aus der anthroposophischen Arbeit in Deutschland Ausga b e 6 / 2 0 1 4 J u n i Jetzt aber! (an) Noch ein paar Wochen, dann ist es wieder so weit: die Deutsche Landesgesellschaft trifft sich zu ihrer öffentlichen Jahrestagung, dieses Mal in Stuttgart. Besonderheiten: Es wird das neue Arbeitkollegium gewählt, und: Die ganze Tagung wird vorbereitet und gestaltet durch ein starkes Team junger Mitglieder (siehe Seite 9 und die Beilage in der Mai-Ausgabe). Über die Fülle der Tätigkeiten innerhalb des Arbeitskollegiums, aber auch in den einzelnen Arbeitszentren gibt diese Ausgabe einen ausführlichen Überblick, der auch in der nächsten Ausgabe noch fortgesetzt wird. Wenn Sie sich also noch anmelden wollen, nutzen Sie den Folder aus der April-Ausgabe oder begeben Sie sich auf unsere website www.anthropo­ sophische-gesellschaft.org. Aufklärung und Toleranz Noch immer und besonders heftig auf der diesjährigen Generalversammlung in Dornach erhitzen sich die Gemüter an der Kritischen Rudolf Steiner Ausgabe (SKA). Besonders vehement wird dabei der mormonische Hintergrund des Herausgebers Christian Clement hinterfragt. Hartwig Schiller hat sich dazu auf Spurensuche begeben und klärt in seinem lesenswerten Beitrag zahlreiche Missverständnisse auf Seite 4 und 5 Arbeitsberichte des Vorstandes Das Arbeitskollegium, das auf der Jahres­ versammlung neu gewählt werden wird, stellt seine Arbeitsbereiche und die umfangreiche Tätigkeit auf den verschiedenen Aufgaben­ gebieten dar. Seite 6 - 8 Der Finanzbericht konnte aus terminlichen Gründen dieses Mal nicht in der Juni-Ausgabe abgedruckt werden. Er ist ab 1. Juni aber über die website online verfügbar oder kann telefonisch per Post kostenlos bestellt werden. Näheres dazu auf Seite 9 Berichte aus den Arbeitszentren Wie unterschiedlich das Leben in den verschiedenen Regionen der Deutschen Landesgesellschaft zurzeit verläuft, davon zeugt schon der erste Teil der Berichte der Arbeitszentrumsvertreter. Seite 9 - 12 Die Speerspitze der anthroposophischen Medizin Harald Matthes im Gespräch mit Wolf-Ulrich Klünker Wolf-Ulrich Klünker: Im Anschluss an die vorangegangenen Gespräche und insbesondere an die Ausführungen von Volker Fintelmann (in der Märzausgabe, S.3/4) möchte ich Sie zunächst nach Ihrer Sicht auf anthroposophische Krebsbehandlung in Forschung und Therapie fragen. Harald Matthes: Ausgangspunkt ist immer die Aussage Rudolf Steiners, dass die Mistel irgendwann einmal das Messer des Chirurgen ersetzen soll. Da haben wir die interessante Entwicklung, dass die konventionelle Medizin den Krebs in den 60er/70er Jahren als einen genetischen Unfall gesehen hat, und dieses genetische Bild hat sich heute fast vollständig aufgehoben. Wir wissen heute, dass der Krebs eine Erkrankung des gesamten Organismus ist; es handelt sich um ein Fehlen an Integrationskräften. Wir wissen auch, dass wir etwa 40.000 Gene haben und dass 2000 bis 2500 Gene in einer Zelle aktiv sind. Aber welche aktiv sind, ist das Entscheidende. 90 Prozent dieser Informationen kommen nicht aus den Genen selber, sondern von außerhalb der Zelle als Information – der Mensch ist ein umweltoffenes Wesen, und die Integrität durch Kommunikation der Zellen bei der Krebs­ erkrankung entscheidend. Das Bild, das wir in der Anthroposophie seit 70 Jahren verfolgen, dass Krebs eine Erkrankung ist, in der die seelisch-geistige Entität mit der körperlich-vitalen Ebene nicht zu einer Einheit kommt – dieser Verständnisebene hat sich die Schulmedizin teilweise inzwischen angeschlossen. Wir haben aber lange Jahre die Mistel nur in den eigenen Kreisen angewendet, und erst in den letzten 10 bis 15 Jahren ist die Mistel so weit an die Öffentlichkeit getreten, dass man mit Studien nachweisen kann, dass die Lebensqualität ganz deutlich gebessert werden kann. Da ist es nun interessant, dass gerade die durch Chemotherapie bedingten Unannehmlichkeiten, die man als Krebspatient hat, durch die Mistel abgemildert oder sogar weit­gehend verhindert werden können. So dass die Lebensqualität ein starkes Feld ist, wo die Mistel auch in der konventionellen Medizin eine Anerkennung gefunden hat. In den letzten drei bis fünf Jahren wurde zunehmend die Lebensqualität von den konventionellen Onkologen als etwas Wesentliches angesehen – was früher nur als Surrogatmarker, also als nicht so wichtig angesehen wurde, ist nun entscheidend durch die Mistel besetzt. Zur Frage der Lebens­verlängerung gibt es dagegen bisher nur wenige gute Studien, die von der Schulmedizin anerkannt werden. Die gesamte Auseinandersetzung hängt damit zusammen, dass auf der einen Seite die Mistel wichtig ist, von den Patienten auch so empfunden und gewollt wird. Bei den Ärzten, die nicht das Konzept der Anthroposophischen Medizin akzeptieren, wird sie gleichzeitig kritisch beäugt. Denn sie kommt aus einer Medizinrichtung, die noch ein Weltbild hat, das in der Onkologie als sehr schwierig angesehen wird. Daher gab es eben lange Jahre die Diskrepanz zwischen dem Wunsch nach Misteltherapie bei den Patienten und der kritischen Haltung der Ärzte in der Onkologie. Das hat sich erst in den letzten Jahren geändert, durch die integrative Medizin, das heißt die Ergänzung der konventionellen durch die komplementäre Medizin, so dass man jetzt etwas sachlicher über die Wirkungen der Mistel sprechen kann. WUK: Wie würden Sie den Stand der Mistel­ entwicklung innerhalb der Anthroposophie sehen – zum einen für den Herstellungs­ Fortsetzung Seite 2 1 Anthroposophische Gesellschaft Speerspitze Fortsetzung von Seite 1 prozess, dann aber auch für die Anwendung? Denn eine nähere Betrachtung zeigt, dass, schon bei den Ausgangssubstanzen beginnend, vieles offen ist und jeder Hersteller anders ansetzt. Das gilt auch für das zentrale Problem des Verhältnisses von Sommer- und Wintermistel. Da hat Armin Scheffler infrage gestellt, ob man diese Angaben Rudolf Steiners wirklich jahreszeitlich sehen kann. Oder man hat Ende der 80er Jahre des vergangenen Jahrhunderts, wie aus einer gewissen Ratlosigkeit und Depression heraus, den Durchbruch bei der Herstellung und Wirkung von einer neuen Maschine mit 10.000 Umdrehungen erhofft... HM: Die Tragik, die innerhalb der anthropo­ sophischen Bewegung mit der Mistel verbunden ist, liegt darin, dass es einerseits sehr stark die Richtung gab, die Angaben Rudolf Steiners möglichst optimal umzusetzen und sie in einer gewissen interpretativen Weise für den Herstellungsprozess zu nutzen – in der festen Überzeugung: das muss der richtige Weg sein. Dann dachten auch gerade in den 80er Jahren andere Ärzte darüber nach, welche alternativen Wege man gehen kann. Die Forschung, wie sie im Verein zur Krebsforschung bei der Hiscia durchgeführt wurde, ließ nur ganz bestimmte Richtungen zu. Das hat dann dazu geführt, dass andere Mistelhersteller ihre eigenen Wege gegangen sind. Das heißt, aus der eigenen Forschungsgemeinschaft und aus der Pluralität ist eher eine Abspaltung und eine Vereinzelung entstanden. So dass wir zum Beispiel bei der Helixor vier Erntepunkte haben; dass wir in dem Drehmoment die Sommer- und die Wintermistel zusammenbringen, auch durch eine neue Form: nicht mehr die flache Scheibe, sondern eine Eiform mit neuen Rotationen. Eigentlich geht es hier in die Richtung, die Mistel weiter zu spiritualisieren. Auf der anderen Seite haben wir den Prozess bei der Abnoba mit der Betonung der Substanz­ bildung. Hier soll die Zytotoxizität substanziell aus der Mistel herausgeholt werden, mit Blick eher auf das Physisch-Irdische. So dass wir heute ein deutlich weiteres Spektrum der Mistel haben, aber in der Forschung eher aus Überzeugung heraus arbeiten als durch empirische Daten die jeweiligen Argumente untermauern zu können. Dann haben wir mit dem Ansatz von Armin Scheffler, die Triterpenen in den Auszug hereinzubringen, noch einmal eine ganz andere Qualität, die bei den bisherigen Herstellungs­prozessen einfach außen vor geblieben ist. – Eigentlich muss man insgesamt sagen: Wir sind bei vielen Fragen nicht sehr viel weiter als vor 50 oder 60 Jahren. WUK: Auch die spezielle Zuordnung von Wirtsbäumen und Krankheitsarten war ja eine relativ späte Entwicklung und ist in dieser Form bei Rudolf Steiner gar nicht zu finden. HM: Rudolf Steiner hat zwar bestimmte Bäume mit bestimmten Karzinomen in Verbindung 2 gebracht, hat sie aber nicht entsprechend einer Mistel zugeordnet. Es ist doch ein großer Unterschied, ob ich den Baum in seinen Prozessen charakterisiere als Entsprechung zu einer Krankheitsentität, oder ob ich die Mistel, die auf diesem Baum wächst, auch therapeutisch bei dieser Krankheitsform nutzen kann. Daher ist gerade die Wirtsbaumfrage und die Zuordnung zu einzelnen Tumor­entitäten ein Bereich, der in der konventionellen Medizin kaum nachvollzogen werden kann. Und auch innerhalb der anthroposophischen Ärzteschaft gibt es da durchaus zwei Lager: die einen, die das mehr vom Entwicklungsgedanken oder mehr vom goetheanistischen Gesichtspunkt aus sehen und die Charakteristiken des Baumes in eine Beziehung zu der Erkrankung bringen. Die anderen haben eher eine materielle Vorstellung. Sie schauen auf die Extrakte, die von den verschiedenen Wirts­bäumen kommen: Wie unterscheiden sie sich in den Mistellektinen oder in der Zusammensetzung zwischen den zytotoxischen Anteilen mit dem Viscotoxin. Also auf der einen Seite gibt es eine Rationalität der Inhaltsstoffe, und auf der andern Seite einen Versuch der goethea­ nistischen Herangehensweise. Beide Sichten werden nicht zusammengebracht. WUK: Wie würden Sie das Verhältnis von entsprechenden Andeutungen Rudolf Steiners und der heutigen Lage sehen? Ich meine das Problem, dass Rudolf Steiner beispielsweise fixiert wird auf situative Einzeläußerungen, die er nach Vorträgen ganz kurz gemacht hat. Wie kommt man in eine Zukunft, die nicht versucht, Rudolf Steiner fortzusetzen, sondern bei ihm anknüpft und daraus dann eigen­ tragfähig wird? HM: Er hat wenige Andeutungen gemacht, und dann ist manchmal, was z. B. den Maschinen­ bau angeht, sehr detailliert nachgefragt worden. Aber auch da ist es leider so, dass wir nicht alle von ihm gegebenen Anregungen schriftlich vorliegen haben, sondern das sind zum Teil Überlieferungen. Daher muss man hier aufpassen, wie weit dann auch die anthroposophische Historie mitgewirkt hat und entsprechende Interpretationen mit einbringt. Ich glaube schon, dass wir eher vom Prinzip verstehen müssen, was in der Polarität Sommerund Wintermistel, was dann aber auch in dem eigentlichen Zentrifugations­prozess im Sinne des Polaritätenausgleichs liegt; und inwiefern, was ja von Volker Fintelmann angedeutet wurde, die Mistel als ein Wesen gesehen werden kann, das pflanzlich auf der Erde zurück­geblieben ist und das man durch diesen doch sehr stark mechanisierten Prozess in die irdische Jetztzeit hineinholt. Oder inwieweit sich überhaupt aus der Kräftewirksamkeit etwas substanziell manifestieren muss, wenn wir noch nicht genau wissen, welche Qualitäten das eigentlich sind. Solange wir noch über Einzel­ prozesse sprechen, etwa über Mistellektine, die über einen immunologischen Prozess den Tumor bekämpfen, oder über die zytotoxischen, also die tumorzerstörenden Prozesse, sind wir eigentlich noch nicht bei der Qualität, die wahrscheinlich in der Mistel gesucht werden kann und muss, um auch die Gesamtkrankheit als solche in ihrer grundsätzlichen Entstehung zu behandeln. Denn der Tumor selber ist ja nur das Symptom dessen, was an fehlenden Gestaltungskräften dahinter steht. So geht es immer um die Frage: Dürfen wir das Symptom Tumor als solches in den Blick nehmen, oder ist es nicht eher die Desintegrationskraft, die angesprochen werden muss. Zwischen diesen Seiten wird wahrscheinlich auch das eigentliche Mistel­ therapeutikum zu suchen sein. WUK: Die Integrationskraft wäre die Ich-Kraft, die im Organismus als Form wirkt und von der Mistel unterstützt werden müsste. HM: Die Ich-Organisation hat zwei prinzipielle Polaritäten: Wie sie sich im embryonalen Wachstum zunächst offenbart, dass sie nämlich in der Differenzierung von Geweben, also durch den Stoffwechsel-GliedmaßenMenschen in die innere Differenzierung eines Organismus eingreift und dabei dennoch die Gesamtgestaltung verfolgt – das ist die Blut­ seite der Ich-Organisation. Und die andere Seite ist die, die über das Nervensystem abbauend formt, strukturiert. Welche müssen wir eigentlich stärken? Wir haben auf der einen Seite die Situation, dass der Tumor eigentlich in seiner Gestalt embryo­ logisch wieder jung wird, und wir haben auf der anderen Seite, dass die Tumore, die wir mit der Mistel behandeln, im Wesentlichen die Tumore des älteren Menschen sind. Sie sind dadurch gekennzeichnet, dass der Mensch sich in seiner Abbauphase oder in seiner Trennungsphase zu seinem leiblich-ätherischen Wesen befindet. Ich würde dazu tendieren, dass es um die IchKräfte geht, die durch den Stoffwechsel wirken sollen in der Differenzierung und der Integration, und weniger darum, sich an den oberen Menschen zu wenden. Aber da gibt es unterschiedliche Ansichten. Es wirken eben auch Form- und Strukturkräfte, die von außen oder im Sinne eines abbauenden Nerven-SinnesSystems tätig sind. Solange wir so viele offene Fragen haben und keine wirkliche Empirie, können wir lediglich Hypothesen generieren und sind in der Forschung eigentlich noch sehr am Anfang. WUK: Sie hatten im Vorgespräch angedeutet, es sei eine Chance vor nicht langer Zeit vertan worden... HM: Ein großer Hersteller von Onkologika ist auf die anthroposophische Bewegung zugegangen und hat angefragt, ob die Mistel als anthroposophisches Mittel auch konventionell für die Schulmediziner in die Onkologie eingeführt werden kann. Die jetzige Situation der Mistelhersteller hat dazu geführt, dass dieses Angebot von außen hochwahrscheinlich nicht bedient werden kann. Eine solche Kooperation wird zurzeit eher aus wirtschaftlichen Gründen abgelehnt. Damit vertun wir aus meiner Sicht eine historische Chance. Wenn wir Ergebnisse aus der anthroposophischen Medizin nur unter uns publizieren und auf Kongressen demons- Anthroposophie Weltweit • Mitteilungen Deutschland, Juni 2014 Anthroposophische Gesellschaft trieren, dann bleibt es immer unter denen, die von dem Weltbild her auch hinter dieser Medizin stehen. Wenn es sich hingegen um einen neutralen und sonst konventionellen Anbieter handelt und wenn auch die Forschung von Menschen durchgeführt wird, die sonst nicht auf dem anthroposophischen Menschenbild fußen, dann bekommt es eine andere Akzeptanz in der konventionellen Onkologie. Diesen Brückenschlag gibt es jetzt leider nicht. WUK: In den vorangegangenen Beiträgen dieser Reihe war von einer doppelten Depression die Rede: in der anthroposophischen Mistelforschung, aber auch ganz allgemein in der Krebstherapie – in beiden Fällen, weil es nicht wirklich Erfolge gibt. HM: Das eine ist die gute Depression, die die konventionelle Medizin gebracht hat: dass sie den Krebs als einen genetischen Unfall gesehen hat und nun diese Auffassung selbst zunehmend infrage stellen muss. Auch was zurzeit als individualisierte Therapie bezeichnet wird, ist eigentlich nichts anderes, als dass Charaktereigenschaften eines Tumors immer mehr herangezogen werden sollen, um sie in der Therapie zu nutzen. Das hat aber nichts mit der Individualität des betreffenden Menschen zu tun, sondern mit einer zunehmenden materiellen Typisierung des Tumorgewebes. Insgesamt kann man sagen, die konventionelle Medizin hat erkannt, dass sie in der Bekämpfung des Symptoms Tumor eigentlich nur sehr unwesentliche Fortschritte gemacht hat. Wir haben etwa eine Verzehnfachung der Kosten und nur eine unwesentliche Lebens­ verlängerung – außer in der Hämato­onkologie bei den Kindertumoren, wo es deutliche Fortschritte gegeben hat. Aber gerade in den Prozessen, in denen der Tumor durch Chemo­therapie bekämpft wird, haben wir sehr, sehr geringe Therapiefortschritte. In den letzten zehn Jahren haben wir kein durchbrechendes Medikament mehr neu in die Hand bekommen; wir haben jetzt die Biologika, Anti­körpertherapien, die zum Teil 70.000 Euro pro Jahr kosten, bei denen aber die Lebens­verlängerung nur zwei oder vier Wochen beträgt und die Lebens­qualität manchmal deutlich eingeschränkt wird. Was dazu geführt hat, dass auch der Vorsitzende der Arzneimittelkommission Prof. Ludwig, jetzt gesagt hat: Uns interessiert eigentlich nicht mehr, ob eine Wirkung eines Zytostatikums gegeben ist, sondern was der Nutzen für den Patienten ist. Man hat immer mehr Geld investiert in die Zerstörung von Tumoren als etwas Mechanisches, und man musste einsehen, dass der Effekt für den Organismus, länger zu leben, sich zu befreien von der Krankheit, eigentlich kaum fortgeschritten ist. Das ist die Depression, die wir insgesamt in der Onkologie haben. Die «anthroposophische» Depression besteht darin: Wir haben in den letzten zehn Jahren durchaus Effekte, wenn wir die Mistel nehmen, wie der Chirurg das Messer nimmt, dass wir nämlich mit intratumoraler Mistelinjektion Tumore zum Schmelzen gebracht haben. Wir können in dem Pankreastumor die Mistel hineinbringen. Wir haben auch Tumore, etwa der Speiseröhre, die bei dieser Behandlung kleiner werden, und wir konnten zeigen, dass es so zu deutlichen Lebensverlängerungen gekommen ist. Aber wir verhalten uns hier wie die konventionelle Medizin, wenn wir den Tumor, das Symptom des Tumors bekämpfen, letztendlich aber nicht die Ursache. Die Integrität des Gesamtorganismus, die Ich-Organisation im formenden, im gestaltenden Prinzip stützen wir da durch die Mistel eigentlich nicht, sondern wir nehmen die Mistel anstelle dieser Formkräfte und zerstören den Tumor. Wir bieten also die Mistel nicht dem Organismus an, um seine eigenen Gestaltungs­kräfte wieder von innen zu ergreifen. Es verführt der Ausspruch Rudolf Steiners, wir sollen die Mistel als Messer des Chirurgen sehen – die Frage ist doch, ob das wirklich so gemeint war, dass man den Tumor wie der Chirurg herausschneiden, mit der Mistel klein werden lassen oder einschmelzen kann. Daher gibt es selbst bei den Fortschritten auch einen Stillstand und keine großen Entwicklungen. WUK: Dann war Volker Fintelmann die IchFrage gerade in therapeutischer Hinsicht sehr wichtig, und in diesem Zusammenhang formulierte er, die Chemotherapie treibe den Menschen geradezu in die Krankheitsregion hinein. HM: Das kann man so sehen, und es geschieht auch oft, denn der Mensch wird durch die Krebserkrankung auf seine Dualität gestoßen. Man kann einerseits sagen, ein Tumor sei nichts anderes als ein Geschwür in einem Körper; das Seelisch-Geistige eines Menschen ist davon nicht betroffen. Trotzdem wissen wir alle, dass mit der Krebserkrankung das Seelische enorm infrage gestellt wird. Ohne meinen Leib kann ich auf dieser Erde nicht leben, und so kommt hier auch immer Angst auf. In seiner Biografie ist der Erkrankte, bevor der Krebs ausgebrochen ist, oft nicht richtig in die Gestaltung gekommen und hat sich eher vom Leben gestalten lassen. Wenn dann die Ärzte sagen, jetzt muss man operieren, Chemotherapie beginnen usw., dann richtet sich das gesamte Prozedere eigentlich gegen den Tumor, aber vollzieht sich nicht für den Erkrankten. Wird ein Mensch in dieser Situation allein gelassen, dann hat er Angst in der Seele, und daraus erfolgt die Reaktion: Was kann / muss ich alles machen? Dann wird gegebenenfalls die Mistel genommen, aber auch Selen oder Vitamin C, und letztendlich ist es ein Aktionismus. Das Ich wird nicht gestärkt, sondern es versucht, eher hilflose Antworten sinnvoll oder nicht sinnvoll zu leben. Wenn dann eine Chemo­therapie hinzukommt, können die Eigengestaltungskräfte und die vitale Ebene des Menschen wieder geschwächt werden. Natürlich müssen wir Operation und Chemotherapie heute mit erwägen. Aber eine gute onkologische Therapie muss an dem Punkt arbeiten: Wo steht das Individuum? Wo holen wir es ab, und wie kann es wieder zum Gestalter seiner eigenen Biografie werden? Wir wissen schon als Kind, dass wir irgendwann sterben, Anthroposophie Weltweit • Mitteilungen Deutschland, Juni 2014 nur ist dieser Moment durch die Erkrankung näher gerückt oder ins Bewusstsein gekommen. So gibt es hier eigentlich wie immer im Leben die Fragestellung: Welche Antworten, welche Gestaltung wollen wir unserer Biografie geben? Diesen Bewusstseinsprozess haben wir als anthroposophische Ärzte zu unter­ stützen. Da ist noch vieles offen; auch wie mit einer Chemotherapie so ein Weg möglich oder inwiefern er verhindert wird. Das muss individuell abgewogen werden. WUK: Als Abschluss: Wie kann es in Zukunft weitergehen? Gibt es nächste kleine Schritte oder auch größere Visionen? HM: Wir haben leicht viel Fantasie und große Visionen. Wir müssen aber zunächst einmal konstatieren: Die rechtlichen Möglichkeiten, ein neues Mistelpräparat als ein Anthropo­ sophikum zuzulassen, existieren faktisch nicht mehr. Das geht so weit, dass wir die jetzt bestehenden Mistelmittel erhalten, aber nicht verändern können; der Rechtsrahmen ist inzwischen sehr eng. Wenn wir jetzt in die Entwicklung gehen, dann wird es ähnlich sein wie in der konventionellen Medizin; man muss mit hohen Entwicklungskosten und teuren Studien rechnen. Dann wird nicht mehr die Mistel allgemein als Krebstherapeutikum, sondern für ein ganz bestimmtes Krankheitsbild zugelassen, wie zum Beispiel Brustkrebs im adjuvanten Stadium, Stadium III. Und solche Studien sind sehr aufwendig und sehr teuer. Wenn wir wirklich in die Mistelforschung gehen, ist unter 40 bis 50 Millionen Euro wahrscheinlich keine neue Mistel an den Markt zu bringen. Wir haben viele interessante Fragestellungen, müssen aber jetzt sehen, dass der besondere Weg der Zulassung für ein Anthroposophikum in Deutschland nicht mehr gegeben ist. So kann die Ideenwelt aus meiner Sicht visionär sein, aber die Realitäten werfen uns leider extrem zurück. Hier müsste das soziale Krebsproblem der Vereinzelung überwunden werden; die anthroposophischen Hersteller, Pharmazeuten, Ärzte und die ganze anthroposophische Bewegung müssten zusammenarbeiten. Ich denke, die Mistel ist unsere Speerspitze bei den Medikamenten; sie ist am besten untersucht worden. Mit ihr können wir heute schon in der konventionellen Medizin anerkannt werden; hier müssen wir uns auseinandersetzen. Deshalb ist die Beschäftigung mit der Mistel für mich stellvertretend für das, was das gesamte anthroposophische Medizinsystem erstreben kann: von der Binnenanerkennung zu einer echten Verbreitung der Anthropo­ sophischen Medizin zu kommen – indem sie nicht durch den ideologischen Hintergrund, sondern durch Wirksamkeit überzeugt. Das ist die Aufgabe, die ich mir für die nächsten 20 Jahre gesetzt habe. PD Dr. Harald Matthes ist ärztlicher Leiter des Gemeinschafts­ krankenhauses Havelhöhe Berlin und wissenschaftlicher Leiter des Forschungsinstitut Havelhöhe. 3 Anthroposophische Gesellschaft Die Wahrheit des anderen In einem Vortrag zur «Sozialen Frage als Bewusstseinsfrage» beschreibt Rudolf Steiner das Behaftet-Sein mit Vorurteilen als ein Grundproblem des heutigen MenschSeins und den praktischen Versuch, dieses angeborene Problem zu überwinden als einen Gedankenweg zum Christus. «Heute ist der Mensch, so wie er geboren wird, notwendig mit Vorurteilen behaftet. Wir werden nun einmal nicht anders als mit Vorurteilen behaftet geboren. Das ist das Wesen des heutigen Menschen. Und bleibt der Mensch so, wie er heute geboren ist, dann trägt er die Vorurteile durch das ganze Leben hindurch. Er lebt einseitig. Man kann sich heute nur retten, wenn man innere Toleranz hat, wenn man einzugehen vermag auf die Meinungen anderer Menschen, selbst wenn man sie für Irrtümer hält. Wenn man Verständnis, innigstes Verständnis aufbringen kann für die Meinungen anderer Seelen, auch wenn man sie für Irrtümer hält, wenn man liebevoll das, was der andere denkt und fühlt, in sich aufnehmen kann wie das, was man selbst denkt und fühlt, wenn man sich diese innere Toleranz, diese Fähigkeit aneignet, so kommt man allmählich über die uns heute in unserem Menschheitszyklus angeborenen Vorurteile hinaus. ... Heute sagt der Christus zu dem Menschen: Was du in einem der geringsten deiner Brüder mit innerer Toleranz verstehst, auch wenn es ein Irrtum ist, das hast du von mir verstanden, und ich werde dich die Vorurteile überwinden lassen, wenn du diese deine Vorurteile abschleifst an dem toleranten Aufnehmen dessen, was der andere denkt und fühlt.» Die Auseinandersetzung um die «Kritische Ausgabe» von Schriften Rudolf Steiners im fromann-holzboog Verlag hat die Atmosphäre der vergangenen Generalversammlung der Anthropo­sophischen Gesellschaft am Goethea­ num zu einem erheblichen und wenig förderlichen Teil geprägt. Dabei gab eine Arbeitsgruppe zu diesem Thema Gelegenheit, das Für und Wider dieses Projektes abzuwägen und kontrovers zu besprechen. Diese Gelegenheit wurde von zahlreichen engagierten Teilnehmern genutzt und die unterschiedlichen Standpunkte in ein faires und konstruktives Gespräch eingebracht. Die Rudolf Steiner Nachlass­verwaltung und der Rudolf Steiner Verlag erklärten dabei durch ihre anwesenden Vertreter, dass sie eine irreführende Formulierung im Impressum der Kritischen Ausgabe verändern und damit die Distanz der beiden Verlage in Zukunft deutlicher machen werden. Insofern entstand in diesem Gespräch für viele Teilnehmer eine neue Basis. Die zu dem strittigen Thema im Plenum geführten Gespräche und verteilten Schriftsätze wiesen hingegen eine weit weniger sachdienliche Diktion auf. Zur Vermeidung von Missverständnissen sei hier eine Vorbemerkung eingeschoben. Mir sind all jene Freunde nahe, die bestimmte Sprachformen dieser Ausgabe rügen, welche der wissenschaftlichen Konvention, dem vorgeblichen 4 Nachweis kritischer Distanz des Herausgebers oder laxer Selbstgefälligkeit dienen. Nicht, dass ich darin sich von anderen Zeugnissen aktuellen Wissenschaftslebens in besonderem Maße negativ abweichende Muster sähe, – was mir das Engagement der betreffenden Freunde wertvoll macht, ist das Eintreten für Rudolf Steiner und die Anthroposophie, die Liebe zu dem als wertvoll Erkanntem und die daraus folgende Schutzbereitschaft. Das hätte Christian Clement durchaus aufmerksamer und rücksichtsvoller bedenken dürfen, ganz gleich ob es geltende Konvention oder politischer Opportunismus zwingend vorschreiben. Es wäre eine Frage der Haltung, eines menschlich freien Handelns gegenüber Werk und Autor gewesen, die diese Ausgabe erst ermöglicht haben. Jenseits des damit bezeichneten Verständnisses liegen für mich aber Polemiken und agitatorische Entstellungen, die nicht zur Wahrheitsfindung, sondern zur Emotionalisierung und Verleumdung Anlass geben. Das eklatanteste Beispiel in dieser Richtung liegt für mich in der Behandlung des mormonischen Hintergrundes der Brigham Young University, an der Christian Clement, der Herausgeber der kritischen Ausgabe, lehrt. Diese 1875 vom deutschen Gymnasiallehrer Karl G. Mäser gegründete Universität ist eine konfessionelle Einrichtung, die jedoch grundsätzlich allen Interessierten offen steht. Als ihr spezielles Bildungsziel gibt sie eine über das rein Intellektuelle hinaus­ gehende ausgewogene Entfaltung der ganzen Persönlichkeit an. Die «Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage» tritt dabei als rechtlicher und finanzieller Träger dieser Universität auf. In Deutschland pflegen wir eine solche Institution eine Einrichtung in freier, manchmal auch konfessioneller Trägerschaft zu nennen, um sie von Einrichtungen in staatlicher Trägerschaft zu unterscheiden. Über den verhängnisvollen Einfluss staatlicher Trägerschaft auf die Produktivität von Einrichtungen des Geisteslebens hat Rudolf Steiner zahlreiche entschiedene Hinweise gegeben. Die Brigham Young University bietet in 198 akademischen Programmen einen Bachelor-Grad, in 69 einen Master und in 28 ein Doktorat an. In Jura und in Management wurde sie von U.S. News & World Report unter die 40 besten Universitäten der USA eingereiht. Im Jahr 1992 formulierte die Universität im «Statement on Academic Freedom» Einschränkungen der Lehrfreiheit für drei Bereiche. Es darf keine Äußerung öffentlich oder vor Studierenden gemacht werden, - die fundamentaler Kirchendoktrin widerspricht oder entgegenwirkt, statt zu analysieren oder diskutieren, - absichtlich die Kirche oder ihre allgemeine Führung angreift, oder - dem Verhaltenskodex der Universität zuwiderläuft, weil die Äußerung unehrlich, unkeusch, profan oder unangemessen respektlos anderen gegenüber ist. Darüber hinaus gibt es den für Studierende, Lehrende und Angestellte oben genannten und gleichermaßen verbindlichen Verhaltenskodex mit folgenden Vorschriften: - Sei ehrlich - Gehorche dem Gesetz und allen Universitäts­ regeln - Führe ein keusches und tugendhaftes Leben - Respektiere andere - Enthalte dich von alkoholischen Getränken, Tabak, Kaffee und dem Drogenmissbrauch - Ermutige andere, sich an den Verhaltens­ kodex zu halten - Beachte den Standard für Kleidung und gepflegtes Aussehen - Nimm regelmäßig an Gottesdiensten teil (gilt nur für Mitglieder der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage) - Benutze eine saubere Sprache Wenngleich dieser Verhaltenskatalog gegen­ über heutigen europäischen Standards restriktiv wirkt, ist dennoch zu prüfen ob er sich von vergleichbaren Bildungseinrichtungen konfessioneller oder weltanschaulicher Ausrichtung anderswo signifikant unterscheidet. Von besonderem Interesse ist dabei die Auswirkung der Verhaltensnormen auf die Qualität wissenschaftlicher Arbeit. Als bekannte Absolventen der Brigham Young University werden neben zahlreichen Sportlern der Chemie-Nobelpreisträger Paul Delos Boyer, der Gouverneur von Utah Gary R. Herbert, die Jugendbuch-Autorin Stephenie Meyer und Mitt Romney, der ehemalige Gouverneur von Massachusetts und Präsidentschaftskandidat der USA genannt. Als besonders schwerwiegender Einwand gegen den mormonischen Hintergrund der Universität und der an ihr arbeitenden Personen wird von manchen Kritikern der «Kritischen Ausgabe» auf die Taufpraxis der Mormonen hingewiesen. Dabei geht es um die bei den Mormonen als Sonderform praktizierte Totentaufe. In ihrer theologischen Rechtfertigung beruft sich diese Praxis auf den Apostel Paulus, der im 1. Korintherbrief 15,29 schrieb: «Wenn das, was ich über die Auferstehung gesagt habe, nicht zutrifft, was für einen Sinn hat es dann, dass einige von euch sich für die Toten taufen lassen? Wieso lässt man sich für Tote taufen, wenn Tote gar nicht auferstehen?» (Textfassung Neue Genfer Übersetzung) Über die Auslegung dieses Wortes gibt es eine Fülle von um die 200 verschiedenen Deutungen. Von der Erklärung als beiläufige, nebensächliche und daher unbedeutende Notiz bis zum Beleg für ein richtiges, sakramentales Taufverständnis bei Paulus reichen die Auslegungsversuche. Karl Barth äußerte dazu: «Ich werde der erste sein, mich zu freuen, wenn eine befriedigendere Erklärung dieser Stellen in glaubwürdiger Weise auf die Bahn gebracht wird; vorläufig sehe ich keine andere Möglichkeit als die, das historisch Unauflösliche in seiner Rätselhaftigkeit stehen zu lassen.» (Karl Barth, Die Auferstehung der Toten. Eine akademische Vorlesung über Anthroposophie Weltweit • Mitteilungen Deutschland, Juni 2014 Anthroposophische Bewegung I.Kor.15, München 1926) Jedenfalls scheint es so, dass Paulus nicht eindeutig zu dem korinthischen Brauch Stellung nimmt und unklar bleibt, was er genau davon hält. Er bezieht sich auf ihn, um ein Argument für die Auferstehung und nicht gegen die Totentaufe vorzubringen. Der von Paulus beschriebene Brauch lässt sich im 2. und 3. Jahrhundert nach Christus jedenfalls als Ritus bei den Marcioniten, Kerin­ thianern und Montanisten nachweisen. Dabei versteckten die Anhänger dieser Taufpraxis beispielsweise einen Menschen unter dem Totenbett, und ließen diesen dann bei der Tauffrage stellvertretend für den Verstorbenen antworten. Auch die Neuapostolische Kirche kennt die Vikariatstaufe (Totentaufe), in der Lebende stellvertretend für Verstorbene getauft werden. Hier stützt sich die Praxis auf den 1. Petrusbrief im 4. Kapitel: «Denn dazu ist auch den Toten das Evangelium verkündigt, dass sie zwar nach Menschenweise gerichtet werden im Fleisch, aber nach Gottes Weise das Leben haben im Geist.» (Luther) Dreimal im Jahr finden in der Neuapostolischen Kirche sogenannte «Gottes­dienste für die Entschlafenen» statt. Die leitenden Apostel führen am Ende dieser Gottes­dienste die stellvertretende Taufe an zwei Amtsträgern durch. Die stellvertretende Taufe wird in der Neuapostolischen Kirche ohne Kenntnis oder Angabe eines Namens der Verstorbenen durchgeführt. Bei den Mormonen hat die «stellvertretende Taufe für den Verstorbenen», wie die offizielle Bezeichnung ist, einen von der Anzahl her beträchtlichen Umfang angenommen. Sie dient der «Sammlung Israels», d.h. der Vorbereitung auf die Endzeit und soll denjenigen die Teilhabe am ewigen Leben ermöglichen, die im Leben keine Möglichkeit zur Taufe in dieser Kirche hatten. Notwendig dafür ist nur die Kenntnis des korrekten Namens sowie die Geburts- und Sterbedaten. Die Taufe darf nur durchgeführt werden, wenn die betreffende Person mindestens ein Jahr verstorben ist oder, bei fehlendem Sterbedatum, vor mindestens 110 Jahren geboren wurde. Anders als die Taufen an Lebenden, die in jedem mormonischen Gemeindehaus vollzogen werden, finden Totentaufen nur in einem der weltweit 138 Tempel (Stand August 2012) statt. Durch eine intensive Sammlung entsprechenden Materials verfügt die Kirche Jesu Christi der Heiligen Letzten Tage heute mit mehr als 1 Milliarde Datensätzen über die größte genealogische Datenbank der Welt. Die evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen erklärt dazu: «Regelmäßig erhalten Kirchengemeinden das Angebot, ihre Kirchenbücher kostenlos auf Mikrofilm sichern zu lassen ... damit Menschen im Nachhinein mormonisch «getauft» werden können. Die Mormonen haben in bomben- und erdbebensicheren Stollen in den Rocky Mountains die größte genealogische Datensammlung der Welt angelegt. Die Mikroverfilmung von Kirchenbüchern hat praktische, theologische, seelsorgerliche und juristische Aspekte. Sie war katholischerseits lange vielerorts möglich. Auch einzelne evangelische Landeskirchen erlaubten sie. Heute wird aus theologischen Gründen sowie aus Gründen des Personendatenschutzes durchweg davon abgeraten. Dabei ist abzuwägen, dass eine ablehnende Entscheidung in vielen Fällen den endgültigen Verlust dieses Kulturgutes bedeuten wird.» Abwägend fügt die evangelische Zentralstelle hinzu: «Als Christ muss man ernst nehmen, dass Paulus die Totentaufe nicht verurteilt. Der Gang Christi in das Reich des Todes gehört zum christlichen Glaubensbekenntnis. Wenn den Toten das Evangelium gepredigt wird (1. Petr 3,18f; 4,6), ist es möglich, daraus zu schließen, dass Verstorbene in einer Art «Zwischenwelt» heilsrelevante Entscheidungen treffen können.» Die letzte Schlussfolgerung der evangelischen Zentralstelle lautet dennoch: «Der mormonischen Totentaufe liegt aus christlicher Sicht eine Verkennung des Wesens des Sakraments zugrunde.» Für die selbständige Beurteilung der vorliegenden Problematik mag ein bestimmter Tat­ bestand entscheidend sein. Liegt in der Taufpraxis der Mormonen ein Missbrauch geistiger Handlungen vor und werden Verstorbene unheilvoller Manipulation ausgesetzt? In dem Protokoll einer esoterischen Stunde Rudolf Steiners (Hamburg, 22. Mai 1908, GA 266a, S.383) tritt der Satz auf: «Wenn die Esoterik die eigene Freiheit beeinträchtigen würde, so wäre das schwarze Magie.» Ohne Frage ruft eine demagogische Darstellung der Taufpraxis der Mormonen Befürchtungen dieser Art hervor. Solche Befürchtungen schrecken selbst von der Vorstellung einer «okkulten Gefangenschaft» Rudolf Steiners und ähnlichem nicht zurück. Denn es ist bekannt geworden, dass entsprechende Taufhandlungen für Rudolf und Marie Steiner durchgeführt worden sind. Nun könnte angesichts entsprechender Befürchtungen trefflich polemisiert werden. Von welchem Geburtsdatum ist man da im Fall Rudolf Steiners ausgegangen? Erweist sich eine nach der Geburt erteilte katholische oder eine posthume mormonische Taufe als wirksamer? Welche Rolle spielt ein in freier Christlichkeit gelebtes Leben? Kann man einen Eingeweihten posthum mit einer ungefragt erteilten Taufe überwältigen und womöglich zum Mormonen machen? Welches Gewicht hat die einer spät taufwilligen Schülermutter für ihr an der Waldorfschule erzogenes Kind von Rudolf Steiner gegebene Mitteilung, dass Waldorfpädagogik die Taufe ersetzen könne? Rudolf Steiner beschreibt den Sinn der Taufe im Vortrag über «Spirituelles Erkennen, Religiöses Empfinden, Kultisches Handeln» vom 5. Oktober 1921 (GA 343) für die Priester der entstehenden Christengemeinschaft als «Aufnahme in die christliche Gemeinde» und als «Gelöbnis dieser Gemeinde, den Täufling aufzunehmen und über seine christliche Entwickelung zu wachen». Damit beschreibt er den Sinn der Taufhandlung als ein am Beginn des Erdenlebens sich in das gegenwärtige Zeitbewusst- Anthroposophie Weltweit • Mitteilungen Deutschland, Juni 2014 sein hineinstellendes Geschehen. Von diesem Bewusstseinsstand haben wir als Anthroposophen heute auszugehen. Was sollte auch davon abführen? Den religiösen Brauch der Mormonen muss man dennoch nicht verunglimpfen. Denn für das religiöse Leben verfolgen die Engel in den Astralleibern der Menschheit heute ein Ziel: « ... dass von der geistigen Welt aus der Engel unwiderleglich dem Menschen zeigen wird, dass der Christus-Impuls außer allem übrigen auch völlige Religionsfreiheit für die Menschen bedingt, dass nur das das rechte Christentum ist, welches absolute Religionsfreiheit möglich macht.» (Was tut der Engel in unserem Astralleib?, GA 182, S.149) Und auch der gesunde Menschenverstand kann sich die Rechtfertigung für die Toleranz der Seele leicht verschaffen. In ihrem lesenswerten Artikel über die «Totentaufe» vermerkt die Wikipedia, dass nach Auffassung der Mormonen «der Verstorbene im Jenseits selbst entscheide, ob er die ihm solchermaßen zugedachte Taufe auch annehmen will». Dass es sich dabei nicht um eine willfährige Interpretation handelt, belegt die Erklärung der «Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage» auf ihrer Homepage öffentlich. (www. mormon.org) Unter dem Stichwort: «Warum vollziehen die Mormonen in ihren Tempeln stellvertretende Taufen?», wird die eingangs referierte Argumentation dargestellt und mit den Worten abgeschlossen: «Die Mitglieder der Kirche vollziehen stellvertretend Taufen für Verstorbene und bieten diese Segnungen so ihren verstorbenen Vorfahren an. Diese können dann im künftigen Leben das, was für sie getan wurde, entweder annehmen oder ablehnen.» Die Mormonen vollziehen ihr Taufritual also nicht als magischen Zwang, sondern verstehen ihn als Liebesdienst und stellen Annahme oder Ablehnung frei. Um Rudolf und Marie Steiner muss man sich da keine Sorgen machen. Für die Echtheit und Glaubwürdigkeit der anthroposophischen Arbeit in der Anthropo­ sophischen Gesellschaft ist jedoch unabdingbar, dass auf Polemik und Verleumdung verzichtet wird, wenn es um die Prüfung und Beurteilung unbekannter Tatbestände geht. Es geht dabei um die Verwirklichung des Projektes, dem sich die Mitglieder dieser Gesellschaft widmen wollen: «Was du in einem der geringsten deiner Brüder mit innerer Toleranz verstehst, auch wenn es ein Irrtum ist, das hast du von mir verstanden, und ich werde dich die Vorurteile überwinden lassen, wenn du diese deine Vorurteile abschleifst an dem toleranten Aufnehmen dessen, was der andere denkt und fühlt. – Das ist das eine. Das ist mit Bezug auf das Denken der Weg, zu dem Christus zu kommen. Dann kann der Christus so in uns einziehen, dass wir nicht nur Gedanken über ihn haben, sondern dass der Christus in unseren Gedanken lebt.» Hartwig Schiller 5 Anthroposophische Gesellschaft Vorstandsberichte Im Folgenden stellen im Anschluss an die Vorstellung der vier neuen Kandidaten in der Mai-Ausgabe (S. 3-5) die drei aus dem bisherigen Arbeitskollegium verbliebenen und sich zur Neuwahl stellenden Vorstandskandidaten ihre zurückliegende Tätigkeit und Zukunftspläne dar. Meine Aufgaben Mit großer Freude habe ich die Nominierung für drei weitere Jahre in der Vorstandstätigkeit angenommen. Für das damit zusammen­ hängende Vertrauen bin ich dankbar, und ich fühle die Verpflichtung, mich für die Fortentwicklung und Pflege der Anthroposophie Rudolf Steiners und der Anthroposophischen Gesellschaft einzusetzen. Die Schwerpunkte meiner Aufgaben liegen dabei zum einen im Austausch mit der Mitgliedschaft, mit Zweigen, Gruppen, Einzelmitgliedern, der Weltgesellschaft und anderen Landesgesellschaften. Zum anderen liegt in der Pflege des Erscheinungsbildes nach außen, der Öffentlichkeitsarbeit und Kontaktpflege zu Einrichtungen des Kulturlebens ein wichtiger Schwerpunkt. Ein drittes Gebiet hat sich durch die vielfältigen Arbeitsbeziehungen zum Goetheanum und die konkrete Tätigkeit im Zusammenhang der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft ergeben. Die Zusammenarbeit der Hochschul­ beauftragten in der Landesgesellschaft und das Sichtbarmachen der Wirkensrichtung der Freien Hochschule im Bereich der allgemeinen Sektion erweisen sich da als zwei Kernpunkte. Dabei soll einerseits der Hochschulcharakter ihrer Arbeitsweise deutlich werden, andererseits aber auch dasjenige, was sie von anderen Hochschulen unterscheidet. Nicht allein die Spezialisierung auf bestimmte Berufsfelder, sondern Wege und Mittel, um die Entwicklung des Allgemein-Menschlichen in einer konkreten, praktisch-spirituellen Weise im individuellen Menschen unabhängig von Stand, Konfession und Herkunft zu fördern, gehört zu ihren Aufgaben. Hartwig Schiller Rechenschaftsbericht für 2013/14 «Das alte traumhafte Hellsehen musste verschwinden, und der Mensch musste auf die Welt der Sinne beschränkt werden, um – auf dem Weg des Unterscheidungsvermögens der physischen Erscheinungen – zum Bewusstsein seiner selbst zu gelangen. In Zukunft wird er das Hellsehen wieder gewinnen und wird gleichzeitig sein Selbstbewusstsein aufrechterhalten können.» (GA118, 18.4.1910) Hier ist schon der Hauptunterschied zum sogenannten, «atavistischen» Hellsehen gekenn­ zeichnet: Dieses fand ohne die Beteiligung des noch kaum vorhandenen wachen Ich oder Selbstbewusstseins statt. In Urzeiten lebten die Menschen noch ganz aus der Wahrnehmung des Geistigen, Seelischen und Ätherischen ihrer Umwelt heraus. Die physische Seite des Ganzen spielte noch keine Rolle. Und dann begann einer plötzlich 6 von der verschiedenen Form, ein anderer von der Farbgebung, wieder ein anderer von der Materie der Gegenstände oder Lebewesen zu sprechen. Das werden zuerst tastende Versuche gewesen sein. Dafür mussten auch erst die Sinne ausgebildet, die Worte gefunden, entwickelt werden. Die anderen werden das alles erst einmal verwirrend, unwichtig, widersprüchlich gefunden haben! Heute dagegen ist uns die sinnliche Welt ganz selbstverständlich. Aber nehmen wir deswegen alle dasselbe bei einem gemeinsam Erlebten wahr? Jeder kennt doch das Beispiel von den Menschen, die Zeuge eines Unfalls werden und bei der Befragung hinterher ganz verschiedene Geschichten erzählen. Oder man nehme ein Bild und lasse sich von verschiedenen Menschen beschreiben, was sie darauf sehen. Und wenn so schon die sinnliche Wahrnehmung nicht einheitlich ist und jeder erst einmal einen individuellen Standpunkt hat, von dem aus er schaut, wie kann dann die neue, noch junge übersinnliche Wahrnehmung einheitlich sein? Denn diese hängt als Fähigkeit genauso mit unserem individuellen Ich zusammen wie die sinnliche Wahrnehmung. So kann der gleiche Weg unterschiedlich erlebt werden. So führen also noch verschiedene Wege nach Rom…. Ausgehend von dem letztjährigen Kolloquium zur übersinnlichen Wahrnehmung gab es ab Herbst 2013 jeden Monat einen Artikel verschiedener Teilnehmer zu einem der behandelten Themen in den «Mitteilungen». Das diesmal zweitägige Kolloquium fand wieder im Mai in Berlin statt. Eingeladen waren alle mir bekannten oder vorgeschlagenen Menschen aus dem anthropo­ sophischen Bereich, deren Lebens- und Forschungsthema die übersinnliche Wahrnehmung ist und die damit auch öffentlich und/ oder «produktiv» tätig sind. Es kamen diesmal: Frank Burdich, Astrid Engelbrecht, Roswitha und Wolfgang Findeisen, Agnes Hardorp, Steffen Hartmann, Gunhild von Kries, Dirk Kruse, Thomas Mayer, Vera und Karsten Rentsch, Dorian Schmidt, Wolfgang Schneider und Johanna Weule. Für das Protokoll und einen ausführlichen Bericht (folgt in unserer Juli-Ausgabe) war Monika Elbert dabei. Es gab wieder von Einzelnen angeleitete gemeinsame Übungen: - eine Denkübung als Grundlage für die Wahrnehmung des Ätherischen, - eine Erinnerungsübung mit Erspüren des Unterschieds zur Denktätigkeit, - Aufbau der möglichst konkreten Vorstellung eines Begrüßungserlebnisses mit einem anderen Menschen (als 1. Schritt der 4-tägigen Karma-Übung), - den meditativen Versuch zur Wahrnehmung eines bestimmten Verstorbenen - und zur Wirkung verschiedener Stoffe, bzw. der dahinter stehenden Wesen auf unsere sinnliche Wahrnehmungsfähigkeit anhand einer Schüssel voller Äpfel. Diesmal war Zeit, um sich immer wieder phänomenologisch an Aspekte der verschiedenen Methoden heranzutasten. Ein Schwerpunkt des diesjährigen Arbeitstreffens lag so mehr noch als die ersten Male auf dem gemeinsamen Forschen. Wie ist die individuelle Methodik? Können die Anderen dafür ein Verständnis entwickeln? Das Kennenlernen anderer Wege «auf Augenhöhe» wurde als besonders fruchtbar und als gemeinschaftsbildend erlebt, und es wurde von allen eine Fortsetzung dieser Arbeit im nächsten Jahr gewünscht, denn, wie eine Teilnehmerin meinte: «Wir sind doch erst ganz am Anfang.» Ich empfinde mich nach knapp 3 Jahren als einigermaßen «angekommen» im Arbeits­ kollegium wie auch in der Gesamtkonferenz und gewinne immer mehr ein Gefühl für die Komplexität der Aufgaben, vor denen die anthroposophische Gesellschaft im Großen wie im Kleinen steht. Mir wird immer deutlicher, wie recht Goethe mit folgendem Satz hat: «Ein einzelner hilft nicht, sondern wer sich mit vielen zur rechten Stunde vereinigt.» Nur wenn wir uns mit unseren individuellen Fähigkeiten zusammen tun (statt uns unsere Unfähigkeiten vorzuhalten), werden wir den Herausforderungen der Zukunft gewachsen sein. Mit der oben angesprochenen Forschungsarbeit zur übersinnlichen Wahrnehmung im Rahmen einer überregionalen Arbeitsgruppe möchte ich gerne fortfahren. Das hängt natürlich auch immer vom Interesse der tätigen Spezialisten in diesem Bereich und der Bereitschaft zusammen, sich konstruktiv, fragend, dialogisch und forschend einzubringen. Als zweites Arbeitsgebiet könnte ich mir die Pflege des Initiativenfond 2 (und bei Bedarf eventuell auch des Initiativenfond 1) vorstellen: Die bewilligten Anträge sammeln, nachhaken, die Ergebnisse veröffentlichen, usw. Jasmin Mertens Meine Tätigkeit im Arbeits­ kollegium Inzwischen bin ich einer der Langlebigen im Arbeitskollegium der Deutschen Landes­ gesellschaft. Geboren 1954, nach Waldorfschule, Ausbildung in biologisch-dynamischer Landwirtschaft und Sozialpädagogik, zunächst tätig in der Sozialtherapie. Dann 16 Jahre Aufbau und Leitung eines anthroposophischen Jugendseminars in Verbindung mit verschiedenen Praxisfeldern wie Landwirtschaft, Handwerk und Bautätigkeiten. Seit 1993 für das Arbeitszentrum NRW tätig und in der Kultur- und Bildungsorganisation sowie als Ver- Anthroposophie Weltweit • Mitteilungen Deutschland, Juni 2014 Anthroposophische Gesellschaft treter des Arbeitszentrums in der Konferenz der DLG. Seit 2005 im Arbeitskollegium der Landesgesellschaft. Den Start bildete der Auftrag, die Zusammenarbeit zwischen Konferenz und den Vorständen vermittelnd zu gestalten und den Prozess der Neubildung der Satzung zu steuern. Hier kam mir meine Ausbildung in Organisationsentwicklung bei Dr. Friedrich Glasl in Salzburg sehr zu Hilfe. Auch die Ausgestaltung und Durchführung der größeren, öffentlichen Mitgliederversammlungen gehörten und gehören bis heute mit zu meinen Aufgaben­ bereichen. Sehr bald kam dann ein neues Feld hinzu. Ausgehend von der Frage, wie wir stärker mit jüngeren Menschen zusammen­ arbeiten können, rückten die Jugendaktivitäten in den Vordergrund. Über die Einrichtung eines Jugend-Unterstützungsfonds bis zu den verschiedenen Jugendkolloquien und letztlich die Gestaltung der diesjährigen MGV zusammen mit den jüngeren Mitgliedern. Welche Aufgaben sehe ich in den nächsten drei Jahren? Da ist einmal die Fortsetzung des Begonnenen im Jugendbereich. Hier scheint es mir an der Zeit, mit allen Jugendverantwortlichen der anthroposophischen Bewegung, bis hin zur Jugendsektion, Jugendseminar Stuttgart, aber auch z.B. der EOS-Jugendarbeit und anderen freien Initiativen, in einen intensiveren Austausch zu kommen. Welche Qualitäten können wir fördern? Gibt es in Zukunft gemeinsame Aufgabenstellungen? Dann kommt noch eine Aufgabe hinzu, die ich durch viele Jahre verfolgt habe. Das bezieht sich auf die Zusammenarbeit der Verantwortungsträger der AG mit denen der «Lebensfelder». Können wir hier in einen konstruktiven, unterstützenden Dialog kommen? Gibt es gemeinsame «Kernaufgaben» der Anthroposophie, zu denen die anthroposophische Bewegung als Gesamtheit beitragen kann? Können wir dazu gemeinsame «Begegnungsräume» und Impulse eröffnen? Ziel wäre eine Zusammenkunft der anthroposophischen Bewegung in zwei- oder drei Jahren. Gleichzeitig geht es aber auch darum, dass die Anthroposophische Gesellschaft nach 100 Jahren ihre eigene Identität neu findet und beschreibt. Sie ist eine altehrwürdige Gesellschaft, die im 21. Jahrhundert in einem deutlich verändertem Kulturumfeld wirksam sein will. Sie ist gleichzeitig eine Zukunftsgesellschaft. Wobei neu zu finden ist, was an ihr wirklich diese Zukunftsfähigkeit ausmacht. Das scheint mir auch die gegenwärtige Herausforderung zu sein: Was können wir heute, wo im Finanziellen noch einige Mittel vorhanden sind, für die nächsten zehn Jahre an Entwicklungsarbeit leisten? Eine Entwicklungsarbeit, die nicht so sehr für uns selber ist, sondern die der nächsten Generation die Weichen stellt. Michael Schmock Es folgt der Arbeitsbericht von Gioia Falck, die bereits auf der MV 2013 in das Arbeitskollegium gewählt worden ist. Tätigkeitsbericht Überblick zur Tätigkeit in der AGiD Hauptthema: Anthroposophie und Kunst, insbesondere Eurythmie - Künstlerische Verantwortung bei Jahres­ versammlung, Tagungen und konkreten Anlässen innerhalb der AGiD, - Wahrnehmen und Einbringen von künstlerischen Aktivitäten in Deutschland, vor allem Eurythmie, - Einzelne Eurythmie-Projekte mit Kindern, Erwachsenen und Bühnen-Eurythmist/ Innen, auch gemeinsam auftretend. - Speziell für Zweige:«Geheimwissenschaft im Umriss» von Rudolf Steiner und Mysterien­ dramen, thematisiert für Aufführungen mit Einführungen. Anknüpfung an frühere Tätigkeit Meine bisherige Tätigkeit als Eurythmistin an der Goetheanumbühne Dornach hatte mit sich gebracht, dass neben den Aufführungen auch immer wieder Einblicke gewünscht wurden, wie Rudolf Steiner mit der Eurythmie im Allgemeinen, aber auch speziell in Goethes FAUST oder in seinen Mysteriendramen gearbeitet hat. Zentrale, anthroposophische Zusammenhänge konnten thematisiert werden, da diese Werke, insbesondere die Dramen, große Lebens- und Erkenntnisfragen auf ihre Weise stellen, sodass eine Aktualität entsteht, der sich heute jeder Einzelne gestellt sehen kann. Kunst und Erkennen Für die künstlerische Darstellung im Dramatischen ist alles individualisiert: Eine oder mehrere bestimmte Personen oder sogar individuelle Geistwesen agieren in einem bestimmten Moment. Die Person Johannes Thomasius z.B. begegnet ihrem Doppelgänger, sie erlebt ihre konkrete mittelalterliche Inkarnation. Der spontane Vergleich zu anderen Biografien oder zur eigenen ist greifbar nahe, man ist in solchen Momenten nicht in distanzierter Betrachtung. ImVorfeld der Mysteriendramen-Aufführungen an den verschiedenen Orten in Deutschland hatten wir die Gelegenheit, mit moderierten Aufführungen Einblicke in die Dramen zu geben, wo szenische Abschnitte deutlicher herausgearbeitet, verglichen oder vertieft werden konnten. In Seminar- und Gesprächs­ arbeit wurden Themen vorbereitet und weiter­ verfolgt. Wir haben dabei festgestellt, dass scheinbar auseinander liegende Berufsgruppen sich plötzlich wieder zusammen fanden. Ideen zu Neuorientierungen oder das Erschließen zu neuen Tätigkeitsfeldern- und Themen wurden angesprochen und sollen weiter aufgegriffen werden. Ein Projekt Seit letztem Herbst war die Initiative PRiM in Vorbereitung, und sie ist inzwischen auch auf Reisen, wo die Eurythmiekollegin Barbara Bäumler und ich durch den Abend führen. Diese Veranstaltungen möchten nahe bringen, wie die in der Geheimwissenschaft benannten Mächte und Kräfte heute im Konkreten Anthroposophie Weltweit • Mitteilungen Deutschland, Juni 2014 allgegenwärtig weiter schaffen. Verlieren wir das Empfinden für die Wärme, fühlen wir uns nicht mehr beheimatet; erkaltet zieht langsam Furcht in die Seele; diese wächst heute. Das Abgetrennt-Sein lässt schließlich alles sinnlos erscheinen. Im Unbewussten sind die Kräfte ständig anwesend. Ein Mittel, dem sich zu nähern, ist die Konzentration und das künstlerisches Erleben. Dazu möchten die Einführungen, Workshops und Abendaufführungen beitragen. Je nach Möglichkeit vor Ort sind bei diesem Projekt weitere Künstler in die Veranstaltungen mit einbezogen. Gioia Falck Es folgen abschließend die Tätigkeits­ berichte der beiden ausscheidenden Arbeits­­kollegiums­mitglieder Birgit Ebel und Wolf-Ulrich Klünker Bericht aus dem Bereich Kunst und Kunstförderung Im Bereich Kunst und Kunstförderung wird der Versuch gemacht, eine Gesellschaftsform entstehen zu lassen, die sich beschreiben lässt aus dem, was sich real ereignet. Sie hat kein vorgegebenes Programm, das einmal gebildet und das dann als Form oder Aufgabe weitergeführt wird. Das heißt, die Form selber ist im Werden und Vergehen begriffen und in einem ständigen Neuwerden. Menschen kommen zusammen, und da geschieht dann etwas, was als ein Formbildeprozess zu beschreiben wäre, als eine Art anfänglicher Gesellschaftsbildung innerhalb der Anthroposophischen Gesellschaft. Es ist die Bildung einer GesellschaftsSubstanz. Dafür muss alles Bewusstsein aus dem gemeinsam Entstandenen wieder verschwinden können und sich im Tun wieder neu bilden. Ausgangspunkt ist der Einzelne. Ausgangspunkt ist nicht eine heilige Aufgabe, sondern was im Zusammenkommen einzelner Menschen sich real ereignet. Ein Gefühl der Verantwortung für dieses Formgeschehen erwacht in Menschen und wacht in diesem Prozess. Beginn Der Bereich Kunst und Kunstförderung innerhalb der Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland wurde 2009 von Susanne Lin und Birgit Ebel ins Leben gerufen. Ausgangs­ motivation war, dem Bedürfnis vieler Künstler nach einem erkenntnisoffenen Austausch nachzukommen. Gedacht war zunächst, eine umfassende Plattform für künstlerische Aktivitäten aller Kunstsparten zu ermöglichen und dem künstlerischen Agieren und Forschen Raum und Beachtung zu schenken. Wie finden Menschen zusammen Wenn der Einzelne in die Lage kommt, den Ausgangspunkt seines Tuns immer mehr in sich selber zu setzen, ist Einsamkeit ein Ort der inneren Aktivität. Selber-Werden breitet sich unter uns Menschen aus. Allen gemeinFortsetzung Seite 8 7 Anthroposophische Gesellschaft Fortsetzung von Seite 7 sam ist die Suche nach Zusammenwirken und Erkenntnisarbeit in offenen, gemeinsam gewollten ‚Räumen‘. Die Kolloquien sind zunächst für Künstler. In jedem Kolloquium stellt ein Künstler seine Arbeit vor und leitet selbstverantwortet in seiner Art einen Arbeitsprozess mit den Teilnehmern an. Einige Themen der Kolloquien - Die Frage der Authentizität steht am Anfang sowohl im eigenen Leben und Wirken als auch als Art der Kolloquien. Mit diesem Thema wurde anhand der schauspielerischen Darstellung einer Figur aus dem Mysteriendrama umgegangen. Verantwortlich: Olaf Bockemühl, Schauspieler, Regisseur, Mitbegründer der ‚Schauspielschule Basel’. - Bewegungs- und Textarbeit bezogen auf die Wahrheitsfrage auf Grundlage eines unveröffentlichten Textes des kurz zuvor verstorbenen Joachim Daniel: «Wahrheit und Kunst». Verantwortlich: Jobst Langhans, Schauspieler, Regisseur, Dozent und im Leitungsgremium der Schauspielschule ‚Michael Tschechow Studio Berlin’. - Der Vorgang des Wahrnehmens war leitendes Thema unseres Kolloquiums im Kunstmuseum Wolfsburg anhand der Ausstellungen ‚Die Alchemie des Alltags’ und ‚Rudolf Steiner und die Kunst der Gegenwart’ - ‚Lecture performance’ – ‚Intuition in Bild und Bewegung’. Bildbetrachtung, Bewegung im Raum und das Gespräch standen in wechselseitiger Beziehung. Zur Vorbereitung diente ein Text von Rudolf Steiner aus den ‚Leitsätzen’: ‚Über die Bildnatur des Menschen’. Verantwortlich: Henning Hauke, Maler, Projekte zum digitalen Bild, und Alexander Seeger, Professor der Eurythmie an der Alanus Hochschule. - ‚Straßenbahnhaltestelle’, Kolloquium im Hamburger Bahnhof, Museum für Gegenwartskunst. Prozessschritte der Erkenntnismöglichkeiten im Wahrnehmungsvorgang anhand einer Installation von Josef Beuys. Verantwortlich: Martin Kollewijn, Philosoph - ‚Die Kunst ist die Ichform der Wirklichkeit’. Verantwortlich: Wolf-Ulrich Klünker, Autor, und Enno Schmidt, Künstler - Eurythmielabor. Verantwortlich: Hans Wagen­ mann, Eurythmist und Schriftsteller, und Bir­ git Hering, Eurythmistin. Hans Wagenmann schrieb dazu in seinem Einleitungstext: «Das Kolloquium wird in, an diesen Schwellen und Grenzen zu einem gemeinsamen Labor aller Anwesenden». - Karmische Konstellationen – ein Ort künstlerischen Handelns. Ausgehend von Konstellationen in Bewegungsformen und szenischen Miniaturen wurden Wirkungen erlebbar, die möglicherweise karmische Schichten berührten. Verantwortlich: Olaf Bockemühl, Birgit Hering, Andreas Laudert, Hans Wagenmann. Aus den Kolloquien heraus haben sich Arbeitsund Forschungszusammenhänge an verschiedenen Orten gebildet 8 ‚ousia 1’ und ‚ousia 2’ Zwei Essayhefte zur Ästhetik sind im Zusammenhang mit den Kolloquien auf Initiative von Henning Hauke erschienen. Kunstförderung Das Zukunftspotential eines jeden Menschen erfährt eine erste Realität durch das Bemerken eines anderen Menschen. Wir sind aufeinander angewiesen im gegenseitigen Bemerken. Und was braucht es dann, damit diese bemerkte Potenz, diese ‚potentia‘, Wirklichkeit werden kann? Üblicherweise werden Projekte finanziell gefördert, und das auf Grundlage einer Projekt­ beschreibung. Zu dieser projektorientierten Praxis der Mittelvergabe kann eine weitere Art hinzukommen: die Förderung offener Prozesse einzelner Menschen, die nicht im Vor­hinein beschreibbar sind. Offene Prozesse lassen Zukünftiges herein. Der existentielle Boden eines Menschen, der sich wirklich in offene Räume zu begeben vermag, ist nicht gesichert. Der Ausgang eines offenen Prozesses ist offen. Wie kommt das Neue in die Welt? Meine Mitarbeit im Bereich Kunst und Kunstförderung innerhalb der Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland wird auch nach meinem Ausscheiden aus dem Arbeitskollegium in bisheriger Form weitergehen. Aus gesundheitlichen Gründen verabschiedete sich Susanne Lin aus der aktiven Mitarbeit im Bereich Kunst und Kunstförderung. Birgit Ebel [email protected] Bereich Forschung und Forschungs­förderung Der Beratungskreis Forschung hat im Berichtsjahr in zwei Sitzungen 40 Anträge für Forschungs­vorhaben und Stipendien begutachtet; 18 Projekten wurde eine finanzielle Unterstützung zugesagt (aus den Bereichen geisteswissenschaftliche Grundlagen, allgemeine Anthroposophie, Pädagogik, Landwirtschaft, Eurythmie und Therapie). Insgesamt standen Fördermittel im Umfang von etwa 90.000 Euro zur Verfügung. In den Sitzungen wurden immer auch Kriterien und Entwicklungsfragen der Geisteswissenschaft erörtert. Der Beratungskreis, zusammengesetzt aus Vertretern der verschiedenen Fachgebiete und Mitgliedern des Arbeitskollegiums, fungiert als Beirat der Stiftung Forschungsförderung innerhalb der Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland. Die Stiftung bildet die wirtschaftliche und juristische Grundlage der Arbeit. Der Bereich Forschung und Forschungsförderung wurde seit zwölf Jahren von mir geleitet; Monika Elbert hat in dieser Zeit die Administration der Stiftung und des Beratungskreises übernommen. Der ganze Arbeitszusammenhang steht jetzt vor einer Neuorganisation: Es erscheint sinnvoll, die Strukturen der Forschungsförderung beim Aufbau der Förderstiftung Anthroposophie mit zu bedenken. Das Arbeitskollegium hat mich gebeten, diesen Prozess zukünftig weiter zu begleiten, auch wenn ich nicht mehr für den Vorstand der Anthroposophischen Gesellschaft kandidiere. In der Tätigkeit des Beratungskreises kann auch der Versuch gesehen werden, eine Forschungsgemeinschaft aus den verschiedenen Erkenntnisbereichen zu bilden. Dabei versteht sich der Kreis als ein Organ der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft und ist in diesem Sinne auch mit den Grundlagen der Anthroposophie befasst. Anthroposophie gründet und bezieht sich auch auf solche Arbeiten der Freien Hochschule. Die Zukunft der Anthroposophischen Gesellschaft wird entscheidend davon abhängen, welche Intentionen, Impulse und Kräfte aus einer geisteswissenschaftlichen Koopera­ tion hervorgehen können. Andererseits werden wissenschaftsnaher Diskurs und Darstellbarkeit sicher immer stärker Voraussetzung für eine kulturelle Wirksamkeit der Anthropo­ sophie. Im Bereich Forschungsförderung bleibt die Anthroposophische Gesellschaft in Kontakt mit den verschiedenen Forschungsgebieten ihren Repräsentanten – und diese bleiben in Kontakt mit der Anthroposophischen Gesellschaft. Ohne eine solche Verbindung wäre der Zusammenhang von Gesellschaft und Hochschule, von anthroposophischer Bewegung und Forschung gefährdet. Im vergangenen Jahr habe ich mich entschlossen, zur Abrundung meiner Verantwortungszeit für die Forschungsförderung die verschiedenen Bereiche geisteswissenschaftlicher Forschung inhaltlich konkret zu dokumentieren. In einer für eine größere Leserschaft interessanten Form sollten die historische Entwicklung und der gegenwärtige Stand (insbesondere auch existentiell) wichtiger Forschungsgebiete dargestellt werden. Ziel war weiter, das persönliche Engagement der betreffenden Forscher und vor allem Zukunftshorizonte ihrer Arbeit zu verdeutlichen. Dafür erschien mir die Form des erkenntniswissenschaftlichen Gesprächs am ehesten angemessen. In den letzten Monaten sind in dieser Zeitschrift Gespräche zur Menschenkunde und zur Pädagogik (Jost Schieren und Christian Rittelmeyer), zur Pharmazie der Mistel (Armin Scheffler) und zur Krebstherapie (Volker Fintelmann) erschienen. Ich selbst habe in einem Aufsatz die Entwicklung und die menschenkundlichen Grundlagen der Misteltherapie behandelt (vgl. Mitteilungen Januar/Februar 2014). Das Gespräch mit Harald Matthes setzt das Thema Krebstherapie in der vorliegenden Ausgabe fort; weitere Beiträge sind geplant bzw. bereits in der Bearbeitung. Weil sich hier einzelne Konturen einer therapeutischen, aber auch anthroposophisch-menschenkundlichen Zukunft abzeichnen, wird eine umfassende Buchpublikation vorbereitet. Wolf-Ulrich Klünker Anthroposophie Weltweit • Mitteilungen Deutschland, Juni 2014 Anthroposophische Gesellschaft Vorbereitungen laufen auf Hochtouren Am Wochenende vom 17./18. Mai trafen sich erneut die 14 Vorbereiter, die unsere Mitglieder­ versammlung gestalten. Die Gruppe der jungen Menschen ist unermüdlich. Da gibt es neben dem Totengedenken einen extra Raum, der den Seelen gewidmet ist, die in Zukunft auf die Erde kommen wollen. Ein Sechseck aus weißen Tüchern bildet einen «Lichtraum», und in der Mitte ein Dunkler Kubus – die Erde. Ein anderer Raum wird zur Installation mit Filmmaterial. Da gibt es aufgezeichnete Interviews zur Frage «Was verstehe ich unter Anthropo­ sophische Gesellschaft?». Auch das ist ein Jugendprojekt für die Mitglieder­versammlung. Der Schulhof wird mit 300 Paletten in eine Erlebnislandschaft verwandelt, in der ein Nachtkaffee genauso seinen Platz hat wie Infostände zu anthroposophischen Aktivitäten. Dann kommt das Campus – Festival, an dem sich in mehreren Sälen parallel Künstler präsentieren. Von Szenen aus Peer Gynt, bis zur Eurythmie «Wechselruf», Musik und Gesang, bis zu Kaspar Hauser–Rezitationen, vom Tanzkurs bis zu Präsentationen aus der Arbeit des Jugendseminars. Der «Campus-Anthropo­ sophie» wird zu einem lebendigen Festabend. Die Jahresversammlung beginnt mit einer Musikimprovisation, die am Ende dann in eine musikalische Reflexion der Versammlung mündet. Dazwischen werden nicht wie üblich Berichte der Vorstände gegeben, sondern zwei der Jüngeren sprechen mit ihnen über wichtige Erfahrungen ihrer Arbeit. Am Samstag wird dann ein neuer Vorstand gewählt, ebenfalls mit Musikimprovisationen «umrahmt». Dann ist natürlich der Eurythmieabend des Stuttgarter Eurythmeums zu nennen, der die Gäste am Donnerstag empfängt und vieles Weitere, was die Versammlung bereichern kann. «In der Anthroposophischen Gesellschaft kommt es auf das Leben an, das in ihr gepflegt wird», formuliert Rudolf Steiner, und ich habe den Eindruck, dass die jüngere Generation dieses Leben meint, wenn sie auf unsere Zusammen­ künfte schaut. Natürlich sind auch die Arbeitsgruppen da, die individuelle Zugänge zu geistigen Erfahrungen vermitteln wollen, sowie die Podien am Morgen, das Totengedenken am Abend usw. Diese Tagung ist ein Versuch, in allem die Art und Weise, das «Wie» lebendig zu machen. Hiermit ergeht noch einmal eine herzliche Einladung vom 19. bis 22. Juni nach Stutt­ gart zu kommen. Es wird mit Sicherheit ein besonderes Erlebnis, dieses anthroposophische Leben auf dem Campus. Nähere Informationen zum Programm, das unserer Aprilausgabe beigelegen hat (siehe dazu auch die «Jungen Texte» in der MaiAusgabe) finden Sie unter www.anthroposophische-gesellschaft.org/Startseite.79.0.html im Internet. Für die Vorbereitungsgruppe Michael Schmock Berichte aus den Arbeitszentren (an) Nachfolgend bringen wir einen ersten Teil der Jahresberichte der zehn Arbeitszentren innerhalb der Deutschen Landesgesellschaft. Da wir im letzten Jahr von Nord nach Süd gereist sind, geht die Reise in diesem Jahr von Süden nach Norden. Die Reise endet zunächst in der Mitte und wird in der kommenden Ausgabe dann mit den übrigen Arbeitszentren fortgesetzt. München Das einschneidenste Ereignis dieses Jahres war zweifelsohne die durch gesundheitliche Probleme notwendig gewordene Auszeit von Florian Roder ab November 2013. Dies stellte in erster Linie das Kollegium, aber auch die Mitarbeiter und Mitglieder vor große Herausforderungen. Gisela Weller-Widmann fand sich bereit, bis zur endgültigen Klärung im Herbst 2014 die vakanten Aufgaben vertretungs­weise zu übernehmen. Unsere guten Gedanken gehen auch von dieser Stelle aus zu Florian Roder mit herzlichen Grüßen und den aller­ besten Wünschen. Der Mitgliedertag im Mai stellt für unser Arbeitszentrum das zentrale Geschehen des Jahres dar. Es ist jeweils der Vorbereitungsgruppe gedankt, dass es sich dabei um eine gelungene Mischung aus der Beschäftigung mit anthroposophischen Themen, dem praktischen Tun in Arbeits- oder Übgruppen, um Berichte aus Gremien und von den Lebensfeldern, sowie um viele Gelegenheiten zu per- sönlichen Begegnungen handelt. Die Vorbereitungsgruppe gibt sich viel Mühe, zunächst einmal herauszufinden, was die Menschen gerade bewegt. Danach werden die Themen ausgewählt und vorgearbeitet. Es ist ein schönes Erlebnis von Gemeinsamkeit, das sich als Frucht dieser Arbeit bei den Besuchern einstellt und oft als Geschenk empfunden wird. Mit dem Totengedenken, das seit einigen Jahren den festlichen Auftakt des Treffens bildet, rufen wir auch unsere Verstorbenen zur Mitarbeit herein. Sehr empfindsam wird in persönlichen Schilderungen an ihr Leben erinnert. Das sind bewegende Momente, die einen nähren, weit über den Tag hinaus. Das Thema, das uns das gesamte Jahr über begleitet hat, ist «Das Geistige des physischen Leibes». Wir konnten dazu einen großen Bogen von Veranstaltungen anbieten. Es gab ein Wochenende zu Michelangelo mit Andrew Wolpert und einige Monate später kam mit Walter Streffer ein Kenner der Sixtinischen Deckenmalerei. Es wurden medizinische Themen aufgegriffen wie z.B. die Organspende- Anthroposophie Weltweit • Mitteilungen Deutschland, Juni 2014 Liebe Mitglieder, in der Vergangenheit war es üblich, den Geschäftsbericht mit der Jahresrechnung der Landesgeschäftsstelle und der konsolidierten Jahresrechnung aller Arbeitszentren und direkt der Landesgesellschaft angeschlossenen Zweigen in der betreffenden Ausgabe der «Mitteilungen» jeweils vor der Mitglieder­versammlung zu veröffentlichen. So war es den Mitgliedern möglich, sich über die wesentlichen Geschäftsvorfälle des vergangenen Jahres und die aktuelle Vermögenslage der Gesellschaft bereits vor der Mitgliederversammlung zu informieren. In diesem Jahr wollen wir die Jahres­rechnung so aufstellen, dass die Vermögenslage des Gesamtvereins umfassender dargestellt wird. Dieser ausführliche Bericht in neuer Form unserer Steuerberater über die Aufstellung der Jahresrechnung wird erst in den nächsten Tagen fertig gestellt werden und kann deshalb in dieser Ausgabe der «Mitteilungen» noch nicht veröffentlicht werden. Sie können den Bericht aber ab dem 1. Juni 2014 und unter www. anthroposophische-gesellschaft.org im Internet lesen und ausdrucken oder bei der mercurial-Publikationsgesellschaft mbH (Telefon 069 -582354; Fax: 582358; leserservice@mercurial. de) auf Wunsch kostenlos anfordern. Bei der Mitgliederversammlung werden Exemplare in ausreichender Anzahl ausliegen. Wir bitte Sie um Ihr Verständnis dafür, dass wir Ihnen diese kleine Unbequemlichkeit bereiten müssen. Die übliche Verfahrensweise konnten wir trotz aller Anstrengungen nicht einhalten. Mit herzlichen Grüssen Dr. Peter Krüger Alexander Thiersch Problematik an einem Wochenend-Seminar mit Dr. Urs Pohlmann und Jan Deschepper oder der Vortrag über das Hautorgan von Dr. Lüder Jachens, um nur Einiges zu nennen. Zur Vorbereitung auf unsere RosenkreuzTagung wurde über ein halbes Jahr verteilt an sieben Abenden zunächst aus der Chymischen Hochzeit je ein Tag gelesen. Das dort sehr bildhaft Beschriebene wurde anschließend gemeinsam meditativ betrachtet und dann besprochen. Die Tagung selbst fand im Herbst unter dem Titel «Aufleben im Werdewesen» statt und ging auf eine Idee Anna Seydels während ihrer Zeit als Kollegiumsmitglied zurück. Sie hielt einen sehr beeindruckenden Vortrag, wobei sie anhand von Motiven aus den Fenstern von Chartres den rosenkreuzerischen Weg anschaulich machte. Florian Roder war mit zwei Vorträgen vertreten. Er nahm uns mit auf die Suche nach Spuren des Rosen­ kreuzerischen bei Novalis. Das praktische Üben in Arbeitsgruppen, Eurythmie und Musik ergänzten und begleiteten die Tagung. Eine wichtige Wegmarke im Jahreslaufs unseres Arbeitszentrums ist das Vertreter­treffen, bei dem die Verantwortlichen der Zweige und Fortsetzung Seite 10 9 Anthroposophische Gesellschaft Fortsetzung von Seite 9 Arbeitsgruppen zu thematischer Arbeit, Beratung, Berichten und Gespräch zusammen­ kommen. Es findet jedes Jahr im Oktober an einem anderen Ort unseres Arbeitszentrums statt. Diesmal konnten wir uns in Rosenheim versammeln. Die zeitliche Ausdehnung auf zwei Tage hat neue Möglichkeiten der Gestaltung eröffnet, und diese Treffen sind inzwischen sehr beliebt und gut besucht. Unsere Partnerschaft mit Russland ist ein «Dauerbrenner» in unserem Arbeitszentrum. Die Betreuung liegt nun in den Händen von Florian Zebhauser, der sich sehr engagiert dafür einsetzt, dass die Flamme nicht erlischt und die Beziehung eine lebendige bleibt. Ihm steht Gabi Aurbach zur Seite. So werden am Mitglieder­tag im Mai dieses Jahres drei Vertreter aus Russland bei unserem Mitgliedertag zu Gast sein. Dies alles ist natürlich mit Kosten verbunden, die wir immer schwerer aufbringen können. So sind wir intensiv am Überlegen, wie wir starke Schultern finden können, die das mit uns weitertragen. Das Faust-Festival, das die im Norden Münchens gelegene Ismaninger Waldorfschule gemeinsam mit fünf weiteren Schulen aus ganz Deutschland durchführte, war ein voller Erfolg und hat viel Beachtung gefunden (siehe Bericht in der April-Ausgabe). Unser Arbeitszentrum hatte im Vorfeld, angeregt durch Klaus Meißin­ ger, dem Organisator und Betreuer des Festivals, zwei Veranstaltungen zum Thema Faust angeboten. Einmal gab es unter der Regie von Gioia Falk Erhellendes zu «Die Nachtseite von Goethes Faust» mit Erläuterungen, Eurythmie und der Aufführung einer Szene aus dem Faust von Schülern aus der Probenarbeit. Das andere Mal hielt Alfred Kon zwei Vorträge, die so gut ankamen, dass er gleich gebeten wurde, im Rahmen des Festivals einen Workshop für die Schüler zu geben. Dass die Anthroposophische Gesellschaft präsent ist und auch mitmacht, wo das Leben ist, dass sie vor Ort ist, wo die Menschen sind, das erscheint uns als eine der wichtigsten Aufgaben der Zukunft. Dieser Herausforderung wollen wir uns stellen, und wir haben uns vorgenommen, uns immer mehr in den Bereich der sogenannten Lebensfelder hineinzubegeben. Oft scheitert es an der wenigen Zeit, die wir haben, oder an den weiten Wegen oder einer gewissen Scheu, die wir lernen müssen zu überwinden. Wir haben im letzten Jahr wie schon im Jahr zuvor eine der Münchner Waldorf-Schulen besucht und konnten uns auch über einen Gegenbesuch von den Gründungslehrern freuen. Das soll fortgesetzt werden. Im Sinne dieser Bemühung hatten wir alle Sprachgestalter aus München und dem Umland ins Arbeitszentrum eingeladen und uns die Frage vorgelegt: «Wie geht es der Sprachgestaltung? Was braucht sie zum Gedeihen?» Es gab noch ein weiteres Treffen, und inzwischen hat sich aus den Reihen der Sprachgestalter eine Arbeitsgruppe gebildet. Wir sind gespannt, wie es weitergeht. Dies alles sind kleine Anfänge. Aber wir wollen 10 am Ball bleiben und uns noch intensiver um Kontakte und Begegnungen zu allen Bereichen bemühen, in denen die Anthroposophie lebt. Denn wo die Anthroposophie lebt, da leben wir. Und wo wir leben, da lebt die Anthroposophische Gesellschaft. Gisela Weller-Widmann Stuttgart Ein Brückenkreis von zuletzt neun Persönlichkeiten hatte im Januar letzten Jahres die Aufgabe erhalten, die Arbeit des zurückgetretenen Initiativkollegiums fortzuführen und Vorschläge für die zukünftige Gestalt des AZS zu erarbeiten. Daneben übernahmen acht Persönlich­ keiten die Aufgaben eines Finanzgremiums für die rechtlichen und wirtschaftlichen Fragen des AZS. Durch Protokolle und Berichte und zuletzt durch gemeinsame Sitzungen wurde der Informationsaustausch sichergestellt. Am 26.4.2014 trafen sich nun 50 Zweig­ vertreter und interessierte Mitglieder im Rudolf Steiner-Haus Stuttgart, um über die zukünftige Arbeitsgrundlage des AZS und die personelle Besetzung der neuen Gremien zu beraten und zu entscheiden. Nach der Begrüßung und einer musikalischen Einstimmung durch Marcus Gerhardts gedachten die Anwesenden Johannes Kehrer, der am 22. März 2014 verstorben ist, und viele Jahre im Initiativkollegium des Arbeitszentrums, im Initiativkreis der Großzweiges Stuttgart und Vertreter des AZS in der Konferenz der Landes­gesellschaft war. Hartwig Schiller schilderte in bewegenden Worten den Einsatz von Johannes Kehrer in den drei Bereichen, die das Leben von Johannes Kehrer bestimmten: die Familie, die Waldorfschule und die Anthroposophische Gesellschaft. Er hat uns viel gegeben, und wir werden ihn in guter Erinnerung behalten. Sein Wirken ist Ansporn für uns alle. Dr. Jörg Ewertowski und Gebhard Rehm erläuterten die Änderungen in der Arbeitsgrundlage. Das Wesentliche ist die neue Struktur der Organe, in der die wichtigsten Aufgabenbereiche des Arbeitszentrums zum Ausdruck kommen: - Kommunikation nach Innen Pflege und Intensivierung des Kontaktes zu den Zweigen und Regionen im Arbeits­ zentrum. Beratungsangebot bei Fragen zu Veranstaltungen und Zweigarbeit. Inhaltliche und organisatorische Verantwortung für den Rundbrief des Arbeitszentrums. - Kommunikation nach Außen Aufbau, Pflege und Intensivierung der Beziehung zu den anthroposophischen «Lebensfeldern» (Pädagogik, Medizin, Unternehmen, Landwirtschaft u.a.), sowie zur Christengemeinschaft und zu Jugendinitiativen und Ausbildungsstätten. Kontaktaufbau zu kulturellen, politischen und wirtschaftlichen Einrichtungen sowie zur Presse. Pflege der Homepage und technische Ausführung und Versand des Rundbriefs. - Veranstaltungen und Koordination Rudolf Steiner-Haus Veranstaltungen des Arbeitszentrums und Fragen der Nutzung des Hauses in Ab­sprache mit den Verantwortungsträgern im Rudolf Steiner-Haus. - Neue Initiativen Der Arbeitsbereich «Neue Initiativen» ist das Ohr für Menschen, die Projekte anregen und durchführen möchten. Er wird die Initiativen begleiten. - Finanzen und Verwaltung des Initiativenfonds Bearbeitung der wirtschaftlichen, finanziellen und rechtlichen Fragen und Aufgaben des Arbeitszentrums. Die Vergabe der Mittel des Initiativenfonds geschieht in Abstimmung mit dem Kolle­ gium. Der Leiter des Arbeitsbereichs Finanzen ist der Schatzmeister des Arbeitszentrums in der Konferenz der AGiD. - Die Vertretung des Arbeitszentrums Stutt­ gart in der Gesamtkonferenz der AGiD Der Brückenkreis schlug vor, die Zweig­ vertreterversammlung zu erweitern und allen Mitgliedern nicht nur wie bisher schon die Teilnahme, sondern auch die Mitwirkung zu ermöglichen, da nur ca. 30 % der Mitglieder an der Zweigarbeit teilnehmen. Es bestand weitgehende Übereinstimmung, dass dieser Schritt an der Zeit ist. Die Bearbeitung dieses Prozesses allerdings wurde in die Hand des neuen Kollegiums gegeben. Nach dem geschlossenen Rücktritt und der Entlastung des Brückenkreises stimmte die überwältigende Mehrheit der Zweigvertreter für die neue Arbeitsgrundlage. Hartwig Schiller leitete die Wahl derVerantwort­ lichen im Kollegium und der Mitarbeiter in den Arbeitsbereichen. Eine Findungskommission hatte die Kandidatenliste – die noch einige Lücken aufwies - erstellt. Alle vorgeschlagenen Kandidaten wurden mit großer Mehrheit bestätigt: - Kommunikation nach Innen Kollegium: Dr. Jörg Ewertowski; Mitarbeiter: Margot Rogalski - Kommunikation nach Außen Kollegium: Dr. Jörg Ewertowski; Mitarbeiter: Rosina Breyer, Mechtild Walliser, Dr. Roland Schaette - Veranstaltungen und Koordination Rudolf Steiner Haus Kollegium: Marcus Gerhardts; Mitarbeiter: Sebastian Knust - Neue Initiativen NN - Finanzen und Verwaltung des Initiativenfonds Kollegium: Klaus Merckens; Mitarbeiter: Ger­ hard Schütt, Eberhard Hertler - Vertretung des Arbeitszentrums Stuttgart in der Konferenz Gebhard Rehm Anthroposophie Weltweit • Mitteilungen Deutschland, Juni 2014 Anthroposophische Gesellschaft Zum Abschluss regte Klaus Merckens als souveräner Versammlungsleiter an, ein lebendiges Bild des Lebens im Arbeitszentrum entstehen zu lassen, an dem sich die Anwesenden rege beteiligten und Einblick in ihre Vorhaben gaben. Die Versammlung wurde mit herzlichem Dank an die Mitglieder des ehemaligen Brückenkreises beschlossen. Beim Treffen der Finanzverantwortlichen der Zweige des AZS am 10.5. wurde die finanzielle Situation des AZ dargelegt, die Arbeit des Finanzgremiums beendet und dem Arbeits­ bereich Finanzen übergeben. Die Zweige haben ihre zugesagten Beiträge erbracht, und es ist gelungen, den vom AZS geplanten Beitrag von 13 €/Mitglied/Monat – und damit einen zusätzlichen Solidarbeitrag von 1,50 € - an die AGiD/Dornach weiterzuleiten. Auch die für das AZS vorgesehenen 3 €/Mitglied/Monat wurden erreicht. Allerdings reicht dieser Betrag seit einigen Jahren nicht aus, die Ausgaben des AZS zu decken. Deshalb warb der neue Schatzmeister Klaus Merckens für eine Erhöhung auf 4 €/M/M. Die Diskussion über diese Frage ergab, dass die Mehrheit der Anwesenden dafür Verständnis hat und es Aufgabe des Arbeitsbereichs Finanzen sein wird, dies in den nächsten Wochen auf freiwilliger Basis zu erreichen. Die Finanzverantwortlichen wollen sich weiterhin für größtmögliche Solidarität innerhalb der AGiD und gegenüber Dornach einsetzen. Vorerst muss das Defizit aus noch vorhandenen Rücklagen gedeckt werden. Der Initiativenfonds konnte im letzten Jahr 49.000 € aus Mitteln der AGiD und aus eigenen Mitteln für die Förderung der anthropo­ sophischen Arbeit zur Verfügung stellen. Davon gingen 15.000 € an Ausbildungsstätten und Campus A, der Rest an die Zweige für künstlerische und seminaristische Aktivitäten. Der Initiativenfonds soll die Zweige in die Lage versetzen, diese Aktivitäten zu ermöglichen und trotzdem die zugesagten Beiträge an das AZ abzuführen. Gebhard Rehm Oberrhein Im Arbeitszentrum Oberrhein ist derzeit ein Wandel im Gang. Sowohl der Schatzmeister als auch die Sekretärin scheiden nach jahrzehntelanger Arbeit aus ihrer Tätigkeit aus. Auf deren Schultern ruhte die meiste Verantwortung, die meisten Tätigkeiten und die Sorge für das Arbeitszentrum nach außen und nach innen. Und wir anderen konnten uns meistens getrost zurücklehnen, weil ja für alles gut gesorgt war. Durch das Ausscheiden der beiden wird jetzt deutlich, dass es eine zu große Last ist, wenn nur zwei Menschen all diese Aufgaben wahrnehmen. Der Zweigvertreter-Kreis trägt zwar im Hintergrund die Verantwortung mit, aber im Alltag der Tätigkeiten waren diese beiden doch mit vielen Aufgaben sehr allein, denn es gab bisher keinen Vorstand, keinen Verantwortungs­kreis im Arbeitszentrum. Aus dieser Situation, man müsste schon sagen, aus dieser Not heraus, bilden sich jetzt (in diesen Wochen) zwei Gruppen von Menschen, die für die Zukunft Verantwortung im Arbeits­ zentrum mit tragen wollen. Zum einen entsteht langsam ein Kreis von Mitgliedern, die bereit sind, sich über Schatzmeister und AZ-Vertreter hinaus als Verantwortungskreis (Vorstand) der verschiedenen Aufgaben im AZ anzunehmen, diese untereinander zu verteilen und so die Geschicke des Arbeitszentrums in die Hand zu nehmen und zu gestalten. In Vorgesprächen wurde deutlich, dass es dabei nicht nur um Verwaltungsaufgaben gehen soll, sondern dass man von diesem Kreis vor allem auch eine deutliche Impulsierung der geistigen Arbeit im und für das Arbeitszentrum und zwischen den Zweigen erhofft. Diese Menschen sollen auf der nächsten Mitgliederversammlung Ende Juni den Mitgliedern zur Wahl vorgestellt und erst einmal nur für ein Jahr beauftragt werden, damit wir miteinander die neuen Strukturen im AZ erproben können, bevor wir sie für länger­fristig festlegen. Zum anderen tun sich gerade meist junge Menschen zusammen, denen die anthroposophische Arbeit in Freiburg und vor allem im dortigen Rudolf Steiner-Haus ein großes Anliegen ist. Wie diese geistige Arbeit impulsiert werden und ein geistiges Zentrum für Freiburg entstehen kann, wie Verbindungen zu Studenten und zur Uni Freiburg gebildet werden, auch sogar Veranstaltungen an der Uni selbst angeboten werden, wie geistige Arbeit und Schulung, wie Meditation und meditative Techniken mehr bekannt gemacht werden, wie die verschiedenen anthroposophisch tätigen Gruppen und Institutionen besser unteeinander bekannt werden und miteinander zusammenarbeiten können, all das sind Fragen und Anliegen, die in diesem neuen Initiativkreis vorhanden sind und mit der Zeit immer besser beantwortet und angegangen werden wollen. Wolfgang Drescher Frankfurt Die Bemühungen des letzten Jahres fanden ihre Fortsetzung: Vorrangig geht es um Besuche des Kollegiums des Arbeitszentrums in Zweigen (oder von Barbara Messmer alleine), um die inhaltliche Arbeit an den «Leitsätzen» in den Konferenzen, die Förderung von Aktivitäten der Zweige und den Aufbau von überregionalen Arbeitsgruppen. Die Motive hierfür sind, Anthroposophie zu verinnerlichen und in eigene Formen zu prägen, sich darin gegenseitig wahrzunehmen und dies für das soziale Leben der Anthroposophischen Gesellschaft fruchtbar zu machen. Es fanden drei Besuche des Kollegiums in Zweigen statt. Die Studientage in Darmstadt und Saarbrücken waren sehr intensiv; wir lernten durch unterschiedliche Arbeitsweisen voneinander und wurden eine ernst-fröhliche Studiengemeinschaft. In Saarbrücken kam die Anthroposophie Weltweit • Mitteilungen Deutschland, Juni 2014 jahrelange Beschäftigung des Zweiges mit den Mysteriendramen der Arbeit sehr zugute, insbesondere in einem gemalten Überblick für sämtliche Bilder der vier Dramen und deren kurze Zusammenfassung durch Gisela Schaaf und Nicole Schorn. Zum Totengedenken lud der Zweig Wiesbaden alle Mitglieder im Arbeitszentrum ein. Wir integrierten zum ersten Mal die Textarbeit in das feierliche Geschehen, das von Musik und speziellen Kunstobjekten begleitet wurde. Es gelang, dass die Erkenntnis­ arbeit an den «Leitsätzen» inhaltlich wie stimmungsmäßig zum Denken an die Verstorbenen hinführen half. – Ihre Besuche in Zweigen wird Barbara Messmer in einem eigenen Bericht auswerten. Zwei Treffen der Konferenz wurden 2014 in eins zusammengelegt: die Mitgliederversammlung und die Finanzkonferenz, dafür die Sitzung auf einen Tag ausgedehnt. So konnte vieles in Ruhe besprochen werden, und es nahmen mehr Zweigverantwortliche teil, die sich in den Pausen begegnen konnten. Zu Beginn wurde kurz an den gerade verstorbenen Dr. Benediktus Hardorp gedacht. Das Arbeitszentrum hat in ihm einen Wohltäter in geistiger wie finanzieller Hinsicht verloren. Spontan wurde ein Lied für ihn auf einer Bass-Leier dargebracht. – Der frei gewordene Konferenz-Termin im Januar 2014 fand gleich Verwendung für ein Treffen mit jüngeren Anthroposophen, die die Tagung der AGiD in Stuttgart vorbereiten. Die Textarbeit an den «Leitsätzen» gelang «aus dem Stand». Sehr schöne Kontakte ergaben sich über den «Tag der Initiativen» im September 2013, den Sigrid Speckhardt aus dem Kollegium für das Arbeitszentrum durchführte. Es waren Einrichtungen geladen, die neue Initiativen hatten. Die Besucher staunten an den Ständen, Stelltafeln und bei den Darstellungen im Saal. Da eigentlich zu wenig Menschen aus den Zweigen gekommen waren, wird der Tag 2014 ausgesetzt, um das Konzept neu zu bedenken. Die Mitgliederversammlung des Arbeits­ zentrums im März 2014 plädierte eindeutig für eine Fortsetzung. Von den Zweigen Mannheim und Frankfurt wurde mittlerweile die Aufführung des 2. Mysteriendramas organisiert. Die Besucherzahl nahm leicht ab, aber es strömten wieder Menschen aus dem ganzen Arbeitszentrum zusammen. Mehrere Zweige behandeln an ihren Treffen die Mysteriendramen oder haben das getan. So wird dankbar entgegengenommen, dass nun auch die Goetheanum-Bühne reist. – Über die Veranstaltung «kassel spirituell» zum 1100-jährigen Jubiläum der Stadt Kassel ist schon berichtet worden (Mitteilungen November 2013). Es war in ihrer Art wohl die erste solche Unternehmung; Liane-Heide Niederhoff hat mit anderen spirituellen Gruppierungen über ein Jahr diesen Tag vorbereitet. Viele Zweige im Arbeitszentrum haben deshalb ihren Betrag aus dem Initiativen-Fonds 1 hierfür geschenkt. Fortsetzung Seite 12 11 Anthroposophische Bewegung Fortsetzung von Seite 11 Der Frauenrat des Arbeitszentrums blickt nun auf fast ein Jahr Arbeit und fünf Treffen zurück. Inzwischen sind dreizehn Frauen fest dabei, eine heterogene Gruppe mit Teilnehmerinnen aus ganz Deutschland. Ferner gibt es eine Gruppe passiver «Begleiterinnen». Nachdem sich der Frauenrat bei der Vorstandswahl der AGiD zu Wort gemeldet hatte, wandelte sich die Einstellung zu dieser Initiative, der zunächst mit Vorsicht, Sorge, Kritik und Ablehnung begegnet wurde. Nun kam viel Zustimmung und Anerkennung. Der Frauenrat will sich auch künftig zum Geschehen in der deutschen Landesgesellschaft äußern und es begleiten. Daneben gibt es so viele spannende Themen, dass die Sitzungen immer überquellen. Ein Arbeitskreis zur «Gestaltung der Anthropo­ sophischen Gesellschaft» hat sich über zwei Jahre in neun Treffen mit tiefer liegenden Schichten der Anthroposophischen Gesellschaft im Jahr 1923 befasst. Dabei ist immer mehr ein offensichtlicher Schwerpunkt von Rudolf Steiner zum Vorschein gekommen: die Aktivierung des Willens für höhere Erkenntnisprozesse und soziale Gestaltungen. – Der schon 16 Jahre bestehende Arbeitskreis «Anthroposophie und Theologie» konnte im letzten Jahr einen der seltenen Dialoge mit einem katholischen Theologen auf fruchtbare Weise durchführen. Beide genannten Arbeitskreise haben feste Teilnehmer aus ganz Deutschland und der Schweiz. In der deutschen Landesgesellschaft ist Edwin Fischer mit der Vorbereitung einer Software für die Zusammenlegung der Adressverwaltung in Deutschland beauftragt worden. Barbara Messmer war (zusammen mit Sebastian Boeg­ ner) in der Vorbereitung von neuen Beitrags­ regelungen sowie bei den Prozessgestaltern der Vorstandsfindung aktiv. Barbara Messmer Viktor Ullmann Viktor Ullmann, ein Komponist, der in der 20er, 30er und Anfang der 40er Jahre allseits anerkannt und gespielt war in Europa und darüber hinaus, geriet nach dem 2. Weltkrieg in die totale Vergessenheit; er wurde als sogenannter «Volljude» im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau am 18.10.1944 ermordet; von seiner Familie überlebte niemand, wenn man von zwei seiner Kinder absieht, die (drei- und fünfjährig) aber die Rettung und damit die Trennung von Eltern und Geschwistern seelisch nicht überstanden hatten; sein Privatarchiv ist bis heute verloren, und sein kompositorischer Nachlass gilt Jahrzehnte als verschollen, und auch heute ist gut die Hälfte davon immer noch nicht greifbar; die allgemeine Stimmung nach dem Krieg ist die des Verdrängens, des Vergessenwollens, seitens der Täter und auch der Opfer; und auch innerhalb der anthropo­sophischen Bewegung, einschließlich der Christen­gemeinschaft, gerät Ullmann vollständig aus dem Blickfeld. 12 Erst in den 70er Jahren wendet sich das Blatt ein wenig, aber entscheidend: Der Theresienstädter Nachlass Ullmanns wird in London von Julie und Kerry Woodward entdeckt, bei Hans-Günther Adler, der diese etwa 25 Kompositionen auf Ullmanns Wunsch hin von Emil Utitz 1946 in Empfang genommen hatte; auch wird, gut 30 Jahre nach ihrer Entstehung, im Dezember 1975 die Kammeroper «Der Kaiser von Atlantis oder Die Todverweigerung» in Amsterdam uraufgeführt - es ist das Werk, das sich am stärksten im europäischen (z.T. auch darüber hinaus) Kulturleben etabliert hat. Und in den 90er Jahren ist dann ein kräftiger Aufarbeitungswille zu bemerken, der zum 50. Todestag zu einem weltweit beachtetem Symposion am Goetheanum in Dornach Anlass gab (Oktober 1994), der zur Uraufführung, gut 60 Jahre nach ihrer Entstehung, des sogenannten Bekenntniswerks Ullmanns, der Oper «Der Sturz des Antichrist» nach der «Dramatische(n) Skizze» von Albert Steffen, in Bielefeld führte (Januar 1995) und zum 100. Geburtstag (1998) weltweit eine Vielzahl von Aufführungen eines breiten Querschnitts seines - erhaltenen Oeuvres ermöglichte. Und was ist heute, 70 Jahre nach Ullmanns gewaltsamem Tod, zu beobachten, auch aus der Rückschau dieser sieben Jahrzehnte? Durch das immer weitergehende Bekannt­werden vom Schaffen und der Person Ullmanns wurde wie selbstverständlich sein anthropo­sophischer Hintergrund «mitgeliefert», spätestens seit der Theresienstädter Nachlass 1987 zum Goethea­ num kam. In vielen Bereichen, zum Beispiel in Theaterkreisen, im Universitäts­betrieb, in Konzert­agenturen hat man sich ganz selbstverständlich mit der Anthropo­sophie auseinander­ gesetzt, so man mit dem Werk Ullmanns zu tun hatte; ja, vielfach wurde geäußert, man verstehe den Komponisten gar nicht, wenn man nicht die Anthroposophie und seinen Zugang zu ihr nicht berücksichtige. Ullmann diente und dient bis heute als Brücken­bauer zwischen der allgemeinen Kulturwelt und der der anthroposophischen Bewegung. Aller­ bestes Beispiel ist das Mährische Theater in Olomouc/Olmütz (Tschechien), in dem eine Vielzahl von Mitarbeitern auf allen Ebenen sich intensiv und sehr ernsthaft mit anthroposophischen Inhalten beschäftigt, denn genau zum 70. Todestag am 18.10.2014 kommt dort «Der Sturz des Antichrist» zur Premiere (tschechische Erstaufführung), gefolgt von einem Gastspiel dieses Ensembles am Goetheanum (Schweizer Erstaufführung) eine Woche später, am 25.10.2014. Und innerhalb der anthroposophischer Bewegung ? Nach dem man sich viele Jahrzehnte sehr schwer getan hat, sich dieses Komponisten anzunehmen (bis dahin, dass manch einer sich zu der Bemerkung veranlasst fühlte: «Warum ist der Ullmann in Euren Kreisen so unbeachtet, er ist doch einer von Euch ?!»), löst sich diese Zurückhaltung ganz langsam; und in dieser Richtung ist sehr anzuerkennen, das die Jahresversammlung der Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland, dies- mal in Stuttgart, nach mehreren vergeblichen Anläufen, im 70. Todesjahr dem Komponisten einen Abend widmet, an dem er zentral eine Würdigung erfahren wird: im Rahmen des Totengedenkens am 20.6.2014 werden einige Werke von Ullmann zu hören sein und wird auch von seinem Schicksal berichtet werden können. Darüber hinaus sind in diesem Jahr eine ganze Reihe von Aufführungen zu verzeichnen, z.B. im Januar schon eine Premiere der «Kaiser von Atlantis»-Oper in Paris oder im Mai eine ausgiebige Veranstaltung (mehr als 5 Stunden lang) im Rahmen der «Langen Nacht der Musik» in München in der dortigen Anthroposophischen Gesellschaft, wo ein breiter Querschnitt des Kammermusikalischen Schaffens zu hören und eurythmisch zu sehen war, es werden Vorträge gehalten zu unterschiedlichen Themengebieten um diesen Komponisten herum. Möge es auf diesem eingeschlagenem Wege erfolgreich weitergehen. Marcus Gerhardts, Stuttgart Neue Website »die Drei« Mit einer vollkommen neu gestalteten Internet­ seite erweitert die Zeitschrift »die Drei« ihr Angebot. So können ab sofort alle neueren Hefte digital bezogen werden. Ebenfalls können ab 2014 die einzelnen Artikel zum Teil kostenlos, zum Teil gegen ein geringes Entgelt als Pdf-Datei heruntergeladen werden. Außerdem besteht die Möglichkeit, »die Drei« digital zu abonnieren. Das Archiv – zurzeit noch im Aufbau – bietet umfassende Recherche­ möglichkeiten. Artikel und Autoren sind zwar bis zum Gründungsjahr 1921 erfasst, müssen aber zum Teil noch für die Website aufbereitet werden: www.diedrei.org Stephan Eisenhut Wolframs Parzival (an) Am Sa., 28. und So., 29. Juni findet im Stuttgarter Rudolf Steiner-Haus ein Wochenend­seminar zum Parzival des Wolfram von Eschenbach mit Andrew Wolpert (London und Stuttgart) statt. Nähere Informationen und Anmeldung unter Tel. 0711 248 50 97 oder [email protected] Impressum Die «Mitteilungen aus der anthroposophischen Arbeit in Deutschland» sind Bestandteil der Zeitschrift «Anthroposophie weltweit». Herausgeber ist die Anthroposophische Gesellschaft in Deutschland e. V., Zur Uhlandshöhe 10, 70188 Stuttgart. Redaktion: (an) Andreas Neider (verantwortlich), Sylvain Coiplet. Zur Uhlandshöhe 10, 70188 Stuttgart., Tel.: 0711/248 50 97, Fax: 248 50 99, e-Mail Redaktion: [email protected]. Adressänderungen und Administration: [email protected]. Gestaltung: Sabine Gasser, Hamburg. Der Bezug ist sowohl durch ein Abonnement der Wochenschrift «Das Goetheanum» als auch durch gesonderte Bestellungen beim Verlag möglich. Jahres­kostenbeitrag Nicht-Mitglieder: 40 €. Verlag: mercurialPublikations­gesellschaft, Alt-Niederursel 45, 60439 Frankfurt/M., Tel: 069/58 23 54, Konto Nr. 101 670 901 bei der GLS Gemeinschaftsbank eG, BLZ 430 609 67. Beilagen: Flyer «Die Drei» und Flyer Studienhilfe Anthroposophie Weltweit • Mitteilungen Deutschland, Juni 2014