- Goldener Schnitt Nur ein Teilungsverhältnis oder fundamentales Geheimnis des Universums? Inhaltsverzeichnis Kapitel Seite Vorwort…………………………………………………………………………….... 2 1. Mathematische Grundlagen des Goldenen Schnittes…………………. 1.1. Was ist der „Goldene Schnitt“?.............................................................. 1.2. Nähere Betrachtung des Teilungsverhältnisses – Herleitung der Zahlen τ und ρ………………………………………………………………. 1.3. Die Zahlen τ und ρ………………………………………………………….. 3 3 1.3.1. Allgemeine Eigenschaften………………………………………………………… 1.3.2. Linealisierung der Potenzen des Goldenen Schnittes………………………… 4 5 3 4 1.4. Geometrische Verfahren zur Konstruktion des Goldenen Schnittes…………………………………………………………………….. 7 1.4.1. 1.4.2. 1.4.3. 1.4.4. „Die klassische Konstuktion“……………………………………………………… „Die beliebte Konstruktion“………………………………………………………... Konstruktion des Goldenen Schnittes nach Euklid……………………………... Das Verfahren mit „äußerer Teilung“…………………………………………….. 7 8 9 10 2. Vorkommen des Goldenen Schnittes in der Mathematik……………… 2.1. Angewandter Goldener Schnitt……………………………………………. 11 11 2.1.1. Goldenes Rechteck………………………………………………………………… 2.1.2. Die Goldenen Dreiecke – das spitze und das stumpfe………………………… 2.1.3. Goldener Winkel Ψ…………………………………………………………………. 11 12 15 2.2. Entdeckt und bewiesen – Vorkommen des Goldenen Schnittes ohne beabsichtigtes Anwenden…………………………………………………. 15 2.2.1. Regelmäßiges Fünfeck – Pentagramm – regelmäßiges Zehneck…………… 2.2.2. Der Goldene Schnitt im Ikosaeder……………………………………………….. 2.2.3. Die Reihe der Fibonacci-Zahlen………………………………………………….. 2.2.3.1. Der Stammbaum einer Drohne als Beispiel für die Fibonacci-Reihe……….. 2.2.3.2. Mathematische Eigenschaften der Fibonacci-Reihe………………………….. 15 18 18 18 20 3. Vorkommen des Goldenen Schnittes außerhalb der Mathematik…… 3.1. Der Goldene Schnitt in der Biologie……………………………………… 22 22 3.1.1. Goldener Schnitt in der Anatomie………………………………………………… 3.1.2. Goldener Schnitt in der Botanik ………………………………………………….. 22 23 3.2. 3.3. 3.4. Der Goldene Schnitt in der Architektur…………………………………… Der Goldene Schnitt in der Kunst…………………………………………. Der Goldene Schnitt in der Musik………………………………………… 24 25 25 4. Die Historie des Goldenen Schnittes……………………………………… 4.1. Der Goldene Schnitt in der Antike: Pythagoräer – Euklid……………… 4.2. Der Goldene Schnitt in der Renaissance………………………………… 4.3. Der Goldene Schnitt von der Frühen Neuzeit bis zur Gegenwart…….. 26 26 27 28 5. Die Popularität des Goldenen Schnittes…………………………………. 29 Nachwort……………………………………………………………………………. Glossar………………………………………………………………………………. Literaturverzeichnis………………………………………………………………. Erklärung……………………………………………………………………………. 30 31 31 31 31 - Goldener Schnitt Nur ein Teilungsverhältnis oder fundamentales Geheimnis des Universums? Vorwort Der Begriff des „Goldenen Schnittes“ wird wahrscheinlich keinem ganz fremd erscheinen – allerdings wissen abgesehen von Architekten und Mathematikern vermutlich nur wenige, worum es sich dabei im Einzelnen handelt. Bevor ich mich entschloss, meine Jahresarbeit diesem Thema zu widmen, gehörte ich wie die meisten anderen zu denjenigen, die ausschließlich durch kurzes Ansprechen im schulischen Unterricht im Groben wissen, worum es sich bei diesem Ausdruck handelt. Ich muss eingestehen, dass der Grund, der mich dazu veranlasste, meine Facharbeit über den Goldenen Schnitt zu schreiben, zunächst einmal nicht das Thema an sich war, sondern der Wunsch, aufgrund meiner Vorliebe für Mathematik meine Arbeit in eben diesem Fach zu schreiben. Jedoch wurde ich bei meiner Suche nach einem passenden Thema schnell auf den Goldenen Schnitt, einem einzigartigen Phänomen in der riesigen Welt der Mathematik, aufmerksam und mein Interesse dafür steigerte sich umso mehr, je weiter ich mich mit diesem Gebiet befasste. Meine Annahme, dass dieses Thema nicht genug Stoff für meine Abhandlung liefern würde, wurde sehr schnell widerlegt. Im Gegenteil: Aufgrund der Fülle an höchst interessantem Material sehe ich mich gezwungen in dieser Arbeit einen Schwerpunkt zu setzen. Ich habe mich entschlossen mehr auf die „mathematischen“ den Goldenen Schnitt betreffenden Dinge einzugehen als auf Aspekte wie seine Geschichte oder sein Vorkommen in Kunst und Natur. Allerdings werde ich auch diese Bereiche nicht ganz außer Acht lassen. Alles in einem soll dies nach meinem Wunsch eine schwerpunktmäßig mathematische Facharbeit werden, in der die mathematischen Eigenschaften des als „Goldener Schnitt“ benannten Teilungsverhältnisses in den Vordergrund gestellt werden. Mithilfe der insbesondere mathematischen und anderer Besonderheiten möchte ich Ihnen und mir durch diese Arbeit zu erklären versuchen, woher die große Popularität des Goldenen Schnittes rührt. Aufgrund meiner Schwerpunktsetzung besteht die gesamte Jahresarbeit aus zwei Teilen: Der erste von ihnen beinhaltet die ersten beiden – nicht unwesentlich größeren – mathematischen Kapitel und der zweite die restlichen nichtmathematischen Kapitel. Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen beim Lesen meiner Arbeit und hoffe, dass ich Sie mit neuen Erkenntnissen bereichern kann. Anmerkung: kursiv und blau geschriebene Wörter sind im Glossar erläutert 31 - Goldener Schnitt Nur ein Teilungsverhältnis oder fundamentales Geheimnis des Universums? 1. Mathematische Grundlagen des Goldenen Schnittes 1.1. Was ist der „Goldene Schnitt“? Der Goldene Schnitt beschreibt die Teilung einer Strecke, bei der das Verhältnis des längeren Teilstücks zum kürzeren mit dem Verhältnis der gesamten Strecke zum längeren Teilstück übereinstimmt. Teilung einer Strecke nach dem Goldenen Schnitt Bezeichnet man gemäß der obigen Abbildung die längere Teilstrecke als a und die kürzere als b, erhält man folgende Gleichung, die den Goldenen Schnitt beschreibt: a a+b = b a 1.2. Nähere Betrachtung des Teilungsverhältnisses – Herleitung der Zahlen τ und ρ Der Quotient aus dem längeren Teilstück a und dem kürzeren Teilstück b der durch den Goldenen Schnitt geteilten Strecke ist konstant und wird mit dem griechischen Buchstaben τ (ausgesprochen „tau“; bezieht sich auf das griechische Wort „tome“ für „Schnitt“1.) bezeichnet2: a a+b = =τ b a Demzufolge gilt a = b ⋅ τ . Man nehme nun, um die Größe von τ zu ermitteln, an, dass die Länge der kürzeren Teilstrecke b = 1 betrage und bezeichne die längere Teilstrecke a als x, sodass gelte x = 1 ⋅ τ bzw. x = τ . Eingesetzt in die obere Gleichung ergibt sich Folgendes: x x +1 = 1 x Durch Umformen erhält man diese quadratische Gleichung: 1 Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Goldener_Schnitt Vgl. Walser, Hans; Der Goldene Schnitt, Stuttgart; Leipzig: Teubner; Zürich: Verl. der Fachvereine, 1993, S.12 f. 2 31 - Goldener Schnitt Nur ein Teilungsverhältnis oder fundamentales Geheimnis des Universums? x2 − x −1 = 0 die durch Anwenden der pq-Formel und erneutes Umformen für x zwei Ergebnisse liefert: 1 +1 4 x1 = 0,5 + ∩ x 2 = 0,5 − 1 +1 4 x1 = 1 5 + 2 2 ∩ x2 = 1 5 − 2 2 x1 = 1+ 5 2 ∩ x2 = 1− 5 2 x1 ≈ 1,618 ∩ x 2 ≈ −0,618 Da der Quotient positiv sein muss, ist mit x1 = 1+ 5 ≈ 1,618 ein eindeutiges Ergebnis 2 für τ gegeben; es gilt also: τ= 1+ 5 ≈ 1,618 2 So wie die Zahl τ das Verhältnis der längeren Teilstrecke zur kürzeren beschreibt, steht ihr Kehrwert für das Verhältnis der kürzeren Teilstrecke zur längeren. Dieser wird mit dem griechischen Buchstaben ρ (ausgesprochen: „rho“) beschrieben3 und beträgt ca. 0,618. Es gilt also: ρ= 1.3. 1 τ = b a 2 = = ≈ 0,618 a a + b 1+ 5 Die Zahlen τ und ρ 1.3.1. Allgemeine Eigenschaften Die beiden Zahlen τ und ρ sind irrational, d.h. sie können nicht durch den Quotienten zweier ganzer Zahlen ausgedrückt werden. Für sie beide gelten folgende Beziehungen4: 3 4 Vgl. Walser, S.12 f. Vgl. Walser, S.13 31 - Goldener Schnitt Nur ein Teilungsverhältnis oder fundamentales Geheimnis des Universums? τ ⋅ρ =1 τ +ρ = 5 τ − ρ =1 ρ2 + ρ =1 τ 2 −τ = 1 Die quadratische Gleichung x 2 − x − 1 = 0 aus → Kap.1.2. hat die beiden Lösungen x1 = τ und x2 = -ρ. Wenn man bei der Anwendung des Goldenen Schnittes auf eine Strecke mit der Annahme, dass das kürzere Teilstück b = 1 lang werden soll, das längere Teilstück a berechnen möchte, erhält man aus der Gleichung x 2 + x − 1 = 0 die beiden Ergebnisse x1 = ρ und x2 = -τ. Diese beiden Gleichungen x2 + x −1 = 0 x2 = 1− x x2 − x −1 = 0 x2 = x +1 sind „die beiden Schlüsselgleichungen für den Goldenen Schnitt“5. 1.3.2. Linealisierung der Potenzen des Goldenen Schnittes6 Dadurch, dass τ eine Lösung der Gleichung x2 = x +1 ist, und dass somit gilt τ 2 = τ + 1, kann τ2 durch den linearen Ausdruck τ + 1 ersetzt werden und höhere Potenzen von τ können durch einen linearen Ausdruck in τ ersetzt werden, beispielsweise τ3: τ 3 = τ 2τ = (τ + 1)τ = τ 2 + τ = τ + 1 + τ = 2τ + 1 oder τ4: τ 4 = τ 3τ = (2τ + 1)τ = 2τ 2 + τ = 2(τ + 1) + τ = 3τ + 2 Wenn man die Gleichung τ 2 = τ +1 mit τn multipliziert, erhält man folgende allgemeine Beziehung: τ n + 2 = τ n +1 + τ n Kennt man die linearen Ausdrücke für τn+1 und τn, erhält man nun durch Addition den linearen Ausdruck für τn+2: 5 6 Vgl. Walser, S.13 Vgl. Walser, S.73 ff. 31 - Goldener Schnitt Nur ein Teilungsverhältnis oder fundamentales Geheimnis des Universums? Linealisierung der Potenzen von τ7 τ0 = 1 = 1 τ1 = τ = τ τ2 = τ +1 = τ +1 τ3 = τ 2 +τ = 2τ + 1 τ4 = τ 3 +τ 2 = 3τ + 2 τ5 = τ 4 +τ 3 = 5τ + 3 τ6 = τ 5 +τ 4 = 8τ + 5 … ... … … … τ n+2 = τ n +1 + τ n = a n + 2τ + a n +1 Die neue Zeile ist jeweils die Summe aus den beiden vorhergehenden. Die Koeffizienten an in τ n = a nτ + a n −1 , n ∈ {2,3,4,...} sind die so genannten Fibonacci-Zahlen (→ Kap. 2.4.). Sie werden entsprechend der obigen Tabelle folgendermaßen definiert: a n + 2 = a n +1 + a n Da –ρ wie τ eine Lösung der Gleichung x2 = x +1 ist, muss für sie ebenfalls gelten: (− ρ ) n + 2 = (− ρ ) n +1 + (− ρ ) n (− ρ ) n = a n (− ρ ) + a n −1 , n ∈ {2,3,4,...} 7 Vgl. Walser, S.74 (verändert) 31 - Goldener Schnitt Nur ein Teilungsverhältnis oder fundamentales Geheimnis des Universums? 1.4. Geometrische Verfahren zur Konstruktion des Goldenen Schnittes Es gibt viele Möglichkeiten, den Goldenen Schnitt zu konstruieren. Konstruktionsverfahren, die einzig mit Lineal und Zirkel auskommen, waren in der Vergangenheit, als man keine so große Auswahl an Hilfsmitteln wie z.B. den Computer hatte wie heute, von großer Bedeutung. Vier solche Verfahren, mit deren Hilfe der Goldene Schnitt konstruiert werden kann, sollen hier präsentiert und bewiesen werden. 1.4.1. „Die klassische Konstuktion“ 8 Dieses Verfahren ist laut Hans Walser das bekannteste. Anleitung: 1 Man zeichne ein rechtwinkliges Dreieck ABC mit den Katheten a = 1 und b = ½ 2 Anschließend konstruiere man um den Punkt A einen Kreis mit dem Radius b = ½ 3 Man bezeichne daraufhin den inneren Schnittpunkt des Kreises mit der Hypotenuse c als Punkt D und den äußeren mit ihrer Verlängerung als Punkt E. Klassische Konstruktion des Goldenen Schnittes9 Die Strecke BE wird vom Punkt D nach dem Goldenen Schnitt geteilt. Beweis: 2 5 −1 1 1 BD = 12 + − = =ρ 2 2 2 DE = BE − BD = τ − ρ = 1 8 9 2 5 +1 1 1 BE = 12 + + = =τ 2 2 2 BE DE = τ 1 =τ Vgl. Hans Walser: Der Goldene Schnitt, 1993, S.32 eigenständig angefertigt mit EUKLID Dynageo 2.2d 31 - Goldener Schnitt Nur ein Teilungsverhältnis oder fundamentales Geheimnis des Universums? 1.4.2. „Die beliebte Konstruktion“10 Dieses Verfahren ist „wegen seiner Einfachheit beliebt“11. Anleitung: Die Schritte 1 und 2 entsprechen den ersten beiden Schritten der „Klassischen Konstruktion“. Weiter geht es folgendermaßen: 3 Man bezeichne den Schnittpunkt des Kreises mit der Hypotenuse c als Punkt D 4 Daraufhin zeichne man um den Punkt B einen Kreis mit dem Radius r = BD 5 Anschließend bezeichnet man den Schnittpunkt des Kreises um Punkt B mit der Kathete a als Punkt S Die „beliebte“ Konstruktion des Goldenen Schnittes12 Der Punkt S teilt die Strecke BC im Verhältnis des Goldenen Schnittes. Beweis: 2 5 −1 1 1 BS = BD = 12 + − = =ρ 2 2 2 BC BS = 1 ρ BC = a = 1 =τ 10 Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Goldener_Schnitt Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Goldener_Schnitt 12 eigenständig angefertigt mit EUKLID Dynageo 2.2d 11 31 - Goldener Schnitt Nur ein Teilungsverhältnis oder fundamentales Geheimnis des Universums? 1.4.3. Konstruktion des Goldenen Schnittes nach Euklid13 Diese Anleitung geht auf den griechischen Mathematiker Euklid (325-270 v.Chr.; → Kap.4.1.) zurück: 1 Man zeichne ein rechtwinkliges Dreieck ABC mit den Katheten a = 1 und b = ½ 2 Anschließend konstruiere man um den Punkt A einen Kreis mit dem Radius r = AB 3 Man bezeichne daraufhin den Schnittpunkt des Kreises um Punkt A mit der Verlängerung von AC als Punkt D 4 Zuletzt konstruiere man um den Punkt C einen Kreis mit dem Radius r = CD und bezeichne den Schnittpunkt dieses Kreises mit der Strecke BC als Punkt S Konstruktion des Goldenen Schnittes nach Euklid14 Der Punkt S teilt die Strecke BC nach dem Goldenen Schnitt. Beweis: AD = AB = BC CD 13 14 = 1 ρ 5 2 CD = AD − AC = 5 1 5 −1 − = =ρ 2 2 2 BC = 1 =τ Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Goldener_Schnitt eigenständig angefertigt mit EUKLID Dynageo 2.2d 31 - Goldener Schnitt Nur ein Teilungsverhältnis oder fundamentales Geheimnis des Universums? 1.4.4. Das Verfahren mit „äußerer Teilung“15 Diese Konstruktion wird so bezeichnet, weil der zu konstruierende Punkt nicht auf der Ausgangsstrecke liegt. Anleitung: 1 Man zeichne ein gleichschenklig-rechtwinkliges Dreieck ABC mit den Katheten a = 1 und b = 1 2 Anschließend konstruiere man den Mittelpunkt M der Kathete a 3 Man Zeichne um den Punkt M einen Kreis mit dem Radius r = AM 4 Anschließend bezeichne man den Schnittpunkt dieses Kreises mit der Verlängerung von BC als Punkt D Konstruktion des Goldenen Schnittes mit „äußerer Teilung“16 Der Punkt C teilt die Strecke BD im Verhältnis des Goldenen Schnittes. Beweis: CD = MA − 15 16 1 5 1 BC = − =ρ 2 2 2 BC CD = 1 ρ =τ Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Goldener_Schnitt eigenständig angefertigt mit EUKLID Dynageo 2.2d 31 - Goldener Schnitt Nur ein Teilungsverhältnis oder fundamentales Geheimnis des Universums? 2. Vorkommen des Goldenen Schnittes in der Mathematik Die Teilung einer Strecke nach dem Verhältnis des Goldenen Schnittes ist nicht der einzige Fall in der Mathematik, bei der der Quotient zweier „Objekte“ der Zahl τ bzw. ρ entspricht. Wie wir gleich feststellen werden, ergeben sich durch Anwendung der Proportionen des Goldenen Schnittes auf geometrische Figuren wie beispielsweise Rechtecke, Dreiecke oder Kreise zahlreiche besondere Eigenschaften, die zu einem nicht geringen Teil zur Popularität der „göttlichen Teilung“ beitragen. Zusätzlich findet man in der riesigen Welt der Mathematik aber auch Fälle, bei denen die „Göttliche Teilung“ auftaucht, obwohl sie dort nicht bewusst angewandt wurde – so z.B. beim Pentagramm oder bei der jedem Mathematiker bekannten Reihe der Fibonacci-Zahlen, die wir bereits bei der Linealisierung von τ und –ρ angetroffen haben. Mit diesen und weiteren Fällen befasst sich dieses Kapitel. 2.1. Angewandter Goldener Schnitt 2.1.1. Goldenes Rechteck17 Man betrachte folgendes Problem: Wie muss man die Seitenlängen eines Rechtecks wählen, damit nach Abschneiden eines Quadrates von diesem ein weiteres Rechteck entsteht, das der Ausgangsfigur ähnlich ist? Zur Bestimmung dieses Rechtecks bezeichne man seine längere Seite als a und die kürzere als b. Nach Abschneiden eines Quadrates mit der Seitenlänge b erhält man ein neues Rechteck mit den Seiten a’ = b und b’ = a-b. Damit die Ähnlichkeit des erhaltenen Rechtecks mit dem Ausgangsrechteck gegeben ist, muss gelten a a' a b = = b b' b a −b Wenn man nun annimmt, dass die Länge des Ausgangsrechtecks a = 1 und seine Breite b = x betrage, erhält man folgende Gleichung: 1 x = x 1− x Diese Gleichung liefert das positive Ergebnis x1 = ρ (das negative Ergebnis x2= -τ wird nicht berücksichtigt, weil für die Seitenlänge des Rechtecks nur positive Ergebnisse in Frage kommen) und somit auch den Beweis, dass ein Rechteck, welches der obigen Voraussetzung entspricht, ein Goldenes Rechteck ist: 17 Vgl. Walser, S.42 ff. 31 - Goldener Schnitt Nur ein Teilungsverhältnis oder fundamentales Geheimnis des Universums? a b 1 = = =τ b a −b ρ Goldenes Rechteck18 Wenn man nun von dem erhaltenen Rechteck mit den Seiten a’ und b’ ein Quadrat mit der Seitenlänge b’ abschneidet, erhält man ein Rechteck, das logischerweise wiederum den beiden vorhergegangenen ähnlich ist. Dieser Schritt lässt sich beliebig oft mit dem gleichen Ergebnis wiederholen; natürlich muss dabei vorausgesetzt werden, dass das Ausgangsrechteck „golden“ ist: a b a−b 2b − a = = = = ... = τ b a − b 2b − a 2a − 3b Bei spezieller Betrachtung des goldenen Rechtecks mit der Länge a = 1 und der Breite b = ρ stellt man eine weitere Eigenschaft der Zahl ρ fest (restliche Eigenschaften s. Kap.1.3.): Für die Quadrate, die Schritt für Schritt von diesem Rechteck abgeschnitten werden, ergeben sich, weil die Länge ihrer Seiten bei jedem Schritt um den Faktor ρ abnimmt, die Seitenlängen ρ, ρ2, ρ3, ρ4, …, ρn. Bei unendlicher Wiederholung dieses Schrittes summieren sich diese Quadrate zur Fläche des Ausgangsrechtecks mit dem Inhalt A = ρ auf. Somit gilt für ρ unter anderem: ρ = ρ 2⋅1 + ρ 2⋅2 + ρ 2⋅3 + ρ 2⋅4 + ... + ρ 2⋅n 2.1.2. Die Goldenen Dreiecke – das spitze und das stumpfe19 Allgemein gilt: Goldene Dreiecke sind gleichschenklige Dreiecke, bei denen zwei Seiten im Verhältnis des Goldenen Schnittes zueinander stehen. Es gibt zwei Arten davon – die spitzen und die stumpfen goldenen Dreiecke. Das spitze Goldene Dreieck hat den Spitzenwinkel 36° und die Basiswinkel 72°. Bei der Annahme der Länge 1 für die Schenkel ergibt sich für die Länge der Basis das 18 19 eigenständig angefertigt mit EUKLID Dynageo 2.2d Vgl. Walser, S.36ff., S.54f. 31 - Goldener Schnitt Nur ein Teilungsverhältnis oder fundamentales Geheimnis des Universums? Doppelte von sin18°, was ρ entspricht. Somit verhält sich im spitzen Goldenen Dreieck jeder Schenkel zur Basis wie 1 zur ρ. Spitzes Goldenes Dreieck20 Dadurch, dass der Spitzenwinkel des spitzen Golden Dreiecks ABC der Hälfte eines Basiswinkels entspricht, trennt die Winkelhalbierende eines Basiswinkels vom ganzen Dreieck ein ähnliches Dreieck ABD ab: Teilung des spitzen Goldenen Dreiecks21 Das übrig bleibende Dreieck ADC ist ebenfalls gleichschenklig; es hat die Basiswinkel 36° und den Spitzenwinkel 108°. Es handelt sich dab ei um das stumpfe Goldene Dreieck. Nimmt man bei diesem Dreieck für die Basis eine Länge von 1 an, ergibt sich für die Länge eines Schenkels der Kehrwert des Doppelten vom cos36° und das ist ebenfalls ρ. Im stumpfen Goldenen Dreieck verhält sich also die Basis zu einem Schenkel wie 1 zu ρ – der umgekehrte Fall vom spitzen Goldenen Dreieck. 20 21 eigenständig angefertigt mit EUKLID Dynageo 2.2d Vgl. Anmerkung 20 31 - Goldener Schnitt Nur ein Teilungsverhältnis oder fundamentales Geheimnis des Universums? Stumpfes Goldenes Dreieck22 Dadurch, dass, wenn von einem spitzen Goldenen Dreieck durch die Winkelhalbierende eines Basiswinkels ein stumpfes Goldenes Dreieck abgeschnitten wird, wiederum ein spitzes goldenes Dreieck als Rest übrig bleibt, kann ein spitzes Goldenes Dreieck in unendlich viele stumpfe Goldene Dreiecke zerlegt werden. Genauso kann wiederum ein stumpfes Goldenes Dreieck in unendlich viele spitze Goldene Dreiecke zerlegt werden, wobei der stumpfe Spitzenwinkel jedes Mal in 36° und 72° aufgeteilt wird: Teilung des stumpfen Goldenen Dreiecks23 In beiden Fällen besteht bei jedem Zerlegungsschritt zwischen dem Restdreieck und dem Ausgangsdreieck eine Ähnlichkeit mit dem Ähnlichkeitsfaktor ρ. Dies ist bei der Zerlegung des spitzen Dreiecks der Fall, weil das Produkt aus der Basis des Restdreiecks BD und ρ mit der Länge der Strecke AB, der Basis des Ausgangsdreiecks, übereinstimmt: BD = 2 ⋅ cos 72° ⋅ AB = ρ ⋅ AB Beim stumpfen Goldenen Dreieck beträgt der Ähnlichkeitsfaktor ρ, weil die Basis des bei seiner Zerlegung entstehenden Restdreiecks gleichzeitig ein Schenkel des Ausgangsdreiecks ist und ein Schenkel des stumpfen Goldenen Dreiecks entspricht dem Produkt aus seiner Basis und ρ. Diese beiden Goldenen Dreiecke sind besonders insofern wichtig, dass sie bei der Bildung des regelmäßigen Fünfecks, des aus den Diagonalen eines regelmäßigen Fünfecks aufgebauten Pentagramms und des regelmäßigen Zehnecks eine sehr wichtige Rolle einnehmen (→ Kap.2.2.1.) 22 23 eigenständig angefertigt mit EUKLID Dynageo 2.2d Vgl. Anmerkung 22 31 - Goldener Schnitt Nur ein Teilungsverhältnis oder fundamentales Geheimnis des Universums? 2.1.3. Goldener Winkel Ψ 24 Durch Anwendung des Goldenen Schnittes auf den Kreis erhält man den Goldenen Winkel Ψ (ausgesprochen: „psi“). Dazu subtrahiert man den Quotienten aus 360° und der Zahl τ von 360°: Ψ = 360° − 360° τ ≈ 137,5° Der Goldene Winkel Ψ25 Der durch die Anwendung des Goldenen Winkels Ψ auf den Einheitskreis entstehende Kreissektor hat die Bogenlänge bΨ = 2π (1 − ρ ) und seine Fläche beträgt AΨ = π (1 − ρ ) 2.2. Entdeckt und bewiesen – Vorkommen des Goldenen Schnittes ohne beabsichtigtes Anwenden 2.2.1. Regelmäßiges Fünfeck – Pentagramm – regelmäßiges Zehneck26 Kommen wir zu Beginn dieses Unterkapitels zu der geometrischen Figur, an der der Grieche Hippasos von Metapont vor ungefähr 2500 Jahren erstmalig den Goldenen Schnitt entdeckte (→ Kap.4.1.) - dem regelmäßigen Fünfeck bzw. dem berüchtigten Pentagramm, das man erhält, indem man alle Ecken des Fünfecks miteinander verbindet: 24 Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Goldener_Schnitt Grafik eigenständig angefertigt mit EUKLID Dynageo 2.2d 26 Vgl. Walser, S 36 ff. 25 31 - Goldener Schnitt Nur ein Teilungsverhältnis oder fundamentales Geheimnis des Universums? Das regelmäßige Fünfeck mit eingeschriebenem Pentagramm27 In dieser Figur „wimmelt es nur so“ vom Goldenen Schnitt. Es fängt damit an, dass sie sich auf viele unterschiedliche Weisen in stumpfe (hellgrau) und spitze (dunkelgrau) Goldene Dreiecke zerlegen lässt (→ Kap.2.1.2.); wenn man alle Diagonalen einzeichnet, erhält man außerdem eine um 180° gedrehte Kopi e des Ausgangsfünfecks, deren Kantenlänge im Vergleich zur Ausgangsfigur um den Faktor ρ2 verkleinert ist (schwarz): Vorschläge zur Zerlegung des regelmäßigen Fünfecks in Goldene Dreiecke28 Ferner steht die Länge einer Kante des regelmäßigen Fünfecks zu einer seiner Diagonalen im Verhältnis des Goldenen Schnittes und jede Diagonale wird von 2 anderen jeweils nach dem Goldenen Schnitt geschnitten: Der Goldene Schnitt im regelmäßigen Fünfeck29 27 eigenständig angefertigt mit EUKLID Dynageo 2.2d Vgl. Anmerkung 27 29 Vgl. Anmerkung 27 28 31 - Goldener Schnitt Nur ein Teilungsverhältnis oder fundamentales Geheimnis des Universums? Das Verhältnis der Kantenlänge zur Diagonale lässt sich mithilfe des stumpfen Goldenen Dreiecks (s. Kap. 2.1.2.) herleiten: Seine Basis entspricht einer Diagonale und seine Schenkel den Kanten des regelmäßigen Fünfecks. Dass die Diagonalen sich gegenseitig nach dem Goldenen Schnitt teilen, ist ebenfalls einfach nachzuweisen: Das mittlere Stück der geteilten Diagonale entspricht der Länge der Basis eines spitzen Goldenen Dreiecks, die beiden anderen gleich langen Stücke links und rechts davon entsprechen in ihrer Länge dem Schenkel des gleichen spitzen Goldenen Dreiecks – also 1. Auch in dem mit dem regelmäßigen Fünfeck verwandten regelmäßigen Zehneck kommt der Goldene Schnitt an vielen Stellen vor - angefangen damit, dass es sich aus zehn spitzen goldenen Dreiecken (ABM, BCM etc.) zusammensetzt: Das regelmäßige Zehneck – zusammengesetzt aus spitzen goldenen Dreiecken30 Des Weiteren bildet in dieser Figur die Diagonale zwischen zwei Ecken, die zwei weitere Ecken einschließen - z.B. zwischen A und D - mit den zu diesen beiden Ecken gehörigen Radien (AM und DM) ein stumpfes Goldenes Dreieck, welches durch die beiden dazwischen liegenden Radien (BM und BC) wiederum in zwei stumpfe und ein spitzes Goldenes Dreieck dividiert wird. Die beiden eben erwähnten Radien BM und BC teilen die Diagonale AD im Verhältnis des Goldenen Schnittes: AS1 AS 2 30 = DS 2 DS1 =ρ eigenständig angefertigt mit EUKLID Dynageo 2.2d 31 - Goldener Schnitt Nur ein Teilungsverhältnis oder fundamentales Geheimnis des Universums? 2.2.2. Der Goldene Schnitt im Ikosaeder31 Ein Beispiel für den Goldenen Schnitt in der dreidimensionalen Geometrie ist das Ikosaeder. Es gehört zu den platonischen Körpern und ist aufgebaut aus 20 gleichseitigen Dreiecken: Das Ikosaeder32 Diese Figur unterliegt den Regeln des Goldenen Schnittes zunächst dadurch, dass sie auf dem bekanntlich „goldenen“ regelmäßigen Fünfeck (→ Kap.2.2.1.) basiert: Die fünf Dreiecke, die an jeder Ecke des Ikosaeders zusammentreffen, bilden aus ihren nicht zu dieser Ecke laufenden Seiten ein regelmäßiges Fünfeck (in der Grafik rot gekennzeichnet). Aufgrund dieser Tatsache kann man es nicht anders erwarten, als dass der Goldene Schnitt bei diesem geometrischen Körper auch an weiteren Stellen auftaucht. So lassen sich zum Beispiel die 12 Ecken des Ikosaeders so verbinden, dass sie drei gleich große, aufeinander stehende Goldene Rechtecke (→ Kap.2.1.1.) mit gemeinsamem Mittelpunkt bilden: Goldene Rechtecke im Ikosaeder33 2.2.3. Die Reihe der Fibonacci-Zahlen 2.2.3.1. Der Stammbaum einer Drohne als Beispiel für die Fibonacci-Reihe34 Man betrachte folgendes extreme Beispiel: 31 Vgl. Walser, S.101 ff. Vgl. Walser, S.101, Abb. 93d), verändert mithilfe von Microsoft Paint 33 Vgl. Walser, S.103, Abb. 96 34 Vgl. Walser, S.77 f. 32 31 - Goldener Schnitt Nur ein Teilungsverhältnis oder fundamentales Geheimnis des Universums? Aus einem unbefruchteten Bienen-Ei entsteht eine Drohne (männliche Biene), aus einem befruchteten Ei - abhängig von der Ernährung - eine Königin oder eine Arbeitsbiene. Demzufolge hat eine Drohne nur ein mütterliches Elternteil, eine weibliche Biene, also Königin oder Arbeitsbiene, hingegen ein mütterliches und ein väterliches. Aus dieser Annahme ergibt sich der Stammbaum einer Drohne: Stammbaum der Drohne35 In der 1.Generation gibt es nur eine Drohne ( ), in der 2. nur ein Weibchen ( ), wel- ches als einziger Abkömmling von der Drohne abstammt. Da von einem Weibchen sowohl eine Drohne, als auch ein weiteres Weibchen abstammen kann, gibt es in der 3. Generation 2 Bienen unterschiedlichen Geschlechts. Ab der 4. Generation ist der Stammbaum asymmetrisch - es gibt mehr Weibchen als Männchen: Da von jedem Weibchen in der folgenden Generation immer je eine weibliche und eine männliche Biene abstammt, von einer Drohne allerdings immer nur ein Weibchen, gibt es in der nten Elterngeneration an Weibchen und an-1 Männchen, wobei an der Summe aus an-1 und an-2 entspricht: Stammbaum einer Drohne in tabellarischer Form Elterngeneration n 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 … n Anzahl der Bienen an 1 1 2 3 5 8 13 21 34 55 … an= an-1+ an-2 35 Vgl. Walser, S.77, Abb. 82 31 - Goldener Schnitt Nur ein Teilungsverhältnis oder fundamentales Geheimnis des Universums? 2.2.3.2.Mathematische Eigenschaften der Fibonacci-Reihe36 Die Anzahl der im vorherigen Kapitel besprochenen Bienen in Abhängigkeit von der Generation an entspricht der bereits aus → Kap.1.3.2. bekannten Reihe der FibonacciZahlen 1, 1, 2, 3, 5, 8, 13, 21, 34, 55, 89, 144, 233, … bei der sich abgesehen von den beiden Startwerten a1 = 1 und a2 = 1 jede Zahl durch die Summe der beiden vorhergehenden Zahlen zusammensetzt: a n + 2 = a n +1 + a n bzw. a n = a n −1 + a n − 2 Um auf eine explizite Formel für die Fibonacci-Zahlen an zu kommen, mit der man jede Zahl dieser Reihe auf Anhieb berechnen kann, müssen wir auf die Linealisierung der Potenzen des Goldenen Schnittes zurückgreifen (→ Kap. 1.3.2.). Dort sind wir den Fibonacci-Zahlen zum ersten Mal begegnet und haben folgende Beziehungen festgestellt: τ n = a nτ + a n −1 (− ρ ) n = a n (− ρ ) + a n −1 Durch Subtraktion der unteren Gleichung von der oberen: τ n − (− ρ ) n = a n (τ + ρ ) und Berücksichtigung folgender Beziehung zwischen τ und ρ (→ Kap. 1.3.1.) τ +ρ = 5 ergibt sich für an folgende Abhängigkeit von τ und ρ: an = τ n − (− ρ ) n 5 Mithilfe dieser Formel kann jede Fibonacci-Zahl ohne Weiteres berechnet werden. Lässt man nun das n gegen + ∞ laufen, erhält man, da τ n dann gegen + ∞ und (− ρ ) n gegen 0 strebt, für große n folgende vereinfachte Formel: an = τn 5 Man sieht also bereits hier, dass zwischen der Fibonacci-Reihe und dem Goldenen Schnitt eine enge Verbindung besteht. Ein weiteres Phänomen, das diese Aussage weiter verstärkt, entdeckt man bei der Betrachtung des Quotienten zweier aufeinander folgenden Fibonacci-Zahlen: 36 Vgl. Walser, S. 75 ff. 31 - Goldener Schnitt Nur ein Teilungsverhältnis oder fundamentales Geheimnis des Universums? a1 a2 a2 a3 a3 a4 a4 a5 1 = =1 1 = 1 = 0,5 2 = 2 = 0, 6 3 = 3 = 0,6 5 a5 a6 a6 a7 a7 a8 a8 a9 = 5 = 0,625 8 = 8 ≈ 0,615 13 = 13 ≈ 0,619 21 = 21 ≈ 0,6176 34 Spätestens ab dem Quotienten aus den Zahlen a6 und a7 wird es offensichtlich, dass sich der Quotient zweier aufeinander folgenden Fibonaccizahlen an-1 und an mit Zunahme der Größe von n immer mehr ρ = 0,618 – der Zahl, die das Teilungsverhältnis des Goldenen Schnittes beschreibt – annähert. Dies lässt sich durch die Betrachtung des Grenzwertes dieses Quotienten bestätigen: lim n→∞ a n −1 = an lim n→∞ τ n −1 − (− ρ ) n −1 5 ⋅ τ n −1 1 5 = = =ρ τ n − (− ρ ) n τ n τ Die Fibonacci-Zahlen sind ein in der Mathematik häufig auftretendes Phänomen, z.B. im Pascal’schen Dreieck als „Schrägzeilen-Summen“37: Die Fibonacci-Zahlen als Schrägzeilen-Summen im Pascal’schen Dreieck38 37 38 Vgl. Walser, S. 85 ff. Vgl. Walser, S. 87, Abb. 88 31 - Goldener Schnitt Nur ein Teilungsverhältnis oder fundamentales Geheimnis des Universums? 3. Vorkommen des Goldenen Schnittes außerhalb der Mathematik In den ersten beiden Kapiteln sind viele besondere mathematische Eigenschaften des als „Goldener Schnitt“ bezeichneten irrationalen Teilungsverhältnisses genannt worden, ohne die es sich nicht so sehr von anderen – insbesondere rationalen – Teilungsverhältnissen wie beispielsweise 1 zu 2 oder 9 zu 16 abheben würde. Nun behaupte ich aber, dass, wenn es ausschließlich bei diesen „rein mathematischen“ Besonderheiten geblieben wäre, der Goldene Schnitt nicht zu der Popularität gelangt wäre, die er tatsächlich genießt. Meiner Meinung nach hat er seinen Bekanntheitsgrad unter anderem auch der Tatsache zu verdanken, dass man ihn nicht nur in der leblosen Welt der Mathematik, sondern sehr oft auch in „lebendigen“ Gebieten der Naturwissenschaften wie Biologie – sprich in der Natur – entdeckt hat. Dies veranlasste in der Vergangenheit unter anderem den Franziskanermönch Luca Pacioli dazu, den Goldenen Schnitt als „Göttliche Teilung“ zu bezeichnen (→ Kap. 4.2.) und den Philosophen Adolf Zeising, ihn als die Basis für ein „Naturgesetzt der Ästhetik“ zu beschreiben (→ Kap. 4.3.). Auch gibt es Annahmen, dass der menschliche Geist die „göttliche Proportion“ aus dem Unterbewusstsein heraus anderen Teilungsverhältnissen bevorzugt. Diese Annahmen liefern die Erklärung dafür, dass sich in Bauwerken der Antike das Teilungsverhältnis des Goldenen Schnittes finden lässt, obgleich es nicht intentional angewendet wurde. In diesem Kapitel sollen einige solche Beispiele aus den Bereichen Biologie, Architektur, Kunst und Musik kurz präsentiert werden. Trotz der Tatsache, dass ich dieses Kapitel aufgrund meiner Schwerpunktsetzung auf „einige kurz präsentierte Beispiele“ beschränken werde, sollte es Ihnen, dem Leser, ganz klar sein, dass die Anzahl solcher Beispiele sehr groß ist – dass der Goldene Schnitt nicht nur an wenigen Stellen, sondern nahezu in allen nur erdenklichen Bereichen unseres Lebens vorkommt. 3.1. Der Goldene Schnitt in der Biologie 3.1.1. Goldener Schnitt in der Anatomie39 Das wohl bekannteste Beispiel für das Vorkommen des Goldenen Schnittes in der Biologie wurde durch den im Kapitel „Historie des Goldenen Schnittes“ (→ Kap.4.3.) näher beschriebenen Philosophen Adolf Zeising entdeckt: Seinen Nachforschungen zufolge sollen – um nur zwei seiner Ergebnisse zu nennen – der menschliche Körper in seiner 39 Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Goldener_Schnitt 31 - Goldener Schnitt Nur ein Teilungsverhältnis oder fundamentales Geheimnis des Universums? Höhe vom Bauchnabel und der durch diese Teilung entstehende untere Teil davon wiederum vom Knie im Goldenen Schnitt geteilt sein. Allerdings basieren diese und alle weiteren Entdeckungen des Goldenen Schnittes am menschlichen Körper durch den Philosophen nicht auf wissenschaftlichen Grundlagen, sondern ausschließlich auf Beobachtungen. Ernüchternd sind auch genauere Überprüfungen dieser Thesen: die Abweichungen liegen in extremsten Fällen bei bis zu 20 Prozent. Bei der Vermessung der Teilung meines eigenen Körpers durch den Bauchnabel stellte ich zu meinem Erstaunen eine Abweichung vom Goldenen Schnitt von nur ungefähr 3% fest. 3.1.2. Goldener Schnitt in der Botanik In der Botanik wäre zum einen ein Beispiel für den Goldenen Schnitt das Wachstum einiger Pflanzen, bei denen die Knoten die ganzen Zweige im Verhältnis des Goldenen Schnittes teilen40: Die Teilung einer Pflanze im Goldenen Schnitt41 Ein weiteres Beispiel liefern die Blüten einiger Pflanzen wie zum Beispiel die der Sonneblume oder der Rose: Sortiert man ihre einzelnen Blütenblätter nach ihrer Größe, so stellt man fest, dass zwei in ihrer Größe „benachbarten“ Blätter (1 und 2, 2 und 3 usw.) zum Zweck der optimalen Nutzung des Sonnenlichtes immer den Goldenen Winkel Ψ = 137,5° bilden 42: Anordnung von Blütenblättern im Abstand des Goldenen Winkels (von oben betrachtet)43 40 Vgl. http://uni-schule.san-ev.de/space/Bayreuth/1024/ Vgl. Anmerkung 40 42 Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Goldener_Schnitt 43 Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Goldener_Schnitt 41 31 - Goldener Schnitt Nur ein Teilungsverhältnis oder fundamentales Geheimnis des Universums? 3.2. Der Goldene Schnitt in der Architektur In der Architektur gibt es sowohl Fälle, bei denen der Goldene Schnitt bewusst angewendet wurde, als auch welche, bei denen er erst im Nachhinein an den Bauwerken entdeckt wurde, obwohl er nicht bewusst angewandt worden war. Diese Tatsache spricht wiederum dafür, dass der Goldene Schnitt dem Menschen im Unterbewusstsein veranlagt ist. Für jeden der beiden Fälle möchte ich hier jeweils ein Beispiel bringen: 44 Die Cheopspyramide Die Cheopspyramide wurde ungefähr um 2600 v. Chr. von den Ägyptern erbaut45; d.h. sie hätten, insofern sie nicht doch entgegen unserer Annahmen den Goldenen Schnitt schon kannten, bei ihrem Bau noch nicht mit diesem Teilungsverhältnis arbeiten können, da dieses erst um 500 v. Chr. von den Griechen entdeckt wurde. Nichtsdestotrotz findet man in diesem riesigen Bauwerk den Goldenen Schnitt: Die Pyramidenhöhe verhält sich zur Hälfte der Seitenkante nach dem Verhältnis des Goldenen Schnittes. Ein Beispiel für angewendeten Goldenen Schnitt in der Architektur bildet der aus der Renaissance stammende Dom Santa Maria del Fiore in Florenz. Die Höhe seiner 1434 fertig gestellten Kuppel46 beträgt genau 144 Bracci47 und die Höhe ihres Ansatzes genau 89 Bracci, d.h. die Kuppel des Doms verhält sich im Goldenen Schnitt zu ihrem Ansatz48: Santa Maria del Fiore (Florenz) 49 44 Vgl. www.lupi.ch/Schools/ weltwunder/cheopspyramide.jpg Vgl. „Cheops“: Microsoft ® Encarta ® Enzyklopädie 2005. © 1993-2004 Microsoft Corporation 46 Vgl. „Florenz“: Microsoft ® Encarta ® Enzyklopädie 2005. © 1993-2004 Microsoft Corporation 47 1 Braccio = 58.4 cm 48 Vgl. http://www.asamnet.de/~hollwecm/section/inhalt.htm 49 Vgl. Anmerkung 46 45 31 - Goldener Schnitt Nur ein Teilungsverhältnis oder fundamentales Geheimnis des Universums? 3.3. Der Goldene Schnitt in der Kunst In der bildenden Kunst wurde und wird der Goldene Schnitt oft – mit Erfolg – verwendet, um irgendwelche Details im Bild hervorzuheben und um Harmonie in das Bild zu bringen. Es gibt unzählige Beispiele für die Verwendung der „Göttlichen Teilung“50 in der Kunst: Zu den berühmtesten davon zählen das Bild zu den menschlichen Proportionen von Vitruv De Divina Proporzione (1509; → Kap.4.2.) und die Mona Lisa (15031506) von Leonardo da Vinci: „Mona Lisa“ von Da Vinci mit eingeschriebenem spitzem Goldenem Dreieck51 3.4. Der Goldene Schnitt in der Musik Es mag zwar anfangs unlogisch klingen, aber der Goldene Schnitt lässt sich sogar in der Musik verwenden. Zum Beispiel verwendete ihn der ungarische Komponist Béla Bartók bei seinen Kompositionen: Bei seiner „Sonate für zwei Klaviere und ein Schlagzeug“ hat der erste Satz eine Länge von 2457 und der zweite eine Länge von 3975 Achtelnoten. Der Quotient dieser beiden Zahlen beträgt ungefähr 1,618, was unter Vernachlässigung der kleinen Differenz aufgrund ganzer Zahlen ziemlich genau τ entspricht.52 Auch spielt der Goldene Schnitt eine wichtige Rolle beim Bau von Geigen und Flöten: Da Frequenzen im Verhältnis der Fibonacci-Zahlen als „besonders reizvoll“53 empfunden werden, „bürgt der Goldene Schnitt bei ihrem Bau für einen schönen Klang“. Sogar der berühmte Geigenbauer Stradivari soll angeblich von dem Goldenen Schnitt Gebrauch gemacht haben.54 50 Bezeichnung des Goldenen Schnittes durch Luca Pacioli (→ Kap. 4.2.) Vgl. „Leonardo Da Vinci“: Encarta 2005; Dreieck ergänzt mit Microsoft Paint 52 Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Goldener_Schnitt 53 Vgl. http://www.asamnet.de/~hollwecm/section/inhalt.htm 54 Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Goldener_Schnitt 51 31 - Goldener Schnitt Nur ein Teilungsverhältnis oder fundamentales Geheimnis des Universums? 55 4. Die Historie des Goldenen Schnittes Der Goldene Schnitt ist als Phänomen in der Mathematik seit Jahrtausenden bekannt. Die Faszination, die er auslöste, war nie gering. In diesem Kapitel werden die wichtigsten historischen Personen von der Antike bis zur Gegenwart dargestellt, die durch ihre Forschungen und Schriften zur Entwicklung der Bekanntheit und der Popularität des Goldenen Schnittes beigetragen haben. 4.1. Der Goldene Schnitt in der Antike: Pythagoräer - Euklid56 Das Teilungsverhältnis des Goldenen Schnittes soll erstmals um 450 v. Chr. durch Hippasos von Metapont, einem Angehörigen des Geheimbunds der Pythagoräer – den Nachfolgern des berühmten Pythagoras, entdeckt worden sein, als dieser Untersuchungen am regelmäßigen Fünfeck durchführte und entgegengesetzt der Annahme der Pythagoräer, dass sich alles auf der Welt durch ganze Zahlen bzw. Quotienten ganzer Zahlen ausdrücken ließe, entdeckte, dass bei einem regelmäßigen Fünfeck das Verhältnis der Kantenlänge zur Diagonale irrational ist; diese beiden Strecken stehen nämlich im Verhältnis des Goldenen Schnittes zueinander (→ Kap.2.2.1.). Dabei war das Fünfeck bzw. das Pentagramm ironischerweise das Symbol der Pythagoräer. Mit der Entdeckung des Goldenen Schnittes entdeckte Hippasos zugleich die Inkommensurabilität von Strecken, anhand derer er letztlich auch die Existenz irrationaler Zahlen bewies. Seine Entdeckung bildete also die Widerlegung der Grundannahme des Pythagoreischen Geheimbundes von der Alleinexistenz rationaler Zahlen. Als Angehöriger dieses Bundes durfte der Mathematiker diese Entdeckung nicht öffentlich verbreiten; als er dies jedoch dennoch tat, soll er Gerüchten zufolge zur Strafe von seinen Kameraden ertränkt worden sein. Die erste genaue Beschreibung des Goldenen Schnittes stammt ebenfalls von einem Griechen - dem Mathematiker Euklid aus der Zeit 325-270 v. Chr.. Er zählt zu den bedeutendsten Mathematikern seiner Zeit; sein im Original auf Arabisch geschriebenes Hauptwerk Elemente, eine Abhandlung über Mathematik in 13 Bänden, bildete bis ins 19. Jahrhundert „die Grundlage der Geometrie überhaupt“57. Unter anderem stammt von ihm der Euklidische Lehrsatz, besser bekannt als der Kathetensatz58. 55 Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Goldener_Schnitt Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Goldener_Schnitt 57 Vgl. „Euklid (Mathematiker)“: Encarta 2005 58 Vgl. Großes Lexikon, ISIS Verlag, 1996 56 31 - Goldener Schnitt Nur ein Teilungsverhältnis oder fundamentales Geheimnis des Universums? Euklid entdeckte den Goldenen Schnitt bei Untersuchungen an Platonischen Körpern und – wie auch Hippasos von Metapont – dem regelmäßigen Fünfeck bzw. dem Pentagramm. Seine Bezeichnung für den Goldenen Schnitt wurde folgendermaßen ins Lateinische übersetzt: „proportio habens medium et duo extrema“, was auf Deutsch „Teilung im inneren und äußeren Verhältnis“ heißt. 4.2. Der Goldene Schnitt in der Renaissance59 In der Renaissance beschäftigte sich der Franziskanermönch Luca Pacioli di Borgo San Sepolcro (1445 - 1514), Mathematik-Dozent an der Universität von Perugia, mit den Arbeiten Euklids. Er bezeichnete den Goldenen Schnitt als „divina proportio“ – „die göttliche Teilung“. Dabei bezog er sich auf Platons Identifizierung der Schöpfung mit den platonischen Körpern, bei deren Konstruktion der Goldene Schnitt als wichtiges Hilfsmittel fungiert (→ Kap. 2.2.2.). Der Franziskanermönch verfasste das Buch „De Pivina Proportione“, in dem er sich auf rein mathematischer Basis mit dem Goldenen Schnitt auseinandersetzt, d.h. ohne darin einen Bezug zur Kunst oder Architektur herzustellen. Allerdings verfasste er zur gleichen Zeit auch eine Abhandlung über die Schriften des römischen Architekten Virtuv aus dem 1. Jahrhundert v. Chr., dessen architekturtheoretische Werk das einzige ist, das uns aus der Antike überliefert ist60, und in dem der römische Gelehrte die Proportionen des menschlichen Körpers als Vorbild für die Architektur darstellt. Der Universalgelehrte Leonardo da Vinci (14511519), der in Mailand 7 Jahre lang Luca Paciolis Schüler gewesen war, illustrierte diese Abhandlung. Seine Zeichnung über die menschlichen Proportionen nach Vitruv ist eines der berühmtesten Kunstwerke der Kunstgeschichte: Leonardo da Vinci: De Divina Propozione61 59 Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Goldener_Schnitt Vgl. „Vitruv“: Encarta 2005 61 Vgl. „Leonardo da Vinci“: Encarta 2005 60 31 - Goldener Schnitt Nur ein Teilungsverhältnis oder fundamentales Geheimnis des Universums? Die Abweichung des Verhältnisses zwischen der Quadratseite und dem Kreisradius in diesem Bild vom Goldenen Schnitt beträgt 1,7%, allerdings wird der goldene Schnitt in dem zum Bild gehörigen Buch überhaupt nicht erwähnt. In der Renaissance wurde der Goldene Schnitt außerdem erstmals durch Architekten, Typographen, Maler, Bildhauer und Musiker als das ideale Zahlenverhältnis des Klassizismus verbreitet.62 4.3. Der Goldene Schnitt von der Frühen Neuzeit bis zur Gegenwart63 Im Jahre 1835 verwendete der Mathematiker Martin Ohm, Bruder des eher bekannten Physikers Georg Simon Ohm, nach dem die Einheit des elektrischen Widerstandes benannt ist64, in einem Mathematik-Lehrbuch erstmals die heute noch übliche Bezeichnung „Goldener Schnitt“. Verschiedene Schriftsteller des 19. Jahrhunderts, darunter aber insbesondere der Philosoph Adolf Zeising, behaupteten in ihren Abhandlungen über die Schriften Luca Paciolis, er habe durch sie in Zusammenarbeit mit Leonardo da Vinci den Goldenen Schnitt wieder mit der Kunst zusammengebracht und somit dazu beigetragen, dass diese „göttliche Teilung“65 eine bedeutende Rolle in der Malerei der Renaissance einnahm. Aufgrund seiner Überzeugung, der Goldene Schnitt sei die Basis eines Naturgesetzes der Ästhetik, suchte und fand Zeising den Goldenen Schnitt überall. Trotz der Tatsache, dass er der erste war, der in den Kunst- und Bauwerken der Antike und der Renaissance den Goldenen Schnitt zu erkennen glaubte, löste der Philosoph mit seinen Schriften über dieses besondere Teilungsverhältnis viel Begeisterung aus. Im Jahre 1876 führte der Psychologe Gustav Theodor Fechner Experimente mit Testpersonen durch, mithilfe derer er festzustellen versuchte, ob es bei diesen Personen für Strecken, Rechtecke und Ellipsen, die nach den Proportionen des Goldenen Schnittes aufgeteilt bzw. aufgebaut sind (Goldenes Rechteck etc., → Kap.2.1.), Präferenzen gibt. Ein positives Ergebnis erhielt er allerdings nur bei dem Goldenen Rechteck: Dieses wurde - im Gegensatz zu anderen nach dem Goldenen Schnitt proportionierten Figuren - im Vergleich zu „nicht goldenen“ Rechtecken bevorzugt. Jüngeren Untersuchungen zufolge hängen die Ergebnisse solcher Experimente stark von den Umständen ab, die während des Experiments vorherrschen. Personen aus dem 20. Jahrhundert, die man mit dem Goldenen Schnitt in Verbindung bringt, sind zum einen der Rumäne Matila Costiescu Ghyka, der Anfang des Jahrhun62 Vgl. www.dirk-behlau.de/pdf/Dirk_ Behlau-MX-Magazin-Der_goldene_Schnitt.pdf Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Goldener_Schnitt 64 Vgl. „Ohm, Georg Simon“: Encarta 2005 65 Vgl. Anmerkung 50 63 31 - Goldener Schnitt Nur ein Teilungsverhältnis oder fundamentales Geheimnis des Universums? derts den Goldenen Schnitt in seinen Schriften als „fundamentales Geheimnis des Universums“ beschrieb und viele Beispiele für den Goldenen Schnitt in der Natur präsentierte und zum anderen die Kunsthistorikerin Marguerite Neveux, die Ende des Jahrhunderts versuchte mithilfe von Röntgenstrahlen in alten Gemälden, in denen sie die Verwendung des Goldenen Schnittes vermutete, Markierungspunkte für das sonderbare Teilungsverhältnis zu entdecken – allerdings ohne Erfolg. Letztendlich kann man klar erkennen, dass sich der Goldene Schnitt wie ein roter Faden durch die Geschichte zieht und dass es immer Menschen gab, gibt und höchstwahrscheinlich auch geben wird, die sich auch in Zukunft mit ihm beschäftigen und versuchen werden zu beweisen bzw. zu widerlegen, dass der Goldene Schnitt nicht nur ein Teilungsverhältnis, sondern wie Ghyka schrieb das „fundamentale Geheimnis des Universums“ ist. 5. Die Popularität des Goldenen Schnittes Zum Ende der Arbeit möchte noch einmal explizit darauf eingehen, was den Goldenen Schnitt eigentlich so populär macht. Sind es die unzähligen mathematischen Besonderheiten, die er im Vergleich zu anderen Teilungsverhältnissen aufweist? Ist es die Tatsache, dass man ihn abgesehen von der Mathematik auch in der Natur und in den Proportionen des menschlichen Körpers vorfindet? Ist es die Feststellung, dass der Goldene Schnitt dem „uns allen gemeinsamen Schönheitsempfinden“66 entspricht? Meiner Meinung nach können all diese Fragen mit „Ja“ beantwortet werden. Diese drei Faktoren tragen nach meiner Ansicht gleichermaßen dazu bei, dass der Goldene Schnitt in bestimmten Kreisen einen so hohen Bekanntheits- und Beliebtheitsgrad genießt. Dabei variiert die Gewichtung dieser Faktoren wahrscheinlich für jeden einzelnen abhängig davon, wo seine Interessen liegen. So finde ich persönlich – als ein an Mathematik interessierter Mensch – die mathematischen Besonderheiten des Goldenen Schnittes bewundernswert. Ein Philosoph wie Adolf Zeising oder Matila Costiescu Ghyka wird bei seiner Suche nach dem „fundamentalen Geheimnis des Universums“ auf den Goldenen Schnitt treffen und wegen seines unzähligen Vorkommens in der 66 Vgl. www.dirk-behlau.de/pdf/Dirk_ Behlau-MX-Magazin-Der_goldene_Schnitt.pdf 31 - Goldener Schnitt Nur ein Teilungsverhältnis oder fundamentales Geheimnis des Universums? Natur eine Faszination für ihn entwickeln (→ Kap.4.3.) und ein Architekt wird sich für die Wirkung des Goldenen Schnittes auf sich selbst und seine Klienten begeistern67. Somit betrachte ich es für logisch, dass es immer Menschen geben wird, die sich für den Goldenen Schnitt begeistern werden. Und wer weiß – vielleicht wird sich irgendwann wirklich herausstellen, dass der Goldene Schnitt „der Schlüssel des Lebens“ ist… Nachwort Obwohl ich meine Jahresarbeit anfangs nicht aus Begeisterung für den Goldenen Schnitt geschrieben habe, bin ich doch zufrieden, wenn nicht sogar froh, dieses Thema gewählt zu haben. Ich fand es von Beginn an interessant und mancherorts sogar faszinierend – trotz der Tatsache, dass die Beschäftigung damit relativ zeitaufwändig war. Wie bereits im Vorwort angekündigt, habe ich mich bei der Auswahl meiner Themen und ihrer Ausführung oft beschränken müssen, um nicht den Umfang meiner Arbeit zu sprengen, aber vermutlich ergeht es jedem so. Bei meiner Erforschung des Goldenen Schnittes habe ich oft Dinge festgestellt, die mir so nie in den Sinn gekommen wären. Das langweilige Bild vom Goldenen Schnitt, das ich aus der Mittelstufe behalten hatte, hat sich durch diese Jahresarbeit sehr verändert. Ich fand es sehr spannend, die mathematischen Eigenschaften der Zahlen τ und ρ zu erforschen und festzustellen, wie oft man den Goldenen Schnitt in der wirklichen Welt tatsächlich wieder findet. Ich muss eingestehen, dass ich mit der Ansicht des Rumänen Matila Costiescu Ghyka, dass der Goldene Schnitt das „fundamentale Geheimnis des Universums“ sei, nicht einverstanden bin. Trotz meiner Begeisterung für dieses sonderbare Teilungsverhältnis empfinde ich diese Aussage als übertrieben. Wenn ich mir jetzt selbst die Frage stelle, die im Titel meiner Jahresarbeit steht, stelle ich fest, dass ich zwar nicht mehr definitiv der Meinung bin, der Goldene Schnitt sei nur ein Teilungsverhältnis, dass ich aber dennoch noch lange nicht soweit gehe, dieses Phänomen der Mathematik als etwas so sonderbares zu bezeichnen. Meiner Meinung nach liegt es bei jedem einzelnen selbst, wie er diese Frage beantwortet, denn die tatsächliche Antwort kennt bislang keiner und es ist nicht unbedingt abzusehen, dass sie bald jemand beantworten können wird. 67 Vgl. Anmerkung 56 31 - Goldener Schnitt Nur ein Teilungsverhältnis oder fundamentales Geheimnis des Universums? Glossar Koeffizienten Unveränderlicher Faktor einer veränderlichen Größe platonische Körper Körper, bei denen alle Seiten gleiche, regelmäßige und flache Vielecke sind: Tetraeder, Würfel, Oktaeder, Dodekaeder, Ikosaeder inkommensurabel Nicht mit der gleichen Maßeinheit messbar; inkommensurable Strecken sind die geometrischen Äquivalente der irrationalen Zahlen Präferenz Vorzug Literaturverzeichnis Bücher und Lexika: 1. Dr. Schneider, Christoph (Redakteur); Großes Lexikon; ISIS Verlag, 1996 2. © 1993-2004 Microsoft Corporation; Microsoft ® Encarta ® Enzyklopädie 2005. Alle Rechte vorbehalten. 3. Walser, Hans; Der Goldene Schnitt Stuttgart; Leipzig: Teubner; Zürich: Verl. der Fachvereine, 1993 Internet: 1. http://www.asamnet.de/~hollwecm/section/inhalt.htm, 27.01.05 2. www.dirk-behlau.de/pdf/Dirk_Behlau-MX-Magazin-Der_goldene_Schnitt.pdf, 17.03.05 3. www.lupi.ch/Schools/ weltwunder/cheopspyramide.jpg, 04.05.05 4. http://uni-schule.san-ev.de/space/Bayreuth/1024/, 22.03.05 5. http://de.wikipedia.org/wiki/Goldener_Schnitt, 17.03.05 Erklärung: Ich versichere hiermit, dass ich diese Facharbeit selbstständig verfasst, keine anderen als die angegebenen Hilfsmittel verwendet habe und dass sämtliche Stellen, die benutzten Werken im Wortlaut oder dem Sinne nach entnommen worden sind, mit Quellenangaben kenntlich gemacht wurden. Diese Versicherung gilt auch für Zeichnungen, Skizzen und bildliche Darstellungen. Heli, den 08.05.2005 31