Thema Nr. 2 Alternative Vergütungssysteme zur Fallpauschale im stationären Sektor Christina Kreuzer – Frank Siegmund – Lars Nevermann Gliederung 1 Problemstellung 2 Grundlagen Vergütungssysteme 3 Abrechnungseinheiten 4 Budgetsysteme 5 Anwendungsbeispiele 6 Fazit 1. Problemstellung Problemstellung • „Kostenexplosion“ im Gesundheitswesen • Stationärer Sektor als großen Anteil der Krankenkassenausgaben • Finanzierbarkeit langfristig zu gewährleisten • Kostensenkung çè Gesundheitsversorgung => Problem: Einflussnahme auf die Kostenentwicklung durch die Wahl des Vergütungssystems Akteure Krankenhaus/Arzt Patient Krankenkasse : Geldstrom : Leistungsstrom Krankenhaus / Arzt : Leistungsanbieter Patient : Leistungsnachfrager Krankenkassen : Leistungsfinanzierer Vergütungssystem zur Verhaltenssteuerung • Negative Anreize vermeiden – positive Anreize schaffen • Finanzielle Anreize stärker als nicht-monetäre Anreize • Optimum für die Krankenkasse muss auch für den Arzt/Krankenhaus optimal sein • Je größer die Eigenverantwortung desto größer das Kostenbewusstsein 2. Grundlagen Vergütungssysteme Grundlagen Vergütungssysteme Vergütungssystem Entgeltverfahren Abrechnungseinheit Entgeltverfahren Retrospektiv (Kostenerstattungsverfahren): • alle entstandenen Kosten werden erstattet • Vergütungssumme erst rückwirkend erfassbar Prospektiv (Preisfestsetzungsverfahren): • Leistungen werden nach Preisen vergütet • Preise werden vorab festgelegt • Preise beziehen sich auf Abrechnungseinheiten Retrospektives Verfahren Selbstkostendeckungsprinzip • Offenlegung aller angefallenen Betriebskosten • Kostenerstattung nach Prüfung auf Wirtschaftlichkeit und Notwendigkeit • An Kosteneinsparungen partizipieren nur die Krankenkassen ⇒ Fokus auf Kostennachweis ⇒ Kein Anreiz zum Kostenbewusstsein 3. Die Abrechnungseinheiten Abrechnungseinheiten n Um Krankenhausleistungen abzurechnen bedarf es einer Grundlage auf der die Verrechnung erfolgt. n Diese Grundlage bilden die Abrechnungseinheiten. n Jeder Abrechnungseinheit wird ein Preis zugeordnet. Abrechnungseinheiten Der Einzelfall Krankheitsfall Patientengleiche Pauschale Der Pflegetag Abrechnung differenzierter Behandlungsfälle Indirekte Methode Direkte Methode DRG's PMC's Die Einzelleistung n Abrechnung auf der untersten Aggregationsstufe u u n Bei der Einzelleistung wird jede Leistung einzeln abgerechnet. Beispiele für eine Einzelleistung: Fango, Massage... Die erbrachte Gesamtleistung am Patienten ist die Summe der Einzelleistungen. Die Einzelleistung n Es besteht ein Anreiz die Summe der Einzelleistungen zu maximieren, um möglichst viel Geld zu generieren. n Notwendige Menge an Einzelleistungen bei komplexen Behandlungen schwer vom Finanzträger kontrollierbar. n Gute Vergleichbarkeit der Preis-Leistungs-Verhältnisse in den Krankenhäusern (vor allem für Privatpatienten) n Mögliche negative Effekte durch zu viele Einzelleistungen (Bsp. Röntgenbilder) Der Krankheitsfall Patientengleiche Pauschale n Der Krankheitsfall ist hier Abrechnungsgrundlage der Krankenhausleistung. n Erbrachte Leistungen werden als homogen betrachtet und mit einer einheitlichen Pauschale abgegolten. u Krankheitsfälle sind nicht homogen und verursachen unterschiedliche Kosten, daher besteht hier die Möglichkeit des Rosinenpickens mit möglichem Know-How und Prestigeverlust. u Kostenpauschale deckt evtl. die Kosten eines schweren Krankheitsfalls nicht. Der Krankheitsfall Patientengleiche Pauschale n Die Liegedauer hat keinen Einfluß auf die Pauschale und es ergibt sich der Anreiz durch eine Verringerung der Liegedauer den Gewinn zu erhöhen. n Folgen einer verkürzten Liegedauer: u Keine unnötig langen Krankenhausaufenthalte u Evtl. negative Qualitätsbeeinflussung der Behandlung u Drehtüreffekt, da pro Krankheitsfall abgerechnet wird Der Krankheitsfall Abrechnung differenzierter Behandlungsfälle – Indirekte Methode n Die Fallpauschale wird unter Berücksichtigung des unterschiedlichen Ressourcenverbrauchs eines Krankenhauses berechnet unter Beachtung, Messung und Auswertung folgender Faktoren: u Daten über die Struktur des Krankenhauses (Fachabteilungs-, Betten-, Personal-, Ärzteanzahl) u Daten über die Patienten (Alter, Geschlecht , Beruf ) u Daten über die Region des Krankenhauses (Bettendichte) n Jedes Krankenhaus ermittelt einen Fallschwereindex (durchschnittl. Ressourcenaufwand für einen durchschnittl. Behandlungsfall) der der Basis für die Fallpauschale entspricht. Der Krankheitsfall Abrechnung differenzierter Behandlungsfälle Direkte Methode n n n n n Gruppierung von Patienten mit dem selben Krankheitsbild Vergütung hängt vom Krankheitsfall ab (selbe Gruppe, selbe Vergütung) DRG‘s Aufteilung in Hauptdiagnosegruppen und noch weitere Untergliederung entspricht dann den DRG‘s Kostenberechnung auf Basis von Kosten pro DRG PMC’s Eingruppierung des Patienten nach medizinischen Gesichtspunkten in ein Modul mit dem dazugehörigen Behandlungsweg Vergütung auf Basis von Pflegetagen n alternative Möglichkeit: Bezahlung nach Pflegetagen n Leistung bezieht sich auf die tägliche Versorgung der Patienten • Einzelleistungen, die pro Tag u. Patient erbracht werden, werden mit Pauschale für jeden Tag vergütet n unterschiedliche Ausgestaltung von Pflegetagen möglich Linearer Pflegesatz • Pauschale, die Krankenhäuser erhalten, pro Tag gleich hoch • Annahme dahinter: Ressourcenverbrauch pro Tag und Patient jeden Tag gleich • Anreize: • Kosten pro Pflegetag werden gesenkt • Zeit des Krankenhaus-Aufenthalts wird verlängert über medizinisch sinnvolle Dauer • Erhöhung des Patientenzahlen, allerdings nur bei solchen Patienten, die ebenso ambulant behandelt werden könnten • Effekt des cream-skimming (Rosinenpicken) Degressiver Pflegesatz • Unterschiedlicher Ressourcenverbauch im Zeitablauf der Behandlung wird abgebildet • Pflegetage zu Beginn der Behandlung werden als homogen angesehen und mit höherem Preis bewertet als die Tage zum Ende der Behandlung Abteilungsbezogener Pflegesatz • Festlegung von Pflegesätzen für die einzelne Fachabteilungen • Anreiz: Bei Multimorbidität der Krankheitsbilder wird Patient in Abteilung mit höchstem Abteilungspflegesatz verlegt Pflegesätze nach Pflegeintensität • Ausgestaltung erfolgt auf Basis der Unterscheidung in Intensiv-, Normal-, Langzeit- und Minimalpflege • je höher der Grad an Pflege, desto höher die Vergütung Pflegesätze nach Versorgungsstufe • sind Krankenhäuser aufgrund von Größe, Ausstattung und Aufgabengebiet, auf das sie spezialisiert sind, einer Versorgungsstufe zuzuordnen, erhalten sie eine pro-Tag Vergütung in gleicher Höhe Fazit Pflegetagsvergütungen • leistungsorientierte Vergütung kaum möglich, da nicht ersichtlich, welche medizinische Leistungen überhaupt erbracht worden sind • Erlöshöhe über Pflegesatz festgeschrieben • Anreiz bei Leistungserstellung Kosten einzusparen • Kostenanreizeffekt kann sich jedoch negativ auf die Behandlungsqualität auswirken - qualitativ hochwertige und in der Tendenz teure Leistungen werden im geringeren Umfang erbracht 4. Budgetsysteme Budgetsysteme n Das Budgetsystem soll die gesamten Kosten über eine feste Periode steuern, dazu werden Kosten und Leistungen des Krankenhauses vor der Periode geschätzt. n Grundlage ist eine Abrechnungseinheit (z.B. Pflegetag). n Kosten des Krankenhauses können in fixe und variable Kosten aufgeteilt werden. Budgetsysteme n Grundlage für die Schätzungen bilden Vergangenheitswerte. n Das Budget ergibt sich aus der Summe der geschätzten Fixkosten und dem Produkt der geschätzten variablen Kosten mit der geschätzten Summe an Abrechnungeinheiten über die Periode. n Das Budget geteilt durch die geschätzten Leistungseinheiten, ergibt den Betrag, den das Krankenhaus für jede Abrechnungseinheit über die Periode im voraus erhält. Budgetsysteme Die Budgets Das Budget ohne Ausgleichsregelung Budgets mit Ausgleichsregelung Das fixe Budget Das flexible Budget Das populationsbezogene Budget Das Budget ohne Ausgleichsregelung n Die vor der Periode dem Budget zu Grunde gelegte Menge an finanziellen Mitteln pro Abrechnungseinheit wird für jede erbrachte Leistungseinheit gezahlt. n Es erfolgt nach der Periode kein Ausgleich. Das Budget ohne Ausgleichregelung Das Budget ohne Ausgleichregelung n Es besteht ein Anreiz das Budget zu überschreiten, da die Fixkosten ab Erreichen des Budgets gedeckt sind, jede weitere über die Periode gezahlte Abrechnungeinheit aber weiter einen Fixkostenanteil enthält. n Budgetunterschreitung führt in der Regel zu Verlusten, da die Fixkosten nicht gedeckt werden können. n Heutige Leistung ist später Grundlage der Budgets der Folgeperioden. Das Budget mit Ausgleichregelung Das fixe Budget n Zahlungen pro Leistungseinheit über die Periode entsprechen dem Budget ohne Ausgleichsregelung. n Zahlungen über die im Budget festgelegte Menge müssen nach der Periode erstattet werden. n Werden Leistungen unter den im Budget geschätzten erbracht, wird trotzdem das komplette Budget bezahlt Das Budget mit Ausgleichregelung Das fixe Budget Das Budget mit Ausgleichregelung Das fixe Budget n Es besteht kurzfristig ein Anreiz die im Budget geplante Leistungsmenge nicht zu unterschreiten. n In der langen Frist erfolgt die Berechnung des Budgets aber auf Vergangenheitswerten, was dem Krankenhaus in den Folgeperioden zur Last fallen würde. Flexibles Budget auf Basis von Pflegetagen n Problem des fixen Budgets: Gewinne und Verluste sind rein belegungsabhängig n Lösung: Flexibilisierung des Budgets, d.h. Anpassung an tatsächliche Belegung n Kalkulation von Budget und Tagespauschale erfolgt von Vorgehensweise analog zu fixem Budget n Unterschied: geplante Gesamtkosten bzw. Budget wird in Fix- und variable Kosten unterteilt n Annahme bei Einführung dieses Ansatzes (1986) in BRD: 75% der Gesamtkosten sind fix, 25% sind variabel; variable Kosten belegungsabhängig und damit direkt von Krankenhäusern beeinflussbar Grafische Darstellung Plan- Gesamtkosten Erwartete Gesamteinnahmen Vorläufige Gesamteinnahmen Ax‘‘ Plan-Gesamtkosten =flexibles Budget G x‘‘ Gesamtkosten bei erhöhter Wirtschaftlichkeit Fixkosten Ax‘ Belegung X‘ X* X‘‘ Fazit n Flexibles Budget gewährleistet, dass genau die Leistungsmenge bezahlt wird, die produziert worden ist n Gewinnmöglichkeiten nur dadurch vorhanden, dass bei Leistungserstellung variable Kosten unter geplantes Niveau (25%) gesenkt werden n Problematisch: Zugrundelegung des Pflegetages Unterstellung gleichen Ressourcenverbrauches pro Tag; Anreiz zu cream-skimming Lösung: Budget auf Basis von Fällen Budget auf Basis von Fällen n Kalkulation des Budgets erfolgt analog zu bisherigen Ansätzen n Anpassung des Budgets bei u Abweichung der tatsächlichen Fallzahlen von geplanten u Änderung der Fallstruktur n Damit bessere Abbildung des Leistungsgeschehens im Krankenhaus Populationsbezogenes Budget n Idee: Leistungsmessung anhand Größe und Struktur von zu versorgender Bevölkerung n Vergütung erfolgt für „potentielle Patienten“, nicht tatsächlich behandelte Patienten n Vorgehensweise: u u u u Potentielle Patienten werden entweder über zwangsweise Zuordnung oder freies Einschreibeverfahren Krankenhäusern zugeordnet Versicherte werden in Risikoklassen eingeteilt; jedes Mitglied einer Risikoklasse lässt ähnlichen Ressourcenverbrauch erwarten Nach Einordnung in Risikoklassen: Krankenhaus erhält für jeden Patienten „risikoangepasste“ Kopfpauschale Summe über alle dem Krankenhaus zugeordneten Personen ergibt Jahresbudget Anreize n Kosten werden bei Leistungserstellung so gering wie möglich gehalten n Bei freier Einschreibung durch Versicherte: u Qualitätsdruck für Krankenhäuser, da Gefahr des Verlustes der Patienten bei nächster Einschreibung n Problem: Anreiz für Krankenhäuser, Patienten verfrüht zu entlassen n Fazit: Gewährleistung, dass Patienten kostengünstig und effizient versorgt werden 5. Anwendungsbeispiele Schweiz • Krankenhausleistungen werden in allgemeine und private Abteilungen unterteilt • Vergütung der allgemeinen Abteilungen durch Krankenkassen anhand von Tagespflegesatz • Vergütung der privaten Abteilungen vom Patienten oder durch Zusatzversicherung • Bei Defizit Kostenübernahme möglich Italien • Unterscheidung zwischen öffentlichen Krankenhäuser und Privatkliniken • Nationaler Gesundheitsdienst vergütet die öffentlichen Krankenhäuser auf Selbstkostenbasis • Nationaler Gesundheitsdienst ist deren Eigentümer • Vergütung der Privatkliniken durch Tagespflegesätzen oder durch Selbstzahlung Frankreich • Öffentlichen und anerkannte, private Krankenhäuser werden anhand eines Budgets mit Ausgleichszahlungen vergütet • Restlichen Privatkliniken können zwischen Pflegesätzen oder freier Preisgestaltung wählen England • Krankenhausleistungen werden anhand eines fixen Budgets vergütet • Als Bestimmungs- und Abrechnungseinheit gilt die Kopfpauschale bzw. die Bevölkerungszahl in der jeweiligen Region 6. Fazit Fazit n Kostenbewußtsein steigt mit zunehmender Eigenverantwortung n Je differenzierter die Abrechnungseinheiten, desto geringer die Spielräume der Krankenhäuser => leistungsorientierte Vergütung n In der Praxis streten Vergütungssysteme häufig in Mischformen auf