Das Buch zum [9 MB | ]

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Vernichtungskrieg – der andere Holocaust
– Der rassenideologisch begründete Vernichtungskrieg
gegen die Sowjetunion als Voraussetzung für den NS-Völkermord –
Ein Geschichtsprojekt der 12. Klasse des Gymnasiums Heide-Ost
in Kooperation mit der Stiftung gegen Extremismus und Gewalt in Heide und Umgebung
Ermöglicht wurde dieses Buch
durch die gute Zusammenarbeit des Gymnasiums Heide-Ost
mit der Stiftung gegen Extremismus und Gewalt in Heide
und Umgebung und der Dithmarscher Musikschule.
Der Druck dieses Buches konnte nur
durch folgende großzügige Sponsoren erfolgen,
denen die Stiftung sehr dankbar ist:
Windpark Hemme West GmbH
Elisabeth Steinschulte, Heide
Dr. Peter Nüse, Linden
marschen
Dith
- freundlich
- leistungsstark
- nah
Dithmarscher
Volks- und
Raiffeisenbank eG
Di
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Peter Looft, Lohe-Rickelshof
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Dithmarscher Volksund Raiffeisenbank Heide
Raiffeisenbank Heide
Gymnasium Heide-Ost
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2
Vernichtungskrieg – der andere Holocaust
3
Vorwort der Stiftung gegen Extremismus
und Gewalt in Heide und Umgebung
Das Projekt „Vernichtungskrieg – der andere Holocaust“ der jetzigen 13. Klasse des
Gymnasiums Heide-Ost unter der Leitung ihres Geschichtslehrers Dr. Duncker sowie
unserer Stiftung betritt inhaltliches Neuland.
Es erhellt einen geschichtlichen Bereich des 2. Weltkrieges, der bisher nicht im zentralen öffentlichen Interesse stand.
Die Tötung von ca. 6 Mio. Juden war nicht das alleinige menschenverachtende Ergebnis der NS-Gewaltherrschaft, sondern ebenso die Vernichtung von insgesamt mehr
als 20 Mio. Sowjetmenschen.
Wie die Geschichtsforschung mehr und mehr verdeutlichen kann, war der Russlandfeldzug Voraussetzung dieser Vernichtungsmaschinerie. In seinem Schatten wurden
die Vernichtungslager aufgebaut, in seinem Schatten versuchte man bei Kriegsende
vielfach die Spuren durch Einebnung der Mordlager zu vertuschen.
Es bedurfte einer akribischen Arbeit umfangreicher Literaturrecherchen mehrerer
Arbeitsgruppen, um zu diesem Projektergebnis zu kommen. Die jungen Menschen
waren so hoch motiviert, dass sie auch außerhalb des regulären Unterrichts daran
gearbeitet haben. Höhepunkt des Projekts war sicher die Reise nach Polen. Herzlich
empfangen und vielfach unterstützt wurden alle Mitreisenden bei Jugendbegegnungen in einer Warschauer Musikschule. Dafür danken wir stellvertretend der dortigen
Musikschulleiterin Dr. Dorota Paplawska.
Ganz besonderes Lob gebührt dem Geschichtslehrer Dr. Duncker für seine umfangreiche Vorarbeit, seine außergewöhnlich gute Zusammenarbeit mit uns, seine gründlichen Recherchen und die vorbildliche Schülermotivation.
4
Das Programm in Polen sah u.a. Konzerte im Warschauer Königsschloss, Stadtbesichtigungen, Besuche des Jüdischen Museums und des Museums des Warschauer Aufstandes, Diskussionen mit polnischen Schülerinnen und Schülern sowie die eindrucksvollen Besichtigungen des Konzentrationslagers Majdanek und des Vernichtungslagers
Treblinka vor. Diese Erlebnisse haben nicht nur bei den Schülerinnen und Schülern
tiefe Eindrücke hinterlassen, sondern auch bei den vier Begleitpersonen Dr. Matthias
Duncker, Richard Ferret, Ulla Tietz und Berndt Steincke. Die Eltern der Schülerinnen
und Schüler haben während der ganzen Projektzeit sehr unterstützend mitgewirkt.
Es fanden in den Familien zahlreiche Gespräche über das Thema „Vernichtungskrieg“
statt, so dass die Erkenntnisse weiter verbreitet wurden.
Dieses Buch soll eine Belohnung für alle Teilnehmer sein, eine große Verbreitung in
der Öffentlichkeit finden und erneut Ansporn für weitere Projekte sein.
Archive und öffentliche Einrichtungen erhalten ebenfalls kostenlose Exemplare. Die
Stiftung wird auch dieses Buch über ihre Internetseiten www.stiftung-geug-heide.de
als runterladbare Datei jedermann kostenlos zur Verfügung stellen.
Wir danken den Sponsoren für ihre großzügige finanzielle Unterstützung! Da die Stiftung über keine eigenen laufenden Einnahmen verfügt, ist sie für diese Hilfe äußerst
dankbar! Ohne die Sponsoren hätte dieses Buch nicht gedruckt werden können. Mitgeholfen haben bei der Bekanntmachung dieses Vorhabens dankenswerter Weise
auch die Dithmarscher Landeszeitung, die Norddeutsche Rundschau, der Norddeutsche Rundfunk – Studio Heide – und der Offene Kanal Westküste. Allen dafür ein herzliches Dankeschön!
Der Vorstand und der Stiftungsrat wünschen allen Leserinnen und Lesern eine Vermehrung ihrer Erkenntnisse über dieses wichtige Thema. Es bleibt unser Ziel, junge
Menschen gegen diktatorische Entwicklungen in unserer demokratischen Gesellschaft immun zu machen, egal ob die politischen Gefahren von rechts oder links
kommen oder ob sie aus neuen Entwicklungen in dieser turbulenten Zeit entstehen.
Heide, im März 2016
Berndt Steincke (Vorsitzender)
Dieter Beuse (stellv. Vorsitzender)
5
Prof. Dr. Norbert Lammert
Präsident des Deutschen Bundestages
Grußwort zum Unterrichtsprojekt
„Vernichtungskrieg – der andere Holocaust“
Am 27. Januar erinnern wir in Deutschland und in der Welt an die Opfer des Nationalsozialismus. An diesem Datum wurde 1945 das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau durch die Rote Armee befreit – und auf den Tag genau ein Jahr zuvor hatte die
Leningrader Blockade geendet, bei der von Deutschen der Hungertod Hunderttausender Menschen billigend in Kauf genommen worden war. Das gemeinsame Datum
ist Zufall, der Zusammenhang zwischen Auschwitz und Leningrad aber nicht. Denn
der Völkermord an den europäischen Juden und der Raub- und Vernichtungsfeldzug
im Osten Europas wurzelten beide in der menschenverachtenden nationalsozialistischen Rassenideologie. Und doch gehörte der systematische Massenmord an Soldaten und Zivilisten im Osten, mit dem die NS-Vernichtungspolitik seit dem Angriff
auf die Sowjetunion eine neue Dimension erreichte, lange zu den wenig erforschten
Kapiteln des Zweiten Weltkrieges, bis heute ist er einer breiten Öffentlichkeit kaum
bekannt.
Der Deutsche Bundestag hat in den vergangenen Jahren diese ,vergessenen‘ Aspekte des Vernichtungskrieges wiederholt ins Zentrum seiner Gedenkveranstaltungen
gestellt. Dass dies den Anstoß für ein anspruchsvolles Schülerprojekt gab, dessen
Ergebnisse in diesem Buch niedergelegt sind, gehört zweifellos zu den besonders
erfreulichen Wirkungen öffentlichen Gedenkens im Parlament. Das Engagement der
Schülerinnen und Schüler der 12. Klasse des Gymnasiums Heide-Ost, die sich unter
Anleitung ihres Geschichtslehrers intensiv mit dem Krieg gegen die Sowjetunion beschäftigt haben, bestätigt die vielfache Erfahrung, dass unter Jugendlichen ein großes
Interesse an dieser Vergangenheit besteht. Junge Leute wollen wissen, was geschehen ist und warum es geschehen konnte. Das ist umso wichtiger, als es ihre Aufgabe
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sein wird, die Erinnerung daran auch dann wachzuhalten, wenn es keine Zeitzeugen
mehr gibt, wenn sich diese Vergangenheit der unmittelbaren persönlichen Erfahrung
endgültig entzogen haben wird.
Imponierend an diesem Unterrichtsprojekt ist, dass es nicht im Klassenraum blieb. Die
Schülerinnen und Schüler reisten an die Orte der Verbrechen und führten in Polen
Gespräche mit Gleichaltrigen. Sie fanden damit einen ganz persönlichen Zugang zum
dunkelsten Kapitel deutscher Geschichte, die auch ihre ist. Sie lernten, dass die Gegenwart nicht ohne die Vergangenheit zu verstehen ist, und schulten ihr Verständnis
für aktuelle politische Konflikte, die regelmäßig bestimmt werden durch gemeinsam
geteilte Erfahrungen, im Guten wie im Bösen. Und nicht zuletzt tragen Initiativen wie
dieses dazu bei, über die unterschiedlichen nationalen Erinnerungen hinweg Brücken
zu einem gemeinsamen Gedächtnis zu schlagen.
In diesem Buch, dem ich viele interessierte Leser wünsche, machen die Schülerinnen
und Schülern nun anderen zugänglich, was sie sich gemeinsam mit ihrem Lehrer erarbeitet haben. Ihnen und allen, die zum Gelingen dieses außergewöhnlichen Projekts
beigetragen haben, darunter die Stiftung gegen Extremismus und Gewalt in Heide
und Umgebung, gebührt dafür Dank und Anerkennung.
7
Auschwitz steht als Synonym für einen historisch beispiellosen Völkermord, eine unerbittliche Tötungsmaschinerie. Am 27. Januar 2015, anlässlich des 70. Jahrestages der
Befreiung des Konzentrationslagers von Auschwitz durch die Rote Armee, gedachte
die Welt der vielen Opfer des Nationalsozialismus. „Es gibt keine deutsche Identität
ohne Auschwitz“, sagte Bundespräsident Joachim Gauck.
Wir sind verantwortlich für die Erinnerung an den Holocaust und für die Analyse der
Gründe, die Auschwitz möglich gemacht haben. Dazu gehört es, die Prozesse zu verstehen, die die Macht der Nationalsozialisten in den 1930er Jahren festigen und die
nationalsozialistische Ideologie in der Bevölkerung verankern konnten.
Die Schülerinnen und Schüler der 12. Klasse des Gymnasiums Heide-Ost haben mit
ihrem Unterrichtsprojekt „Vernichtungskrieg – der andere Holocaust“ einen Beitrag
zur kritischen Auseinandersetzung mit der deutschen Geschichte geleistet. Unter der
Leitung ihres Geschichtslehrers Dr. Matthias Duncker haben sie das Thema aus vielen
Perspektiven betrachtet und erarbeitet.
Nach dem Prinzip des „forschenden Lernens“ sichteten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer den Forschungsstand. Sie recherchierten vor Ort und befragten Experten. Sie
entdeckten und schrieben auf diese Weise selbst ein Stück Lokalgeschichte.
Mit ihren Ergebnissen berühren sie die Menschen und bringen ihnen einen Teil der
eigenen Geschichte nahe. Das ist eine große Leistung.
Mein Dank gilt ebenso der „Stiftung gegen Extremismus und Gewalt in Heide und
Umgebung“, die nun schon seit rund zehn Jahren solche Projekte unterstützt und
eine beeindruckende Reihe von Veröffentlichungen ermöglicht hat.
Ich wünsche allen Beteiligten, dass diese Publikation viele Leserinnen und Leser findet und zu einem vertieften Geschichtsbewusstsein beiträgt.
Britta Ernst
Ministerin für Schule und Berufsbildung
des Landes Schleswig-Holstein
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Grußwort der Stadt Heide
Das Projekt des Gymnasiums Heide Ost „Vernichtungskrieg – der andere Holocaust“
betritt in der deutschen Schullandschaft Neuland. Als Schulträger zollen wir den Arbeiten der Schülerinnen und Schüler, ihrem Geschichtslehrer Dr. Matthias Duncker
und der Heider Stiftung gegen Extremismus und Gewalt dafür großen Respekt.
Bundestagspräsident Prof. Dr. Lammert, der mit seiner Rede vor dem deutschen Parlament anlässlich des Gedenktages der Opfer der NS-Gewaltherrschaft am 27.1.2014
den Anstoß für dieses anspruchsvolle Projekt gegeben hatte, sprach ebenfalls seine
große Anerkennung für diese Arbeit aus.
Auch wir als Vertreter der Stadt Heide freuen uns, dass bei den Jugendlichen großes
Interesse an der Aufarbeitung der jüngsten deutschen Geschichte besteht und dass
sie über den Schulbetrieb hinaus an diesem Projekt engagiert gearbeitet haben.
Der Heider Stiftung gegen Extremismus und Gewalt gebührt weiterhin Respekt für
ihr Wirken, die Zusammenarbeit mit jungen Menschen und für die vielen bisher bereits erarbeiteten Ausstellungen und Projekte über brennende politische Themen.
Wir wünschen dem Buch eine große Verbreitung und eine weitere Aufklärung darüber, dass wir in unserer Demokratie immer die Warnungen vor möglichem Machtmissbrauch durch diktatorische politische Entwicklungen im Auge behalten müssen
Franz-Helmut Pohlmann, Bürgervorsteher
Ulf Stecher, Bürgermeister
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Am 22. Juni 1941 begann unter dem Decknamen Unternehmen Barbarossa der
deutsche Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion. Die brutale Kriegsführung, das
Schicksal der Kriegsgefangenen, das Leid unter der Zivilbevölkerung sowie die wirtschaftliche Ausbeutung der besetzten Gebiete stehen in der Geschichte ohne Präzedenz da. Die Sowjetunion trug die Hauptlast des Zweiten Weltkrieges. Für diesen
Sachverhalt stehen neben den Verwüstungen im Land über 27 Millionen getötete
Menschen. Damit hatte die UdSSR den höchsten Blutzoll aller beteiligten Länder im
Zweiten Weltkrieg zu zahlen.
Während in Wissenschaft und Politik über die Zusammenhänge und die verbrecherischen Dimensionen des deutschen Vernichtungskrieges gegen die Sowjetunion ein
breiter Konsens besteht, ist das Ausmaß dieses Feldzuges mit all seinen verheerenden
Wirkungen im öffentlichen Bewusstsein Deutschlands aber kaum verankert. Außerdem ist vielen Menschen in unserem Land nicht klar, dass erst der Vernichtungskrieg
gegen die Sowjetunion die machtpolitischen Voraussetzungen für die „Endlösung der
Judenfrage“ schuf. Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert brachte es am 27.
Januar 2014 in seiner Rede zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus folgendermaßen auf den Punkt: „Am 27. Januar 1945 wurde das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau durch die Rote Armee befreit − zufällig auf den Tag
genau ein Jahr nach Ende der Leningrader Blockade. Kein Zufall ist dagegen der Zusammenhang zwischen Auschwitz und Leningrad, zwischen dem Völkermord an den europäischen Juden und dem mörderischen Raub- und Vernichtungsfeldzug im Osten Europas:
Sie wurzelten in der menschenverachtenden nationalsozialistischen Rassenideologie.“1
Seit Ende 2014 arbeiteten die Schülerinnen und Schüler einer 12. Klasse des Gymnasiums Heide-Ost mit ihrem Geschichtslehrer Dr. Matthias Duncker an dem Projekt
„Vernichtungskrieg – der andere Holocaust“. Sie beschäftigten sich mit dem Zusammenhang von NS-Euthanasie, Vernichtungskrieg und industriell vollzogener
Menschenvernichtung. Das Ergebnis ist ein differenziertes Bild vom Holocaust.
Hervorzuheben ist das Engagement all jener, die das Projekt unterstützt haben. So
unternahmen die jungen Leute in den Osterferien 2015 zur Verbesserung der Recherche im Unterricht eine einwöchige Projektfahrt nach Polen. Neben dem Projektleiter
1
www.bundestag.de/bundestag/praesidium/reden/Rede zum Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus
(Zugriff am 22.11.2014).
10
waren der Leiter der Dithmarscher Musikschule Richard Ferret und der Ehrenvorsitzende der Heider Stiftung gegen Extremismus und Gewalt Berndt Steincke an der Fahrt
beteiligt. Die Reise diente im Wesentlichen der Besichtigung von ehemaligen Vernichtungslagern, welche die Nationalsozialisten allesamt auf polnischem Boden errichtet
hatten. Besucht wurden die Mordstätten Majdanek und Treblinka, überdies das ehemalige Warschauer Ghetto und eine sowjetische Gedenkstätte. Führungen durch das
Jüdische Museum und das Museum des Warschauer Aufstandes waren ebenso Bestandteil des umfangreichen Programms. Weiterhin nahm die Reisegruppe Kontakte zur
Warschauer Musikschule auf. Bei Treffen mit polnischen Schülerinnen und Schülern
fanden wertvolle Gespräche und Diskussionen über den 2. Weltkrieg und seine Folgen für beide Länder statt. Es wurde darüber gesprochen, wie bei den Erwachsenen
und bei den jungen Menschen das Projektthema behandelt wird.
Hohe Anerkennung verdienen die Eltern, die stets den Arbeitsprozess ihrer Kinder
interessiert begleitet und die Reise nach Polen erst ermöglicht haben.
Ich freue mich, dass die Ergebnisse dieses außergewöhnlichen Geschichtsprojektes
nun in Form eines Buches einer interessierten Öffentlichkeit zugänglich sind, und
wünsche allen Leserinnen und Lesern interessante Einblicke und anregende Impulse.
Gerhard Thomas
(Schulleiter)
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Geleitwort zum Unterrichtsprojekt
„Vernichtungskrieg – der andere Holocaust“
„Vernichtungskrieg – der andere Holocaust“ ist ein bemerkenswertes Projekt, das am
Gymnasium Heide-Ost verwirklicht worden ist, doch über Schleswig-Holstein hinaus
bundesweite Beachtung verdient.
Jede Generation muss sich auf ihre Weise mit der NS-Zeit, dem Zweiten Weltkrieg und
dem Holocaust auseinandersetzen. Dabei entdeckt die neue Generation nicht selten
Aspekte, die bislang unterbelichtet geblieben sind: Dieses Projekt der Schülerinnen
und Schüler in Heide stellt den Eroberungs- und Vernichtungskrieg im Osten in den
Vordergrund und nennt diesen den „anderen Holocaust“.
Zweierlei scheint mir in diesem Kontext wichtig zu sein. Zum einen ist der Holocaust,
der Mord an den europäischen Juden – ein einzigartiges Verbrechen –, verschränkt
mit dem Kriegsgeschehen realisiert worden. Schließlich war er das einzige bis zum
Ende konsequent verfolgte Kriegsziel des NS-Regimes.
Zum anderen – und hier setzt das Projekt des Kurses aus Heide an – wurde der Krieg
im Osten, jenseits aller völkerrechtlichen Regeln, mit ausgesprochen brutalen Mitteln
geführt und das Ziel verfolgt, eine neue rassistische Ordnung unter deutscher Vorherrschaft durchzusetzen. Viele Millionen Menschen kamen in Ostmittel- und in Osteuropa um, allein ca. 28 Millionen Menschen der Völker der damaligen Sowjetunion,
Soldaten wie Zivilisten, insbesondere Weißrussen, Ukrainer, auch Großrussen. Nicht
hinreichend bekannt ist auch bei uns, dass neben den Juden eine etwa gleich große
Zahl auch von Polen im Zweiten Weltkrieg in unserem östlichen Nachbarland umgekommen ist.
Viele schreckliche Geschehnisse dürfen einfach nicht vergessen werden. Zu ihnen
zählt auch der Tod von mindestens 2,5 Millionen russischer Kriegsgefangener. Das
Geschehen in den „Bloodlands“ wie der amerikanische Historiker Timothy Snyder den
osteuropäischen Raum nennt, gilt es aufzuarbeiten, wenn wir diesen Raum und seine
Menschen verstehen wollen.
12
Gewiss war der Krieg samt seinen Folgen auch für die Deutschen fürchterlich. Dennoch müssen wir uns der deutschen Verantwortlichkeit bewusst sein und daraus
Schlussfolgerungen für Gegenwart und Zukunft ziehen. Die dem Zweiten Weltkrieg
und seinen Opfern gewidmete Erinnerungskultur bleibt bedeutsam.
Schülern und Lehrern aus Heide-Ost ist für ihr Projekt zu danken! Ich hoffe, dass das
Buch anregend wirkt, ähnliche Projekte auch andernorts durchzuführen.
Prof. Dr. Bernd Faulenbach
Vorsitzender des Vereins „Gegen Vergessen – Für Demokratie“
Berlin/Bochum, im Februar 2016
13
14
Inhaltsverzeichnis
I.
Seite
Einleitung ............................................................................................................................................................................ 19
1.
2.
2.1
2.2
Konzept ...................................................................................................................................................................................
Der Begriff vom Vernichtungskrieg .............................................................................................................
Von der Idee zum Modell: Clausewitz – Schlieffen – Falkenhayn – Ludendorff
Vernichtung als Obsession:
der rassenideologisch begründete Vernichtungskrieg ..............................................................
3. Von der „Endlösung der Judenfrage“ zum Holokaust −
eine kleine Begriffsgeschichte ..........................................................................................................................
19
20
20
22
23
II. Experimentierfelder des Vernichtungskrieges.......................................................................... 26
1. Polen ......................................................................................................................................................................................... 26
2. Südosteuropa ..................................................................................................................................................................... 29
III. Der Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion ........................................................................ 31
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
Die Besatzungs- und Verwaltungsstrukturen im Gebiet „Barbarossa“ .........................
Der Mord an den Juden auf sowjetischem Territorium ..............................................................
Der Kampf gegen die Partisanen .....................................................................................................................
Das Schicksal der sowjetischen Kriegsgefangenen ........................................................................
Die Jagd nach Zwangsarbeitern unter der sowjetischen Zivilbevölkerung ...........
Das Vorgehen gegen die sowjetischen Roma .....................................................................................
Die Krankenmorde in den Heil- und Pflegeanstalten ...........................................................
Belagerung als Vernichtungsstrategie. Beispiel: Leningrad ....................................................
31
33
38
41
46
49
50
52
IV. Die Entgrenzung der NS-Vernichtungspolitik
unter den Bedingungen des Krieges ...................................................................................................... 57
1.
2.
3.
4.
5.
Der Zusammenhang von Kriegsverlauf und Judenvernichtung .......................................
Behemoth und Leviathan im Gleichschritt? ..........................................................................................
Die Euthanasiepolitik und die Verflechtung der Genozide .....................................................
Führten die Deutschen nur im Osten einen Vernichtungskrieg? ......................................
Zusammenfassung ........................................................................................................................................................
58
61
64
70
71
V. Schlussbetrachtung ................................................................................................................................................... 72
VI. Literatur
.................................................................................................................................................................................
75
15
16
Wir brauchen und wir haben die Kraft,
der Wahrheit so gut wir es können ins Auge zu sehen,
ohne Beschönigung und ohne Einseitigkeit.
(Bundespräsident Richard von Weizsäcker, 8. Mai 1985)
17
18
I. Einleitung
1. Konzept
Holocaust. Womit assoziieren Sie diesen Begriff? Vermutlich werden Sie den Terminus
„Vernichtungskrieg“ nicht mit diesem Wort in Verbindung setzen. Vielen von Ihnen wird zuerst der
Völkermord an den Juden im „Dritten Reich“ in den Sinn kommen. Und hier beginnt die Aufklärungsarbeit, die wir mit dieser Erörterung leisten möchten. Den Begriff nur singulär auf den
Judenmord zu beziehen, ist problematisch. Denn dadurch findet eine Art Schuldeingrenzung hinsichtlich des Gesamtausmaßes der NS-Vernichtungspolitik statt. Um jedoch ein angemessenes
Wissen über die Massenverbrechen des NS-Regimes zu vermitteln, ist es von großer Bedeutung,
das Verständnis für die Verbindung von Vernichtungskrieg und Holocaust zu generieren und im
öffentlichen Bewusstsein stärker zu verankern. Dazu einen Beitrag zu leisten, ist primäres Ziel
dieser Arbeit.
Der Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion, mit dem wir uns beschäftigen werden, wird
später näher erläutert werden, aber bereits im Voraus ist zu sagen, dass der Zusammenhang von
Vernichtungskrieg und Völkermord sowie die Vielfalt der Opfergruppen vielfach (un-bewusst) ausgeklammert werden. Das ist die Schuldeingrenzung, der wir entgegentreten wollen. Mit diesem
Projekt soll der Kontext und somit die Komplexität des Vernichtungskrieges der Nationalsozialisten
ins Gedächtnis der Leserin und des Lesers gerückt werden. Hervorzuheben ist, dass unser Vorhaben den rassenideologisch begründeten Vernichtungskrieg als anderen Holocaust belegt;
„anderer“ bezieht sich auf die Erkenntnis, den Rassismus als Basisideologie der NS-Weltanschauung zu verstehen und die Verflechtung der Genozide, demnach den Zusammenhang von
NS-Euthanasie, Vernichtungskrieg und industriell vollzogener Menschenvernichtung anzuerkennen, so dass ein differenzierteres Bild vom Holocaust entsteht.
Um die Geschichte im Nachhinein zu verstehen, hat sich unser Kurs in sieben Gruppen mit verschiedenen Aspekten des komplexen Themas beschäftigt. Über einen Zeitraum von mehreren
Monaten haben wir Fachtexte und Dokumente exzerpiert und eine Kursfahrt zu einigen Originalschauplätzen der NS-Vernichtungspolitik und der Gräueltaten in Polen unternommen. Die Fragen,
die sich dabei ergaben, haben wir systematisch beantwortet und gegliedert. Zum besseren Verständnis haben wir mit den Erläuterungen der Kernbegriffe „Vernichtungskrieg“ und „Holocaust“
begonnen. Anschließend haben wir uns mit den Vernichtungsräumen Polen und Südosteuropa als
„Experimentierfelder“ des Vernichtungskrieges befasst, gefolgt von den Einzelheiten des Vernichtungskrieges, der sich explizit gegen die Sowjetunion gerichtet hat. Eine Analyse der Verstöße
gegen das Völkerrecht, die im Zuge des Vernichtungskrieges stattfanden, sollte dabei ebenfalls erfolgen. Die Komplexität der Opfergruppen spiegelt sich in den Unterkapiteln. Als letzten Punkt
haben wir die Entgrenzung der NS-Vernichtungspolitik unter den Bedingungen des Krieges aufgearbeitet.
19
2. Der Begriff vom Vernichtungskrieg
2.1 Von der Idee zum Modell: Clausewitz – Schlieffen – Falkenhayn – Ludendorff
Die Idee des Vernichtungskriegs wurde (und wird immer wieder) mit einem Namen in Verbindung
gebracht: Clausewitz.1 In seinem Klassiker der Militärtheorie Vom Kriege2 beschrieb er den Krieg
als einen Akt der Gewalt, um andere Staaten unter die eigene Kontrolle zu bringen. Die Vernichtung des Feindes legitimierte er jedoch nur auf dem Schlachtfeld gegenüber dem feindlichen
Heer, das Volk hingegen sollte komplett verschont bleiben.3
Nachfolgende Vertreter legten Clausewitz’ Aussagen missbräuchlich aus, so dass es den Anschein hat, er wollte die komplette Bevölkerung des feindlichen Landes vernichten. Bei dieser
Annahme handelt es sich um ein Rezeptionsphänomen. Im Wesentlichen scheiden sich in der
Wissenschaft die Geister an dem Sachverhalt, „ob Clausewitz die Theorie vertreten habe, einziges
Ziel des Krieges sei die totale Niederwerfung des Gegners (und alles andere durch Politik erzwungene Verfälschung dieses eigentlichen Kriegszieles), oder ob der Krieg als Instrument der
Politik nur die Ziele habe, die die Politik ihm vorgebe.“4 Jan Philipp Reemtsma stellt heraus, dass
Vom Kriege für beide Standpunkte Belege liefert.5 Die Gedanken des Militärtheoretikers lassen
sich aber nicht schlüssig auf den einzigen Impuls reduzieren, die Politik vom Krieg unterwerfen zu
lassen, was später mit dem Schlieffen-Plan geschehen sollte.6
Ziel dieses Feldzugplans von Alfred Graf von Schlieffen war die Einnahme Frankreichs durch
deutsche Truppen. Dazu plante er einen schnellen Durchmarsch durch das neutrale Belgien, um
innerhalb weniger Wochen vor Paris stehen zu können, die Feinde an die französische Festungslinie zurückzuwerfen und dort endgültig zu besiegen. Für ein Einfallen durch Nordfrankreich war
jedoch ein großes Heer nötig, weshalb nur wenige Truppen im Osten und in Elsass-Lothringen
stationiert werden sollten, da er diese Gebiete zudem als nicht so gefährdet einschätzte. Nach der
Besiegung Frankreichs sollten die Truppen an die Ostgrenze des Reiches verlagert werden.
Schlieffen ging davon aus, dass die Feinde im Osten einige Zeit benötigen würden, um in die Nähe
der deutschen Grenze zu gelangen.
Dieses Handeln versuchte er mit Clausewitz’ Werk zu begründen. Schlieffen war angewiesen,
im Falle einer gewissen politischen Situation, militärische Maßnahmen folgen zu lassen. Der Plan
wurde frühzeitig konzipiert, es galt nur noch, einen geeigneten Zeitpunkt für die Durchführung des
entstandenen Offensivplans zu bestimmen. Falls dieser Zeitpunkt in absehbarer Zeit nicht zu
finden wäre, wäre die Politik dazu bestimmt gewesen, die Bedingungen zu schaffen, die einen Angriff auf die Franzosen rechtfertigen könnten. Der Sieg stand bei diesem Schlachtplan zwar im Vor1
Zur Kontroversität dieses Sachverhalts in der Forschung eingehend Reemtsma, Jan Philipp: Die Idee des
Vernichtungskrieges. Clausewitz – Ludendorff – Hitler. In: Heer, Hannes; Naumann, Klaus (Hrsg.):
Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht. 1941 – 1944. 10. Auflage. Hamburg 1997, S. 380 ff.
2
Nach Clausewitz’ Tod (1831) wurde das unvollendete Werk posthum von seiner Witwe herausgegeben.
3
Vgl. ebd.
4
Ebd., S. 381.
5
Ebd.
6
Vgl. ebd., S. 389.
20
dergrund, doch das Verhältnis zwischen der Idee einer Vernichtung und dem obersten Ziel des
Siegens verschob sich erstmals. „Schlieffen plante den Krieg gegen Frankreich als eine einzige
Entscheidungs- und Vernichtungsschlacht“, wodurch es zu einer „Verkehrung des Instrumentalverhältnisses von Politik und Krieg“ kam.7 Dieser Plan erwies sich jedoch als undurchführbar, und der
ausgebrochene Stellungskrieg verhinderte eine Rückkehr zur konventionellen Kriegführung.
Die Politik verlor massiv an Einfluss auf das Kriegsgeschehen und versuchte auch nicht, sich
dieser Entwicklung zu widersetzen.
Unter General Falkenhayn spitzte sich die Entwicklung der Kriegführung radikal zu. Er trug
1915 ein neues Konzept vor, das die Realität des ausgebrochenen Stellungskriegs mit der Idee
des Vernichtungskriegs verband. Das Ergebnis war die „Hölle von Verdun“. Bei dieser Schlacht
wurde nie ernsthaft die Absicht des Einnehmens verfolgt und der Geländegewinn rückte vollkommen in den Hintergrund. Es entstand unter dem Schrecken des Krieges die völlig neue Idee,
die Vernichtung menschlichen Lebens zum alleinigen Ziel der Schlacht zu erklären. Falkenhayn
nannte dies „Ausbluten der Franzosen“. 8 Dieser Plan ist als Anpassung und Erweiterung des
Schlieffen-Plans anzusehen, da er die Vernichtungsansätze Schlieffens auf das reale Kriegsgeschehen (Stellungskrieg) bezog. Eine weitere Neuerung war es, dass nun nicht mehr die
gegnerische Armee allein als Bedrohung angesehen wurde, sondern „eine ganze Generation
waffenfähiger Männer.“9 Auf diesen Entwicklungsprozess hatte die Politik kaum noch Einfluss, der
Krieg war die führende Hand während dieser Geschehnisse und die Schieflage zwischen den
beiden Faktoren (Krieg und Politik) nahm massiv zu.
Als 1916 Erich Ludendorff die faktische Militärdiktatur errichten konnte, trat die Politik schließlich gewollt in den ausschließlichen Dienst der Kriegführung. Durch die Dezembergesetze wurde
der
Krieg
zunehmend
„total“.
Das
„Gesetz
über
den
vaterländischen
Hilfsdienst“
(2. Dezember 1916) besagte praktisch die Mobilmachung des gesamten Volkes, es zog in den ihm
aufgezwungenen Krieg. Es entstand eine Militärdiktatur, die es sich zum Ziel setzte, alle
menschlichen Kräfte selbstlos aufzubringen. Rechtfertigung dafür war der angeblich mangelnde
Einblick der preußischen Kriegsminister, die nur einseitige Einsicht in das Handeln der Feinde und
damit in die Notwendigkeit eines Krieges hätten. Dies hatte den Regierungsantritt der „Obersten
Heeresleitung“ zur Folge, was umso deutlicher zeigt, dass die Politik zu diesem Zeitpunkt uneingeschränkt im Dienste der Kriegführung stand.10 Die Volkswirtschaft wurde zur Kriegswirtschaft; erste
rassistische Ansätze bei der Mobilisierung der Bevölkerung für den „Kulturkrieg“ lassen sich finden.
Der Krieg war nun mehr ein Teil der Kultur; rassistische Impulse wurden nicht öffentlich hinterfragt.
Politik, Volk und Wirtschaft dienten allein der erfolgreichen Fortsetzung des Kriegs. Diese Strategie
wurde zur Legitimation und Erklärung für den „totalen Krieg“. Von Clausewitz’ ursprünglicher
Theorie war nichts mehr übrig geblieben, sie war ins Gegenteil verkehrt worden. Während dieser
7
Vgl. Reemtsma, Jan Philipp: Die Idee des Vernichtungskrieges, S. 389.
Ebd., S. 390 f.
9
Ebd.
10
Vgl. im Folgenden ebd., S. 392 ff.
8
21
Zeit sollte der Krieg erst dann beendet werden, wenn die Feinde vernichtet oder wehrlos seien.
Die Schlacht wurde zum Mittelpunkt, sie war nicht mehr das untergeordnete Instrument des
Kriegsplanes, das heißt, der Plan verlor vor dem Kampf an Bedeutung und das Töten musste
unausweichlich zum Selbstzweck werden. In Ermangelung eines konkreten Planes führte die
Oberste Heeresleitung den ausbleibenden Erfolg gegen Ende des Krieges einer „jüdischen Verschwörung“ zu. Aus purer Verzweiflung und Angst vor einer Niederlage wurde der Mythos der
„Befreiung der deutschen Rasse“ bei radikalen Nationalisten zum Motivationsgedanken.11 Unter
den Bedingungen des Krieges wurden Clausewitz’ Theorien komplett verfremdet und der Krieg
wurde zum höchsten Ziel der Politik.
2.2 Vernichtung als Obsession: der rassenideologisch begründete Vernichtungskrieg
Zunächst ist es wichtig zu verstehen, dass der Begriff „Obsession“ in diesem Kontext als
„Besessenheit“ zu sehen ist. Aus den vorangegangenen Erläuterungen ist deutlich geworden, wie
die Idee des Vernichtungskriegs an Dominanz gewinnen konnte. Im Nationalsozialismus
entwickelte sich der Rassismus zum zentralen Impulsgeber eines zu führenden Vernichtungskampfes. Selbst der Anspruch eines Krieges zwischen zwei unterschiedlichen Gesellschaften war
nicht mehr radikal genug. Es wurde ein Krieg zwischen Menschen einer höherwertigen Rasse
gegen Menschen einer minderwertigen Rassen propagiert. Der Vernichtungsfeldzug gegen
minderwertige Rassen wurde im Zweiten Weltkrieg zum zentralen Gedanken und mit der Rassenideologie begründet. Alles, was gegen das Homogenitätsideal verstieß (also gegen das Ideal der
gleichen und wertvollen Rasse), wurde als Feind betrachtet. Die Vernichtung dieser Rassenfeinde
würde nach Auffassung der damaligen Wortführer den endgültigen Frieden und Sieg sichern.
Es sind in diesem Konzept noch immer Ansätze des Ersten Weltkrieges zu erkennen, die
damaligen Ideen wurden abermals aufgegriffen und radikalisiert.
Neu war unter dem NS-Regime allerdings, dass die Politik, wenn auch die Rassenpolitik, wieder
bestimmend wurde. Der Krieg rückte dennoch nicht wieder in den Dienst dieser Politik, im nationalsozialistischen Vernichtungskrieg wurden „Politik und Krieg eins.“ 12 Der „totale Vernichtungskrieg“13 war die Folge der Umsetzung der nationalsozialistischen Politik. Als Grundlage für den
Vernichtungskrieg wurden Ideologien propagiert, welche Krieg, Volk und Politik zu einer übermächtigen Einheit zusammenfassten.
Der Vernichtungskrieg der Nationalsozialisten verfolgte drei primäre Ziele: zum einen die Ausrottung oder Dezimierung der rassisch für minderwertig erachteten Bevölkerungsteile durch eine
brutale Kriegführung und gewaltsame Besatzungspolitik. 14 Des Weiteren die Machtübernahme
über den anderen Staat durch das eigene Regime und die völlige Auslöschung der Führungs11
Reemtsma, Jan Philipp: Die Idee des Vernichtungskrieges, S. 395.
Ebd.
13
Zu diesem Terminus eingehender ebd.
14
Dazu eingehender Pohl, Dieter: Die Herrschaft der Wehrmacht. Deutsche Militärbesatzung und
einheimische Bevölkerung in der Sowjetunion 1941 – 1944. Frankfurt am Main 2011, S. 1 ff.
12
22
schicht. (hier zum Verständnis das Stereotyp des „jüdischen Bolschewismus“15). Das dritte Ziel war
die Eroberung von „Lebensraum im Osten“ für die eigene Rasse und die wirtschaftliche
Ausbeutung des Landes. Dass jedes einzelne dieser drei Ziele letzten Endes auf den Rassismus
zurückzuführen ist, bestätigt die These vom Rassismus als Basisideologie der nationalsozialistischen Weltanschauung. 16 Im Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion gelang es den
nationalsozialistischen Machthabern demnach, den Krieg mit der Rassen-Politik zu einem einzigen
Faktor zu verschmelzen.
3. Von der „Endlösung der Judenfrage“ zum Holokaust í eine kleine
Begriffsgeschichte
In der nun folgenden „kleinen Begriffsgeschichte“ wird die sprachliche Entwicklung vom
Euphemismus „Endlösung der Judenfrage“ im „Dritten Reich“ bis zur Verwendung des Wortes
„Holokaust“ in der Bundesrepublik Deutschland (als Synonym für den systematischen Völkermord
an den europäischen Juden) bis zur Extension des Begriffes „Holocaust“ (mit Blick auf alle Opfergruppen der NS-Vernichtungspolitik) skizziert.
Während das NS-Regime in Deutschland an der Macht war, benutzten die politisch Verantwortlichen zur Umschreibung des Völkermordes an den Juden den zynischen Euphemismus
„Endlösung der Judenfrage“. Auch Begriffe wie „Gesamtlösung“, „Sonderbehandlung“ oder
„Umsiedlung“ dienten zur Verschleierung der Vernichtungspolitik.17
Nach dem Sturz der Nationalsozialisten ist in Deutschland keine eigene Bezeichnung für das
Grauen des Völkermordes im „Dritten Reich“ entstanden. Der NS-Begriff „Endlösung der Judenfrage“ schien verständlicherweise nicht angemessen. Meistens wurden Umschreibungen wie
„Schicksal“, „Leid“ oder „Verfolgung der Opfer“ benutzt oder die Geschehnisse wurden explizit
beschrieben, wie „die Opfer wurden verbrannt, vergast, erschossen“.18
Seit den 1970er Jahren haben sich Begriffe wie „Holocaust“, „Shoah“, aber auch „Auschwitz“
und ähnliche Begriffe im deutschen Sprachgebrauch eingebürgert. Die Bezeichnung „Holocaust“
etablierte sich in der Bundesrepublik Deutschland durch die Serie Holocaust (deutsche Erstausstrahlung 1979) als Synonym für die Judenvernichtung unter den Nationalsozialisten. Diese Serie
handelt von einer fiktiven jüdischen Arztfamilie aus Berlin. Einerseits wurde der Serie vorgeworfen,
den Völkermord zu vereinfachen und zu fiktionalisieren 19 , anderseits löste diese Serie in der
Bundesrepublik eine emotionale Bereitschaft aus, sich eingehender mit dem Völkermord an den
15
Dazu eingehender unten sowie u.a. Rentrop, Petra: Tatorte der „Endlösung“. Das Ghetto Minsk und die
Vernichtungsstätte von Maly Trostinez. Berlin 2011, S. 39 f.
16
Vgl. Neumann, Franz: Behemoth. Struktur und Praxis des Nationalsozialismus 1933 – 1944. Frankfurt am
Main 1977, sowie Wippermann, Wolfgang: Ideologie. In: Benz, Wolfgang; Graml, Hermann; Weiß, Hermann
(Hrsg.): Enzyklopädie des Nationalsozialismus. 2. Auflage. München 1998, S. 11 - 21, besonders S. 16.
17
Matthäus, Jürgen: Sonderbehandlung. In: Benz, Wolfgang (Hrsg.): Handbuch des Antisemitismus.
Judenfeindschaft in Geschichte und Gegenwart. Band 3: Begriffe, Theorien, Ideologien.
Berlin/New York 2010, S. 304 f.
18
Heil, Johannes: Shoah. In: ebd., S. 303 f.
19
Fischer, Torben; Lorenz, Mathias N: Lexikon der Vergangenheitsbewältigung in Deutschland, S.243
23
Juden auseinanderzusetzen.20 Dadurch wurde nach Holocaust Kritik an der Historiker-Zunft laut,
da diese den Völkermord schon seit den 1960er Jahren untersuchte, die Ergebnisse jedoch nicht
an die breite Masse gelangten. Holocaust aber führte nicht zu einer Verbreitung der Erkenntnisse
über den Völkermord, betonten Kritiker dieser Serie, sondern vergrößerte ausschließlich die Bereitschaft der Menschen, sich mit diesem Thema eingehender zu beschäftigen.
Problematisch ist die „fehlende Authentizität, Präzision und die missverständliche, ja falsche
Bedeutung“21 des Wortes „Holocaust“, bei dem es sich ursprünglich um „eine Transliteration aus
dem Griechischen“ 22 handelt und soviel heißt wie „Brandopfer“ 23 oder „Massenvernichtung
menschlichen Lebens“.24 Dennoch wird das Wort „Holocaust“ oft synonym nur für den Völkermord
an den europäischen Juden verwendet.
Vertreter der Einzigartigkeitsthese prägten den Begriff „Holocaust“, um das einzigartig grausame Vorgehen der Nationalsozialisten allein gegen die Juden zu bezeichnen. Dies geschah u.a.
deswegen, da man auch im Hebräischen nach dieser Tragödie ein eigenes Wort, nämlich Shoah
(dt. Unheil, Katastrophe), dafür verwendet hat. Der Terminus „Holocaust“ wurde (und wird noch
immer) oft als Synonym für Shoah betrachtet und verwendet.
Im Verständnis vieler Menschen, die anderen Opfergruppen angehörten, kollidierte die These
von der Einzigartigkeit des Holocausts mit einer angemessenen Auseinandersetzung mit der
NS-Gewaltherrschaft. Sie plädierten für eine Extension des Wortes „Holocaust“ auf die eigenen
Opfer. Für eine angemessene Umschreibung der Massenverbrechen des Nationalsozialismus sei
es nämlich nötig, alle Opfergruppen (wie z.B. auch Slawen, Sinti und Roma, Homosexuelle,
Behinderte oder psychisch Kranke) im Gedenken der Menschen zu verankern und ihnen durch
einen Begriff wie „Holocaust“ ebenso einen würdigen Platz in der bundesrepublikanischen Erinnerungskultur einzuräumen wie den Juden.
In Wissenschaft und Politik besteht über die Extension der Bezeichnung „Holocaust“ inzwischen
ein breiter Konsens. So bestimmte am 1. November 2005 die Generalversammlung der Vereinten
Nationen mit der Resolution 60/7 den 27. Januar zum Internationalen Tag des Gedenkens an die
Opfer des Holocausts unter dem Hinweis, dass „ein Drittel des jüdischen Volkes sowie zahllose
Angehörige anderer Minderheiten ermordet wurden“.25
Auch Bundestagspräsident Norbert Lammert nannte in seiner Rede zum Gedenktag der Opfer
des Nationalsozialismus am 27. Januar 2014 neben Juden u.a. auch Slawen, Sinti und Roma,
Zwangsarbeiter, Menschen mit Behinderungen, politisch Verfolgte.26 In seiner Ansprache betonte
20
Fischer, Torben; Lorenz, Mathias N: Lexikon der Vergangenheitsbewältigung in Deutschland, S. 244.
Benz, Wolfgang: Holocaust. In: Benz, Wolfgang (Hrsg.): Handbuch des Antisemitismus. Judenfeindschaft
in Geschichte und Gegenwart. Band 3: Begriffe, Theorien, Ideologien. Berlin/New York 2010, S. 119.
22
Ebd.
23
Ebd.
24
Eitz, Thorsten; Stötzel, Georg: Wörterbuch der „Vergangenheitsbewältigung“. Die NS-Vergangenheit im
öffentlichen Sprachgebrauch, S. 318.
25
Vgl. www.un.org/un.org/en/depts/german/gv-60/band1/ar60007.pdf (Zugriff am 4.12.2014).
26
www.bundestag.de/bundestag/praesidium/reden/Rede zum Tag des Gedenkens an die Opfer des
Nationalsozialismus (Zugriff am 22.11.2014).
21
24
er überdies folgenden wichtigen Sachverhalt: „Am 27. Januar 1945 wurde das Konzentrations- und
Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau durch die Rote Armee befreit í]XIlOOLJDXIGHQ7DJJHQDX
ein Jahr nach Ende der Leningrader Blockade. Kein Zufall ist dagegen der Zusammenhang
zwischen Auschwitz und Leningrad, zwischen dem Völkermord an den europäischen Juden und
dem mörderischen Raub- und Vernichtungsfeldzug im Osten Europas: Sie wurzelten in der
menschenverachtenden nationalsozialistischen Rassenideologie.“27
Noch etwa 30 Jahre früher, bei der Rede vom Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker am
8. Mai 1985, wurden als Opfer des Holocausts ausschließlich Juden angeführt. Außerdem ließen
seine Ausführungen jeden „Zusammenhang zwischen dem Völkermord an den europäischen
Juden und dem mörderischen Raub- und Vernichtungsfeldzug im Osten“ vermissen, indem von
Weizsäcker den Mord „der sechs Millionen Juden“ ausschließlich mit den „deutschen Konzentrationslagern [sic]“ in Verbindung brachte. 28 Den Anstoß zum Umdenken brachte eine Ansprache des Bundespräsidenten Roman Herzogs beim Staatsakt aus Anlass des 50. Jahrestages
des Endes des Zweiten Weltkrieges. In dieser Rede vom 8. Mai 1995 wurden als Opfer des
Holocausts neben Juden auch Sinti und Roma, Polen, Russen, Tschechen und Slowaken genannt. 29 Nach dieser Ansprache änderte sich bei vielen Rednern die Sichtweise auf die Gesamtheit der Opfergruppen sowie die Bewertung des Zusammenhanges zwischen dem Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion und dem Massenmord an den unterschiedlichen Völkern.
Es ist zu erkennen, dass, je jünger eine der oben angeführten Reden ist, desto deutlicher auch
andere Opfergruppen mit dem Begriff „Holocaust“ in Verbindung gebracht werden.
Diskutiert wurde auch über die richtige Schreibweise des Begriffs „Holocaust“. Ein Beispiel
dafür ist der Historiker Eberhard Jäckel, der die Frage aufwarf, warum man in Deutschland die
englische Schreibweise des Wortes „Holocaust“ verwende? Er begründete seine Frage u.a. damit,
dass „Holocaust“ ein griechisches Wort sei und alle Wörter aus dem Griechischen im Deutschen
ihr „K“ behielten. Es lasse eine Distanzierung erkennen, wenn man für ein „deutsches Verbrechen“
die englische Schreibweise nutze, so Jäckel.30 Allerdings drängte sich uns im Zuge der Analyse
dieses Sachverhalts die Frage auf, ob solche Diskussionen wirklich weiterhelfen, eine angemessene Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit zu befördern.
27
www.bundestag.de/bundestag/praesidium/reden/Rede zum Tag des Gedenkens an die Opfer des
Nationalsozialismus (Zugriff am 22.11.2014).
28
Vgl. www.bundespraesident.de/Der Bundespräsident/Reden/Rede von Bundespräsident Richard von
Weizsäcker bei der Gedenkveranstaltung im Plenarsaal des Deutschen Bundestages zum 40. Jahrestag des
Endes des Zweiten Weltkriegs in Europa (Zugriff am 28.11.2014).
29
Vgl. www.bundespraesident.de/Der Bundespräsident/Reden/Gedenkfeier zum deutschen Überfall auf
Polen 1993 (Zugriff am 22.11.2014).
30
Eitz, Thorsten; Stötzel, Georg: Wörterbuch der „Vergangenheitsbewältigung“. Die NS-Vergangenheit im
öffentlichen Sprachgebrauch, S. 337.
25
II. Experimentierfelder des Vernichtungskrieges
Im folgenden Kapitel wird dargestellt, inwieweit Polen und Südosteuropa als „Experimentierfelder“
des Vernichtungskrieges zu verstehen sind. Dabei werden Gemeinsamkeiten und Unterschiede
zwischen diesen Feldzügen und dem „Unternehmen Barbarossa“ skizziert.
Im ersten Teilkapitel wird auf Polen eingegangen. Dabei liegen die Schwerpunkte auf der Besatzungspolitik und den verschiedenen Opfergruppen. Des Weiteren wird die Zusammenarbeit
zwischen der Wehrmacht und dem SS- und Polizeiapparat in ihren Grundzügen erklärt.
Im Anschluss wird das Hauptaugenmerk auf Südosteuropa (vornehmlich auf Serbien) gelegt.
Hierbei wird auf die „Repressionspolitik“ mit all ihren verheerenden Wirkungen auf die Menschen in
den besetzten Gebieten eingegangen. Außerdem wird den schon zuvor aufgegriffenen Schwerpunkten auch in diesem Teil des Kapitels Raum gegeben. Doch welches Ereignis führte dazu,
dass sich ein solch brutaler Feldzug entwickeln konnte und warum geriet gerade Jugoslawien ins
Visier der NS-Vernichtungspolitik?
1. Polen
Mit dem Beginn des Feldzuges gegen Polen am 1. September 1939 veränderte sich das Leben
der polnischen Bevölkerung mit einem Schlag. Schon ab diesem Tag kristallisierte sich das
enorme Gewaltpotenzial der deutschen Besatzungstruppen heraus. Außerhalb von kriegsbedingten Kampfhandlungen starben innerhalb von 55 Tagen schätzungsweise 20000 Menschen.31
Für diese Verbrechen können sowohl die SS- und Polizeiverbände als auch die Truppen der Wehrmacht verantwortlich gemacht werden.32 Diesem Feldzug kann man von Anfang an ein hohes Gewaltpotenzial zuschreiben, was sich plausibel begründen lässt. Schon in den „Volkstumskämpfen“
der Nachkriegszeit ab 1918 radikalisierte sich der traditionelle Groll und damit verbunden die Gewalt gegen die polnische Bevölkerung und deren Juden immer weiter. Obwohl der deutschpolnische Nichtangriffspakt von 1934 diese Spannungen in den Hintergrund rücken ließ, konnten
sie ab 1939 nicht mehr aus dem täglichen Leben verdrängt werden. Obwohl Hitler sich in seiner
Rede am 23. Mai 1939 noch mit seinen Plänen zur Erweiterung des Lebensraumes nach Osten
zurückhielt, wurde spätestens am 22. August 1939 das volle Ausmaß seines Planes erkennbar.
Polen sollte das neue Ziel sein, um das Deutsche Reich zu vergrößern und somit die Strategie
vom Lebensraum durchzusetzen. „Im Kern zeichneten sich hier bereits die Formeln ab, die Hitlers
Rede am 30. März 1941, im Blick auf den Krieg gegen die Sowjetunion, prägen sollten“.33
Die Vernichtungspolitik gegenüber der polnischen Bevölkerung setzte sich aus vielen verschiedenen Aspekten zusammen. Die Besatzung Polens und die damit zusammenhängenden
31
Vgl. Pohl, Dieter: Die Herrschaft der Wehrmacht. Deutsche Militärbesatzung und einheimische
Bevölkerung in der Sowjetunion 1941 – 1944, S. 51.
32
Vgl. ebd., sowie Winkler, Heinrich August: Geschichte des Westens. Die Zeit der Weltkriege 1914 – 1945.
München 2011, S. 891 – 898.
33
Pohl, Dieter: Die Herrschaft der Wehrmacht. Deutsche Militärbesatzung und einheimische Bevölkerung in
der Sowjetunion 1941 – 1944, S. 52.
26
Massenverhaftungen und die Zwangsarbeit kosteten viele Polen das Leben. „Gerade in letzterem
Sektor hatte die Zwangsarbeit von Juden einen erheblichen Stellenwert. Allein im Ghetto Lodz
arbeiteten im Sommer 1941 40000 der 144000 Insassen für die Zwecke der Wehrmacht“.34
Darüber hinaus gab es gewaltige Bevölkerungsverschiebungen. Hierzu ist jedoch zu sagen,
dass eine große Anzahl der polnischen Bevölkerung in das Generalgouvernement deportiert
worden war, als Deutsche nach Polen kamen. Mit dem Ende des Frühjahrs von 1940 gerieten die
jüdischen Polen immer mehr in das Visier des SS- und Polizeiapparats. Hierzu führten die Besatzer einen bewussten Nahrungsentzug ein, der noch vor Beginn der großen Massenmorde von
1941 weit über 20000 Opfer forderte. 35 Dieser Aspekt der Vernichtungspolitik lässt sich in den
darauffolgenden Jahren auch während des Feldzuges gegen die Sowjetunion wiedererkennen.
(siehe III.4 und III.5) Die Hungerpolitik von 1940 machte sich besonders in den abgeriegelten
Ghettos Warschau und Lodz bemerkbar. Allerdings beteiligte sich die Wehrmacht an dieser
Hungerpolitik nicht.36
In Polen waren neben der Wehrmacht und der SS fünf Einsatzgruppen des Reichssicherheitshauptamtes (RSHA) im Einsatz. Die dringlichste Aufgabe dieser zunächst 2000 Mann war laut
einem Protokoll einer Besprechung vom 7. September, „die führende Bevölkerungsschicht in Polen
so gut wie möglich unschädlich zu machen.“ 37 Reinhard Heydrich formulierte es als Chef des
RSHA so: „Die kleinen Leute wollen wir schonen, der Adel, die Popen (sic!) und die Juden müssen
wir umbringen.“38 Die Folge waren Massenmorde an Juden sowie an Angehörigen der polnischen
Intelligenz (Professoren, Pfarrer, Lehrer, Rechtsanwälte, Ärzte, Gutsbesitzer). Einen ersten
traurigen Höhepunkt erlebte diese Liquidierungswelle im Frühjahr 1940. In der sogenannten
„Außerordentlichen Befriedungsaktion“ wurden „mehrere tausend Intellektuelle, Künstler und
Politiker“ getötet.39
Um die Pflegeanstalten als eigene Lazarette nutzen zu können, ließen viele körperlich und
geistig behinderte sowie kranke und pflegebedürftige Kinder und Erwachsene ihr Leben. Die SS
nutzte für ihre Mordaktionen Giftgas oder erschoss ihre Opfer. Nicht selten übernahm die Wehrmacht die Gebäude von psychiatrischen Anstalten als Lazarette, nachdem die SS-Einheiten die
Patienten erschossen hatten. „Freilich ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Wunsch
der Wehrmacht nach bestimmten Gebäuden und den Morden an deren Bewohnern – im Gegensatz zu vielen Fällen in der Sowjetunion 1941 – nicht nachweisbar“40 (siehe III.7).
34
Pohl, Dieter: Die Herrschaft der Wehrmacht. Deutsche Militärbesatzung und einheimische Bevölkerung in
der Sowjetunion 1941 – 1944, S. 57.
35
Ebd., S. 58.
36
Ebd.
37
Winkler, Heinrich August: Geschichte des Westens. Die Zeit der Weltkriege 1914 – 1945, S. 894.
37
Pohl, Dieter: Die Herrschaft der Wehrmacht. Deutsche Militärbesatzung und einheimische Bevölkerung in
der Sowjetunion 1941 – 1944, S. 894.
38
Ebd.
39
Ebd., S. 896.
40
Ebd., S. 57.
27
Auch die polnischen Sinti und Roma wurden von dem deutschen Regime verfolgt. Das Auftreten der sogenannten „Zigeuner“ galt als extrem bedrohlich. Obwohl die Sinti und Roma nur eine
Minderheit darstellten, gingen die deutschen Besatzer brutal gegen diese Bevölkerungsgruppen
vor. Für die Nationalsozialisten stellten die Roma und Sinti Spione des Feindes dar.
41
Des Weiteren galten „Zigeuner“ als Widerstandskämpfer, Kriegsgegner und allgemein als
Menschen „unwerten Lebens“. Eine Verschärfung der Lage begann 1942 mit dem Abkommen zur
„Auslieferung asozialer Elemente aus dem Strafvollzug an den Reichsführer SS zur Vernichtung
durch Arbeit“. 42 Insgesamt starben in Polen durch das NS-Regime nach heutigem Stand der
Forschung mindestens 8000 Roma und Sinti.43
Die territoriale Eingliederung des besetzten Polens in das Deutsche Reich sorgte dafür, dass
die dort ansässige Bevölkerung „verschoben“ werden konnte. Seit dem 17. September 1939 war
der östliche Teil Polens von der Roten Armee besetzt. Im Westen Polens lebten zu dem Zeitpunkt
ungefähr 23 Millionen der 35 Millionen Polen.44 „Das Gebiet um Danzig wurde als »Reichsgau DanzigWestpreußen«, das um Posen als »Reichsgau Wartheland« in das Deutsche Reich eingegliedert.
Der mittlere Teil Polens mit den Städten Warschau und Krakau wurde als »Generalgouvernement« der Herrschaft deutscher Besatzungskräfte, insbesondere der SS und der Polizei unterstellt. Die eroberten Gebiete
wurden einer brutalen »ethnischen Säuberung« […] durch Erschießung und Vertreibung von Polen und
Juden unterzogen. Das »Generalgouvernement« diente einerseits zur Beschaffung von Zwangs- und
Sklavenarbeit, andererseits als Deportations- und Vernichtungsgebiet für die Juden Europas, die – oft nach
einem Zwischenaufenthalt in den Ghettos der Städte – in den großen deutschen Vernichtungslagern er45
mordet wurden“ . Durch diese Aufteilung Polens wurde dem NS-Regime ermöglicht, sowohl Juden
als auch Sinti und Roma durch eine systematische Massendeportation umzusiedeln.
1939 erreichte die Hetzkampagne gegen die polnische Bevölkerung, aber besonders gegen die
Juden, ihren Höhepunkt. Die Propagandakampagne um den „Bromberger Blutsonntag“ schürte
erneut das Feuer, um die Tötungen von polnischen Personen zu rechtfertigen. In Bromberg lebte
zum Zeitpunkt des Kriegsausbruchs eine deutsche Minderheit. Zwei Tage nach dem Einmarsch
der Deutschen in Polen kam es am 3. und 4. September in Bromberg zu Ausschreitungen. Die dort
ansässigen Deutschen wurden von polnischen Truppen in einem Rachefeldzug umgebracht. Nach
Heinrich August Winkler wurden ca. 2000 Menschen bei diesen Ausschreitungen getötet.46 Gerade
dieses Ereignis machte sich Hitler zunutze, indem er den Hass der Deutschen gegenüber den
Polen dadurch nur weiter in die Höhe treiben konnte.
41
Pohl, Dieter: Die Herrschaft der Wehrmacht. Deutsche Militärbesatzung und einheimische Bevölkerung in
der Sowjetunion 1941 – 1944, S. 59.
42
Zimmermann, Michael: Rassenutopie und Genozid. Die nationalsozialistische „Lösung der Zigeunerfrage“.
Hamburg 1996, S. 278.
43
Ebd., S.283.
44
Steffens, Gerd; Lange, Thomas: Der Nationalsozialismus. Band 2: Volksgemeinschaft, Holocaust und
Vernichtungskrieg 1939 – 1945. Schwalbach/Ts. 2011, S. 57.
45
Ebd.
46
Winkler, Heinrich August: Geschichte des Westens. Die Zeit der Weltkriege 1914 – 1945, S. 894.
28
Abschließend ist zu sagen, dass die deutsche Kriegführung und die Besatzungspolitik in Polen
äußerst radikale Züge annahmen, die sich dann aber „vor dem Hintergrund von anderthalb Jahren
weiterer Radikalisierung der NS-Politik von Ende 1939 bis Juni 1941“47 in einem noch gewaltigeren
Ausmaß steigern sollten. Ausdruck dieser Entwicklung sind die Feldzüge und die deutsche
Besatzungspolitik in Südosteuropa.
2. Südosteuropa
Im April 1941 überfielen deutsche Truppen Jugoslawien und Griechenland. Diese Feldzüge sollten
den Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion strategisch absichern.48 Die Waffengänge und die
anschließende Besatzung des eroberten Landes offenbarten, dass seit dem Polenfeldzug im
September 1939 die „Integration der Wehrmacht in das NS-Unrechtssystem“ 49 erhebliche Fortschritte gemacht hatte, vor allem jedoch eine „ideologische Aufladung deutscher Kriegführung in
Osteuropa schon vor dem Angriff auf die Sowjetunion“50 stattgefunden hatte.
Besonders die Repressionspolitik gegen die ortsansässige Bevölkerung führte dazu, dass sich
die Opferzahlen erhöhten. Demnach praktizierten die Besatzer eine Politik, die erlaubte, für einen
umgekommenen Deutschen 100 Serben zu ermorden. Zu der Gruppe der Betroffenen gehörten in
der Regel Partisanen bzw. Personen, die für Partisanen gehalten wurden, verhaftete Kommunisten
und Juden.51
In Serbien wurden die Deutschen mit einer ausgeprägten Partisanenbewegung konfrontiert52,
für welche die deutschen Besatzer vornehmlich die jüdische Bevölkerung zur Rechenschaft zogen.
Diese Haltung kennzeichnet die ideologische Aufladung innerhalb der Wehrmacht, die mit der
Partisanenbekämpfung „betraut“ worden war 53 , wonach die Juden als „Weltvergifter“ 54 wirken.
Walter Manoschek bewertet diesen Sachverhalt folgendermaßen: „So unterschiedlich die Legitimationsfiguren auch waren, sie lassen sich auch an diesem Vernichtungsschauplatz letztlich auf die
rassistische Weltanschauung des Nationalsozialismus reduzieren, derzufolge die Juden für die Probleme
und Missstände í LQ GLHVHP )DOO IU GHQ 3DUWLVDQHQNULHJ í zu einem erheblichen Teil verantwortlich
waren.“
55
Des Weiteren sorgten deutsche Wehrmachtstruppen, welche für die Propagandamaß-
nahmen zuständig waren, dafür, dass sich die serbische Bevölkerung gegenüber den Juden verschloss. Dadurch, dass der serbischen Presse fortlaufend antijüdisches und antikommunistisches
47
Pohl, Dieter: Die Herrschaft der Wehrmacht. Deutsche Militärbesatzung und einheimische Bevölkerung in
der Sowjetunion 1941 – 1944, S. 56.
48
Vgl. ebd., S. 77.
49
Ebd., S. 61.
50
Ebd., S. 77.
51
Vgl. ebd, S. 78, sowie Manoschek, Walter: „Gehst mit Juden erschießen?“ Die Vernichtung der Juden in
Serbien. In: Heer, Hannes; Naumann, Klaus (Hrsg.): Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht. 1941 –
1944. 10. Auflage. Hamburg 1997, S. 45.
52
Manoschek, Walter: „Gehst mit Juden erschießen?“, S. 43.
53
Ebd., S. 41. Manoschek betont, dass mit der Betrauung der Partisanenbekämpfung durch die Wehrmacht
ein Schulterschluss zwischen SD-, Polizei- und Wehrmachtsangehörigen stattfand.
54
So formulierte es Adolf Hitler noch am 29. April 1945 in seinem politischen Testament. Vgl. Jäckel,
Eberhard: Hitlers Weltanschauung. Erweiterte und überarbeitete Neuausgabe. Stuttgart 1981, S. 77 f.
55
Ebd., S. 44.
29
Material zugestellt wurde, ließ der serbische Groll gegen Juden und Kommunisten nicht lange auf
sich warten. Das schrieben sich die deutschen Wehrmachtstruppen als einen weiteren Erfolg zu.
Dennoch konnten sie die Partisanenaufstände nicht ganz stoppen. Zur Bekämpfung der
Partisanen wurden Jagdkommandos aufgestellt, die sich aus dreißig bis fünfzig Mann zusammensetzten. Ihnen wurden weitere Männer des SD und des Polizeiapparates hinzugefügt. Die gemischten Jagdkommandos markierten den Übergang von der Arbeitsteilung zur direkten
Kooperation von Wehrmacht- und Polizeiapparat.56
War eine Radikalisierung der deutschen Kriegführung und Besatzungspolitik im Vorfeld des
„Unternehmens Barbarossa“ deutlich zu erkennen, setzten nach dem Beginn des Angriffs auf die
SU ganz massiv Massenmorde an serbischen Juden „unter dem Deckmantel von Repressalien“57
ein. Hatten im April 1941 in Serbien etwa 17000 Juden gelebt, war dieses Land ein Jahr später
„judenfrei".58
Im Gegensatz zu Polen wurde in Serbien auf die Ghettoisierung verschiedener Stadtteile verzichtet. Stattdessen wurde ein regionales Konzept zur „Lösung der Juden- und Zigeunerfrage“ entwickelt. Allem voran galt es, die bereits geltenden rassistischen Normen zu übernehmen und an
die serbischen Verhältnisse anzugleichen. Die Ermordung der Juden gehörte im Sommer 1941 in
Serbien bereits zur gängigen Praxis des Polizei- und SD-Apparats. 59 Wie auch während des
Polenfeldzuges gerieten Sinti und Roma in das Blickfeld der deutschen Truppen. Neben
zahlreichen Hinrichtungen wurden sie durch das Tragen identitätsbezogener Armbinden erniedrigt.
Die These, dass es sich in Polen und Südosteuropa um einen Vernichtungskrieg im Stile des
deutsch-sowjetischen Krieges gehandelt hat, ist nur teilweise zutreffend. Diese Feldzüge und die
anschließende Besatzung wiesen Charakteristika eines Vernichtungskrieges auf, jedoch noch
nicht das Maß an organisierter Gewalt, wie es in der Sowjetunion dann der Fall sein sollte. Der
Polenfeldzug sowie auch die Waffengänge in Südosteuropa machten jedoch deutlich, was der
Sowjetunion seit dem 22. Juni 1941 noch bevorstehen sollte. Zum Beispiel herrschte eine hohe,
entfesselte Gewaltbereitschaft innerhalb der Wehrmacht. Morde an der Zivilbevölkerung und an
den kriegsgefangenen Soldaten der Roten Armee wurden systematisch durchgeführt und die Zusammenarbeit zwischen der Wehrmacht und dem SS- und Polizeiapparat verstärkte sich zunehmend.
Dennoch ist zu sagen, dass das Vorgehen gegen die sowjetische Bevölkerung eine neue
Dimension der Gewalt darstellen sollte, die „Gründe dafür waren […] vor allem die strategische Anlage
des ‚Unternehmens Barbarossa’, die enthemmende Wirkung des Antibolschewismus und die Eskalation der
56
Manoschek, Walter: „Gehst mit Juden erschießen?“, S. 40.
Pohl, Dieter: Die Herrschaft der Wehrmacht. Deutsche Militärbesatzung und einheimische Bevölkerung in
der Sowjetunion 1941 – 1944, S. 79.
58
Manoschek, Walter: „Gehst mit Juden erschießen?“, S. 39
59
Ebd., S. 42
57
30
Judenverfolgung. 1941 erreichte die Besatzungsgewalt […] Dimensionen, die ohne Präzedenz in der Geschichte dastehen.“
60
Auch hier waren nicht nur Juden, sondern zum Beispiel auch Roma und Sinti, psychisch Kranke
sowie geistig und körperlich Behinderte, welche der nationalsozialistischen Herrschaft zum Opfer
fielen. Die Wortwendung „Experimentierfelder“ des Vernichtungskrieges trifft daher aus diesen aufgeführten Gründen zu.
III. Der Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion
1. Die Besatzungs- und Verwaltungsstrukturen im Gebiet „Barbarossa“
Noch während des Frankreich-Feldzugs hatte Hitler im Juni 1940 gegenüber einigen Generalen
seinen Willen kundgetan, nun endgültig auch gegen die Sowjetunion losschlagen zu wollen, am
21. Juli 1940 unterrichtete der Diktator die Oberbefehlshaber über diesen Entschluss. Als Angriffstermin wurde der Mai 1941 anvisiert.61 Im Dezember 1940 liefen die konkreten militärischen Vorbereitungen für den Überfall auf die UdSSR mit der „Weisung Nr. 21“ an íÄEDOGQDFK:HLKnachten
begannen die Militärs, auch konkrete Überlegungen für die militärische Besatzung anzustellen.“62
Aufgrund der besonderen Zielsetzung dieses als Vernichtungskrieg konzipierten Waffenganges
(siehe I.2.2) als auch wegen des Ausmaßes des zu erobernden und zu beherrschenden Raumes
erhielt dieser Krieg im Vergleich zu den vorherigen Feldzügen seine eigentümliche Architektur
(siehe auch die nachfolgende Grafik). Eine flächendeckende Verwaltung des eroberten Landes
war angesichts der Größe der Sowjetunion und des dafür zur Verfügung stehenden Personals im
Vorfeld ohnehin unrealistisch. Es mussten neue Wege beschritten werden, um die Ziele unter den
herrschenden Bedingungen erreichen zu können.
Die hinter dem Gefechtsgebiet bzw. Operationsgebiet liegenden Areale sollten nicht mehr ausschließlich durch die mächtigen Oberbefehlshaber der Armeen verwaltet werden (Korück).
Ergänzend wurde eigens für das „Unternehmen Barbarossa“ „die Einrichtung sogenannter rückwärtiger Heeresgebiete vorgesehen, den drei Heeresgruppenkommandos zugeordnet und mit jeweils einem eigenen Befehlshaber“63 (Berück). An das Heeresgebiet schloss sich das Gebiet der
Zivilverwaltung an.
60
Pohl, Dieter: Die Herrschaft der Wehrmacht. Deutsche Militärbesatzung und einheimische Bevölkerung in
der Sowjetunion 1941 – 1944, S. 56.
61
Ebd., S. 63.
62
Ebd., S. 64.
63
Ebd. 68.
31
(Q.: Pohl, Dieter: Die Herrschaft der Wehrmacht. Deutsche Militärbesatzung und einheimische Bevölkerung in der Sowjetunion 1941 íFrankfurt am Main 2011, S. 89.)
Die skizzierte Struktur ergab sich zunächst aus der Größe des Raumes, den es zu verwalten galt,
dann aber auch aus der Abgrenzung der Kompetenzen hinsichtlich der wirtschaftlichen Ausbeutung des Landes und der systematischen Vernichtung der „jüdisch-bolschewistischen
Intelligenz“ und Dezimierung der slawischen Bevölkerung. Dieter Pohl spricht von einer „zivilmilitärischen Mischstruktur“64, bei der dem rückwärtigen Heeresgebiet eine wichtige Funktion zukam. Denn es handelte sich exakt um „die Räume […], die anschließend an die Zivilverwaltung zu übergeben waren, also nach Möglichkeit als »befriedet« gelten mussten. Dort erlangten sowohl der SS- und
Polizeiapparat als auch der neue Wirtschaftsstab Ost deutlich breitere Befugnisse als im Armeegebiet, in
welchem sich alles an der operativen Kriegsführung orientierte.“
65
Hitler hatte darauf bestanden, dass das Heer schnellstmöglich die eroberten Areale an die zivile
Besatzung abzutreten hatte, „die die eigentliche Besatzungspolitik betreiben“66 sollte. Maßgeblich
für diese Entscheidung scheinen Hitlers Erfahrungen aus dem Polen-Feldzug gewesen zu sein.
Auch dort waren schon Einsatzgruppen aus dem SS-und Polizeiapparat für gezielte Morde ausgehoben worden. Diese Verbände unterstanden aber dem Heer, das Hitlers Vernichtungsfeldzug gebremst, teilweise sogar Kriegsgerichte abgehalten hatte. 67 In diesem „Weltanschauungskrieg“ 68
64
Pohl, Dieter: Die Herrschaft der Wehrmacht. Deutsche Militärbesatzung und einheimische Bevölkerung in
der Sowjetunion 1941 – 1944, S. 65.
65
Ebd., S. 68.
66
Ebd., S. 67.
67
Jäckel, Eberhard: Hitlers Herrschaft. 4. Auflage. Stuttgart 1999, S. 95.
32
gegen den Bolschewismus, der am 22. Juni 1941 begann, sollten mögliche Konflikte zwischen
Wehrmacht und SS schon im Vorfeld beseitigt werden. Himmler erhielt als Kopf der SS und Polizei
sogar im Operationsgebiet Sonderkompetenzen. 69 Für das Heer bedeutete diese Entwicklung
einerseits eine klare räumliche und inhaltliche Abgrenzung der Befugnisse, andererseits operierte
es in einem „radikaleren Umfeld“ als in den Feldzügen zuvor.70
2. Der Mord an den Juden auf sowjetischem Territorium
„Wir gedenken insbesondere der sechs Millionen Juden, die in deutschen Konzentrationslagern ermordet wurden.“71 8. Mai 1985, der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker hält im
Plenarsaal des Deutschen Bundestages zum 40. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkrieges
eine Rede. Diese Ansprache gilt heute als ein Meilenstein auf dem langen Weg der Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit in der Bundesrepublik Deutschland. Dennoch weist sie aus
heutiger Sicht einige Unklarheiten auf, wenn man sich näher mit dem Völkermord auf
sowjetischem Territorium beschäftigt. Nun stellt sich automatisch die Frage: Warum sollte diese
Rede Unklarheiten enthalten? Müssten nicht gerade die Angaben des Bundespräsidenten unstrittig
sein, da man zudem gut über den Völkermord auf sowjetischem Territorium hätte Bescheid wissen
können? Doch genau das ist das Problem, denn es wurde (und wird teilweise noch immer )
versucht, gewisse Geschehnisse und Zusammenhänge zu verdrängen oder sogar zu leugnen,
dass es auch Morde an Juden außerhalb der Konzentrationslager gab, dass die Wehrmacht dabei
entscheidend mitagierte in einem Bündnis mit dem SS- und Polizeiapparat oder dass der Hungertod von Millionen sowjetischen Bürgern im Zusammenhang mit dem „Unternehmen Barbarossa“
systematisch geplant gewesen ist. Wie konnte es überhaupt zu so einem radikalen Vorgehen
kommen? All diese Details und noch weitere bleiben im Dunkeln, werden sie nicht im Kontext des
„Unternehmens Barbarossa“ und dem weiteren Kriegsverlauf beleuchtet. Der zentrale Bezugspunkt der folgenden Ausführungen ist der Mord an den Juden auf sowjetischem Territorium.
Das „Unternehmen Barbarossa“ war untrennbar „mit Hitlers zentralen rassenideologischen
Zielen, der Schaffung von »Lebensraum im Osten« und der »Lösung der Judenfrage« verbunden“.72 Gemäß der nationalsozialistischen Weltanschauung „[erhielt] der Russland-Feldzug vor
68
Eine eingehende Erläuterung dieses Begriffs liefert ders.: Hitlers Weltanschauung. Erweiterte und
überarbeitete Neuausgabe. Stuttgart 1981.
69
Pohl, Dieter: Die Herrschaft der Wehrmacht. Deutsche Militärbesatzung und einheimische Bevölkerung in
der Sowjetunion 1941 – 1944, S. 67.
70
Vgl. Ebd.
71
www.bundespraesident.de/Der Bundespräsident/Reden/Rede von Bundespräsident Richard von
Weizsäcker bei der Gedenkveranstaltung im Plenarsaal des Deutschen Bundestages zum 40. Jahrestag des
Endes des Zweiten Weltkriegs in Europa (Zugriff am 28.11.2014).
72
Rentrop, Petra: Tatorte der „Endlösung“. Das Ghetto Minsk und die Vernichtungsstätte von Maly
Trostinez, S. 39. Das „Unternehmen Barbarossa“ wirkte sich auch auf die Juden im gesamten deutschen
Einflussgebiet aus. So wurde der Madagaskar-Plan, wonach etwa vier Millionen Juden verschleppt werden
sollten, in der Planungsphase durch ein neues Ziel ersetzt: die Sowjetunion. Die geplante Deportation „in die
Sowjetunion trug deutliche Züge eines »impliziten Völkermordes« (Christopher Browning): Wieder sollten die
Juden in einer möglichst unwirtlichen Gegend mit widrigen klimatischen Bedingungen (Eismeer, Sibirien,
33
allem durch das Stereotyp des »jüdischen Bolschewismus« [seine existenzielle Bedeutung].“ Bei
diesem Feindbild handelte es sich um eine Synthese von verschiedenen traditionellen Elementen,
wie zum Beispiel alte russophobe und antislawische Vorurteile, die Angst vor dem Kommunismus.
Bei den Nationalsozialisten trat ein eliminatorischer Antisemitismus hinzu73, den sie nicht erfunden
haben. „Originell an diesen Anschauungen Hitlers war weder das von rassistischen Kategorien
geprägte Slawenbild noch der traditionsreiche Antisemitismus. Aber niemand war vor Hitler auf die
Idee gekommen, den Antislawismus mit dem Antisemitismus zu verbinden.“ 74 Auf dem Reichsparteitag in Nürnberg im Jahr 1936 formulierte es Goebbels so: „[Beim Bolschewismus handelt es
sich] um einen pathologischen, verbrecherischen Wahnsinn, nachweisbar von Juden erdacht und von Juden
geführt mit dem Ziel der Vernichtung der europäischen Kulturvölker und der Aufrichtung einer internationaljüdischen Weltherrschaft über sie. […] Die Frage des Bolschewismus ist die Frage des Fortbestandes
75
Europas überhaupt.“ In der Tat waren nach Hitler auch Erscheinungen wie der Parlamentarismus,
der Liberalismus und der Kapitalismus allesamt „der aktuellste Versuch des Judentums, sich die
Weltherrschaft anzueignen.“76
Der Schluss liegt nahe, dass angesichts des oben Gesagten ein Krieg gegen die Sowjetunion
nur ein rassenideologisch begründeter Vernichtungskrieg sein konnte, was Hitler am 30. März
1941 vor hochrangigen Militärs auch unmissverständlich zum Ausdruck brachte, indem er von
einem „Vernichtungskampf“ gegen Russland und der „Vernichtung der bolschewistischen
Kommissare und der kommunistischen Intelligenz“ sprach. Auch betonte der Diktator in dieser
Rede, dass dieser Feldzug sich von allen anderen Waffengängen ob der radikalen Kriegführung
unterscheiden werde: „Der Kampf wird sich sehr unterscheiden vom Kampf im Westen.“77
Das Wagner-Heydrich-Abkommen vom 28. April 1941 kann als ein Ergebnis der oben erwähnten Rede Hitlers angesehen werden, obgleich der Generalquartiermeister Eduard Wagner
und Reinhard Heydrich schon seit Anfang 1941 in Verhandlungen standen. Am Ende hieß es,
„dass die »Durchführung besonderer sicherheitspolitischer Aufgaben außerhalb der Truppe […]
den Einsatz von Sonderkommandos der Sicherheitspolizei (SD [sic]) im Operationsgebiet
erforderlich« mache.“78 Dass es sich bei diesem Abkommen nicht nur um eine Neuauflage des
Polen-Feldzuges handelte, wo auch schon Einsatzgruppen ausgehoben worden waren,
weißrussische Sümpfe) isoliert werden, wo zweifellos ein großer Teil mittelfristig zu Tode gekommen wäre.
Neu war der Gedanke, die Deportierten mörderische Zwangsarbeit zum Nutzen des Deutschen Reiches
leisten zu lassen und so zusätzlich zu dezimieren.“ Vgl. ebd., S. 48 í]XP0DGDJDVNDU-Plan eingehend
Brechtken, Magnus: Madagaskar-Plan. In: Benz, Wolfgang (Hrsg.): Handbuch des Antisemitismus.
Judenfeindschaft in Geschichte und Gegenwart. Band 3: Begriffe, Theorien, Ideologien. Berlin/New York
2010, S. 200 – 205.
73
Wippermann, Wolfgang: Antibolschewismus. In: Benz, Wolfgang; Graml, Hermann; Weiß, Hermann
(Hrsg.): Enzyklopädie des Nationalsozialismus. 2. Auflage. München 1998, S. 364.
74
Wette, Wolfram: Der Krieg gegen die Sowjetunion – ein rassenideologisch begründeter Vernichtungskrieg.
In: Kaiser, Wolf (Hrsg.): Täter im Vernichtungskrieg. Der Überfall auf die Sowjetunion und der Völkermord an
den Juden, S. 26.
75
Rentrop, Petra: Tatorte der „Endlösung“. Das Ghetto Minsk und die Vernichtungsstätte von Maly
Trostinez, S. 40.
76
Ebd.
77
Ebd., S. 42.
78
Ebd.
34
verdeutlicht der Sachverhalt, dass „die Kommandos nur noch hinsichtlich Marsch, Verpflegung und
Unterkunft dem Heer unterstellt [waren], ansonsten in eigener Verantwortung [agierten]“. Nur direkt
im Gefechtsgebiet konnten die Oberbefehlshaber in Handlungen der Einsatzgruppen eingreifen
bzw. diese unterbinden (wenn es die militärische Lage erzwang). In der Grenzpolizeischule
Pretzsch und in Düben sowie in Bad Schmiedeberg wurden seit Beginn des Jahres 1941 vier
Einsatzgruppen mit einer Gesamtstärke von etwa 3000 Mann ausgehoben. Sie bestanden aus
Einheiten der Sicherheitspolizei (Sipo), der Ordnungspolizei (Orpo), der Waffen-SS sowie aus
weiterem Fachpersonal des SS- und Polizeiapparats. Außerdem rechneten die Verantwortlichen
mit der Unterstützung von einheimischen Kollaborateuren.79
Die Einsatzgruppen stellten jedoch nur die Speerspitze aller in der Sowjetunion zum Einsatz bereitgestellten SS- und Polizeiverbände dar. Heinrich Himmler hatte im „Operationsgebiet des
Heeres […] zur Vorbereitung der politischen Verwaltung Sonderaufgaben im Auftrage des Führers
[erhalten], die sich aus dem endgültig auszutragenden Kampf zweier entgegengesetzter politischer
Systeme ergeben.“80 Am 21. Mai 1941 gab Himmler für den Krieg gegen die Sowjetunion den Einsatz territorialer Befehlshaber, die Höheren SS- und Polizeiführer (HSSPF), bekannt, die ausschließlich nur ihm verantwortlich waren. So konnte Himmler am Reichssicherheitshauptamt, dem
Hauptamt der Orpo sowie am SS-Hauptamt vorbei direkt „in das Kriegs- und Besatzungsgeschehen eingreifen.“ 81 Den HSSPF unterstanden wiederum unmittelbar Verbände aus dem
SS- und Polizeiapparat, die im Wagner-Heydrich-Abkommen nicht auftauchen, weil ihr Einsatz mit
dem Heer nicht verhandelt wurde.82 Summa summarum umfassten im Juli 1941 alle diesem TeilSystem zugehörigen SS- und Polizeiverbände rund 19000 Mann.83
Der Vernichtungskrieg gegen die UdSSR ruhte nicht nur auf dem SS- und Polizeiapparat als
einer tragenden Säule, sondern ebenso auf der Wehrmacht als der zweiten tragenden Säule.
Schon im Vorfeld des „Unternehmens Barbarossa“ wurden Direktiven vom OKW und OKH ausgegeben, die mit der oben erwähnten Rede Hitlers am 30. März 1941 direkt in Verbindung stehen.
Es handelt sich hierbei um den „Kriegsgerichtsbarkeitserlass“ bzw. Barbarossa-Erlass vom 13. Mai
1941 (siehe III.3) und um den „Kommissarbefehl“ vom 6. Juni 1941. Diese „verbrecherischen
Befehle“ wurden durch die „Richtlinien für das Verhalten der Truppen in Russland“ vom 19. Mai
1941 ergänzt (siehe auch III.4). All dies sind weitere Belege für die direkte Beteiligung der Wehrmacht an diesem rassenideologischen Vernichtungsfeldzug. Der „Kommissarbefehl“ ordnete die
sofortige Tötung der gefangenen politischen Kommissare der Roten Armee an. Christian Streit
pointiert: „Damit wurde noch vor Beginn der Kampfhandlungen die verfahrenslose Liquidierung einer genau
definierten Gruppe der feindlichen Armee befohlen und die Wehrmacht erstmals direkt an der Beseitigung
79
Rentrop, Petra: Tatorte der „Endlösung“. Das Ghetto Minsk und die Vernichtungsstätte von Maly
Trostinez, S. 43.
80
Ebd., S. 41.
81
Ebd., S. 44.
82
Ebd.
83
Ebd.
35
84
politischer Gegner beteiligt.“ Hinsichtlich des „Kommissarbefehls“ hebt Petra Rentrop noch einmal
den alles entscheidenden ideologischen Zusammenhang wie folgt hervor: „Überdies war das
Feindbild des »politischen Kommissars«, der als Personifizierung des »jüdischen Bolschewismus«
galt, seit jeher antisemitisch besetzt.“
85
Die Reaktionen in der Wehrmacht auf den
„Kommissarbefehl“ waren unterschiedlich. In den verschiedenen Frontabschnitten wurde mit dieser
Direktive unterschiedlich verfahren, was wiederum ein Beleg wäre, dass die Wehrmacht als
Institution an Verbrechen beteiligt war, jedoch dieses Urteil nicht pauschal auf alle Wehrmachtsverbände und -soldaten zutrifft. Entscheidend für die Aussetzung des Befehls am 6. Mai 1942 war
wohl letzten Endes die Erkenntnis, dass durch den „Kommissarbefehl“ der Widerstandswille innerhalb der sowjetischen Verbände gestärkt und die Bereitschaft zur Kapitulation geschwächt wurde,
was für die deutschen Truppen kontraproduktiv war. Dennoch geht Christian Streit von mehreren
Tausend Opfern aus, die alleine die Durchführung des „Kommissarbefehls“ auf sowjetischer Seite
gefordert hat.86
Der Wirtschaftsstab Ost war neben der Zivilverwaltung, der Wehrmacht und dem SS- und
Polizeiapparat eine der vier besatzungspolitischen Instanzen. Höchste Stelle des Wirtschaftsstabs
Ost war eigentlich Göring, jedoch war General Georg Thomas, Chef des Wehrwirtschaftsamts und
Rüstungsamts, für diesen zuständig. Diese Institution ist deshalb erwähnenswert, weil sie
wesentlich für die Ausbeutung der wirtschaftlichen Ressourcen zuständig war und maßgeblich hier
die Idee des Aushungerns der sowjetischen Bürger reifte. Die Konzeption der Hungerpläne übernahm der General Quartiermeister sowie Staatssekretär Herbert Backe aus dem Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft. Dieser entwickelte seine „Hungerpläne“ mit einer so
großen Motivation, dass Saul Friedländer schreibt: „Backe war es, der der Wirtschaftsplanung des
Unternehmen Barbarossa mit seinen »Hungerplänen« den letzten Schliff gab.“ 87 Backes Pläne
waren darauf ausgerichtet, landwirtschaftliche Erzeugnisse aus der Sowjetunion zu vereinnahmen,
dann zunächst an die eigenen Truppe zu verteilen, dann anschließend an die deutsche Zivilbevölkerung, wenn dann noch etwas übrig blieb, an die sowjetischen Einheimischen. Dadurch sollten
die Bürger aus der Sowjetunion vor Hunger nach Osten fliehen, wodurch es für die Deutschen
einfacher wäre, die einzelnen Teile zu besetzen. Des Weiteren würden die Zufluchtsorte überlaufen und der Hunger würde auch dort eintreten, denn diese würden ebenfalls von der
Lebensmittelversorgung abgeschnitten werden. Dass diese Pläne auch antisemitisch geprägt
waren, ist daran zu erkennen, dass die potenziellen Bereiche, in welche die mittel- und westeuro84
Streit, Christian: Die Behandlung der sowjetischen Kriegsgefangenen und völkerrechtliche Probleme des
Krieges gegen die Sowjetunion. In: Ueberschär, Gerd R.; Wette, Wolfram (Hrsg.): Der deutsche Überfall auf
die Sowjetunion. „Unternehmen Barbarossa“ 1941, S. 163.
85
Rentrop, Petra: Tatorte der „Endlösung“. Das Ghetto Minsk und die Vernichtungsstätte von Maly
Trostinez, S. 45.
86
Streit, Christian: Die Behandlung der sowjetischen Kriegsgefangenen und völkerrechtliche Probleme des
Krieges gegen die Sowjetunion. In: Ueberschär, Gerd R.; Wette, Wolfram (Hrsg.): Der deutsche Überfall auf
die Sowjetunion. „Unternehmen Barbarossa“ 1941, S. 165.
87
Friedländer, Saul. Das Dritte Reich und die Juden. Die Jahre der Verfolgung 1933 í'Le Jahre der
Vernichtung 1939 í0QFKHQ6
36
päischen Juden deportiert werden sollten, hauptsächlich in den Gebieten ohne Nahrungsversorgung lagen.88
Das deutsche Massaker an über 33000 Kiewer Juden Ende September 1941 in der am nordwestlichen Stadtrand gelegenen Schlucht Babij Jar war die größte einzelne Mordaktion an
jüdischen Männern, Frauen und Kindern während des Zweiten Weltkriegs (Hartmut Rüss 89 ).
Beteiligt an diesem Massenmord waren das Sonderkommando 4a, der Gruppenstab, zwei
Kommandos des Polizei-Regiments Süd und die Wehrmacht.90
Sowjetische Truppen hatten vor dem Abzug „fast sämtliche öffentliche Gebäude unterminiert
und mit Fern- und Zeitzündern zur Sprengung vorbereitet.“ Seit dem 20. September kam es immer
wieder zu Explosionen in der Stadt. Schließlich brannten auch die Unterkünfte hochrangiger
deutscher Generale u.a. im Villenviertel von Kiew. Als Täter wurden „Partisanen und Juden“ beschuldigt. Hitler war angesichts dieser Ereignisse außer sich und zu seiner Besänftigung sollte der
rassenideologische Vernichtungskrieg in Kiew radikal durchgeführt werden, woraus die Erschießung der Juden resultierte.91
Die Juden wurden unter dem Vorbehalt einer Deportation zum Friedhof gebeten, um sich dort
zu sammeln. Sie sollte die beste Kleidung, Wertsachen und Geld mitbringen, damit die angebliche
Umsiedlungsaktion überzeugender wirkte. Nachdem ihnen die Wertsachen abgenommen worden
waren, sollten sie sich in Gruppen zu je zehn Personen in Richtung der künstlich ausgehobenen
Grube begeben. Dina Pronitschewa, eine Überlebende dieses Vorfalls, schilderte diesen Zeitpunkt,
in welchem sie zur Grube gelangte, wie folgt: „Er war so schmal, dass sich die Leute, wenn sie über ihn
gingen, instinktiv an die sandige Wand drückten, um nicht zu fallen. Dina blickte nach unten. Ihr schwindelte,
so tief schien es ihr zu sein. Unten war ein Meer von blutigen Körpern. Auf der gegenüberliegenden Seite
des Steinbruchs konnte sie die dort aufgestellten leichten Maschinengewehre ausmachen, dort befanden
sich auch einige deutsche Soldaten.“
92
Weiter sprach Dina davon, dass die Soldaten begannen, mit
Maschinengewehren auf die Gruppen zu schießen und einer nach dem anderen in die Grube fiel, so dass ihr
bewusst wurde, sie sei das nächste Opfer. Doch bevor dies eintrat, ließ Dina sich fallen: „Ihr schien es so als
ob sie eine Ewigkeit fallen würde, es war ja tatsächlich auch sehr tief. Beim Aufprall fühlte sie weder einen
Stoß noch einen Schmerz. Sofort war sie von oben bis unten mit warmen Blut bedeckt, über ihr Gesicht
strömte Blut, weil sie gleichsam in eine Wanne mit Blut gefallen war. Sie lag, breitete die Arme aus, schloss
die Augen, vernahm irgendwelche dumpfen Töne, Stöhnen, Schluckauf und Weinen ringsumher und unter
sich hervor: Es gab viele, die noch nicht ganz tot waren. Diese ganze Masse aus Leibern bewegte sich kaum
88
Rentrop, Petra: Tatorte der „Endlösung“. Das Ghetto Minsk und die Vernichtungsstätte von Maly
Trostinez, S. 52.
89
Dazu eingehender Rüss, Hartmut: Kiev/Babij Jar 1941. In: Ueberschär, Gerd R. (Hrsg.): Orte des
Grauens. Verbrechen im Zweiten Weltkrieg. Darmstadt 2003, S. 102 í
90
Vgl. Rüss, Hartmut: Kiev/Babij Jar 1941. In: Ueberschär, Gerd R. (Hrsg.): Orte des Grauens. Verbrechen
im Zweiten Weltkrieg, S. 102 sowie 106 í
91
Vgl. ebd., S. 104.
92
Steffens, Gerd; Lange, Thomas: Der Nationalsozialismus. Band 2: Volksgemeinschaft, Holocaust und
Vernichtungskrieg 1939 – 1945. Schwalbach/Ts. 2011, S. 121 f.
37
merklich, senkte sich und verdichtete sich durch die Bewegung der verschütteten noch Lebenden.“
93
Nachdem die Erschießung beendet war, so schrieb Dina, stiegen die Soldaten nieder ins Grab und
erschossen die noch Lebenden oder nahmen ihnen einzelne Wertgegenstände, die sie noch am
Körper trugen, ab. Dina hatte „Glück“, denn: „Ein SS Mann stieß Dina an, sie schien ihm wohl
verdächtig. Er beleuchtete sie mit einer Laterne, hob sie hoch und begann auf sie einzuschlagen. Aber sie
hing wie ein Sack und gab kein Lebenszeichen von sich. Er trat ihr mit dem Stiefel in die Brust, trat ihr auf
die rechte Hand, so dass sie knirschte, aber er schoss nicht. Dann ging er weiter. Nach einigen Minuten
hörte sie eine Stimme von oben: Los fangt an zu schütten!“ Schaufeln begannen zu knirschen, man hörte
das dumpfe Klatschen des Sandes auf die Körper, es kam immer näher, und schließlich begannen die
Sandhäufchen auch auf Dina zu fallen. Sie wurde zugeschüttet, aber sie rührte sich nicht solange ihr Mund
noch nicht zugeschüttet war, lag mit dem Gesicht nach oben, atmete Sand ein, verschluckte sich instinktiv,
ohne sich darüber im Klaren zu sein, begann sie sich in panischer Flucht hin und her zu wälzen, schon eher
bereit, sich erschießen zu lassen, als bei lebendigen Leibe begraben zu werden.“
94
Nachdem sie sich
befreit hatte, begann sie die Grubenwand hinaufzuklettern, indem sie Löcher in die Wand grub.
Oben traf sie überraschenderweise einen weiteren Überlebenden: „Es war ein Junge in Unterwäsche. Er kroch genauso wie sie hervor.“95 An dieser Stelle endet der Erfahrungsbericht von Dina
Pronitschewa. Anhand dieses Berichts ist gut zu erkennen, wie brutal und eiskalt die Deutschen in
Kiew/Babij Jar vorgegangen sind und dass der systematisch geplante Völkermord auf
sowjetischem Territorium umgesetzt wurde. Eine Schande war es außerdem, dass die Opfer 1943
wieder ausgegraben und verbrannt wurden, um die Spuren zu verwischen.
Um Richard von Weizsäcker am Ende noch einmal zu zitieren: „Wir gedenken insbesondere der
sechs Millionen Juden, die in deutschen Konzentrationslagern ermordet wurden.“ Diese Aussage
ist anhand des Ausgeführten also problematisch. Zum einen ist besonders durch das Massaker
von Kiew/Babij Jar geklärt worden, dass es neben den Konzentrations- und Vernichtungslagern
auch andere Mordstätten gab, an denen der Völkermord an den Juden verübt worden ist. Zudem
ist diese Mordaktion ein Beleg für das Zusammenwirken von Wehrmacht und dem SS- und Polizeiapparat. Vor allem sollte aber zum Ausdruck gekommen sein, dass der rassenideologisch begründete Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion und der Holocaust untrennbar miteinander verbunden sind.
3. Der Kampf gegen die Partisanen
Unmittelbar vor dem Beginn des „Unternehmens Barbarossa“ am 22. Juni 1941 hatte Hitler gegenüber den Militärs abermals betont, dass „das Rechtsempfinden hinter die Kriegsnotwendigkeit
93
Steffens, Gerd; Lange, Thomas: Der Nationalsozialismus. Band 2: Volksgemeinschaft, Holocaust und
Vernichtungskrieg 1939 – 1945. Schwalbach/Ts. 2011, S. 121 f.
94
Ebd., S. 122.
95
Ebd.
38
zurückzutreten habe.“ 96 Aus diesem Grund erging schon vor Kriegsbeginn eine Reihe von Erlassen, Befehlen und Anordnungen, um das Führen eines rassenideologisch begründeten Vernichtungskrieges sicherzustellen und um jeden Widerstand hinter der Front schon im Ansatz zu
bekämpfen.97 Zu diesen Direktiven gehört der „Kriegsgerichtsbarkeitserlass“ bzw. der „BarbarossaErlass“ vom 13. Mai 1941. Dieser Erlass hob die normale Kriegsgerichtsbarkeit auf und ermöglichte die „Selbstjustiz der Truppe“ im gesamten eroberten Gebiet.98 Aus dem Dokument geht
eindeutig hervor, dass es „ausdrücklich verboten“ war, Verdächtige an eine ordentliche Gerichtsbarkeit zu übergeben, um den Tatvorgang näher untersuchen zu können.99 Es oblag allein dem
Offizier vor Ort, die tatverdächtige Person freizulassen oder zu erschießen íGLHVEHGHXWHWHHLQHQ
fundamentalen Bruch des bestehenden Völkerrechts. 100 Außerdem wurden durch diesen Erlass
unter dem Hinweis auf den Kampf gegen den Bolschewismus alle rechtlichen Schranken hinsichtlich des Verhaltens der Wehrmachtssoldaten gegenüber der sowjetischen Bevölkerung beseitigt, indem der Verfolgungszwang für Straftaten von Soldaten aufgehoben wurde íVHOEVWZHQQ
es sich ganz offensichtlich um „militärische Verbrechen“ handelte. Es sollte nur dann eingeschritten werden, wenn Taten Hinweise auf eine „Verwilderung“ der Truppe gaben oder aus einer
„verbrecherischen Anlage“ heraus resultierten oder „auf geschlechtliche Hemmungslosigkeit“
gründeten.101 Durch den „Kriegsgerichtsbarkeitserlass“ wurde ein Verhalten der Truppe begünstigt,
das im Kampf gegen Partisanen den Grundsatz der Notwehr und das gezielte Vorgehen gegen
einzelne verdächtige Gruppen nicht mehr kannte, sondern das auf „pauschalen Terror zur Bestrafung und Prävention von Widerstand“ abzielte.102 Überdies wurde der Wehrmacht am 13. März
1941 mit der „Führer-Weisung: Richtlinien auf Sondergebieten zur Weisung Nr. 21 (Fall
Barbarossa)“ die Verwaltung der eroberten Areale entzogen und allein dem Reichsführer SS überantwortet. Das Ergebnis war, dass mit dem Beginn des „Unternehmens Barbarossa“ spezielle
Einsatzgruppen des SS- und Polizeiapparats zum Teil direkt im Operationsgebiet des Heeres mitmarschierten, um Jagd u.a. auf Juden und auf tatsächliche oder vermeintliche Partisanen zu
machen103 (siehe auch III.1 und III.2). Sie handelten nach dem Motto: „Wo der Partisan ist, ist auch
der Jude, und wo der Jude ist, ist auch der Partisan“. Schon Adolf Hitler hatte am 16. Juli 1941 ein
skrupelloses Vorgehen gegen jede Form von Widerstand innerhalb der sowjetischen Bevölkerung
eingefordert, indem er Folgendes ausführte: „Er (der sowjetische Partisanenkrieg) gibt uns die
96
Bonwetsch, Bernd: Die Partisanenbekämpfung und ihre Opfer im Russlandfeldzug 1941 – 1944. In:
Meyer, Klaus; Wippermann, Wolfgang (Hrsg.): Gegen das Vergessen. Der Vernichtungskrieg gegen die
Sowjetunion 1941 – 1945. Frankfurt am Main 1992, S. 104.
97
Ebd., S. 103.
98
Ebd.
99
Ebd.
100
Zum Problem der Anwendung des Völkerrechts auf sowjetische Kriegsgefangene und der Klassifizierung
von Partisanen als Soldaten eingehender ebd., S. 102 f. Bernd Bonwetsch betont in seinen Ausführungen,
dass die Anwendung der Bestimmungen der Haager Landkriegsverordnung (1907) auch auf Nichtmitglieder
vorgeschrieben war.
101
Ebd., S. 104.
102
Ebd.
103
Ebd., S. 105.
39
Möglichkeit auszurotten, was sich uns entgegenstellt.“104 Dass vor Ort die Grenzen zwischen tatsächlichen oder vermeintlichen Partisanen als auch zwischen jüdischen oder nichtjüdischen
Menschen oftmals gar keine Rolle mehr spielten, liegt angesichts dieser Worte auf der Hand. Dies
belegt u.a. auch eine Weisung des OKW vom 16. Dezember 1942, in der es zum Beispiel hieß,
„dass zur Partisanenbekämpfung jedes Mittel recht sei, wenn es nur zum Erfolg führe. Niemand
sollte wegen seines Handelns bei diesem Kampf zur Rechenschaft gezogen werden“. 105 Diese
Worte erinnern nicht nur zufällig an den Inhalt des „Barbarossa-Erlasses“ vom 13. Mai 1941,
sondern sie werfen zwangsläufig auch die Frage nach der konkreten Beteiligung der Wehrmacht
am verbrecherischen Partisanenkrieg auf.
Im Kampf gegen die deutschen Okkupanten und gegen die Kollaborateure gingen die
Partisanen mit äußerster Brutalität vor. Außerdem ergab sich für die Deutschen das Problem, dass
die Partisanen augenscheinlich nicht von der übrigen Zivilbevölkerung unterschieden werden
konnten, da sie keine Uniformen trugen. Dass in einer solchen Situation unbeteiligte Zivilisten
schnell zu Opfern des Partisanenkampfes werden konnten, lag leider in der Natur der Sache.
Jedoch haben die obigen Ausführungen auch zum Ausdruck gebracht, dass von deutscher Seite
diese Unterscheidung ohnehin keine Rolle spielte. Außerdem galt es, beim Eindringen in die
Sowjetunion versprengte Truppen der Roten Armee oder auch „gezielt zurückgelassene
Diversanten“ zu bekämpfen íPLWHLQHUHWDEOLHUWHQ:LGHUVWDQGVEHZHJXQJKDWWHQHVGLHGHXWVFKHQ
Truppen nicht zu tun. Bis zum Kriegsausbruch hatte die sowjetische Regierung nichts getan, um
diese vorzubereiten. Auch die Maßnahmen nach dem Kriegsausbruch „waren völlig untauglich“.
Die Partisanen waren ungenügend ausgerüstet. Auch war der Rückhalt der Partisanen in der Bevölkerung unzureichend. Die Erinnerungen an die Repressionspolitik Stalins in den dreißiger
Jahren waren vor allem in den Köpfen der ländlichen Bevölkerung noch präsent.106 Überdies hatte
die sowjetische Bevölkerung unter den deutschen Besatzern und den Racheakten der Partisanen
doppelt zu leiden.107 Der Schulterschluss zwischen einer Partisanenbewegung, der sowjetischen
Bevölkerung und der Sowjetregierung in Moskau, mithin die Erfolgsgeschichte von einer flächendeckenden Partisanenbewegung im „Großen Vaterländischen Krieg“ war (später) reine
sowjetische Propaganda. Erst eine verbrecherische deutsche Besatzungspolitik ließ eine
Partisanenbewegung entstehen.108
Das Gesagte soll aber nicht den Eindruck erwecken, Wehrmachtsverbände hätten nicht lokal
unter den Handlungen von Partisanen zu leiden gehabt. Vielerorts hatten sie daher vom Vorgehen
der Einsatzgruppen und der ihnen angeschlossenen SS- und Polizeiverbände im Hinterland nicht
nur Kenntnis erhalten, sondern diese Handlungen sogar sehr begrüßt. So meldete General von
104
Bonwetsch, Bernd: Die Partisanenbekämpfung und ihre Opfer im Russlandfeldzug 1941 – 1944. In:
Meyer, Klaus; Wippermann, Wolfgang (Hrsg.): Gegen das Vergessen. Der Vernichtungskrieg gegen die
Sowjetunion 1941 – 1945, S. 105.
105
Ebd., S. 110.
106
Vgl. ebd., S. 106 sowie 108 f.
107
Vgl. ebd., S. 111.
108
Ebd., S. 109.
40
Schenckendorff am 10. August 1941, dass „die in dem Gebiet befindlichen Ortsfremden sowie Rotarmisten und jüdischen Kommissare von der SS gefasst und zum größten Teil erschossen worden
seien.“109 Ein Beleg dafür, dass die Rolle der Wehrmacht über die Mitwisserschaft weit hinausging
und vielmehr auch von einer Mittäterschaft gesprochen werden muss (siehe auch die anderen
Abschnitte dieser Arbeit), ist der „Reichenau-Befehl“ vom 10. Oktober 1941. Dieser rief die
Truppen zur „Härte“ gegenüber der sowjetischen Bevölkerung auf, so dass diese mehr Angst vor
den deutschen Repressalien als vor den Maßnahmen „der Bolschewiken“ haben sollte. Hitler
nannte diesen Befehl „beispielhaft“ für alle Direktiven im Osten, zumal Reichenaus Befehl „vor
Hinweisen auf die Drahtzieherrolle »jüdischer Untermenschen« strotzte“.110 Eine Beteiligung der
Wehrmacht als Institution an diesem verbrecherischen Vorgehen ist angesichts des Gesagten
nicht zu leugnen. Jedoch darf man dieses Urteil nicht pauschal auf alle Kommandanturen oder
sogar auf alle Wehrmachtssoldaten beziehen. Wie schon die obigen Ausführungen zum
„Kriegsgerichtsbarkeitserlass“ aufgezeigt haben, oblag es dem Offizier vor Ort, die Richtlinien für
das Handeln der ihm unterstellten Soldaten vorzugeben.
Erst Mitte 1943 kam es zu einer Veränderung in der Behandlung von Partisanen, die nicht mehr
sofort erschossen, sondern zur Zwangsarbeit in den besetzten Gebieten oder nach Deutschland
deportiert werden sollten. Durch eine Direktive vom 6. Mai 1944 wurde Partisanen der Status von
Kriegsgefangenen zugebilligt (siehe III.4 und III.5). Die Deutschen waren zur Einsicht gelangt,
„dass es im Hinblick auf die Partisanenbekämpfung nützlicher sei, die Bevölkerung zu gewinnen
als sie abzuschrecken“.111 Diese Erkenntnis reifte zu spät íDXIGHXWVFKHU6HLWHGLHRKQHKLQGHQ
Kriegsverlauf gegen sich hatte, aber vor allem für die sowjetische Bevölkerung. Die Zahl der Opfer
durch die „massenhafte Tötung von Zivilbevölkerung“ 112 ist nicht einmal annähernd zu bestimmen.
Vieles deutet aber darauf hin, „dass die Zahl der Opfer unter den eigentlichen Partisanen vermutlich geringer war als unter der Zivilbevölkerung.“113 Klar ist nur, dass der Kampf gegen die
Partisanen ein weiteres unsägliches Teilkapitel in der Geschichte des deutschen Vernichtungskrieges gegen die Sowjetunion darstellt.
4. Das Schicksal der sowjetischen Kriegsgefangenen
Zwischen dem 22. Juni 1941 und Februar 1945 gerieten 5734528 sowjetische Soldaten in
deutsche Gefangenschaft, von denen 3300000 zu Tode gekommen sind. Das sind 57 Prozent der
Gesamtzahl. Im Vergleich dazu starben 8348 britische und amerikanische Gefangene
109
Bonwetsch, Bernd: Die Partisanenbekämpfung und ihre Opfer im Russlandfeldzug 1941 – 1944. In:
Meyer, Klaus; Wippermann, Wolfgang (Hrsg.): Gegen das Vergessen. Der Vernichtungskrieg gegen die
Sowjetunion 1941 – 1945, S. 105.
110
Ebd., S. 108.
111
Ebd., S. 112.
112
Vgl. ebd., S. 110.
113
Ebd., S. 112.
41
(3,5 Prozent) in deutschem Gewahrsam.114 Dieser krasse Unterschied lässt sich nicht damit erklären, dass die Zahl der sowjetischen Kriegsgefangen die Anzahl der englischen und
amerikanischen Gefangenen um das Zwanzigfache überstieg. Der NS-Führung ging es im rassenideologisch begründeten Vernichtungskrieg „darum, ganze Gruppen der sowjetischen Bevölkerung
auszurotten“.115 Der Umgang mit den sowjetischen Kriegsgefangenen war eine Methode der Wehrmacht, „die als rassisch minderwertig eingestuften slawischen Menschen zu dezimieren und zugleich so genannte »nutzlose Esser« loszuwerden.“ 116 Wolfram Wette bedauert, dass der Vorschlag, „die Dimension dieser antislawischen Politik mit dem Begriff »der andere Holocaust« einzufangen“, sich noch immer nicht durchgesetzt hat117, da mit der Bezeichnung „Holocaust“ oft nur die
Judenvernichtung während des Nationalsozialismus gemeint ist. Im Folgenden soll belegt werden,
dass der „andere Holocaust“ geplant war und sich in die Logik des deutschen Vernichtungskrieges
gegen die Sowjetunion eingereiht hat.
Die NS-Führung nahm schon in der Planungsphase des „Unternehmens Barbarossa“ den
Bruch des Völkerrechts gezielt in Kauf. Bezeichnend für diesen Tatbestand ist der Komplex der
„verbrecherischen Befehle“. Zu diesem Komplex gehören u.a. der Kriegsgerichtsbarkeitserlass
bzw. der Barbarossa-Erlass vom 13. Mai 1941 (siehe III.3) und der Kommissarbefehl vom 6. Juni
1941 (siehe III.2). Aber auch nach dem Beginn des Angriffskrieges wurden immer wieder
Direktiven an die deutschen Truppen ausgegeben, um die effektive Führung des Vernichtungskrieges zu begünstigen. In diesem Zusammenhang muss eine Anordnung vom 17. Juli 1941 der
„Abteilung Kriegsgefangene“ im OKW gesehen werden, die „die Auslieferung von »politisch untragbaren« Gefangenen an Einsatzgruppen“ des SS- und Polizeiapparats vorsah.118 Diese Richtlinie
folgte einer Vereinbarung zwischen der „Abteilung Kriegsgefangene“ im OKW und dem Reichssicherheitshauptamt (RSHA). Diese Vereinbarung kann in ihrer Wirkung für die weiteren Geschehnisse gar nicht überschätzt werden. Denn diese „Vereinbarung zwischen OKW und RSHA
[schloss], der NS-Rassenlehre folgend, auch die Vernichtung der Juden als der »biologischen
Wurzel« des Bolschewismus [ein].“119 Nach Christian Streit „wogen die Konsequenzen der Vereinbarung noch viel schwerer als die des Kommissarbefehls“, der bis zu seiner endgültigen Zurücknahme im Mai 1942 „einige Tausend Opfer“ gefordert hat. „Den Selektionen der Einsatzkommandos an der Front und im OKW-Bereich fielen dagegen schätzungsweise 500000 bis
600000 Gefangene zum Opfer.“ Streit betont aber noch die weitergehende Bedeutung dieser
114
Streit, Christian: Die Behandlung der sowjetischen Kriegsgefangenen und völkerrechtliche Probleme des
Krieges gegen die Sowjetunion. In: Ueberschär, Gerd R.; Wette, Wolfram (Hrsg.): Der deutsche Überfall auf
die Sowjetunion. „Unternehmen Barbarossa“ 1941. Erweiterte Neuausgabe. Frankfurt am Main 2011; S. 160.
115
Ebd., S. 164.
116
Wette, Wolfram: Der Krieg gegen die Sowjetunion – ein rassenideologisch begründeter
Vernichtungskrieg. In: Kaiser, Wolf (Hrsg.): Täter im Vernichtungskrieg. Der Überfall auf die Sowjetunion und
der Völkermord an den Juden, S. 19.
117
Ebd.
118
Streit, Christian: Die Behandlung der sowjetischen Kriegsgefangenen und völkerrechtliche Probleme des
Krieges gegen die Sowjetunion. In: Ueberschär, Gerd R.; Wette, Wolfram (Hrsg.): Der deutsche Überfall auf
die Sowjetunion. „Unternehmen Barbarossa“ 1941, S. 164.
119
Ebd.
42
Vereinbarung, die „eine wichtige Rolle in dem langen Entscheidungsprozess [spielte], der schließlich zur »Endlösung« führte. 120 Die Vereinbarung belegt einerseits das Zusammenwirken von
Wehrmacht und dem SS- und Polizeiapparat, andererseits den Zusammenhang von Vernichtungskrieg und Holocaust. Außerdem belegt sie neben den sowjetischen Juden auch andere
Opfergruppen, da „in der Praxis eine Unterscheidung“ zwischen den politischen Kommissaren der
Roten Armee, weiteren „potentiellen Trägern des Widerstandes“ und Juden usw. usf. gar keine
Rolle spielte.121
Der Komplex der „verbrecherischen Befehle“ löste innerhalb der Wehrmacht eine Debatte über
die völkerrechtliche Problematik bei der Behandlung von sowjetischen Kriegsgefangenen aus. Im
Folgenden liegt der Fokus auf einer Korrespondenz zwischen dem Chef des Amtes Ausland/ Abwehr im Oberkommando der Wehrmacht (OKW), Admiral Wilhelm Canaris, und dem Chef des
OKW, Feldmarschall Keitel. In dieser Korrespondenz vom 15. September 1941 erklärte Canaris,
dass die Sowjetunion zwar das Genfer Abkommen von 1929 nicht unterzeichnet habe,
Deutschland sich aber dennoch an die seit dem 18. Jahrhundert entwickelten Kriegsgebräuche zu
halten habe. In dieser Sache galt es, den Kriegsgefangenen die weitere Teilnahme am Kampf zu
vereiteln, ihnen aber zum Beispiel ausreichende Nahrung, Kleidung, medizinische Versorgung,
sanitäre Einrichtungen zu Verfügung zu stellen. Laut Canaris wurde das internationale Kriegsrecht
durch die „verbrecherischen Befehle“ verletzt. Dies müsse zwangsläufig zu Misshandlungen und
Tötungen führen. Dieser Meinung stand die von Feldmarschall Keitel gegenüber. Er war der
Meinung, Soldaten seien politische Kämpfer, die dazu dienten, Hitlers Ziele zu verwirklichen und
für diese Verwirklichung waren diese Befehle nun einmal notwendig.122
Das Massensterben der sowjetischen Kriegsgefangenen führt Christian Streit auf die folgenden
drei Faktoren zurück:
Der wohl schwerwiegendste Faktor war der Hunger, der dadurch entstand, dass nur die
primitivsten Mittel zur Verpflegung und nicht mehr verwendbare Nahrung den Kriegsgefangenen zu
Verfügung gestellt wurden. Viele der Kriegsgefangen starben aufgrund von Mangelernährung und
ihrer schlechten körperlichen Verfassung. Am 21. Oktober 1941 senkte der Generalquartiermeister
Generalleutnant Wagner die Lebensmittelrationen der Kriegsgefangenen abermals. Diese
Senkung traf besonders die Entkräfteten, nicht mehr zur Arbeit fähigen Gefangenen. „Sie sollten
nun mit 1490 Kalorien nicht einmal zwei Drittel des Existenzminimums erhalten.“ 123 Mit dieser
Senkung folgte Wagner der Forderung der NS-Führung, die dieses Vorgehen mit einem angeblichen kriegsbedingten Problem bei der Versorgung der deutschen Bevölkerung rechtfertigte.
120
Streit, Christian: Die Behandlung der sowjetischen Kriegsgefangenen und völkerrechtliche Probleme des
Krieges gegen die Sowjetunion. In: Ueberschär, Gerd R.; Wette, Wolfram (Hrsg.): Der deutsche Überfall auf
die Sowjetunion. „Unternehmen Barbarossa“ 1941, S. 165.
121
Ebd.
122
Ebd., S. 159 f.
123
Ebd., S. 168.
43
Allerdings kam es bereits zum Massensterben, bevor es überhaupt ein Ernährungsproblem in
Deutschland gab.124
Den zweiten Faktor für eine hohe Sterberate stellten die unzureichenden Unterkünfte für die
Kriegsgefangenen dar. Zunächst standen nur Truppenübungsplätze, mit Stacheldraht umzäunt,
zur Verfügung, auf denen sich die Gefangenen ihre Unterkünfte selbst errichten mussten. Kälte
und Überlastung der Lager führten zur schnellen Ausbreitung von Krankheiten und Epidemien, die
nochmals die gesundheitliche Lage der Gefangenen verschlimmerten. Als im November 1941 die
Entscheidung getroffen wurde, die sowjetischen Kriegsgefangenen für die deutsche Kriegswirtschaft zu verwenden, wurden Baracken zur Unterbringung errichtet, die die Situation für die
Kriegsgefangenen nur etwas verbesserten, um sie möglichst lange arbeitsfähig zu halten. In Polen
gingen die Deutschen dazu über, verlassene Fabrikhäuser oder ehemalige Gefängnisse als
„Winterlager“ einzurichten. Zum Teil wurden bis zu fünf Pritschen übereinander gestellt, weil die
Kapazitäten für die vielen Menschen längst nicht ausreichten, weshalb sich Seuchen rasch ausbreiten konnten.125
Der dritte Faktor betraf die katastrophalen Bedingungen beim Abtransport der Kriegsgefangenen. Bei den Fußmärschen von der Front in die Gefangenenlager kamen ebenfalls viele Gefangene um, da Erschöpfte meist einfach erschossen wurden. Aber auch wenn sie mit der Eisenbahn transportiert wurden, gab es viele Tote, weil sie einerseits in offenen Wagen transportiert
wurden, was im Winter zu Erfrierungen führte, und andererseits für mehrtägige Fahrten keine Verpflegung zu Verfügung gestellt wurde. Selbst bei geschlossenen (aber ungeheizten) Wagen führte
das gemäß einem Bericht des Reichskommissariats Ostland vom 5. Dezember 1941 dazu, dass
bei Transporten „zwischen 25 und 70 Prozent“ der Gefangenen starben.126
Die Situation der verwundeten Kriegsgefangenen war besonders dramatisch, obgleich die
Sowjetunion 1929 das „Abkommen zur Verbesserung des Loses der Verwundeten und Kranken im
Felde“ (wie Deutschland auch) „unterzeichnet und ratifiziert hatte“. 127 Die Überlebenschancen
sanken mit der Stärke der Verwundung, denn nur russische Ärzte durften diese behandeln und
auch nur mit dem absolutem Minimum an Material. „Ein Abtransport in Krankenwagen wurde [vom
OKH] ausdrücklich ausgeschlossen.“128 Seit Spätherbst 1941 gaben die Armeebefehlshaber die
Direktive aus, „schwerversehrte Gefangene“ ins Zivilleben zu entlassen (im Januar 1942 wurde
diese Vorgabe auf das gesamte Operationsgebiet angewendet). In der Praxis führte das oft dazu,
124
Streit, Christian: Die Behandlung der sowjetischen Kriegsgefangenen und völkerrechtliche Probleme des
Krieges gegen die Sowjetunion. In: Ueberschär, Gerd R.; Wette, Wolfram (Hrsg.): Der deutsche Überfall auf
die Sowjetunion. „Unternehmen Barbarossa“ 1941, S. 168.
125
Ebd., S. 170.
126
Ebd., S. 172.
127
Ebd., S. 161., sowie dazu eingehend ders.: Das Schicksal der verwundeten sowjetischen
Kriegsgefangenen. In: Heer, Hannes; Naumann, Klaus (Hrsg.): Vernichtungskrieg. Verbrechen der
Wehrmacht. 1941 – 1944. 10. Auflage. Hamburg 1997, S. 78 í
128
Streit, Christian: Die Behandlung der sowjetischen Kriegsgefangenen und völkerrechtliche Probleme des
Krieges gegen die Sowjetunion. In: Ueberschär, Gerd R.; Wette, Wolfram (Hrsg.): Der deutsche Überfall auf
die Sowjetunion. „Unternehmen Barbarossa“ 1941, S. 177.
44
dass diese Menschen ihr Dasein als Bettler fristen mussten, da sie als arbeitsunfähige Personen
keine Lebensmittel zugeteilt bekamen. Um einen eventuellen Zulauf der Partisanenbewegung
durch diese Personen schon im Vorfeld zu verhindern, einigten sich im September 1942 Himmler
und Keitel darauf, zukünftig verwundete Kriegsgefangene an Konzentrationslager auszuliefern, wo
sie ermordet wurden. Weil die Wehrmacht bestehende internationale Abkommen brach, führte sie
in diesem Fall von sich aus eine „Verschärfung“ der Situation herbei.129
Wie im Kapitel III.5 „Die Jagd nach Zwangsarbeitern unter der sowjetischen Zivilbevölkerung“
erläutert, erzwang der für Deutschland desolate Kriegsverlauf ein Umdenken in der Bevölkerungspolitik in den besetzten Gebieten. Dieser Wandel betraf auch die sowjetischen Kriegsgefangenen.
Auf deutscher Seite wuchs das Interesse am Leben dieser Menschen, um sie als Zwangsarbeiter
ausbeuten zu können. Um das Los der sowjetischen Kriegsgefangenen als Zwangsarbeiter in
Deutschland zu erläutern, beziehen wir uns im Folgenden auf das Beispiel Dithmarschen:
1942 waren 70 Prozent aller Arbeiter in Dithmarschen Kriegsgefangene und Ausländer. 130
Diese wurden in regionalen Unternehmen, wie zum Beispiel den Firmen „Köster“, „Gehlsen“, dem
„DEA“-Werk, „Kali-Chemie“, der Schiffswerft in Büsum und der „Kohl- und Trockengemüsefabrik"
eingesetzt, ein großer Anteil arbeitete aber auch in der Landwirtschaft.131 Die Unterbringung erfolgte nahe den Arbeitsstätten, in Baracken und Hütten. Insgesamt sind in Dithmarschen 30 Orte
bekannt, in denen es solche Unterkünfte gab. Auch hier verschlechterte sich die Behandlung, weil
es Versorgungsengpässe gab, und da die sowjetische Bevölkerung als besonders minderwertig
angesehen wurde, standen sie an unterster Stelle der „Nahrungskette“. Ein Beispiel hierfür ist der
Skandal bei der Firma Gehlsen, der für Aufruhr sorgte, denn man hatte zwei sowjetischen Kriegsgefangenen eine Lebensmittelkarte für Schwerstarbeiter überlassen í als dies bekannt wurde,
wurde dieses Vorgehen umgehend gestoppt.
Wie viele Tote es allein in Dithmarschen gab, ist unklar – 296 Tote sind nachgewiesen, es muss
aber von einer weitaus größeren Zahl ausgegangen werden. 132 Im Winter 1941/42 starben die
meisten Zwangsarbeiter. Der Grund dafür war vor allem die schlechte körperliche Verfassung, mit
der die Gefangenen schon in Dithmarschen ankamen. Gefühlskalt reagierte der Kreisleiter
Norderdithmarschens Hans Hinrichsen auf diesen Umstand: „Wenn man sie schon sterben lassen
129
Streit, Christian: Die Behandlung der sowjetischen Kriegsgefangenen und völkerrechtliche Probleme des
Krieges gegen die Sowjetunion. In: Ueberschär, Gerd R.; Wette, Wolfram (Hrsg.): Der deutsche Überfall auf
die Sowjetunion. „Unternehmen Barbarossa“ 1941, S. 177 f.
130
Gietzelt, Martin: Geschichte Dithmarschens. Das 20. Jahrhundert. Heide 2013,
S. 68, sowie eingehend Hoch, Gerhard: Im Schatten des Vernichtungskrieges. Sowjetische Kriegsgefangene
und Zwangsarbeiter in Schleswig-Holstein. Vortrag am 27. Januar 1999 in der Verwaltungsfachhochschule
Altenholz. In: Förderverein „Freundeskreis zur Unterstützung der Polizei Schleswig-Holstein e.V. (Hrsg.):
Täter und Opfer unter dem Hakenkreuz. Eine Landespolizei stellt sich der Geschichte. Berlin 1997,
S. 35 – 42.
131
Ebd.
132
Ebd.
45
will, so soll man dies in den großen Sammellagern tun. Den Gemeinden erwächst allein schon
daraus, dass überall Beerdigungsplätze beschafft werden müssen, erheblicher Schaden.“133
Abschließend lässt sich sagen, dass die planmäßige und systematische Missachtung der
völkerrechtlichen Vorgaben (in erster Linie durch die Wehrmacht) aufzeigt, dass das verbrecherische Vorgehen gegen die sowjetischen Kriegsgefangenen sich in die menschenverachtende Logik des rassenideologisch begründeten Vernichtungskrieges gegen die Sowjetunion
einreihte.
5. Die Jagd nach Zwangsarbeitern unter der sowjetischen Zivilbevölkerung
Im Folgenden wird die Jagd nach den Zwangsarbeitern unter der sowjetischen Bevölkerung dargestellt. Dieser Sachverhalt wirft einige Fragen auf, zum Beispiel: Wieso wurden überhaupt Zwangsarbeiter gesucht, wenn der Krieg ein Vernichtungskrieg sein sollte, in dem es im Grunde darum
ging, „»Lebensraum im Osten« zu erobern und von »Untermenschen« zu »säubern«“134? Welche
Bevölkerungsgruppen stellten die Zwangsarbeiter dar? Mit welchen Mitteln wurden die Menschen
zur Arbeit gezwungen?
Der Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion sollte gemäß seiner konzeptionellen Anlage ein
Blitzkrieg sein. Die Generalität glaubte, die 5 Millionen Mann starke Rote Armee rasch besiegen
und den Riesenraum der Sowjetunion besetzen zu können (siehe auch III.8). Dabei „wollte
[die NS-Führung] in erster Linie das Land und die Bodenschätze, aber nicht die Menschen.“ 135
In Hitlers Zukunftsfantasien sollte nur ein geringer Teil der slawischen Bevölkerung ein Dasein als
„Heloten“ oder „Askaris“ (einheimische Hilfstruppen) fristen.136 Die NS-Führung ging von einem Bevölkerungsverlust von etwa 30 Millionen Menschen aus.137
Hitler und der Generalität schien die Größe des Raumes, der von fast 200 Millionen Menschen
bewohnt wurde, eine zu vernachlässigende Größe zu sein. Auch hatte Hitler 1933 die mehrjährige
und intensive Zusammenarbeit zwischen der Reichswehr und der Roten Armee, wie sie im Vertrag
von Rapallo vom 16. April 1922 sogar schriftlich fixiert worden war, für beendet erklärt.138 Ein Ergebnis war, dass die dreißiger Jahre hinsichtlich des Russlandbildes dadurch gekennzeichnet
waren, dass der deutschen Seite konkrete í DEHU YRU DOOHP YHUOlVVOLFKH ,QIRUPDWLRQHQ EHU GLH
Sowjetunion verloren gingen, die der deutschen Streitmacht folglich fehlten. Die Nationalsozialisten
hatten gemäß der nationalsozialistischen Weltanschauung ein komplexes Feindbild errichtet, das
133
Gietzelt, Martin: Geschichte Dithmarschens. Das 20. Jahrhundert. Heide 2013,
S. 68.
134
Müller, Rolf-Dieter: Menschenjagd. Die Rekrutierung von Zwangsarbeitern in der besetzten Sowjetunion.
In: Heer, Hannes; Naumann, Klaus (Hrsg.): Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht. 1941 – 1944.
10. Auflage. Hamburg 1997, S. 101.
135
Ebd.,S. 93.
136
Ebd.
137
Pohl, Dieter: Die Herrschaft der Wehrmacht. Deutsche Militärbesatzung und einheimische Bevölkerung in
der Sowjetunion 1941 – 1944, S. 66.
138
Dazu eingehender Wette, Wolfram: Der Krieg gegen die Sowjetunion – ein rassenideologisch
begründeter Vernichtungskrieg. In: Kaiser, Wolf (Hrsg.): Täter im Vernichtungskrieg. Der Überfall auf die
Sowjetunion und der Völkermord an den Juden. Berlin/München 2002, S. 26 ff.
46
nicht auf wissenschaftlichen Studien fußte, sondern eine reine Projektion von Klischees darstellte.
Diese ersetzten zunehmend die Realität.139 Dass man auf deutscher Seite also im Grunde nichts
Wirkliches über den Gegner wusste, schien für Hitler und seine Generalität ebenso eine zu vernachlässigende Variable zu sein. Nur so lässt es sich auch erklären, dass das „Unternehmen
Barbarossa“ der erste Feldzug gewesen ist, der von deutscher Seite als ein Blitzkrieg konzipiert
worden ist. Alle Waffengänge zuvor hatten sich nämlich erst im Verlauf (und zur Überraschung der
deutschen Angreifer) als Blitzkriege erwiesen 140 í DXFK GLHVHQ 6DFKverhalt glaubten Hitler und
seine Generalität mit Blick auf den Gegner vernachlässigen zu können. Der berechtigte Einwand,
dass Deutschland sich seit dem Angriff auf die SU in einem Zweifrontenkrieg befinden würde,
wurde von Hitler am Ende mit der These vom Präventivkrieg vom Tisch gewischt.141
Der Kriegsverlauf offenbarte trotz erster Anfangserfolge das vollkommene Scheitern der Blitzkriegsstrategie. An ein baldiges und siegreiches Ende war jedenfalls seit dem Spätsommer 1941
nicht mehr zu denken í XQG VHOEVW +LWOHU JLQJ ]X GLHVHP =HLWSXQNW DXch nicht mehr von einer
schleunigen Besiegung der Sowjetunion aus.142
Als Folge des katastrophalen Kriegsverlaufs mussten immer mehr Deutsche an die Front,
wodurch viele Arbeitsplätze in Deutschland nicht zu besetzen waren. Die Anforderungen der
Kriegswirtschaft waren nicht mehr zu bewältigen. Doch nicht nur in Deutschland wurden Arbeiter
für die Produktion von Lebensmitteln oder Ausrüstung gebraucht, auch in den besetzten Gebieten
war der Bedarf an Arbeitskräften hoch, denn es mussten Trümmer beseitigt und Versorgungseinrichtungen für die deutschen Besatzungstruppen gebaut werden. Des Weiteren herrschte ein
sehr starker Winter, weshalb die Wege vom Schnee befreit werden mussten.143 Es drängte sich
bald die Frage auf, ob nicht die Bevölkerung in den besetzten Gebieten hier Abhilfe schaffen
könnte, anstatt diese systematisch zu vernichten. Vor allem auf der Seite der Industrie wurde diese
Frage immer deutlicher an die NS-Führung herangetragen. Hitler konnte sich zunächst jedoch
nicht mit dem Gedanken anfreunden, „Bolschewisten“ 144 in Deutschland arbeiten zu lassen. Er
führte den Vernichtungskrieg ja, um u.a. gerade diese auszurotten. Doch die Arbeiter wurden vor
allem in Deutschland dringend gebraucht, damit die Rüstungsindustrie die deutschen Truppen
weiter mit Nachschub an Waffen, Lebensmitteln oder auch medizinischer Ausrüstung usw.
versorgen konnte. Letzten Endes musste der Diktator also einlenken, zu viele Bergwerke, Fabriken
139
Vgl. Wette, Wolfram: Der Krieg gegen die Sowjetunion – ein rassenideologisch begründeter
Vernichtungskrieg. In: Kaiser, Wolf (Hrsg.): Täter im Vernichtungskrieg. Der Überfall auf die Sowjetunion und
der Völkermord an den Juden, S. 22 ff.
140
Pohl, Dieter: Die Herrschaft der Wehrmacht. Deutsche Militärbesatzung und einheimische Bevölkerung in
der Sowjetunion 1941 – 1944, S. 64.
141
Zu Hitlers „Argumentations-Karussell“ (um gegenüber den Militärs einen Angriffskrieg gegen die UdSSR
zu rechtfertigen) eingehend Jäckel, Eberhard: Hitlers Herrschaft. 4. Auflage. Stuttgart 1999, S. 66 í
142
Dazu eingehend und unter Berücksichtigung der Atlantik-Charta vom 14. August 1941 Jersak, Tobias:
Die Interaktion von Kriegsverlauf und Judenvernichtung. Ein Blick auf Hitlers Strategie im Spätsommer 1941.
In: Historische Zeitschrift 268/1999, S. 335 ff.
143
Müller, Rolf-Dieter: Menschenjagd. Die Rekrutierung von Zwangsarbeitern in der besetzten Sowjetunion.
In: Heer, Hannes; Naumann, Klaus (Hrsg.): Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht. 1941 – 1944,
S. 93.
144
Ebd., S. 94.
47
oder auch Gutshöfe waren längst an die Grenze des Zumutbaren gelangt. Ein weiterer Impuls für
Hitlers Entscheidung war die Aussicht auf neu ausgehobene Divisionen für den Krieg.145
Die Deutschen starteten in den besetzten Gebieten einen Aufruf an freiwillige Arbeiter. Um dem
Krieg in der Heimat zu entkommen und somit vielleicht das eigene Leben zu retten, meldeten sich
zuerst viele Menschen: dringend benötigte Facharbeiter, Ungelernte, aber auch Kinder. Besonderes Interesse galt den sowjetischen Jugendlichen, die im wehrfähigen Alter waren.
Musterungsbefehlen kamen aber nur wenige nach. 146 Bald sprach sich auch herum, dass die
Arbeiter in Deutschland wie Kriegsgefangene und Sklaven behandelt wurden. Denn „ein neues
Menschenbild verband sich [mit dieser Entwicklung] nicht. Die offizielle politische Linie änderte sich
[…] nicht grundlegend.“147 Fortan meldeten sich also kaum noch freiwillige Arbeiter. Also mussten
die Deutschen andere Maßnahmen ergreifen, wobei hier neben dem SS- und Polizeiapparat
ebenso Wehrmachtseinheiten aktiv wurden. Zum Beispiel betonte der Befehlshaber des rückwärtigen Heeresgebiets (Süd) hinsichtlich der Freihaltung der Nachschubwege Folgendes: „Dazu
ist auf Anforderung der Truppe rücksichtsloser Einsatz der gesamten Zivilbevölkerung, ganz
gleich, ob Schneesturm oder Kälte herrscht, mit drakonischen Mitteln durchzusetzen.“148 Es gab
Greifkommandos, welche größere Menschengruppen überfielen und zwangsrekrutierten, dies kam
zum Beispiel in Kinos oder an großen Kreuzungen vor. Neben der Rekrutierung wurden diese
Menschen misshandelt, beraubt und deren Wohnungen zerstört. Dabei war es egal, ob die
Menschen Schwangere, Alte, Behinderte oder Gebrechliche waren, wer sich als arbeitsunfähig
erwies, wurde in Konzentrationslagern umgebracht oder aus Deutschland wieder zurückgeführt
und im Osten einfach auf den Straßen ausgesetzt, was mit dem Tod gleichzusetzen war. Die
Deutschen gingen in der Sowjetunion also regelrecht auf Menschenjagd.
Allerdings versuchten Partisanen, die Bevölkerung vor dem deutschen Zugriff zu bewahren
oder aus deutschen Händen zu befreien. Laut Schätzungen des OKW schafften die Partisanen es,
mehr als 1,5 Mio. Menschen freizukämpfen (siehe III.3).
Rolf-Dieter Müller gibt an, dass für die Belange der Wehrmacht in den besetzten Gebieten etwa
200000 Sowjetbürger in Betrieben arbeiteten und ca. 20 Millionen die Kolchosen bewirtschafteten,
wobei nicht in jedem Fall Zwangsmaßnahmen notwendig waren, weil die Menschen oft gar keine
Alternative hatten, ihr Überleben zu sichern. 149 In Deutschland gab es insgesamt etwa 2,8
Millionen zivile Zwangsarbeiter, welche aus der UdSSR nach Deutschland deportiert wurden. Etwa
die Hälfte von ihnen wurde durch die Wehrmacht zwangsrekrutiert. Rechnet man die deportierten
Kriegsgefangenen hinzu (siehe III.4), ist von mehr als fünf Millionen sowjetischen Zwangsarbeitern
145
Müller, Rolf-Dieter: Menschenjagd. Die Rekrutierung von Zwangsarbeitern in der besetzten Sowjetunion.
In: Heer, Hannes; Naumann, Klaus (Hrsg.): Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht. 1941 – 1944,
S. 94.
146
Ebd., S. 98 f.
147
Ebd., S. 94.
148
Ebd., S. 95.
149
Ebd., S. 97.
48
in Deutschland auszugehen, im Herbst 1944 waren es nur noch 726000, die „für den Arbeitseinsatz zur Verfügung“ standen.150
Zusammenfassend ist zu sagen, dass der Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion länger
dauerte als geplant. Aus diesem Grund mussten immer mehr Deutsche an die Front. Es fehlten in
Deutschland Arbeitskräfte für die Kriegswirtschaft und ebenso in den besetzten Gebieten (z:B. für
den Stellungsbau, als die Deutschen allerorten in die Defensive geraten waren). Folglich rekrutierten der SS- und Polizeiapparat sowie die Wehrmacht Zwangsarbeiter unter der sowjetischen
Zivilbevölkerung. Dass mit dieser Entwicklung sich kein grundsätzlich neues Menschenbild verband, zeigt das brutale Vorgehen der Deutschen: Wer sich wehrte oder nicht arbeitsfähig war,
wurde umgebracht. Die Deutschen gingen weiterhin skrupellos gegen die sowjetische Bevölkerung
vor. Wenn sie von ihren drakonischen Maßnahmen abließen, dann nur deshalb, um die
sowjetische Bevölkerung barbarisch auszunutzen zu können.
6. Das Vorgehen gegen die sowjetischen Roma
Im Folgenden wird das Schicksal der sowjetischen Roma151 im Zuge des deutschen Vernichtungskrieges gegen die Sowjetunion nachgezeichnet.
Die Sinti und Roma waren in Deutschland schon vor 1933 einer Repressionspolitik ausgesetzt,
die sich seit 1934/35 jedoch erheblich verschärfen sollte, um dann mit dem Beginn des
„Unternehmens Barbarossa“ nochmals eine „deutliche Radikalisierung“ zu erfahren. 152
Als die Wehrmachtsverbände und die aus dem SS- und Polizeiapparat aufgestellten Einsatzgruppen am Morgen des 22. Juni 1941 die Grenze zur Sowjetunion überschritten, wurden die
sowjetischen Roma mit in den Massenmord einbezogen, obgleich ein konkreter Befehl dazu wohl
nicht existierte.153 Nach dem Krieg hat Otto Ohlendorf, der Leiter der Einsatzgruppe D, zu diesem
Sachverhalt ausgeführt, dass in seinem „Gebiet eine Anzahl unerwünschter Elemente, die sich aus
Russen, Zigeunern, Juden und anderen zusammensetzten, exekutiert worden seien.“154 Dass die
Wehrmacht sich an diesem verbrecherischen Vorgehen beteiligte, zeigt zum Beispiel eine
Direktive vom Befehlshaber des rückwärtigen Heeresgebiets Mitte im Oktober 1941 „zur Behandlung der Roma im Operationsgebiet“, die bestimmte, dass „wandernde Zigeuner“ der
150
Müller, Rolf-Dieter: Menschenjagd. Die Rekrutierung von Zwangsarbeitern in der besetzten Sowjetunion.
In: Heer, Hannes; Naumann, Klaus (Hrsg.): Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht. 1941 – 1944,
S. 101.
151
Die Sinti sind besonders in Mittel- und Westeuropa beheimatet. In der Sowjetunion lebte nur eine ganz
geringe Zahl von Sinti, vor allem in der sowjetdeutschen Wolgarepublik. Vgl. Pohl, Dieter: Die Herrschaft der
Wehrmacht. Deutsche Militärbesatzung und einheimische Bevölkerung in der Sowjetunion 1941 – 1944,
S. 272.
152
Zu diesem Sachverhalt eingehender Wippermann, Wolfgang: Nur eine Fußnote? Die Verfolgung der
sowjetischen Roma: Historiographie, Motive, Verlauf. In: Meyer, Klaus; ders. (Hrsg.): Gegen das Vergessen.
Der Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion 1941 – 1945. Frankfurt am Main 1992, S. 79 ff., sowie vgl.
Pohl, Dieter: Die Herrschaft der Wehrmacht. Deutsche Militärbesatzung und einheimische Bevölkerung in
der Sowjetunion 1941 – 1944, S. 271.
153
Wippermann, Wolfgang: Nur eine Fußnote? Die Verfolgung der sowjetischen Roma: Historiographie,
Motive, Verlauf. S. 86.
154
Ebd.
49
Sicherheitspolizei zu übergeben“155 seien. Mordaktionen, welche die Wehrmachtseinheiten direkt
zu verantworten haben, gab es spätestens seit August 1941156, die größte einzelne Mordaktion
verübten Angehörige der 281. Sicherungsdivision am 6. Juni 1942 an 128 Roma in Novor ev.
Für dieses mörderische Vorgehen waren zunächst rassistische Motive entscheidend. 157
Es wurden aber auch immer wieder sicherheitspolitische Gründe angegeben. So wurde den Roma
(vornehmlich den nicht sesshaften, also herumziehenden Roma) Spionagetätigkeiten für den Feind
und/oder die Teilnahme am Partisanenkampf gegen deutsche Verbände nachgesagt (siehe III.3).
Der Heeresfeldpolizeichef führte dazu aus: „Eine große Gefahr für die Befriedung der Gebiete bildet das
Auftreten von Zigeunerbanden, deren Angehörige sich bettelnd im Lande herumtreiben und den Partisanen
weitgehend Zubringerdienste leisten. […] Es ist deshalb notwendig, derartige Banden rücksichtslos
auszurotten.“
158
Aufgrund der lückenhaften Dokumentation ist eine aussagekräftige Rekonstruktion aller Mordaktionen gegen die Roma unrealistisch, zumal sich hinter dokumentierten „Judenaktionen“ teilweise auch gezielte Tötungen von Roma verbargen. Ebenso kann heute nicht mit Bestimmtheit
festgestellt werden, inwieweit es sich bei Mordaktionen gegen vermeintliche Partisanen tatsächlich
auch um Roma handelte. Wolfgang Wippermann hält die Zahl von mindestens 30000 ermordeten
Roma noch eher für untertrieben, die Kenrick und Puxon einst in die Diskussion eingebracht
haben.159
Somit kann durch dieses Kapitel hinsichtlich der Frage „Warum vom Vernichtungskrieg als der
andere Holocaust gesprochen werden muss?" eine weitere Teilantwort gegeben werden. Es gab
neben Juden auch andere Opfergruppen der NS-Vernichtungspolitik, wie am Beispiel der
sowjetischen Roma verdeutlicht werden konnte. Es darf also im Zusammenhang von Krieg und
Holocaust nicht nur von den Juden als Opfergruppe gesprochen werden.
7. Die Krankenmorde in den Heil- und Pflegeanstalten
In dem folgenden Kapitel wird es um die Krankenmorde in den Heil- und Pflegeanstalten gehen.
Dabei wird vor allem auf die NS-Euthanasie, das Vorgehen gegen die Anstaltsinsassen im Zuge
des Vernichtungskrieges und auf das Zusammenspiel zwischen der Wehrmacht und dem SS- und
Polizeiapparat eingegangen. Wie die genannten Punkte miteinander verknüpft sind und was das
mit dem Vernichtungskrieg zu tun hat, wird nun geklärt.
155
Pohl, Dieter: Die Herrschaft der Wehrmacht. Deutsche Militärbesatzung und einheimische Bevölkerung in
der Sowjetunion 1941 – 1944, S. 272.
156
Ebd., S. 273.
157
Wippermann, Wolfgang: Nur eine Fußnote? Die Verfolgung der sowjetischen Roma: Historiographie,
Motive, Verlauf. S. 87.
158
Pohl, Dieter: Die Herrschaft der Wehrmacht. Deutsche Militärbesatzung und einheimische Bevölkerung in
der Sowjetunion 1941 – 1944, S. 273.
159
Wippermann, Wolfgang: Nur eine Fußnote? Die Verfolgung der sowjetischen Roma: Historiographie,
Motive, Verlauf. S. 90.
50
Die Euthanasie (griech. für „schöner Tod“, gebräuchlich für „Sterbehilfe“160) war der Grundgedanke, der durch eine „gefährliche Verfälschung“ auf die Vernichtung zum Beispiel der
Behinderten und der unheilbar Kranken im Rahmen der NS-Vernichtungspolitik abzielte.
Der Diktator wollte mit der Umsetzung der Euthanasie bis zum Ausbruch des Krieges warten.
Somit verzögerte sich der Beginn der Umsetzung bis zum Ausbruch des Krieges im September
1939161 (siehe auch IV.3).
Ab 1939 führte Hitler die Meldepflicht für missgebildete Kinder und Säuglinge mit Behinderung
jeglicher Art ein. Hebammen bekamen für jede solcher Meldungen zwei Reichsmark als Dank.162
Kinder und Säuglinge, die auf diese Weise „verraten“ wurden, wurden entweder zu Tode gehungert oder mit Hilfe von Medikamenten getötet. In Anstalten wurden auch Meldebögen an das
Personal ausgeteilt, die dazu dienten, die Patienten als arbeitsfähig oder als arbeitsunfähig einzustufen. Doch bedeutete diese Art von Einstufung die Entscheidung über Leben oder Tod. Wer als
arbeitsfähig galt, durfte leben, wer als arbeitsunfähig galt, musste sterben. Als jedoch auch in den
Anstalten verstanden wurde, um was es sich bei den Meldebögen wirklich handelte, wurde die
Ausfüllung der Bögen oft verweigert oder Patienten wurden als arbeitsfähig eingestuft.163
Eine besondere Rolle spielte im Rahmen der NS-Euthanasie die „Aktion T4“. Es handelte sich
hierbei um eine Tarnbezeichnung der Euthanasieorganisation und stand für die Tiergartenstraße 4
in Berlin, wo sich der Hauptsitz der Organisation befand. Als diese Aktion wegen negativer
Reaktionen in der deutschen Öffentlichkeit als offiziell beendet galt, wurde sie jedoch unter dem
Namen „14f13“ weitergeführt.164 Von nun an konzentrierte man sich auf die Aussonderung und
Tötung der kranken KZ-Häftlinge.165 Die „Aktion T4“ hatte eine weitergehende Bedeutung. Das T4Personal stellte maßgeblich das Lagerpersonal in den deutschen Vernichtungslagern auf
polnischem Boden.166
Während des Vernichtungskrieges gegen die Sowjetunion lag ein besonderer Fokus auf den
Insassen der Heil- und Pflegeanstalten. Wie unmenschlich das Vorgehen gegen die Anstaltsinsassen war, sollen folgende Zitate verdeutlichen: zum einen ein Zitat von Halder: „Russen sehen
Geistesschwache als heilig an. Trotzdem Tötung notwendig.“167 zum anderen ein Zitat von Oberst
160
Dreßen, Willi: Euthanasie. In: Benz, Wolfgang (Hrsg.): Legenden, Lügen, Vorurteile. Ein Wörterbuch zur
Zeitgeschichte. 13. Auflage. München 2006, S. 77.
161
Ebd.
162
Aly, Götz: Die Belasteten. „Euthanasie“ 1939 – 1945. Eine Gesellschaftsgeschichte. Frankfurt am Main
2013, S. 109.
163
Dreßen, Willi: Euthanasie. In: Benz, Wolfgang (Hrsg.): Legenden, Lügen, Vorurteile. Ein Wörterbuch zur
Zeitgeschichte, S. 79.
164
Über die Hintergründe, die zum (offiziellen) Abbruch der T4-Aktion führten und welche Rolle dabei die
Kirchen spielten eingehend ebd., S. 79 f.
165
Ebd., S. 80. Der Autor gibt an, dass in beiden Phasen der Tötungsaktionen etwa 120000 Menschen
getötet worden sind.
166
Arad, Yitzhak: Treblinka. In: Jäckel, Eberhard; Longerich, Peter; Schoeps, Julius H. (Hrsg.): Enzyklopädie
des Holocaust. Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden. Band III. Berlin 1993,
S. 1427 - 1429, sowie Wagner, Thorsten: Aktion Reinhardt. In: Benz, Wolfgang; Graml, Hermann; Weiß,
Hermann (Hrsg.): Enzyklopädie des Nationalsozialismus. 2. Auflage. München 1998, S. 354 í
167
Aly, Götz:Die Belasteten. „Euthanasie“ 1939 – 1945. Eine Gesellschaftsgeschichte, S. 104.
51
Nikolaus von Vormann: „Es kommt hinzu, dass die Insassen der Anstalt auch im Sinne deutscher
Auffassung Objekte nicht mehr lebenswerten Lebens darstellen.“168 Diese Auszüge zeigen bereits
einen Grund für die Tötungen im Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion. Es reichte schlicht die
Tatsache, dass die Anstaltsinsassen krank und hilflos waren. Ein weiterer Grund war dann auch
der Platzmangel der Wehrmacht. Der Winter nahte, also wurden auch winterfeste Unterkünfte und
Kriegslazarette benötigt. Die Heime und Anstalten vor Ort boten hierfür die richtigen Bedingungen.
Die Patienten wurden auf grausame Art und Weise getötet. Entweder fand eine Erschießung direkt
vor Ort statt oder eine Vergasung. Bei der Vergasung wurden die Behinderten in den meisten
Fällen in einen Bus gelockt oder brutal hineingetrieben. Dieser Bus war angeblich für den Abtransport der Insassen in ein jüdisches Alters- oder Krankenheim getarnt. Doch sobald sich die
Türen schlossen, begann das Gas auszutreten. Innerhalb weniger Minuten waren alle Personen in
dem Vergasungswagen tot. Die Leichen wurden nach der Tötung in die Leichengruben verfrachtet.169
An folgendem Beispiel soll das Zusammenspiel zwischen der Wehrmacht und dem SS- und
Polizeiapparat aufgezeigt werden. Der pensionierte lettische General, der nach der deutschen
Besetzung 1941 für die innere Verwaltung und Personalfragen in Lettland verantwortlich war,
Oskar Dankers, berichtete: „Im Sommer 1941 benötigte die deutsche Wehrmacht Krankenhäuser für ihre
Truppe in Lettland. Aus diesem Grunde erschossen Kommandos der Sicherheitspolizei und des SD alle
geisteskranken Leute, die in den folgenden Anstalten untergebracht waren und gab die Anstalten an die
deutschen Militärbehörden […] In Dünaburg und Riga waren je 700 bis 800 Kranke untergebracht. In Mittau
nur 400 bis 600. Daraus ergibt sich, dass die mir bekannte Gesamtzahl der erschossenen Geisteskranken
zwischen 1800 und 2200 liegt.“
170
Auch vor Kindern wurde in dem Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion nicht zurückgeschreckt. Es genügte, wenn ein Kind auch nur in einer Anstalt oder einem Heim lebte, um seine
Tötung zu rechtfertigen. Ein Beispiel dafür stellt der 19.Dezember 1941 dar. In einem Kinderheim
nahe Smolensk wurden 16 geisteskranke jüdische und russische Kinder erschossen. Grund für die
Erschießung war, dass sie angeblich von den sowjetischen Behörden in einem verwahrlosten Zustand zurückgelassen worden seien. Somit war das Heim, in dem sie wohnten, ein Seuchenherd
erster Ordnung.171
8. Belagerung als Vernichtungsstrategie. Beispiel: Leningrad
„Ihr Tod war von den Verantwortlichen des deutschen Vernichtungskrieges im Osten einkalkuliert. Leningrad
sollte nicht erobert, sondern als Wiege des sogenannten »jüdischen Bolschewismus« vernichtet werden.
Eine Anweisung an die militärische Führung vor Ort führt erläuternd aus: Ein Interesse an der Erhaltung
auch nur eines Teiles dieser großstädtischen Bevölkerung besteht in diesem Existenzkrieg unsererseits
168
Aly, Götz:Die Belasteten. „Euthanasie“ 1939 – 1945. Eine Gesellschaftsgeschichte, S. 104.
Ebd., S. 107 f.
170
Klee, Ernst: „Euthanasie“ im Dritten Reich. Die „Vernichtung lebensunwerten Lebens“. Frankfurt am Main
2010, S. 444.
171
Aly, Götz:Die Belasteten. „Euthanasie“ 1939 – 1945. Eine Gesellschaftsgeschichte, S. 106.
169
52
nicht. […] Am 27. Januar 1945 wurde das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau durch
die Rote Armee befreit – zufällig auf den Tag genau ein Jahr nach Ende der Leningrader Blockade. Kein
Zufall ist dagegen der Zusammenhang zwischen Auschwitz und Leningrad, zwischen dem Völkermord an
den europäischen Juden und dem mörderischen Raub- und Vernichtungsfeldzug im Osten Europas: Sie
wurzelten in der menschenverachtenden nationalsozialistischen Rassenideologie. Meine Damen und
Herren, wir gedenken heute aller Menschen, denen während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft
und des von Deutschland ausgegangenen Angriffskrieges ihre Rechte, ihr Besitz, ihre Heimat, ihr Leben,
ihre Würde entrissen wurden: der Juden, der Sinti und Roma, der Kranken und Menschen mit Behinderungen, der politisch Verfolgten, der Homosexuellen, der Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, der
Opfer der Kindertransporte, der Kriegsgefangenen, der zu »Untermenschen« degradierten slawischen
Völker í all jener, die in Auschwitz, Treblinka, Belzec und in den anderen Vernichtungslagern ermordet
wurden, die erschossen, vergast, erschlagen, verbrannt, durch Zwangsarbeit vernichtet wurden, die verhungert sind.“
172
Diese Passage stammt aus der Gedenkrede von Norbert Lammert zum Gedenken an die Opfer
des Nationalsozialismus. Der Anlass dieser Rede war der 70. Jahrestag des Endes der Belagerung von Leningrad. Lammert hebt den Zusammenhang von Vernichtungskrieg und
Völkermord hervor und erweitert genauso wie wir das Spektrum der Opfergruppen, indem er in
seiner Rede auch beispielsweise Sinti und Roma oder Menschen mit Behinderung erwähnt.
Außerdem betont er, dass ein Interesse an der Lebenserhaltung der Leningrader Bevölkerung
nicht vorhanden war und somit der Tod von Millionen Menschen geplant und einkalkuliert war.
Zur räumlichen Einordnung des Teilkapitels „Belagerung als Vernichtungsstrategie. Beispiel:
Leningrad“ steht im weiteren Verlauf diese Karte zu Verfügung.
(Q.: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/9/90/Leningrad_Siege_May_1942_January_1943.png [adaptiert von Max Schwieder])
172
www.bundestag.de/bundestag/praesidium/reden/Rede zum Tag des Gedenkens an die Opfer des
Nationalsozialismus (Zugriff am 22.11.14).
53
Auf der Karte ist ein kleiner Teil der Sowjetunion abgebildet. Leningrad (heute wieder St.
Petersburg) befand sich im Norden der UdSSR und grenzte im Westen an die Ostsee. Es handelt
sich um eine Karte, die sich mit der für uns ausschlaggebenden Thematik der 1940er Jahre
befasst und auf die demzufolge im weiteren Verlauf des Textes wieder Bezug genommen wird.
Des Weiteren möchten wir darstellen, dass Leningrads Belagerung als Vernichtungsstrategie
gesehen werden muss. Wichtig hierbei ist die Veränderung der Bedeutung der Leningrader Belagerung. Im Folgenden werden Fragen geklärt, wie zum Beispiel: „War die Belagerung Leningrads
von Anfang an geplant?“ oder „Warum spielte die finnische Armee beim Einschluss der Stadt eine
übergeordnete Rolle?“ Eingangs möchten wir darauf hinweisen, dass die Forschungen der letzten
Jahre gezeigt haben, dass die nationalsozialistische Vernichtungspolitik nicht vom Krieg der Wehrmacht zu trennen ist. Um diese Problematik genauer nachvollziehen zu können, halten wir es für
wichtig, dieses Thema im Folgenden zu behandeln.173
Der Angriff auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 erfolgte an drei Fronten: im Norden
(in Richtung Leningrad), in der Mitte (in Richtung Moskau) und im Süden (in Richtung Don).174 Das
„Unternehmen Barbarossa“ war als Blitzkrieg angelegt. Leningrad sollte hierbei vollkommen zerstört werden, da es in Hitlers „Zukunftsfantasien“ keine Rolle spielte und es als großes Rüstungszentrum für die Rote Armee unbedingt beseitigt werden musste. Der Entscheidungsprozess zur
Belagerung der Millionenstadt verlief keineswegs geradlinig, sondern folgte dem komplizierten
Kriegsverlauf. Deswegen kann der Entschluss zur Blockade auch nicht monokausal erklärt, eindimensional nachgezeichnet werden. Die Entscheidung zur Belagerung stand nicht von Anfang an
fest. Der schlecht verlaufende Krieg beförderte an erster Stelle den Prozess zur Belagerung der
Stadt. Hier gab es starke Unterschiede zwischen der Planung und der Verwirklichung der Angriffe.
Zum Beispiel ging Hitler davon aus, dass die Heeresgruppe Nord bis zum 20. August 1941 Estland
und die Ostseeinseln besetzt und Leningrad abgeriegelt haben würde, um einen sicheren Angriff
der Luftwaffe auf die Stadt zu gewährleisten. Doch die Realität sah anders aus. Am 20. August
hatten die deutschen Verbände lediglich die Unterbrechung der Bahnlinie zwischen Moskau und
Leningrad erwirken können. Durch diesen länger andauernden Krieg waren die Truppen erschöpft,
und der Weg zur Belagerung schien näher zu rücken. Ein weiterer Punkt war, dass Truppen von
Leningrad abgezogen wurden. Das motorisierte XXXI. Armeekorps von General Reinhardt näherte
sich dem südlichen Stadtrand und erhielt dann den Befehl, nach Moskau abzudrehen.
Ein weiterer begünstigender Faktor zur unheilvollen Entscheidung war die logistische Tatsache,
dass die Wehrmacht die gesamte Bevölkerung Leningrads nicht ernähren konnte und die deutsche
Führung dies auch gar nicht wollte, worauf der Bundestagspräsident in dem angeführten Zitat auch
hingewiesen hat. Nach dem internationalen Kriegsrecht war es vorgesehen, dass die Okkupations173
Nachfolgende Ausführungen basieren auf Grenzmüller, Jörg: Das belagerte Leningrad 1941 – 1944. Die
Stadt in den Strategien von Angreifern und Verteidigern. 2., durchgesehene Auflage. Paderborn 2007,
S. 13 – 82.
174
Pohl, Dieter: Die Herrschaft der Wehrmacht. Deutsche Militärbesatzung und einheimische Bevölkerung in
der Sowjetunion 1941 – 1944, S. 64.
54
macht für die Verpflegung und die medizinische Versorgung der Bevölkerung verantwortlich ist.
Dies war aber schlicht nicht gewollt. Täglich wären bis zu 500 Tonnen Mehl nötig gewesen. Im
Krieg gab es in vielen Fällen für das Volk Versorgungsfahrten über das Land, welche die
Bevölkerung mit Nahrung versorgt haben. In Leningrad hingegen wurde eine solche Form der
Selbsthilfe unterbunden, denn man wollte die Stadt vollkommen aushungern lassen.
Nun wird die Fragestellung beleuchtet, warum Leningrads Belagerung als eine Vernichtungsstrategie dargestellt werden kann. Zuerst wird auf die Rolle der finnischen Armee eingegangen und
thematisiert, inwiefern sie Leningrads Schicksal mitbestimmte. Der Plan der Deutschen lautete,
dass die Finnen von Norden kommend das östliche Ufer des Ladogasees besetzen und sich
südlich des Sees mit den deutschen Truppen vereinigen sollten. Diese Zusammenarbeit lässt sich
durch die Karte auf Seite 15 räumlich nachvollziehen. Wichtig für das weitere Verständnis ist zum
einen die Lage Leningrads in Verbindung mit dem Ladogasee und zum anderen die Grenze zu
Finnland. So sollte die Verkehrsroute des Sees abgeschnitten werden, worauf im Folgenden näher
eingegangen wird. Doch hielten die Finnen kurz hinter der finnisch-sowjetischen Grenze von 1939
ihre Truppen an. Sie rechtfertigten es gegenüber Deutschland damit, dass die Truppen vom
Winterkrieg und den bisherigen Operationen ausgezehrt waren und sich aufgrund der hohen Verluste im eigenen Land zudem Kriegsmüdigkeit verbreitete. Bei genauem Betrachten erhärtet sich
jedoch die Vermutung, dass die Finnen die Beziehungen zu den Westalliierten, USA und
Großbritannien, nicht weiter belasten wollten. Diese drohten nämlich Finnland bei weiterem
Vorrücken mit sofortigen Sanktionen und weiteren Konsequenzen nach dem Krieg.
Nun wird auf die strategische Bedeutung des Ladogasees im Blockadezeitraum von 1941 bis
1944 eingegangen. Der Ladogasee war als ein Teil des Belagerungsrings eingeplant. Die Versorgung Leningrads über den Ladogasee sollte zusammenbrechen und infolgedessen die Lebensmittelrationen der Bevölkerung immer weiter gesenkt werden. Doch ohne die weitere Zusammenarbeit von Deutschland und Finnland war eine vollkommene Blockade nicht möglich. Deswegen
blieb eine marginale Verbindungslinie für Nahrung und Waffen über den Ladogasee bestehen.
Dennoch ist zu beachten, dass der Umfang der Lieferungen über den See nicht ausreichte, um die
etwa drei Millionen Leningrader ausreichend zu versorgen í XQG GHU /DGRJDVHH HEHQ QXU GLH
einzige Verbindung zum sowjetischen Hinterland darstellte. Der Versuch der Wehrmacht, alle
Verkehrsrouten abzuschneiden und die Stadt einzuschnüren, offenbart, was eigentlich mit
Leningrad geplant war. Nicht etwa eine Belagerung im klassischen Sinn, sondern die Vernichtung
der Stadtbevölkerung.
Um das zu verdeutlichen, wird zunächst die Bedeutung Leningrads im Konzept der Hungerpolitik erläutert. Die Ausgangslage war jene, dass sich die Ernährungsbilanz in Deutschland
negativ entwickelte. Zwar musste zu diesem Zeitpunkt noch niemand hungern, aber die Vorräte
wurden geringer. Es war klar, dass keine Lösung in Sicht war und dass Deutschland durch die
Seeblockade von Überseetransporten weitgehend abgeschnitten war. Hinzu kam, dass die südeuropäischen Länder, durch welche zusätzliche Lebensmittel gewonnen werden sollten, an die
55
Grenze ihrer Lieferkapazität gelangt waren. Vor Ort herrschte bereits selbst Hunger und so wurde
die Idee aus dem Reichsernährungsministerium geäußert, die fehlenden Nahrungsmittel aus dem
Gebiet der Sowjetunion zu beschaffen. In den vorherigen Planungen war nur eine Senkung des
Konsums in diesen Gebieten vorgesehen. So sollte ganz Nord- und Zentralrussland von jeglicher
Nahrungsmittelzufuhr ausgeschlossen werden. Um wesentliche einheitliche Fakten zu nennen: Es
wurde zu dieser Zeit schon zur Kenntnis genommen, dass eine Hungersnot entstehen würde,
welche 10 Millionen Menschen dazu zwingen würde, entweder nach Sibirien auszuwandern oder
zu verhungern. Zudem sollte die allgemeine Stadtbevölkerung um 30 Millionen Menschen
verringert werden, um die eingeplanten Agrarüberschüsse zu erreichen. Diese Politik wurde damit
gerechtfertigt, dass alle Versuche, die sowjetische Bevölkerung zu ernähren, auf Kosten des
deutschen Volkes gingen. Aus diesem Grund mussten Millionenstädte wie Leningrad, das als
Ballungszentrum der „überflüssigen Esser“ galt, hungern. Es war somit nicht nur die Situation des
Herbstes 1941 dafür verantwortlich, dass die Leningrader Bevölkerung hungern musste, sondern
auch die Haltung, nicht für die Ernährung der Sowjetunion verantwortlich zu sein. Dies verdeutlicht
noch einmal die Tatsache, dass die Belagerung von Leningrad im Zusammenspiel mit dieser
Hungerpolitik als Vernichtungsstrategie gesehen werden muss.
Zuletzt wird die politische Umsetzung der Belagerungsstrategie vor Leningrad anhand dreier
Untersuchungsfelder in den Blick genommen, zunächst der Artilleriebeschuss auf die belagerte
Stadt. Im Zeitraum vom 4. September 1941 bis zum 28. Februar 1942 feuerte die Wehrmacht
insgesamt 16000 Artilleriebeschüsse ab, wobei im Herbst des Jahres 1941 der Beschuss
Leningrads 680 Todesopfer und 2200 Verletzte forderte. Diese Zahlen zeigen, dass die Wehrmacht weit davon entfernt war, das geplante Ziel zu erfüllen. Am 8. Juli 1941 vermerkte Halder in
seinem Notizbuch: „Feststehender Entschluss des Führers ist es, Moskau und Leningrad dem Erdboden
gleich zu machen, um zu verhindern, dass Menschen darin bleiben, die wir dann im Winter ernähren
müssten. Die Städte sollen durch die Luftwaffe vernichtet werden, Panzer dürfen dafür nicht eingesetzt
werden.“
175
Hinzu kam, dass insgesamt 16700 Menschen bei Luftangriffen ums Leben kamen und rund
33000 verletzt wurden. Zudem wurde auf kriegswichtige Einrichtungen, wie Elektrizitätswerke und
Treibstofflager, wie auch zur Lebensmittelbeschaffung notwendige Einrichtungen geschossen, wie
zum Beispiel Getreidespeicher. Die Luftwaffe beteiligte sich an der Störung der Versorgungswege.
So wurde der Verkehr über den Ladogasee, die Eisenbahnlinien und die Straßen auf den
Versorgungsrouten bekämpft.
Das zweite Untersuchungsfeld befasst sich mit der Behandlung der Flüchtlinge. Die Flüchtlinge
aus den hungernden Städten sollten nicht im deutschen Machtbereich aufgenommen werden. Es
wurde sogar der Befehl gegeben, dass man diese Menschen erschießen sollte.
175
Grenzmüller, Jörg: Das belagerte Leningrad 1941 – 1944. Die Stadt in den Strategien von Angreifern und
Verteidigern, S. 33.
56
Das dritte Untersuchungsfeld, die Besatzungspolitik im okkupierten Land, schließt sich an das
zweite Untersuchungsfeld der Behandlung der Flüchtlinge an. Der Oberquartiermeister der Armee
weigerte sich für die Verpflegung der hungernden Zivilbevölkerung aufzukommen. Somit wurden
die Anfragen von Kommandeuren aus den Vororten Leningrads, wie mit der Leningrader Zivilbevölkerung zu verfahren sei, stets so beantwortet, dass die Versorgung mit Lebensmitteln ausgeschlossen werden sollte.
Um diesen Prozess der Belagerung zu verstehen, ist es wichtig, alle Faktoren im engen
Zusammenhang zu betrachten und die Vorgehensweise zu verstehen. Die Nationalsozialisten
standen während der Belagerung immer wieder vor verschiedenen Entscheidungen und wählten
stets die einfachste und radikalste Option, die schließlich zur Belagerung und zum Tod von
ungefähr einer Millionen Menschen geführt hat. Grundsätzlich ist zu sagen, dass Leningrads
Schicksal also durchaus ein Teil des Vernichtungskrieges war. Außerdem steht die Hungerpolitik
im klaren Zusammenhang mit der Belagerungsstrategie und die Definition eines Vernichtungskriegs wird am Beispiel Leningrads erfüllt. Es fand klar erkennbar eine geplante Dezimierung der
Bevölkerung statt. Die menschenverachtende Art und Weise lässt sich in vielen Tagebucheinträgen, beispielsweise von Goebbels, wiederfinden: „Wir sind ja gar nicht in der Lage, für Städte wie
Leningrad oder Moskau, wenn sie in unsere Hand fallen, die nötigen Lebensmittel heranzuschaffen. Es wird
dort, wenn einmal der Winter tatsächlich einbricht, ein Chaos entstehen, das vorläufig gänzlich unvorstellbar
ist“
176
, oder: „Es liegt also durchaus in unserem Sinne, wenn Leningrad noch einige Zeit Widerstand leistet.
Wir können dann diese Millionenstadt Straße um Straße und Viertel um Viertel zerstören, und besetzen wir
sie dann, so werden notwendig werdende Sprengungen die noch übrigbleibenden Mauerreste dem
Erdboden gleichmachen. Es entwickelt sich hier das schaurigste Stadtdrama, das die Geschichte jemals
gesehen hat.“
177
Schlussendlich können wir festhalten, dass die Ausführungen von Norbert Lammert in der Rede
vom 27.01.2014 durch unser Vorhaben inhaltlich unterstützt werden und sie uns eine sichere Basis
für unser weiteres Denken und Handeln bieten.
IV. Die Entgrenzung der NS-Vernichtungspolitik unter den Bedingungen des Krieges
In diesem Kapitel zur Thematik "Vernichtungskrieg í der andere Holocaust" geht es um die Entgrenzung der NS-Vernichtungspolitik unter den Bedingungen des Krieges. In diesem Zusammenhang versteht man unter „Entgrenzung“ das Überschreiten der Grenzen, welche vor Beginn des
„Unternehmens Barbarossa“ von den Nationalsozialisten für ihre Vernichtungspolitik festgelegt
wurden. Diese trat unseren Erachtens in drei Formen auf: die qualitative, die quantitative und die
geografische.
Im Folgenden wird auf diese Varianten genauer eingegangen und deren nähere Bedeutung
wird sich erschließen. Zum besseren Verständnis ist dieses Kapitel in vier Themenbereiche ge176
Grenzmüller, Jörg: Das belagerte Leningrad 1941 – 1944. Die Stadt in den Strategien von Angreifern und
Verteidigern, S. 50.
177
Ebd., S. 65.
57
gliedert: Der erste befasst sich mit der Wechselbeziehung zwischen dem Kriegsverlauf und der
Vernichtung der europäischen Juden. Danach werden unter dem Titel „Behemoth und Leviathan
im Gleichschritt?“ der „Generalplan Ost“ und die Judenvernichtung verglichen. Anschließend wird
Bezug zu der Verflechtung der Genozide und der Euthanasiepolitik genommen. Hierbei wird der
Weg zum industriellen Völkermord nachgezeichnet. Der letzte Teil soll die Frage klären, ob die
Deutschen nur im Osten einen Vernichtungskrieg geführt haben. Dies soll anhand der Beispiele
Frankreichs und Italiens herausgestellt werden.
1. Der Zusammenhang von Kriegsverlauf und Judenvernichtung
Um den Zusammenhang von Kriegsverlauf und Judenvernichtung verstehen zu können, muss
man sich mit Hitlers Strategien und Zielen auseinandersetzen. Diese umfassten neben der Eroberung von „Lebensraum im Osten“ in jeder Hinsicht auch die „Lösung der Judenfrage“.178 Das
„Unternehmen Barbarossa“ sollte die „geopolitischen wie auch rassenideologischen Voraussetzungen
zur Verwirklichung seines Weltherrschaftskonzepts schaffen. […] Nach einem Sieg gegen die Sowjetunion
im Herbst 1941 sollte England zum Frieden gezwungen und damit der Krieg in Europa beendet werden.
Danach sollte mit der »Endlösung der Judenfrage« das rassenideologische Ziel von Hitlers Weltherrschaftskonzept angegangen werden. Die Juden Europas sollten nach dem »Niederwerfen« Russlands nach
jenseits des Urals deportiert werden, um sie dort í lKQOLFK GHQ $UPHQLHUQ LQ GHU :VWH í YHUKXQJHUQ ]X
lassen.“
179
Noch nach dem Beginn des Vernichtungskrieges gegen die Sowjetunion insistierte
Hitler, den Termin für die Deportation der Juden im deutschen Einflussbereich in die Zeit nach dem
Kriegsende zu legen. Da das „Unternehmen Barbarossa“ als Blitzkrieg konzipiert war, hätte dieser
Termin demnach im Herbst 1941 oder im Winter 1941/42 gelegen.180 In diesem Teilabschnitt sollen
nun die Gründe näher beleuchtet werden, die Hitler bewogen, von seiner oben skizzierten
Strategie abzuweichen, die globale Judenvernichtung also noch während des Krieges anzugehen.
Dabei wird besonders der Zeitraum vom Frühjahr 1941 bis zum März 1942 betrachtet. Während
dieser Zeit kam es nämlich zu mehreren Entgrenzungen, also Erweiterungen, der NS-Vernichtungspolitik.
Um das Ziel, die Weltherrschaft, erreichen zu können, brauchte NS-Deutschland Verbündete,
der Wichtigste sollte nach Hitlers Vorstellungen England sein, denn gemeinsam mit dessen
Seeflotte wäre ein Sieg gegen die USA möglich gewesen. Doch der britische Premierminister
Winston Churchill wollte nicht mit Deutschland zusammen gegen die Vereinigten Staaten
vorgehen, daher musste der Diktator einen Weg finden, wie er Churchill zur Zusammenarbeit
178
Rentrop, Petra: Tatorte der „Endlösung“. Das Ghetto Minsk und die Vernichtungsstätte von Maly
Trostinez, S. 39.
179
Jersak, Tobias: Die Interaktion von Kriegsverlauf und Judenvernichtung. Ein Blick auf Hitlers Strategie im
Spätsommer 1941, S. 335 ff.
180
Rentrop, Petra: Tatorte der „Endlösung“. Das Ghetto Minsk und die Vernichtungsstätte von Maly
Trostinez, S. 50.
58
zwingen konnte. Daher drängte der deutsche Diktator auf einen Angriff auf die UdSSR.181 Denn
wenn die SU besiegt werden würde, hätte England aus deutscher Sicht keine andere Option, als
zu kapitulieren, und dann hätte ein Krieg gegen die USA stattfinden können. Ein wichtiger
Bestandteil dieser Strategie war der Einzug in die Sowjetunion, denn dieser sollte als Blitzkrieg
erfolgen. Das bedeutet, dass dieser Vorgang nicht länger als vier Monate in Anspruch nehmen
durfte, denn ansonsten hätten die USA die Möglichkeit gehabt, sich in diesen Krieg einzumischen,
und damit würden sie Hitlers Weltherrschaftsbestrebungen stören und ihn an seinem Vorgehen
hindern. 182 Besonders aus der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg stammte Hitlers Hass auf die
Juden, denn seiner Meinung nach, waren diese Schuld am Scheitern des Deutschen Reiches.
Daraus resultierte das zweite direkte Ziel des „Unternehmens Barbarossa“, nämlich die
Vernichtung der sowjetischen Juden (siehe III.2), um diese mögliche Gefahr im Falle eines Zweiten
Weltkrieges zu beseitigen. Außerdem bot ein Krieg auch die Möglichkeit, andere unerwünschte
Bevölkerungsgruppen zu liquidieren183 (IV.3). Im Frühjahr 1941 kam es zu dem Entschluss, alle
sowjetischen Juden zu vernichten, doch schon nach dem Angriff auf die Sowjetunion am 22. Juni
1941 wurde eine neue Entscheidung gefällt, nun galt es, alle europäischen Juden zu liquidieren.
Diese Erweiterung, die nun viel mehr Juden umfasste, ist zum Beispiel eine Entgrenzung der NSVernichtungspolitik. Doch zu diesem Zeitpunkt war noch nicht klar, wann und wie dies durchgeführt
werden sollte.184 Hitler verlor dadurch jedoch nicht sein Hauptziel aus den Augen, er rechnete so
stark mit einem Sieg gegen die SU, dass er schon an den Krieg gegen England und Amerika
dachte. Am 14. Juli 1941 befahl Hitler einen Prioritätenwechsel im Rüstungsprogramm, von nun an
sollte mehr in die Luftwaffen- und Marinerüstung investiert werden. Er verkündete sogar schon den
Sieg gegen die SU, obwohl der Krieg im Osten noch nicht abgeschlossen war, und stellte
daraufhin Amerika als Hauptgegner hin, weil er ebenfalls fest mit der Kapitulation Englands
rechnete.
Doch nur wenige Tage später sollten alle seine strategischen Überlegungen und Pläne zunichte
gemacht werden: Denn am 14. August 1941 trafen sich der britische Premierminister Churchill und
der US-amerikanische Präsident Roosevelt und formulierten gemeinsame Grundsätze ihrer internationalen Politik, außerdem kamen sie zu dem Entschluss, dass Hitler diesen Krieg niemals gewinnen dürfe. Dieses Treffen nennt man Atlantik-Charta und es ließ mit einem Schlag Hitlers Weltherrschaftsstrategie, deren zeitlichen Rahmen und die erzwungene Zusammenarbeit mit England
zusammenbrechen.185 Durch diesen Sachverhalt verlor der Ostkrieg seinen ursprünglichen Zweck.
181
siehe Anm. 141.
Jersak, Tobias: Die Interaktion von Kriegsverlauf und Judenvernichtung. Ein Blick auf Hitlers Strategie im
Spätsommer 1941, S. 321.
183
Grüttner, Michael: Das Dritte Reich. 1933 – 1939. In: Benz, Wolfgang (Hrsg.): 20. Jahrhundert (1918 –
2000). Gebhardt. Handbuch der deutschen Geschichte. 10., völlig neu bearbeitete Auflage. Band 19.
Stuttgart 2014, S. 197 – 200.
184
Longerich, Peter (Hrsg.): Die Ermordung der europäischen Juden. Eine umfassende Dokumentation des
Holocaust 1941 – 1945. München 1989, S. 67.
185
Jersak, Tobias: Die Interaktion von Kriegsverlauf und Judenvernichtung. Ein Blick auf Hitlers Strategie im
Spätsommer 1941, S. 334 ff.
182
59
Dazu kam noch, dass England und die USA der Sowjetunion militärische Unterstützung versprachen, und damit nahm Hitlers größte Angst Gestalt an, nämlich eine Einkreisung von den
USA, England und der Sowjetunion. Aufgrund dieser Tatsache konnte Hitler die Weltherrschaft
nicht mehr erreichen und widmete sich nun verstärkt seinem zweiten Ziel: der Judenvernichtung.
Im September machte Hitler sein Rüstungsprogramm vom Juli wieder rückgängig und der Schwerpunkt lag wieder bei der Luftabwehr und dem Heer. Im Hinterkopf hatte Hitler jedoch die Idee, ein
deutsches Europa zu erschaffen, er hat somit seine Weltherrschaftsstrategie nur auf Europa abgewandelt, im Vordergrund stand trotzdem noch die Judenvernichtung und im Oktober 1941 begann
dann auch die systematische Ermordung der Juden im gesamten Herrschaftsgebiet. Die Juden
wurden von nun an gezielt erschossen. Schon zwei Monate später, im Dezember 1941, vollführten
die Deutschen erste Gasmorde, wodurch eine weitere Entgrenzung der NS-Vernichtungspolitik
zustande kam und der Massenmord industrialisiert wurde. Nun war es möglich, in kürzerer Zeit
und mit weniger Aufwand noch mehr Juden zu töten. Für den 9. Dezember 1941 wurde die
Wannseekonferenz angesetzt, auf welcher besprochen werden sollte, wie, wohin und wann die
Juden aus dem deutschen Einflussgebiet in den Osten deportiert werden sollten. Doch diese
wurde dann auf den 20. Januar 1942 verschoben, da Hitler wieder Hoffnung hatte, dass sein ursprünglicher Plan, die Weltherrschaft zu erlangen, doch noch aufgehen würde. Denn Japan führte
durch den Angriff auf Pearl Harbor am 7. Dezember 1941 nun Krieg gegen die USA und lenkte
somit von Europa ab, wodurch í so Hitlers Annahme í die Vereinigten Staaten nicht mit voller
Kraft gegen Deutschland vorgehen konnten. Daher hatte die Kriegführung kurzzeitig wieder
Vorrang vor der Judenvernichtung.186 Hitler erklärte daraufhin am 11. Dezember den USA den
Krieg. Dazu kam jedoch, dass der deutsche Vormarsch Anfang Dezember in der SU nicht mehr
weiterkam und die Rote Armee vor Moskau die Initiative ergriffen hatte. Die Judenvernichtung war
teilweise auch schon weit vorangeschritten: „Einen Tag vor der ursprünglich geplanten WannseeKonferenz [hatte] das erste Vernichtungslager in Chelmno seine »Arbeit« aufgenommen: Der
Massenmord war industrialisiert worden.“187 Schließlich fand am 20. Januar 1942 die Wannseekonferenz statt, auf der die Organisation der „Endlösung“ besprochen wurde.
Peter Longerich fasst den Entscheidungsprozess zur Vernichtung der europäischen Juden
zusammen: „Die Entscheidung zur Ermordung der europäischen Juden [lässt sich] als ein stufenförmiger
Prozess darstellen, der im Frühjahr 1941 mit dem Entschluss
188
zur Liquidierung der sowjetischen Juden
begann und im Frühjahr 1942 mit der endgültigen […] Vernichtung mittels Gas abgeschlossen wurde.“189
Somit ist rückblickend zusammenzufassen, dass der Kriegsverlauf einer der Gründe für die
186
Jersak, Tobias: Die Interaktion von Kriegsverlauf und Judenvernichtung. Ein Blick auf Hitlers Strategie im
Spätsommer 1941, S. 371.
187
Ebd., S. 372.
188
Christian Gerlach hat überzeugend dargestellt, dass am 18. Dezember 1941 Hitler in einer Unterredung
Himmler seinen Entschluss mitgeteilt hat, alle Juden im deutschen Einflussbereich „auszurotten“. Vgl.
Gerlach, Christian: Krieg, Ernährung, Völkermord. Zürich 2001, S. 108 f.
189
Longerich, Peter (Hrsg.): Die Ermordung der europäischen Juden. Eine umfassende Dokumentation des
Holocaust 1941 – 1945, S. 70.
60
Vernichtung der europäischen Juden war. Damit ist auch die Entgrenzung der NS-Vernichtungspolitik unter den Bedingungen des Krieges belegt. Eine Erweiterung war zum Beispiel die Entwicklung von der manuellen über die systematische zur industriellen Vernichtung. Diese kam
zustande, da Hitler seine Weltherrschaftsstrategie aufgeben musste, was wiederum durch die
Atlantik-Charta und das Scheitern des Blitzkriegs im Osten bedingt wurde. Durch die Gasmorde
konnten noch mehr Juden in einem kürzeren Zeitraum ermordet werden. Eine weitere Entgrenzung stellte die Änderung der Zielgruppe dar. Zunächst war es Hitlers Ziel, die sowjetischen
Juden zu vernichten, doch schon bald bezog er alle europäischen Juden mit ein, was ebenfalls auf
dem Scheitern der Weltherrschaftsstrategie beruht. Somit lässt sich sagen, dass diese Entgrenzungen sowohl qualitative als auch quantitative Erweiterungen der NS-Vernichtungspolitik
waren.
2. Behemoth und Leviathan im Gleichschritt?
Während es im Vorangegangenen primär um die Judenvernichtung während des Krieges ging, soll
es im Folgenden um einen meist zu Unrecht im Dunkeln belassenen Aspekt der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik gehen: den „Generalplan Ost“ (GPO), insbesondere in Hinblick
auf dessen Zusammenhänge mit der Judenvernichtung. Marschierten Behemoth und Leviathan im
Gleichschritt?
An dieser Stelle sind einige Begriffserklärungen angebracht: Bei Behemoth und Leviathan
handelt es sich um zwei biblische Sagenwesen, die der jüdischen Eschatologie entsprangen.
Beide sind mächtige Ungeheuer des Chaos, die jeweils unterschiedliche Herrschaftsgebiete verwalten und beherrschen: Behemoth regiert demnach die Landmassen und -tiere, Leviathan die
Meere und seine Lebewesen. Laut apokalyptischen Schriften würden beide kurz vor dem Ende der
Welt auf die Erde kommen und eine Schreckensherrschaft errichten. Bekannt wurden beide vor
allem durch den englischen Staatstheoretiker Thomas Hobbes, der unter den Überschriften
„Leviathan“ und „Behemoth oder das lange Parlament“ zwei Kategorien von "Staatskrisen" beschreibt. In seinen Werken wird Leviathan zum Synonym für einen Staat, in dem viele, bis auf
einige wenige Gesetze und Persönlichkeitsrechte außer Kraft gesetzt wurden, Behemoth hingegen
zum Synonym für einen so genannten „Unstaat“, in dem die Gesetzlosigkeit herrscht.190
Der „Generalplan Ost“ wiederum, auf dem im Folgenden ein besonderes Augenmerk liegen
wird, bezeichnet eine Fülle von Plänen, die ab 1941 entstanden, um vorzubereiten, was mit den im
Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion, aber auch den restlichen in Osteuropa eroberten
Flächen geschehen sollte. Wie sollten diese neuen Gebiete verwaltet und beherrscht werden?
Auf welche Weise sollten sie angegliedert werden? Und vor allem: Was sollte mit der ansässigen
Bevölkerung geschehen? Oder allgemeiner gesagt: Ziel des Vernichtungskrieges gegen die
Sowjetunion war das Erschließen neuen Lebensraumes und das Schaffen von Vernichtungs190
Neumann, Franz: Behemoth. Struktur und Praxis des Nationalsozialismus 1933 – 1944. Frankfurt am
Main 1977, S. 16.
61
räumen, doch wie sollte beides im Detail ablaufen? Um diese und ähnliche Fragen zu klären, beschäftigten sich gleich mehrere Institutionen mit der Erarbeitung von Beherrschungskonzepten,
die, wie bereits erwähnt, unter dem Begriff des „Generalplan Ost“ zusammengefasst wurden.
Beteiligt waren unter anderem das „Reichssicherheitshauptamt“, das „Reichskommissariat zur
Festigung des Deutschtums“ und auch das „Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete“.191
Die Planungen verliefen eher schleppend, da in vielen Fällen nicht unbedingt miteinander, sondern
vielmehr in Konkurrenz zueinander gearbeitet wurde í so kam es dazu, dass die daraus resultierenden Ansätze in vielen Dingen im Widerspruch zueinander standen. Erst 1942/43 kam es auf
Geheiß Himmlers dazu, dass die bestehenden Pläne zusammengefasst und der „Generalplan Ost“
als Ganzes zum so genannten „Generalsiedlungsplan“ (GSP) umgearbeitet wurde. Während
dieses Prozesses kam es zu einigen Änderungen í es wurden andere Gebiete mit einbezogen
und der Plan als Ganzes erweitert. Auch wurde im „Generalsiedlungsplan“ die Problematik stärker
als zuvor beachtet, dass es nach dem verlustreicher als vorgesehen verlaufenen Krieg möglicherweise viel weniger Siedlerkapazitäten geben würde, als für die vorherigen Pläne nötig gewesen
wäre. Das Resultat der Umstrukturierungen und Umarbeitungen war ein nie vollendeter, jedoch
erstmals mit Gültigkeitsanspruch versehener Plan zur Nachkriegsordnung. Unvollendet deshalb,
da ab der deutschen Niederlage bei Stalingrad 1943 der Führerbefehl galt, alle Nachkriegsprojekte
auf unbestimmte Zeit zu verschieben.
Die für die Beherrschung der zur Kolonialisierung vorgesehenen Flächen waren, vereinfacht
dargestellt: die Gebiete westlich einer imaginären Trennlinie zwischen Krim und dem Ladogasee,
die in etwa dem 1,5-fachen der Reichsfläche von 1938 entsprachen (siehe nachfolgende Grafik).
Im „Generalplan Ost“ wurden einige Konzepte aufgeführt, die für die Nachkriegszeit vorgesehen
wurden: Unter anderem sah man ein Netz verschiedenartiger Siedlungspunkte vor, an denen sich
„Deutschstämmige“ ansiedeln sollten (geplant war die Ansiedlung von 10 Millionen Deutschen
innerhalb der ersten 30 Nachkriegsjahre).
191
Steffens, Gerd; Lange, Thomas: Der Nationalsozialismus. Band 2: Volksgemeinschaft, Holocaust und
Vernichtungskrieg 1939 – 1945, S. 299.
62
(Q.: en.wikipedia.org/wiki/Generalplan_Ost#mediaviewer/File:Generalplan_Ost_map.tiff)
Mit der Hilfe von „unterworfenen Verbündeten“, wie u.a. den Franzosen, wollte man die in dem
Gebiet verbleibenden Slawen kontrollieren, die für Bauarbeiten, wie beispielsweise diverser Infrastrukturmaßnahmen, eingeplant wurden. Man lehnte dieses Konzept an das Regierungssystem
der Spartaner an. Die Gebiete östlich der oben benannten Trennlinie sollten lediglich sporadisch
besiedelt werden í in weit geringerem Maße als die so genannten „Kolonien“ „Ostland“ und
Ukraine. Von letzteren träumte Hitler, sie würden für Deutschland, was für das Vereinigte
Königreich Indien war.
Als eben von den in den kolonialisierten Gebieten „verbleibenden“ Slawen die Rede war, wurde
bereits angedeutet, dass nicht für alle vor dem Krieg dort lebenden Menschen in diesem Beherrschungskonzept Platz war: In den betroffenen Regionen lebten vor dem Krieg geschätzte
60 bis 65 Millionen Menschen192, 45 bis 51 Millionen davon sollten ohne größere Verpflegung nach
Westsibirien ausgesiedelt werden. Wie man es beispielsweise mit Blick auf die Juden im
deutschen Einflussbereich im Madagaskar-Plan vorsah, wäre eine solche Aussiedlung mit Vernichtung gleichzusetzen. Man rechnete fest damit, dass die ausgesiedelten Menschen verhungern,
erfrieren, an Krankheiten oder im Kampf um die letzten Ressourcen sterben würden. Es hätte
demnach ein kontrolliertes Massensterben gegeben, wie es die Weltgeschichte kein zweites Mal
192
Madajczyk, Czeslaw: Besteht ein Synchronismus zwischen dem „Generalplan Ost“ und der Endlösung
der Judenfrage? In: Michalka, Wolfgang (Hrsg.): Der Zweite Weltkrieg. Analysen. Grundzüge.
Forschungsbilanz. Weyarn 1997, S. 845.
63
kennt. Doch im Gegensatz zum Madagaskar-Plan ging es hierbei nicht „nur“ um Juden, diese
wurden im „Generalplan Ost“ kaum behandelt, vielmehr zählten zu den geplanten Opfern 80 í 85
Prozent der Polen, 75 Prozent der Weißrussen 193 , ja, im Grunde eine Mehrheit der gesamten
slawischen Bevölkerung, die nach dem Krieg der Vernichtung zum Opfer fallen sollte. Für die
„Endlösung der Judenfrage“ war der „Generalplan Ost“ nicht zuständig, damit befasste sich u.a.
die Wannseekonferenz von 1942.
Doch wie verhält es sich nun mit dem Zusammenhang von GPO und Judenvernichtung?
Marschierte Behemoth, stellvertretend für den GPO mit dem Leviathan, der Judenvernichtung, im
Gleichschritt? Nein: Leviathan war schneller, er verschlang noch in den Kriegsjahren seine Untertanen. Die Judenvernichtung war am Kriegsende nahezu abgeschlossen. Zu Recht wird diesem
Verbrechen besonders viel Aufmerksamkeit geschenkt: Es gibt Augenzeugen und Vernichtungsstätten, die zumindest einen kleinen Einblick in die vorgenommene Brutalität gewähren, doch übersieht man dabei viel zu schnell, welch noch gewaltigere Kreatur dem Leviathan auf dem Fuß
folgen sollte: Ein Monster, dessen Herrschaft ein vielfaches an Opfern gefordert hätte und das
Wissen der Menschen, zu welch Grausamkeiten dieser fähig ist, noch umfassender erweitert hätte.
Der GPO, bzw. GSP, sollte erst nach Kriegsende, genauer in den ersten drei Jahrzehnten nach
Kriegsende, greifen. Dennoch sind beide, Leviathan und Behemoth, Diener desselben Herrn.
Dessen Schuld nur auf den Kleineren zu beschränken, verharmlost ihn in illegitimer Weise.
Wir dürfen nicht aufhören, um die Opfer des Leviathan zu trauern und der Toten zu gedenken,
doch dürfen wir ebenfalls nicht übersehen, dass Weiteres noch geplant war í quasi bereits in der
Schublade gelegen hat und uns erspart blieb: Behemoth.
3. Die Euthanasiepolitik und die Verflechtung der Genozide
Die Verflechtung der Genozide wird erst verständlich, wenn man sich die Euthanasiepolitik194 als
Modell für den industriellen Völkermord vorstellt. Um dieses Verständnis zu erleichtern, ist eine
Betrachtung der nachfolgenden Grafik sehr hilfreich.
193
Madajczyk, Czeslaw: Besteht ein Synchronismus zwischen dem „Generalplan Ost“ und der Endlösung
der Judenfrage? In: Michalka, Wolfgang (Hrsg.): Der Zweite Weltkrieg. Analysen. Grundzüge.
Forschungsbilanz, S. 846.
194
Zum Euthanasiebegriff u.a. Dreßen, Willi: Euthanasie. In: Benz, Wolfgang (Hrsg.): Legenden, Lügen,
Vorurteile. Ein Wörterbuch zur Zeitgeschichte. 13. Auflage, S. 77 í
64
(© Marie Langeloh)
Das Fundament der NS-Vernichtungspolitik bildete die nationalsozialistische Weltanschauung mit
der Basisideologie, dem Rassismus, welcher an die angebliche Existenz von höherwertigen und
minderwertigen Rassen glaubt. Die nationalsozialistische Weltanschauung umschließt zudem den
eliminatorischen Antisemitismus und den Willen zur Expansion des deutschen „Lebensraums gen
Osten“ auf Kosten der Sowjetunion.
Mit der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler durch Paul von Hindenburg am 30. Januar
1933 und dem sich anschließenden „Prozess der Machtergreifung“ „brach für die Eugeniker195 eine
neue Ära an, die sie in »Goldrauschstimmung«“196 versetzte. Führende Eugeniker, wie Fritz Lenz,
warnten schon in der Weimarer Zeit vor dem bedrohlichen „Überwuchern“ der Gesellschaft durch
geistig und körperlich „Minderwertige“, welches alleine durch die „Reinigung des Volkskörpers“ von
„kranken Erbanlagen“ zu „heilen“ war197, und plädierten daher für Ehe- und Fortpflanzungsverbote
sowie für Zwangssterilisationen.
195
Zum Begriff und dem Wesen der Eugenik eingehend Moghareh-Abed, Hamid: Rassenhygiene/Eugenik.
Ideologisches Prädispositiv und Handlungsmotivation zum Genozid. In: Michalka, Wolfgang (Hrsg.): Der
Zweite Weltkrieg. Analysen. Grundzüge. Forschungsbilanz. Weyarn 1997, S. 798 ff., sowie zum Verhältnis
von „Eugenik“ und „Euthanasie“ vor und während des Nationalsozialismus in Deutschland detailliert: Vasold.
Manfred: Medizin. In: Benz, Wolfgang; Graml, Hermann; Weiß, Hermann (Hrsg.): Enzyklopädie des
Nationalsozialismus. 2. Auflage. München 1998, S. 235 í
196
Ebd., S. 804.
197
Ebd., S. 798
65
Bezeichnend für die „Rassenhygiene“ und „Erbpflege“ im Nationalsozialismus „war die Integration des Antisemitismus in die eugenische Praxis“198, wofür die Eugeniker die passende Vorarbeit leisteten: „Den höchsten Prozentsatz von Brechungsfehlern scheinen die Juden zu haben.
[Ebenso seien] in der jüdischen Bevölkerung Geisteskrankheiten doppelt bis dreimal so häufig als
in der nichtjüdischen; insbesondere gilt das für die Schizophrenien.“ 199 Der Rassismus bildete
offensichtlich die Grundlage, Juden „der eugenischen Selektionsforschung zugänglich zu machen“,
was dann im NS-Deutschland „zur Realität [wurde].“200 Das belegt auch ein Kommentar zu den
Gesetzen „zum Schutz des deutschen Blutes und der deutschen Ehre“ (15. September 1935) und
„zum Schutze der Erbgesundheit des deutschen Volkes“ (18. September 1935): „Erbgesundheit und
Rassenreinheit lassen sich nicht voneinander trennen. Während die rassenpolitischen Maßnahmen die Geschlossenheit und die Wesensechtheit der deutschen Persönlichkeit und dadurch die Harmonie des Volkskörpers gewährleisten sollen, sollen die rassenhygienischen Maßnahmen die körperliche, geistige und
seelische Gesundung und Gesundheit der lebenden und kommenden Geschlechter verbürgen. In ihrem Zu201
sammenhang sichern sie den biologischen Bestand des Volkes.“
Als der Reichsärzteführer Wagner von Hitler eine Vollmacht „zur Vernichtung lebensunwerten
Lebens begehrte“, lehnte der Diktator jedoch unter dem Hinweis ab: „[Erst im Krieg], wenn alle
Welt auf den Gang der Kampfhandlungen schaut und der Wert des Menschenlebens ohnehin
minder schwer wiegt“, sich dieser Sache anzunehmen.202 Dieser Sachverhalt belegt die Bedeutung
des Krieges für den geplanten Völkermord, somit auch die Verflechtung von Krieg und Genozid203
(siehe II.1 und III.7). Darauf verweist auch Wolfgang Petter: „Bis Kriegsbeginn 1939 waren Zuständigkeit, Ablauf und Organisation geklärt; unmittelbar nach dem Kriegsausbruch setzte sie in Form von Erschießungen westpreußischer und evakuierter pommerscher Geisteskranker durch SS/Polizei-Einheiten ein,
ab Januar 1940 folgte die Massentötung mit Giftgas.“
204
Viktor Brack, der Euthanasieverantwortliche in der „Kanzlei des Führers“, warb bei Himmler in
einem Schreiben vom 23. Juli 1942 um die Integration von Methoden des Euthanasieprogramms.
Anlass dieses Schreibens war die angelaufene und durch die Wannseekonferenz am 20. Januar
1942 in ihrem Ablauf abgestimmte Vernichtung aller Juden im deutschen Einflussbereich. Brack
hielt „von den etwa 10 Millionen europäischen Juden […] zwei bis drei Millionen“ für arbeitstauglich í QXU
dürften diese sich unter keinen Umständen vermehren: „Eine Sterilisierung, wie sie normalerweise durchgeführt wird, kommt in diesem Fall nicht in Frage, da sie zu kostspielig ist. Eine Röntgenkastration (!) jedoch ist
nicht nur billig, sondern lässt sich bei vielen Tausenden in kürzester Zeit durchführen. Sollten Sie, Reichs-
198
Moghareh-Abed, Hamid: Rassenhygiene/Eugenik. Ideologisches Prädispositiv und Handlungsmotivation
zum Genozid. In: Michalka, Wolfgang (Hrsg.): Der Zweite Weltkrieg. Analysen. Grundzüge.
Forschungsbilanz, S. 806.
199
Ebd., S. 804.
200
Ebd., S. 804.
201
Ebd., S. 806.
202
Ebd., S. 799.
203
Hamid Moghareh-Abed betont jedoch, dass die organisierten NS-Euthanasie-Tötungen von Kindern
bereits seit dem Frühjahr 1939 durchgeführt wurden. Vgl. ebd., S. 807.
204
Petter, Wolfgang:Zur nationalsozialistischen „Euthanasie“: Ansatz und Entgrenzung. In: Michalka,
Wolfgang (Hrsg.): Der Zweite Weltkrieg. Analysen. Grundzüge. Forschungsbilanz. Weyarn 1997, S. 815.
66
führer, sich im Interesse der Erhaltung von Arbeitsmaterial dazu entschließen, diesen Weg zu wählen, so ist
Reichsleiter Bouhler bereit, die für die Durchführung notwendigen Ärzte und sonstiges Personal Ihnen zur
Verfügung zu stellen.“
205
Das T4-Personal trug dann wirklich maßgeblich den Vernichtungsprozess
der „Aktion Reinhardt“, indem es in den Vernichtungslagern das Stammpersonal stellte, und so
sein Wissen und seine Erfahrungen in den Mordprozess einbringen konnte. Unter dieser Aktion
wurden in Polen sechs Mordzentren nach Euthanasievorbild errichtet. Die Standorte waren
Chelmno (1941-1942,1944), Belzec (1942), Sobibor (1942-1943), Treblinka (1942-1943),
Majdanek (1942-1944) und Auschwitz-Birkenau (1942-1944). In diesen Mordzentren wurden mit
Hilfe von Kohlenmonoxyd und zum Teil auch durch Zyklon B insgesamt mindestens 3062000
Menschen ermordet. Aber nicht nur Juden waren die Opfer, denn hier kommt es zur Verflechtung
der Genozide. Es wurden auch Slawen, Sinti und Roma, Partisanen und Geisteskranke getötet. 206
Wie sehr die Euthanasie als Modell für die Mordmaschinerie diente, belegt auch der Aufbau des
von der Euthanasiezentrale in Berlin (in der Tiergartenstraße 4) zur Vernichtungsstätte umfunktionierten Schlosses Grafeneck im Kreis Münsingen í „der Vorbildcharakter zukam: Neben
einem »Untersuchungsraum« hatte man eine als Duschraum getarnte Gaskammer […] errichtet.
Des Weiteren existierte ein Krematorium zur Verbrennung der Opfer.“207
Ein Brief des „Euthanasie-Gutachters“ Mennecke vom 2. Dezember 1941 belegt eindrucksvoll
die Verflechtung der Genozide im Konzentrationslager Buchenwald. Nachdem Hitler am
24. August 1941 die T4-Aktion abgebrochen hatte, ermordeten Ärzte und Pfleger unter dem Decknamen „Aktion 14f13“ in Konzentrationslagern aufgrund von Überstellungen von dem SS- und
Polizeiapparat oder von Sondereinheiten der Wehrmacht weiterhin Menschen.208 Menneckes Aufgabenbereich umfasste u.a. die Selektion von arbeitsunfähigen und unerwünschten KZ-Häftlingen,
die anschließend zum Ort der Vergasung und weiteren „Behandlung“ verbracht wurden. In dem
besagten Brief führte Mennecke aus: „Nach der Untersuchung einer 1. Portion Arier […] folgten als
2. Portion nun insgesamt 1200 Juden, die sämtlich nicht erst »untersucht« werden, sondern bei denen es
genügt, die Verhaftungsgründe (oft sehr umfangreich!) aus der Akte zu entnehmen u. auf die Bögen zu übertragen.“
209
Machten die Euthanasie-Verantwortlichen sich bei den „minderwertigen Ariern“
wenigstens noch die Arbeit, indem sie ihnen „ein individuelles Todesurteil“ zugestanden, „schien
diese Mühe bei Juden überflüssig“. 210 Dieser Sachverhalt verdeutlicht, dass die Juden neben
205
Moghareh-Abed, Hamid: Rassenhygiene/Eugenik. Ideologisches Prädispositiv und Handlungsmotivation
zum Genozid. In: Michalka, Wolfgang (Hrsg.): Der Zweite Weltkrieg. Analysen. Grundzüge.
Forschungsbilanz, S. 803.
206
Friedlander, Henry: Der Weg zum NS-Genozid. Von der Euthanasie zur Endlösung. Berlin 1997, S. 453458.
207
Ebd., S. 807.
208
Petter, Wolfgang:Zur nationalsozialistischen „Euthanasie“: Ansatz und Entgrenzung. In: Michalka,
Wolfgang (Hrsg.): Der Zweite Weltkrieg. Analysen. Grundzüge. Forschungsbilanz, S. 817, sowie zu diesem
Sachverhalt eingehender Dreßen, Willi: Euthanasie. In: Benz, Wolfgang (Hrsg.): Legenden, Lügen,
Vorurteile. Ein Wörterbuch zur Zeitgeschichte. 13. Auflage, S. 77 í
209
Moghareh-Abed, Hamid: Rassenhygiene/Eugenik. Ideologisches Prädispositiv und Handlungsmotivation
zum Genozid. In: Michalka, Wolfgang (Hrsg.): Der Zweite Weltkrieg. Analysen. Grundzüge.
Forschungsbilanz, S. 800.
210
Ebd., S. 800.
67
anderen Opfergruppen in die Euthanasie-Mordaktionen einbezogen wurden.211 1942 verfügte das
SS-Wirtschafts- und Verwaltungshauptamt, wirklich nur die absolut „arbeitsunfähigen“ Häftlinge
auszusondern, um die „leichtfertig eifrigen Selektionsärzte“ etwas zu bremsen 212 , 1943 erließ
Himmler den Befehl, wirklich „nur noch eindeutig Geisteskranke »auszumustern«“, denn bis dahin
genügten
Befunde,
wie
zum
Beispiel
„wehrunfähig“,
„Rassenschänder“,
„eingefleischter
Kommunist“ oder auch „Zuchthausstrafe wegen Hochverrats“, um getötet zu werden.213
Die Verschränkung von Krieg und Euthanasie wird besonders offensichtlich beim „Leermorden“
der Anstalten (siehe II.1 und III.7). So wurden zum Beispiel im Mai und Juni 1940 1558 ostpreußische Kranke vom SS-Sonderkommando, das eigentlich mit der Ermordung der polnischen
Intelligenz beauftragt worden war, gleich mitgetötet.214
Wolfgang Petter hebt weiterhin hervor, dass sich die Euthanasie ebenso gegen „geisteskranke“
Wehrmachtsangehörige richtete.215 In einem anderen Fall wurde das Bronchialasthma, an dem ein
zum Tode verurteilter Wehrmachtssoldat litt, als „Strafschärfungsgrund“ herangezogen. Der Oberbefehlshaber der Kriegsmarine, Karl Dönitz, führte zu einem kriegsgerichtlichen Todesurteil das
aus: „Das Todesurteil wird ohne Gnade zu vollstrecken sein. Das Bronchialasthma, unter dem der
Verurteilte leidet, bietet keinen Grund zu Begnadigung […] Die psychosomatische Veranlagung bietet keinen
Milderungs-, sondern nur einen Strafschärfungsgrund […] Im Übrigen würde der Verurteilte bei einer Begnadigung nur fortlaufend weiter der Volksgemeinschaft als Schädling zur Last fallen. Die Ausmerzung
dieses Übeltäters ist zur Verhütung einer schädlichen Gegenauslese dringend geboten.“
216
Wie ist nun der Zusammenhang von NS-Euthanasie, Verflechtung der Genozide und Entgrenzung der NS-Vernichtungspolitik zu bewerten? Als die Deutschen am Morgen des 22. Juni
1941 die Grenze zur Sowjetunion überschritten, begannen Verbände aus dem SS- und Polizeiapparat unter indirekter und teilweise direkter Beteiligung der Wehrmacht mit der systematischen
Vernichtung vor allem der Juden, Roma und Behinderten. Der weitere Kriegsverlauf und die internationale Lage führten schließlich zu Hitlers Entscheidung, auch alle Juden im deutschen Einflussbereich in den umfangreichen Mordprozess einzubeziehen. Weil die T4-Mordaktion als Modell für
die „Endlösung“ diente, zwingt diese Verkettung zu dem Schluss, dass „die Ermordung der Behinderten […] der Ermordung der Juden und Zigeuner“ voranschritt.217 Henry Friedlander pointiert:
„Es gibt keinen Grund zu der Annahme, dass der Entscheidungsprozess, der zur »Endlösung« führte, sich
grundsätzlich von demjenigen unterschied, der den Euthanasiemorden vorausging. Insofern veranschaulicht
der Entscheidungsprozess die Verbindung zwischen beiden Mordprogrammen.“
211
218
Für die T4-Aktion er-
Vgl. auch Friedlander, Henry: Der Weg zum NS-Genozid. Von der Euthanasie zur Endlösung, S. 452.
Petter, Wolfgang: Zur nationalsozialistischen „Euthanasie“: Ansatz und Entgrenzung. In: Michalka,
Wolfgang (Hrsg.): Der Zweite Weltkrieg. Analysen. Grundzüge. Forschungsbilanz, S. 817.
213
Ebd., S. 817.
214
Petter, Wolfgang: Zur nationalsozialistischen „Euthanasie“: Ansatz und Entgrenzung. In: Michalka,
Wolfgang (Hrsg.): Der Zweite Weltkrieg. Analysen. Grundzüge. Forschungsbilanz, S. 818.
215
Dazu eingehend und differenziert ebd., S. 819 ff.
216
Ebd., S. 823 f.
217
Vgl. Friedlander, Henry: Der Weg zum NS-Genozid. Von der Euthanasie zur Endlösung, S. 450.
218
Ebd.
212
68
teilte Hitler den Befehl zunächst mündlich. Weil die Mitarbeiter der „Kanzlei des Führers“ jedoch in
dieser Angelegenheit eine schriftliche Ermächtigung einforderten, unterzeichnete Hitler im Oktober
1939 eine solche Direktive í die er aber auf den 1. September 1939 zurückdatierte. Dies unterstreicht den bereits oben hervorgehobenen Sachverhalt, dass Hitler der festen Überzeugung war,
„der Krieg werde eine radikale Ausgrenzung durch Mordaktionen ermöglichen“.219 Auch der Entschluss zur Verwirklichung der „Endlösung“ erfolgte mündlich.220 Die Frage, warum es in dieser
Entscheidung í LP *HJHQVDW] ]XU 7-Aktion í MHGRFK NHLQHQ VFKULIWOLFKHQ %HIHKO JDE LVW PLW
Bestimmtheit kaum zu beantworten. Henry Friedlander führt diesen Sachverhalt u.a. darauf zurück,
dass Hitler und die Ausführenden „aus der [negativen] öffentlichen Reaktion auf die Euthanasie gelernt“ hatten.221 Als Beleg für diese These kann die Tatsache herangezogen werden, dass alle
deutschen Vernichtungslager auf polnischem Boden errichtet wurden.
Dass derartige Details hinsichtlich der Sinti und Roma in diesem Ausmaß nicht vorhanden sind,
liegt daran, dass „Einzelheiten über die Entscheidung zum Mord [als] so unbedeutend gehalten
[wurden], dass ihre Ermordung keine Rivalitäten zwischen verschiedenen Behörden hervorrufen
konnte und insofern keine schriftliche Autorisierung verlangte.“222
Die Mordaktionen richteten sich zunächst gegen die sowjetischen Juden und Roma, mit der
Einrichtung der Vernichtungsstätte Chelmno im November 1941 wurde der Massenmord auch auf
polnische Juden und Sinti und Roma ausgeweitet. Am 8. Dezember 1941 wurden die ersten
polnischen Juden in Chelmno getötet.223 Zwischen dem 15. Oktober und dem 2. November 1941
trafen die ersten deportierten Juden aus Berlin, Wien, Prag, Köln, Düsseldorf , Frankfurt am Main,
Hamburg und Luxemburg im Ghetto Lodz ein, wo sie an Unterernährung, Kälte und Krankheiten
starben í der Großteil wurde im Herbst 1942 in Chelmno ermordet. Der Restbestand wurde im
August 1944 nach Auschwitz deportiert.224 Im November 1941 erfolgte der Beschluss, den Judentransporten auch Waggons mit Sinti und Roma anzuschließen, am 16. Dezember 1942 gab
schließlich Himmler den Befehl, alle Sinti und Roma im deutschen Einflussbereich nach Auschwitz
zu deportieren.225
Fakt ist also, dass es den Nationalsozialisten durch die Entwicklung der Gaskammern im
Rahmen des Euthanasieprogramms möglich geworden war, eine weitaus größere Zahl an
Menschen in kürzester Zeit zu töten, als es durch Erschießungen möglich gewesen wäre. Das
heißt, dass hier eine Entgrenzung im quantitativen Sinn stattgefunden hat. Man könnte diese Ent219
Vgl. Friedlander, Henry: Der Weg zum NS-Genozid. Von der Euthanasie zur Endlösung, S. 452.
siehe Anm. 188.
221
Dazu eingehender Friedlander, Henry: Der Weg zum NS-Genozid. Von der Euthanasie zur Endlösung, S.
450 ff., sowie Dreßen, Willi: Euthanasie. In: Benz, Wolfgang (Hrsg.): Legenden, Lügen, Vorurteile. Ein
Wörterbuch zur Zeitgeschichte. 13. Auflage, S. 77 í
222
Friedlander, Henry: Der Weg zum NS-Genozid. Von der Euthanasie zur Endlösung, S. 451.
223
Wagner, Thorsten. Chelmno/Kulmhof. In: Benz, Wolfgang; Graml, Hermann; Weiß, Hermann (Hrsg.):
Enzyklopädie des Nationalsozialismus. 2. Auflage. München 1998, S. 411.
224
Zu den Deportationsphasen deutscher Juden eingehend Friedlander, Henry: Der Weg zum NS-Genozid.
Von der Euthanasie zur Endlösung, S. 455 ff.
225
Ebd., S. 459 ff.
220
69
grenzung aber auch als „qualitativ“ bezeichnen, denn dieses Tötungsverfahren unterschied sich
von herkömmlichen Methoden (z.B. Erschießungen) und es verringerte die psychische Belastung
des Tötungspersonals. Es ermöglichte den industriellen Massenmord. Eine quantitative Entgrenzung hat außerdem noch in einem anderen Sinn stattgefunden: So zogen der für Deutschland
katastrophale Kriegsverlauf, die internationale Lage sowie die durch die Euthanasie gezeigte
„Leistungsfähigkeit der Mordmaschinerie“ die Integration auch aller Juden im deutschen Einflussbereich in diesen Mordprozess nach sich.
Die wirkende Kraft, die diese Mordaktionen zusammenschmolz, war „der Glaube an die
menschliche Ungleichheit und die Entschlossenheit zur Reinigung des Erbguts des deutschen
Volkes“ 226 : der Rassismus. Henry Friedlander pointiert ganz zurecht: „Man kann jedoch keine
dieser Mordaktionen ohne Bezug auf die anderen erklären. Zusammen stellten sie den nationalsozialistischen Genozid dar.“227
4. Führten die Deutschen nur im Osten einen Vernichtungskrieg?
In dieser Arbeit ist zum Ausdruck gekommen, dass das nationalsozialistische Deutschland gegen
die Sowjetunion einen rassenideologisch begründeten Vernichtungskrieg geführt hat. Ziel dieses
Angriffskrieges war das Erobern von Vernichtungsräumen im Osten unter dem systematisch
geplanten Bruch des internationalen Kriegsrechts, die Beseitigung des sowjetischen Staates, die
wirtschaftliche Ausbeutung des Landes sowie die Vernichtung und Dezimierung der dort ansässigen Bevölkerung.
Aber führten die Deutschen nur im Osten einen Vernichtungskrieg? Eine Antwort gestaltet sich
schwierig:
Der Kriegsverlauf im Westen (Am 10. Juli 1943 glückte die alliierte Invasion in Sizilien, am
6. Juni 1944 waren die Alliierten in der Normandie gelandet) machte u.a. das Verlegen von
deutschen Truppenteilen, die zuvor in der Sowjetunion gekämpft hatten, erforderlich.
Diese Soldaten, die über Monate oder gar Jahre in einem Vernichtungskrieg gekämpft hatten,
konnten nun an der Westfront nicht einfach die brutale Kriegführung abstreifen. Somit kam es auch
im Westen zu einer „Radikalisierung des deutschen Vorgehens“.228 In Frankreich, in Oradour-surGlane richtete zum Beispiel am 10. Juni 1944 die SS-Division „Das Reich“ ein Blutbad an.
Italien war am 8. September als Verbündeter der Deutschen aus dem Zweiten Weltkrieg ausgeschieden, nachdem Mussolini am 25. Juli 1943 verhaftet worden war. Die Deutschen hatten seit
der alliierten Besetzung Siziliens mit einem Ausscheren Italiens gerechnet und Vorsorge getroffen.
Es galt, Italien und die von Italien besetzten Gebiete rasch durch deutsche Truppen zu besetzen,
was auch weitgehend gelang. Viele Einheiten der italienischen Armee stellten sich den Deutschen
nicht in den Weg, sie kämpften erst gar nicht, in der Hoffnung, der Krieg sei für sie nun beendet,
226
Friedlander, Henry: Der Weg zum NS-Genozid. Von der Euthanasie zur Endlösung, S. 466.
Ebd.
228
Echternkamp, Jörg: Die 101 wichtigsten Fragen. Der Zweite Weltkrieg. München 2010, S. 78 f.
227
70
sie könnten nach Hause gehen. Einige Einheiten aber leisteten erbitterten Widerstand, andere
wiederum arbeiteten mit Widerstandsgruppen in „Titos Jugoslawien“ oder mit Partisanenverbänden
in Griechenland zusammen. Am 11. September gab Hitler eine Direktive an die Befehlshaber aus,
unter drei Gruppen von italienischen Soldaten zu unterscheiden: „1. Bündnistreue […], die weiter
kämpfen oder Hilfsdiente leisten […] 2. Italienische Soldaten, die nicht weiter mitmachen wollen.
3. Italienische Soldaten, die Widerstand leisten oder mit dem Feind oder Banden paktiert haben. Italienische
Soldaten der zweiten Gruppe sind Kriegsgefangene und werden für die Kriegswirtschaft und andere
Einsätze gesichert. Italienische Soldaten der dritten Gruppe: die Offiziere sind zu erschießen, Uffz.
229
und
Mannschaften nach dem Osten zum Arbeitseinsatz zu bringen. Den noch Widerstand leistenden Truppen ist
ein Ultimatum zu stellen.“
230
Auch wenn dieser Befehl nicht gleich alle Wehrmachtseinheiten im Operationsgebiet erreichte
und wohl nicht von allen Truppen umgesetzt wurde, „begannen die Erschießungen italienischer
Offiziere, sobald der Führerbefehl […] eingetroffen war [in vollem Umfang].“231 Eine genaue Zahl
der bis Kriegsende erschossenen italienischen Kriegsgefangenen ist nicht endgültig zu bestimmen.
Manachem Shelah führt allerding aus, dass seit dem Führerbefehl im Laufe eines Monats rund
6300 italienische Kriegsgefangene erschossen wurden, weitere 17000 Italiener ertranken.232
Diese zwei Beispiele reichen aus, um festzustellen, dass die Deutschen auch in Westeuropa
das Völkerrecht gebrochen, sie sich der Methoden des Vernichtungskrieges bedient haben.
Dennoch resultierten diese Gewaltexzesse nicht aus der nationalsozialistischen Weltanschauung
heraus, wie es in Ost- und Südosteuropa festzustellen ist.233 Der Krieg gegen Frankreich 1940 war
auch ideologisch aufgeladen (siehe z.B. die Legende von der deutsch-französischen Erbfeindschaft). All diese Feindbilder zielten aber nicht darauf ab, dem Gegner aus weltanschaulichen
Gründen das „Menschsein“ an sich abzusprechen. Eine „saubere“ Wehrmacht hat es aber auch in
Westeuropa nicht gegeben.
5. Zusammenfassung
Aus den vier vorangegangenen Themenbereichen ergibt sich, dass die Entgrenzung der NS-Vernichtungspolitik maßgeblich vom Krieg bestimmt wurde:
Ein Beleg sind Hitlers Strategiewechsel nach dem Beginn des „Unternehmens Barbarossa“ am
22. Juni 1941. Ein einschneidendes Datum dafür war der 14. August 1941. Hier kam es zu einem
Treffen zwischen dem US-amerikanischen Präsidenten Roosevelt und dem britischen Premierminister Churchill í mit der sogenannten Atlantik-Charta als ein Ergebnis. Hitlers Weltherrschafts229
Unteroffiziere
Shelah, Manachem: Die Ermordung italienischer Kriegsgefangener, September – November 1943. In:
Heer, Hannes; Neumann, Klaus (Hrsg.): Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht. 1941 – 1944. 10.
Auflage. Hamburg 1997, S. 193.
231
Shelah, Manachem: Die Ermordung italienischer Kriegsgefangener, September – November 1943. In:
Heer, Hannes; Neumann, Klaus (Hrsg.): Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht. 1941 – 1944. 10.
Auflage. Hamburg 1997, S. 195.
232
Ebd., S. 191.
233
Echternkamp, Jörg: Die 101 wichtigsten Fragen. Der Zweite Weltkrieg, S. 78.
230
71
strategie konnte nun nicht mehr verwirklicht werden, weil eine Zusammenarbeit mit Großbritannien
ausgeschlossen werden konnte. Zudem musste das vollkommene Scheitern des Blitzkrieges
gegen die Sowjetunion zur Kenntnis genommen werden. Die Vernichtung aller Juden im
deutschen Machtbereich rückte somit in den Vordergrund und Hitler zielte auf eine umfassende
Vernichtung von „rassisch Minderwertigen“. Zunächst hatte er es nur auf die sowjetischen Juden
abgesehen.
Durch die Entwicklung von Gaskammern im Euthanasieprogramm konnte effizienter, kostengünstiger und schneller gemordet werden. So kam es zu einer Entwicklung von der manuellen
über die systematische zur industriellen Massenvernichtung.
Zu bedenken ist, dass Hitlers Vernichtungspolitik nicht nur die Juden als Opfergruppe im Blick
hatte, sondern auch andere Opfergruppen einbezog. Im Verlaufe des Krieges wurden neben den
Juden vor allem auch Slawen, Sinti und Roma, Partisanen, Geisteskranke, Invaliden, Arbeitsunfähige, Senile und psychisch kranke Menschen ermordet.
Hinzu kommt, dass zum Ende des Zweiten Weltkrieges die Deutschen auch in Westeuropa sich
einer brutalen Kriegführung bedienten und dort die Besatzungspolitik immer gewaltsamere Züge
annahm.
Während des Krieges wurden bereits Pläne für die Nachkriegszeit geschmiedet, in denen es
vor allem um den „Generalplan Ost“ und somit um die Vernichtung menschlichen Lebens in einem
noch viel größeren und unmenschlicheren Ausmaß ging.
V. Schlussbetrachtung
Holocaust. Womit assoziieren Sie diesen Begriff nach dieser Lektüre? Wir sehen unser Ziel als
erreicht an, wenn aus dieser Arbeit für Sie ersichtlich geworden ist, dass die Verwendung des Begriffs „Holocaust“ als Synonym nur für den Völkermord an den europäischen Juden problematisch
ist. Im Zuge dieser Erörterung sollten alle Opfergruppen beleuchtet und keine Opferhierarchie erstellt werden, denn jedes einzelne Opfer ist ein Produkt der NS-Vernichtungspolitik. Angesichts der
Masse an Informationen sollen im Folgenden nochmals die Kernbotschaften der einzelnen Abschnitte pointiert werden:
Zu Beginn der Erörterung wurde festgestellt, dass der Vernichtungskrieg keine originäre Idee
der Nationalsozialisten oder Hitlers gewesen ist. Vielmehr hat sich diese Art der Kriegführung von
einer Tendenz gegen das gegnerische Heer zu einem allumfassenden Akt gegen einen
gegnerischen Staat und seine Bevölkerung bereits im Ersten Weltkrieg entwickelt.
Hitler griff somit nur auf eine altbekannte Idee zurück und radikalisierte sie. Das Besondere
daran war, dass er die ebenfalls schon alte Idee des Rassismus í XQG PLW LKP GHQ HOLPLQDtorischen Antisemitismus í PLW GHP WUDGLWLRQHOOHQ $Qtislawismus verschmolz. Zu diesem
monströsen Weltbild gehörte zudem der Plan, „Lebensraum im Osten“ zu erobern. Diesen Zutaten
stand ein militanter Antibolschewismus mit der Losung vom Existenzkampf gegen den „jüdisch-
72
bolschewistischen Todfeind“ zur Seite. Das Ergebnis war der rassenideologisch begründete Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion mit rund 27 Millionen Toten.
Die Feldzüge gegen Polen und in Südosteuropa müssen als „Experimentierfelder“ des Vernichtungskrieges interpretiert werden íDXFK wenn ihnen die systematisch geplante brutale Kriegführung sowie die kalkulierte gewalttätige Besatzungspolitik nicht in dem Maße eingeschrieben
worden waren wie dann dem „Unternehmen Barbarossa“. Die Aktivierung eines enthemmenden
militanten Antibolschewismus war charakteristisch eben nur für den Vernichtungskrieg gegen die
Sowjetunion, weshalb dort das Ausmaß an Gewalt und an menschlichen Abgründen ohne Präzedenz in der Geschichte dasteht (Dieter Pohl).
Nirgendwo sonst blieben die Besatzung und die Verwaltung dauerhaft mit der Kriegführung verbunden, die sich gegen die Bewohner der Städte und Dörfer, gegen die Partisanen, gegen die
sowjetischen Roma und gegen die pflegebedürftigen Menschen in den Heil- und Pflegeanstalten
richtete. Keine Armee, die gegen Deutschland und seine Verbündeten kämpfte, hat auch nur
annähernd so viele tote Kriegsgefangene zu beklagen gehabt wie die Rote Armee. Als der Krieg
sich in die Länge zog, zwangen die Deutschen die Kriegsgefangenen und die Zivilbevölkerung zur
mörderischen Zwangsarbeit sowohl in den besetzten Gebieten als auch in Deutschland.
Nirgendwo in Europa eskalierte die Judenverfolgung in diesem Ausmaß wie in der Sowjetunion.
Dies unterschied den Vernichtungskrieg namentlich vom Krieg im Westen.
Schließlich kam es unter den Bedingungen des Krieges zur Entgrenzung der NS-Vernichtungspolitik, die auf drei verschiedene Arten stattfand: qualitativ, quantitativ und geografisch. Die in der
NS-Euthanasie entwickelten Methoden zur Vernichtung menschlichen Lebens, der Kriegsverlauf
und die internationale Lage bewirkten die Einbeziehung der europäischen Juden als weitere
Gruppe in den industriellen Massenmord (Henry Friedlander). Nicht zuletzt die monströsen Zukunftsfantasien des „Generalplans Ost“ führen klar vor Augen, dass der Nationalsozialismus ein
Unstaat war, dessen Fundament der Rassismus bildete, der somit die Rechte wie die Würde des
Menschen „verschlungen“ hat und im Begriff war, die ganze Welt durch die Obergewalt über
riesige Landmassen in ein Chaos zu verwandeln (Franz Neumann).
Wenn Sie nach dieser Lektüre an die eben aufgeführten Aspekte denken, sobald Sie das Wort
„Holocaust“ vernehmen, haben wir das Ziel der Erörterung erreicht.
73
Nun noch zum Abschluss ein persönliches Wort der Schülerinnen und Schüler zu dem Projekt. Diese Arbeit zu verfassen, hat unseren Horizont í und auch den unserer Familienangehörigen í ungemein erweitert. Die Recherchen waren teilweise sehr arbeitsintensiv,
aber es ist auch ein schönes Gefühl, ein fertiges Produkt in den Händen zu halten und zu
wissen, dass man etwas für die Aufklärung der eigenen Vergangenheit geleistet hat. Es hat
Freude gemacht, das Thema in einer großen Gruppe zu bearbeiten, und die Fahrt nach
Polen hat uns noch näher zusammengebracht. Unser Blickwinkel auf Politik und die Taten
der Nationalsozialisten hat sich grundlegend geändert, so dass wir nun viele Unstimmigkeiten in der Berichterstattung entdecken und gemerkt haben, wie glücklich wir uns
schätzen können, dass wir heutzutage über so ein Thema in Friedenszeiten offen reden
können. Vor allem aber werden wir immer dafür einstehen, dass solch schreckliche Taten
nie wieder geschehen.
74
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http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/9/90
/Leningrad_Siege_May_1942_January_1943.png
(bearbeitet von Max Schwieder)
Bildquelle
S. 53
36
en.wikipedia.org/wiki/Generalplan_Ost#mediaviewer
/File:Generalplan_Ost_map.tiff
Bildquelle
S. 63
46
Anhang zum Inhaltsverzeichnis über die Autorinnen und Autoren
Anna Rieper, Gotje Gottkehaskamp, Joeline Kazmierski
I.
1.
2.
2.1
2.2
Einleitung
Konzept
Der Begriff vom Vernichtungskrieg
Von der Idee zum Modell: Clausewitz – Schlieffen – Falkenhayn – Ludendorff
Vernichtung als Obsession:
der rassenideologisch begründete Vernichtungskrieg
3. Von der „Endlösung der Judenfrage“ zum Holokaust –
eine kleine Begriffsgeschichte
Jule Schindler, Sarah Lemm, Gesa Severin
II. Experimentierfelder des Vernichtungskrieges
Polen
Südosteuropa
Jule Rettmann, Nane Faust, Femke Moldenhauer, Janne Brammer
III. Der Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion
1. Die Besatzungs- und Verwaltungsstrukturen im Gebiet „Barbarossa“
81
Franziska Grönland, Lukas Kettelhodt, Mariya Gamega
2. Der Mord an den Juden auf sowjetischem Territorium
Jule Rettmann, Nane Faust, Femke Moldenhauer, Janne Brammer
3. Der Kampf gegen die Partisanen
Marlon Stechemesser, Annalena Mohr
4. Das Schicksal der sowjetischen Kriegsgefangenen
Jule Rettmann, Nane Faust, Femke Moldenhauer, Janne Brammer
5. Die Jagd nach Zwangsarbeitern unter der sowjetischen Zivilbevölkerung
6. Das Vorgehen gegen die sowjetischen Roma
7. Das Morden in den Heil- und Pflegeanstalten
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Max Schwieder, Lasse Prinz, Niklas Wierk
8. Belagerung als Vernichtungsstrategie. Beispiel: Leningrad
Björn Blumenhagen, Julia Paulsen, Anne Paulsen, Marie Langeloh
IV. Die Entgrenzung der NS-Vernichtungspolitik
unter den Bedingungen des Krieges
1. Der Zusammenhang von Kriegsverlauf und Judenvernichtung
2. Behemoth und Leviathan im Gleichschritt?
3. Die Euthanasiepolitik und die Verflechtung der Genozide
4. Führten die Deutschen nur im Osten einen Vernichtungskrieg?
5. Zusammenfassung
Anna Rieper, Gotje Gottkehaskamp, Joeline Kazmierski
V. Schlussbetrachtung
VI. Literatur
Gesamtleitung: Dr. Matthias Duncker
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Schulzentrum Heide-Ost
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Einleitende Worte
zur Studienfahrt
nach Polen
Das Geschichtsprojekt „Vernichtungskrieg – der andere Holocaust“ hat schon zu Beginn so viel Engagement bei den Schülerinnen und Schülern entfacht, dass zur Vertiefung des Themas eine Fahrt nach Polen in Erwägung gezogen wurde.
Die 12. Klasse sowie deren Eltern mussten gefragt werden, ob sie so eine Reise für richtig halten und sich daran finanziell beteiligen würden. Außerdem musste entschieden
werden, ob die Schülerinnen und Schüler dafür ihre Ferientage vom 9. bis 15.4.2015
opfern wollen.
Wir organsierten deshalb in der Schule einen Informationsabend für die Eltern, der
sehr gut besucht war. Geschichtslehrer Dr. Matthias Duncker, der Leiter der Dithmarscher Musikschule Richard Ferret und Berndt Steincke von der Stiftung gegen Extremismus und Gewalt erläuterten gemeinsam das Vorhaben und sagten ihre Teilnehme
und Mitarbeit für die gesamte Organisation zu. Das Ergebnis der Eltern- und Schülerbefragung war einstimmig positiv.
Dr. Duncker klärte sodann alle Fragen mit der Schulleitung und entwickelte ein
Konzept. Richard Ferret organisierte den Besuch von Konzerten im Warschauer Königsschloss, Treffen mit polnischen Schülerinnen und Schülern und holte Zuschüsse
ein, die den finanziellen Beitrag für die Eltern erheblich reduzierten. Berndt Steincke
übernahm die Aufgabe, die Reise zu dokumentieren. Zur weiteren Unterstützung fuhr
auch die Lehrerin Ulla Tietz mit. Ihre Unterstützung war wertvoll, besonders ihre Gespräche mit den Jugendlichen.
Die Fahrt nach Polen wurde ein voller Erfolg, wie die nachfolgenden Seiten zeigen. Die
jungen Leute kamen einmütig zu dem Ergebnis, dass diese Studienfahrt ihr Denken
über die jüngste deutsche Geschichte nachhaltig geprägt hat. Alle Eltern wurden danach zu einem Videoabend über die Reise in die Schule eingeladen. Die Schülerinnen
und Schüler organisierten ein kaltes Buffet. Auch dieses Treffen verlief harmonisch
und bestärkte die Entscheidung, diese Reise angetreten zu haben. Jede Familie erhielt
abschließend den vertonten Bilderfilm kostenlos als DVD oder BluRay.
Wir danken allen, die zum Gelingen dieser Reise beigetragen haben.
Berndt Steincke
Dr. Matthias Duncker
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Abfahrt vom Schulzentrum Heide-Ost
Die Stimmung ist hervorragend.
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Rastpause
Auch die Jungs brauchen eine Pause.
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Die polnische Autobahn ist Spitze.
Blick aus unserem Warschauer Hotel
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Fahrt durch die Stadt Warschau
Wir sehen keine Spuren des ehemaligen Ghettos.
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Totale Zerstörungen des Stadtteils
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Das Gelände des ehemaligen Konzentrations- und späteren Vernichtungslagers Majdanek
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Führungen in die Geschichte
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Zyklon B
Museum
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Häftlingskleidung
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Schlagwerkzeuge des Wachpersonals
Betroffenheit...
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Schuhe der Ermordeten
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Verbrennungsanlage
Die Öfen für Leichenverbrennungen
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Denkmal „Nie wieder“
Wir sind ganz still.
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Nacharbeiten unserer Erlebnisse
Das Warschauer Ghetto-Ehrenmal, vor dem Willy Brandt kniete.
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Gegenüber das beeindruckende Jüdische Museum
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... aus ganz Europa
Zurück nach Warschau
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Russisches Ehrenmal
In unserer Warschauer Musikschule
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Lehrkräfte der Musikschule
In die Warschauer Altstadt
Eine großartige Innenstadt
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Blick von oben auf das Zentrum
… und das Wetter ist bestens
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…und alles wieder neu aufgebaut
Konzertbesuch im Warschauer Königsschloss
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Konzertauftritt unserer beiden Heider Mädchen
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Auch wir wollen ein Erinnerungsfoto in dem wunderbaren Saal.
Anschließend Schlossbesichtigung
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Auch der alte Rathausplatz wurde restauriert.
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Wir leisten uns ein Essen.
Treffen mit polnischen Schülerinnen und Schülern
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Diskussionen
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Wie denken wir übereinander?
Wir sind Freunde im gemeinsamen Europa.
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Wir kommen uns näher.
Besuch des Museums über den Warschauer Aufstand
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Wir arbeiten auf und bereiten uns auf neue Themen vor.
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Pause in der Musikschule
Freier Innenstadtbesuch
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Neues Konzert im Königsschloss
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Wir beschäftigen uns mit der Geschichte.
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Musikschulleiter Richard Ferret aus Heide
und Musikschulleiterin Dr. Dorota Paplawska aus Warschau
Im Hotel wird zum Geburtstag gratuliert.
122
Über modernste Autobahnen zum nächsten Ziel
Südöstlich von Warschau im Verborgenen
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Infozentrum im ehemaligen Vernichtungslager Treblinka
Betroffenheit über deutsche Gewalt
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Heinrich Himmler-Rede vom 6. Oktober 1943
Fassungslosigkeit...
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Geschichte im 2. Weltkrieg
Kulturbruch
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Wir sind erschüttert!
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Hier kamen täglich vollbesetzte Züge an.
Vom Ausstieg aus dem Zug bis zur eigenen Asche vergingen 90 Minuten.
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Wir hören ihre Geschichten.
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Wir weinen mit ihnen.
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Dort wurden die Opfer vergast.
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Nur wer es verkraftet: das Buch Majdanek.
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Wir fahren nach Hause.
Es in Worte zu fassen,
kann nur ein Versuch sein,
das unendliche Leid der Opfer
zu erfassen.
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Anschrift:
Stiftung gegen Extremismus und Gewalt
in Heide und Umgebung
25746 Heide
Moorkamp 12
Internet: www.stiftung-geug-heide.de
E-Mail: [email protected]
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Berndt Steincke
Vorsitzender
Ilka Marczinzik
StRat Vorsitzende
Svetlana Sonnenberg
Huelya Altun
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Dieter Beuse
stellv.Vors.
Ulf Stecher
Bürgermeister
Andreas Münch
Günter Bielenberg
Dieter Büchmann
Sonja Kromm
Ilse Meyer-Drochner
Dr. Matthias Duncker
Friedrich Seehausen
Regina Lemm
Dr. Sonja Wegner
Nikolaus Köhler-Totzki
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Die „ Stiftung gegen Extremismus und Gewalt
in Heide und Umgebung“
hat sich die Förderung von
x Bildung und Erziehung
x Wissenschaft und Forschung
zum Ziel gesetzt, um zum einen die Geschichte von 1933 bis
1989 aufzuarbeiten und zum anderen Vorsorge dafür zu treffen,
dass heute und morgen nicht erneut Extremismus und Gewalt
unsere Demokratie gefährden.
Die Stiftung will Anreize und Denkanstöße insbesondere für
junge Menschen geben, unsere demokratische Gesellschaft mit
ihrer Meinungsvielfalt und Toleranz stärken und immun gegen
autoritäre Strukturen machen.
Die Stiftung will dazu beitragen, dass über Bewusstseinsprozesse
in unserer Gesellschaft nie wieder so schreckliche Dinge
geschehen können wie in der jüngsten deutschen Geschichte. Sie
will zeigen, dass auch hier in Heide und Umgebung Extremismus
und Gewalt geherrscht haben und man auch bei neuen Gefahren
von rechts, links, religiöser Seite oder von welcher Seite auch
immer, niemals wegsehen darf.
Alle Stiftungsmitglieder arbeiten ehrenamtlich. Wir rechnen
weder Verwaltungs-, Reisekosten oder irgendwelche
Entschädigungen ab.
Sehr geehrte Mitbürgerinnen und Mitbürger,
wenn Sie unsere Arbeit unterstützen wollen, helfen Sie uns bitte mit
einer Spende. Über die abgeschlossenen Projekte bringen wir -wenn es
finanziell zu schaffen ist- zur Belohnung für engagierte Schülerarbeiten
und zur Verbreitung der Erkenntnisse Bücher heraus, die dann
kostenlos an Schülerinnen und Schüler, an öffentliche Archive und an
andere junge Menschen zur Nachahmung verschenkt werden.
Auf unseren Internetseiten (www.stiftung-geug-heide.de) können Sie
verschiedene Bücher durch einen Klick auf den Umschlag kostenlos
als pdf-Datei herunterladen und selbst ausdrucken.
Unsere Kontonummer bei der Raiffeisenbank Heide:
Stiftung geug in Heide u.U.
IBAN: DE20 2186 0418 0003 3639 02
BIC:
GENODEF1RHE
Verwendungszweck:
-Spende für Projektarbeit mit Schülerinnen und Schülern(Sie erhalten von uns eine Spendenbescheinigung;
Freistellungsbescheid wurde vom Finanzamt Itzehoe erteilt)
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Ausstellung „Vor aller Augen“ in Heide, Brunsbüttel,
Marne, Itzehoe
Ausstellung „Haben wir nichts gewusst?“ in Heide,
Husum, Flensburg, Marne
Diskussionsveranstaltung „Toleranz in Christentum
und Islam“ in Heide und Brunsbüttel
Ausstellung „Gegen Diktatur - Demokratischer
Widerstand in Deutschland“ in Heide und Rendsburg
Schulprojekt „Leben unter Zwang -Gräber polnischer
Zwangsarbeiter“ zusammen mit ev.Kirche Heide
Ausstellung „Im Namen des Volkes - Justiz im NS“
in Meldorf, Kiel, Lübeck, Flensburg, Schleswig, Itzehoe
Neugestaltung der Kriegsgräberanlage auf dem Friedhof
Heide-Süd mit Heider Schulklasse
Betreuung und Gudendorf-Besuch einer Schülergruppe
aus Minsk/Weißrussland
Stolpersteine werden in Heide jährlich geputzt mit jungen
Menschen, Vereinen und Institutionen
Info-Marktstand in Heide und Berichte an die Heider
Ratsversammlung
Ausstellung in Anklam zur Gründung einer dortigen
Stiftung gEuG
Ausstellung „Verfolgung und Ermordung der europäischen
Juden“ im BBZ Heide, Weiterleitung FL, Marne + HUS
Umbenennung Straßenname „Gustav-Frenssen-Str.“ in
lly-Wolff-Straße“ initiiert
Kriegsgräberanlage Westermoorweg Heide (Russenfriedhof), Neugestaltung mit Schulklasse + Stadt Heide
Ausstellung über DDR-Unrecht „Im Namen des Volkes?“
in der Heider FHW mit Begleitveranstaltungen
Umbenennung der Heider „Carl-Diem-Halle“ in
„Helmut-Lanzke-Halle“ initiiert
Internet-App „StolperWRQsteine“ für Heide eingerichtet
mit Schulklasse, Offener Kanal Westküste + NDR
Ausstellung „Die braune Falle“ im BBZ Heide
Ausstellung „Die missbrauchte Religion - Islamisten in
Deutschland“ in der FHW Heide
Unterrichtsprojekt
„Vernichtungskrieg
der andere
Holocaust“
Schulprojekt „Vernichtungskrieg
– der –andere
Holocaust“
Kooperation mit dem Gymnasium Heide-Ost
Dazu erfolgte eine Vielzahl von weiteren Kooperationen und öffentlichen
Auftritten in Zusammenarbeit mit der Presse, dem Offenen Kanal Westküste,
Rundfunk und Fernsehen. Ab 2016 begann eine neue Zusammenarbeit mit
dem bundesweiten Verein „Gegen Vergessen - Für Demokratie e.V.“ Berlin.
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Impressum
„Vernichtungskrieg – der andere Holocaust“
Herausgeber:
Stiftung gegen Extremismus und Gewalt in Heide und Umgebung
(www.Stiftung-geug-heide.de). Vorsitzender: Berndt Steincke,
Heide, Moorkamp 12 (E-Mail: [email protected])
mit stellv. Vorsitzenden: Dieter Beuse, Lehe.
Herausgabejahr: 2016
Autoren:
Schülerinnen und Schüler der 12. Klasse des Gymnasiums Heide-Ost (2015)
Geschichtslehrer Dr. Matthias Duncker, Lohe-Rickelshof
Berndt Steincke, Stiftungsvorsitzender
Fotos:
Berndt Steincke
Zeichnung Umschlag:
Rolf Köhler
Druck:
Heider Offsetdruckerei Pingel-Witte
www.pingel-witte-druck.de
Haftung:
Die Stiftung und die Autoren übernehmen keine Haftung oder Garantie für die Aktualität,
Korrektheit, Vollständigkeit der zur Verfügung gestellten Informationen
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ISBN 978-3-00-052825-5
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