dd T E C H N I K Dokumentation einer Gewinnerarbeit des 8. KunstZahnWerk-Wettbewerbs 2013 Heute wie damals Ein Beitrag von Ioulianos Moustakis, Falkensee/Deutschland Was lange währt, wird endlich gut. Dieses Sprichwort, das verwendet wird, wenn nach langer Zeit ein gutes Resultat erreicht wurde, passt in diesem Fall nicht. Denn das Aufstellkonzept, das zur Lösung dieser Wettbewerbsarbeit zum Einsatz kam, stammt aus den 60er Jahren – das Gerber Aufstellkonzept. Heute wird es an vielen Hochschulen gelehrt und hat sich vielfach bewährt. Lediglich die Zahnformen wurden geringfügig verändert. Somit wird ein gutes Konzept immer besser. Ioulianos Moustakis beschreibt in diesem Beitrag, wie er mithilfe dieses Konzepts auch moderne Herausforderungen meistert und letztendlich mit einem bemerkenswerten 6. Platz beim KunstZahnWerk-Wettbewerb belohnt wurde. S eit den 1960er Jahren bis heute hat die Zahntechnik einen enormen technologischen Wandel erfahren. Viele alte Techniken und Anwendungen sind von neuen ersetzt oder verdrängt worden, weil sie nicht mehr zeitgemäß oder Aufgrund von Ergebnissen wissenschaftlicher Studien veraltet sind. Auch die Technik in der Totalprothetik hat sich gewandelt. Sie wurde modifiziert, weiterentwickelt, neue und verbesserte Werkstoffe kamen hinzu. Dennoch stammt die Philosophie, die heute noch zur Anwendung kommt und an vielen Universitäten zum Lehrprogramm gehört, aus den sechziger Jahren. Maßgeblich daran beteiligt war Prof. Dr. A. Gerber von der Universität Zürich mit seiner Condylar-Theorie und seinem Totalprothetikkonzept. Die Firma Candulor entwickelte in Zusammenarbeit mit ihm die Condyloform Zahnform. Diese Zahnform wurde mithilfe von Prof. Dr. S. Palla (1973 bis 1976 Oberassistent, Abteilung für Totalprothetik des Zahnärztlichen Instituts Zürich) im Jahr 2006 bezüglich ihrer Ästhetik und Funktion noch einmal verbessert und angepasst. Im nachfolgenden Beitrag wird aufgezeigt, wie ein frühes Konzept, das heute noch seine Berechtigung hat und weltweit zur Anwendung kommt, gepaart mit neuester Technologie in Einklang gebracht werden kann und hinsichtlich Ästhetik und Kaufunktionalität zu einem guten Ergebnis führt. Ausgangssituation des Patienten Der zahnlose, 65-jährige Patient war von leptosomer, feingliedriger Statur und seit vielen Jahren Prothesenträger. Von Beginn an litt er – trotz mehrmaligen Neuanfertigungen – unter schlecht passenden Unterkiefer-Prothesen. Er beklagte sich beim Erstgespräch insbesondere über Probleme beim Sprechen und Kauen sowie über immer wiederkehrende Druckstellen am Unterkiefer. Es wurde 62 dental dialogue 15. JAHRGANG 05/2014 © also deutlich, dass zur stabilen Lagerung der Unterkieferprothese und als Alternative zu einer rein schleimhautgetragenen Versorgung, eine implantatprothetische Lösung angestrebt werden sollte. Nach einer eingehenden klinischen und radiologischen Untersuchung wurden dem Patienten daher im Unterkiefer in regio 43 und 46 je vier Implantate (Camlog) mit einem Durchmesser von 4,3 Millimetern für eine bedingt abnehmbare verschraubte, festsitzende Hybridprothese inseriert (Abb. 1). Für den Oberkiefer fiel die Wahl auf eine Neuanfertigung der schleimhautgetragenen Prothese (Abb. 2). ModellvorbereitungEinartikulation Zum Einartikulieren der Modelle wurde ein Gipswall mitgeliefert, der es erlaubte, den Ober- zum Unterkiefer lagerichtig in Position zu bringen. Diverse Markierungen am Gipswall (Bissschablone) liefer- T E C H N I K dd 1 2 Abb. 1 und 2 Die Wettbewerbsmodelle im Überblick: Der zahnlose Oberkiefer musste mit einer schleimhautgetragenen Prothese versorgt werden. Im Unterkiefer waren vier Camlog Implantate mit Vario SR Abutments in regio der 3er und 6er vorhanden, weshalb hier eine Hybridprothese indiziert war 3 4 Abb. 3 und 4 Zum Einartikulieren der Modelle stand ein Gipswall zur Verfügung. Die Bissschablone lieferte Informationen über die Okklusionsebene, Lippenschluss-, Lach- und Mittellinie, die Lage der Eckzähne, den bukkalen Korridor sowie die vertikale Dimension ten Informationen über die Okklusionsebene, Lippenschluss-, Lach- und Mittellinie (Gesichtsmitte), die Nasenflügelbreite (die Endpunkte definieren die Lage der Eckzähne), den bukkalen Korridor sowie die vertikale Dimension (Abb. 3 und 4). Um das Unterkiefermodell duplieren zu können, wurden die Abformpfosten aus Stabilitätsgründen mit Kunst- 5 stoff verblockt und zur Erhöhung der Stabilität beide Modelle mit Wachsplatten verbreitert (Abb. 5 bis 8). Anschließend wurden mit einem 1:1 Silikon Duplierformen der Originalmodelle hergestellt, ausgegossen und Zweitmodelle angefertigt (Abb. 9). Da die Bisslage des Patienten neutral war, entspricht im Regelfall der vertikale Überbiss (overbite) dem Vorbiss oder horizontalen Überbiss (overjet). Der Vorbiss betrug 3,5 mm (Abb. 10) und konnte daher als Überbiss auf das Modell übertragen werden (Abb. 11). Bevor die Modelle mit Gips im Artikulator befestigt wurden, wurden die mittels Bissschablone verbundenen Modelle mithilfe von Fixierknete im Artikulator in Position ge- 6 Abb. 5 und 6 Um das UK-Implantatmodell duplieren zu können, wurden die Abformpfosten mit Kunststoff verblockt … 15. JAHRGANG 05/2014 © dental dialogue 63 dd T E C H N I K 7 8 9 Abb. 9 Die Modelle wurden mit einem Silikon dupliert Abb. 7 und 8 … und beide Modelle mit Wachsplatten verbreitert 10 11 Abb. 10 Da die Bisslage des Patienten neutral war, entsprach der vertikale Überbiss in etwa dem Vorbiss. Dieser betrug 3,5 mm und … 12 Abb. 11 … konnte daher als Überbiss auf das Modell übertragen werden 13 Abb. 12 Zum Ausrichten der mittels Gipswall verbundenen Modelle wurde Fixierknete verwendet. Die Kondylenbahnneigung wurde rechts mit 28 und links mit 30 ° eingestellt Abb. 13 Die Okklusionsebene wurde am Gummiband ausgerichtet. Anschließend wurde der Inzisalzeiger am Inzisalpunkt des Gipswalls ausgerichtet Modellanalyse und des Zungenbändchens mit einem Stift an. Um die anatomische Modellmitte zu erhalten, halbiert man die Strecke zwischen den Mittelpunkten der retromolaren Polster und markiert den Mittelpunkt ebenfalls mit einem Stift. Dann verbindet man diesen Mittelpunkt mit der Mitte des Zungenbändchens in sagittaler Richtung. Die anatomische Modellmitte stimmt übrigens nicht immer mit der Gesichtsmitte des Patienten überein. bracht. Die Kondylenbahnneigung wurde rechts mit 28 und links mit 30 ° eingestellt (Abb. 12) und die Okklusionsebene am Gummiband ausgerichtet. Anschließend wurde der Inzisalzeiger zwischen der Inzisalkante der Zähne 31 und 41 beziehungsweise am Gipswall am entsprechenden Inzisalpunkt ausgerichtet (Abb. 13). Sind die Modelle einartikuliert, lassen sich die Platzverhältnisse für die Prothesen überprüfen (Abb. 14 und 15). Unterkiefer Die Modellanalyse folgt eigentlich immer demselben Muster. Dennoch ist sie unablässig, um auf zahnlosen Kiefern funktionierenden Zahnersatz anfertigen zu können. Im Unterkiefer zeichnet man die beiden Tubercula retromolaris, die höchste Erhebung des Kieferkamms, den Mittelpunkt der retromolaren Polster 64 dental dialogue 15. JAHRGANG 05/2014 © T E C H N I K dd 14 15 Abb. 14 und 15 Anhand der einartikulierten Modelle werden die Platzverhältnisse für die Prothesen ersichtlich 16 Abb. 16 Das Kaukraftzentrum und der Kieferkammverlauf des Unterkiefers werden mit einem Profilzirkel ermittelt, indem man mit diesem am Kieferkamm entlang fährt und mit einem in den Zirkel eingespannten Stift auf die Seite des Gipsmodells überträgt Nun werden auch die Mitte des frontalen Kieferkamms und die Begrenzungslinien für die Labialflächen der zentralen Inzisiven markiert. Die größte Kaueinheit des Unterkiefers und der Kieferkammverlauf werden mit einem Profilzirkel ermittelt, indem man mit dem Zirkel an der Kieferkammmitte entlang fährt und diesen mit einem in den Zirkel eingespannten Stift auf die Seite des Gipsmodells überträgt (Abb. 16). Die tiefste Stelle des Kammverlaufs wird mithilfe einer Tangente, die parallel zur Okklusionsebene verläuft, ermittelt. Der Berührungspunkt dieser beiden Linien gibt die Position der größten Kaueinheit an (Abb. 17) und wird mit einem senkrechten Strich markiert (Abb. 18). Hier muss der 6er aufgestellt werden. Zusätzlich werden etwa 1 mm mesial und distal dieser Markierung zwei kleine senkrechte Striche (grün) gezogen, die den funktionellen Belastungsbereich der größten Kaueinheit kennzeichnet, sprich die Lage der zentrischen Fossa (Abb. 19). Um die Position des letzten belastbaren Zahns zu bestimmen, wird am Schnittpunkt zwischen dem Kieferkammverlauf und der angezeichneten Parallele zur Okklusionsebene (Position der größten Kaueinheit) eine Winkelschablone von 22,5 ° (Lerch/Körholz) angelegt. Die Markierung wird am besten mithilfe eines Geo- 15. JAHRGANG 05/2014 © dental dialogue 65 dd T E C H N I K 17 18 Abb. 17 und 18 Die tiefste Stelle des Kammverlaufs wird mithilfe einer Tangente, die parallel zur Okklusionsebene verläuft, ermittelt. Der Berührungspunkt dieser beiden Linien markiert die Position der größten Kaueinheit und wird mit einem senkrechten Strich markiert 19 Abb. 19 Zusätzlich wird der funktionelle Belastungsbereich der größten Kaueinheit angezeichnet (grüne Striche) 20 Abb. 20 Um die Position des letzten belastbaren Zahns zu bestimmen, wird mit einem Geodreieck am Schnittpunkt zwischen dem Kieferkammverlauf und der angezeichneten Parallele zur Okklusionsebene eine Linie im Winkel von 22,5 ° angezeichnet. Am Schnittpunkt dieser roten Linie mit dem „Kieferkammverlauf“ wird eine zur Okklusionsebene senkrechte Linie angebracht dreiecks auf den äußeren Modellrand des Oberkiefers übertragen. Dort, wo diese Linie den „Kieferkammverlauf “ verlässt/ schneidet wird ein Punkt markiert und von da aus eine zur Okklusionsebene senkrechte Linie angezeichnet – deren Schnittpunkt am aufsteigenden Ast kennzeichnet die sogenannte Stopplinie (Abb. 20). Hinter dieser dürfen keine Prothesenzähne mehr aufgestellt werden, da diese dazu führen würden, dass die Unterkieferprothese bei Belastung nach vorne geschoben würde. Dieses Phänomen wurde von Gerber als Proglissement bezeichnet. Aus der Okklusalansicht wird das Resultat der Modellanalyse ersichtlich (Abb. 21). Die roten Linien markieren die Grundstatikoder Aufstelllinien. Gebildet werden diese Statiklinien, indem man jeweils den Mittelpunkt der retromolaren Polster mit den angezeichneten Punkten für die 4er verbindet. Die beiden gelben Linien begrenzen die Labialflächen. Zusätzlich sind die Positionen der 6er angezeichnet (Kaukraftzentrum). Im vierten Quadranten fällt dieses genau in den Bereich des dorsalen Implantats. Oberkiefer Im Oberkiefer werden die Tuber maxillae, also die resilienten Schleimhautzonen (fibröse Randzone) sowie die Papilla incisiva und die höchste Erhebung des Kieferkamms mit einem Stift angezeichnet. Anschließend markiert man den Mittelpunkt der beiden Tuber maxillae und der Papilla incisiva. Die Abbildung 22 zeigt das komplett markierte Oberkiefermo- 66 dental dialogue 15. JAHRGANG 05/2014 © dell. Die roten Linien kennzeichnen die Grundstatiklinien. Zudem sind die Positionen der 4er und 6er angezeichnet. Von dorsal zeigen sich auf beiden Modellen (Abb. 23) die Grundstatiklinien (rot) sowie die äußeren (blau) und inneren Korrekturlinien (grün). Sind alle Linien und Punkte ermittelt und angezeichnet (Abb. 24), kann es an die Aufstellung der Zähne gehen. Aufstellung nach Gerber Frontzähne Begonnen wird mit der Aufstellung der beiden mittleren Schneidezähne im Oberkiefer. Die Schneidekanten der beiden zentralen Inzisiven werden dabei einfach an einem Silikonvorwall ausgerichtet, der T E C H N I K dd 21 22 Abb. 21 Das Resultat der UK-Modellanalyse von okklusal: Die roten Linien markieren die Grundstatik- oder Aufstelllinien. Die beiden gelben Linien begrenzen die Labialflächen. Zusätzlich sind die Positionen der 6er angezeichnet (Kaukraftzentrum) Abb. 22 Im Oberkiefer werden die Mittelpunkte der Tuber maxillae, die Mitte der Papilla incisiva und die höchste Erhebung des Kiederkamms angezeichnet. Die roten Linien markieren auch hier wieder die Aufstelllinie 23 24 Abb. 23 Von dorsal zeigen sich auf beiden Modellen die Grundstatiklinien (rot) sowie die äußeren (blau) und inneren Korrekturlinien (grün) Abb. 24 Anhand all dieser Linien und Punkte können die Zähne aufgestellt werden 25 Abb. 25 Die Schneidekanten der beiden zentralen OK-Inzisiven werden an einem Silikonvorwall des Gipsschlüssels ausgerichtet. Dann folgen die beiden Eckzähne, deren Positionen ebenfalls durch den Gipsschlüssel vorgegeben wurden zuvor vom Bissschlüssel aus Gips angefertigt wurde. Der Vorwall aus Silikon wurde dabei auf Höhe der im Gipsschlüssel vermerkten Lippenschlusslinie geschnitten und die weiteren für die Aufstel- lung des Oberkiefers relevanten Markierungen übertragen. Wenn sich die beiden mittleren Inzisiven an der richtigen Stelle befinden, können die beiden Eckzähne in Position gebracht werden. Hierbei ori- entiert man sich an den entsprechenden Markierungen des Silikonvorwalls (Abb. 25). Im Unterkiefer werden die mittleren Inzisiven so mit ihrer Basalfläche auf die Kieferkammmitte gestellt, dass ihre Inzisalkanten in Richtung Umschlagfalte des Oberkiefers zeigen. Die Höhe wird durch das Gummiband definiert, das die Okklusionsebene darstellt. Die Basis der Eckzähne wird etwas außerhalb des Kieferkamms aufgestellt. Die distale Fläche des Eckzahns zeigt dabei in Richtung der vermessenen Aufstelllinie. Von labial betrachtet liegen die Inzisalkanten in Höhe der Okklusionsebene. Lediglich die Eckzahnspitzen überragen diese um etwa 1 mm (Abb. 26). Bei den Unterkieferlateralen verhält es sich ähnlich wie bei den mittleren Inzisiven; dennoch werden sie erst nach den Eckzähnen in die Lücke zwischen 1ern und 3 ern gestellt (Abb. 27). In der Abbildung 28 sind die aufgestellten Ober- und Unterkieferfronten von lateral dargestellt (allerdings fehlen hier noch die Lateralen im UK). 15. JAHRGANG 05/2014 © dental dialogue 67 dd T E C H N I K 26 Abb. 26 Die mittleren UK-Inzisiven werden auf die Kieferkammmitte gestellt und ihre Inzisalkanten in Richtung Umschlagfalte des Oberkiefers gekippt. Die Eckzähne werden etwas … 27 Abb. 27 … außerhalb des Kieferkamms aufgestellt. Die UK-2er werden so ähnlich wie die mittleren Inzisiven aufgestellt. Die distale Fläche der 3er zeigt in Richtung der vermessenen Aufstelllinie … 29 Abb. 29 Den unteren ersten Molaren gilt in statischer und dynamischer Hinsicht die größte Aufmerksamkeit. Daher wurde ihre Position bereits bei der Modellanalyse so genau wie möglich ermittelt Seitenzähne Die unteren ersten Molaren sind in statischer und dynamischer (funktioneller) Hinsicht, die vielleicht wichtigsten Zähne der Aufstellung. Bereits bei der Modellanalyse wurde ihre Position daher so genau wie möglich ermittelt (Abb. 29). Zur Kontrolle der Platzverhältnisse kann der 6 er zunächst provisorisch angewachst werden. So lässt sich beispielsweise prüfen, ob dessen Abstand zur Stopplinie die Aufstellung eines zweiten Molaren rechtfertigt. Nun kann entschieden werden, ob der erste Molar der vorletzte oder der letzte aufzustellende Zahn ist. Aufgrund der Lage der Stopplinie konnte im vierten Quadranten kein weiterer Seitenzahn aufgestellt werden. Der erste Molar ist somit dort der letzte aufzustellende Seitenzahn. Sein disto-bukkaler Höcker überragt die Okklusionsebene um etwa 1mm (Abb. 30). Im dritten Quadranten zeigt sich, dass genügend Platz für den zweiten Molaren vorhanden ist. Darum wird sein mesio-bukkaler Höcker genau an der Okklusionsebene ausgerichtet; sein disto-bukkaler Höcker überragt die Okklusionsebene nur minimal. Im dritten Quadranten wird aufstellungsbedingt auf ei- 30 Abb. 30 Zur Kontrolle der Platzverhältnisse kann der 6er zunächst provisorisch angewachst werden. So lässt sich beispielsweise prüfen, ob dessen Abstand zur Stopplinie die Aufstellung eines zweiten Molaren rechtfertigt 28 Abb. 28 … und die Eckzahnspitzen überragen die Okklusionsebene um etwa 1 mm. Die aufgestellten Ober- und Unterkieferfronten von lateral (allerdings fehlen hier noch die 2er im UK) 31 Abb. 31 Im dritten Quadranten war genügend Platz für den zweiten Molaren vorhanden. Darum überragt der distobukkale Höcker des 6ers die Okklusionsebene nur minimal. Auf den zweiten Prämolaren musste verzichtet werden 32 Abb. 32 Hier wird die unterschiedliche Aufstellung der beiden 6er deutlich. Dies liegt daran, dass er im 4. Quadranten aufgrund des Proglissements der letzte Seitenzahn ist, wogegen der 7er im 3. Quadranten noch Platz hat nen zweiten Prämolaren verzichtet. Der Eckzahn und der erste Prämolar überragen die Okklusionsebene mit ihrer Spitze um 1 mm (Abb. 31). Von frontal stellen sich der 3. und 4. Quadrant so dar, wie in der Abbildung 32 zu sehen ist. Die fertige Unterkieferaufstellung ist in den Abbildungen 33 und 34 dargestellt. Hier werden auch die Auswirkungen der Stopplinien (Proglissement) deutlich, und warum im dritten Quadraten ein 7 er aufge- 68 dental dialogue 15. JAHRGANG 05/2014 © stellt werden konnte und im vierten nicht. Zudem muss darauf geachtet werden, dass die Aufstelllinie durch die zentrale Fossa der unteren ersten Molaren verläuft (Abb. 35). Nachdem der Unterkiefer aufgestellt ist, werden die Oberkiefer-6er an den Unterkiefer-6ern ausgerichtet und in Kontaktposition gebracht (Abb. 36 und 37). So nimmt die gesamte Aufstellung nach und nach ihren Lauf. T E C H N I K dd 33 34 Abb. 33 und 34 Der fertig aufgestellte Unterkiefer. Hier wird nochmals ersichtlich, warum im 3. Quadranten Platz für den 7er war und im 4. Quadranten nicht Abb. 35 Es muss darauf geachtet werden, dass die Aufstelllinien durch die zentralen Fossae der unteren ersten Molaren verlaufen 36 37 Abb. 36 und 37 Nach den UK-Seitenzähnen folgen die des Oberkiefers. Zunächst werden die OK-6er in Kontakt mit den UK6ern gebracht. Von den 6ern aus nimmt die gesamte OK-Aufstellung ihren Lauf 15. JAHRGANG 05/2014 © dental dialogue 69 dd T E C H N I K 38 39 Abb. 38 und 39 Die statischen Kontakte werden bereits bei der Aufstellung berücksichtigt 40 41 Abb. 40 und 41 In der Dynamik zeigen sich Protrusionskontakte auf den Frontzähnen, aber auch auf den Prämolaren 42 43 Abb. 42 und 43 Bei der Latero- und Mediotrusion werden aus Kontaktpunkten Funktionsflächen Statische und dynamische Kontaktsituation Die statischen Kontakte werden bereits bei der Aufstellung berücksichtigt. Die zentrischen Kontakte befinden sich im Oberkiefer auf den Stampfhöckern, in der Regel zwei pro Zahn – einer auf dem mesio- und einer auf dem disto-palatinalen Höcker (Abb. 38). Diese greifen im Unterkiefer – außer bei den Prämolaren – in die zentralen Fossae und erzeugen so beinahe eine Tripodisierung auf den Antagonisten (Abb. 39). In der Dynamik zeigen sich die Protrusionskontakte – vornehmlich auf den Frontzähnen. Aber auch die Prämolaren nehmen bei der Vorschubbewegung an der Führung teil (Abb. 40 und 41). Bei der Latero- und Mediotrusion werden aus Kontaktpunkten bereits Flächen (Abb. 42 und 43). Ausmodellieren der Gingiva Sobald die Zähne korrekt stehen und die statischen und dynamischen Kontaktbeziehungen hergestellt wurden, kann es an 70 dental dialogue 15. JAHRGANG 05/2014 © das Ausmodellieren der Gingiva gehen. Hierbei ist auf eine anatomisch korrekte, nicht zu übertriebene Ausgestaltung zu achten. Ein wichtiger Punkt sind die Interdentalpapillen. Diese sollten nicht den gesamten Interdentalraum ausfüllen. Insgesamt ist auf eine muskelgriffige Modellation zu achten. Allerdings sollten die Strukturen (Lippenbändchen et cetera) etwas überkonturiert werden, da beim Ausarbeiten und Polieren diese immer etwas abgemildert werden (Abb. 44 bis 46). T E C H N I K dd 44 45 46 Abb. 44 bis 46 Sobald die Aufstellung abgeschlossen ist, kann die Gingiva anatomisch korrekt und muskelgriffig ausmodelliert werden. Wichtig sind hierbei die Interdentalpapillen, die nicht den gesamten Interdentalraum ausfüllen sollten 47 48 Abb. 47 und 48 Ein Vorwall der UK-Wachsaufstellung mitsamt den darin befestigten Zähnen hilft bei der Planung und Anfertigung der Suprakonstruktion. Zunächst werden die Abutments mit Modellierkunststoff aus- und dann miteinander verblockt Gerüstherstellung 49 Abb. 49 Wenn das gegossene Gerüst spannungsfrei auf das Modell passt, kann es auf dem Implantatmodell passiv mit den Klebebasen verklebt werden 50 Abb. 50 Bevor es an die Umsetzung der UK-Prothese in Kunststoff geht, wird die Gerüstkonstruktion gereinigt, konditioniert und opakert Ein Vorwall der Unterkiefer-Wachsaufstellung dient nun der Planung und Anfertigung der Suprakonstruktion. Insbesondere bei der Kontrolle der Platzverhältnisse leistet der Vorwall, der ja die äußere Dimension vorgibt, gute Dienste bei der Gerüstmodellation. Zunächst werden die Abutments mit Modellierkunststoff aus- und dann miteinander verblockt. Dabei müssen immer wieder die Platzverhältnisse mit dem Vorwall und den darin befestigten Kunststoffzähnen kontrolliert werden (Abb. 47 und 48). Um ein spannungsfreies Gerüst anfertigen zu können, muss der Modellierkunststoff nach dem Aushärten mit einer sehr dünnen Trennscheibe separiert und mit einer geringen Menge desselben Kunststoffs wieder verfügt werden. Danach kann die eigentliche Form des Brückengerüsts mit Wachs ausmodelliert und gusstechnisch umgesetzt werden. Wenn das so gewonnene Gerüst spannungsfrei auf das Modell passt, kann es fertig ausgearbeitet und passiv auf dem Implantatmodell mit den Klebebasen verklebt werden (Abb. 49). Eine hohlkehlartige Gestaltung des Gerüsts im Implantat-Anschlussbereich führt zu einem definierten und sauberen Abschluss der Suprakonstruktion auf Gingivaniveau. 15. JAHRGANG 05/2014 © dental dialogue 71 dd T E C H N I K 51 52 Abb. 51 Da es sich im UK um eine bedingt abnehmbare Hybridprothese handelt, muss die Basalfläche anders gestaltet und insbesondere im Bereich der Implantat-Anschlussstellen gut zu reinigen sein 53 54 Abb. 53 Auch die schleimhautgetragene OK-Prothese wurde mittels Silikonkonter und Gießkunststoff fertiggestellt. Hier sind noch die beiden Gussreservoire im Bereich der beiden Tuber zu sehen Fertigstellung Um die anatomische Modellation detailgenau auf die Fertigstellung übertragen zu können, wird auf die gesamte Aufstellung Flüssigsilikon aufgebracht. Darüber wird großzügig ein Konter aus Knetsilikon angefertigt (Überbettung). Dieser überlappt den Modellrand und garantiert so den Abschluss, aber auch die Darstellung der Umschlagfalten. Nach dem Abbinden des Silikons werden die Prothesenzähne für die Fertigstellung vorbereitet, die Gerüstkonstruktion von Wachs befreit, sorgfältig gereinigt, konditioniert und opakert (Abb. 50). Nun kann die Prothesenbasis mittels Gießtechnik in Kunststoff umgesetzt werden. Nach dem Entfernen der Gießform wird die Unterkieferprothese abgenommen und die Prothesenbasis entsprechend der Reinigbarkeit (bedingt abnehmbare Implantatprothese) konvex ausgearbeitet (Abb. 51). Bei der Ausgestaltung der Hy- Abb. 52 Das anatomisch und farblich individuell gestaltete Frontzahnschild der Unterkieferversorgung Abb. 54 Beim Zurücksetzen der noch nicht ausgearbeiteten Prothesen in den Artikulator zeigt sich eine leichte Bisserhöhung von 0,5 mm. Diese wird beim Reokkludieren entfernt 55 Abb. 55 Die Oberkieferprothese von palatinal: die Gaumenfalten wurden anatomisch korrekt gestaltet bridprothesenbasis ist darauf zu achten, dass der Patient Superfloss einfädeln und die Versorgung insbesondere im Bereich der Implantat-Anschlussstellen gut reinigen kann. 72 dental dialogue 15. JAHRGANG 05/2014 © In der Abbildung 52 ist das anatomisch und farblich individuell gestaltete Frontzahnschild der Unterkieferversorgung dargestellt. Auch die rein schleimhautgetragene Oberkieferprothese wird mit T E C H N I K dd 56 57 58 Abb. 56 bis 58 Nach dem Ausarbeiten und Polieren stellen sich die Prothesen derart dar. Die künstliche Gingiva lebt von ihrer Morphologie und Farbgebung 59 60 61 Abb. 59 bis 61 Auf den Arbeitsmodellen samt Anzeichnungen zeigt sich, wie sich die Modellanalyse auf die Fertigstellung der Prothesen ausgewirkt hat 62 Abb. 62 Darstellung der Reinigbarkeit der Unterkiefer-Hybridprothese. Interdentalbürstchen und Superfloss Zahnseide lassen sich problemlos einfädeln 63 Abb. 63 Natürlich wirkende Prothesen leben auch von einer verschachtelten Zahnstellung, denn in der Natur ist nichts kerzengerade Gießkunststoff und Silikonkonter fertiggestellt. In der Abbildung 53 sind noch die beiden Gussreservoire im Bereich der beiden Tuber zu sehen. Beim Zurücksetzen der ausgegossenen und noch nicht ausgearbeiteten Prothesen in den Artikulator zeigt sich, dass es zu einer leichten Bisserhöhung von 0,5mm gekommen ist (Abb. 54). Diese wird später beim Reokkludieren entfernt. Bei der Politur der Prothesen ist auf eine absolut gleichmäßig dichte und glänzende Oberfläche zu achten. Je höher die Oberflächenqualität, desto langlebiger ist die Versorgung. In der Abbildung 55 ist die Oberkieferprothese von palatinal dargestellt – eine schöne Detailansicht der anatomisch gestalteten Gaumenfalten. In den Abbildungen 56 bis 58 sind die ausgearbeiteten und polierten Prothesen in Okklusion auf den Schaumodellen (Duplikate der Arbeitsmodelle) dargestellt. Die Gingiva lebt von ihrer natürlichen Morphologie und Farbgebung. Im Artikulator und auf den Arbeitsmodellen samt Anzeichnungen zeigt sich, wie die Modellanalyse auf die Prothesen umgesetzt werden konnte (Abb. 59 bis 61). Zur Darstellung der Reinigungsmöglichkeit der Unterkiefer-Hybridprothese wurde die Abbildung 62 angefertigt. Die Interdentalbürstchen und Superfloss Zahnseide sollen die Reinigung darstellen. Natürlich wirkende Prothesen leben aber nicht von einer natürlich wirkenden 15. JAHRGANG 05/2014 © dental dialogue 73 dd T E C H N I K 64 65 Abb. 64 und 65 Beim Reokkludieren wurden zunächst die zentrischen Kontakte überprüft und durch Einschleifen korrigiert 66 67 Abb. 66 und 67 Die Latero- und Mediotrusions-Kontakte wurden ebenfalls kontrolliert und korrigiert 68 69 Abb. 68 und 69 Schließlich wurde die Protrusion überprüft und neu eingeschliffen Gingiva, sondern auch von einer leicht verschachtelten Zahnstellung – hier dargestellt am Beispiel der Unterkieferfrontzähne (Abb. 63). Reokkludieren/Einschleifen Da die Umsetzung der Wachsaufstellung in Kunststoff immer mit einer leichten Veränderung der Bisslage einhergeht, ist ein Reokkludieren und nachträgliches Einschleifen unumgänglich. Mit einem stringenten Vorgehen lässt sich dies jedoch schnell und unkompliziert bewerkstelligen. Zunächst werden die zentrischen Kontakte mit roter Okklu-Folie überprüft und durch Einschleifen wieder hergestellt (Abb. 64 und 65). Hiernach folgt die Kontrolle und das Einschleifen der Latero- und Mediotrusions-Kontakte (Abb. 66 und 67). Schließlich wird die Protrusion überprüft und neu einge- 74 dental dialogue 15. JAHRGANG 05/2014 © schliffen (Abb. 68 und 69). In der Abbildung 70 sind die Ober- und Unterkieferprothesen nach dem Reokkludieren in Lateroprotrusionsbewegung dargestellt. Fazit und Ausblick Totalprothetik ist und bleibt eine moderne Disziplin in der prothetisch rekonstruktiven Zahnheilkunde. Allerdings T E C H N I K dd 70 Abb. 70 Die Ober- und Unterkieferprothesen nach dem Reokkludieren bei der Lateroprotrusion 71 Abb. 71 Mit dieser schleimhautgetragenen Ober- und implantatgestützten Unterkieferprothese … 15. JAHRGANG 05/2014 © dental dialogue 75 dd T E C H N I K 72 Abb. 72 … konnte der Autor beim 8. KunstZahnWerk-Wettbewerb den 6. Platz erreichen bringt die Möglichkeit der Implantatverankerung Herausforderungen mit sich, die es bei der Anfertigung der Prothesen zu berücksichtigen gilt. Als ein Stichwort sei hier die Gestaltung der Prothesenbasis genannt. Interessant ist und bleibt, dass sich die Materialien und Herstellungsmethoden wandeln, das Aufstelloder Okklusionskonzept jedoch nach wie vor Bestand hat. Im vorliegenden Fall handelt es sich dabei um die Aufstellphilosophie nach Prof. Gerber. Ihm zu Ehren findet auch alle zwei Jahre der internationale KunstZahnWerk-Wettbewerb statt, den die Firma Candulor ausschreibt. Der vorliegende Beitrag dokumentiert die Anfertigung der Wettbewerbsarbeit, mit der der Autor den bemerkenswerten 6. Platz erzielte (Abb. 71 und 72). Produktliste Produkt Name Hersteller/Vertrieb Artikulator Befestigungsmaterial, adhäsiv Gips - Modellgips - Artikulationsgips Implantatprothetik Legierung Modellierwachs Opaker, rosarot Prothesenkunststoff Prothesenkunststoff Prothesenzähne, Komposit Silikon - Duplierung - Vorwälle, Konter Artikulator CA II Nimetic Candulor 3M Espe Thiodur Artist Vario SR Abutments Keragen Eisenbacher Eisenbacher Camlog Eisenbacher Dentsply Bredent Dreve Weithass Candulor Verbundmaterial, Metall/ Kunststoff Zahnfleischcharakterisierung Ropak Kompaktopaker UV Caston Weitur-Press Standard PhysioStar NFC, Condyloform II NFC Weiton-Sil Weiton-Labputty Typ A Knetsilikon Photoprimer Weithass Weithass Denture Art Dreve Shofu Zur Person Ioulianos Moustakis studierte von 1985 bis 1987 in Athen/Griechenland an der Schule für nebenmedizinische Berufe (SBIE) Zahntechnik. Danach arbeitete er bis 1993 als Allroundtechniker in zwei Athener Labors. 1993 ging Moustakis nach Deutschland, um in einem Praxislabor in Berlin-Kreuzberg (Dr. Alexandros Tsiplakidis) eine Stelle als Allroundtechniker anzunehmen. Zwei Jahre später nahm er in Berlin-Steglitz eine Anstellung in einem gewerblichen Labor an (Thomas Paul Zahntechnik). Nebenbei war er bei Dr. Ingo Brigmann als Praxistechniker in Berlin-Lichterfelde tätig. 1998 wechselte Moustakis mit einem eigenen Labor in Athen in die Selbstständigkeit. Von 2001 bis 2005 war sein Labor das griechische Pilot-Labor von Shofu Dental. In Griechenland arbeitete er erfolgreich mit zwei Oralchirurgen/Implantologen zusammen. Dennoch verlagerte er seine Firma nach Deutschland und spezialisierte sich auf die Schwerpunkte Implantatprothetik und Implantat-Navigationsplanung. Seit 2010 betreibt Ioulianos Moustakis gemeinsam mit Ztm. Michael Zirkler die Zirkler & Moustakis Zahntechnik GbR in Falkensee. Moustakis ist zertifizierter Implantatprothetiker der DGZI. Die Zirkler & Moustakis Zahntechnik GbR ist für die DIR System Funktionsdiagnostik zertifiziert. Kontaktadresse Ioulianos Moustakis • Zirkler & Moustakis Zahntechnik GbR • Nachtigallstraße 3 • 14612 Falkensee Fon +49 3322 233393 • [email protected] • www.zirkler-partner.de 76 dental dialogue 15. JAHRGANG 05/2014 ©