med tropole Nr. 31 Oktober 2012 RHEUMATOLOGIE: Pulmonale arterielle Hypertonie (PAH) KARDIOLOGIE: Intrakoronare optische Kohärenztomographie PSYCHIATRIE UND PSYCHOTHERAPIE: Binge-Eating-Störung Aktuelles aus der Klinik für einweisende Ärzte Editorial Impressum Liebe Leserinnen und Leser, liebe Kolleginnen und Kollegen, Redaktion Jens Oliver Bonnet (verantw.) Prof. Dr. Christian Arning PD Dr. Oliver Detsch Dr. Birger Dulz PD Dr. Siegbert Faiss Dr. Christian Frerker Dr. Susanne Huggett Prof. Dr. Friedrich Kallinowski Prof. Dr. Uwe Kehler Dr. Jochen Kilian Dr. Jürgen Madert PD Dr. Aglaja Stirn Prof. Dr. Gerd Witte Cornelia Wolf Herausgeber Asklepios Kliniken Hamburg GmbH Unternehmenskommunikation Rudi Schmidt V. i. S. d. P. Rübenkamp 226 22307 Hamburg Tel. (0 40) 18 18-82 66 36 Fax (0 40) 18 18-82 66 39 E-Mail: [email protected] Auflage: 15.000 Erscheinungsweise: 4 x jährlich ISSN 1863-8341 was macht eine Metropole zur Medtropole? Es kann nur die gelebte, quirlige medizinische Vielfalt sein, die unser Fach so interessant macht, dass es wohl immer zu den vielseitigsten akademischen Studienfächern zählen wird. Die Medtropole Hamburg hat mannigfaltige Ecken und Winkel, verteilt über die ganze Stadt, auf die wir hier einige Schlaglichter werfen wollen: Zu Besuch in Altona, gibt Ihnen der Kollege Ahamdi-Simab mit seiner Arbeit über die pulmonale arterielle Hypertonie bei Kollagenosen auf hohem Niveau Einblick in sein Spezialgebiet bei einem Krankheitsbild, dessen Pathophysiologie sich leicht erschließt, dessen Therapie aber große Erfahrung erfordert. Noch weiter im Westen, in Rissen, widmet sich der psychosomatische Kollege Fehrs einer Erscheinung unserer zivilisierten Kultur, dem Binge-Eating-Syndrom. Das Future-Hospital Barmbek öffnet die Pforten zum Einblick in die Arbeit des Teams um Herrn Faiss, hier mit Fokus auf zystische Pankreasläsionen, die uns früher ohne die moderne Bildgebung oft verborgen blieben. In Harburg geht Herr Kallinowski in einem Pakt mit der Hamburger Krebsgesellschaft unter Patenschaft des Bezirksamtes neue Wege, um frischen Wind in die Akzeptanz der Darmkrebsvorsorge zu bringen. Mein Wandsbeker Kollege Arning lebt Medtropole-umspannende Kooperation mit dem West- und Südzipfel der Stadt (H. Lawall und W. Gross-Fengels) mit auf den Punkt gebrachtem Extrakt der Deutschen S3-Leitlinie zur Carotisstenose, bei der die Kollegen Co-Autoren waren. Und nun ins Zentrum der Stadt: Gemäß dem Anspruch der Campus-Klinik der Semmelweis Universität zeigen drei Beiträge aus St. Georg Wissenschaft und Technik auf Spitzenniveau: Die Kardiologen Heeger, Kuck und Bergmann tragen dazu bei mit der intrakoronaren Kohärenztomographie, einer zukunftweisenden Technik zur Kontrolle komplett resorbierbarer Koronarstents und deren Endothelialisierung. Die Strahlentherapie läuft in St. Georg heute exakt gezielt „bild-geführt“, wie der Beitrag von Kollege Busch eindrucksvoll zeigt. Herr Petersen vom ifiInstitut scheut keinen Kampf mit Hepatitis-Viren jeder Art, wobei die Medizin zunehmend an Boden gewinnt. Was hätte Nikola Tesla zu all dem Fortschritt wohl gesagt oder noch zusätzlich beigetragen, wenn er freudig überrascht seinen Namen an den höchstentwickelten Geräten der Medizintechnik vorgefunden hätte? Kollege Fischbach aus Altona hätte wohl eine Vorstellung davon. Ich habe Ihnen hoffentlich Appetit gemacht auf eine Reise durch die Medtropole Hamburg und lade Sie nun herzlich ein zur neugierigen Lektüre unserer medizinischen Stadtzeitschrift. Ihr Dr. Peter Breuer Ärztlicher Direktor Asklepios Klinik Wandsbek 1090 Inhalt 1092 | GASTROENTEROLOGIE UND HEPATOLOGIE Pankreas – Zyste ist nicht gleich Zyste S. 1092 1096 | HEPATOLOGIE Keine Angst vor Hepatitis-Viren – Diagnose und aktuelle Therapiemöglichkeiten der chronischen Hepatitis B und C 1100 | RHEUMATOLOGIE Pulmonale arterielle Hypertonie (PAH) 1104 | KARDIOLOGIE Intrakoronare optische Kohärenztomographie 1108 | STRAHELNTHERAPIE Strahlentherapie mit IGRT – Bildgestützte Präzisionbestrahlung von Tumoren und Metastasen S. 1108 1111 | PSYCHIATRIE UND PSYCHOTHERAPIE Binge-Eating-Störung 1114 | GEFÄSSMEDIZIN S3-Leitlinie veröffentlicht: Diagnostik und Behandlung von Carotisstenosen 1116 | GYNÄKOLOGIE Notall Extrauteringravidität 1117 | PERSONALIE 1118 | GASTRO-/VISZERALCHIRURGIE 1.000 mutige Männer gesucht: Mit 55 Jahren fängt das Leben an … S. 1118 1120 | ??? Wer war eigentlich Nikola Tesla? 1091 Medtropole | Ausgabe 31 | Oktober 2012 Pankreas – Zyste ist nicht gleich Zyste Dr. Robert Baumbach, Priv.-Doz. Dr. Siegbert Faiss Durch verfeinerte bildgebende Diagnostik werden immer mehr zystische Formationen des Pankreas entdeckt. Dysontogenetische Zysten des Pankreas sind außerordentlich selten. Die meisten zystischen Veränderungen lassen sich in zwei Gruppen einteilen: 1. Pseudozysten bei akuter oder chronischer Pankreatitis. 2. Zystische Neoplasien. Die zystischen Neoplasien sind eine sehr heterogene Gruppe von Entitäten mit sehr unterschiedlichem Entartungspotential. Andererseits ist eine verlässliche Differentialdiagnose der zystischen Neoplasien untereinander und von non-neoplastischen Zysten häufig schwierig. Wir stehen daher vor einem diagnostischen Dilemma und der Differenzierung zystischer Pankreasläsionen kommt aufgrund der großen Unterschiede in Prognose und Therapie eine sehr große klinische Bedeutung zu. Das zeigt sich auch daran, dass sich die Übereinstimmung erfahrener Endosonografiker in der Differenzierung neoplastischer und nicht-neoplastischer Pankreaszysten als gering erweist und selbst in Zentren mit großen Fallzahlen ein Drittel der präoperativen Diagnosen falsch sind.[1] Zystische Pankreasläsionen Zu unterscheiden sind neoplastische von non-neoplastischen zystischen Pankreasläsionen. Die non-neoplastischen bestehen zum größten Teil aus nicht epithelialen Pseudozysten (Abb.1), die 75 Prozent aller symptomatischen zystischen Läsionen des Pankreas ausmachen. Pseudozysten treten mit einer Häufigkeit von circa 15 Prozent bei akuter Pankreatitis („akute Pseudozyste“) auf und etwa doppelt so häufig bei chronischer Pankreatitis („chronische Pseudozyste“). Sie kommen meist solitär und in jeglicher Lokalisation vor. Während „akute Pseudozysten“ eine hohe spontane Rückbildungsrate aufweisen, ist diese bei „chronischen Pseudozysten“ aufgrund ihrer Pathogenese deutlich geringer. Therapeutische Implikationen ergeben sich nur bei Symptomatik oder Komplikationen (Superinfektion, Einblutung, Kompression von Gallengang, großen Gefäßen oder Intestinum). Im Vergleich zu Leber- oder Nierenzysten sind epitheliale dysontogenetische Zysten des Pankreas sehr selten. 1092 Bei neoplastischen zystischen Pankreasläsionen unterscheidet man primäre und sekundäre Neoplasien. Zu den primären gehören die intraductal papillär-mucinösen Neoplasien (IMPN), die serösen zystischen Neoplasien (SCN) und die mucinös-zystischen Neoplasien (MCN). Bei den sekundären sind die Solid-pseudopapilläre Neoplasie (SPN), das duktale Adenokarzinom und neuroendokrine Pankreastumoren zu nennen. Dabei machen IPNM, SCN, MCN und SPN etwa 90 Prozent aller neoplastischen Pankreaszysten aus. Diagnostik Für die bilddiagnostische Differenzierung stehen transabdominelle Sonographie, Endosonographie (EUS), Computertomographie (CT), Magnetresonanztomographie (MRT-MRCP) und endoskopisch-retrograde Pankreatographie (ERP) zur Verfügung. Aufgrund der höchsten Ortsauflösung und der Möglichkeit, Perfusionsanalysen und in gleicher Sitzung eine Feinnadelaspiration (FNA) vornehmen zu können, hat die Endosonographie den höchsten Stellenwert. Da die bilddiagnostische Differenzie- rung von Pankreaszysten häufig schwierig ist, müssen zusätzlich Lokalisation, Anamnese, klinisches Bild, Alter und Geschlecht der Patienten mit einbezogen werden. Intraductal papillär-mucinöse Neoplasien IPMN sind die häufigsten zystischen Neoplasien des Pankreas. Dabei handelt es sich um papilläre Proliferation neoplastischer muzinöser Gangepithelien. Die Produktion des zähen Schleims verursacht die zystische Gangdilatation. Zu unterscheiden sind Seitengang(BD)- von Hauptgang(MD)-IPMN hinsichtlich des Epitheltyps, des Muzinmusters, der Symptomatik, des Entartungspotentials und somit der Prognose. Mischtypen kommen in bis zu einem Drittel der Fälle vor.[2] Ein MD-IPMN liegt vor, wenn der Hauptgang und der zystische Tumor > 10 mm messen. Ein BD-IPMN ist definiert, wenn eine Kommunikation mit dem Hauptgang besteht, der Hauptgang < 6 mm und der zystische Tumor im Bereich der Seitengänge > 10 mm misst.[3] In 60 Prozent der Fälle sind Männer betroffen, die Gastroenterologie und Hepatologie meisten werden im Alter zwischen 40 und 80 Jahren diagnostiziert. Das mittlere Alter bei Diagnosestellung beträgt 64 Jahre. Klinisch imponieren IPMN in einem Drittel der Fälle als akute oder obstruktive chronische Pankreatitiden durch Muzin-bedingte Gangobstruktion.[4] Daneben können IPMN durch unspezifische Oberbauchschmerzen, Steatorrhoe, Gewichtsverlust, Neuauftreten oder Verschlechterung eines Diabetes mellitus oder durch eine obstruktive Cholestase symptomatisch werden. Man unterscheidet IPMN-Adenome mit geringgeradigen und schwergeradigen Dysplasien sowie das invasive IPMN-Karzinom. 2010 wurde in der WHO-Klassifikation der Pankreastumoren als Variante der IPMN die Intraductal tubulopapilläre Neoplasie (ITPN) hinzugefügt, die sich wegen des tubulären Wachstumsmusters von den übrigen IPMN klar abgrenzen lässt.[5] Während BD-IPMN bei Diagnosestellung in rund 15 Prozent einem invasiven Karzinom entsprechen, wird dieses bei MD-IPMN in etwa der Hälfte der Fälle gesehen.[6] Dem entsprechend beträgt die Fünf-Jahres-Überlebensrate bei BD-IPMN mehr als 90, bei MD-IPMN etwa 50 Prozent.[3] Bei IPMN unter drei Zentimetern ist die Wahrscheinlichkeit eines invasiven Karzinoms sehr gering, ab einer Größe von drei Zentimetern steigt sie deutlich an.[7] Weitere morphologische Kriterien für eine maligne IPMN sind knotige Wandveränderungen und Wandverdickung der zystischen Läsion. Abb. 1 Abb. 2 häufig multifokal auftreten. Zusätzlich entwickeln Patienten mit BD-IPMN gehäuft duktale Adenokarzinome an anderer Lokalisation des Pankreas, so dass bei Kontrolluntersuchungen neben dem Fokus des BD-IPMN das gesamte Organ auf neue solide Formationen abgesucht werden muss. MD-IPMN sind überwiegend im Pankreaskopf gelegene Dilatationen von D. wirsungianus (Abb. 4) oder D. Santorini. Pathognomonisch für die Diagnose IPMN ist eine durch zähen Schleim klaffende Fischmaulpapille (Abb. 5), die etwa die Hälfte der MD-IPMN-Patienten aufweisen. mehrere Zysten unterteilen („cyst in cyst“). Der Zysteninhalt ist relativ muzinös. MCN weisen keine Gangkommunikation auf und sind meist im Pankreasschwanz lokalisiert. Befallen sind ausschließlich Frauen, das mittlere Alter bei Diagnosestellung beträgt 47 Jahre. Die meisten Patientinnen sind symptomfrei. Pankreatitiden treten seltener als bei IPMN auf. Es besteht eine Adenom-Karzinom-Sequenz, sodass die Prävalenz eines invasiven Karzinoms größen- und altersabhängig ist.[8] Morphologische Kriterien für Malignität sind murale Noduli, Verkalkungen, Multilokularität oder Kopflokalisation. Insgesamt gilt für alle MCN eine absolute OP-Indikation. Für MD-IPMN besteht eine absolute OPIndikation. BD-IPMN sollten operiert werden, wenn die Größe mehr als drei Zentimeter beträgt, murale Noduli vorliegen, der Hauptgang über sechs Millimeter weit ist oder diese symptomatisch sind. Mucinös-zystische Neoplasien BD-IPMN sind in der Regel traubenartig angeordnete, gangassoziierte polyzystische Formationen (cyst by cyst) die ineinander übergehen, vorwiegend im Processus uncinatus lokalisiert sind (Abb. 2 und 3) und MCN sind glatt konturiert, mit muzinösem Epithel ausgekleidet und weisen eine dicke fibröse Wand auf. Typisch sind perfundierte Septen, die den zystischen Tumor in Seröse zystische Neoplasien SCN sind von multiplen gut perfundierten Septen durchzogen, die häufig zu einer zentralen Narbe zusammenlaufen und multiple kleine, bis zu 20 Millimeter durchmessende Zysten separieren (Abb. 6). Dadurch entsteht das typische Honigwabenbild (Abb. 7). Die Kontur ist im Vergleich zu MCN lobuliert, die Kapsel dünn, der Zysteninhalt serös. SCN sind ebenfalls 1093 Medtropole | Ausgabe 31 | Oktober 2012 Abb. 3 Abb. 4 Abb. 5 im Pankreasschwanz lokalisiert, betroffen sind überwiegend Frauen, aber jeder achte Patient ist ein Mann. Mit einem Durchschnittsalter von 71 Jahren sind die Patienten meist älter als bei MCN. Im Gegensatz zu MCN entarten SCN nicht, so dass bei einem typischen Befund abgewartet werden kann. Eine OP-Indikation ergibt sich bei größenabhängigen Symptomen. Diffentialdiagnose Das entscheidende Differenzierungsmerkmal zwischen IPMN und den anderen zystischen Pankreasneoplasien ist die Gangkommunikation. Selten können aber auch MCN durch Fistelungen Gangkommunikationen aufweisen. BD-IPMN können auch MCN ähneln. Im Gegensatz zu MCN weisen BD-IPMN aber ein höheres Alter, eine Kopf-Lokalisation, eine Gangkommunikation, keine Kapsel und ein „cyst by cyst“Bild auf. Auch sind häufiger Männer betroffen. Solid-pseuopapilläre Neoplasie Anders als IPMN, MCN und SCN sind SPN sekundäre zystische Tumoren, wobei die zystischen Anteile durch Nekrosen und Einblutung zustande kommen. Der Zysteninhalt ist daher typischerweise sanguiolent. Wie bei MCN und SCN besteht keine Gangkommunikation. Bei Diagnose sind die solide-zystischen Tumoren in der Regel sehr groß und eher im mittleren und linksseitigen Pankreas lokalisiert. Die Betroffenen sind meist junge Frauen. Etwa 15 Prozent der Tumoren rezidivieren oder metastasieren. Insgesamt wird bei SPN eine OP empfohlen. 1094 Die Differenzierung zwischen Pseudozyste und zystischen Neoplasien kann mitunter schwierig sein. Insbesondere MCN können große Ähnlichkeit mit Pseudozysten aufweisen. Wegweisend ist neben Alkohol- und Pankreatitisanamnese sowie Geschlecht häufig die Beurteilung des Pankreasganges und des Parenchyms. Zusätzlich sind die Septen und nodulären Wandproliferationen bei MCN im Gegensatz zur Pseudozyste mit Doppler-/Duplex- oder kontrastverstärkter Endosonographie (CE-EUS) perfundiert darzustellen. Auch MD-IPMN können mit einer Pseudozyste bei chronischer Pankreatitis verwechselt werden, zumal das Restparenchym bei MD-IPMN durch rezidivierende Pankreatitiden das Bild einer chronischen Pankreatitis zeigen kann. Entscheidend ist hier der Unterschied zwischen muzinbedingter Gangdilatation bei MD-IPMN und Gangobstruktionen durch Strikturen oder Pankreatolithen bei chronischer Pankreatitis. Innerhalb der IPMN kann CE-EUS helfen, Muzin von perfundierten muralen Noduli als Malignitätskriterium zu differenzieren. Die EUS-FNA ermöglicht eine makroskopische, biochemische zytologische und gegebenenfalls mikrobiologische Analyse. Bei unklaren zystischen Neoplasien ohne Gangkommunikation kann Viskosität des Zysteninhaltes auf eine muzinöse oder seröse Neoplasie hinweisen. Bei der biochemischen Analyse zeigt der Lipasegehalt eine Gangkommunikation an, die neben Pseudozysten bei IPMN, jedoch nicht bei MCN, SCN und SPN besteht. Die Bestimmung der CEA-Konzentration ist unspezifisch, da die Standardabweichungen verschiedenster zystischer Pankreasläsionen zu sehr überlappen.[9] Die zytologische Gastroenterologie und Hepatologie Abb. 6 Abb. 7 Analyse von Zysteninhalt ist im Vergleich zu soliden Formationen aufgrund der Zellarmut noch begrenzter. So gelang der isoliert-zytologische Nachweis von SCN in nur 20 Prozent der Fälle.[10] Literatur [1] Jenssen C, Möller K. Schwierige endosonographische Differentialdiagnosen am Pankreas – zystische Läsionen. Endo heute 2010; 23: 253-66. Dr. Robert Baumbach, Priv.-Doz. Dr. Siegbert Faiss [2] Crippa S, Fernandez-Del Castillo C, Salvia R et al. Mucin-producing neoplasms of the pancreas: an analysis Fazit Kontakt of distinguishing clinical and epidemiologic characteristics. Gastroenterologie und Hepatologie Asklepios Klinik Barmbek Rübenkamp 220, 22291 Hamburg Clin Gastroenterol Hepatol 2010; 8: 213-9. Trotz Heranziehung aller differentialdiagnostischen Kriterien bleibt die Zuordnung zystischer Pankreasläsionen häufig schwierig. Läsionen, die Symptome oder gar eine Tumorklinik aufweisen, sollten operiert werden. Uniloculäre (Pseudozyste, IPMN, SCN) und mikrozystische (SCN, IPMN) Läsionen sollten eher beobachtet, makrozystische (IPMN, MCN) und Läsionen mit soliden Anteilen (IPMN, MCN) eher operiert werden. [3] Wente MN, Schmied BM, Schmidt J, Büchler MW. Tel. (0 40) 18 18-82 38 10 Fax (0 40) 18 18-82 38 09 Differenzierte Therapie der intraduktalen papillären muzinösen Neoplasie. Chirurg. 2009; 80(1): 7-13. E-Mail: [email protected] [4] Belyaev O, Seelig MH, Muller Ca et al. Intraductal papillary mucinous neoplasms of the pancreas. J. Clin Gastroenterol 2008; 42: 284-94. [5] Lüttges J. Was ist neu? Die WHO-Klassifikation 2010 [9] Brugge WR, Lewandrowski K, Lee-Lewandrowski E, et für Tumoren des Pankreas. Pathologe 2011; 32(2): 332-6. al. Diagnosis of pancreatic cystic neoplasms: a report of the [6] Tanaka M, Chari S, Adsay V et al. International consen- cooperative pancreatic cyst study. Gastroenterology. 2004; sus guidlines for management of intraductal papillary 126(5): 1330-6. mucinous neoplasms and mucinous cystic neoplasms of [10] Belsley NA, Pitmann MB, Lauwers GY et al. Serous the pancreas. Pancreatology 2006; 6: 17-32. cystadenoma of the pancreas: limitations and pitfalls of [7] Sadakari Y, Ienaga J, Kobayashi K, et al. Cyst size indi- endoscopic ultrasound-guided fine-needle aspiration bio- cates malignant transformation in branch duct intraductal psy. Cancer 2008; 114: 202-10. papillary mucinous neoplasm of the pancreas without mural nodules. Pancreas. 2010; 39(2): 232-6. [8] Yamao K, Yanagisawa A, Takhashi K et al. Clinicalpathological features and prognosis of mucinous cystic neoplasm with ovarian-type stroma: a multi institutional study of the Japan Pancreatic Society, Pancreas 2010. 1095 Medtropole | Ausgabe 31 | Oktober 2012 Diagnose und aktuelle Therapiemöglichkeiten der chronischen Hepatitis B und C Keine Angst vor Hepatitis-Viren Prof. Dr. Jörg Petersen, Dr. Albrecht Stoehr, Prof. Dr. Andreas Plettenberg, Dr. Peter Buggisch Hepatitis B- und Hepatitis C-Virusinfektionen bleiben häufig unentdeckt und führen längerfristig zu schweren Leberschäden mit den Folgen der Leberzirrhose und Leberkrebs. Eine Hepatitis-B-Virusinfektion (HBV) kann mit antiviralen Medikamenten dauerhaft kontrolliert, die Hepatitis-C-Virusinfektion (HCV) sogar komplett geheilt werden. Neben Interferon lässt sich eine HBV mit oralen Nukleos(t)id-Analoga therapieren. Bei HCV steht mittlerweile eine Dreifachtherapie mit pegyliertem Interferon, Ribavirin und neu zugelassenen Proteasehemmern zur Verfügung. Erhöhte Leberwerte, vor allem GPT und gGT, gehören zum Alltag von Praxen und Kliniken. Lange Zeit galten leicht erhöhte Leberwerte als „Kavaliersdelikt“, vor allem wenn die Betroffenen beschwerdefrei waren. Neben dem Alkoholmissbrauch müssen immer auch andere Gründe abgeklärt werden, die sonst schwerwiegende Folgen haben können. Das Robert-KochInstitut und aktuelle Leitlinien empfehlen daher auch bei nur leicht erhöhten Leberwerten und Risikogruppen nach einer Hepatitis-B- und Hepatitis-C-Virusinfektion zu suchen (s. Tab. 1). Mit der Bestimmung von HBs-Antigen und HCV Antikörpern lassen sich in der Regel mehr als 99 Prozent der HBV- und HCV-Infektionen erkennen, in der Praxis auch ohne Belastung des Laborbudgets (Ausnahmeziffer). 1096 Große Defizite in der HBV- und HCV-Diagnostik Indikation zur Behandlung einer HBV-Infektion Etwa 500.000 in Deutschland lebende Menschen sind chronisch mit HBV infiziert, weitere 500.000 mit HCV. Weniger als 30 Prozent dieser Infektionen sind den Betroffenen bekannt und weniger als 15 Prozent sind behandelt. Viele Patienten mit erhöhten Leberwerten werden bis heute nicht auf Hepatitis B und C getestet. In anderen Teilen der Welt sind HepatitisB- und Hepatitis-C-Virusinfektionen noch häufiger, dennoch existiert in Deutschland bislang kein systematisches Migrantenscreening. Nicht entdeckte HBV- oder HCV-Infizierte haben ein erhöhtes Risiko, an Leberzirrhose und Lebertumoren zu erkranken. Dies ließe sich durch verstärkte Anwendung der relativ einfachen Diagnostik verhindern, da sich die HBV-Erkrankung bei mehr als 90 Prozent der behandelten Patienten langfristig und wirksam hemmen lässt. Eine HCV-Infektion heilt durch die zum Teil neuen Medikamente bei 70 bis 80 Prozent sogar vollständig aus. Als Suchtest für eine HBV-Infektion wird das HBs-Antigen bestimmt. Weiterhin sollten Anti-HBc, Anti-HBe, HBe-Antigen und die HBV-DNA kontrolliert werden. Ist ein Patient HBs-Antigen positiv, muss bei ihm durch Abklärung des Anti-HDV eine Hepatitis D-Koinfektion ausgeschlossen werden. Eine Therapie wird bei HBVDNA-Werten > 2000 IU/ml und dem Nachweis von Entzündung und Fibrose empfohlen. Bei Zirrhose-Patienten empfehlen die Leitlinien eine Therapie bei jedem Nachweis von HBV-DNA in der PCR. Diese Vorsichtsmaßnahme ist notwendig, um gefährliche hepatitische Schübe bei bereits zirrhotischen Patienten zu verhindern. Unstrittig ist, dass die nachhaltige Senkung der Viruslast die Entstehung von Zirrhose und Leberzellkarzinom reduziert. Ist ein Patient HBe-Antigen positiv und eine Serokonversion möglich, kann er auch mit pegyliertem Interferon alpha 2a (PEGIFN) therapiert werden. Diese Konstella- Hepatologie HBV- und HCV-Diagnostik ist indiziert bei: ■ Personen mit erhöhten Leberwerten oder Zeichen einer Lebererkrankung ■ Personen mit Migrationshintergrund aus Regionen mit erhöhter HBV/HCV-Infektionsrate ■ aktivem oder ehemaligem Drogenkonsum ■ HIV/HBV/HCV-infizierten Personen ■ homosexuellen Männern oder häufig wechselnden Sexualpartnern ■ Familien/Haushaltsangehörigen von HBV/HCV-Infizierten ■ Kindern von Müttern mit HBV/HCV-Infektion ■ Dialysepatienten ■ Transpantatempfängern, Blut-, Organ-, Gewebespendern ■ Personen in psychiatrischen Einrichtungen, Justizvollzugsanstalten, Fürsorgeeinrichtungen ■ medizinischem Personal ■ Empfängern von Blut und Blutprodukten ■ Patienten vor/während Chemotherapie ■ Schwangeren (nur HBsAg) tion ist jedoch selten, so dass heute die meisten Patienten in Deutschland (etwa 90 Prozent) mit den oralen Nukleos(t)iden therapiert werden. Häufig werden gut verträgliche orale Nukleos(t)ide eingesetzt Ist eine Interferon-Gabe nicht möglich, können Patienten ohne Zirrhose eine Monotherapie mit Entecavir, Tenofovir oder Telbivudin erhalten. Telbivudin hat eine geringere Resistenzbarriere und sollte dauerhaft nur bei gutem Ansprechen gegeben werden. Adefovir und Lamivudin werden in der Primärtherapie nicht mehr empfohlen. Bei Zirrhose-Patienten und bei hoher Viruslast werden wirksame Substanzen mit hoher Resistenzbarriere (heute Entecavir oder Tenofovir) empfohlen. Die HBV-DNA sollte kontrolliert werden, um Therapieversagen und Resistenzen früh zu erkennen. Bei einem DNA-Anstieg unter Dauertherapie ist immer auch die Adhärenz zu prüfen, da bis zu 30 Prozent der Behandelten die Medikamente nicht vorschriftsmäßig und regelmäßig einnehmen. Beide Substanzen sind so gut wirksam und verträglich, dass eine Kombinationstherapie heute kaum mehr notwendig ist. Auch Resistenzen spielen bei korrekter Einnahme eine untergeordnete Rolle. Patienten, die jahrelang unter Lamivudin oder Telbivudin eine negative HBV-DNA haben, können damit weiterbehandelt werden. Tab. 1: Indikationen zur HBV- und HCV-Diagnostik Rückfälle auch bei einer HBe-Serokonversion möglich Hepatitis-C-Therapien immer aussichtsreicher Bei HBe-Antigen-positiven Patienten ist die HBe-Antigen-Serokonversion der erste angestrebte Endpunkt der Therapie. Danach sollten die Nukleos(t)ide für weitere zwölf Monate gegeben werden. Auch nach einer HBe-Antigen-Serokonversion sind die Patienten weiter zu kontrollieren, da es zu Rückfällen kommen kann. Bei den meisten Patienten müssen die oralen Medikamente zunächst zeitlich unbegrenzt gegeben werden. Bislang ist unklar, ob und wann man einen Auslassversuch mit diesen Medikamenten unternehmen kann. Bei der seltenen HBs-Antigen-Serokonversion (zehn Prozent der Fälle) kann die Therapie beendet werden, denn nur diese kommt einer klinischen Ausheilung der HBVInfektion nahe. Dennoch sind weiterhin Rückfälle, etwa unter Immunsuppression, möglich, da Hepatitis B sich nicht eradizieren lässt. Eventuell ist die Rate der HBsAntigen-Serokonversionen nach InterferonTherapie etwas höher als nach der mit Nukleos(t)iden. Hier besteht erstmals die Möglichkeit, mit Hilfe der Quantifizierung des Hüllproteins HBs-Antigen innerhalb von zwölf Wochen die individuelle Chance auf eine HBs-Antigen-Serokonversion zu untersuchen. An neuen Substanzen, die vermehrt zu einer Serokonversion führen könnten, wird derzeit geforscht. Sie hemmen die HBV-Aufnahme in die Leberzelle beziehungsweise die HBV-Ausschleusung aus der Zelle. Bei einer Hepatitis-C-Virusinfektion werden als Suchtest die HCV-Antikörper bestimmt. Vor Therapiebeginn sollten zusätzlich die HCV-RNA-Menge (Viruslast) und der Genotyp bestimmt werden. Die Therapieergebnisse bei einer Hepatitis C sind über die vergangenen Jahre immer besser geworden. Die ersten direkt antiviral wirkenden Substanzen wurden 2011 zugelassen, bislang allerdings nur für den Genotyp 1. Die Indikation zur Therapie hängt vom Patientenalter, vom Stadium der Leberfibrose und von den Begleiterkrankungen ab. Behandlungsbedürftig sind derzeit vor allem Patienten mit hohem Risiko der Entwicklung eines Leberschadens und diejenigen, die bereits unter einer deutlichen Fibrose oder Zirrhose leiden. Der fehlende Nachweis von HCV-RNA im Serum 24 Wochen nach Therapieende (SVR = Sustained Virological Response) definiert den Therapieerfolg. Lässt sich dann keine HCV-RNA nachweisen, bleibt sie zu mehr als 99 Prozent auch nach Jahren negativ, die Leberwerte normalisieren sich und das Risiko einer Leberzirrhose und eines daraus entstehenden Karzinoms sinkt. Die Aussichten einer SVR hängen von vielen Faktoren ab. So ist der Abfall der HCV-RNA in den ersten Therapiewochen der derzeit wichtigste Prognosefaktor. Früher zeigte der Genotyp 1 im Vergleich zu Genotyp 2 und 3 schlechtere Heilungs- 1097 Medtropole | Ausgabe 31 | Oktober 2012 raten, dies hat sich durch die neuen direkt antiviral wirkenden Medikamente ausgeglichen. Die Heilungsraten nicht vorbehandelter Patienten liegen bei den Genotypen 1 und 3 bei jeweils 70 bis 80 Prozent, für Genotyp 2 noch etwas höher. Eine hohe Virusmenge im Blut und eine Zirrhose sind bei allen Genotypen schlechte Voraussetzungen. Ein weiterer wichtiger Prognosefaktor für das Therapieansprechen ist der genetische IL28-B-Polymorphismus. So wird zum Beispiel beim Genotyp 1 ein SVR deutlich häufiger beobachtet (80 %), wenn an einer Stelle des IL28-B-Gens Thymidin (D) durch Cytosin (C) ersetzt ist (CC-Allel). Dagegen zeigen TT- und CT-Allel-Träger schlechtere SVR-Raten. Ein weiteres wichtiges Kriterium ist die Therapieadhärenz: So können Personen zum Beispiel aus dem Drogenumfeld ebenfalls gute SVR-Raten erlangen, wenn durch Unterstützung aus der Familie oder Drogenberater eine ausreichende Adhärenz erreicht wird. Insgesamt ist eine Netzwerkbildung bei den nebenwirkungsreichen HCV-Therapien sehr wichtig, um eine höhere Therapieadhärenz und letztlich den Therapieerfolg erreichen zu können. 1098 Neue Proteasehemmer können die Heilungschancen steigern Bisher galt die Behandlung mit PegInterferon und Ribavirin als Standardtherapie der HCV-Infektion, die, je nach Viruslast, Genotyp und initialem Ansprechen, bis zu 72 Wochen durchgeführt wurde. Seit 2011 sind nun mit Boceprevir (VictrelisR) und Telaprevir (IncivoR) die ersten HCV-Proteasehemmer in Deutschland zugelassen. Sie wirken beide direkt antiviral – allerdings nur beim Genotyp 1 – und müssen mit PegInterferon und Ribavirin kombiniert werden. In Deutschland wurden für diese komplexe Therapie Expertenpapiere veröffentlicht.[1] Für die Genotypen 2 bis 6 gibt es bislang keine neuen Substanzen, so dass hier weiter die duale Therapie gilt. Die Tripletherapie mit Boceprevir und Telaprevir steigert die SVR-Rate bei nicht vorbehandelten Patienten um etwa 25 Prozent auf etwa 70 Prozent. Auch bei erfolglos vorbehandelten Patienten verbessert sich die SVR zum Teil noch beeindruckender; so zeigen Patienten mit Relapse nach Vorbehandlung (HCV-RNA nach Ersttherapie wieder positiv) sogar bessere Heilungsraten als nicht vorbehandelte Patienten. Patienten allerdings, die auf die erste Therapie mit einer sogenannten Non-Response gar nicht angesprochen hatten, haben mit etwa 35 Prozent auch unter der aktuellen Tripletherapie keine guten Heilungschancen. Derzeit am schwierigsten zu behandeln sind Patienten mit Non-Response, die bereits eine Zirrhose haben und zudem auch noch älter als 60 Jahre sind. Hier sind leider auch mit Hilfe der neuen Tripletherapien nur Heilungsraten von zehn Prozent zu erreichen. Alternative Therapieoptionen existieren für diese Patientengruppe leider noch nicht. HCV-Therapien deutlich komplexer und nebenwirkungsreicher Für beide zugelassenen neuen Tripletherapien gilt, dass die Therapieregime sehr viel individueller und komplexer geworden sind und damit noch mehr in die Hände von Spezialisten gehören. Werden die Therapien aber korrekt durchgeführt, lässt sich die Therapiedauer durch die höhere Potenz der Tripletherapien für etwa die Hälfte der behandelten Patienten von 48 auf 24 beziehungsweise 28 Wochen verkürzen. Die Erfolge der neuen Tripletherapien werden durch eine Zunahme von Nebenwirkungen und eine höhere Rate an Therapieabbrüchen etwas getrübt. Beide neuen Substanzen führen in Kombination mit den bisherigen Medikamenten zum Teil zu ausgeprägter Anämie. Hautausschläge und häufige gastrointestinale Probleme kommen hinzu. Beide Proteasehemmer müssen drei Mal täglich mit einer Mahlzeit eingenommen werden. Außerdem sind nun Interaktionen mit anderen Medikamenten sehr genau zu beachten, die über die Cytochrome P450 metabolisiert werden. Schließlich kann es durch die Proteasehemmer erstmalig auch zu Resistenzen kom- Hepatologie Fazit Kontakt 1. Bei Patienten mit erhöhten Leberwerten und bei Risikogruppen sollten HBs-Antigen und Anti-HCV-Antikörper bestimmt werden. ?? 2. Patienten mit chronischer Hepatitis B und C sollten eine antivirale Therapie erhalten, wenn eine signifikante Hepatitis und Fibrose vorliegen oder ein Risiko für diese Komplikationen besteht. Abb.1: BU men, wobei ein Wechsel der Substanzen wegen einer Kreuzresistenz sinnlos ist. Daher sind bei nicht ausreichendem Ansprechen nach vier oder acht Wochen neue Stoppregeln zum Therapieabbruch einzuhalten. Zukünftige Therapieoptionen für Patienten mit Hepatitis C Inzwischen wurde gezeigt, dass eine SVR auch ohne Interferon möglich ist, wenn ein Protease- und ein Polymerasehemmer oder ein Polymerasehemmer mit Ribavirin kombiniert werden. Diese neuen Substanzen für die Hepatitis C befinden sich zurzeit in Phase 2- oder 3-Studien und werden das Spektrum der Möglichkeiten in der Therapie der Hepatitis C in den nächsten Jahren weiter bereichern. 3. Bei einer HBV-Infektion sollte zunächst die Möglichkeit einer Interferon-Therapie geprüft werden. Kommt diese nicht in Frage, empfehlen sich orale Nukleoside oder Nukleotide. Richtlinien empfehlen Substanzen mit starker antiviraler Wirkung und hoher Resistenzbarriere wie Entecavir und Tenofovir. 4. Die Hepatitis C-Virustherapie besteht bei Genotyp 2 bis 6 weiter aus pegyliertem Interferon alpha und Ribavirin. Für Genotyp 1 zugelassen sind nun die Proteasehemmer Boceprevir und Telaprevir, die zum Interferon und Ribavirin hinzugegeben werden. Diese Tripletherapien verbessern die Heilungsraten bei Genotyp 1 deutlich und führen bei der Hälfte der Patienten zu einer Verkürzung der Therapie. Literatur [1] Empfehlungen des bng zur Therapie der chronischen Hepatitis C. Update 2012 Herausgeber: T. Berg, S. Mauss, D. Hüppe, P. Buggisch Frei herunterladbar unter www.bng-gastro.de/tl_files/pdf/HepCUpdate2012.pdf [2] Cornberg M, Protzer U, Petersen J, et al. Prophylaxe, Diagnostik und Therapie der Hepatitis B Virus-Infektion. Z Gastroenterol 2011; 49: 871-930. Frei herunterladbar unter www.dgvs.de [3] Petersen J und Buggisch P: Aktueller Wissensstand 5. Die antivirale Therapie verringert bei HBV- und HCV-Infektionen das Risiko von Leberzirrhose, Karzinom, Transplantation und Tod. der Hepatitis B und C. In: Petersen J, eds: Praxishandbuch Hepatitis und HIV. Bremen, London, Boston: Uni-Med Verlag 2011: 12-36. 1099 Medtropole | Ausgabe 31 | Oktober 2012 Selten, aber häufig übersehen: Pulmonale arterielle Hypertonie (PAH) Dr. Keihan Ahmadi-Simab Die pulmonale arterielle Hypertonie (PAH) wird definiert als mittlerer pulmonaler arterieller Druck > 25 mmHg.[1] Veränderungen, die mit einem erhöhten pulmonal-venösen Druck einhergehen (z. B. Linksherzinsuffizienz, Klappenfehler) müssen differenzialdiagnostisch ausgeschlossen werden. Dies gilt ebenso für chronisch thromboembolische Prozesse (chronisch thromboembolische pulmonale Hypertonie, CTEPH) oder Veränderungen, die die Lungenmechanik beeinflussen.[2] Die aktuell gültige Klassifikation der pulmonalen Hypertonie nach Dana Point ist in Tab. 1 dargestellt.[3] Der Schwerpunkt dieses Beitrages liegt bei der PAH im Rahmen der systemischen Sklerose (APAH-SSc). Pathogenese Bei den verschiedenen Formen der PAH finden sich ähnliche Veränderungen der kleinen und mittleren Pulmonalarterien.[4] An diesem Prozess, der zur progredienten Lumenverengung der Gefäße führt, sind verschiedene Zelltypen beteiligt: Endothel, glatte Muskelzellen, Fibroblasten, Blutplättchen, Entzündungszellen sowie Erythrozyten.[4] Histomorphologisch zeigen sich eine Mediahypertrophie, eine konzentrische Verdickung der Intima (Neointimabildung) sowie eine Proliferation von Endothelzellen (plexiforme Lasionen), die bis zum kompletten Lumenverschluss führen kann. Komplizierend kann eine In-situThrombosierung der Gefäße hinzukommen.[4] Mutationen im Gen für den „Bone morphogenic protein type-II-“(BMPR II-) Rezeptor [4] wurden vor allem bei idiopathischen und familiären Formen beschrieben, nicht jedoch bei APAH-SSc. Allen PAHFormen scheint eine endotheliale Dysfunktion mit einem Ungleichgewicht von Vasokonstriktoren (Thromboxan A2, Endothelin-1) und Vasodilatatoren (Prostazyklin, Stickoxid) gemein zu sein. Endothe- 1100 lin-1 ist im Zusammenspiel der beiden Rezeptorsubtypen ETA und ETB bei einer Reihe pathophysiologischer Zustände maßgeblich involviert (Abb. 1). Endothelin-1 ist nicht nur ein potenter Vasokonstriktor, sondern hat auch mitogene, proinflammatorische und profibrotische Eigenschaften. Epidemiologie Hinsichtlich der Prävalenz von PAH bei Patienten mit systemischer Sklerose (SSc) liegt eine große Bandbreite von Schätzungen vor, die von 4,9 bis 33 Prozent reicht.[5,6] Eine publizierte Auswertung prospektiver Daten verschiedener Zentren in Frankreich ergab, dass bei 39,2 Prozent der PAHPatienten eine idiopathische (IPAH) und bei 3,9 Prozent eine familiäre PAH (FPAH) vorlag. Bei den assoziierten Formen (APAH) waren Kollagenosen mit 15,3 Prozent häufiger vertreten als angeborene Herzfehler (11,3 %), portale Hypertension (10,4 %) oder HIV-Infektion (6,2 %). Symptome und Diagnose Die Symptome einer PAH sind unspezifisch und zu Beginn nur gering ausgeprägt. Im Verlauf zeigen sich eine progrediente Dyspnoe (60 %), Müdigkeit (19 %) und später Synkopen (13 %). Die Dyspnoe tritt zunächst bei körperlicher Belastung auf, eine Ruhedyspnoe weist bereits auf ein sehr fortgeschrittenes Krankheitsstadium hin. Oft wird die PAH erst im funktionellen WHO/NYHA-Stadium III bis IV diagnostiziert. Deshalb muss bei Erstdiagnose und im Verlauf der Systemischen Sklerose (SSc) regelmäßig ein Screening auf PAH erfolgen.[2] Da die APAH-SSc offensichtlich rascher fortschreitet als idiopathische oder familiäre Formen, wird eine jährliche Echokontrolle empfohlen, auch wenn keine klinischen Symptome vorliegen. Die Diagnostik der PAH ist in der Tab. 3 zusammengefasst. Rheumatologie 1 1.1 1.2 1.2.1 1.2.2 1.2.3 1.3 1.4 1.4.1 1.4.2 1.4.3 1.4.4 1.4.5 1.4.6 1.5 1* 2 2.1 2.2 2.3 Pulmonal arterielle Hypertonie (PAH) Idiopathische PAH HereditärePAH BMPR2-Mutationen ALK1, Endoglin-Mutationen (mit und ohne hereditäre hämorrhagische Telangiektasie) Unbekannte Mutationen Durch Medikamente oder Toxine verursacht Assoziiert mit: Bindegewebserkrankungen HIV-Infektion Portaler Hypertension Angeborenen Herzfehlern Schistosomiasis Chronisch hämolytischer Anämie Persistierende pulmonale Hypertonie des Neugeborenen 3 Pulmonale venookklusive Erkrankung (PVOD) und/oder pulmonale kapilläre Hämangiomatose (PCH) 5.2 Pulmonale Hypertonie infolge Linksherzerkrankung Systolische Dysfunktion Diastolische Dysfunktion Valvuläre Erkrankungen 5.3 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 3.6 3.7 Pulmonale Hypertonie infolge Lungenerkrankungen und/oder Hypoxie Chronisch obstruktive Lungenerkrankungen Interstitielle Lungenkrankheiten Andere Lungenerkrankungen mit gemischt restriktiv/obstruktivem Muster Schlafbezogene Atemstörungen Alveoläre Hypoventilationssyndrome Chronischer Aufenthalt in großer Höhe Fehlentwicklungen Psychologische und soziale Betreuung Vermeidung Körperlicher Überanstrengung 4 Chronisch thromboembolische pulmonale Hypertonie (CTEPH) 5 Pulmonale Hypertonie mit unklarem oder multifaktoriellem Mechanismus Hämatologische Erkrankungen: myeloproliferative Erkrankungen, Splenektomie Systemische Erkrankungen, Sarkoidose, pulmonale Langerhans-Zell-Histiozytose, Lymphangioleiomyomatose, Neurofibromatose, Vaskulitiden Metabolische Störungen: Glykogenspeicherkrankheiten, M. Gaucher, Schilddrüsenerkrankungen 5.1 Andere: Tumorobstruktion, fibrosierende Mediastinitis, chronisches Nierenversagen mit Hämodialyse Tab. 1: Klinische Klassifikation der PAH nach Dana Point 2008 Gezieltes körperliches Training Reisen in Höhen ab 1.500 bis 2.000 m sollten vermieden werden, ebenso wie Flugreisen, sofern nicht sichergestellt ist, dass die O2-Sättigung während des Flugs > 90 % beträgt Regelmäßige Influenza- und Pneumokokkenimpfungen Orale Antikoagulanzien Diuretika Sauerstofftherapie bei O2-Sättigungen < 90 % empfohlen Bei positiver Vasoreagibilitätstestung (Abfall des mittleren Pulmonalarteriendrucks um mindestens 10 mmHg auf Werte unter 40 mmHg ohne Abfall des Herzminutenvolumen): orale Kalziumantagonisten Tab. 2: Allgemeine Therapieempfehlungen der PAH (BMPR-2: bone morphogenetic protein receptor, ALK-1: activin receptor-like Kinase 1 gene) Prognose Spezifische PAH-Therapie Die Überlebensraten bei unbehandelter IPAH (ohne krankheitsspezifische Therapieverfahren) liegen nach einem Jahr bei 68, nach drei Jahren bei 48 und nach fünf Jahren bei 34 Prozent (mediane Lebenserwartung nur 2,8 Jahre). Noch schlechter ist die Prognose bei unbehandelter APAH-SSc: Das mediane Überleben nach Diagnosestellung beträgt nur zwölf Monate, das Sterberisiko ist nahezu verdreifacht. Laut neueren Erhebungen ist die PAH neben der Lungenbeteiligung die häufigste Todesursache der SSc-Patienten. Die Prognose lässt sich allerdings durch moderne Therapien deutlich verbessern. Für Bosentan zeigen z. B. retrospektive Analysen bei Patienten mit IPAH eine Überlebensrate von 86 Prozent nach zwei beziehungsweise von 81 Prozent nach drei Jahren. Bei Patienten mit APAH-SSc liegt nach aktuellen Daten die Überlebensrate unter Bosentan-basierter Therapie bei 81/71 Prozent nach einem beziehungsweise zwei Jahren (verglichen mit 68/47 Prozent unter konventioneller Therapie). Die Entwicklung spezifischer, also an pathophysiologischen Mechanismen angreifender Medikamente hat die Prognose von Patienten mit PAH wesentlich verbessert. Abb. 2 zeigt einen evidenzbasierten therapeutischen Algorithmus, der bei Patienten mit APAH-SSc Anwendung findet.[2] Aktuellen Leitlinien entsprechend sollte die Behandlung symptomatischer PAH-Patienten prinzipiell unter Führung spezialisierter Zentren erfolgen.[2] Die Eingruppierung der Patienten in die funktionellen WHO/NYHA-Klassen ist nicht nur zur Beurteilung des Schweregrades der Erkrankung erforderlich, sondern bestimmt auch das weitere therapeutische Vorgehen. Prinzipiell werden drei Signalwege (Prostazyklin, Stickoxid, Endothelin) therapeutisch adressiert (Abb. 2). Für intravenös verabreichtes Epoprostenol besteht eine langjährige Erfahrung, da es die erste zugelassene Substanz zur Behandlung der PAH war. Epoprostenol erwies sich bei Patienten mit IPAH und assoziierten Formen inklusive APAH-SSc als wirk- sam.[7] Allerdings scheint der Nutzen bei Patienten mit PAH aufgrund von Kollagenosen nicht so ausgeprägt zu sein wie bei anderen Ätiologien. Ferner ist Epoprostenol neben hohen Kosten mit erheblichen Risiken behaftet: Seine kurze Halbwertszeit macht eine kontinuierliche zentralvenöse Applikation über ein Pumpensystem erforderlich. Daher stellen Katheterinfektionen ein erhebliches Problem dar. Weitere Komplikationen sind ein Versagen der Pumpe oder Katheterdislokation mit der Gefahr eines Rebound-Phänomens und Luftembolien, aber auch Thrombopenien. Iloprost steht auch als inhalativ verabreichbares Prostazyklinanalogon mit geringeren systemischen Nebenwirkungen zur Verfügung. Es hat sich bei IPAH-Patienten in der funktionellen WHO/NYHA-Klasse II-IV als wirksam erwiesen.[8] Von Nachteil ist allerdings, dass Iloprost alle zwei bis drei Stunden durch ein Verneblersystem inhaliert werden muss, sodass während der Nacht zwangsläufig eine therapeutische Lücke entsteht. Nach Rücknahme von Sitaxentan vom Markt stehen zurzeit zwei Endothelin-Rezeptor-Antagonisten (Bos- 1101 Medtropole | Ausgabe 31 | Oktober 2012 Untersuchung Befunde, erforderliche Daten, Bedeutung Elektrokardiogramm (EKG) Abweichung der elektrischen Herzachse nach rechts, P-pulmonale, RV-Hypertrophie, Erregungsrückbildungsstörungen über den Vorderwandableitungen sowie den inferioren Ableitungen, Rechtsschenkelblock Röntgen Thorax in 2 Ebenen Erweiterung der zentralen Lungenarterien, verminderte periphere Gefäßfüllung und Prominenz des rechten Vorhofs Lungenfunktion und Blutgase LUFU: meist eine leichte kombinierte Ventilationsstörung sowie eine eingeschränkte Diffusionskapazität (DLCO) BGA: meist eine leichte bis moderate Hypoxämie Echokardiographie Echo hat eine zentrale Bedeutung Ein hypertrophierter und dilatierter rechter Ventrikel, ein abgeflachtes Ventrikelseptum (ggf. mit paradoxer Bewegung), ein dilatierter rechter Vorhof sowie eine dilatierte Vena cava inferior mit vermindertem inspiratorischem Kollaps, Druckgradient > 45 mmHg über der Trikuspidalklappe bei der Bestimmung des systolischen pulmonal arteriellen Druckes (PAPs) Ventilations-/Perfusionsszintigraphie (V/Q-Scan) Der V/Q-Scan bleibt die Methode der Wahl zum Ausschluss einer CTEPH (chronisch thromboembolische pulmonale Hypertonie) Computertomographie (CT) des Thorax HRCT: Diagnostik von interstitiellen Lungenerkrankungen und Lungenemphysem KM-Spiral-CT: Abklärung einer CTEPH (Pulmonalisangiographie) Laboruntersuchungen ANA (antinukleäre Antikörper), Scl-70, Centromer- und U1-RNP-Antikörper, HIV- und Hepatitis-B/C-Serologie, TSH-Bestimmung BNP- bzw. NTproBNP-Werte Rechtsherzkatheter und Vasoreagibilitätstest Rechtsherzkatheter und Vasoreagibilitätstest zur Diagnose-Bestätigung und -Sicherung („Goldstandard“) Abklärung der Ätiologie, Vasoreagibilitätstestung Einschätzung des Schweregrades Messung vom rechtsatrialen Druck, pulmonal-arteriellen Druck, pulmonalkapillären Verschlussdruck, Herzzeitvolumen sowie gemischtvenöser Sauerstoffsättigung Tab. 3: Diagnostik der PAH entan und Ambrisentan) zur Verfügung. Bosentan, ein dualer ETA/ETB-RezeptorAntagonist, wurde im Jahr 2002 als erstes orales PAH-Therapeutikum zugelassen und wird inzwischen in allen internationalen Leitlinien mit der höchsten Evidenzstufe (A) als Primartherapie der PAH empfohlen.[4] Bosentan erwies sich sowohl in klinischen Studien als auch in der täglichen praktischen Anwendung als sicher und gut verträglich.[9] Randomisierte klinische Studien, die auch SSc-Patienten einschlossen, zeigten eine verbesserte körperliche Belastbarkeit (gemessen anhand der 6 min-Gehstrecke und der funktionellen WHO/NYHAKlasse), eine Verbesserung hämodynamischer Parameter sowie eine Verzögerung der Zeit bis zur klinischen Verschlechterung. Die Langzeitwirkung einer Primartherapie mit Bosentan wurde ferner in einer Reihe von Untersuchungen demonstriert. Eine kürzlich publizierte Studie zeigte keinen Nachteil hinsichtlich des Überlebens bei einer Primarbehandlung mit Bosentan im Vergleich zu Epoprostenol.[10] Bei Patienten mit APAH-SSc scheint 1102 der Krankheitsverlauf verlangsamt zu werden, wenn auch nicht so stark wie bei IPAH. Eine vierwöchige Kontrolle der hepatischen Transaminasen ist unter Endothelin-Rezeptor-Antagonisten erforderlich, da bei etwa zehn Prozent der Patienten reversible Erhöhungen auftreten. Seit Ende 2005 ist der orale Phosphodiesterase-V-Hemmer Sildenafil zur Behandlung der PAH (WHO/NYHA-Klassen II und III) in Europa zugelassen. In einer randomisierten klinischen Studie verbesserte Sildenafil die körperliche Belastbarkeit, die funktionelle WHO-Klasse sowie hämodynamische Parameter.[11] Die Zunahme der 6 min-Gehstrecke war auch nach zwölfmonatiger Behandlung noch nachweisbar. Als zweiter orale Phosphodiesterase-VHemmer ist Tadalafil zur Behandlung der PAH für Patienten in der WHO/NYHAKlasse II und III zugelassen. Kombinationstherapie Da Prostazyklinanaloga, EndothelinRezeptor-Antagonisten und Phosphodiesterase-V-Hemmer an unterschiedlichen pathogenetischen Mechanismen angreifen, sollten sich durch die Kombination dieser Substanzen synergistische Effekte erzielen lassen.[12] Eine Kombinationstherapie kommt für Patienten in der funktionellen WHO/NYHA-Klasse III und IV in Frage, die auf eine Monotherapie nicht adäquat ansprechen. Die bislang zur Kombinationstherapie vorliegenden Daten zeigen neben der hohen Sicherheit auch erste Hinweise auf verbesserte Behandlungsresultate. Am häufigsten werden Endothelin-RezeptorAntagonisten mit einem PDE-5-Inhibitor kombiniert, ohne dass es dazu konkrete Empfehlungen gibt. Als Ultima Ratio nach Versagen sämtlicher konservativer Maßnahmen bleiben letztlich nur die atriale Septostomie zur Druckentlastung des rechten Ventrikels beziehungsweise die Lungentransplantation. Rheumatologie Literatur [1] Galie N, Hoeper MM, Humbert M et al (2009) Guidelines for the diagnosis and treatment of pulmonary hypertension. The Task Force for the Diagnosis and Treatment of Pulmonary Hypertension of the European Society of Cardiology (ESC) and the European Respiratory Society (ERS), endorsed by the International Society of Heart and Lung Transplantation (ISHLT). Eur Respir J 34(6): 1219-63. [2] Galie N, Torbicki A, Barst R et al. (2004) Guidelines on diagnosis and treatment of pulmonary arterial hyperten- Endothelin Signalweg NO Signalweg Prostazyklin Signalweg sion. The Task Force on Diagnosis and Treatment of Pul- Gefäßlumen monary Arterial Hypertension of the European Society of Cardiology. Eur Heart J 25: 2243-78. Pre-proendothelin [3] M.M. Hoeper , H.A. Ghofrani , M. Gorenflo, E. Grünig, S. Rosenkranz, D. Schranz. Kardiologe 2010 · 4: 189-207 L-Arginin Proendothelin Endothelin-1 Endothelinrezeptor A Arachidonsäure L-Citrullin Endothelzellen Prostazyklin Stickoxid (NO) Endothelinrezeptor B cGMP DOI 10.1007/s12181-010-0269-z. Prostaglandin I2 cAMP Vasodilation und antiproliferative Effekte Vasodilation und Effekte Vasokonstriktion und Proliferation Phosphodlesterase Typ-5 antiproliferative Glatte Muskelzellen [4] Humbert M, Morrell NW, Archer SL et al. (2004 a) Cellular and molecular pathobiology of pulmonary arterial hypertension. J Am Coll Cardiol 43: 13S-24S. [5] Mukerjee D, St George D, Coleiro B et al. (2003) PreEndothelinRezeptorantagonisten valence and outcome in systemic sclerosis associated pulmonary arterial hypertension: application of a registry approach. Ann Rheum Dis 62: 1088-93. PhosphodiesteraseTyp-5-Inhibitor Exogenes NO Exogene Prostazykline Abb. 1: Pathophysiologische Behandlungsansätze für die PAH (nach Humbert et al.[38]) [6] Stupi AM, Steen VD, Owens GR et al. (1986) Pulmonary hypertension in the CREST syndrome variant of PAH (funktionelle WHO/NYHA-Klasse III/IV): Behandlung in spezialisierten Zentren systemic sclerosis. Arthritis Rheum 29: 515-24. [7] Badesch DB, Tapson VF, McGoon MD et al. (2000) Con- Konventionelle Behandlung (Antikoagulantien/Durektika/Digozin/Sauerstoff tinuous intravenous epoprostenol for pulmonary hypertension due to the scleroderma spectrum of disease. A rando- Testung der pulmonalen Vasoreagibilität mized, controlled trial. Ann Intern Med 132: 425-34. negativ positiv [8] Olschewski H, Simonneau G, Galie N et al. (2002) Inhaled iloprost for severe pulmonary hypertension. N Engl J Med 347: 322-9. [9] Ahmadi-Simab K, Hellmich B, Gross W (2006) Bosent- Orale Kalziumantagonisten Funktionelle WHO/NYHA-Klasse III Funktionelle WHO/NYHA-Klasse IV Anhaltende Wirksamkeit Bosentan i.v. Epoprostenol Bosentan Prostazyklin-Analoga an for severe pulmonary arterial hypertension related to Prostazyklin-Analoga (Iloprost, Treprostinil) systemic sclerosis with interstitial lung disease. Eur J Clin Invest 2006. [10] Sitbon O, McLaughlin VV, Badesch DB et al. (2005) Survival in patients with class III idiopathic pulmonary ja nein i.v. Epoprostenol Sildenafil Weiterhin orale Kalziumantagonisten arterial hypertension treated with first line oral bosentan Keine Verbesserung bzw. Verschlechterung: Kombinationstherapie? z. B. Bosentan + Iloprost Bosentan + Sildenafil Iloprost + Sildenafil Bosentan + Sildenafil + Iloprost Atriale Septostomie und/oder Lungentransplantation compared with an historical cohort of patients started on intravenous epoprostenol. Thorax 60: 1025-30. [11] Galie N, Ghofrani HA, Torbicki A et al. (2005 c) Silde- Abb. 2: Modifizierter therapeutischer Algorithmus zur Behandlung des PAH (nach Galie et al.[2]) nafil citrate therapy for pulmonary arterial hypertension. N Engl J Med 353: 2148-57. [12] Hoeper MM, Dinh-Xuan AT (2004) Combination therapy for pulmonary arterial hypertension: still more questions than answers. Eur Respir J 24: 339-40. Kontakt Dr. Keihan Ahmadi-Simab Abteilung für Rheumatologie, klinische Immunologie, Nephrologie Asklepios Klinik Altona Paul-Ehrlich-Straße 1, 22763 Hamburg Tel. (0 40) 18 18-81 11 24 Fax (0 40) 18 18-81 48 00 E-Mail: [email protected] 1103 Medtropole | Ausgabe 31 | Oktober 2012 Chance für eine individualisierte Thrombozytenaggregationshemmung nach Stentimplantation? Intrakoronare optische Kohärenztomographie Dr. Christian-Hendrik Heeger, Prof. Dr. Karl-Heinz. Kuck, Prof. Dr. Martin Walter Bergmann Die intrakoronare optische Kohärenztomographie (OCT) ist ein neuartiges interventionelles Verfahren zur invasiven intrakoronaren Bildgebung. Als optisches, lichtbasiertes Analogon zum intravaskulären Ultraschall (IVUS) ist es in der Lage, eine zehnfach höhere Auflösung als der IVUS darzustellen und ermöglicht so deutlich präzisere in vivo-Analysen. In der kardiologischen Abteilung der Asklepios Klinik St. Georg wird die OCTTechnik seit zwei Jahren in verschiedenen Forschungsprojekten eingesetzt. Schwerpunkt ist dabei die exakte Beurteilung der Stententfaltung nach komplexer perkutaner Koronarintervention (PCI). Weitere aktuelle Anwendungsbereiche sind die Evaluation der Reendothelialisierung von Stentmaschen zur frühzeitigen Beendigung der dualen Thrombozytenaggregationshemmung (DAPT) nach PCI sowie Untersuchungen zum pathophysiologischen Verständnis der späten Stentthrombose. Ein weiterer Anwendungsbereich ist die Steuerung der Implantation neuartiger, komplett bioresobierbarer Stents. Sie müssen für eine optimale Implantation exakt an die Gefäßgröße angepasst werden. Hintergrund Die Einführung medikamentenbeschichteter Stents (drug eluting stents, DES) gilt als Meilenstein der interventionellen Kardiologie, da die Restenoserate gegenüber unbeschichteten Stents (bare metal stents, BMS) 1104 deutlich reduziert werden konnte (BMS: 20 – 50 %, DES: 8 – 9 %).[1] Eine 2009 veröffentlichte, randomisierte Studie belegte erstmals die Gleichwertigkeit der PCI gegenüber der operativen Bypass-Chirurgie auch bei Dreigefäßerkrankung mit einfacher oder mittlerer Komplexität sowie bei Hauptstammstenosen.[2] Die Dauer der nach Stentimplantation zur Vermeidung einer Stentthrombose zwingend erforderlichen dualen Thrombozytenaggregationshemmung (DAPT) mit Acetylsalizylsäure und einem Thienopyridin (Clopidogrel, Prasugrel, Ticagrelor) spielt eine entscheidende Rolle für die Sicherheit und Wirksamkeit dieser Therapieoption. Gemäß der aktuellen ESC-Leitlinien werden beide Substanzen derzeit für vier Wochen (BMS) und sechs bis zwölf Monate (DES) empfohlen. Grundlage hierfür bildet die Reendothelialisierung der Stent-Maschen, die als Maß der Thrombogenität angesehen wird.[3] Aktuell liegt die Inzidenz akuter und subakuter Stentthrombosen für BMS wie auch für DES bei etwa einem Prozent. Der aku- ten Stent-Thrombose als potentiell letaler Komplikation bei zu kurzer DAPT steht eine erhöhte Blutungsgefahr bei unnötig prolongierter Einnahme gegenüber.[4] Die Inzidenz der lebensbedrohlichen und tödlichen Blutungen innerhalb von zwölf Monaten nach PCI steigt unter DAPT auf 0,2 beziehungsweise 0,1 Prozent.[5] Eine zeitlich individuell auf den einzelnen Patienten angepasste DAPT ist ein zentraler Punkt in der sicheren Anwendung neuer stentbasierter Therapieoptionen bei KHK und Gegenstand aktueller Diskussionen. Intrakoronare OCT-Technik Mit der intrakoronaren optischen Kohärenztomographie (OCT) steht ein neuartiges diagnostisches Verfahren zur Verfügung, mit dem sich erstmals der Grad der Reendothelialisierung der Stent-Maschen nach PCI qualitativ und quantitativ analysieren lässt. Der bereits in zahlreichen Studien bewährte intravaskuläre Ultraschall (IVUS) erlaubt die Beurteilung der Stent-Entfaltung nach PCI. Aufgrund des Kardiologie a b Abb. 1: Fallbeispiel – männlicher Patient (47) mit instabiler Angina pectoris; kardiovaskuläres Risikoprofil: arterielle Hypertonie, Hyperlipidämie, Nikotinabusus (60 Packyears) c d a/b: 03/2010 Koronarangiographischer Nachweis einer distalen hochgradigen RCA-Stenose (Pfeile); es erfolgt die DES-Implantation c: 07/2010 1. Kontrollkoronarangiographie mit OCT-Analyse (d); deutliche Malapposition mit ins Gefäßlumen hineinragenden Stentmaschen (Pfeile) ohne Reendothelialisierung (L = Gefäßlumen) e: 06/2011 2. Kontrollangiographie mit OCT-Analyse (f); sämtliche Stentmaschen (Pfeile) zeigen eine e f mangelnden Auflösungsvermögens (70 – 200 µm) ist es aber nicht effektiv genug möglich, die Reendothelialisierung zu analysieren. Dieses Problem lässt sich mit Hilfe der OCT lösen, die eine Echtzeitauflösung von 10 – 20 µm und somit eine präzise Analyse der Stent-Maschen (Abb. 1) ebenso ermöglicht [6] wie die exakte Beurteilungen der Stententfaltung nach PCI (Abb. 2). Grundsätzlich wird bei der OCT-Technik Licht mit geringer Kohärenzlänge mit Hilfe eines Interferometers zur Entfernungsmessung reflektierender Materialien eingesetzt. Dabei wird ein Infrarotspektrum mit Wellenlängen von 1,250 bis 1,350 nm verwendet und eine Eindringtiefe von 1 – 3 mm erreicht. Aufgrund der kurzen Wellenlänge wird das verwendete Licht von sehr kleinen Objekten einschließlich Blutzellen reflektiert und führt zur Artefaktbildung. Um eine ausreichende Bildqualität zu erreichen, bedarf es einer blutfreien Zone zwischen Lichtquelle und Gefäßwand. Dazu verwendet die aktuelle OCT-Technik die „Auswaschung“ des Gefäßes mit Röntgenkontrastmittel, wie es auch für die angiografische Darstellung Reendothelialisierung des Gefäßes verwendet wird.[6] Die prospektive, randomisierte ODESSA (Optical Coherence Tomography for Drug Eluting Stent SAfety)-Studie, in der das Einheilungsverhalten verschiedener DES gegenüber BMS sechs Monate nach Implantation mithilfe der OCT verglichen wurde, zeigte die Durchführbarkeit und Vergleichbarkeit der Ergebnisse dieses Verfahrens.[3] OCT zur Analyse der Reendothelialisierung von DES Der Xience® V Everolimus freisetzende Stent erhielt Mitte 2012 die CE-Kennzeichnung für eine dreimonatige Dauer der DAPT nach Implantation. Analog dazu werden zurzeit weitere DES anderer Hersteller auf eine mögliche Verkürzung der DAPT untersucht. Eine aktuelle Studie in unserem Zentrum untersucht mit Hilfe der OCT-Technik den Grad der Reendothelialisierung drei und neun Monate nach Implantation des Endeavor™ Resolute Zotarolimus freisetzenden Stents. Dabei wird die Hypothese getestet, dass der Endeavor™ Resolute DES nach drei Monaten eine weitgehend komplette Reendothelialisierung aufweist und somit auf eine Fortführung der DAPT verzichtet werden könnte. Zusätzlich werden kardiovaskuläre Risikofaktoren und Krankenhausaufenthalte beziehungsweise Re-PCI evaluiert. Diese Daten werden mit den OCT-Analysen korreliert, um mögliche Prädiktoren für eine akute Stentthrombose zu identifizieren und so eine individuell angepasste DAPT zu ermöglichen. Die Inzidenz schwerer Blutungen unter DAPT könnte so reduziert werden. OCT-Analysen bei Einsatz bioresorbierbarer Stents Die permanente Anwesenheit des Stentmaterials kann aufgrund verzögerter Heilung und lokaler Entzündungsreaktionen zu später Stentthrombose und Restenose führen.[7] Als neueste Weiterentwicklung medikamentenbeschichteter Stents wurden daher kürzlich bioresorbierbare Stents (BDS) in die klinische Routine eingeführt. Seit einigen Monaten setzt die kardiologische Abteilung der Asklepios Klinik St. 1105 Medtropole | Ausgabe 31 | Oktober 2012 a b c Abb 2: OCT-Analyse der rechten Koronararterien (RCA), oben: Gefäßquerschnitt, unten: Gefäßlängsschnitt. a: natives Gefäß, b: RCA mit implantiertem DES, Kontroll-OCT der Stententfaltung direkt im Anschluss an die PCI mit gutem Ergebnis. Die Stentmaschen (Pfeile) mit Schatteneffekt (Pfeilspitzen) liegen der Gefäßwand direkt an. c: Kontroll-OCT 3 Monate nach initialer PCI. Sämtliche Stentmaschen (Pfeile) weisen eine Reendothelialisierung auf. Georg als eines von sehr wenigen deutschen Zentren bioresorbierbare Stents routinemäßig ein. BDS bestehen aus bioresorbierbarem Polylactat und haben dadurch den Vorteil einer zeitlich begrenzten Anwesenheit im Körper des Patienten. Erste OCT-Analysen dieses neuartigen Konzepts sind vielversprechend und zeigen Hinweise auf eine verbesserte Reendothelialisierung im Vergleich zu DES.[8] BDS erfordern eine optimale Implantationstechnik mit einer exakten Bestimmung des Gefäßdurchmessers proximal und distal der Implantationsstelle, da diese Stents sich aufgrund ihrer Materialeigenschaften nicht wie die gängigen Materialien (KobaltChrom, Kobalt-Nickel) per Angioplastie aggressiv nachdilatieren lassen. Das hohe Auflösungsvermögen der OCT-Technik erlaubt eine präzise Prä-PCI-Diagnostik zur Bestimmung der geeigneten BDSGröße (Abb. 3). 1106 Pathophysiologie der späten Stentthrombose Ein weiteres interessantes Anwendungsgebiet der OCT sind Untersuchungen zur Pathophysiologie der späten Stentthrombose (LST). Seit der Einführung der 2. und 3. Generation der DES ist die LST eine seltene, aber potenziell tödliche Komplikation der PCI.[9] Im Vergleich zur ersten DES-Generation (0,4 – 0,6 % LST nach einem Jahr), zeigt die 2. und 3. Generation deutlich niedrigere Stentthromboseraten (< 0,2 % LST nach einem Jahr).[8] Diese positiven Effekte wurden durch Reduktion der Materialdicke sowie eine Verbesserung der Biokompatibilität und Medikamentenfreisetzungskinetik aufgrund verschiedener neuartiger Polymere ermöglicht. Die Einführung der BDS soll diese Komplikation weiter reduzieren.[8] Die pathophysiologischen Prozesse hinter der LST nach DES-Implantation sind noch nicht vollständig verstanden. Sie könnten durch Anwendung der OCT-Analysen genauer evaluiert werden.[9] Kürzlich zeigten Cook et al., dass das Auftreten von LST und der Grad der Stent-Malapposition korrelieren. Weiter könnte eine reduzierte Reendothelialisierung der Stentmaschen ein Substrat für LST darstellen (Abb. 4).[9] Die OCT ermöglicht den Nachweis dieser Phänomene und kann so eine entscheidende Rolle bei Follow-Up-Untersuchungen nach komplexen Interventionen bei Risikopatienten spielen. Fazit Aufgrund des demographischen Wandels werden die KHK und ihre Folgeerkrankungen weiter zunehmen. Neue Stent-Generationen und die DAPT reduzierten die Restenoserate und die Inzidenz der akuten und späten Stentthrombose deutlich. Die „Achillesferse“ der DES liegt in der Notwendigkeit einer längeren DAPT und dem damit verbundenen deutlich erhöhten Blutungsrisiko. Die intrakoronare OCT ermöglicht erstmals eine exakte in-vivo Analyse der Stentmaschen-Reendothelialisierung nach PCI, auch Stent-Malappositionen lassen sich damit erkennen. Beide Phänomene Kardiologie Abb. 3: OCT-Analyse vor und nach Implantation eines BDS a: Gefäßquerschnitt der LAD mit Prä-PCI-Diagnostik zur Bestimmung des Gefäßdurchmesser (= 2,98 mm) b: nach Implantation eines BDS (3 mm); gute Stententfaltung nach PCI; im Vergleich zu DES und BMS sind im Falle der BDS aufgrund der Materialeigena b schaften keine Schatteneffekte zu erkennen Abb. 4: OCT-Analyse > 2 Jahre nach Implantation eines DES in die ostiale LAD bei angiographisch hochgradiger Stenose a: Gefäßquerschnitt LAD mit Malapposition der Stentmaschen und Thrombusbildung b: Vergrößerung der in a markierten Zone; gut zu erkennen sind die ins Gefäßlumen hineinragenden Stentmaschen (kleiner Pfeil) mit Thrombusanhaftung a sind entscheidend für die Dauer der Therapie mit Thrombozytenaggregationshemmern. Die OCT kann Daten liefern, um künftig eine individualisierte DAPT zu ermöglichen und so Komplikationen nach PCI zu reduzieren. Zudem eignet sich die OCT-Technik aufgrund ihres hohen Auflösungsvermögens ideal zur Beurteilungen der Stententfaltung nach PCI, zum Beispiel bei der Implantation bioresorbierbarer Stents. Zukünftige Verbesserungen der Technologie werden eine deutliche Vereinfachung der Handhabung sowie beschleunigte Analysen ermöglichen. b (großer Pfeil) [3] Guagliumi G, Musumeci G, Sirbu V, Bezerra HG, Suzuki N, Fiocca L, et al. Optical coherence tomography assessment of in vivo vascular response after implantation of overlapping bare-metal and drug-eluting stents. JACC Cardiovascular interventions. 2010; 3(5): 531-9. [4] Valgimigli M, Campo G, Monti M, Vranckx P, Percoco G, Tumscitz C, et al. Short- versus long-term duration of dual-antiplatelet therapy after coronary stenting: a randomized multicenter trial. Circulation. 2012; 125(16): 2015-26. [5] Mehta SR, Yusuf S, Peters RJ, Bertrand ME, Lewis BS, Natarajan MK, et al. Effects of pretreatment with clopidogrel and aspirin followed by long-term therapy in patients undergoing percutaneous coronary intervention: the PCI- Kontakt Prof. Dr. Martin W. Bergmann Dr. Christian-H. Heeger II. Medizinische Klinik – Kardiologie Leitender Arzt: Prof. Dr. med. Karl-Heinz Kuck Asklepios Klinik St. Georg Lohmühlenstraße 5, 20099 Hamburg Tel. (0 40) 18 18-85 24 50 / -85 23 05 Fax (0 40) 18 18-85 44 44 E-Mail: [email protected] [email protected] CURE study. Lancet. 2001; 358(9281): 527-33. [6] Maehara A, Mintz GS, Weissman NJ. Advances in intra- Literatur vascular imaging. Circulation Cardiovascular interventions. [1] Gutierrez-Chico JL, van Geuns RJ, Regar E, van der 2009; 2(5): 482-90. Giessen WJ, Kelbaek H, Saunamaki K, et al. Tissue covera- [7] Navarese EP, Kubica J, Castriota F, Gibson CM, De Luca [9] Cook S, Ladich E, Nakazawa G, Eshtehardi P, Neidhart ge of a hydrophilic polymer-coated zotarolimus-eluting G, Buffon A, et al. Safety and efficacy of biodegradable vs. M, Vogel R, et al. Correlation of intravascular ultrasound stent vs. a fluoropolymer-coated everolimus-eluting stent durable polymer drug-eluting stents: evidence from a findings with histopathological analysis of thrombus aspi- at 13-month follow-up: an optical coherence tomography meta-analysis of randomised trials. EuroIntervention : rates in patients with very late drug-eluting stent thrombo- substudy from the RESOLUTE All Comers trial. European journal of EuroPCR in collaboration with the Working sis. Circulation. 2009; 120(5): 391-9. heart journal. 2011; 32(19): 2454-63. Group on Interventional Cardiology of the European [2] Serruys PW, Morice MC, Kappetein AP, Colombo A, Society of Cardiology. 2011; 7(8): 985-94. Holmes DR, Mack MJ, et al. Percutaneous coronary inter- [8] de la Torre Hernandez JM, Windecker S. Very late stent vention versus coronary-artery bypass grafting for severe thrombosis with newer drug-eluting stents: no longer an coronary artery disease. NEJM. 2009; 360(10): 961-72. issue? Revista espanola de cardiologia. 2012; 65(7): 595-8. 1107 Medtropole | Ausgabe 31 | Oktober 2012 Bildgestützte Präzisionbestrahlung von Tumoren und Metastasen Strahlentherapie mit IGRT Priv.-Doz. Dr. Martin Busch Der im Verlauf des Umbaus und der Neuausrichtung der Strahlentherapie in der Asklepios Klinik St. Georg aufgestellte Beschleuniger erweitert nun die Therapiemöglichkeiten für Tumorpatienten durch die sogenannte IGRT-Option. IGRT ist eine Abkürzung und bedeutet bildgeführte Strahlentherapie (Image guided radiotherapie). In der Strahlentherapie war es von jeher essentiell, die Ausrichtung des Bestrahlungsfeldes anhand bildgebender Verfahren genau zu definieren. Die fraktionierte Strahlentherapie mit der täglich gleichen Behandlung erfordert eine präzise Wiederholbarkeit der Patientenlagerung und der Einstellung der Strahlenfelder. Dabei hat der Strahlentherapeut und Radioonkologe die Aufgabe, das beabsichtigte Bestrahlungsvolumen im Rahmen der Bestrahlungsplanung zu definieren und entsprechende Marker auf der Haut aufzubringen. Diese Marker dienen der täglichen Lagekontrolle und der Patientenpositionierung. Die Lagekontrolle der Marker auf der Haut wurde historisch mit einfachen radiologischen Methoden (Röntgenaufnahmen, Durchleuchtung) durchgeführt. Im Zuge der technischen Entwicklung wurden an den Bestrahlungsgeräten zusätzliche optische und geometrische Hilfsverfahren etabliert (Laserpositionierung, Tischindexer 1108 etc.). Doch noch immer sind Hautmarkierung beziehungsweise Markierungen auf Masken (z. B. in der HNO-Bestrahlungstechnik) ein Standard in der Strahlentherapie. Ein wesentlicher Fortschritt der Strahlentherapie mit Megavoltgeräten, spätestens seit den 1970er-Jahren, sind die gegenüber der historischen Bestrahlung mit Röntgenstrahlen extrem verbesserten Tiefendosiskurven, also die verbesserte Erreichbarkeit tiefliegender Organe für eine Strahlentherapie. Obwohl die hochenergetischen Megavoltstrahlen den Bildkontrast stark vermindern, wurden über Jahrzehnte diverse Bildgebungen an Beschleunigern eingerichtet (Aufnahme-Kassettensysteme, elektronische Bildaufnahmesysteme). Doch der Kontrast dieser Bildgebung blieb nach wie vor unbefriedigend. Die frühere Bildgebung mit Filmen an Beschleunigern erlaubte nur eine mehr oder weniger grobe Abschätzung zur Lagekontrolle und Dokumentation des Bestrahlungsfeldes in unscharfer Form. Die heute gängigen elektronischen Portal-Imager (EPID) ergeben auch mit ausgefeilten post-processingProzeduren nur eine semiquantitative Aussage über die korrekte Lage eines einzelnen Bestrahlungsfeldes. 3D-Bestrahlungsplanung Seit den 1980er Jahren wird die Computertomographie zunehmend für die Bestrahlungsplanung genutzt. Hierauf beruhen Techniken der modernen dreidimensionalen Bestrahlungsplanung sowie der intensitätsmodulierten Radiotherapie und ihrer Fortentwicklungen. Die 3D-CT-gestützte Bestrahlungsplanung erlaubt die millimetergenaue Definition der Lage eines Isozentrums als geometrischer Bezugspunkt aller am Patienten applizierten Bestrahlungsfelder und darüber hinaus die komplette 3D- Strahlentherapie Berechnung der Strahlendosisverteilung im Körper. Die Kontrolle dieser Isozentrumslage mit bildgebenden Verfahren ist der zentrale Aspekt der IGRT. MV-CT Da ein Beschleuniger mit seiner Gantry ausschließlich um das Isozentrum rotieren kann, lässt sich prinzipiell mit der vorhandenen harten Megavoltstrahlung und einem opponierend montierten Bildaufnahmesystem (EPID) eine CT-ähnliche Bildgebung erstellen. Aufgrund der verwendeten harten Strahlung nennt man diese Technik Megavoltage-Computertomographie (MV-CT). Aber auch hier besteht wieder das Problem, dass die verwendete, eigentlich für Therapiezwecke gedachte Strahlung wenig Kontrast bietet und daher die Bildqualität gegenüber einem diagnostischen CT schlechter ist. Cone-Beam-CT Diese Probleme des MV-CTs führten dazu, dass die Hersteller von Bestrahlungsanlagen beziehungsweise Beschleunigern mehrheitlich dazu übergingen, an der Gantry des Beschleunigers zusätzlich eine Röntgenröhre zu montieren, die mit einem zugehörigen Bildaufnahmesystem orthogonal zum Therapiestrahlengang ausgerichtet ist. Diese Anordnung erlaubt neben einer Dokumentation der Bestrahlungsfelder in diagnostischer Qualität auch die Anfertigung von CT-Schnitten am Beschleuniger (Cone-Beam-CT). Das Cone-Beam-CT ermöglicht eine volumetrische Bildgebung und damit erstmals die millimetergenaue Lagekontrolle der Bestrahlungsfelder bei jeder einzelnen Bestrahlung. Vorteile der bildgeführten Strahlentherapie Da mit der bildgeführten Strahlentherapie (IGRT) vor der einzelnen Bestrahlung zu erkennen ist, wenn die Lage der inneren Organe, die Patientenlagerung oder eine Kombination von beidem dazu führt, dass das zu bestrahlende Zielvolumen nicht millimetergenau erfasst werden kann, erfolgt sofort am Beschleuniger mittels manueller oder automatischer Methoden eine Lagekorrektur (z. B. durch Anpassung der Tischposition). Fortgeschrittene Methoden der Lagekorrektur erlauben dies sogar während des Bestrahlungsvorgangs. Diese Technik führt künftig auch zum Tracking, also zu einer Technik, die es erlaubt, etwa die Atembewegungen des Patienten oder sonstige Organbewegungen zu kompensieren und somit auch Tumoren, die sich unter laufender Bestrahlung stärker bewegen, kleinvolumig und hochdosiert zu bestrahlen. 1109 Medtropole | Ausgabe 31 | Oktober 2012 Abb. 1: Die Simulator- oder Planungsaufnahme zeigt ein aktuelles Bestrah- Abb. 2: Aufnahme des gleichen Felds wie Abb. 1 in Megavolt-Technik lungsfeld in Röntgentechnik: Sichtbar sind neben den Knochen und Weichteil- (Therapiekontrollaufnahme) am Beschleuniger: Hier sind die Konturen der strukturen besonders auch die Metall-Implantate. Künftig wird die Qualität Metallimplantate gut dargestellt und die Konturen der Knochen mit einiger dieser Aufnahmetechnik auch am Bestrahlungsgerät verfügbar sein. Sicherheit erkennbar, Weichteilkontrast besteht jedoch nicht. Die Unschärfe der Aufnahme ist durch den relativ großen Fokus des Beschleunigers bedingt. Vorstellung der neuen Technik am Tag der Offenen Tür Literatur [1] Zelefsky MJ, Kollmeier M, Cox B, et al. Improved clini- Kontakt cal outcomes with high-dose image guided radiotherapy Das Team der Strahlentherapie in der Asklepios Klinik St. Georg lädt das interessierte Fachpublikum ein, sich am Mittwoch, dem 24. Oktober 2012 selbst ein Bild von der neuen Bestrahlungstechnik zu machen. In der Zeit von 15 bis 18 Uhr sind die Strahlentherapeuten gern bereit, den ersten IGRT-fähigen neuen Beschleuniger zu demonstrieren, der von nun an für die Patientenversorgung zur Verfügung steht. compared with non-IGRT for the treatment of clinically localized prostate cancer. Int J Radiat Oncol Biol Phys 2012; (84): 125-9. [2] Mohammed N, Kestin L, Grills I, et al. Comparison of Hermann-Holthusen-Institut für Strahlentherapie Asklepios Klinik St. Georg Lohmühlenstraße 5, 20099 Hamburg IGRT registration strategies for optimal coverage of primary lung tumors and involved nodes based on multiple four- Tel. (0 40) 18 18-85 23 62 Fax (0 40) 18 18-85 30 54 dimensional CT scans obtained throughout the radiotherapy course. Int J Radiat Oncol Biol Phys 2012; (82): 1541-8. E-Mail: [email protected] [3] Keam J, Bilsky M, Zhang Z, et al. Preoperative highdose hypofractionated image-guided intensity modulated radiation therapy (IGRT) for spine metastasis is not associ- [5] Tejwani A, Ashamalla H, Bennish A, et al. The use of ated with excessive wound complications. Int J Radiat image guided radiotherapy (IGRT) cone beam CT (CBCT) Oncol Biol Phys 2011; (81suppl): S646. in planning and delivery of breast boost. Int J Radiat Oncol [4] Yu Y, Michaud AL, Sreeraman R, et al. Dosimetric evalu- Biol Phys 2011; (81suppl): S256. ation of less-than-daily IGRT regimens in the treatment of nasopharyngeal carcinoma. Int J Radiat Oncol Biol Phys 2011; (81suppl): S510. 1110 Priv.-Doz. Dr. Martin Busch Psychiatrie und Psychotherapie Personalia Binge-Eating-Störung Dr. Helge Fehrs Gelage gab es schon im alten Rom, zum Beispiel anlässlich des Saturnalienfests, bei dem für sieben Tage im Jahr die soziale Rangordnung vorübergehend aufgehoben wurde und nach Herzenslust geschlemmt und gefeiert wurde. Heute beschäftigt uns eine kaum als Befreiung, sondern vielmehr als Kontrollverlust erlebte Ausschweifung: die Binge-Eating-Störung (BES). Mit einer Einjahresprävalenz für Frauen von 1,6 Prozent, für Männer von 0,8 Prozent und ganz ähnlichen Zahlen schon für Kinder und Jugendliche drängt sich diese Essstörungsform in den Alltag von Ärzten, Psychologen, Diätassistenten, Ökotrophologen und Sportlehrern.[5] Die Folge der Binge-Eating-Störung, die Adipositas, ist eine der Herausforderungen unserer Zeit, der die Medizin noch recht hilflos gegenüber zu stehen scheint. Fallbeispiel I: Schülerin, 21 Jahre, Gewichtszunahme in den vergangenen drei Jahren von 72 kg auf aktuell 115 kg bei einer Körpergröße von 160 cm. Sie leidet unter Heißhungeranfällen, in denen sie Großportionen in sich hineinschlinge. Seit einem Jahr besuche sie nicht mehr die Schule, liege tagsüber viel im Bett, lebe sozial ganz zurückgezogen und esse oft nur aus Langeweile und zur Ersatzbefriedigung. Mittlerweile beklagt sie belastungsabhängige Rücken- und Knieschmerzen sowie eine Durchschlafstörung. Fallbeispiel II: Diagnostische Kriterien 44-jähriger Mann mit täglichen Essanfällen und vermehrtem Süßigkeitenkonsum. Das aktuelle Gewicht beträgt 110 kg bei 172 cm Körpergröße. Er stehe unter großer Anspannung, versuche es immer allen recht zu machen und esse insbesondere abends große Mengen, wie zur Beruhigung. Seit er vor zehn Jahren mit dem Rauchen aufgehört habe und im selben Jahr einen Bandscheibenvorfall erlitt, der seinen Bewegungsradius vorübergehend sehr einschränkte, habe er stetig zugenommen. Inzwischen leide er unter einer arteriellen Hypertonie und einer Fettleber. Die Binge-Eating-Störung ist eine noch junge diagnostische Kategorie, die erst 1994 als Forschungsdiagnose in das DSM-IV-TR [2] aufgenommen wurde. Fallbeispiel III: 50-jährige gelernte Bürokauffrau, zuletzt arbeitslos, die in den vergangenen 15 Jahren um 50 kg auf 135 kg bei einer Körpergröße von 172 cm zugenommen habe. Sie verdränge Gefühle und tröste sich über das Essen. „Ich habe mir einen Panzer verschafft“, fasst sie zusammen. Bis zu ihrer ersten Schwangerschaft sei sie noch normalgewichtig gewesen, habe aber dann, parallel zu einer als leidvoll erlebten Beziehung mit einem gewalttätigen Mann, immer mehr zugenommen. Zahlreiche Diäten seien im Jojoeffekt gemündet. Wiederholte Episoden von Essanfällen, die folgenden Kriterien entsprechen: ■ Die Betroffenen essen in einer begrenzten Zeit (zum Beispiel innerhalb von zwei Stunden) eine größere Nahrungsmenge, als die meisten Menschen unter ähnlichen Bedingungen essen würden. ■ Während eines Essanfalls besteht ein Gefühl des Kontrollverlusts über das Essen (zum Beispiel das Gefühl, mit dem Essen nicht aufhören oder nicht steuern zu können, was und wie viel man isst). Die Essanfälle treten mit mindestens drei der folgenden Symptome auf: 1. wesentlicher schneller essen als normalerweise; 2. essen bis zu einem unangenehmen Völlegefühl; 3. wegen der Menge, die man isst, nicht in Gesellschaft anderer essen; 4. essen großer Nahrungsmengen, ohne hungrig zu sein; 1111 5. Ekelgefühle gegenüber sich selbst, Deprimiertheit, Schuldgefühle nach dem übermäßigem Essen. ■ Deutliches Leiden wegen der Essanfälle. ■ Die Essanfälle treten durchschnittlich an mindestens zwei Tagen in der Woche in einem Zeitraum von sechs Monaten auf. ■ Die Essanfälle gehen nicht mit einem regelmäßigen Einsatz kompensatorischer Verhaltensweisen zur Gewichtskontrolle einher (zum Beispiel Erbrechen, Diuretika et cetera) und sie treten nicht ausschließlich im Verlauf einer Anorexia nervosa oder Bulimia nervosa auf. Die ICD-10 sieht dagegen die Diagnose einer Binge-Eating-Störung nicht vor. Stattdessen ist hier die Diagnose einer „Essstörung, nicht näher bezeichnet" (F50.9) kodierbar. Aufgrund der besseren Operationalisierung ist die Anwendung der DSM-IV-Kriterien zu empfehlen, wobei aber auf die Vorläufigkeit im Sinne von Forschungskriterien hinzuweisen ist. Der Winter / Die Saturnalien, Antoine-François Callet (1741) Ätiologie An der Entwicklung und Aufrechterhaltung einer Binge-Eating-Störung ist eine Vielzahl psychologischer, sozialer und biologischer Risikofaktoren beteiligt. So zeigte eine der wenigen prospektiven Studien [7] zur Ätiologie der Binge-Eating-Symptomatik an einer Stichprobe weiblicher Jugendlicher, dass folgende Faktoren das Risiko für die Ausbildung einer Binge-Eating-Störung erhöhen: ■ Verstärktes Durchführen durch Diäten ■ stark ausgeprägter Schlankheitsdrang ■ Überbewertung der äußeren Erscheinung ■ Unzufriedenheit mit der Figur ■ Vorbilder für riskantes Essverhalten (Modelllernen) ■ depressive Symptome ■ emotionales Essen ■ erhöhter Body-Mass-Index (BMI) ■ niedriges Selbstwertgefühl ■ gering ausgeprägte soziale Unterstützung 1112 In einer großen Studie von Ackard et al. an Jugendlichen zwischen zwölf und 17 Jahren wurde der Zusammenhang zwischen Essattacken und psychopathologischen Auffälligkeiten erfasst: 29 Prozent der Mädchen und 28 Prozent der Jungen mit einer Binge-Eating-Störung hatten bereits einen Suizidversuch verübt, im Vergleich zu weniger als zehn Prozent der Jugendlichen ohne Essanfälle.[1] Komorbidität Patienten mit Binge-Eating-Störung leiden unter einer im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung erhöhten allgemeinen Psychopathologie. So treten Depressionen (MajorDepression) bei rund 50 – 60 Prozent und Angststörungen bei 20 – 50 Prozent der Binge-Eating-Patienten komorbid auf.[9,8,3] Innerhalb des Gesamtkollektivs adipöser Menschen ist insbesondere in der klini- schen Praxis eine Subgruppe auszumachen, bei der seelische Probleme zu einer Veränderung des Ess- und Bewegungsverhaltens führen, deren Folge eine anhaltende positive Energiebilanz mit Übergewicht und Adipositas ist. Patienten mit BingeEating-Störung sind häufig adipös.[4] Therapie Die Therapie der Binge-Eating-Störung zielt auf eine Reduktion der Essanfälle, eine Gewichtsabnahme sowie die Beeinflussung der essstörungsspezifischen Psychopathologie. Darüber hinaus sollten aber auch Depressionen, soziale Ängste, Selbstwertkonflikte, Schamgefühle und Schwierigkeiten bei der Gefühlsregulation positiv beeinflusst werden. Ein weiteres Ziel ist die Prävention, beziehungsweise die Rückfallprophylaxe. Psychiatrie und Psychotherapie In den S3-Leitlinien [6] zur Diagnostik und Therapie der Essstörungen vom Dezember 2010 sind folgende Empfehlungen zur Behandlung der Binge-Eating-Störung ausgegeben: ■ Psychotherapie ist das Mittel der ersten Wahl zur Behandlung der Binge-EatingStörung. Dabei verfügt die kognitive Verhaltenstherapie über die sichersten Wirksamkeitsbelege. Für tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie besteht begrenzt Evidenz, daher kann sie Patienten mit Binge-Eating-Störung ebenfalls empfohlen werden. Bezüglich der Wirksamkeit der Psychotherapie ist jedoch einschränkend zu sagen, dass zwar nachweisbare Effekte auf eine Reduktion der Essanfälle zu verzeichnen waren, jedoch kein Effekt auf die Gewichtsreduktion ausgemacht werden konnte. ■ Wirksamkeitsbelege liegen auch für eine geleitete manualisierte Selbsthilfe mit Behandlungselementen der kognitiven Verhaltenstherapie vor. ■ SSRI und SSNI sind bei Binge-EatingStörung wirksam, allerdings ist derzeit kein Medikament zur Behandlung der Binge-Eating-Störung zugelassen. Diese Präparate können jedoch im Rahmen eines Therapieversuchs eingesetzt werden, wenn eine Psychotherapie nicht möglich ist. Dabei ist der Patient über den Umstand des Off-Label-Use aufzuklären. ■ Langzeiteffekte von Psychopharmaka sind bei der Binge-Eating-Störung nicht ausreichend erforscht, so dass eine langfristige Verordnung nicht empfohlen werden kann. ■ Für eine stationäre Behandlung sprechen ausgeprägte somatische oder psychische Komorbidität, hohe Krankheitsschwere, Bedingungen des Patienten, die eine ambulante Therapie nicht zulassen (zum Beispiel zu hohes Körpergewicht oder wenn die ambulante Therapie nicht genügend weiterhilft), ferner fehlende ambulante Behandlungsmöglichkeiten in Wohnortnähe, die Notwendigkeit der Behandlung durch ein multiprofessionelles Team mit krankenhaustypischen Heilmethoden sowie soziale/familiäre Einflussfaktoren, die den Gesundungsprozess stark verhindern (zum Beispiel soziale Isolation, problematische familiäre Situation). Kontakt Dr. Helge Fehrs Oberarzt Bereich Essstörungsbehandlung Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie Asklepios Westklinikum Hamburg Suurheid 20, 22559 Hamburg Tel. (0 40) 81 91-25 00 E-Mail: [email protected] Literatur [1] Ackard DM, Neumark-Sztainer D, Story M, Perry C. Eigene Erfahrungen Overeating among adolescents: prevalence and associations with weight-related characteristics and psychological Die Psychosomatische Klinik des Asklepios Westklinikums Hamburg hält ein multimodales tagesklinisches Behandlungsangebot für Patienten mit Binge-Eating-Störung vor. Es besteht aus den Elementen Verhaltenstherapie im Gruppen- und Einzelsetting, Feldenkraisbehandlung, Bewegungstherapie, Ernährungsberatung, Lehrküche sowie medizinischer Diagnostik und Behandlung. Dabei messen wir dem stetigen Wechsel zwischen intensiver Behandlung tagsüber und Rückkehr in den Alltag mit Übungseffekt am Nachmittag, Abend und am Wochenende große Bedeutung bei. Die Patienten können die Erfahrungen, die sie mit sich im Gruppenkontext gesammelt haben und das in der Behandlung Erlernte unmittelbar zu Hause und mit ihren Angehörigen abgestimmt anwenden. Hier sehen wir einen deutlichen Vorteil bezüglich der Langzeiteffekte der Behandlung. Erste Ergebnisse aus der Begleitforschung sind Anfang 2013 zu erwarten health. Pediatrics. 2003;111(1): 67-74. [2] American Psychiatric Association (2000). Diagnostic and statistical manual of mental disorders – DSM-IV-TR. 4th ed. Washingten (DC): American Psychiatric Association. [3] Bulik CM, Sullivan PF, Kendler KS. Medical and psychiatric morbidity in obese women with and without BingeEating. Int J Eat Disord. 2002;32(1): 72-8. [4] Dingemans AE, Bruna MJ, Van Furth EF. Binge-Eating disorder: a review. Int J Obes. 2002;26(3): 299-307. [5] Nicholls D, Chater R, Lask B. Children into DSM don’t go: a comparison of classification systems for eating disorders in childhood and early adolescence. Int.J.Eat.Disord. 2000;28(3): 317-24. [6] S3-Leitlinien zur Diagnostik und Therapie der Essstörungen 12.12. 2010, AWMF-Register Nr. 051/026. [7] Stice E, Presnell K, Spangler D. Risk factors for BingeEating onset in adolescent girls: a 2-year prospective investigation. Health Psychol, 2002;21(2): 131-8. [8] Wilfley DE, Schwartz MB, Spurrell EB, Fairburn CG. Using the eating disorder examination to identify the specific psychopathology of Binge-Eating disorder. Int J Eat Disord. 2000;27(3): 259-69. [9] Yanovski SZ, Nelson JE, Dubbert BK, Spitzer RL. Association of Binge-Eating disorder and psychiatric comorbidity in obese subjects. Am J Psychiatry. 1993;150(10): 1472-9. 1113 Medtropole | Ausgabe 31 | Oktober 2012 S3-Leitlinie veröffentlicht: Diagnostik und Behandlung von Carotisstenosen Prof. Dr. Christian Arning, Prof. Dr. Walter Gross-Fengels, Dr. Holger Lawall Nachdem die noch abzuwartenden Daten wichtiger Studien wie CREST [2] vorlagen, wurde nun die S3-Leitlinie „Extracranielle Carotisstenose“ fertiggestellt und im AWMF-Register veröffentlicht. Dieser Artikel stellt die wichtigsten Empfehlungen der Leitlinie vor. Die S3-Leitlinie entstand in gemeinsamer Arbeit von insgesamt 20 Fachgesellschaften und Organisationen (Abb. 1) unter Federführung der Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie und Gefäßmedizin. Durch den nach AWMF-Kriterien für S3-Leitlinien erzielten Konsens entstanden Empfehlungen auf dem höchstmöglichen Evidenzniveau. Die 217-seitige Langfassung enthält umfangreiche Erläuterungen und Literaturangaben zu den aufgelisteten Empfehlungen.[1] Symptomatische und asymptomatische Stenose Den bisherigen Studien zufolge wird eine Stenose als symptomatisch gewertet, wenn sie innerhalb der vergangenen sechs Monate zu einem nicht-behindernden Schlaganfall, einer transitorisch ischämischen Attacke oder einer retinalen Ischämie geführt hat. Sind in den zurückliegenden sechs Monaten keine Stenose-assoziierten Symptome aufgetreten, wird die Stenose als asymptomatisch klassifiziert. 1114 Diagnostik Diagnostische Methode der ersten Wahl ist die Sonographie (Abb. 2) durch einen erfahrenen Untersucher. Die Ultraschalldiagnostik soll nach den Empfehlungen der DEGUM durchgeführt werden und die Graduierung entsprechend NASCET-Definition erfolgen.[3] Bei unklarem Ultraschallbefund oder Mehrgefäßprozessen wird eine zusätzliche kontrastmittelgestützte MRA, ersatzweise eine CTA, empfohlen. Eine diagnostische DSA soll nur durchgeführt werden, wenn die nicht-invasiven Verfahren keine konklusive Aussage erlauben. Liegen vaskuläre Risikofaktoren vor, ist ein Ultraschallscreening sinnvoll. Therapie Zur invasiven Therapie von Carotisstenosen kommen die Carotisendarteriektomie (CEA) und das Carotisstenting (CAS) in Betracht. Bei älteren Patienten (> 70 J.) ist CAS mit mehr Risiken behaftet. Im mittelfristigen Verlauf (bis vier Jahre) sind CAS und CEA in der Sekundärprävention des ipsilateralen Schlaganfalls jenseits der periprozeduralen Phase jeweils gleich effektiv. Die Indikation zur invasiven Behandlung sollte interdisziplinär unter Einbeziehung eines in der Diagnostik und Behandlung von Carotisstenosen erfahrenen Neurologen gestellt werden. Auch die Komplikationsraten sollten durch einen Neurologen kontrolliert werden. Bei asymptomatischer Carotisstenose von 60 – 99 Prozent wird das Schlaganfallrisiko durch eine CEA sehr gering, aber doch statistisch signifikant reduziert. Ein Vorteil besteht nur, wenn die Komplikationsrate (Schlaganfall oder Tod) in dem behandelnden Zentrum unter drei Prozent liegt. Alternativ zur primär empfohlenen CEA kann CAS erwogen werden, wenn das behandelnde Zentrum Qualitätskriterien mit einer Komplikationsrate unter drei Prozent nachweislich einhält. Patienten mit hohem kardiovaskulärem Risiko und asymptomatischer Carotisstenose profitieren nicht von CEA oder CAS. Eine isolierte Herzoperation in Anwesenheit einer einseitigen hochgradigen asymptomatischen Carotisstenose ist gerechtfertigt. Bei Patienten mit symptomatischer Stenose (nach TIA oder nicht behinderndem Gefäßmedizin ͵Ǧǡ 06. August 2012 H.-H. Eckstein 2 (Sprecher der Steuergruppe), A. Kühnl (Sekretär der Steuergruppe), J. Berkefeld 5, R. Diel, A. Dörfler 5, I. Kopp 1, R. Langhoff 8, H. Lawall 8, P. Ringleb 3, D. Sander 3, M. Storck 2 (Steuergruppe) und G. Antoniadis 14, C. Arning 10, H. Brückmann 5, C. Diehm 17, I. Flessenkämper 15, G. Fraedrich 20 , A. Fründ 19, S. George 18, M.W. Görtler 10, H. Görtz 12, W. Gross-Fengels 6, M. Hennerici 3, U. Hoffmann 8, A. Hörstgen 18, P. Huppert 6, O. Jansen 5, R. Litz 16, H. Mudra 9, D. G. Nabavi 4 , E. Neugebauer 15, H. Niedermeier 2 , Ch. Ploenes 12, R. Stingele 4, B. Rantner 20, J. Tacke 7, O. Schnell 11, K.L. Schulte 8, K. Schwerdtfeger 14, D. Vorwerk 6, K. P. Walluschek 13 , G. Walterbusch 13 (Leitliniengruppe) Beteiligte Fachgesellschaften/Organisationen (* Mitglieder der Steuergruppe) 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. Institut für Medizinisches Wissensmanagement der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF-IMWi, I. Kopp *) Deutsche Gesellschaft für Gefäßchirurgie und Gefäßmedizin (DGG, H.-H. Eckstein *, M. Storck *, H. Niedermeier) Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN: P. Ringleb *, D. Sander *, M. Hennerici) Deutsche Schlaganfallgesellschaft (inkl. Deutsche Schlaganfallhilfe, R. Stingele, D. G. Nabavi) Deutsche Gesellschaft für Neuroradiologie (DGNR: A. Dörfler *, O. Jansen, H. Brückmann, J. Berkefeld *) Deutsche Röntgen-Gesellschaft (DRG, W. Gross-Fengels, D. Vorwerk) Deutsche Gesellschaft für Interventionelle Radiologie (DEGIR, P. Huppert, J. Tacke,) Deutsche Gesellschaft für Angiologie /Gesellschaft für Gefäßmedizin (DGA, H. Lawall *, R. Langhoff *, K.L. Schulte, U. Hoffmann) Deutsche Gesellschaft für Kardiologie (DKG, H. Mudra) Deutsche Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin (DEGUM, C. Arning, M.W. Görtler) Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG, O. Schnell) Deutsche Gesellschaft für Geriatrie (DGG, Ch. Ploenes, H. Görtz) Deutsche Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie (DGTHG, K. P. Walluschek, G. Walterbusch) Deutsche Gesellschaft für Neurochirurgie (DGN, G. Antoniadis, K. Schwerdtfeger) Deutsche Gesellschaft für Chirurgie (DGCH, I. Flessenkämper, E. Neugebauer) Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI, R. Litz) Deutsche Gefäßliga e.V. (C. Diehm) Deutscher Verband der Ergotherapeuten (S. George, A. Hörstgen) Deutscher Verband für Physiotherapie (ZVK) e.V. (A. Fründ) Östereichischer Verband für Gefäßmedizin (G. Fraedrich, B. Rantner) a b Abb. 1: Titelseite der S3-Leitlinie Schlaganfall) von 70 – 99 Prozent wird eine CEA empfohlen. Sie sollte auch bei einem Stenosegrad von 50 – 69 Prozent erwogen werden. Die CEA sollte so früh wie möglich nach dem Ereignis erfolgen. Alternativ zur CEA kann CAS in Zentren mit einer dokumentierten Schlaganfallrate/Letalität von unter sechs Prozent erwogen werden. Die Stentbehandlung kann in folgenden Situationen Vorteile gegenüber der Operation bringen, wenn sie in einem erfahrenen Zentrum unter Einhaltung der Qualitätskriterien durchgeführt wird: Re-Stenosen nach CEA, radiogene Stenosen, hochzervikale Stenosen, Tandemstenosen mit höhergradiger intracranieller oder intrathorakaler Stenose, kontralaterale Parese des N. laryngeus recurrens Risikofaktoren Bei Patienten mit Carotisstenosen ist eine konsequente leitliniengerechte Kontrolle und Therapie vaskulärer Risikofaktoren („best medical treatment“) indiziert. Dies gilt insbesondere für asymptomatische Stenosen, aber auch für Patienten nach operativer oder endovaskulärer Behandlung. Literatur [1] http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/004028l_S3_Extracranielle_Carotisstenose_08_2012_01.pdf [2] Brott TG, Hobson RW 2nd, Howard G et al. Stenting versus endarterectomy for treatment of carotid-artery stenosis. N Engl J Med 2010; 363: 11-23. [3] Arning C, Widder B, von Reutern GM, Stiegler H, Görtler M. Ultraschallkriterien zur Graduierung von Stenosen der A. carotis interna. Revision der DEGUM-Kriterien und Anästhesieverfahren Transfer in NASCET-Stenosierungsgrade. Ultraschall in Abb. 2: Ultraschalldiagnostik Kontakt Prof. Dr. Christian Arning Neurologie Asklepios Klinik Wandsbek Alphonsstraße 14, 22043 Hamburg Tel. (0 40) 18 18-83 14 13 Fax (0 40) 18 18-83 16 31 E-Mail: [email protected] Prof. Dr. Walter Gross-Fengels Diagnostische und Interventionelle Radiologie GefässCentrum Hamburg-Harburg (GCH) Asklepios Klinik Harburg Eißendorfer Pferdeweg 52 21075 Hamburg Tel. (0 40) 18 18-86 20 01 Fax (0 40) 18 18-86 28 44 E-Mail: [email protected] Med 2010; 31: 251-7. Zwischen Lokalanästhesie und Allgemeinnarkose bestehen im 30-Tages-Ergebnis keine signifikanten Unterschiede. Patienten mit kontralateralem Verschluss haben ein höheres perioperatives Schlaganfallrisiko und können bei Eignung und Einverständnis vorzugsweise in Regionalanästhesie mit Wachmonitoring operiert werden. Dr. Holger Lawall Abteilung Angiologie/Diabetologie Zentrum für Gefäßmedizin Asklepios Westklinikum Suurheid 20, 22559 Hamburg Tel. (0 40) 81 91-20 26 Fax (0 40) 81 91-21 26 E-Mail: [email protected] 1115 Medtropole | Ausgabe 31 | Oktober 2012 Notall Extrauteringravidität Dr. Frank Carlos Spickhoff Die Extrauteringravidität (EUG) oder ektope Gravidität bezeichnet eine außerhalb der Gebärmutterhöhle eingenistete Schwangerschaft. Die meisten extrauterinen Schwangerschaften treten im Eileiter auf (Eileiterschwangerschaften). Mit Ausnahme der Bauchhöhlenschwangerschaft ist eine EUG nicht überlebensfähig. Epidemiologie Diagnostik Extrauteringraviditäten kommen mit einer Häufigkeit von 1 – 2 auf 100 intrauterine Schwangerschaften vor. Meist handelt es sich um eine Tubargravidität, die in 80 Prozent der Fälle im ampullären Teil des Eileiters lokalisiert ist. Ursache für einen Anstieg der EUG sind sexuell übertragene Infektionen und zunehmende In-VitroFertilisationen bei Frauen über 30 Jahren. Der Anamnese folgt die klinische Untersuchung. Hier zeigt sich eine druckdolente Resistenz, ein Portioschiebeschmerz, BetaHCG im Labor ist positiv, sonografisch findet sich ein leeres Cavum uteri, maximal ist ein höchstens fünf Millimeter großer Pseudogestationssack zu erkennen. Außerdem sieht man häufig eine Verdickung der Tube und freie Flüssigkeit im Abdomen sowie etwa sechs Wochen post menstruationem eine Fruchtblase mit Embryonalentwicklung. Die Diagnose wird laparoskopisch durch eine Pelviskopie gesichert. Ursachen Eine Reihe bekannter Risikofaktoren lässt sich in maximal 50 Prozent der Fälle nachweisen. Dazu zählen entzündlich bedingte Erkrankungen im Beckenbereich, Infertilität, Intrauterinpessare, Eingriffe am Eileiter, intrauterine Eingriffe, Rauchen, Z. n. Sterilisationsoperationen. Auch die Endometriose führt zu einem hohen Risiko für eine Extrauteringravidität. Alternativ ist im frühen Stadium oder nach operativer Therapie bei rezidivierenden Beta-HCG-Werten eine Therapie mit Methotrexat in Erwägung zu ziehen. Bei allen Therapieverfahren muss eine Beta-HCG-Kontrolle so lange erfolgen, bis dieser negativ ist. Differenzialdiagnosen ■ ■ ■ ■ ■ Abort Appendizitis Adnexitis Ovarialtumor urologische Erkrankungen Symptome Therapie Je nach Lokalisation und Stadium der Einnistung und Zustand der Frucht können sehr unterschiedliche Symptome auftreten: ■ rezidivierende Unterbauchschmerzen, eventuell mit kolikartiger Symptomatik ■ Schmierblutung ■ sekundäre Amenorrhoe ■ Kreislaufkollaps bis zum Schock ■ unsichere Schwangerschaftszeichen (Brustspannen, morgendliche Übelkeit) Meist wird eine operative Pelviskopie durchgeführt. Die Patientin wird darüber aufgeklärt, dass eine Organerhaltung durch eine Tubotomie oder eine Organentfernung (Tubektomie) durchgeführt werden muss. Grundsätzlich ist die Patientin je nach Familienplanung auch über das erhöhte Rezidivrisiko bei Organerhaltung aufzuklären. Die Lokalisation spielt für das therapeutische Vorgehen intraoperativ eine 1116 große Rolle. Bei ampullärer Gravidität handelt es sich eher um einen Tubarabort. Die Frucht lässt sich per Expression oder Absaugen entfernen. Bei der isthmischen Gravidität besteht die Gefahr der Tubenruptur. Hier muss die Salpingotomie oder Salpingektomie erfolgen. Kontakt Dr. Frank Carlos Spickhoff Frauenklinik der Asklepios Klinik Nord – Heidberg Tangstedter Landstraße 400 22417 Hamburg Tel. (0 40) 18 18-87 34 58 Fax (0 40) 18 18-87 30 99 E-Mail: [email protected] Personalie Personalia K O N T A K T ... ... ... ... 1117 Medtropole | Ausgabe 31 | Oktober 2012 1.000 mutige Männer gesucht Mit 55 Jahren fängt das Leben an … Prof. Dr. Friedrich Kallinowski … vorausgesetzt, man war bei der Darmkrebsvorsorge, die seit 2003 als gesetzlich verankerte Kassenleistung ab dem 55. Lebensjahr angeboten wird und eine Erfolgsgeschichte par excellence darstellt. Derzeitige Situation Das lebenslange Risiko, an Darmkrebs zu erkranken, lag 2008 in der Bundesrepublik Deutschland 2008 bei sieben Prozent.[1] Die Gefährdung steigt mit zunehmendem Alter an (Abb. 1). Ein relevantes Risiko von etwa 0,2 Promille entsteht zwischen dem 50. und 55. Lebensjahr durch den Übergang von Krebsvorstufen zu manifesten Karzinomen. Die Übergangsrate steigt ebenfalls mit dem Alter, so dass die Gefährdung deutlich zunimmt. Zunächst versuchsweise, nach dem klaren Beleg für die Wirksamkeit [2] mit deutlicher medialer und politischer Unterstützung, propagieren Ärzte und Kostenträger gleichermaßen die Vorsorgekoloskopie ab dem 55. Lebensjahr. Doch leider nehmen die Anspruchsberechtigten das lebensrettende Angebot in viel zu geringem Maße an.[3] Diagnostische Lücken und Risiken Eine diagnostische Lücke, bei der die Tumore früher auftreten können, besteht nach aktuellem Stand bei familiärer Belastung und chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen. Dies ist bedauerlich, wiegt aber gegenüber der fehlenden Inanspruchnahme gering (Abb. 1). Vielfach wird das Risiko der Vorsorgekoloskopie mit etwa einem Prozent angeführt. Dieses Risiko betrifft aber vor allem beherrschbare Blutungen und sehr viel seltener Darmper- 1118 forationen. In der Summe ist zu schätzen, dass die verstärkte Inanspruchnahme der Vorsorgekoloskopie pro Jahr mindestens weitere 10.000 Leben in Deutschland retten könnte bei nur sehr geringer Gefährdung. Warum „1.000 mutige Männer für Harburg“? Im Vergleich der Bundesländer liegt Hamburg bei der Beratungsqualität zur Vorsorgekoloskopie erfreulicherweise auf einem der vorderen Plätze. Dennoch hat die Hamburger Krebsgesellschaft die Initiative ergriffen, ein erfolgreiches Projekt aus Nordrhein-Westfalen zu übertragen. Die Gründe sind vielfältig: Die Euphorie zur Vorsorge flacht ab, die etablierten Initiativen erreichen nur schwer neue Zielgruppen und Männer sind traditionell eher „Vorsorgemuffel“. Das Projekt „1000 mutige Männer“ in Mönchengladbach erreichte während der Projektlaufzeit von sechs Monaten eine deutliche Steigerung der Vorsorgeraten um immerhin zehn Prozent. Initiative von Anfang an. Ein solch ambitioniertes Projekt bedarf natürlich auch der Unterstützung durch die Politik und der niedergelassenen Ärzteschaft. Pate der Aktion ist der Harburger Bezirksamtsleiter Thomas Völsch. Auch Prominente wie der Sänger Gunter Gabriel engagieren sich für die gute Sache. Das Projekt „1000 mutige Männer für Harburg“ zur Intensivierung der Darmkrebs-Vorsorge wird auch von dem PNS – PraxisNetz Süderelbe als einzigem Pilot-Netz in Hamburg und von der Stiftung Lebensblicke als überregionaler Organisation für gut befunden und unterstützt. Mit einer Auftaktveranstaltung im Hamburger Rathaus fiel am 18. September der offizielle Startschuss der Aktion – und nun sind Sie gefragt! Schließlich heißt das Lied nicht nur „mit 55 Jahren“, sondern auch „ich war noch niemals zur Koloskopie“ … Literatur [1] Krebs in Deutschland 2007/2008 – eine gemeinsame Veröffentlichung des Robert Koch-Instituts und der Gesell- Da die Vorsorgekoloskopie gerade in Regionen mit schwieriger Sozialstruktur weniger in Anspruch genommen wird, hat die Hamburger Krebsgesellschaft in Projektträgerschaft mit der Barmer GEK die südlichen Bezirke um Harburg als Pilotregion ausgewählt. Die regionalen Kliniken, allen voran das Darmzentrum der Asklepios Klinik Harburg, unterstützen diese schaft der epidemiologischen Krebsregister in Deutschland e.V. 8. Ausgabe, 2012. [2] Brenner H, Altenhofen L, Hoffmeister M. Eight years of colonoscopic bowel cancer screening in Germany: initial findings and projections. Dtsch Arztebl Int 2010; 107: 753-9 [3] Kallinowski F, Gross-Fengels W, Seemann D, Siassi M. Darmkrebs – Bessere Diagnostik führt zu mehr Heilung. Medtropole 2011; 25: 900-3. Gastro-/Viszeralchirurgie 600 6% 500 5% Frauen Männer 4% 3% 400 2% 1% 300 200 100 0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75 80 85 + Alter Abb. 1: Alters- und geschlechtsspezifische Erkrankungsrate an Dickdarmkrebs in Deutschland 2008 (Säulen, linke Beschriftung pro 100 Tsd.) und jährliche Übergangsrate in Prozent (rechts) von Adenomen in Krebs (Linien) modifiziert nach 1,2. 25 20 15 10 5 0 BE SL HH BY HE NI NO SH HB BB WL TH ST SN MV RP BW Abb. 2: Beratung zur Darmkrebsfrüherkennung (nach: www. vorsorgeatlas.de) Kontakt Prof. Dr. Friedrich Kallinowski Allgemein- und Viszeralchirurgie Asklepios Klinik Harburg Eißendorfer Pferdeweg 52 21075 Hamburg Tel. (0 40) 18 18-86 25 34 Fax (0 40) 18 18-86 34 57 E-Mail: [email protected] Hotline: (0 40) 1818-86 25 40 Abb. 3: Aktuelles Faltblatt der Harburger Aktion 1119 ISSN 1863-8341 Wer war eigentlich Nikola Tesla? Prof. Dr. Roman Fischbach Im Oktober 2011 nahm die Asklepios Klinik Altona ein 3-Tesla-MRT-System in Betrieb, im Juli wurde das vorhandene 1,5-Tesla-MRT-System gegen einen Scanner modernster Bauart ausgetauscht. Damit verfügt die Radiologie der Klinik über die modernsten MRT-Systeme des Konzerns. Im Alltag sprechen wir ganz selbstverständlich von einer „Feldstärke von 1,5 oder 3 Tesla“ – doch nur wenige wissen noch, wer der Namensgeber der Einheit Tesla [T=N/(A*m)] war. Die SI-Einheit für die magnetische Flussdichte oder „Feldstärke“ wurde im Jahr 1960 nach dem serbisch-amerikanischen Erfinder Nikola Tesla benannt. Zahlreiche Patente und Erfindungen gehen auf diesen außergewöhnlich kreativen und auch exzentrischen Menschen zurück. Zu seiner Zeit war er ein anerkannter und populärer Wissenschaftler, der aber trotz seiner bahnbrechenden Erfindungen in der Elektrotechnik wirtschaftlich nicht erfolgreich war und schließlich in ärmlichen Verhältnissen starb. Nikola Tesla (1856 – 1943) wuchs als Sohn serbisch stämmiger Eltern in bescheidenen Verhältnissen im heutigen Kroatien auf. Er studierte an der Universität Graz und nach Unterbrechung an der Karls-Universität Prag Maschinenbau. Erste Anstellungen hatte er in Firmen von Thomas Alva Edison in Budapest und Paris bevor er 1884 nach Amerika auswanderte. In New York war Tesla kurzzeitig wieder in einer Edison-Firma beschäftigt. Mit Edison überwarf er sich aber bald und machte sich mit unterschiedlichen Firmen und Partnern selbstständig. Zu Beginn seiner Karriere beschäftigte sich Tesla intensiv mit der Erzeugung, Nutzung und Umwandlung des Wechselstroms. www.medtropole.de Nikola Tesla Eine seiner bedeutenden Entdeckungen war die des rotierenden magnetischen Feldes. Der von ihm erfundene Wechselstrommotor beruht auf diesem Prinzip. Die Umwandlung elektrischer in mechanische Energie sowie die Stromerzeugung aus mechanischer Energie waren die Basis der flächendeckenden Industrialisierung und Elektrifizierung Ende des 19. Jahrhunderts. 1895 wurde an den Niagara-Fällen ein erstes Wasserkraftwerk mit Teslas Patenten in Betrieb genommen, in dem Turbinen Wechselstromdynamos antrieben. Auch die heute in Nordamerika übliche Netzfrequenz von 60 Hz geht auf Nikola Tesla zurück. Zunächst hatte Tesla bei der Einführung der Wechselstromtechnologie starke Widerstände zu überwinden: So war zum Beispiel Thomas Alva Edison ein großer Verfechter des nicht gepulsten Gleichstroms und bekämpfte immer wieder den letztlich erfolgreicheren Wechselstrom. In späteren Jahren konzentrierte sich Tesla auf die kabellose Energieübertragung und die Energiegewinnung. Er baute den Resonanztransformator zur Erzeugung hochfrequenter Wechselspannung (Teslaspule), dessen Funktionsprinzip auf der Resonanz magnetisch lose gekoppelter elektrischer Schwingkreise basiert. Tesla erhielt sein Patent zur drahtlosen Energieübertragung, das erste Patent zur Funktechnik überhaupt, einen Monat bevor Guglielmo Marconi seine Patentschrift zur drahtlosen Telegraphie einreichte. In seinen Labors nutzte er Neonlicht, lange bevor es übliche Beleuchtung wurde und er erzeugte mit den nach ihm benannten Spulen fulminante Entladungsblitze, die er oft in showartigen Demonstrationen einsetzte. Zudem baute er einen heute verschollenen „Schwerkraftfeldenergiekonverter“, der Strom aus der Umgebung (radiant energy, kosmische Energie) ziehen sollte. Tesla blieb bis ins Alter ein sehr erfindungsreicher Mensch, dessen Arbeiten später aber zunehmend skurril und parawissenschaftlich wurden, so dass er auch „Tesla, der Magier“ genannt wurde. Tesla ist Namenspatron der „Tesla Motors“, eines Herstellers von Sportwagen mit Wechselstrommotor, des Belgrader Flughafens, und er wurde auf zahlreichen jugoslawischen und serbischen Banknoten abgebildet. Literatur Margaret Cheney: Nikola Tesla – Erfinder, Magier, Prophet. 6. Auflage 2009, Omega Verlag, Aachen. Kontakt Prof. Dr. Roman Fischbach Abteilung für Radiologie und Neuroradiologie Asklepios Klinik Altona Paul-Ehrlich-Straße 1, 22763 Hamburg Tel. Fax E-Mail