(Microsoft PowerPoint - Schmidtke Verwirrtheitszustände.ppt)

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Diagnostik und Therapie von
Verwirrtheitszuständen bei älteren
Patienten
K. Schmidtke
Abt. Neurogeriatrie und Zentrum für Altersmedizin
Ortenau-Klinikum, Offenburg
Prof. Dr. K. Schmidtke, Offenburg
ICD-10, WHO 1992:
Störung des Bewusstseins und der Aufmerksamkeit
Störung der Wahrnehmung (Gedächtnis, Orientierung)
Psychomotorische Störungen
Schlafstörungen
Akuter Beginn und fluktuierender Verlauf
Nachweis einer organischen Grundlage
DSM-IV, American Psychiatric Association 1994:
Störung des Bewusstseins und der Aufmerksamkeit
Änderungen der Wahrnehmung (Gedächtnis,
Orientierung, Sprache, Auffassung)
Akuter Beginn und fluktuierender Verlauf
Vorliegen eines medizinischen Krankheitsfaktors
Prof. Dr. K. Schmidtke, Offenburg
Verwirrtheitszustände:
auch ein Qualitätsproblem und Qualitätssignal
Patienten: Leiden und Gefahren
Angehörige: Erschrecken und Vorwürfe
Ärzte: Morbidität und Mortalität
Pflegepersonal: Arbeitsbelastung und Stress
Klinik: Verweildauer und Kosten
Prof. Dr. K. Schmidtke, Offenburg
Verwirrtheitszustand (V.) = Delir
= „Durchgangssyndrom“ = „akutes OPS“
Hyperaktiver V. mit motorischer Unruhe, Agitiertheit, Unruhe,
Zerfahrenheit, ggf. Halluzinationen, illusionärer Verkennung,
Angst, aggressivem Verhalten, vegetativen Störungen
Hypoaktiver V. mit Zurückgezogenheit, Desorientierung; ggf.
psychosenahem Erleben
Gemischter V.
Subsyndromaler V.: weniger ausgeprägt, mnestische und
Aufmerksamkeitsstörung, inkohärenter Gedankengang,
Desorientiertheit
Prof. Dr. K. Schmidtke, Offenburg
Verwirrtheitszustand bedeutet, dass die integrative
Funktion des Gehirns soweit reduziert ist, dass die
Erfassung der aktuellen Realität stark reduziert und
das Denken inkohärent ist
oft Fluktuation, meist kurz- bis mittelfristige Remission
organische Ursache
mögliche begleitende Symptome:
verminderte Wachheit
vegetative Symptome
fokal-neurologische körperliche Symptome
psychotische Symptome (Wahn, Halluzinationen,
Wahrnehmungsstörung, Angst)
Prof. Dr. K. Schmidtke, Offenburg
(1) V. bei akuter / subakuter cerebraler Schädigung
Dauerhafte „Verwirrtheit“ bei vorgerückter Demenz
postiktaler Zustand
Contusio cerebri
Schlaganfall, Basilariskopfsyndrom
Enzephalitis / Meningitis
Wernicke-Enzephalopathie
Drogen- und Psychopharmakaintoxikation
Alkohol- und Benzodiazepinentzug
Prof. Dr. K. Schmidtke, Offenburg
(2) V. bei akuter oder subakuter metabolischer
Entgleisung
Sepsis, hohes Fieber
Exsikkose, Anämie
Hypoglykämie, Ketoacidose
Urämie, Leberversagen
M. Addison, M. Cushing
Hyperthyreose, Hypothyreose
Hyponatriämie, Hypernatriämie
Hypercalcämiesyndrom
Schwere Hypophosphatämie, Hypomagnesiämie
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(3) Scheinbarer oder psychogener V.
Schmerz, Obstipation, Harnverhalt
akute Aphasie
amnestische Episode
Psychose
verwirrte Manie
emotionales Trauma
dissoziative Störung (psychogener Stupor)
Prof. Dr. K. Schmidtke, Offenburg
(4) Die klinische Realität: Verwirrter alter Patient ohne
evidente cerebrale, metabolische und psychische Störung
Manchmal, aber nicht immer finden sich „Auslöser“:
Operation/Anästhesie, Trauma, Pneumonie, HWI, akute
Herz- und Lungenerkrankung, andere innere Erkrankung,
neue problematische Medikamente etc.
Oft bestehen Vulnerabilitätsfaktoren:
Hohes Alter, Mangelernährung, Gebrechlichkeit,
Vorerkrankungen …
Prof. Dr. K. Schmidtke, Offenburg
Hypothesen:
1.
Alle Vulnerabilitäts-Faktoren haben (mittelbare oder
unmittelbare) Wirkungen auf die Hirnfunktion.
Die integrative Funktion des Gehirns ist im Alltag noch
kompensiert.
Vulnerabilitätsfaktoren Störung der Hirnfunktion
Unklar ist, inwieweit eine Disposition zu Verwirrtheitszuständen vorab feststellbar ist.
Prof. Dr. K. Schmidtke, Offenburg
Hypothesen:
2. Verwirrtheitszustände treten ganz vornehmlich bei
vulnerablem Gehirn auf. Wegen fehlender Reservekapazität
dekompensiert die integrative Funktion. Je stärker die
Vorschädigung, desto niedriger die Schwelle.
„Stress - Diathesis - Modell“:
Noxe + Vorschädigung Verwirrtheitszustand
Prof. Dr. K. Schmidtke, Offenburg
Was bedingt
Vulnerabilität
und wie wird sie wirksam?
hohes Alter ?
Malnutrition, Gebrechlichkeit ?
metabolische Störung, Hypovitaminose ?
Medikamente ?
cerebrale Vorschädigung ?
alte Insulte, SAE, Demenz, MCI…
Schädigungen von Zellen und Synapsen, Störungen des
Energiestoffwechsels, der Produktion, Freisetzung und
Wirkung von Neurotransmittern, der Auslösung und
Fortleitung von Aktionspotentialen, der Proteinsynthese … ?
Prof. Dr. K. Schmidtke, Offenburg
Hypothesen:
3. Der häufigste Typ von Vorschädigung und Vulnerabilität ist
eine prodromale (MCI) oder manifeste Demenz.
Ein Verwirrtheitszustand ist häufig ein Indikator für eine
unerkannte MCI oder manifeste Alzheimer- oder LewyKörperchen-Demenz
MCI / AD / LBD + „Auslöser“ Verwirrtheitszustand
Prof. Dr. K. Schmidtke, Offenburg
Nicht-anticholinerge Ursachen von Verwirrtheit
unerkannte cerebrale Erkrankung, metabolische
Störungen, Entzugssymptomatik, psychogene Ursachen
Störung der dopaminergen und serotonergen
Neurotransmission
ZNS-Effekte sonstiger Medikamente
Penicilline+Cephalosporine, Gyrasehemmer (Ciprofloxacin/
Ciprobay®…), L-DOPA und Dopa-Agonisten, andere ParkinsonMedikamente, Opioid-Analgetika, Antikonvulsiva, Antirheumatika
(Indomethacin…), SSRI, lipophile ß-Blocker, Zytokine …
Folgen von Operationen und Anästhesie ???
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Warum bilden sich Verwirrtheitszustände oft nur
verzögert zurück?
Mögliche Ursachen:
Komplikationen, neue Medikamente und Bettlägerigkeit
verschlechtern die cerebrale Funktion
Patient ist übernächtigt, hungrig und durstig
das Gehirn erleidet eine überdauernde Schädigung
die verlorene ordnende Kraft von Willen, Denken, Antrieb und
Alltagsroutine fehlt für die Rekompensation
degenerative Veränderungen schreiten voran und überlagern
den Erholungsprozess
Prof. Dr. K. Schmidtke, Offenburg
Warum nehmen Verwirrtheitszustände oft abends
und nachts zu ?
Mögliche Ursachen:
„Aufwachen“ nach verdämmertem Tag; hypoaktiver hyperaktiver Verwirrtheitszustand
Erschöpfung nach wachem Tag Dekompensation
tagesrhythmische Herunterregelung der Aktivierung des
Gehirns Dekompensation
verminderte Orientierung durch fehlende Ansprache,
durch Ruhe und Dunkelheit
ungünstige Abend-Medikamente
Prof. Dr. K. Schmidtke, Offenburg
Diagnostik
klinischer Befund (internistisch, neurologisch, psychisch)
orientierender neuropsychologischer Befund
frühere und aktuelle Medikation
Anamnese zu früherer kognitiver Störung
Standardlabor, CRP, Ca, Ph, Mg, B12, T3/T4/TSH
ggf. CCT
Prof. Dr. K. Schmidtke, Offenburg
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Nursing delirium screening scale
nach Gaudreau et al. 2005 und Lütz et al., 2008
Prof. Dr. K. Schmidtke, Offenburg
Behandlung
Es gibt keine etablierte Therapie
Soweit möglich:
kausale Therapie von vorbestehenden und neuen Noxen
Allgemeine Maßnahmen:
verzichtbare Medikamente absetzen, Fiebersenkung,
Infektbehandlung, Flüssigkeitsgabe, Essen, Elektrolytausgleich, Substitution aller Vitamine, Spurenelemente und
Eiweiß, Bluttransfusion, Schlafförderung, Abführen,
Schmerzmedikation, Orientierungshilfen, Zuwendung,
angepasste Lagerung, Mobilisation, Ruhe, Hörgeräte, Brille,
Besuche
Prof. Dr. K. Schmidtke, Offenburg
Symptomatische Medikation:
Niederpotente Neuroleptika bei Unruhe (Melperon: kurze
HWZ, Pipamperon: lange HWZ)
Hochpotente Neuroleptika bei Agitation und Wahn
(Haloperidol, Risperidon)
Lorazepam bei Angstsymptomatik (Tavor®, T. expedit®)
Alkoholentzugsdelir: gesonderte Therapie nach Leitlinien auf
Wachstation
… Absetzen nicht vergessen.
Prof. Dr. K. Schmidtke, Offenburg
Vorbeugung ?
Risikopatienten indentifizieren
Früherkennung von Verwirrtheit
Präventionsprogramme: medizinisch + pflegerisch (Elimination
problematischer Medikamente, Verhütung Infektionen,
Orientierungshilfen, Trinken, Mobilisation, Schlafförderung …)
„Fast track“ - Versorgung von operierten geriatrischen Patienten
? präoperative Gabe von Haloperidol bei geriatrischen Patienten
Prof. Dr. K. Schmidtke, Offenburg
Cochrane Database Syst Rev. 2007 Apr 18;(2)
Interventions to prevent delirium in hospitalised patients.
Siddiqi N, Stockdale R, Britton AM, Holmes J.
University of Leeds, Academic Unit Psychiatry and Behavioural Sciences, 15 Hyde Terrace, Leeds, UK, LS2 9LT. [email protected]
Abstract
…SELECTION CRITERIA: Randomised controlled trials evaluating any interventions to prevent delirium in hospitalised
patients.
… MAIN RESULTS: Six studies with a total of 833 participants were identified for inclusion. All were conducted in
surgical settings, five in orthopaedic surgery and one in patients undergoing resection for gastric or colon cancer. Only one
study of 126 hip fracture patients comparing proactive geriatric consultation with usual care was sufficiently powered
to detect a difference in the primary outcome, incident delirium. Total cumulative delirium incidence during admission
was reduced in the intervention group (OR 0.48 [95% CI 0.23, 0.98]; RR 0.64 [95% CI 0.37, 0.98]), suggesting a 'number
needed to treat' of 5.6 patients to prevent one case. The intervention was particularly effective in preventing severe delirium.
In logistic regression analyses adjusting for pre fracture dementia and Activities of Daily Living impairment, there was no
reduction in effect size, OR 0.6, but this no longer remained significant [95% CI 0.3,1.3]. There was no effect on the duration
of delirium episodes, length of hospital stay, and cognitive status or institutionalisation at discharge. There was also no
significant difference in cumulative delirium incidence between treatment and control groups in a sub-group of 50 patients with
dementia (RR 0.9 [95% CI 0.59, 1.36]).
In another trial of low dose haloperidol prophylaxis, there was no difference in delirium incidence but the severity
and duration of a delirium episode, and length of hospital stay were all reduced.
We identified no completed studies in hospitalised medical, care of the elderly, general surgery, cancer or intensive care
patients. In outcomes, no studies examined for death, use of psychotropic medication, activities of daily living, psychological
morbidity, quality of life, carers or staff psychological morbidity, cost of intervention and cost to health care services.
Outcomes were only reported up to discharge, with no studies reporting medium or longer-term effects.
AUTHORS' CONCLUSIONS: Research evidence on effectiveness of interventions to prevent delirium is sparse. Based on a
single study, a programme of proactive geriatric consultation may reduce delirium incidence and severity in patients
undergoing surgery for hip fracture. Prophylactic low dose haloperidol may reduce severity and duration of delirium episodes
and shorten length of hospital admission in hip surgery. Further studies of delirium prevention are needed.
Prof. Dr. K. Schmidtke, Offenburg
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