLEINKINDER / VORSCHULALTER bereits im Mutterleib auffällig motorisch unruhig und „lebhaft In der frühen Phase: „Schreikinder“ und „Speikinder“ auf dem Wickeltisch „schwer zu bändigen“ hohe „Experimentierfreude“ und ausgeprägtes Explorationsverhalten mit hoher Unfallgefährdung Fehlinterpretationen: „unruhiges Kind“, natürlicher Aktivitätsdrang mit hoher Originalität © MEDICE • Iserlohn 2003 14 ENTWICKLUNG der hyperkinetischen Störungen (Döpfner et al.: Dtsch. Ärzteblatt 96, 1997; A-1275 - 1278, Heft 19 modifiziert nach Trott, München 16.02.2000) GRUNDSCHULALTER Betroffen: ca. 3-5 % aller Kinder Geschlecht: m : w = 6 bis 9 : 1 Schulleistungsstörungen Klassenwiederholungen Hausaufgabendrama Emotionale Auffälligkeiten Ablenkung im Unterricht (Klassenkasper/Störenfried) Oppositionell-aggressives Verhalten (30-50 %) Teilleistungsschwächen motorische Unruhe Ablehnung durch Gleichaltrige Impulsivität Umschulungen © MEDICE • Iserlohn 2003 15 ENTWICKLUNG der hyperkinetischen Störungen (Döpfner et al.: Dtsch. Ärzteblatt 96, 1997; A-1275 - 1278, Heft 19 modifiziert nach Trott, München 16.02.2000) JUGENDALTER Mindestens 30-60 % sind noch erheblich gestört Geringes Bildungsniveau Leicht beeinflussbar Verzögerter Berufsabschluss Stimmungslabilität Starke Aufmerksamkeitsstörung Neigung zur Jugendkriminalität Aggressiv-dissoziales Verhalten erhöhtes Unfallrisiko Alkohol- und Drogenmissbrauch Risikobereitschaft Emotionale Auffälligkeiten © MEDICE • Iserlohn 2003 16 ENTWICKLUNG der hyperkinetischen Störungen (Döpfner et al.: Dtsch. Ärzteblatt 96, 1997; A-1275 - 1278, Heft 19 modifiziert nach Trott, München 16.02.2000) ERWACHSENENALTER Mindestens 30 % (bis 80 %) sind bleibend gestört geringer Beschäftigungsstatus Starke Impulsivität (mit sozialen Folgen: z. B. Kriminalität) Hohes Aktivitätsniveau Aufmerksamkeitsstörung Probleme im Beruf Organisationsdefizit („Chaot“) Arbeitsplatzverlust Sozialisationsstörungen (20 - 45 %) Polizeikonflikte Alkohol- und Drogenabhängigkeit erhöhtes Unfallrisiko Antisoziale Persönlichkeit (25 %) Sensationsbereitschaft © MEDICE • Iserlohn 2003 17 © MEDICE • Iserlohn 2003 18 Teufelskreis des hyperkinetischen Kindes Circulus vitiosus des hyperkinetischen Kindes (Trott et al. 1990) Psychomotorische Unruhe Außenseitertum Depressive Reaktion Frustration Aggressive Abwehr © MEDICE • Iserlohn 2003 19 ENTWICKLUNG der hyperkinetischen Störungen FAZIT Die ADHS ist außerordentlich häufig Männliche Personen sind wesentlich häufiger betroffen als weibliche Die ADHS-Symptome werden zu Beginn häufig fehlinterpretiert Unbehandelt bleiben die Störungen häufig bis in das Erwachsenenalter bestehen Die ADHS-Symptome und Auffälligkeiten wachsen sich nicht immer aus, sie wandeln sich im Krankheitsverlauf © MEDICE • Iserlohn 2003 20 HYPERKINETISCHE STÖRUNGEN (ADHS) Hyperkinetische Kinder sind oft achtlos und impulsiv neigen zu Unfällen werden oft bestraft, weil sie eher aus Unachtsamkeit als vorsätzlich Regeln verletzen Bei anderen Kindern sind sie häufig unbeliebt und können isoliert sein Die Beeinträchtigung kognitiver Funktionen ist häufig © MEDICE • Iserlohn 2003 21 HYPERKINETISCHE STÖRUNGEN (ADHS) Spezifische Verzögerungen der motorischen und sprachlichen Entwicklung kommen überproportional oft vor Sekundäre Komplikationen dissoziales Verhalten niedriges Selbstwertgefühl Ihre Beziehung zu Erwachsenen ist oft geprägt von einer Distanzstörung einem Mangel an Vorsicht und Zurückhaltung © MEDICE • Iserlohn 2003 22 Prognostische Faktoren • Risiken – Familiäre Belastung mit ADHS – Niedrige Intelligenz – Entwicklungsverzögerungen – Frühes Manifestationsalter – Stark ausgeprägte Hyperaktivität / Impulsivität – Komorbide psychiatrische Erkrankungen – Ungünstige psychosoziale Umstände © MEDICE • Iserlohn 2003 23 ADHS-Zukunftsrisiken (Barkley et al. 2002) • Schulversagen 36 % • Kein Collegeabschluß 83 % • Wenig/keine Freunde 60 % • Antisoziales Verhalten 45 % • Teenager-Schwangerschaft 40 % • Geschlechtskrankheiten 16 % • Verkehrsunfälle, Übertretungen ↑↑ • Substanzmißbrauch, Delinquenz ↑↑ • Depression 25 % • Persönlichkeitsstörungen 20 % © MEDICE • Iserlohn 2003 24 HYPERKINETISCHE STÖRUNGEN (ADHS) Differentialdiagnostisch sollten bei ADHS die Untergruppen beachtet werden: Hyperkinetische Störung des Sozialverhaltens Sonstige hyperkinetische Störungen Hyperkinetische Störung, nicht näher bezeichnet, d. h. hyperkinetische Reaktion der Kindheit oder des Jugendalters ohne nähere Angabe oder hyperkinetisches Syndrom ohne nähere Angabe © MEDICE • Iserlohn 2003 25 HYPERKINETISCHE STÖRUNGEN (ADHS) Differentialdiagnostisch müssen bei ADHS insbesondere ausgeschlossen werden: Störungen des Sozialverhaltens Kombinierte Störung des Sozialverhaltens und der Emotionen Emotionale Störungen des Kindesalters Störungen sozialer Funktionen mit Beginn in der Kindheit und Jugend Vorübergehende Tic-Störung Andere Verhaltens- und emotionale Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend © MEDICE • Iserlohn 2003 26 HYPERKINETISCHE STÖRUNGEN (ADHS) Differentialdiagnostisch müssen bei ADHS ferner ausgeschlossen werden: Alle affektiven Störungen = Stimmungsschwankungen Alle Angststörungen Alle Formen der Schizophrenie Alle tiefgreifenden Entwicklungsstörungen © MEDICE • Iserlohn 2003 27 DIAGNOSE: „Hyperkinetischer Kinder“ Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, Köln 1.1 Definition Kennzeichen Hyperkinetischer Störungen: Unaufmerksamkeit Überaktivität Impulsivität Auftreten der hyperkinetischen Störung (bzgl. Entwicklungsstand): in abnormem Ausmaß situationsübergreifend Beginn Störung: vor dem Alter von sechs Jahren Konstantes Auftreten in mindestens zwei Lebensbereichen/Situationen (z. B. in Schule, Familie, Untersuchungssituation) © MEDICE • Iserlohn 2003 28 DIAGNOSE: „Hyperkinetischer Kinder“ Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, Köln 1.2 Leitsymptome Unaufmerksamkeit (Aufmerksamkeitsstörung, Ablenkbarkeit) Überaktivität/Hyperaktivität motorische Unruhe und Impulsivität © MEDICE • Iserlohn 2003 Erste HINWEISE auf eine ADHS 29 Zur ersten Orientierung: Strukturiertes Interview mit Eltern von Eltern und Lehrern/Kindergarten Skalen und/oder Fragebögen ausfüllen lassen, die Störungen leicht erkennen lassen Merke: Die ADHS-Diagnose kann nur anamnestisch gestellt werden! © MEDICE • Iserlohn 2003 30 Erste HINWEISE auf eine ADHS FAZIT Exakte Diagnose und Abgrenzung zu anderen Störungen durch eindeutige, klare Klassifizierungssysteme möglich Von Experten erstellte und in der Praxis erprobte Checklisten und/oder Fragebögen ADHS-Symptome erkennbar, Störung diagnostizierbar, Schweregrad bewertbar Die Diagnose wird aufgrund der Anamnese erhoben Patienten werden hiermit leichter einer wirksamen Behandlung zugeführt. Adäquate therapeutische Konsequenzen © MEDICE • Iserlohn 2003 31 SYMPTOMKRITERIEN DER HYPERKINETISCHEN STÖRUNG A. Unaufmerksamkeit I 1. Beachtet häufig Einzelheiten nicht oder macht Flüchtigkeitsfehler bei den Schularbeiten, bei der Arbeit oder bei anderen Tätigkeiten. 2. Hat oft Schwierigkeiten, längere Zeit die Aufmerksamkeit bei Aufgaben oder Spielen aufrechtzuerhalten. 3. Scheint häufig nicht zuzuhören, wenn andere ihn ansprechen. 4. Führt häufig Anweisungen anderer nicht vollständig durch und kann Schularbeiten, andere Arbeiten oder Pflichten am Arbeitsplatz nicht zu Ende bringen. © MEDICE • Iserlohn 2003 32 SYMPTOMKRITERIEN DER HYPERKINETISCHEN STÖRUNG A. Unaufmerksamkeit II 5. Hat häufig Schwierigkeiten, Aufgaben und Aktivitäten zu organisieren. 6. Vermeidet häufig Aufgaben, hat eine Abneigung gegen Aufgaben, die länger andauernde geistige Anstrengungen erfordern (z.B. Mitarbeit im Unterricht oder Hausaufgaben). 7. Verliert häufig Gegenstände, die er/sie für Aufgaben oder Aktivitäten benötigt (z.B. Spielsachen, Hausaufgabenhefte, usw.). 8. Lässt sich durch äußere Reize leicht ablenken. 9. Ist bei Alltagstätigkeiten häufig vergesslich. © MEDICE • Iserlohn 2003 33 SYMPTOMKRITERIEN DER HYPERKINETISCHEN STÖRUNG B. Hyperaktivität 1. Zappelt häufig mit Händen oder Füßen oder rutscht auf dem Stuhl herum. 2. Steht häufig in Situationen auf, in denen Sitzenbleiben erwartet wird. 3. Läuft / klettert häufig herum in Situationen, in denen dies unpassend ist (bei Jugendlichen kann dies auf ein subjektives Unruhegefühl beschränkt bleiben). 4. Hat häufig Schwierigkeiten, ruhig zu spielen oder sich mit Freizeitaktivitäten ruhig zu beschäftigen. 5. Zeigt ein anhaltendes Muster exzessiver motorischer Aktivität das durch die soziale Umgebung oder durch Aufforderungen nicht durchgreifend beeinflussbar ist. © MEDICE • Iserlohn 2003 34 SYMPTOMKRITERIEN DER HYPERKINETISCHEN STÖRUNG C. Impulsivität 1. Platzt häufig mit der Antwort heraus, bevor die Frage zu Ende gestellt ist. 2. Kann in Gruppensituation häufig nur schwer warten, bis er/sie an der Reihe ist. 3. Unterbricht und stört andere häufig (platzt z.B. in Gespräche oder in Spiele anderer hinein). 4. Redet häufig übermäßig viel ohne angemessen auf soziale Beschränkungen zu reagieren. © MEDICE • Iserlohn 2003 35 VERHALTENSSTÖRUNGEN Unter der Diagnosegruppe „Verhaltensstörungen“ (ICD-10; F9) werden Diagnosen zusammengefasst, die bezogen auf den körperlichen und geistigen Entwicklungsstand abweichende Verhaltensmuster beinhalten, wie z.B. •F90 hyperkinetische Störungen •F91 Störungen des Sozialverhaltens •F92 kombinierte Störung des Sozialverhaltens und der Emotionen •F94 Störungen sozialer Funktionen mit Beginn in der Kindheit und Jugend (z.B. Autismus; Bindungsstörungen) •F95 Ticstörungen •F98 sonstige Verhaltens- und emotionale Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend (z.B. Einnässen, Einkoten) © MEDICE • Iserlohn 2003 36 PERSÖNLICHKEITSSTÖRUNG - Abgrenzung zur ADHS Persönlichkeitsstörungen stellen sich dar als: Ausgeprägte Kontaktstörungen hartnäckige und in Kindheit und Jugendalter kontinuierlich auftretende Erziehungsschwierigkeiten bis hin zu Dissozialität, Aggressivität und Kriminalitä Formen der Leistungsverweigerung als Folge frühkindlicher Beziehungsstörungen und darauf aufbauende Fehlentwicklungen Sie müssen abgegrenzt werden von einer harmlosen und überwiegend von der gegenwärtigen Situation bestimmten Verhaltensstörung © MEDICE • Iserlohn 2003 37 PERSÖNLICHKEITSSTÖRUNG - Abgrenzung zur ADHS Persönlichkeitsstörungen sind häufig charakterisiert durch: lang anhaltende und tiefverwurzelte Extreme menschlichen Verhaltens, Erlebens und Kommunizierens starre und unangepasste Reaktionen in persönlichen beruflichen und anderen sozialen Lebenssituationen berufliche Leistungseinbuße reduzierte soziale Interaktionsfähigkeit deutliche Einschränkungen des subjektiven Erlebens © MEDICE • Iserlohn 2003 38 KRANKHEITSBILD der ADHS Zusammenfassung Bewertung der Ausprägung der Symptome/Störungen unter Berücksichtigung der altersgemäßen Entwicklung Die ADHS ist eine Kombination von Störungen kognitiver Art - Aufmerksamkeitsdefizit, d.h. das Erkennen, Wahrnehmen und Denken betreffend psychomotorischer Art - Hyperaktivität, d.h. die Körpermotorik betreffend (konstitutions- und temperamentsabhängig) emotionaler Art - Impulsivität, d.h. Emotionen betreffend © MEDICE • Iserlohn 2003 39 MISSVERHÄLTNIS VON ANSPRUCH ZUR LEISTUNG ADHS-Kinder sind teils hoch begabt Auseinanderklaffen von persönlichem und/oder externem Anspruch und tatsächlich erbrachter Leistung Sekundäre Folgen des Missverhältnisses Anspruch zur Leistung: psychosomatische Beschwerden Misslaunigkeit Schulängste depressive und/oder aggressive Verstimmungen (mit erheblichen Schwankungen) dissoziales Verhalten © MEDICE • Iserlohn 2003 40 ADHS-Symptome - Defizite/Störungen - Folgen/Probleme ADHS-Symptome Aufmerksamkeitsstörung kognitive Prozesse Defizite/Störungen Wahrnehmung Aufnahme Folgen/Probleme leicht und rasch ablenkbar, keine Ausdauer Konzentration häufiges gedankliches Abdriften Kommunikation Lernschwierigkeiten keine Konzentration auf Sachen/Personen © MEDICE • Iserlohn 2003 41 ADHS-Symptome - Defizite/Störungen - Folgen/Probleme ADHS-Symptome Hyperaktivität Defizite/Störungen Aktivitätenwechsel gestörte Feinmotorik psychomotorische Prozesse unausgeprägte motorische Koordination Folgen/Probleme unruhig, ständig in Bewegung, etwas tun, etwas anfassen eckiger, staksiger Bewegungsablauf Tölpelhaftigkeit, Unfallrisiko © MEDICE • Iserlohn 2003 42 ADHS-Symptome - Defizite/Störungen - Folgen/Probleme ADHS-Symptome Defizite/Störungen Impulsivität Kontrolllosigkeit emotionale Stimmungswandel Prozesse Folgen/Probleme spricht, handelt, reagiert auf ersten Impuls kein Nachdenken kein Abwägen Aggression/Depression (stark wechselnd) Unfallrisiko Sozialverhalten Verhalten nicht situationsgerecht Vorgehen, Abläufe Gefühlsreaktion heftig, unerwartet (unstrukturiert) keine Akzeptanz von Regeln /Vorgaben/Personen © MEDICE • Iserlohn 2003 43 FEHLDIAGNOSEN / DIAGNOSENÜBERSCHNEIDUNGEN Gründe für Fehldiagnose: Krankheitsbild wurde nicht vollständig erfasst andere Symptome stehen im Vordergrund Diagnosenüberschneidungen Bestehen einer Begleitkrankheit altersgemäße Entwicklung wurde nicht beachtet © MEDICE • Iserlohn 2003 44 FEHLDIAGNOSEN / DIAGNOSENÜBERSCHNEIDUNGEN Diagnosenüberschneidungen (z. B.) Organische Primärstörungen (z. B.) Gestörtes Sozialverhalten Epilepsie Kommunikationsstörung Hyperthyreose Medikamenteneffekte Migräne Vergiftungen (z. B. Blei) Organische Psychosen Mögliche Fehldiagnosen (z. B.) Atypische Angststörung Kindliche Unreife Emotionale Instabilität Autismus, Stereotypie Persönlichkeitsstörung Überaktivität bei Intelligenzstörung © MEDICE • Iserlohn 2003 45 FEHLDIAGNOSEN / DIAGNOSENÜBERSCHNEIDUNGEN Häufig assoziierte Syndrome (z. B.) Assoziiertes Syndrom Symptome Soz. Verhaltensstörungen z.B. Oppositionelles Trotzverhalten Tic-Störungen Motorische/vokale Tics Zwangsstörungen Zwangshandlungen/-gedanken Teilleistungsstörungen Lese- und Rechtschreibschwäche, Schreibschwäche, Rechenschwäche © MEDICE • Iserlohn 2003 46 Funktionelle Gliederung des Nervensystems Informationsvermittlung in das ZNS ZNS Zentrales Nervensystem (Gehirn und Rückenmark) Regelt Beziehungen zur Umwelt, vermittelt Empfindungen, steuert Motorik und unterliegt unserem Willen. Bei ADHS betroffen gestörte Reizübertragung Animalisches Nervensystem Motorisches System Sensibles System Schmerz Sinnesorgane Geruch Auge Geschmack Gehör Temperatur Tastsinn Vegetatives-, autonomes Nervensystem Sympathikus ParaSympatikus PressoRezeptoren ChemoRezeptoren Metabolite Elektrolyte Säuren/Basen © MEDICE • Iserlohn 2003 47 PATHOLOGISCHER ABLAUF bei der ADHS Bei ADHS-Kindern spielt sich vermutlich folgender Vorgang ab: Ausbleiben des physiologischen Abfalls der MAO-Aktivität Neurotransmitter werden im synaptischen Spalt zu rasch und zu intensiv abgebaut Dopamintransporterdichte in der Präsynapse (z.B. Striatum) erhöht Folge: Verknappung an Neurotransmittern, die zur Impulskontrolle notwendig und wichtig sind. Die Reizübertragung ist gestört. © MEDICE • Iserlohn 2003 48 PATHOLOGISCHER ABLAUF bei der ADHS Folge der Neurotransmitterverknappung bei der ADHS: Störung der dopamin-/noradrenalin-/ serotoninvermittelten Impuls- und Aggressionskontrolle die gestörte dopamin-/noradrenalin-/ serotoninvermittelten Impuls- und Aggressions-Kontrollstörung ist keine zentrale Hirnschädigung sondern eine Reizübertragungsstörung Hemmung oder Nichterfolgen der Informationsübertragungen, weil Impuls zu gering Kind verliert Selbstkontrolle über Aufmerksamkeit, Impulse und motorische Aktivität. © MEDICE • Iserlohn 2003 49 Behandlungsindikation Beeinträchtigung / Risiken durch Störung Nutzen / Risiken der Behandlung © MEDICE • Iserlohn 2003 50 Leitlinien • European Guidelines (Taylor et al., 1998) • American Academy of Pediatrics Guidelines (1996) • American Academy of Child and Adolescent Psychiatry Practice Parameter (1991, 1997, 2002) • National Institute for Clinical Excellence (Lord & Paisley 2000) • Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (2000) • Leitlinie der Arbeitsgemeinschaft ADHS der Kinder- und Jugendärzte (2002) © MEDICE • Iserlohn 2003 Therapieplanung 51 • Individualiertes Vorgehen – Alter – Geschlecht – Intelligenz – Komorbidität – Psychosoziale Rahmenbedingungen © MEDICE • Iserlohn 2003 Behandlungsbausteine • Aufklärung & Beratung • Elterntraining • Verhaltenstherapie, z.B. 52 – Soziales Kompetenztraining – Übungsbehandlung • Pharmakotherapie • Psychosoziale Maßnahmen / Schulzentrierte Interventionen © MEDICE • Iserlohn 2003 53 Funktionsbereiche / Zielsymptomatik • Kognitive Funktionen / Schulleistungen • Sozialverhalten • Beziehungen zu Familie / Gleichaltrigen • Körperliche Parameter © MEDICE • Iserlohn 2003 54 Behandlungseffekte • • • Erfolgsparameter – Elternurteil – Lehrerurteil – Verhaltensbeobachtung Ausmaß Dauer (kurz-/ langfristig) © MEDICE • Iserlohn 2003 55 Aufklärung und Beratung Aufklärung – Störungsbild, Ursachen, Verlauf und Behandlungsmöglichkeiten Beratung – mögliche pädagogische Interventionen • Strukturierung des Tagesablaufs • Regeln für Abläufe und Pflichten vereinbaren • angemessene und klare Grenzsetzungen • positive Zuwendung • angemessene negative Konsequenzen • Deeskalationstechniken • Anleitung des Kindes/Jugendlichen zur Selbstbeobachtung und Selbststeuerung © MEDICE • Iserlohn 2003 56 Schule • Adäquate Beschulung • Stärker strukturiertes Lernen statt Freiarbeit • Klare Regeln • Nah beim Lehrer sitzen • Organisationshilfen • Vermittlung von Lerntechniken • Wechsel von Unterrichtsaktivitäten • Regelmäßiger Austausch zwischen Eltern und Lehrern (und Arzt) © MEDICE • Iserlohn 2003 57 Verhaltenstherapie • Wirksamkeit von Elterntrainings und Interventionen in der Familie sehr gut belegt, Langzeiteffekte teilweise belegt • Wirksamkeit von Interventionen in der Schule sehr gut belegt, Langzeiteffekte teilweise belegt (Barkley et al., 2001; Sonuga-Barke et al., 2001 ; MTA Cooperative Group, 1999a u. b ; Pelham et al., 1993, 1999 ; Döpfner et al., 2002 ; Conners et al., 2001; DuPaul & Eckert, 1997; Pelham et al., 1998; Hibbs et al., 2001) © MEDICE • Iserlohn 2003 58 Verhaltenstherapie • Elterntrainingsprogramme – Erziehungskompetenz verbessert / auffälliges Verhalten reduziert (z.B. Cunningham, 1995) • Elterntraining für Vorschulkinder – oppositionelles Verhalten + Hyperaktivität reduziert – Erfolg geringer, wenn Eltern auch ADHS-Symptomatik zeigen (Sonuga-Barke, 2001) • Intensive Sommerferienprogramme mit sozialem Kompetenztraining und Kontingenzmanagement – Wirksamkeit belegt (Pelham & Waschbusch, 1999) • Trainingsprogramme zur Verminderung von aggressivem oder impulsivem Verhalten – z.B. THOP - Therapieprogramm für Kinder mit hyperkinetischem und oppositionellem Problemverhalten (Döpfner et al. 1998) • Verbesserung sozialer Fertigkeiten © MEDICE • Iserlohn 2003 59 Kognitive Verfahren Erfolg abhängig von: – Alter – Sprachfähigkeiten – Behandlungsmotivation – Dauer und Intensität des Trainings • Selbstbeobachtung • Selbstinstruktionstraining • Kognitives Umstrukturieren • Interpersonelle Problemlösetraining – Wirksamkeit insgesamt nicht hinreichend belegt; vereinzelt positive Effekte – allein nicht ausreichend erfolgsversprechend (Abikoff und Gittelmann, 1985; Abikoff, 1987; Lauth et al., 1996) © MEDICE • Iserlohn 2003 60 Selbstinstruktionstraining Ziel • Verbesserung von Selbstregulation / reflexiven Problemlösungsstrategien Methode • Lernen am Modell – Schwierigkeiten erkennen / Aufmerksamkeitsfokussierung – Impulskontrolle – Entwicklung von angemessenen Handlungsplänen – Erfolgskontrolle – Selbstbestätigung • Transfer auf häusliche / schulische Situationen © MEDICE • Iserlohn 2003 61 Selbstinstruktionstraining Abb.: Signalkarten aus Döpfner et al., 1998 © MEDICE • Iserlohn 2003 62 nicht-medikamentöse Therapien I • Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie – Keine kontrollierten Studien zur Wirksamkeit • Diät-Behandlung – Ausschlussdiäten spezifischer Substanzen – Voraussetzung gute Compliance – Wirksamkeit in den meisten Studien nicht nachweisbar – Möglicherweise geringe Effekte / Subgruppe – Behandlung von Vorschulkindern (Carter, 1993; Committee on Toxicity 2000, Schulte-Körne et al., 1996; Schmidt et al., 1997) © MEDICE • Iserlohn 2003 63 nicht-medikamentöse Therapien II • Entspannungsverfahren – Keine kontrollierten Studien zur Wirksamkeit – Allenfalls ergänzende Intervention • Mototherapie, Psychomotorik, Ergotherapie – Keine kontrollierten Studien zur Wirksamkeit – Problem: Transfer – Als ergänzende Maßnahme empfohlen • Neurofeedback – Studien zeigen, dass Kinder mit ADHS von Neurofeedback profitieren können © MEDICE • Iserlohn 2003 64 Stimulantientherapie Mittel der Wahl – Methylphenidat, Dextroamphetamin Wirkungsmechanismus – Wiederaufnahmehemmung von Dopamin (Noradrenalin) u.a. durch DopamintransporterBlockade (MPH + AMP) – Freisetzung von Monoaminen in Synapse (AMP) © MEDICE • Iserlohn 2003 65 METHYLPHENIDAT Zulassung für ADHS in der BRD + Wirkungseintritt schnell (nach 30 - 60 Min.), zuverlässig Wirkungsdauer kurz Halbwertzeit Max. Plasmakonzentration Einnahmehäufigkeit Metabolismus 1,5 - 3 Std. 1 - 2 Std. 2x täglich ggf. häufiger bis zu alle 3 Std. Abbau in der Leber Tagesdosis max. 60 mg BTM-Rezept ja Klinische Erfahrung/ Dokumentation/Studien weltweit sehr groß, auch in der BRD gut dokumentiert Abhängigkeitspotential vorhanden, sehr gering Nebenwirkungen (spezifische) leichte Erhöhung der Leberwerte © MEDICE • Iserlohn 2003 66 PSYCHOSTIMULANZIEN IM VERGLEICH PEMOLIN Zulassung für ADHS in der BRD + Wirkungseintritt akut und protrahiert (individuell) zuverlässig Wirkungsdauer lang Halbwertzeit 8 - 12 Std. Max. Plasmakonzentration 2 - 4 Std. Einnahmehäufigkeit 1x täglich Metabolismus zu 60 % in der Leber mit kompliziertem Abbau 40% unverändert über den Urin Tagesdosis min. 20 mg bis max. 60 mg BTM-Rezept nein Klinische Erfahrung/ Dokumentation/Studien Weltweit groß, in BRD wenig bekannt Abhängigkeitspotential Nicht bekannt, minimal Nebenwirkungen (spezifische) Leberschädigungen; Vorsichtsmaßnahmen! © MEDICE • Iserlohn 2003 67 PSYCHOSTIMULANZIEN IM VERGLEICH D-AMFETAMIN Zulassung für ADHS in der BRD Kein Fertigarzneimittel Wirkungseintritt schnell (nach 30-60 Min.) zuverlässig Wirkungsdauer Länger als MPH Halbwertzeit Max. Plasmakonzentration Einnahmehäufigkeit Metabolismus 5 - 8 Std. Keine Angaben 2x täglich Leber, teils in der Niere Tagesdosis max. 40 mg BTM-Rezept ja Klinische Erfahrung/ Dokumentation/Studien weltweit sehr groß, auch in der BRD gut dokumentiert Abhängigkeitspotential Höher als MPH Nebenwirkungen (spezifische) Keine spezifischen Nebenwirkungen © MEDICE • Iserlohn 2003 68 Anwendungsprinzipien • Ausschluss von Kontraindikationen • Aufklärung und informierte Zustimmung • Sorgfältige individuelle Titration der Dosierung • Dosierungsintervall an Wirkzeit anpassen • Regelmäßige systematische Verlaufskontrollen der Zielparameter • Regelmäßige Auslassversuche • Beachtung unerwünschter Arzneimittelwirkungen © MEDICE • Iserlohn 2003 69 PSYCHOSTIMULANZIEN bei der ADHS Psychostimulanzien: Ähnlichkeit mit Struktur der Neurotransmittern Dopamin und Noradrenalin Mittel der Wahl Methylphenidat, Dextroamphetamin Wirkungsmechanismus Wiederaufnahmehemmung von Dopamin (Noradrenalin) u.a. durch Dopamintransporter- Blockade (MPH + AMP) Freisetzung von Monoaminen in Synapse (AMP) © MEDICE • Iserlohn 2003 70 NEUROTRANSMISSION Erregungsübertragung an der Synapse vom zuleitenden Nerv auf den Rezeptor des empfangenden Nerves Ankommender elektrischer Impuls Dentrit des zuleitenden Nerves Vesikel Präsynapse Axon Neurotransmitter (biochemischer Stoff) Neurotransmitter Neurotransmitter Empfangene Erregung Elektrische Weiterleitung 1. Schritt: Elektrischer Impuls 2. Schritt: Neurotransmitterfreisetzung (aus den Vesikeln der Präsynapse) Synaptischer Spalt Rezeptor Postsynapse Empfangender Nerv Dentrit des ableitenden Nerves 3. Schritt: Diffusion des Neurotransmitters in den synaptischen Spalt 5. Schritt: Elektrische Weiterleitung der Erregung 4. Schritt: Aufnahme des Neurotransmitters in der Postsynapse © MEDICE • Iserlohn 2003 71 © MEDICE • Iserlohn 2003 72 Anwendungsbeschränkungen MPH Methylphenidat: nach internationalen Standards hoch wirksam und unbedenklich in der Anwendung bei der ADHS (130 kontrollierte klinische Studien) Relativ kontraindiziert, bei endogener Depression, Angsterkrankungen, Magersucht Gilles de la Tourette-Syndrom familiärem Vorkommen von motorisch-verbalen Tics Erkrankungen des schizophrenen Formenkreises mittelschwerem und schwerem Bluthochdrucks arterieller Verschlusskrankheit © MEDICE • Iserlohn 2003 73 Anwendungsbeschränkungen MPH Methylphenidat: nach internationalen Standards hoch wirksam und unbedenklich in der Anwendung bei der ADHS (130 kontrollierte klinische Studien) Relativ kontraindiziert, bei schwere Angina pectoris, Hypertonie tachykarden Arrhythmien Zustand nach Schlaganfall Prostatahyperplasie Hyperthyreose Schwangerschaft Abhängigkeiten und Substanzmissbrauch Bei Kindern unter 6 Jahren lagen (Stand: 1992) noch keine ausreichenden klinischen Daten zur Bewertung vor (zwischenzeitlich gibt es auch hier kontrollierte klinische Studien) © MEDICE • Iserlohn 2003 74 Stimulantien - Wirksamkeit • Responderrate ca. 75% • individuelle Titration optimiert Therapie • Effektstärken vs. Placebo: – 0,8 – 1,0 Verhaltensmaße – 0,6 - 0,8 kognitive Parameter, Verringerung der Kernsymptomatik • Wirksamkeit D-Amphetamin MPH 38% gleich effektiv, 35% besser DAMP, 26% besser MPH • Kurzzeitwirksamkeit im Alter von 6 - 12 Jahren gut belegt • Langzeitwirksamkeit über 12- 24 Monate noch wenig erforscht • Verbesserung begleitender Beeinträchtigungen (Spencer et al., 1996, Riddle et al., 2001; Swanson et al., 1993 Jadad et al., 1999; Lord & Paisley, 2000; Pliszka et al., 200a u. b; MTA Cooperative Group, 1999a u. b ; Greenhill et al., 1996) ; Gillberg et al., 1997) © MEDICE • Iserlohn 2003 75 Differentielle Stimulantieneffekte • Aufmerksamkeitsdefizit (Taylor et al., 1987; Buitelaar et al., 1995) • Schweregrad uneinheitlich – Abnahme vs. Ausmaß nach Behandlung • Kindergartenalter < Schulalter (?) • Unabhängig von – Komorbidität mit SSV – Positiver Familienanamnese mit ADHS – Ungünstigen Familienverhältnisse – Sprachentwicklungsstörungen – Motorischen Entwicklungsstörungen (Spencer et al., 1996) © MEDICE • Iserlohn 2003 76 SCHRIFTPROBEN EINES 12-JÄHRIGEN HYPERAKTIVEN JUNGEN: Ohne Medikamentengabe: Niedrige Medikamentendosierung (nachmittags): Volle Medikamentendosierung (vormittags): © MEDICE • Iserlohn 2003 EXPERTENMEINUNGEN ZU PSYCHOSTIMULANZIEN 77 Unmittelbare Effekte von Psychostimulanzien (Methylphenidat) (Quelle: Döpfner et. al. 1996) Verbesserung der Konzentrationsfähigkeit . Verminderung von hyperkinetischem Verhalten. . Verbesserung der sozialen Beziehungen. Beliebtheit in der Gleichaltrigengruppe steigt, Freunde werden gewonnen. © MEDICE • Iserlohn 2003 EXPERTENMEINUNGEN ZU PSYCHOSTIMULANZIEN 78 Unmittelbare Effekte von Psychostimulanzien (Methylphenidat) (Quelle: Döpfner et. al. 1996) Verminderung der Impulsivität . bei einfachen Aufgaben Verminderung von impulsivem Verhalten im Unterricht, in der Familie, in der Freizeit. Verbesserung der Mutter-Kind-Interaktion. Verhalten: Kind - Mutter Reaktionen der Mutter auf das Kind Kind beachtet häufiger Aufforderungen der Mutter. Mutter schenkt dem Kind vermehrt Aufmerksamkeit © MEDICE • Iserlohn 2003 EXPERTENMEINUNGEN ZU PSYCHOSTIMULANZIEN 79 Unmittelbare Effekte von Psychostimulanzien (Methylphenidat) (Quelle: Döpfner et. al. 1996) Verbesserung der Produktivität und Genauigkeit der schulischen Leistungen Verminderung von aggressivem Verhalten vor allem bei höherer Dosierung. Verbesserung der Lehrer-/Schüler-Interaktion im Kindergarten und im Unterricht. Erzieher oder Lehrer benutzen seltener kontrollierende verhaltenssteuernde oder disziplinierende Maßnahmen. © MEDICE • Iserlohn 2003 80 Teufelskreis des hyperkinetischen Kindes „Mit Psychostimulanzien kann der Circulus vitiosus des ADHSPatienten, insbesondere der ADHS-Kinder, heute hochwirksam, unproblematisch bzgl. Wirksamkeit, Verträglichkeit, Pharmakologie praktisch nebenwirkungsfrei durchbrochen werden“. (Prof. G.-E. Trott, Vortrag am 16.02.2000, München) „Mit einer kontinuierlichen Psychostimulanzien-Behandlung kann heute bei den ADHS-Patienten von Kleinkindesalter an bis in das Erwachsenenalter hinein ein Normalzustand dauerhaft gehalten werden“. (Prof. G.-E. Trott, Vortrag am 16.02.2000, München) © MEDICE • Iserlohn 2003 Medikation - Ansprechraten Management of ADHD; Wilens, 2000 81 © MEDICE • Iserlohn 2003 82 Stimulantien - unerwünschte Arzneimittelwirkungen • Appetitminderung, Übelkeit • Einschlafstörung • Missstimmung, Weinerlichkeit, sozialer Rückzug • Schwindel, Kopfschmerz, Bauchschmerz • Verstärkte Unruhe am Ende der Medikamentenwirkung „Rebound“ • Auslösung / Verschlechterung von Tics Dosisabhängig • Emotionale oder kognitive Einengung, Mangel an Spontaneität, perseverierende Verhaltensweisen, Stereotypien • Puls- und Blutdruckerhöhung Sehr selten • Psychotische Symptomatik © MEDICE • Iserlohn 2003 83 Kontrolle von Nebenwirkungen • Abwarten unter engmaschiger Kontrolle • Verminderung der Dosis • Änderung der Einnahmezeiten • Wechsel des Medikamentes © MEDICE • Iserlohn 2003 84 MTA-Studie Multimodal Treatment Study of Children with ADHD • 579 ADHS-Kinder (DSM-IV: kombinierter Typ) • 7-9 Jahre alt, 20% Mädchen • Behandlungszeitraum: 14 Monate • Gruppen: 1. Sorgfältig überwachte medikamentöse Therapie (individualisierte Titration) 2. Intensive verhaltenstherapeutische Behandlung 3. Kombination beider Behandlungen 4. Gewöhnliche Routinebehandlung © MEDICE • Iserlohn 2003 85 Ergebnisse MTA Hyperkinetische Symptomatik – Komb = Med; VT = CC Aggressives Verhalten – Komb = Med = VT; Komb, Med > CC; VT > CC Internale Symptomatik – Komb = Med; Komb > VT, CC; Med = VT = CC Soziale Kompetenzen – Komb = Med = VT; Komb, Med ≥ CC; VT = CC Erziehungskompetenzen – Komb = Med = VT; Komb ≥ CC © MEDICE • Iserlohn 2003 86 Ergebnisse der MTA-Studie Alle Behandlungsbedingungen wirkungsvoll, aber Medikationsmanagement + Verhaltenstherapie Medikationsmanagement vergleichbar + wirkungsvoller als Verhaltenstherapie „Community treatment“ (Conners et al. 2001, Jensen et al. 2001, Swanson et al. 2001, Vitiello et al. 2001) © MEDICE • Iserlohn 2003 87 Kritische Anmerkungen MTA • keine unbehandelten Gruppen • durchschnittlich höhere Dosierung • Med: monatliche Beratung und sorgfältige individuelle Titrierung • Keine individualisierte VT (Greene & Ablon, 2001) • Bzgl. Langzeiteffekte multimodale Therapie möglicherweise wirksamer (Satterfield et al., 1981;1987) © MEDICE • Iserlohn 2003 FAZIT 88 PROBLEME der ADHS-Kinder ADHS-Kinder haben aufgrund ihrer Aufmerksamkeitsstörung erhebliche Probleme in den Bereichen: Wahrnehmung Sozialverhalten Lernen ADHS-Kinder haben aufgrund ihrer Hyperaktivität erhebliche Probleme in den Bereichen: Umweltanpassung Gruppenverhalten Motorische Koordination (häufig Unfälle) © MEDICE • Iserlohn 2003