Einleitung • Primär vs. sekundär Kopf- und Gesichtsschmerzarten: korrekte Diagnosestellung wichtig • Migräne und Spannungskopfschmerz sind die häufigsten Kopfschmerzen • Primäre Kopfschmerzen haben grosse psychische, soziale und berufliche Auswirkungen Sekundäre KS Akut gefährlich Update Migräne und Spannungskopfschmerz Ärzteverein Werdenberg/Sarganserland 22.3.2017 90% Primäre Kopfschmerzen Sozioökonomische Folgen neurologischer Erkrankungen (Ö) S. Albert 2017 1 Primäre Kopfschmerzen Die Klassifikation der International Headache Society (IHS) Primäre Kopfschmerzerkrankungen 1. 2. 3. 4. Migräne Spannungskopfschmerz Cluster-Kopfschmerz Andere primäre KS (Anstrengungskopfschmerz u.a.) 2 Epidemiologie und Folgen der Migräne • Prävalenz: 10 bis 15% • Lebenszeitprävalenz > 30% Frauen und ca. 17% für Männer • Psychosoziale, berufliche, sozioökonomische Folgen sind massiv und teils schwer quantifizierbar: ‣ reduzierte soziale Kontakte, Partnerschaft ‣ Rückzug, Komorbiditäten ‣ Berufliche Fehlzeiten (individuell, sozioökonomisch) vs. Sozioökonomische Folgen neurologischer Erkrankungen (Ö) Andin-Sobocki et al Eur J Neurol 2005 www.ihs-klassifikation.de 3 4 hohe Zahl der Betroffenen • war nie deswegen beim Allgemeinmediziner • war nie deswegen beim Neurologen Migräne: Diagnostische Kriterien • Migräne mit / ohne Aura ‣ mit Aura in 15% d.F.; Aura-Symptomatik vor (viel seltener mit) Eintreten der Kopfschmerzen (z.B. 0-20-(60) Minuten) • Kopfschmerzen ‣ 2/3 d.F.: einseitig (meist dumpf, dann pulsierend-pochend) ‣ 1/3 holocranial oder periorbital oder nuchal betont ‣ Mittlere bis starke Intensität ‣ Verstärkung durch körperliche Aktivität ‣ Aktivitäten müssen oft unterbrochen werden Migräne: Pathophysiologie „a brain disorder rather than a vascular disorder“ (Goatsby 2015) • Ursache unbekannt (=primäre Erkrankung) • Bedeutung einer initial neuronalen Ursache der Migräneattacke •„Migränegenerator“ (oberer Hirnstamm) ‣ Disinhibition: Ncl.Raphe, Locus coeroleus; weitere involvierte subkortikale Regionen: Hypothalamus, Thalamus Trigeminus Hirnstamm / basale Strukturen • Vegetative Begleitsymptome ‣ Photophobie und Phonophobie ‣ Übelkeit und/oder Erbrechen, andere Meningen Gefässe • Zeitmuster / Diagnosestellung* ‣ (Formal) wenigstens 5 Attacken* ‣ 4-72 Stunden Dauer (unbehandelt) Goadsby et al (NEJM 2002) • Migräneschwelle unterschiedlich ‣kortikale Erregbarkeit ‣individuell, genetisch (Ionenkanäle, Energiepumpen Gliazellen) ‣Zusätzliche Auslöser (keine Ursachen): individuelle Trigger 5 6 Migräne: Pathophysiologie „a brain disorder rather than a vascular disorder“ Migräne: Aura (Goatsby 2015) • Migränekopfschmerz ‣trigeminovaskulär - Vasokonstriktion - Vasodilatation Sequenz - Rolle der Vasodilatation für Sz. ist umstritten (Epiphänomen?) ‣neurogene u.a. perivaskuläre aseptische Entzündung ‣vermutlich weitere unbekannte Faktoren • Wechselwirkungen / „Signaling“: Bei Migräneattacken wird u.a. Calcitonin gene-related peptide (CGRP) ausgeschüttet, das als ein potenter Vasodilatator wirkt ‣ CGRP hat offenbar auch eine Vielzahl von biologischen Wirkungen im ZNS, die allerdings bisher nicht ausreichend geklärt sind. • in ca. 15% der Fälle • Pathophysiologie der Aura ‣ cortikal spreading depression (CSD; Depolarisation von Neuronen im Anschluss an Reizung) • Häufig typischer zeitlicher Ablauf mit vorangehender Ausfallssymptomatik A.Kortikale Symptome: ‣ Sehstörungen, Skotome, sich entwickelnde Hemianopsie ‣ Dysästhesien, Parästhesien B.Hirnstamm, Kleinhirn Trigeminus Hirnstamm / basale Strukturen Entzündungs reaktion später: kortikaler Einbezug möglich Meningen Gefässe Goadsby et al (NEJM 2002) 7 8 59 Jahre, männlich 59 Jahre, männlich • Anamnese: starkes Unwohlsein verspürt, das Gehen sei ihm nur schwankend möglich gewesen, konnte das Mobiltelefon nicht mehr bedienen, es sei zu starken beidseitigen Sehstörungen gekommen, abnormer Müdigkeit sowie frontalen Kopfschmerzen • Zuweisung mit Verdacht auf Hirnschlag mit der Rettung • Befund (Notfall-CT-Raum): Somnolenz, hochgradige beidseitige Visusminderung, unsichere Extremitätenbewegungen • Blutzucker normal, Quick-Schnelltest normal CCT Schädel nativ infratentoriell und supratentoriell ca. 2,5h nach Symptombeginn: normal 9 10 59 Jahre, männlich 59 Jahre, männlich Alle anderen Sequenzen inkl. TOF Angio unauffällig Diffusions-MRI: unauffällig CCT Schädel Perfusion: Hyperperfusion KH, Hirnstamm, weniger posterior CT-Angio: Relative schmächtige, aber nicht pathologische Gefässe A. vertebralis bds. und A. basilaris • Verlauf: sukkzessive Rückläufigkeit der Beschwerden mit noch Fluktuationen bis zum nächsten Morgen • Entwicklung einer markanten Hemikranie 11 12 Migräne: vestibuläre Migräne 59 Jahre, männlich • Hirnstamm, Kleinhirn (vestibuläre Migräne bzw. früher ‚Basilarismigräne‘) mit häufiger klinischer Manistation als: ‣ Sehstörungen ‣ Para-/Tetraparesen ‣ Ataxie ‣ Drehschwindel / Schwankschwindel / Nystagmus ('vestibuläre Migräne' Vd. a. erste schwere Episode einer vestibulären Migräne (Basilarismigräne) i.e.S.) ‣ komplexe Störungen inklusive Wachheit / Aufmerksamkeit ‣ aber: nicht selten episodischer Schwindel als einziges Symptom Alle anderen Sequenzen inkl. TOF Angio unauffällig Diffusions-MRI: anauffällig • Verlauf: sukkzessive Rückläufigkeit der Beschwerden mit noch Fluktuationen bis zum nächsten Morgen • Entwicklung einer markanten Hemikranie • Therapie: Aspegic i.v. • Bisher nur selten Migräneattacken, mit vorangehendem Flimmersehen • Wegen Heftigkeit der Attacke Einstellung auf Migräne-Intervall-Therapie entschieden 13 14 Häufigkeit von Schwindelsyndromen (I) Häufigkeit von Schwindelsyndromen (II) in einer interdisziplinären Spezialambulanz in einer interdisziplinären Spezialambulanz % % 18 18 13.5 13.5 9 9 4.5 4.5 0 0 BPL Phobischer SS Zentral Vest. Migräne n= 14.689 Menière Brandt et al. (2013) 15 Bilat. Vestibulap. Vest.-Parosxys. Psychog. S (andere) Perilymphfistel Unklar Andere Vestibularisausfall n= 14.689 Brandt et al. (2013) 16 Vestibuläre Migräne Vestibuläre Migräne Diagnostische Kriterien IHS Diagnostische Kriterien IHS • Sichere vestibuläre Migräne ✓A. Mindestens 5 Episoden mit vestibulären Symptomen mittlerer • Wahrscheinliche vestibuläre Migräne ✓A. Mindestens 5 Episoden mit vestibulären Symptomen mittlerer ✓B. Aktive oder frühere Migräne mit oder ohne Aura nach den ✓B. Nur eines der beiden Kriterien oder starker Intensität und einer Dauer von 5 min bis 72 h Kriterien der ICHD ✓C. Ein/mehrere Migränesymptome während mindestens 50% der vestibulären Episoden: Kopfschmerzen mit mindestens 2 der fol genden Merkmale (einseitige Lokalisation, pulsierender Charakter, mittlere oder starke Schmerzintensität, Verstärkung durch körper liche Routineaktivitäten) Photophobie und Phonophobie, visuelle Aura ✓D. Nicht auf eine andere vestibuläre oder ICHD-Diagnose zurückzuführen oder starker Intensität und einer Dauer von 5 min bis 72 h der vestibulären Migräne trifft zu (Migräneanamnese oder Migränesymptome während der Attacke) ✓C. Nicht auf eine andere vestibuläre oder ICHD-Diagnose zurückzuführen In der Praxis strenge Anwendung dieser diagnostischen Kriterien oft schwierig: Migräne als Erstmanifestation oder letzte Attacke liegt lange zurück; Aura-Symptome können gegenüber typischem KS / Vegetativen Störungen im Vordergrund stehen; wichtig: sorgfältige Ausschlussdiagnostik 17 18 Migräne: Weitere Sonderformen Migräne: Neuroimaging und vaskuläre Ereignisse a) Hirnschlag • Isolierte Migräneaura (ohne Kopfschmerzen) ‣ Manifestation häufiger bei jüngeren Patienten oder >60LJ. • Migräne mit prolongierter Aura > 60 Min. • Familiär hemiplegische Migräne mit genetischem Defekt auf Chromosom 19 • Verschiedene populationsbasierte Studien zeigten einen Zusammenhang zwischen Migräne mit Aura und erhöhtem Risiko von subklinischen Hirninfarkten bei Frauen (Kruit et al 2005) - besonders im hinteren Stromgebiet • Epidemiologische Studien zeigten eine höhere Inzidenzrate von klinisch relevanten Hirnschlag-Ereignissen bei Frauen mit Migräne und Aura (Kurth et al 2005) bzw. andere Formen Chromosom 1 und 2 • Komplizierte Migräne ‣ mit länger persistierenden neurologischen Herdsymptomen (> 7 Tage) ‣ aber migränöse Infarkte mit 15 pro 100 000 Migränefälle pro Jahr sehr selten (sorgfältige Abklärung erforderlich, z.B. Vaskulitis) • Kindliche Migräne • Chronische Migräne (mehr als 15 KS-Tage/Monat) Typical manifestation and imaging findings in a patient with migrainous infarction. A 39 year-old female migraineur complained of prolonged visual aura and vertigo, which were identical with her previous migraine aura, followed by migrainous headache. She had been taking oral contraceptives for many years. Lee et al, Journal of Stroke 2016 19 20 Migräne: Neuroimaging und vaskuläre Ereignisse b) MRI-Signalhyperintensitäten Migräne: Neuroimaging und vaskuläre Ereignisse b) MRI-Signalhyperintensitäten • MRI-signalhyperintensen Veränderungen sind mit einer Migräne mit Aura assoziiert; ‣ OR für WML 3,9 (Lee 2016) ‣ kleine Studie: bei längeren und häufigeren Aura-Symptomen, nehmen Veränderungen zu • MRI-signalhyperintensen Veränderungen sind mit einer Migräne mit Aura assoziiert; ‣ OR für WML 3,9 (Lee 2016) ‣ kleine Studie: bei längeren und häufigeren Aura-Symptomen, nehmen Veränderungen zu • Die Pathophyiologie der MRI-signalhyperintensen Veränderungen ist unbekannt, ebenso wie • Die Pathophyiologie der MRI-signalhyperintensen Veränderungen ist unbekannt, ebenso wie (Dinia 2013) die klinische Signifikanz oder eine Korrelation mit Stroke-Ereignissen im engeren Sinne (Tso, Goadsby 2015) ‣ Keine Korrelation mit neurokognitiver Verschlechterung (Kurth et al 2011) ‣ Konklusive histopathologische Daten zu den Veränderungen liegen nicht vor, so dass postulierte ‚ischämische‘ Mechanismen spekulativ bleiben (Tso, Goadsby 2015) Beispiel für infratentorielle Veränderungen mit Progression nach 9 Jahren (Pahl-Meinders et al 2013) Beispiel für supratentorielle ‚unspezfische‘ FLAIR/ T2 Hyperintensitäten (Dinia 2013) die klinische Signifikanz oder eine Korrelation mit Stroke-Ereignissen im engeren Sinne (Tso, Goadsby 2015) ‣ Keine Korrelation mit neurokognitiver Verschlechterung (Kurth et al 2011) Fazit: Es ist nicht bewiesen, dass Marklagerveränderungen Migräne ‣ Konklusive histopathologische Daten zu die den Veränderungen liegen nicht vor, sobei dassder postulierte klassischen ‚ischämische‘ Ischämien Mechanismen entsprechen, spekulativ bleiben die(Tso, Verteilung Goadsby 2015) der Läsionen spricht sogar eher gegen diese Ätiologie. 21 Migräne: Komorbiditäten Bei Therapie und Management berücksichtigen • Behandlungsbedürftige arterielle Hypertonie, OR 1,55 • Hirnschlag, OR 1,26 • KHK, OR für Frauen 1,57 • Depressionen, OR 2,2 • Angsterkrankung, OR >2,3 • Schlafstörungen, OR 3,3 • Andere Schmerzsyndrome, z.B. chronische Lumbalgie, OR 1,7 • Epilepsie, OR 1,53 • Essentieller Tremor, OR 2,7 • Adipositas mit Hinblick auf Attackenfrequenz, nicht Prävalenz •… Beispiel für infratentorielle Veränderungen mit Progression nach 9 Jahren (Pahl-Meinders et al 2013) Beispiel für supratentorielle ‚unspezfische‘ FLAIR/ T2 Hyperintensitäten 22 Migräne: Übersicht Therapie •Attackenbehandlung ‣(Antiemetikum) ‣Analgetika / NSAR ‣Triptane ‣Im Notfall: Sumatriptan s.c., ASS/Metamizol i.v., Steroide (siehe dort) •Prophylaxe (Intervallbehandlung) 1. Wahl: Betablocker (Propranolol, Metaprolol), Flunarizin, Valproat, Topiramat 2. Wahl: Amitriptylin, Naproxen, ASS 3. Wahl: z.B. Magnesium, Riboflavin Neue Therapieoption Candesartan? 1 Studie mit n=72 cross over Design zeigte vergleichbaren Effekt wie Propranolol (Stovner et al 2014) Ausführliche Übersicht bei Müller, Diener et al Komorbiditäten der Migräne: praktische Behandlungskonsequenzen Aktuelle Neurologie 2013; 40: 213–223 Komorbiditäten der Migräne betreffen u.a. vaskuläre, psychische/ psychiatrische, neurologische und schmerzbezogene Erkrankungen 23 24 Migräne: Übersicht Therapie Migräne: Akuttherapie •Nicht-medikamentös ‣ Ausreichende Trinkmenge ‣ Aerober Ausdauersport ‣ Entspannungsverfahren, Akupunktur ‣ Psychologische Schmerztherapie, z.B. Verhaltenstherapie incl. Biofeedback ‣ Vermeiden von bekannten Triggern, falls möglich ‣… • Erste Wahl: Analgetika / NSAR • Hochdosiert und frühzeitig ‣ z.B. ASS 1000mg, Ibuprofen 600mg, Diclofenac 50mg ‣ ggfs. schnell lösliche Formen verwenden (z.B. Diclofenac löslich so wirksam wie Sumatriptan, Diener 2006) ‣widersprüchliche Studienergebnisse zu Paracetamol (nicht primär verwenden) • Übelkeit / Erbrechen: ggfs. in Kombination mit Metoclopramid oder Domperidon ‣ cave: Spätdyskinesien unter Metoclopramid (FDA Warnung 2009 betreffend hochdosierter und/oder langzeitiger Anwendung) Eine ausführliche Übersicht über nichtmedikamentöse Kopfschmerztherapie findet sich in den Leitlinien, z.B. www.dgn.org —-> Leitlinien • Triptane sind heute erste Wahl bei mittelschweren bis schweren Migräneattacken ‣ Endpunkt schmerzfrei nach 2h deutlich häufiger bei Triptanen erreicht • Eine simultane Kombination Triptan mit NSAR ist oft sinnvoll • Ergoterminpräparate spielen heute kaum noch eine Rolle 25 26 Triptane sind Serotonin (5-HT) - Agonisten Übersicht Wirkmechanismus / Ansatzpunkte Migräne: Akuttherapie Übersichtmit Triptanen • Triptan-Präparate ‣ Wirken gegen KS und andere Migräne-Symptome ‣ Zunehmende Anzahl verschiedener Triptane (Serotonin - 5-HT - Agonisten) auf dem Markt Gefäss 5HT 1B Zentrales Neuron 5HT 1B/1D/1F Peripheres Neuron 5HT 1D Gefässverengung Verminderung der Freisetzung von Neurotransmittern Verminderte Schmerzempfindlichkeit • Kontraindikationen (Auswahl): ‣ KHK, exazerbierter Hypertonus, Hirnschlag, akute zerebrale Erkrankung - Bei Migränepatienten, die einen ischämischen Insult erlitten haben, ist die Indikation zur Attackenbehandlung mit Triptanen streng zu stellen ‣ Schwangerschaft ‣ zusammen mit Ergotaminpräparaten ‣ (Einnahme während Aura) • Nebenwirkungen: ‣ häufig: Kribbeln, u.U. Dysästhesien der Extremitäten, Wärmegefühl der Haut ‣ selten koronare Konstriktion / Thoraxschmerzen; ernste kardiovaskuläre Nebenwirkungen sind Rarität, Häufigkeit 1:1.000.000 (Welch et al. 2000). Goadsby et al (NEJM 2002) ‣ somit insgesamt sichere Medikamente (davon einige in vielen Ländern inzwischen ohne Rezept erhältlich) • KI und empfohlene maximale Dosierungen bei der Anwendung beachten 27 28 Migräne: Akuttherapie Übersicht mit Triptanen Migräne: Übersicht Triptane (Auswahl) (Forts.) • Therapieversagen: im Verlauf sollten ggfs. mehrere (2-3) Triptanpräparate ausprobiert werden > fast 90% Ansprechrate •Kriterien für Auswahl eines Triptans: ‣ Wirksamkeit ‣ Nebenwirkungen ‣ Recurrence: Häufigkeit eines Wiederkehrkopfschmerz -30% haben Wiederkehrkopfschmerz nach bis zu 24h (Ferrari et al., 2001; Goadsby and Sprenger, 2010). ‣ Applikationsform: prinzipiell p.o., s.c., nasal, supp. ‣ Preis (selbst im günstigsten Fall 2-3x so teuer wie ASS+MCP) Substanz Sumatriptan Imigran® Generika Zolmitriptan Zomig® Naratriptan Naramig® Rizatriptan Maxalt® Eletriptan Relpax® Almotriptan Almogran® Frovatriptan Menamig® Goadsby et al (NEJM 2002) Orale Form 2,5mg; 5mg Weitere Applikationen -nasal 10mg; 20mg -s.c. 6mg -Supp. 25mg -nasal 5mg -(Schmelztablette) 2,5mg - 50mg; 100mg 5mg; 10mg 40mg; 80mg Bemerkungen -Einführung in Europa 1993 -s.c. wirkt am schnellsten, aber auch mit höchsten Rate an Wiederkehr-KS -Wirksamkeit wie Sumatriptan, ev. Nasenspray schneller - sehr wenig Nebenwirkungen - meist weniger wirksam als S., aber Alternative bei S.- Non-Responderen -Kombination mit Propanolol: nur 5 mg R. geben -(Schmelztablette) -recht gute Langzeitwirkung -In höherer Dosierung besser als S., aber auch mehr NW (z.B. Thoraxschmerzen) 12,5mg - -Wie S. 2,5mg - -Längste HWZ, trotzdem keine sicheren Vorteile bei Wiederkehr-Kopfschmerz -Wirksamkeit wie Naratripan, ebenfalls wenig NW Lasmiditan Phase III Studie, keine vaskonstriktorischen Eigensch. d. Spezifität 5HT 1F Agonist 29 Attackenbehandlung bei schweren/anhaltenden Migräneattacken • Schwerste Migräneattacke / Status migränosus ‣ Immer auch an die Möglichkeit von einer weiteren Erkrankungen denken (hohe Prävalenz der Migräne) ‣ eine parenterale Applikation der Medikamente ist meist nötig • Optionen (individueller Therapieansatz) ‣ Triptan, bei Bedarf Sumatriptan 6 mg s.c. ‣ ASS 1000 mg i.v. ‣ Antiemetikum i.v. ‣ Metamizol 500-1000 mg i.v. ‣ Steroide i.v. ‣ (Valproat i.v.) ‣ evtl. Benzodiazepine / Abschirmung / Schlaf fördern 31 30 Migräneprophylaxe: Indikationen •Mehr als 2-4 Attacken pro Monat •Akutmedikation nicht befriedigend wirksam •Sehr beeinträchtigende oder häufige Aura oder sogar Komplikationen •Sehr starke Begleitsymptome •u.U. behandlungsbedürftige Komorbiditäten 32 Migräneprophylaxe • Mittel der ersten Wahl: Propranolol bis 160 mg oder höher ‣ Betablocker: Metoprolol bis 200 mg Achtung: nicht alle Beta-Blocker sind wirksam ‣ Flunarizin Sibelium® 5(-10) mg ‣ Topiramat 25-100mg • Mittel der zweiten Wahl: ‣ Amitriptylin bis 75 mg - anticholinerge NW, Gewichtszunahme ‣ (Topiramat bis 200 mg) - cave kognitive NW, Gewichtsabnahme ‣ ASS 100-300 mg oder Naproxen bis 500 mg - cave GI-NW ‣ Botulinumtoxin ca. 155 Units ‣ Valproat Migräne: nicht-medikamentöse Therapie / Prophylaxe • Evidenzbasiert oder aufgrund der Datenlage zu empfehlen: ‣ Ausdauertraining (aerober Ausdauersport mind. 2-3x /W.) wie Joggen, Fahrrad, Schwimmen ‣ Entspannungsverfahren (progressive Muskelrelaxation nach Jacobson) ‣ Biofeedback ‣ Psychotherapie wie kognitive Verhaltenstherapie ‣ Akupunktur (Linde et al. 2005) ‣ Weitere Verfahren der psychischen Schmerztherapie ‣… Eine ausführliche Übersicht über nichtmedikamentöse Kopfschmerztherapie findet sich in den Leitlinien, z.B. www.dgn.org —-> Leitlinien • Mittel der „dritten“ Wahl: ‣ Riboflavin 400mg (Vitamin B2) 1x1 ‣ Magnesium (ggfs. Kombination) 2 x300mg • Substanzen, die bei Aura besonders wirksam sein können ‣ Flunarizin ‣ Lamotrigin ‣ Topiramat 33 34 Migräne Prophylaxe: Ausblick CGRP-Antikörper Spannungskopfschmerz: Übersicht • Während Migräneattacken wird Calcitonin gene-related peptide (CGRP) ausgeschüttet ‣ potenter Vasodilatator ‣ Vielzahl von biologischen Wirkungen auch im ZNS, die allerdings bisher nicht ausreichend geklärt sind • Zur Behandlung von Migräneattacken wurden früher schon CGRP-Antagonisten entwickelt, die sich auch als wirksam erwiesen (damals Stopp wegen hepatotoxischen Nebenwirkungen) • Der nächste Ansatz zur Migräneprophylaxe war die Entwicklung von monoklonalen humanisierten Antikörpern gegen CGRP bzw. Rezeptoren. - Mehrere solche AK befinden sich in Phase 3 Studien, Applikation z.B. 1x Monat - Wirsamkeit mit signifikanter Reduktion der Migränetag bei episodischer Migräne - „periphere Wirkung“, bislang gute Verträglichkeit berichtet, LZ-Daten und Kosten noch umbekannt, Zulassungen pendent Bidirectional signaling between meningeal nerve fibers, immune cells and cells comprising the associated blood vessels • Drei Unterformen: ‣ sporadisch episodisch (weniger als 12x Jahr) ‣ häufig episodisch ‣ chronisch (mehr als 15 Tage/Monat ohne begleitenden Medikamentenübergebrauch) • Prävalenz ‣ 11,5% in asiatischer / bis 86% in dänischer Studie für sporadisch episodisch; chronischer SPK aber seltener mit weltweit ca. 4% Jahresprävalenz ‣ m/f ungefähr gleich • Mit und ohne perikraniale Schmerzempfindlichkeit • Keine auslösenden Faktoren mehr definiert •Ätiologie: ‣ Wahrscheinlich heterogene Gruppe von Kopfschmerzerkrankungen ‣ genetische Komponente für chron. SPK Jacobs et al 2016 Diener 2016 Gantenbein, Sandor 2016 35 36 Erkrankungen und Ursachen die, die Spannungskopfschmerzen imitieren Spannungskopfschmerzen • Diagnostische Kriterien ‣ Beidseits ‣ Drückend („Schraubstock-“, „Band-“, „Helmgefühl“), nicht • Sekundäre Kopfschmerzen ‣ Hypertonie ‣ Sinusitis ‣ Medikamenteninduzierter KS ‣ Arteriitis temporalis ‣ Hyperthyreose ‣ Pseudotumor cerebri ‣ Liquorzirkulationsstörung, Raumforderung ‣ Zerebrovaskuläre Erkrankungen ‣ Andere entzündliche Erkrankungen pulsierend ‣ Leichte bis mittlere Intensität ‣ Keine Verstärkung durch körperliche Aktivität • eventuell: Photophobie oder Phonophobie • Appetitlosigkeit möglich, aber keine Übelkeit • keine Erklärung durch andere Ursache • Zusammenhang mit Schlafstörungen (Apnoe-Syndrom) beachten • Sowie bei den Kopfschmerzsyndromen: ‣ sog. ‚Neu aufgetretener täglicher Kopfschmerz’ (2010) - anhaltender chronischer KS ohne vorherige „Episoden“ 2 Verlaufsformen, im Zusammenhang mit Inflammation nur ein Teil klingt spontan ab ‣ Abgrenzung des chronischen SPK von der chronischen Migräne (CM) ist manchmal schwierig 37 38 Therapie von Spannungskopfschmerzen Therapie von Spannungskopfschmerzen • Akuttherapie sporadischer SPK mit Analgetika/NSAR ‣ strikte Limitationen von maximal 15 Einnahmen /Monat aussprechen (Gefahr: Analgetika-unterhaltener KS) •Therapie des chronischen SPK ‣ keine klassischen Analgetika ‣ Amitriptylin bis 75mg/die - sehr langsam einschleichen, Ziel: 25-0-50mg (oder davor wirsame Dosierung • Weitere nicht-medikamentöse Verfahren: ‣ EMG-basierte Biofeedback-Therapie ist wirksam ‣ Physiotherapie, medizinische Trainingstherapie und möglicherweise auch Manualtherapie sind wahrscheinlich wirksam ‣ Entspannungstechniken und Verhaltenstherapie sind sehr wahrscheinlich wirksam ‣ klassische Akupunktur mit geringer Evidenz für eine Wirksamkeit (DGN-Leitlinien) beibehalten) - Wirkungseffekt scheint mit Behandlungsdauer zuzunehmen - Therapieerfolg ist erst nach mehreren Wochen abschätzbar ‣ zweite Wahl: - andere AD wie Venlafaxin; Mirtazapin mit schwächerer Evidenz bei - Eine ausführliche Übersicht über nichtmedikamentöse Kopfschmerztherapie findet sich in den Leitlinien, z.B. www.dgn.org —-> Leitlinien negativen und positiven Studien - Tizanidin Sirdalud® (cave Gewöhnungspotential) (Class IIa) eine eindeutige Beurteilung auf dem Boden der publizierten Datenlage nicht möglich ‣ Ausdauersport mind. 3x/Woche ‣ (Botox: fehlende Evidenz) Biofeedback und/oder Entspannungsverfahren und/oder physikalische Therapie sollten in das Therapiekonzept integriert werden. 39 40 Clusterkopfschmerz und andere trigemino-autonome Kopfschmerzen TAC: ipsilaterale autonome Symptome • Einseitige (starke, periorbitale) Schmerzen mit: • Trigemino autonomic cephalgias (TAC) ‣ Clusterkopfschmerz ‣ Paroxysmale Hemikranie ‣ SUNCT-Syndrom („short-lasting unilateral neuralgieform headache attacks with conjunctival injection and tearing“) ‣ (Hemicrania continua) - wird meist zu anderen chronischen Kopfschmerzen gezählt, in 50% auch vegetative Symptome ‣ Konjunktivale Injektion und/oder Lakrimation ‣ Nasale Kongestion und/oder Rhinorrhoe ‣ Lidödem ‣ Schwitzen des Gesichts und/oder der Stirn ‣ Ptosis und/oder Miosis ‣ Körperliche Unruhe oder Agitiertheit •Jeweils episodisch und chronisch 41 42 Cluster-Kopfschmerzen TAC: Differentialdiagnose • Häufigste KS innerhalb der TACs (trotzdem sehr selten Lebenszeitprävalenz ca. 120/100.000 EW) • Primäre KS-Form; Diagnosestellung rein klinisch • Einseitig, orbital/retro-orbital/frontal • Maximum nach heftigem Einsetzen nach wenigen Minuten, starke Intensität • Vegetative Phänomene (Augentränen, Rötung, u.U. Miosis, Lidspaltendifferenz, … Dauer Frequenz autonome Indometacin pro Tag Symptome ___________________________________________________________ (Hemicrania cont.) andauernd andauernd (+) + • häufig Kopfschmerzanhäufungen ("Cluster"), häufiges Auftreten nachts ‣ Attackenhäufigkeit von 1x / alle 2 Tage bis 8x/die ‣ Attacken können unbehandelt 15 bis 180 Minuten anhalten • im Verlauf nicht selten Übergang in chronischen Verlauf (mit Aufhebung der ‚Cluster‘) Cluster-KS 15-180 min 0,5-8 + - Par. Hemikranie 2-30 min >5 + + SUNCT 5-240 sec 3-200 + - • DD: Glaukom, Karotis-Dissektion, Arteriitis temporalis, ... Trigeminusneuralgie < 2 sec unbestimmt - - 43 44 Cluster-Kopfschmerz Therapie • Akuttherapie: ‣ Sauerstoff (100%, Flussrate 7-15 l/min, 15 Minuten) ‣ Sumatriptan s.c. oder Zolmitriptan nasal ‣ Lidocainlösung 4-10% nasal • Prophylaxe: ‣ Verapamil (3x40-80mg, Aufdosierung bis 360 mg (selten bis 960mg/die) bzw. Nebenwirkungsgrenze; EKG-Kontrolle) ‣ Steroide, z.B. Prednison 40-100mg für einige Tage, dann red. ‣ Lithium 1x400mg für 2 Tage, dann 2x400mg (Plasmaspiegel 0,6 bis 1,2mmol/l) ‣ GON-Infiltration (LÄ und Steroide i.B. des N. occipitalis major) ‣ Topiramat ‣ Valproat ‣ (Methysergid) - zur Zeit nicht erhältlich Frau A.A., 48-jährig, Hausfrau • Seit ca. 20 Jahren zunächst überwiegend rechtsseitige Kopfschmerzen, mit ausgeprägter Lichtscheu und Lärmempfindlichkeit • Im Verlauf auch drückende Kopfschmerzen, von oben den Kopf erfassend „wie ein Schraubstock“ • Jeden Tag Kopfschmerzen, die heftigen Kopfschmerzen seien ca. 2x in der Woche auftretend. • Einnahme von mehr als 2g Paracetamol täglich seit längerer Zeit • Neurologisch unauffällig • MRI Schädel unauffällig 45 46 Kopfschmerz bei Medikamentenübergebrauch Pitfalls im Management von Kopfschmerzen •Mehr als 10-15 Tage Einnahme /Monat Ergotamine, Triptane (10 Tage); klassische Analgetika (15 Tage) NSAR: „Spannungskopfschmerzartiger“ bilateraler Kopfschmerz an >15 Tagen/ Monat Triptan-induzierter Kopfschmerz „wie Migräne“: ‣ Kein spannungskopfschmerzartigen, sondern täglicher migräneartiger Dauerkopfschmerz ‣ sowie zusätzlich in 20% eine Zunahme der Migräneattacken • Klingt innerhalb von 2 Monaten nach Absetzen des Medikaments ab • Therapie: abrupter Entzug für 14 Tage unter flankierenden Massnahmen, • Awareness: (Primäre) Kopfschmerzen werden nicht ausreichend ernst genommen; z.B. soziale und ökonomische Folgen des Kopfschmerzen beim Patienten nicht genug berücksichtigt: berufliche Fehlzeiten, reduzierte soziale Kontakte, psychische Auswirkungen... • Sekundäre Kopfschmerzen werden falsch als primär diagnostiziert, z.B. ‣ keine detaillierte Anamnese ‣ kein sorgfältiger / fehlender klinisch-neurologischer Status: herdneurologische Ausfälle, Meningismus, Fieber, … ‣ Keine Zusatzuntersuchungen durchgeführt, obwohl sie indiziert gewesen wären -Infektabklärung (Labor, Liquor) -zerebrale Bildgebung • Diagnostische Kriterien nicht korrekt berücksichtigt dabei Einleitung einer KS-Prophylaxe ‣ oft stationäre Behandlung nötig 47 48 Pitfalls im Management von Kopfschmerzen II • Medikation: ‣ zu hohe Einnahme von klassischen Analgetika / NSAR oder Triptanen ‣ andererseits: zu wenig progressive Verordnungen bei der Akuttherapie oder [email protected] zu zögerlicher Beginn einer Intervalltherapie ‣ kein Führen / keine Kontrolle eines Kopfschmerztagebuches ‣ Übersehen eines analgetikainduzierten Kopfschmerzes • Übersehen oder nicht Mitbehandeln von Kofaktoren / -morbiditäten ‣ z.B. vaskuläres Risikoprofil bei Frauen mit Migräne mit Aura (‚Rauchen und Pille‘) ‣ eine alleinige orale Kontrazeption ist nicht generell kontraindiziert, wenn keine anderen Rf vorliegen • Intervalltherapie / Prophylaxe ‣ zu schnelles Aufdosieren (besonders bei Betablockern, TCA, Antiepileptika) ‣ stufenartig zwischenzeitliche Beobachtungsphasen einplanen ‣ schlechte Information über NW in der Frühphase einer Medikation • Generell wichtig: Informierter, eigenverantwortlicher Patient 49 Vielen Dank 50