High-Functioning Autismus/Asperger-Syndrom Dr. Bärbel Wohlleben, Dipl. Psych., PPT Autismus Deutschland - Landesverband Berlin, e.V. 17.01.2012 Spektrum autistischer Störungen • Frühkindlicher Autismus (Kanner) – High-functioning Autismus • Asperger-Syndrom • Atypischer Autismus Diagnostische Kriterien der autistischen Störung n. DSM IV/ ICD 10 (1) Qualitative Beeinträchtigung der zwischenmenschlichen Beziehungen eingeschränkter Blickkontakt, geringe sozio-emotionale Gegenseitigkeit, fehlendes Verständnis für soziale Regeln und Gruppennormen (2) Qualitative Beeinträchtigung der verbalen und nonverbalen Kommunikation sowie der Phantasie Fehlende Sprache bzw. Auffälligkeiten in Sprachentwicklung, Echolalie, wortwörtliches Verstehen, kein Verstehen von Ironie, Neologismen (3) Deutlich beschränktes Repertoire von Aktivitäten Stereotypien in Handlung und Spielverhalten, Ängste bei Veränderungen, eingeschränkte aber sehr differenzierte Interessensgebiete • Beginn der Störung vor dem 36. Lebensmonat Häufigkeit (Auswertung aus verschiedenen Studien unterschiedliche Prävalenzraten, HTA- Bericht Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information, 2009) Kanner - Autismus • 2 - 4 : 10.000 Geburten (ältere Studien) • 8 - 17: 10.000 Geburten (neuere Studien) Asperger - Autismus • 30 - 70 : 10.000 Geburten Gesamte Spektrum autistischer Störungen • > 100 : 10.000 Geburten Geschlechtsverteilung Jungen : Mädchen 3-5 : 1 Kanner Autismus Asperger-Autismus (H. Remschmidt 2008) • • • • • Erste Auffälligkeiten meist in den ersten LM Blickkontakt zunächst erst fehlend, später selten, flüchtig ausweichend später Sprachbeginn, starke Sprachentwicklungsverzögerung (häufig Ausbleiben der Sprachentwicklung) • Intelligenz von stark eingeschränkt bis gut entwickelt, charakteristisches Profil Motorik nicht eingeschränkt, sofern keine anderen zusätzlichen Erkrankungen vorliegen • • • • Markante Auffälligkeiten vom 3. LJ an Blickkontakt selten, flüchtig früher Sprachbeginn, rasche Entwicklung, grammatikalisch und stilistisch sehr gut (wortwörtliches Verstehen, Neologismen), Kommunikation beeinträchtigt Intelligenzschwäche selten, gute bis überdurchschnittlich gute Leistungen motorische Ungeschicklichkeit, grob- und feinmotorische Koordinationsstörungen ungelenke Bewegungsabläufe Auffälligkeiten von Kindern mit Asperger-Syndrom bei Aufnahme in Schule (Attwood, 2002) • • • • • Keine klaren Anzeichen von Autismus in früher Kindheit Lehrer beobachten auffällige Verhaltensweisen Kinder vermeiden soziales Spiel mit Gleichaltrigen kein Bewusstsein für soziale Regeln ungewöhnliche Art der Konversation und des imaginativen Spiels • intensive Interessen an spezifischen, oft nicht altersgemäßen Themen • Ungeschicklichkeiten beim Laufen, Springen, Fangen und Schreiben Ursachen • Genetische Faktoren – Zwillingsuntersuchungen [bei 90% der eineiigen Zwillinge (Poustka, 2008)] – Familienuntersuchungen (Ritvo et al., 1988), 15% der Geschwister eines Kindes mit Autismus haben die Chance auch an Autismus zu erkranken (Poustka, 2008) • Neurobiologische Faktoren – neuromorphologische Untersuchungen – Veränderungen in der Reizverarbeitung und Wahrnehmung Autismus entsteht NICHT durch elterliches Fehlverhalten Probleme in der taktil-kinästhetischen Verarbeitung und Wahrnehmung • Über- oder Unterempfindlichkeiten der Haut, im Mundbereich, am Kopf • Tiefensensibilität beeinträchtigt • Raum-Lage-Orientierung ist gestört • Inneres Körperschema häufig nicht vorhanden Handlungsstörung Auditive Probleme autistischer Menschen Probleme in der visuellen Wahrnehmung • Starke Fixierung und gutes Gedächtnis für Details, aber starke Probleme visuell ganzheitlich zu erfassen Figur-Grundbildungsprozess eingeschränkt (räumliches Sehen) • Häufig Schwierigkeiten mit Focussieren, aber sehr gutes peripheres Sehvermögen • Filterschwäche für visuelle Reize, Schwierigkeiten Unwesentliches von Wesentlichem zu unterscheiden selektive Wahrnehmung eingeschränkt • Über- oder Unterempfindlichkeiten Sonnenbrillen oder farbige Gläser (Irlen-Brillen)] [Zuhalten der Augen - Therapeutische Interventionen • Körperorientierte Verfahren (Sensorische Integration, Therapie nach Affolter, Krankengymnastik, Psychomotorik) • Psychotherapie (Verhaltenstherapie, tiefenpsychologisch fundierte Spieltherapie ) • Sprach- und Kommunikationsförderung (Musiktherapie, Logopädie, ABA - VB, Kunst-, Tanztherapie) • Strukturierungs- und Kommunikationshilfen (TEACCH, PECS, FC) Bedingungen für schulisches Lernen (Befragung von Schülern mit Asperger Autismus Kl. 4-8) • Mehr Ruhe in einer kleinen Lerngruppe • stärkere Berücksichtigung ihres Lern- und Arbeitstempos • verlässliche, strukturierte Abläufe mit wenig Lehrer- und Raumwechsel • individuelle Pausengestaltung (Wegfall der Hofpausenangst) • kein Nachmittagsunterricht • interessante Themen im Unterricht (d.h. stärkere Berücksichtigung eigener Spezialinteressen, damit bei anderen nicht anecken) Selbsterklärungs-Plädoyer (Willey, 2001) • Ich bin nicht fehlerhaft • Ich bin anders • Ich werde meinen Selbstwert nicht opfern, nur um von Gleichaltrigen akzeptiert zu werden • Ich bin fähig mit der Gesellschaft zurecht zu kommen • Ich werde um Hilfe bitten, wenn ich sie benötige • Ich werde Geduld haben mit denjenigen, die Zeit benötigen, um mich zu verstehen • Ich werde mich akzeptieren, so wie ich bin