Hilgers-Pub-1994-10-28-Chronisches

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X t f d , *hiJLii fdu)Oc
NUrilb^
M I H I M N
AKTUELL
i , JL j r x i ^ f ^ ^ i T
Chronic Fafigue Syndrome - CFS
Chronisches
Erschöpfungssyndron
1
.IM ''
Eine Standortbestjmmung
|||
In der englischsprachigen Literatur
häufen sich in den letzten Jahren Berichte über ein sogenanntes chronirankhafte Störungen, die sches Erschöpfungssyndrom (CSF:
heute einem chronischen Brschöpfungssyndrom
(vor- Chronic Fafigue Syndrome), das sich
mals auch „chronisches Mü- auch offenbar an nicht völlig Verstandigkeitssyndrom")
zuzuordnen
sind, werden bereits seit mehr als dene Infekte anschließen kann. In un100 Jahren unter verschiedenen serem Lande gibt es diesbezüglich nur
Diagnosen berichtet (1? 11); Sic tra- wenige und in der Fachwelt nicht unten sporadisch, endemisch oder
auch epidemisch gehäuft auf (Tabel- umstrittene Berichte. Demgegenüber
le 1). Das Verständnis und die Dia- setzen sich Sclbsfhilfogruppen nachgnostik des CFS bereiten bis zum
heutigen Tag erhebliche Schwierig- drücklich für die Anerkennung des CFS
keiten, da es sich bei den krankhat ein. Jetzt hat eine Arbeitsgruppe des
ten Störungen offenbar nicht um eine Krankheitsentität im klassischen Bundesministeriums für Gesundheit
Sinne handelt (eine Ursache - eine Vorschläge erarbeitet zur Diagnostik
Krankheit), sondern um unter- und Klassifikation des CFS, die hier in
schiedliche, möglicherweise ätiopathogenetische Konstellationen, die der Übersicht wiedergegeben sind*
Rüdiger R. E. Fock und
Gerhard R. F. Krueger
K
iip
"liji
Empfehlungen zur Therapie
Diskussion. Es basiert auf eigeneii
praktischen Erfahrungen von Mi|||
gliedern der Expertengruppe
Ä
dem Krankheitsbild (3). Die erai||
beiteten „Richtlinien" wurden -dm
gelmäßig mit entsprechenden Ex||
pertengruppen an den Centers f^ßij
Disease Control, Atlanta, Getiäp
gia/USA (Dr. K. Fukuda) und a f l
National Institute of Allergy aiiwj
Infecrious Diseases, NIH, Betk&i|
'da, Maryland/USA (DL S. Strau||
abgestimmt sowie mit VertreteS^|
deutscher und amerikanische^
Selbsthilfegruppen diskutiert. {^ J
IJhliscb,
CFS Selbsthiifegnippig
Bonn, und (X Prewitt, National
Chronic Fatigue Syndrome j
ciation, Kansas City/USA).
von gleicher Symptomatik gefolgt
sind. Entsprechend muß das CFS
von anderen etablierten Krankheiten mit ähnlicher Symptomatik ab :
gegrenzt werden. Leider hat die
diagnostische und therapeutische
Unsicherheit dazu geführt, daß größere Teile der Schulmedizin die
Existenz der CFS an sich ablehnten,
oder es ohne weitere laborklinische
Untersuchungen als psychosoma-
tisch-psychiatrische Störung klassifizieren.
Die im allgemeinen eher ablehnende Haltung der Schulmedizin einerseits sowie die ungezielte Diagnostik einiger Ärzte andererseits
veranlaßten die Kostenträger der
Krankenversicherung des häufigeren, ihre Unterstützung bei Diagnostik und Therapie zu versagen.
Dies hatte zur Folge, daß Patienten auf eigene Kosten und häufig
außerhalb anerkannter diagnOsti-
scher und therapeutischer Maßnahmen in einem hohen Maße versorgt
wurden. Nicht selten wandten sich
Betroffene aufgrund von Veröffentlichungen mit der Vermutung, ein
CFS zu haben, an die Ärzteschaft
und ersucBten diese um die ihrer
Ansicht nach entsprechende, hilfreiche Therapie.
Um diesem Mißötand abzuhelfen, berief das Bundesministerium
für Gesundheit Ende letzten Jahres eine Expertengruppe zur Aufarbeitung des aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstandes, der Darstellung des Wissensdefizites und des
sich hieraus ergebenden Forschungsbedarfs. Die hier vorgelegte
Übersicht gibt den gegenwärtigen
Stand des Wissens über das CFS
wieder und steht einen ersten ^Leitfaden" zur Definition und Diagnose
des CFS dar und stellt vorläufige
Definition des CFS
'M
CFS ist eine Krankheit mit gm
steigerter geistiger und körperhcbÄ
Ermüdbarkeit und ErschöpfbarkÄ
die dauernd oder intermittiereii^
seit mindestens 'sechs Monaten dM
ne erkennbare Besserimg5tenderi||
besteht, mit einer mindest 5QpAf||
zentigen Leistungsminderung effljS
hergeht und typischerweise zu ei||
nem bestimmbaren Zeitpunkt b&d
gönnen hat. Generell erinnert <UH|
Beginn dieser Symptomatik an cKö||
jenige eines akuten (grippalen) rag
fekteS. Von Anfang an bestehen j«B
doch deutliche Unterschiede, b f j
besondere beeinträchtigen die Symptome der Infektion den CFS-PatJ^
enten zunächst schwerwiegende^
und die Beschwerden persistiere^
anschließend über einen deutlic^
A-2946 (52) Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 43,28. Oktober 1994
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*A I 1>-1 1 K N
AKTUELL
längeren Zeitraum als bei einem banalen Infekt. Fakultativ können
sich während des sich anschließenden Krankheitsverlaufes noch eine
- 1 Vielzahl weiterer Beschwerden in
unterschiedlicher Kombination einstellen. Es liegt nahe zu vermuten,
daß diese vielgestaltige Symptomatik, die im Begriff des CFS zusammengefaßt ist, keine einheitliche
Ätiologie und Pathogenese hat. Um
dazu bald die notwendigen genaueren Kenntnisse zu erhalten, sind
derzeit viele Arbeitsgruppen bemüht. Aus diesem Grunde schlagen
wir an Stelle einer. „Definition"
eher ein© „Klassifikation" vor, wie
dies analog zum Beispiel bereits zur
Diagnostik koUagenvaskulärer Erkrankungen (beispielsweise ANA
Kriterien des Lupus erythematodes) gehandhabt wird. Einen entsprechenden Klassifikationsversuch
stellt Tabelle 2 dar. Er vermeidet,
daß beim gegenwärtigen Stand der
Kenntnis bestimmte Patienten von
den notwendigen Untersuchungen
ausgeschlossen werden, insbesondere dann, wenn sie die klassischen
CDC-Kriterien des CFS (8) nur teilweise erfüllen.
Diagnostik des CFS
Eine Zusammenstellung der
häufigsten Symptome des CFS mit
entsprechender Wertung in bezug
auf ihre diagnostische Signifikanz
(3) findet sich in Tabelle 3. Sie wurde erstellt auf der Grundlage einer
diagnostischen und differentialdia-
....
e 1; GeschicJite^MIrlf]
i4Ä-
1869/1880
Beard: „Nervous Exhaustion" im aftierikä^chejoi Bürgerkrieg^
Erste ausführliche Publikation des CFS:. •; • • •. •':>' \
?M
1934 bis 1957
ir.FöltomyeJitis" i
16 Epidemie« von sogenannter „at;
den USA, in England* Australien, Pärie'marä^.'uhd m der$|
Schweiz • ' • . ' . ".
1948/49
Iceland Disease (Äfojtyeyi Disease) "kj^ch' 'TWtoo
Poliomyelitis, '•'••'
1954/55
Royal free' disease, ^myälgische Enzephalomyelitis", „ ü | |
fektiöse mononüklcoßpärtig*4 .in England, USA, Deutsch,^
1957 bis 1990
38 ähnliche Epidemien1 y€>ri ':,:,myaig£scher Enzephalomyelitis^
in England, ÜSÄyÄu5lTa^on/i,äiiÄii, Island : .'• •'.
• . .';'|
seit 1985
einzelne oder geMuftejiFEttie vön^Cliröivc Fatigüe Syndromes
CFS" ( ^ I ^ \ T ^ j ^ . d ä ^ ö % „yuppi^Üti!*)- in USA, D.cutsc
land, Böj^jfo^*^
End
iiüeartige&'Aiiffre^
York» Vfl
dacht auf.;' cbxotä&h$i: %(Sftt$j»^
gnostischen Wertung von Symptomen und Laborparametern in einer
longitudinalen Studie an 226 Patienten aus Deutschland und aus den
USA mit Beobachtungszeiten von
10 Monaten bis zu 7,5 Jahren.
Bei Verdacht auf das CFS ist eine Reihe von Erkrankungen auszuschließen. Damit verbundenen differentialdiagnostischen Überlegungen kommt besondere Bedeutung
zu, da das CFS nur als Ausschlußdiagnose diagnostiziert werden soll.
Eine Vielzahl von Erkrankungen
geht nämlich mit ähnlicher Symptomatik einher, sie unterschieden sich
jedoch häufig vom CFS durch eine
X:-
m-i>:
I.
Ia
Ib
Primäres CFS entsprechend gegenwärtiger BMG-Kriterien
Post- oder parainfektiöses CFS (PICFS)
ohne nachweisbare Infektion, i. c, sogenanntes nicht infektiöses CFS
(NICFS)
IL
Patienten, die einige Kriterien des CFS erfüllen und Keine andere
nachweisbare Gninderkrankung haben, i, e.
unklassifizicrtes CFS (UKCFS)
III,
Patienten, die die CFS-Kriterien erfüllen, doch in der Anamnese andere
„definierte Defekte" aufweisen (sekundäres CFS)
IEa CFS nach Primärer Psychiatrischer Erkrankung (PPCFS)
fflb CFS nach Primärer Definierter physischer Erkrankung (PDCFS)
(zum Beispiel nach Tumor und Chemotherapie)
A-2948 (54) Deutsches Äreteblatt 91, Heft 43,28. Oktober 1994
vojnf
geringere Persistenz der „CFS-SynS
ptomatik" oder durch eine andet^i
Konstellation von Einzelsynjpt<|§
men und Laborparametern. TabeM
4 zeigt eine Zusammenstellü$|
entsprechender differentia1diagn^|
stisch abzuschließender Erkrä||
kungen,
• $$
Das weitere diagnostische VQM
geben zum CFS muß in Form g|j|
zielter Indikationen erfolgen, d | j
von der jeweiligen Symptomat||
vorgegeben sind. Eine ungerichtet
„Breitendiagnostik" trägt nicht z $ |
Aufklärung bei und ist - würde mag
bei verschiedenen anderen Erkraf|
kungen auch so verfahren - medi2l|
nisch unangebracht und whtscha||
lieh nicht vertretbar.
<fp
Die Sicherung der Diagno$gl
geht mit der Suche nach der Ätiolo-;
gie einher, die erst ermöglicht, ziek
gerichtet therapeutische Möglich1:
keiten anzubieten. Da viele SyflH
ptome de« CFS subjektive Eroschätt
jungen darstellen, ist es wichtig, di#
Symptome zu objektivieren und zu;
quantifizieren, die einem solchen
Verfahren zugänglich sind. Dazuzählen Laborparameter, die gehäuft
beim CFS Auffälligkeiten aufweisen und Hinweise auf eine FuftköK
onsstörung des Immunsysterns geben oder dem Nachweis einer ft*:
fektion dienen. Eine Anregung zu
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NUM16Ü
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derartigem diagnostischen Vörgellien findet sich in Tabelle 5. Hinzuzufügen ist, daß erfahrungsgemäß
l|erOlogische Befunde nicht selten
ilehlititerpretiert werden, da dem
l|fikrobiologen die Klinik des Falles
li^äufig nicht bekannt und dem KliIfiiker die Aussagekraft der serologischen Daten nicht vertraut ist.
fpntsprechend ist die Beurteilung
mltl Werte in Hinsicht auf even| Quelle Zusammenhänge mit dem
lipFS nur in enger Zusammenarbeit
I r i s c h e n Kliniker, Mikrobiologen
pund Immunologen empfehlenswert.
pfe nach Symptomatik sollte dies
föjurch- eine neuropsychiatrische
|<konsultation ergänzt, werden. Da|$>ei wird ein zweistufiges Vorgehen
iSmpfohlen;
| | : : a) Ausschluß einer primären
llpsychiatrischen Ursache des „CFS"
b) strukturierte psychosomatiIsche Interviews zur Erfassung der
Jsozialen und persönlichen Lebensu m s t ä n d e , die gegebenenfalls den
ankheitsverlauf mitbeeinflussen
tonnen. Vorschläge zu einem standardisierten diagnostischen Vorgeh e n mit Erstellung yon Befunderhe-
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Plötzlicher Beginn
Halsschmerzen
Depression
Konzentrationsstörungen
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Temperaturabweichungen
Vergeßlichkeit
Erschöpfbarkeit
Angst
Husten
1 Kopfschmerz
Skotome
: Denkschwäche.
. Müdigkeit .
. Allgemeine Muskeischwäche
Myalgien •.
* Schlafetöfiingen
Empfindungsstörungen
*' Morgensteifigkeit
Oelcnkschmerzen
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bungsbögen werden derzeitig von
Düskussion
der Arbeitsgruppe des BMG er/••
stellt und werden in einer in der
Auch bei Anwendung eines wie
Vorbereitung befindlichen Mono- oben beschriebenen standardisiergraphie publiziert (3),
ten Vorgehens kann es bei der Diagnose eines CFS zu erheblichen
Schwierigkeiten kommen, die nicht
zuletzt aus der uneinheitlichen Aus"nÜJftn
^•igflViiYirr
prägung der Symptome und aus
dem wechselhaften Verlauf des
1. Maligne Ttraioren
Krankheitsbüdes entstehen. Es sind
mjl. Autbn^tm^u^^
Erkrankungen (Kollagenosen, sypersistierende Formen des CFS be!&•" steinl&che ^
.
kannt, ebenso wie unregelmäßig
oder regelmäßig in kürzeren Abl^;3, Häj^tol^
.
ständen rezidivierende Verläufe (9),
Stabilstes symptomatisches EleLokaUsiefte,:öäer: systemische, Infektionen (okkult, subakut, chronisch)
okkulte- Abszesse, •fenüökarditiS; Osteomyelitis, Borreliose, Tuberkulose
ment sind dabei die eher subjektiraziiodtfeJÖiohen: . Asfergülose, CAUdidiasis, Cryptokokkose Parasitäre ven Symptome (Tabelle 3), die von
Erkrankungen: Toxoplasmose, Amöbiasis, Lambhasis, Hclminthiasis
der amerikanischen Expertengruppe am CDC zur Stellung der Dia5, HlV-beüihgtc Kahkliteit^bilder
gnose empfohlen werden (5). Sie
benutzen Haupt- und Nebensym6. Primär psydiiatdßch bedingte K^a]Okbieitsbi).der(Psychose? Schizophrenie)
ptome, die7 kommen sie in einer be?• Neuromuskuläre Erkrankungea^tiNlultiple Sklerose, Myasthenia gravis,
stimmten und definierten Kombinaentzündliche oder metabolische Myopathien)
tion vor, zur Diagnose des CFS be- L rechtigen. Diese Vorgehensweise
Endokrine ]£rkrankuhgen
(Hypothyreose»
Hypoparathyicoidismus,
wird von uns modifiziert, da unseres
Addisönsche^ Erkraökung;.Cüshmg.S}^idrom, Diabetes mellitus und metaIJffi- bolisches
Erachtens zur diagnostischen Siche:
Syndrom).',';
^ .,
rung einer Diagnose objektiv reproduzierbare Symptome
gehören
fe.9, Stofhyechsel- und EJektrolj|tyeräädehingen(absolute oder funktionelle
müssen. Dies betrifft auch eines der
Hyppyitaiiiinose [\^tamin-D7Mäng6i], Sclcnmangcl inid anderes)
W*
häufigsten Symptome, „Depressi1W^' ^rog^U'.und Medikamentenabhäügigkeit (AlkohoUsmus, Schmerzmittelon", das objektivierbare Folge des
abusus, Tranquilizer und andere Substänzender BMV\0
CFS sein kann oder Zeichen einer
Ir
Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 43,28- Oktober 1994 (55) A-2949
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AKTUELL
primärem psychiatrischen Erkrankung (7), Es wird entsprechend von
Fall zu Fall zu entscheiden sein» ob,
welche und wie häufig Untersuchungen wiederholt werden müssen,. Dabei ist selbstverständlich der
„K^stengesichtspunkt" nicht außer
acht zu lassen und die Signifikanz
der zu erwartenden Ergebnisse für
eine Therapieplanung in Erwägung
zu ziehen.
Unter der Voraussetzung einer
standardisierten Diagnostik mit
reproduzierbaren
Ergebnissen
scheint das CFS heute m der Bundesrepublik und in den USA - vorsichtig geschätzt - bei etwa 1 Prozent der erwachsenen Bevölkerung
anzutreten. Mit abnehmendem Alter in der Jugend scheint auch die
Prävälenz zu sinken. Nicht selten
geben die Patienten an, vorher an
einer Art Infekt gelitten zu haben
(wie zum Beispiel infektiöser Mononukleose oder grippalem Infekt)
und/oder einer besonderen (physischen oder psychischen) Streßsituation ausgesetzt gewesen zu sein. Die
Prognose ist in der Regel gut bis auf
eine im Einzelfall mögliche Suizidtendenz bei schwer. Depressiven,
Da per definitionem beim CFS eine
Minderung der täglichen Aktivitäten von mindestens 50 Prozent
(möglichst objektiv reproduzierbar;
siehe Ret 2) vorliegt, liegt eine im
EinzelM abzuschätzende Minderung der Erwerbsfälligkeit vor. Ihre
Dauer ist nicht sicher voraussagbar,
da Krankheitsverläufe von einem
bis zu vielen Jahren bekannt sind
(11). Bei an CFS erkrankten Kindern mit neuropsychologischen
Auffälligkeiten sind bleibende Defekte der geistigen Leistungen beschrieben worden (11).
Grundlage -jeder effektiven
Therapie ist die Kenntnis der Ätiologie und Pathogenese einer Erkrankung. Nach allem, was heute
bekannt ist, hat das CFS keine einheitliche Ätiologie und Pathogenese. Es handelt sich offenbar eher
um ein vielschichtiges Krankheitsbild (Syndrom), wobei unterschiedliche auslösende und adjuvante Mechanismen zur gleichen Symptoma«
tik führen. Die Symptomatik ist wie zuvor erwähnt ~ grundsätzlich
mit der eines Infektes vergleichbar,
^Tffißlle 5: Vorschlags ZÜW diagnpsfiÄenlo^liß^!
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A) EingangSdfftgllOStik
J
1. Standardisierte Anamnese
2, Routinemäßige physische Eingaugsuntcrsuchung
B) YVeiterfÜhrende Untersuchungen
3. Klinische Chemie: BSG, gescherte Eiweiß- und Elektrophorese, Glukose, Natrium/:r
Kalium, Kalzium, Phosphor, £wcn,, Magnesium, Selon, Zojm, Fcrritin, SOFT, yG'Jr, CK, .i£j
Harnstoff, Kreatinin
4. Hämatologie: Gcsamtblutbiid und DMcrcptialblutbild
5. Immunologien Muititest Merieux, Immunglobuline (IgG, IgM,'IgA), CRP» ATttoantikör-gJ
per (ANA, ENA, anti-Schilddrüse)
6. Endokrinologie: Plasma 125 DDiydroxy-Vitamin D3, TSH
7. Serologie: EBV-lgG-antkEA, EBNA, miV-6-IgG, CMV-IgG, IgM^Borrlia burgdof&a • §\
(je nach Anamnese auch HIV-1,2)
C) Zusatzuutei suchungen nach gezielter Indikation
-±m
1. Leitsyroptom: MYalgie/Arthralgie
; j |
Rheumatoiogische und neurologische Diagnostik: RF,.QC (standardisiert, ClQ-Brndung),;;.!
CK, XgE Autoantikörper: ssDNA, dsDNA, nRNR.Histon,:-SSTA,;^S-B, .Sm, ANCA/£$
ASMA lüfcktionsserologie: Borrelien, Chlamydien, Campylobacter, lfcrsini.cn, Enterovi-j|
ren, Parvovircn (Kinder/Jugendliche: Adenoviren,' Rubella; Mumps) (gegebenenfalls:^!
v
EMG, MuskeMqpwc)
'
"y
J3j
2. Leitsymptoin; Neuropsycjjiatrische Störungen
" -4-\
Ergänzendes neurologisch-psychiatrisches Konsil ejnscbJicßlich Diagnostik von Multiple ^
Sklerose und endogenen Psychosen, Entvsäcklujjgp^tQrungcn bei Kindern und Jugendli--^
dien, Liquorserologic, Vitamin-B-StQffwechsel (Bi;#6, B12), bei neurol'qgi3cb.cr.SymptOr.;S
matik gegebenenfalls Serologie: Coxsackie, VZV, Magern; Münlps, Röteln, Borrelia b w £ - « |
doferi, Lues, Toxoplasmose, HIV (Alter und Anamnese als Indikator berücksichtigen) •
3. Lciteymptom; JKardUaie Ueschwcrdcit
t
Internistisch-kardiologiscb.cs Konsul, CK (spezifisch.und nnspezifisch), Aerologie (bei khnischen Entzündungszeichen): Coxsaddc, Echov£rus? Adenovirus, Borrelia burgdoferi) v;J
4, Leltsymptoni: Gastrouitestlnale Störungen
Internistisch-gastroenterologisches Konsil, Vitamm"Bt2/FolsäurestoiSWcc]h!5ci, Hepatitis- ; |
Serologie, Serologie (nur gezielt entsprechend Symptomatik): Adenoviren, Rotavjjcn, tä
Yersinien, Campylobacter (je nach Anamnese: Salmonellen; Shigellen, Brucettcn) gegcbe--||
nenfaüs Stuoluntcr5uchungcn: Parasiteneier^ Amöben, Ib^ocara.
5, Leitsyülptom: Exantheme
Serologie: Parvoviren, Borrelien (gegebenenfalls HIV, Lues), je nach Alter und Aspekt,
Masern, Röteln, YZV, gegebenenfalls dcrmatologisclies Konsil oder rheumatoXogischc
Diagnostik
6. Leitsymptom: Lymphadenopathie
Zusätzlich Serologie: Toxoplasmose, Yersinien, HIV, je nach Alter, Masern, Röteln,
Adenoviren (Biopsie nur nach sehr gezielter Indikation, insbesondere zum Abschluß maligner Erkrankungen, Sarkoidose und Tuberkulose)
• ^^^___j
7, LeitsyxwptQPi: Respiratorisch Symptome
Röntgen-Thorax, gegcbencnfalte Sputumzytologie, gegebenenfalls Lungcniunktion, je
nach Röntgen- und Biutbetund (Leukozytose, Art?)» zusätzliche Serologie: Chlamydien,
Mycoplasmen, Lc^ionellen, Aspergillus (auch aUergische Aspergillose), Adenoviren,
RSV, Co^acHo, Influ^nfca, Parainfluenza, Ib^aoara
8. Leitsymptom: Ahwehrschwäche/ABergie
Lymphozytentypisierung: CD3, CD2/CD26, CD8, CD4/CD29, CD16/CP56, (3020, Lyrophozytenstimulationstcst, I^E und Jmro.unoglobulin-Subklassenbestimmung, Komplement
Qi50, AF50, NK-ZeU-Funktionstest, Priclp-lbst (Kinder)
A-2950 (56) Deutsches Ärztematt 9l> Wert 43,28. oifctober 1994
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M C C 4iz<i»i'«
AKTUELL
obgleich Schwere und vor allem verschiedene Einflüsse aus der BaDauer beim CFS ungewöhnlich lance gebracht werden (initialer In.stark ausgeprägt sind. Die Suche fekt, initialer psychischer $treß, in•*iach möglichen Infekten ist meist itialer Immundefekt, endokrine
-wenig erfolgreich, sieht man von Störungen, Vitamin- oder Spurenden häufigen Fehlinterpretationen elementmangel, chronische Intoxieinmaliger serologischer Untersu- kation) und darin in die Symptomachungen ab. Wenn Erreger nachge- tik des CFS „hineingleiten". Detaflwiesen werden können, handelt es . lierter wird auf die Pathogenese in
sich häufig um Keime, die entweder der späteren Publikation eingeganin Form latenter Virusinfektionen gen (3).
oder als Saprophyten zu unserer
Die Therapie des CFS muß entnatürlichen Umgebung gehören, sprechend der Variabilität der der
Führen diese Organismen zu einer Krankheit zugrundeliegenden meßErkrankung, so liegt quasi per defi- baren Veränderungen gestaltet wernitionem eine gewisse Schwäche den. Die zu klärende Frage ist, ob
der körpereigenen Abwehr vor, die eine medikamentöse Therapie im
es opportunistischen Erregern ge- Einzelfall überhaupt angezeigt ist
stattet, sich unkontrolliert zu ver- oder nicht sogar schädlich sein
mehren oder es Viren ermöglicht, kann. Eine medikamentöse Benach spontaner Reaktivierung über handjung ohne meßbare pathologilängere Zeit aktiv zu bleiben. Aller- sche Parameter wird nur schwer bedings bleibt häufig die Suche nach gründbar sein, zumal auch eine Erpräzisen Immundefekten erfolglos. folgskontrolle fehlen würde. Eine
Bei einzelnen Patienten sind Stö- verständnisvolle
psychologische/
rungen der Lymphozytenstimulier- psychosomatische Führung der Pabarkeit beschrieben, Immunglobu- tienten erscheint hier angeraten, gelin-Subklassendelizienzen oder - gebenenfalls im Verein mit autogeweitaus am häufigsten - quantitati- nem Training oder verwandten
ve oder funktionelle Defekte der . Maßnahmennatürlichen Killerzellen.
Nachweisbare Mangelzustände
In letzter Zeit wird vermehrt (Vitamine, Hormone, Spureneleder Interaktion zwischen Psyche mente) sollten ausgeglichen werden
und dem Immunsystem Beachtung und eventuelle chronisch toxische
geschenkt und für eine ätiologische Einflüsse (beispielsweise Alkohol,
Erklärung des CFS genutzt. Ana- Nikotin) vermieden werden. Insgemnestisch finden sich nämlich bei samt ist es schwierig bis unmöglich;
einigen Patienten wiederholt Hin- zu gegebener Zeit eindeutige Theweise auf ungewöhnliche (psychi- rapievorschläge für das CFS zu ma-.
sche oder physische) Streßsituatio- chen, zumal £aum kontrollierte Stunen vor Ausbruch der Erkrankung. dien hierzu vorliegen oder das ausInsbesondere in der amerikani- gewertete Patientengut recht heteschen wissenschaftlichen Literatur rogen und nicht immer eindeutig
gibt es zahlreiche Veröffentlichun- dem CFS zuzuordnen war. Gewisse
gen über definierbare und meßbare Erfolge wurden zum Teil mit unspeEinschränkungen der Immunkom- zifischen Immunstimulanzien erpetenz bei abnormem Streß (6, 16), zielt wie zum Beispiel Echinacin,
Zwischengeschaltet als Mittler Thymopentin und anderen,
bei derartigen Streßreaktionen ist
Nur etwa 10 Prozent der so bedas Endokrinium (Zwischenhirn- handelten Patienten zeigten jedoch
Hypophyse-Nebenniere/Schilddrtiobjektiv nachvollziehbare Besse$e/Gonaden).
rungen ihrer Immunantwort, wähAls Arbeitshypothese ergibt rend etwa 25 Prozent subjektiv Bessich hieraus für die Pathogenese des serungen ihres Befindens angaben.
CFS, daß es sich wahrscheinlich um Andere Maßnahmen wie Ozontheeine Störung der komplexen Regu- rapie, Behandlung mit ionischem
lation des psychoneuro-endokri- Sauerstoff, verschiedene rüborjenen-immunologi5chen Netzwerkes rende und immunstimulatorische
handelt. Die diffizile Regulation Pflanzenextrakte büeben ohne obdieses Systems kann offenbar durch jektivierbaren Erfolg, TherapeutiA-2952 (58) Deutsches Ärzteblatt W, Heft 43,28. Oktober 1994
sche Ansätze zur Verbesserung der
Immunreaktivität von CFS-Patienten mit Ampligen (eine synthetische „missmatched" doppelsträngige RNA;Poly [I]:Poly [C12U])
öder mit Transferfaktor zeigten einzelne erfolgversprechende Resultate, doch stehen größere klinische
Studien noch aus (14). Die Verwendung von Immun-Transferfaktor,
wenn als erfolgreich erwiesen* hätte
gleichzeitig gewisse antivirale Effekte. Patienten mit erheblichen
psychischen Problemen zeigten
häufig symptomatische Besserungen unter der Therapie mit trizyklischen Antidepressiva oder Benzodiazepinen. Obgleich eine derartige
Behandlung symptomatisch ist,
könnte hierdurch theoretisch auch
ein zentraler immunsuppressiver
Effekt vermindert werden,
Die Behandlung mit i.v. Gammaglobulin ist in der Literatur umstritten.
Wenn allerdings Präparate verwandt werden» die Komplement
binden, können zum Teil offenbar
positive Ergebnisse erwartet werden (4,12).
Die regelmäßigere Anwendung
dieser Behandlung ist nicht mir
durch die hohen Kosten einge- '"i'l
schränkt; sie ist auch nur zu rechtfertigen, wenn bei den Patienten
entsprechende Immundefekte (Immunglobulimnangel, Immunglobulin-Subklassendefekte, zirkulierende Immunkomplexe, pathologische.
Lymphozytenstimulation
oder
Hauttests) bestehen und sich unter
der Behandlung bessern, oder wenn.
persistierende bakterielle oder vira-*
le Infekte sicher (das heißt nicht
ausschließlich serologisch oder nur'bei signifikanten Titerbewegungen!) nachgewiesen sind.
Eine Behandlung persistierender Virusinfekte mit Virostatika
und/oder Interferon - wie bei anderen Erkrankungen offenbar erfolgreich - hat beim CFS bisher keine
überzeugenden Ergebnisse erbracht. Vor einer entsprechenden
Therapieerwägung sollte wegen
möglicher toxischer Nebenwirkungen eine kritische Indikationsstellung erfolgen. Abschließend sei für
weitere Informationen noch auf die
äußerst zahlreichen hilfreichen
11:40
DEUTSCHES PERZTEBLftTT •> 002114951071
$? Schriften der amerikanischen und
fe englischen
Gesundheitsbehörde
p|^zum CFS hingewiesen (2,13),
Neurogenetik
in Deutschland
Kl'^nrteWatt
|ffi (1994) A-2946-2953 [Heft 43]
:'. Die Zahlen in Klammern beziehen sicH auf"
'..'dos Literaturverzeichnis im Sonderdruck,
: •anzufordern über die Verfasser.
Erster Workshop in Gießen
D
ie Neurogenetik ist ein junges Forschungsgebiet, das
sich mit den genetischen und
molekularen
Grundlagen
von Erkrankungen des Zentralen
und Peripheren Nervensystems beschäftigt. International rasch bekannt wurde diese neue Forschungsrichtung durch die Aufklärung der Gendefekte, welche der
Muskeldystrophie vom Typ Duchenne, der peripheren und zentralen Form der Neurofibromatose
und der Chorea Huntington zugrunde liegen. Ziel der Gießener
Tagung (vom 13. bis 14. Mai 1994)
war es, den direkten Informationsaustausch zwischen neurogenetisch
Interessierten verschiedener Disziplinen zu ermöglichen. Der Workshop fand unter der Leitung von
Pro! Dr. U. Müller, Direktor des
Humangenetischen Instituts der
Universität Gießen, und Dr. Manuel B> Graeber, Leiter des Labors für
Molekulare Neuropathologie, Institut für Neuropathologie der Uni-,
versität München, statt.
resubstitutionen des Plasmatransthyretins, die mit Konformationsinstabilität einliergehen können und
eine ursächliche Rolle bei der Entstehung der Famüiären-AmyloidPolyneuropathie (FAP) spielen.
Mögliche Beziehungen zu anderen
Amyloidosen wurden diskutiert,
Neurogenetik des
Parkinsqn*Syndroms
Koppelungsuntersuchungen in
vier Familien mit autosomal-donünant vererbtem Farkinson-Syndrom
werden von X Gasser (Neurologie
München) durchgeführt. Eine weitere, durch einen monogenen Defekt verursachte Erkrankung mit
Parkinson-Symptomatik stellt das
X-chxomsonial rezessiv vererbte
Dystonie-Farkinson-Syndrom
(XDP) dar, über das G. Haberhaujen
(Humangenetik Gießen) berichtete.
Kenntnis des Gendefekts
bei M* Huntington
Hier liegt eine Trinukleotid-Ex-.
pansion (CAG) zugrunde. Die
Kenntnis des Gendefekts ennöglicht die differenzierte präsymptomatische und pränatale Diagnostik
dieser schweren Bewegungsstörung,
C. Mülkr-Reibk (Humangene- 0- Rieß (Molekulargenetik Botik Würzburg) berichtete» daß es sich chum) zeigte in einer großen Grupbestätigt hat, daß die mildere Form pe von mehr als 400 Huntington-Pa- i
vom Typ Becker mit dem Vorkom- tienten, daß eine inverse Korrelat*- £"
men von Mutationen korreliert, wel- on zwischen der Länge des expanche den „reading frame" des Gens dierten Trinukleotid-Repeats und
intakt lassen, während die schwere dem Erkrankungsalter besteht.
Form der Muskeldystrophie Duchenne mit Mutationen einhergeht,
Neurotrophe Faktoren
die den Leserahmen des Gens zerstören.. Dies führt häufig zum völliM Sendtner (Max-Planck-Instigen Verlust des Genprodukts Dytut
München)
referierte über neustrophia K Altland (Humangenetik
Gießen) berichtete über Aminosäu- rotrophe Faktoren wie CNTF (ClliGenotyprPhänotypKorrelationen bei den
Muskeldystrophien
Duchenne/Becker
Deutsches Äxzteblatt 91, Heft 43,28. Oktober 1994 (59) A-2953
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