OCT Artikel Medtropole - cardiologicum hamburg

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med tropole
Nr. 31 Oktober 2012
RHEUMATOLOGIE:
Pulmonale arterielle Hypertonie (PAH)
KARDIOLOGIE:
Intrakoronare optische Kohärenztomographie
PSYCHIATRIE UND PSYCHOTHERAPIE:
Binge-Eating-Störung
Aktuelles aus der Klinik
für einweisende Ärzte
Editorial
Impressum
Liebe Leserinnen und Leser,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
Redaktion
Jens Oliver Bonnet
(verantw.)
Prof. Dr. Christian Arning
PD Dr. Oliver Detsch
Dr. Birger Dulz
PD Dr. Siegbert Faiss
Dr. Christian Frerker
Dr. Susanne Huggett
Prof. Dr. Friedrich Kallinowski
Prof. Dr. Uwe Kehler
Dr. Jochen Kilian
Dr. Jürgen Madert
PD Dr. Aglaja Stirn
Prof. Dr. Gerd Witte
Cornelia Wolf
Herausgeber
Asklepios Kliniken
Hamburg GmbH
Unternehmenskommunikation
Rudi Schmidt V. i. S. d. P.
Rübenkamp 226
22307 Hamburg
Tel. (0 40) 18 18-82 66 36
Fax (0 40) 18 18-82 66 39
E-Mail:
[email protected]
Auflage: 15.000
Erscheinungsweise:
4 x jährlich
ISSN 1863-8341
was macht eine Metropole zur Medtropole? Es kann nur die gelebte, quirlige
medizinische Vielfalt sein, die unser Fach so interessant macht, dass es wohl
immer zu den vielseitigsten akademischen Studienfächern zählen wird. Die
Medtropole Hamburg hat mannigfaltige Ecken und Winkel, verteilt über die
ganze Stadt, auf die wir hier einige Schlaglichter werfen wollen:
Zu Besuch in Altona, gibt Ihnen der Kollege Ahamdi-Simab mit seiner
Arbeit über die pulmonale arterielle Hypertonie bei Kollagenosen auf
hohem Niveau Einblick in sein Spezialgebiet bei einem Krankheitsbild,
dessen Pathophysiologie sich leicht erschließt, dessen Therapie aber große Erfahrung erfordert.
Noch weiter im Westen, in Rissen, widmet sich der psychosomatische Kollege Fehrs einer
Erscheinung unserer zivilisierten Kultur, dem Binge-Eating-Syndrom. Das Future-Hospital
Barmbek öffnet die Pforten zum Einblick in die Arbeit des Teams um Herrn Faiss, hier mit Fokus
auf zystische Pankreasläsionen, die uns früher ohne die moderne Bildgebung oft verborgen
blieben. In Harburg geht Herr Kallinowski in einem Pakt mit der Hamburger Krebsgesellschaft
unter Patenschaft des Bezirksamtes neue Wege, um frischen Wind in die Akzeptanz der Darmkrebsvorsorge zu bringen. Mein Wandsbeker Kollege Arning lebt Medtropole-umspannende
Kooperation mit dem West- und Südzipfel der Stadt (H. Lawall und W. Gross-Fengels) mit auf
den Punkt gebrachtem Extrakt der Deutschen S3-Leitlinie zur Carotisstenose, bei der die Kollegen Co-Autoren waren.
Und nun ins Zentrum der Stadt: Gemäß dem Anspruch der Campus-Klinik der Semmelweis
Universität zeigen drei Beiträge aus St. Georg Wissenschaft und Technik auf Spitzenniveau:
Die Kardiologen Heeger, Kuck und Bergmann tragen dazu bei mit der intrakoronaren Kohärenztomographie, einer zukunftweisenden Technik zur Kontrolle komplett resorbierbarer Koronarstents und deren Endothelialisierung. Die Strahlentherapie läuft in St. Georg heute exakt gezielt
„bild-geführt“, wie der Beitrag von Kollege Busch eindrucksvoll zeigt. Herr Petersen vom ifiInstitut scheut keinen Kampf mit Hepatitis-Viren jeder Art, wobei die Medizin zunehmend an
Boden gewinnt. Was hätte Nikola Tesla zu all dem Fortschritt wohl gesagt oder noch zusätzlich
beigetragen, wenn er freudig überrascht seinen Namen an den höchstentwickelten Geräten der
Medizintechnik vorgefunden hätte? Kollege Fischbach aus Altona hätte wohl eine Vorstellung
davon.
Ich habe Ihnen hoffentlich Appetit gemacht auf eine Reise durch die Medtropole Hamburg und
lade Sie nun herzlich ein zur neugierigen Lektüre unserer medizinischen Stadtzeitschrift.
Ihr
Dr. Peter Breuer
Ärztlicher Direktor Asklepios Klinik Wandsbek
1090
Inhalt
1092 | GASTROENTEROLOGIE UND HEPATOLOGIE
Pankreas – Zyste ist nicht gleich Zyste
S. 1092
1096 | HEPATOLOGIE
Keine Angst vor Hepatitis-Viren –
Diagnose und aktuelle Therapiemöglichkeiten der chronischen Hepatitis B und C
1100 | RHEUMATOLOGIE
Pulmonale arterielle Hypertonie (PAH)
1104 | KARDIOLOGIE
Intrakoronare optische Kohärenztomographie
1108 | STRAHELNTHERAPIE
Strahlentherapie mit IGRT –
Bildgestützte Präzisionbestrahlung von Tumoren und Metastasen
S. 1108
1111 | PSYCHIATRIE UND PSYCHOTHERAPIE
Binge-Eating-Störung
1114 | GEFÄSSMEDIZIN
S3-Leitlinie veröffentlicht:
Diagnostik und Behandlung von Carotisstenosen
1116 | GYNÄKOLOGIE
Notall Extrauteringravidität
1117 | PERSONALIE
1118 | GASTRO-/VISZERALCHIRURGIE
1.000 mutige Männer gesucht:
Mit 55 Jahren fängt das Leben an …
S. 1118
1120 | ???
Wer war eigentlich Nikola Tesla?
1091
Medtropole | Ausgabe 31 | Oktober 2012
Pankreas – Zyste ist nicht gleich Zyste
Dr. Robert Baumbach, Priv.-Doz. Dr. Siegbert Faiss
Durch verfeinerte bildgebende Diagnostik werden immer mehr zystische Formationen des Pankreas entdeckt.
Dysontogenetische Zysten des Pankreas sind außerordentlich selten. Die meisten zystischen Veränderungen lassen
sich in zwei Gruppen einteilen: 1. Pseudozysten bei akuter oder chronischer Pankreatitis. 2. Zystische Neoplasien.
Die zystischen Neoplasien sind eine sehr heterogene Gruppe von Entitäten mit sehr unterschiedlichem Entartungspotential. Andererseits ist eine verlässliche Differentialdiagnose der zystischen Neoplasien untereinander und
von non-neoplastischen Zysten häufig schwierig. Wir stehen daher vor einem diagnostischen Dilemma und der
Differenzierung zystischer Pankreasläsionen kommt aufgrund der großen Unterschiede in Prognose und Therapie
eine sehr große klinische Bedeutung zu. Das zeigt sich auch daran, dass sich die Übereinstimmung erfahrener
Endosonografiker in der Differenzierung neoplastischer und nicht-neoplastischer Pankreaszysten als gering
erweist und selbst in Zentren mit großen Fallzahlen ein Drittel der präoperativen Diagnosen falsch sind.[1]
Zystische Pankreasläsionen
Zu unterscheiden sind neoplastische von
non-neoplastischen zystischen Pankreasläsionen. Die non-neoplastischen bestehen
zum größten Teil aus nicht epithelialen
Pseudozysten (Abb.1), die 75 Prozent aller
symptomatischen zystischen Läsionen des
Pankreas ausmachen. Pseudozysten treten
mit einer Häufigkeit von circa 15 Prozent
bei akuter Pankreatitis („akute Pseudozyste“) auf und etwa doppelt so häufig bei
chronischer Pankreatitis („chronische Pseudozyste“). Sie kommen meist solitär und in
jeglicher Lokalisation vor. Während „akute
Pseudozysten“ eine hohe spontane Rückbildungsrate aufweisen, ist diese bei „chronischen Pseudozysten“ aufgrund ihrer
Pathogenese deutlich geringer. Therapeutische Implikationen ergeben sich nur bei
Symptomatik oder Komplikationen (Superinfektion, Einblutung, Kompression von
Gallengang, großen Gefäßen oder Intestinum). Im Vergleich zu Leber- oder Nierenzysten sind epitheliale dysontogenetische
Zysten des Pankreas sehr selten.
1092
Bei neoplastischen zystischen Pankreasläsionen unterscheidet man primäre und
sekundäre Neoplasien. Zu den primären
gehören die intraductal papillär-mucinösen
Neoplasien (IMPN), die serösen zystischen
Neoplasien (SCN) und die mucinös-zystischen Neoplasien (MCN). Bei den sekundären sind die Solid-pseudopapilläre Neoplasie (SPN), das duktale Adenokarzinom
und neuroendokrine Pankreastumoren zu
nennen. Dabei machen IPNM, SCN, MCN
und SPN etwa 90 Prozent aller neoplastischen Pankreaszysten aus.
Diagnostik
Für die bilddiagnostische Differenzierung
stehen transabdominelle Sonographie,
Endosonographie (EUS), Computertomographie (CT), Magnetresonanztomographie
(MRT-MRCP) und endoskopisch-retrograde Pankreatographie (ERP) zur Verfügung.
Aufgrund der höchsten Ortsauflösung und
der Möglichkeit, Perfusionsanalysen und
in gleicher Sitzung eine Feinnadelaspiration (FNA) vornehmen zu können, hat die
Endosonographie den höchsten Stellenwert. Da die bilddiagnostische Differenzie-
rung von Pankreaszysten häufig schwierig
ist, müssen zusätzlich Lokalisation, Anamnese, klinisches Bild, Alter und Geschlecht
der Patienten mit einbezogen werden.
Intraductal papillär-mucinöse
Neoplasien
IPMN sind die häufigsten zystischen Neoplasien des Pankreas. Dabei handelt es sich
um papilläre Proliferation neoplastischer
muzinöser Gangepithelien. Die Produktion
des zähen Schleims verursacht die zystische
Gangdilatation. Zu unterscheiden sind Seitengang(BD)- von Hauptgang(MD)-IPMN
hinsichtlich des Epitheltyps, des Muzinmusters, der Symptomatik, des Entartungspotentials und somit der Prognose.
Mischtypen kommen in bis zu einem Drittel der Fälle vor.[2] Ein MD-IPMN liegt vor,
wenn der Hauptgang und der zystische
Tumor > 10 mm messen. Ein BD-IPMN ist
definiert, wenn eine Kommunikation mit
dem Hauptgang besteht, der Hauptgang
< 6 mm und der zystische Tumor im Bereich
der Seitengänge > 10 mm misst.[3] In 60 Prozent der Fälle sind Männer betroffen, die
Gastroenterologie und Hepatologie
meisten werden im Alter zwischen 40 und
80 Jahren diagnostiziert. Das mittlere Alter
bei Diagnosestellung beträgt 64 Jahre. Klinisch imponieren IPMN in einem Drittel
der Fälle als akute oder obstruktive chronische Pankreatitiden durch Muzin-bedingte
Gangobstruktion.[4] Daneben können IPMN
durch unspezifische Oberbauchschmerzen,
Steatorrhoe, Gewichtsverlust, Neuauftreten
oder Verschlechterung eines Diabetes mellitus oder durch eine obstruktive Cholestase symptomatisch werden.
Man unterscheidet IPMN-Adenome mit
geringgeradigen und schwergeradigen
Dysplasien sowie das invasive IPMN-Karzinom. 2010 wurde in der WHO-Klassifikation der Pankreastumoren als Variante der
IPMN die Intraductal tubulopapilläre Neoplasie (ITPN) hinzugefügt, die sich wegen
des tubulären Wachstumsmusters von den
übrigen IPMN klar abgrenzen lässt.[5]
Während BD-IPMN bei Diagnosestellung
in rund 15 Prozent einem invasiven
Karzinom entsprechen, wird dieses bei
MD-IPMN in etwa der Hälfte der Fälle
gesehen.[6] Dem entsprechend beträgt die
Fünf-Jahres-Überlebensrate bei BD-IPMN
mehr als 90, bei MD-IPMN etwa 50 Prozent.[3] Bei IPMN unter drei Zentimetern
ist die Wahrscheinlichkeit eines invasiven
Karzinoms sehr gering, ab einer Größe von
drei Zentimetern steigt sie deutlich an.[7]
Weitere morphologische Kriterien für eine
maligne IPMN sind knotige Wandveränderungen und Wandverdickung der zystischen Läsion.
Abb. 1
Abb. 2
häufig multifokal auftreten. Zusätzlich entwickeln Patienten mit BD-IPMN gehäuft
duktale Adenokarzinome an anderer Lokalisation des Pankreas, so dass bei Kontrolluntersuchungen neben dem Fokus des
BD-IPMN das gesamte Organ auf neue
solide Formationen abgesucht werden
muss. MD-IPMN sind überwiegend im
Pankreaskopf gelegene Dilatationen von D.
wirsungianus (Abb. 4) oder D. Santorini.
Pathognomonisch für die Diagnose IPMN
ist eine durch zähen Schleim klaffende
Fischmaulpapille (Abb. 5), die etwa die
Hälfte der MD-IPMN-Patienten aufweisen.
mehrere Zysten unterteilen („cyst in cyst“).
Der Zysteninhalt ist relativ muzinös. MCN
weisen keine Gangkommunikation auf
und sind meist im Pankreasschwanz lokalisiert. Befallen sind ausschließlich Frauen,
das mittlere Alter bei Diagnosestellung
beträgt 47 Jahre. Die meisten Patientinnen
sind symptomfrei. Pankreatitiden treten
seltener als bei IPMN auf. Es besteht eine
Adenom-Karzinom-Sequenz, sodass die
Prävalenz eines invasiven Karzinoms größen- und altersabhängig ist.[8] Morphologische Kriterien für Malignität sind murale
Noduli, Verkalkungen, Multilokularität
oder Kopflokalisation. Insgesamt gilt für
alle MCN eine absolute OP-Indikation.
Für MD-IPMN besteht eine absolute OPIndikation. BD-IPMN sollten operiert werden, wenn die Größe mehr als drei Zentimeter beträgt, murale Noduli vorliegen,
der Hauptgang über sechs Millimeter weit
ist oder diese symptomatisch sind.
Mucinös-zystische Neoplasien
BD-IPMN sind in der Regel traubenartig
angeordnete, gangassoziierte polyzystische
Formationen (cyst by cyst) die ineinander
übergehen, vorwiegend im Processus uncinatus lokalisiert sind (Abb. 2 und 3) und
MCN sind glatt konturiert, mit muzinösem
Epithel ausgekleidet und weisen eine dicke
fibröse Wand auf. Typisch sind perfundierte Septen, die den zystischen Tumor in
Seröse zystische Neoplasien
SCN sind von multiplen gut perfundierten
Septen durchzogen, die häufig zu einer
zentralen Narbe zusammenlaufen und
multiple kleine, bis zu 20 Millimeter durchmessende Zysten separieren (Abb. 6).
Dadurch entsteht das typische Honigwabenbild (Abb. 7). Die Kontur ist im Vergleich zu MCN lobuliert, die Kapsel dünn,
der Zysteninhalt serös. SCN sind ebenfalls
1093
Medtropole | Ausgabe 31 | Oktober 2012
Abb. 3
Abb. 4
Abb. 5
im Pankreasschwanz lokalisiert, betroffen
sind überwiegend Frauen, aber jeder achte
Patient ist ein Mann. Mit einem Durchschnittsalter von 71 Jahren sind die Patienten meist älter als bei MCN. Im Gegensatz
zu MCN entarten SCN nicht, so dass bei
einem typischen Befund abgewartet werden kann. Eine OP-Indikation ergibt sich
bei größenabhängigen Symptomen.
Diffentialdiagnose
Das entscheidende Differenzierungsmerkmal zwischen IPMN und den anderen zystischen Pankreasneoplasien ist die Gangkommunikation. Selten können aber auch
MCN durch Fistelungen Gangkommunikationen aufweisen. BD-IPMN können auch
MCN ähneln. Im Gegensatz zu MCN weisen BD-IPMN aber ein höheres Alter, eine
Kopf-Lokalisation, eine Gangkommunikation, keine Kapsel und ein „cyst by cyst“Bild auf. Auch sind häufiger Männer
betroffen.
Solid-pseuopapilläre Neoplasie
Anders als IPMN, MCN und SCN sind
SPN sekundäre zystische Tumoren, wobei
die zystischen Anteile durch Nekrosen und
Einblutung zustande kommen. Der Zysteninhalt ist daher typischerweise sanguiolent.
Wie bei MCN und SCN besteht keine
Gangkommunikation. Bei Diagnose sind
die solide-zystischen Tumoren in der Regel
sehr groß und eher im mittleren und
linksseitigen Pankreas lokalisiert. Die
Betroffenen sind meist junge Frauen. Etwa
15 Prozent der Tumoren rezidivieren oder
metastasieren. Insgesamt wird bei SPN
eine OP empfohlen.
1094
Die Differenzierung zwischen Pseudozyste
und zystischen Neoplasien kann mitunter
schwierig sein. Insbesondere MCN können
große Ähnlichkeit mit Pseudozysten aufweisen. Wegweisend ist neben Alkohol- und
Pankreatitisanamnese sowie Geschlecht
häufig die Beurteilung des Pankreasganges
und des Parenchyms. Zusätzlich sind die
Septen und nodulären Wandproliferationen bei MCN im Gegensatz zur Pseudozyste mit Doppler-/Duplex- oder kontrastverstärkter Endosonographie (CE-EUS)
perfundiert darzustellen. Auch MD-IPMN
können mit einer Pseudozyste bei chronischer Pankreatitis verwechselt werden,
zumal das Restparenchym bei MD-IPMN
durch rezidivierende Pankreatitiden das
Bild einer chronischen Pankreatitis zeigen
kann. Entscheidend ist hier der Unterschied
zwischen muzinbedingter Gangdilatation
bei MD-IPMN und Gangobstruktionen
durch Strikturen oder Pankreatolithen bei
chronischer Pankreatitis. Innerhalb der
IPMN kann CE-EUS helfen, Muzin von
perfundierten muralen Noduli als Malignitätskriterium zu differenzieren.
Die EUS-FNA ermöglicht eine makroskopische, biochemische zytologische und gegebenenfalls mikrobiologische Analyse. Bei
unklaren zystischen Neoplasien ohne
Gangkommunikation kann Viskosität des
Zysteninhaltes auf eine muzinöse oder
seröse Neoplasie hinweisen. Bei der biochemischen Analyse zeigt der Lipasegehalt
eine Gangkommunikation an, die neben
Pseudozysten bei IPMN, jedoch nicht bei
MCN, SCN und SPN besteht. Die Bestimmung der CEA-Konzentration ist unspezifisch, da die Standardabweichungen verschiedenster zystischer Pankreasläsionen
zu sehr überlappen.[9] Die zytologische
Gastroenterologie und Hepatologie
Abb. 6
Abb. 7
Analyse von Zysteninhalt ist im Vergleich
zu soliden Formationen aufgrund der Zellarmut noch begrenzter. So gelang der isoliert-zytologische Nachweis von SCN in
nur 20 Prozent der Fälle.[10]
Literatur
[1] Jenssen C, Möller K. Schwierige endosonographische
Differentialdiagnosen am Pankreas – zystische Läsionen.
Endo heute 2010; 23: 253-66.
Dr. Robert Baumbach,
Priv.-Doz. Dr. Siegbert Faiss
[2] Crippa S, Fernandez-Del Castillo C, Salvia R et al.
Mucin-producing neoplasms of the pancreas: an analysis
Fazit
Kontakt
of distinguishing clinical and epidemiologic characteristics.
Gastroenterologie und Hepatologie
Asklepios Klinik Barmbek
Rübenkamp 220, 22291 Hamburg
Clin Gastroenterol Hepatol 2010; 8: 213-9.
Trotz Heranziehung aller differentialdiagnostischen Kriterien bleibt die Zuordnung
zystischer Pankreasläsionen häufig schwierig. Läsionen, die Symptome oder gar eine
Tumorklinik aufweisen, sollten operiert
werden. Uniloculäre (Pseudozyste, IPMN,
SCN) und mikrozystische (SCN, IPMN)
Läsionen sollten eher beobachtet, makrozystische (IPMN, MCN) und Läsionen mit
soliden Anteilen (IPMN, MCN) eher operiert werden.
[3] Wente MN, Schmied BM, Schmidt J, Büchler MW.
Tel. (0 40) 18 18-82 38 10
Fax (0 40) 18 18-82 38 09
Differenzierte Therapie der intraduktalen papillären muzinösen Neoplasie. Chirurg. 2009; 80(1): 7-13.
E-Mail: [email protected]
[4] Belyaev O, Seelig MH, Muller Ca et al. Intraductal
papillary mucinous neoplasms of the pancreas. J. Clin
Gastroenterol 2008; 42: 284-94.
[5] Lüttges J. Was ist neu? Die WHO-Klassifikation 2010
[9] Brugge WR, Lewandrowski K, Lee-Lewandrowski E, et
für Tumoren des Pankreas. Pathologe 2011; 32(2): 332-6.
al. Diagnosis of pancreatic cystic neoplasms: a report of the
[6] Tanaka M, Chari S, Adsay V et al. International consen-
cooperative pancreatic cyst study. Gastroenterology. 2004;
sus guidlines for management of intraductal papillary
126(5): 1330-6.
mucinous neoplasms and mucinous cystic neoplasms of
[10] Belsley NA, Pitmann MB, Lauwers GY et al. Serous
the pancreas. Pancreatology 2006; 6: 17-32.
cystadenoma of the pancreas: limitations and pitfalls of
[7] Sadakari Y, Ienaga J, Kobayashi K, et al. Cyst size indi-
endoscopic ultrasound-guided fine-needle aspiration bio-
cates malignant transformation in branch duct intraductal
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papillary mucinous neoplasm of the pancreas without
mural nodules. Pancreas. 2010; 39(2): 232-6.
[8] Yamao K, Yanagisawa A, Takhashi K et al. Clinicalpathological features and prognosis of mucinous cystic neoplasm
with ovarian-type stroma: a multi institutional study of the
Japan Pancreatic Society, Pancreas 2010.
1095
Medtropole | Ausgabe 31 | Oktober 2012
Diagnose und aktuelle Therapiemöglichkeiten der chronischen Hepatitis B und C
Keine Angst vor Hepatitis-Viren
Prof. Dr. Jörg Petersen, Dr. Albrecht Stoehr, Prof. Dr. Andreas Plettenberg, Dr. Peter Buggisch
Hepatitis B- und Hepatitis C-Virusinfektionen bleiben häufig unentdeckt und führen längerfristig zu schweren
Leberschäden mit den Folgen der Leberzirrhose und Leberkrebs. Eine Hepatitis-B-Virusinfektion (HBV) kann mit
antiviralen Medikamenten dauerhaft kontrolliert, die Hepatitis-C-Virusinfektion (HCV) sogar komplett geheilt
werden. Neben Interferon lässt sich eine HBV mit oralen Nukleos(t)id-Analoga therapieren. Bei HCV steht
mittlerweile eine Dreifachtherapie mit pegyliertem Interferon, Ribavirin und neu zugelassenen Proteasehemmern
zur Verfügung.
Erhöhte Leberwerte, vor allem GPT und
gGT, gehören zum Alltag von Praxen und
Kliniken. Lange Zeit galten leicht erhöhte
Leberwerte als „Kavaliersdelikt“, vor allem
wenn die Betroffenen beschwerdefrei
waren. Neben dem Alkoholmissbrauch
müssen immer auch andere Gründe abgeklärt werden, die sonst schwerwiegende
Folgen haben können. Das Robert-KochInstitut und aktuelle Leitlinien empfehlen
daher auch bei nur leicht erhöhten Leberwerten und Risikogruppen nach einer
Hepatitis-B- und Hepatitis-C-Virusinfektion zu suchen (s. Tab. 1). Mit der Bestimmung von HBs-Antigen und HCV Antikörpern lassen sich in der Regel mehr als
99 Prozent der HBV- und HCV-Infektionen
erkennen, in der Praxis auch ohne Belastung des Laborbudgets (Ausnahmeziffer).
1096
Große Defizite in der HBV- und
HCV-Diagnostik
Indikation zur Behandlung einer
HBV-Infektion
Etwa 500.000 in Deutschland lebende
Menschen sind chronisch mit HBV infiziert,
weitere 500.000 mit HCV. Weniger als
30 Prozent dieser Infektionen sind den
Betroffenen bekannt und weniger als
15 Prozent sind behandelt. Viele Patienten
mit erhöhten Leberwerten werden bis
heute nicht auf Hepatitis B und C getestet.
In anderen Teilen der Welt sind HepatitisB- und Hepatitis-C-Virusinfektionen noch
häufiger, dennoch existiert in Deutschland
bislang kein systematisches Migrantenscreening. Nicht entdeckte HBV- oder
HCV-Infizierte haben ein erhöhtes Risiko,
an Leberzirrhose und Lebertumoren zu
erkranken. Dies ließe sich durch verstärkte
Anwendung der relativ einfachen Diagnostik verhindern, da sich die HBV-Erkrankung
bei mehr als 90 Prozent der behandelten
Patienten langfristig und wirksam hemmen lässt. Eine HCV-Infektion heilt durch
die zum Teil neuen Medikamente bei 70
bis 80 Prozent sogar vollständig aus.
Als Suchtest für eine HBV-Infektion wird
das HBs-Antigen bestimmt. Weiterhin sollten Anti-HBc, Anti-HBe, HBe-Antigen und
die HBV-DNA kontrolliert werden. Ist ein
Patient HBs-Antigen positiv, muss bei ihm
durch Abklärung des Anti-HDV eine
Hepatitis D-Koinfektion ausgeschlossen
werden. Eine Therapie wird bei HBVDNA-Werten > 2000 IU/ml und dem
Nachweis von Entzündung und Fibrose
empfohlen. Bei Zirrhose-Patienten empfehlen die Leitlinien eine Therapie bei jedem
Nachweis von HBV-DNA in der PCR.
Diese Vorsichtsmaßnahme ist notwendig,
um gefährliche hepatitische Schübe bei
bereits zirrhotischen Patienten zu verhindern. Unstrittig ist, dass die nachhaltige
Senkung der Viruslast die Entstehung von
Zirrhose und Leberzellkarzinom reduziert.
Ist ein Patient HBe-Antigen positiv und
eine Serokonversion möglich, kann er auch
mit pegyliertem Interferon alpha 2a (PEGIFN) therapiert werden. Diese Konstella-
Hepatologie
HBV- und HCV-Diagnostik ist indiziert bei:
■ Personen mit erhöhten Leberwerten oder Zeichen einer Lebererkrankung
■ Personen mit Migrationshintergrund aus Regionen mit erhöhter HBV/HCV-Infektionsrate
■ aktivem oder ehemaligem Drogenkonsum
■ HIV/HBV/HCV-infizierten Personen
■ homosexuellen Männern oder häufig wechselnden Sexualpartnern
■ Familien/Haushaltsangehörigen von HBV/HCV-Infizierten
■ Kindern von Müttern mit HBV/HCV-Infektion
■ Dialysepatienten
■ Transpantatempfängern, Blut-, Organ-, Gewebespendern
■ Personen in psychiatrischen Einrichtungen, Justizvollzugsanstalten, Fürsorgeeinrichtungen
■ medizinischem Personal
■ Empfängern von Blut und Blutprodukten
■ Patienten vor/während Chemotherapie
■ Schwangeren (nur HBsAg)
tion ist jedoch selten, so dass heute die
meisten Patienten in Deutschland (etwa
90 Prozent) mit den oralen Nukleos(t)iden
therapiert werden.
Häufig werden gut verträgliche orale
Nukleos(t)ide eingesetzt
Ist eine Interferon-Gabe nicht möglich,
können Patienten ohne Zirrhose eine
Monotherapie mit Entecavir, Tenofovir
oder Telbivudin erhalten. Telbivudin hat
eine geringere Resistenzbarriere und sollte
dauerhaft nur bei gutem Ansprechen gegeben werden. Adefovir und Lamivudin
werden in der Primärtherapie nicht mehr
empfohlen. Bei Zirrhose-Patienten und bei
hoher Viruslast werden wirksame Substanzen mit hoher Resistenzbarriere (heute
Entecavir oder Tenofovir) empfohlen. Die
HBV-DNA sollte kontrolliert werden, um
Therapieversagen und Resistenzen früh zu
erkennen. Bei einem DNA-Anstieg unter
Dauertherapie ist immer auch die Adhärenz zu prüfen, da bis zu 30 Prozent der
Behandelten die Medikamente nicht vorschriftsmäßig und regelmäßig einnehmen.
Beide Substanzen sind so gut wirksam und
verträglich, dass eine Kombinationstherapie heute kaum mehr notwendig ist. Auch
Resistenzen spielen bei korrekter Einnahme eine untergeordnete Rolle. Patienten,
die jahrelang unter Lamivudin oder Telbivudin eine negative HBV-DNA haben,
können damit weiterbehandelt werden.
Tab. 1: Indikationen zur HBV- und HCV-Diagnostik
Rückfälle auch bei einer
HBe-Serokonversion möglich
Hepatitis-C-Therapien immer
aussichtsreicher
Bei HBe-Antigen-positiven Patienten ist
die HBe-Antigen-Serokonversion der erste
angestrebte Endpunkt der Therapie.
Danach sollten die Nukleos(t)ide für weitere zwölf Monate gegeben werden. Auch
nach einer HBe-Antigen-Serokonversion
sind die Patienten weiter zu kontrollieren,
da es zu Rückfällen kommen kann. Bei den
meisten Patienten müssen die oralen Medikamente zunächst zeitlich unbegrenzt
gegeben werden. Bislang ist unklar, ob und
wann man einen Auslassversuch mit diesen Medikamenten unternehmen kann. Bei
der seltenen HBs-Antigen-Serokonversion
(zehn Prozent der Fälle) kann die Therapie
beendet werden, denn nur diese kommt
einer klinischen Ausheilung der HBVInfektion nahe. Dennoch sind weiterhin
Rückfälle, etwa unter Immunsuppression,
möglich, da Hepatitis B sich nicht eradizieren lässt. Eventuell ist die Rate der HBsAntigen-Serokonversionen nach InterferonTherapie etwas höher als nach der mit
Nukleos(t)iden. Hier besteht erstmals die
Möglichkeit, mit Hilfe der Quantifizierung
des Hüllproteins HBs-Antigen innerhalb
von zwölf Wochen die individuelle Chance
auf eine HBs-Antigen-Serokonversion zu
untersuchen. An neuen Substanzen, die
vermehrt zu einer Serokonversion führen
könnten, wird derzeit geforscht. Sie hemmen die HBV-Aufnahme in die Leberzelle
beziehungsweise die HBV-Ausschleusung
aus der Zelle.
Bei einer Hepatitis-C-Virusinfektion werden als Suchtest die HCV-Antikörper
bestimmt. Vor Therapiebeginn sollten
zusätzlich die HCV-RNA-Menge (Viruslast) und der Genotyp bestimmt werden.
Die Therapieergebnisse bei einer Hepatitis
C sind über die vergangenen Jahre immer
besser geworden. Die ersten direkt antiviral wirkenden Substanzen wurden 2011
zugelassen, bislang allerdings nur für den
Genotyp 1. Die Indikation zur Therapie
hängt vom Patientenalter, vom Stadium
der Leberfibrose und von den Begleiterkrankungen ab. Behandlungsbedürftig
sind derzeit vor allem Patienten mit hohem
Risiko der Entwicklung eines Leberschadens und diejenigen, die bereits unter einer
deutlichen Fibrose oder Zirrhose leiden.
Der fehlende Nachweis von HCV-RNA im
Serum 24 Wochen nach Therapieende
(SVR = Sustained Virological Response)
definiert den Therapieerfolg. Lässt sich
dann keine HCV-RNA nachweisen, bleibt
sie zu mehr als 99 Prozent auch nach Jahren negativ, die Leberwerte normalisieren
sich und das Risiko einer Leberzirrhose
und eines daraus entstehenden Karzinoms
sinkt. Die Aussichten einer SVR hängen
von vielen Faktoren ab. So ist der Abfall
der HCV-RNA in den ersten Therapiewochen der derzeit wichtigste Prognosefaktor.
Früher zeigte der Genotyp 1 im Vergleich
zu Genotyp 2 und 3 schlechtere Heilungs-
1097
Medtropole | Ausgabe 31 | Oktober 2012
raten, dies hat sich durch die neuen direkt
antiviral wirkenden Medikamente ausgeglichen.
Die Heilungsraten nicht vorbehandelter
Patienten liegen bei den Genotypen 1 und
3 bei jeweils 70 bis 80 Prozent, für Genotyp
2 noch etwas höher. Eine hohe Virusmenge
im Blut und eine Zirrhose sind bei allen
Genotypen schlechte Voraussetzungen.
Ein weiterer wichtiger Prognosefaktor für
das Therapieansprechen ist der genetische
IL28-B-Polymorphismus. So wird zum
Beispiel beim Genotyp 1 ein SVR deutlich
häufiger beobachtet (80 %), wenn an einer
Stelle des IL28-B-Gens Thymidin (D) durch
Cytosin (C) ersetzt ist (CC-Allel). Dagegen
zeigen TT- und CT-Allel-Träger schlechtere
SVR-Raten. Ein weiteres wichtiges Kriterium ist die Therapieadhärenz: So können
Personen zum Beispiel aus dem Drogenumfeld ebenfalls gute SVR-Raten erlangen,
wenn durch Unterstützung aus der Familie
oder Drogenberater eine ausreichende
Adhärenz erreicht wird. Insgesamt ist eine
Netzwerkbildung bei den nebenwirkungsreichen HCV-Therapien sehr wichtig, um
eine höhere Therapieadhärenz und letztlich den Therapieerfolg erreichen zu können.
1098
Neue Proteasehemmer können die
Heilungschancen steigern
Bisher galt die Behandlung mit PegInterferon und Ribavirin als Standardtherapie
der HCV-Infektion, die, je nach Viruslast,
Genotyp und initialem Ansprechen, bis zu
72 Wochen durchgeführt wurde. Seit 2011
sind nun mit Boceprevir (VictrelisR) und
Telaprevir (IncivoR) die ersten HCV-Proteasehemmer in Deutschland zugelassen.
Sie wirken beide direkt antiviral – allerdings nur beim Genotyp 1 – und müssen
mit PegInterferon und Ribavirin kombiniert werden. In Deutschland wurden für
diese komplexe Therapie Expertenpapiere
veröffentlicht.[1] Für die Genotypen 2 bis 6
gibt es bislang keine neuen Substanzen, so
dass hier weiter die duale Therapie gilt.
Die Tripletherapie mit Boceprevir und
Telaprevir steigert die SVR-Rate bei nicht
vorbehandelten Patienten um etwa 25 Prozent auf etwa 70 Prozent. Auch bei erfolglos vorbehandelten Patienten verbessert
sich die SVR zum Teil noch beeindruckender; so zeigen Patienten mit Relapse nach
Vorbehandlung (HCV-RNA nach Ersttherapie wieder positiv) sogar bessere Heilungsraten als nicht vorbehandelte Patienten.
Patienten allerdings, die auf die erste Therapie mit einer sogenannten Non-Response
gar nicht angesprochen hatten, haben mit
etwa 35 Prozent auch unter der aktuellen
Tripletherapie keine guten Heilungschancen. Derzeit am schwierigsten zu behandeln sind Patienten mit Non-Response, die
bereits eine Zirrhose haben und zudem
auch noch älter als 60 Jahre sind. Hier sind
leider auch mit Hilfe der neuen Tripletherapien nur Heilungsraten von zehn
Prozent zu erreichen. Alternative Therapieoptionen existieren für diese Patientengruppe leider noch nicht.
HCV-Therapien deutlich komplexer
und nebenwirkungsreicher
Für beide zugelassenen neuen Tripletherapien gilt, dass die Therapieregime sehr viel
individueller und komplexer geworden
sind und damit noch mehr in die Hände
von Spezialisten gehören. Werden die
Therapien aber korrekt durchgeführt, lässt
sich die Therapiedauer durch die höhere
Potenz der Tripletherapien für etwa die
Hälfte der behandelten Patienten von 48
auf 24 beziehungsweise 28 Wochen verkürzen. Die Erfolge der neuen Tripletherapien
werden durch eine Zunahme von Nebenwirkungen und eine höhere Rate an Therapieabbrüchen etwas getrübt. Beide neuen
Substanzen führen in Kombination mit den
bisherigen Medikamenten zum Teil zu ausgeprägter Anämie. Hautausschläge und
häufige gastrointestinale Probleme kommen hinzu. Beide Proteasehemmer müssen
drei Mal täglich mit einer Mahlzeit eingenommen werden. Außerdem sind nun
Interaktionen mit anderen Medikamenten
sehr genau zu beachten, die über die
Cytochrome P450 metabolisiert werden.
Schließlich kann es durch die Proteasehemmer erstmalig auch zu Resistenzen kom-
Hepatologie
Fazit
Kontakt
1. Bei Patienten mit erhöhten Leberwerten
und bei Risikogruppen sollten HBs-Antigen und Anti-HCV-Antikörper bestimmt
werden.
??
2. Patienten mit chronischer Hepatitis B
und C sollten eine antivirale Therapie
erhalten, wenn eine signifikante Hepatitis
und Fibrose vorliegen oder ein Risiko für
diese Komplikationen besteht.
Abb.1: BU
men, wobei ein Wechsel der Substanzen
wegen einer Kreuzresistenz sinnlos ist.
Daher sind bei nicht ausreichendem
Ansprechen nach vier oder acht Wochen
neue Stoppregeln zum Therapieabbruch
einzuhalten.
Zukünftige Therapieoptionen für
Patienten mit Hepatitis C
Inzwischen wurde gezeigt, dass eine SVR
auch ohne Interferon möglich ist, wenn ein
Protease- und ein Polymerasehemmer oder
ein Polymerasehemmer mit Ribavirin kombiniert werden. Diese neuen Substanzen
für die Hepatitis C befinden sich zurzeit in
Phase 2- oder 3-Studien und werden das
Spektrum der Möglichkeiten in der Therapie der Hepatitis C in den nächsten Jahren
weiter bereichern.
3. Bei einer HBV-Infektion sollte zunächst
die Möglichkeit einer Interferon-Therapie
geprüft werden. Kommt diese nicht in
Frage, empfehlen sich orale Nukleoside
oder Nukleotide. Richtlinien empfehlen
Substanzen mit starker antiviraler Wirkung
und hoher Resistenzbarriere wie Entecavir
und Tenofovir.
4. Die Hepatitis C-Virustherapie besteht
bei Genotyp 2 bis 6 weiter aus pegyliertem
Interferon alpha und Ribavirin. Für Genotyp 1 zugelassen sind nun die Proteasehemmer Boceprevir und Telaprevir, die
zum Interferon und Ribavirin hinzugegeben
werden. Diese Tripletherapien verbessern
die Heilungsraten bei Genotyp 1 deutlich
und führen bei der Hälfte der Patienten zu
einer Verkürzung der Therapie.
Literatur
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Hepatitis C. Update 2012
Herausgeber: T. Berg, S. Mauss, D. Hüppe, P. Buggisch
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und Tod.
der Hepatitis B und C. In: Petersen J, eds: Praxishandbuch
Hepatitis und HIV. Bremen, London, Boston: Uni-Med
Verlag 2011: 12-36.
1099
Medtropole | Ausgabe 31 | Oktober 2012
Selten, aber häufig übersehen:
Pulmonale arterielle Hypertonie (PAH)
Dr. Keihan Ahmadi-Simab
Die pulmonale arterielle Hypertonie (PAH) wird definiert als mittlerer pulmonaler arterieller Druck > 25 mmHg.[1]
Veränderungen, die mit einem erhöhten pulmonal-venösen Druck einhergehen (z. B. Linksherzinsuffizienz,
Klappenfehler) müssen differenzialdiagnostisch ausgeschlossen werden. Dies gilt ebenso für chronisch thromboembolische Prozesse (chronisch thromboembolische pulmonale Hypertonie, CTEPH) oder Veränderungen, die die
Lungenmechanik beeinflussen.[2] Die aktuell gültige Klassifikation der pulmonalen Hypertonie nach Dana Point
ist in Tab. 1 dargestellt.[3] Der Schwerpunkt dieses Beitrages liegt bei der PAH im Rahmen der systemischen
Sklerose (APAH-SSc).
Pathogenese
Bei den verschiedenen Formen der PAH
finden sich ähnliche Veränderungen der
kleinen und mittleren Pulmonalarterien.[4]
An diesem Prozess, der zur progredienten
Lumenverengung der Gefäße führt, sind
verschiedene Zelltypen beteiligt: Endothel,
glatte Muskelzellen, Fibroblasten, Blutplättchen, Entzündungszellen sowie
Erythrozyten.[4] Histomorphologisch zeigen
sich eine Mediahypertrophie, eine konzentrische Verdickung der Intima (Neointimabildung) sowie eine Proliferation von Endothelzellen (plexiforme Lasionen), die bis
zum kompletten Lumenverschluss führen
kann. Komplizierend kann eine In-situThrombosierung der Gefäße hinzukommen.[4] Mutationen im Gen für den „Bone
morphogenic protein type-II-“(BMPR II-)
Rezeptor [4] wurden vor allem bei idiopathischen und familiären Formen beschrieben,
nicht jedoch bei APAH-SSc. Allen PAHFormen scheint eine endotheliale Dysfunktion mit einem Ungleichgewicht von
Vasokonstriktoren (Thromboxan A2, Endothelin-1) und Vasodilatatoren (Prostazyklin, Stickoxid) gemein zu sein. Endothe-
1100
lin-1 ist im Zusammenspiel der beiden
Rezeptorsubtypen ETA und ETB bei einer
Reihe pathophysiologischer Zustände
maßgeblich involviert (Abb. 1). Endothelin-1 ist nicht nur ein potenter Vasokonstriktor, sondern hat auch mitogene,
proinflammatorische und profibrotische
Eigenschaften.
Epidemiologie
Hinsichtlich der Prävalenz von PAH bei
Patienten mit systemischer Sklerose (SSc)
liegt eine große Bandbreite von Schätzungen vor, die von 4,9 bis 33 Prozent reicht.[5,6]
Eine publizierte Auswertung prospektiver
Daten verschiedener Zentren in Frankreich
ergab, dass bei 39,2 Prozent der PAHPatienten eine idiopathische (IPAH) und
bei 3,9 Prozent eine familiäre PAH (FPAH)
vorlag. Bei den assoziierten Formen (APAH)
waren Kollagenosen mit 15,3 Prozent häufiger vertreten als angeborene Herzfehler
(11,3 %), portale Hypertension (10,4 %) oder
HIV-Infektion (6,2 %).
Symptome und Diagnose
Die Symptome einer PAH sind unspezifisch und zu Beginn nur gering ausgeprägt.
Im Verlauf zeigen sich eine progrediente
Dyspnoe (60 %), Müdigkeit (19 %) und
später Synkopen (13 %). Die Dyspnoe tritt
zunächst bei körperlicher Belastung auf,
eine Ruhedyspnoe weist bereits auf ein
sehr fortgeschrittenes Krankheitsstadium
hin. Oft wird die PAH erst im funktionellen WHO/NYHA-Stadium III bis IV diagnostiziert. Deshalb muss bei Erstdiagnose
und im Verlauf der Systemischen Sklerose
(SSc) regelmäßig ein Screening auf PAH
erfolgen.[2] Da die APAH-SSc offensichtlich
rascher fortschreitet als idiopathische oder
familiäre Formen, wird eine jährliche Echokontrolle empfohlen, auch wenn keine
klinischen Symptome vorliegen. Die
Diagnostik der PAH ist in der Tab. 3
zusammengefasst.
Rheumatologie
1
1.1
1.2
1.2.1
1.2.2
1.2.3
1.3
1.4
1.4.1
1.4.2
1.4.3
1.4.4
1.4.5
1.4.6
1.5
1*
2
2.1
2.2
2.3
Pulmonal arterielle Hypertonie (PAH)
Idiopathische PAH
HereditärePAH
BMPR2-Mutationen
ALK1, Endoglin-Mutationen (mit und ohne
hereditäre hämorrhagische Telangiektasie)
Unbekannte Mutationen
Durch Medikamente oder Toxine verursacht
Assoziiert mit:
Bindegewebserkrankungen
HIV-Infektion
Portaler Hypertension
Angeborenen Herzfehlern
Schistosomiasis
Chronisch hämolytischer Anämie
Persistierende pulmonale Hypertonie
des Neugeborenen
3
Pulmonale venookklusive Erkrankung
(PVOD) und/oder pulmonale kapilläre
Hämangiomatose (PCH)
5.2
Pulmonale Hypertonie infolge
Linksherzerkrankung
Systolische Dysfunktion
Diastolische Dysfunktion
Valvuläre Erkrankungen
5.3
3.1
3.2
3.3
3.4
3.5
3.6
3.7
Pulmonale Hypertonie infolge Lungenerkrankungen und/oder Hypoxie
Chronisch obstruktive Lungenerkrankungen
Interstitielle Lungenkrankheiten
Andere Lungenerkrankungen mit gemischt
restriktiv/obstruktivem Muster
Schlafbezogene Atemstörungen
Alveoläre Hypoventilationssyndrome
Chronischer Aufenthalt in großer Höhe
Fehlentwicklungen
Psychologische und soziale Betreuung
Vermeidung Körperlicher Überanstrengung
4
Chronisch thromboembolische pulmonale
Hypertonie (CTEPH)
5
Pulmonale Hypertonie mit unklarem oder
multifaktoriellem Mechanismus
Hämatologische Erkrankungen: myeloproliferative Erkrankungen, Splenektomie
Systemische Erkrankungen, Sarkoidose, pulmonale Langerhans-Zell-Histiozytose, Lymphangioleiomyomatose, Neurofibromatose,
Vaskulitiden
Metabolische Störungen:
Glykogenspeicherkrankheiten, M. Gaucher,
Schilddrüsenerkrankungen
5.1
Andere: Tumorobstruktion, fibrosierende Mediastinitis, chronisches Nierenversagen mit
Hämodialyse
Tab. 1: Klinische Klassifikation der PAH nach Dana Point 2008
Gezieltes körperliches Training
Reisen in Höhen ab 1.500 bis 2.000 m sollten
vermieden werden, ebenso wie Flugreisen, sofern
nicht sichergestellt ist, dass die O2-Sättigung
während des Flugs > 90 % beträgt
Regelmäßige Influenza- und Pneumokokkenimpfungen
Orale Antikoagulanzien
Diuretika
Sauerstofftherapie bei O2-Sättigungen < 90 %
empfohlen
Bei positiver Vasoreagibilitätstestung (Abfall des
mittleren Pulmonalarteriendrucks um mindestens
10 mmHg auf Werte unter 40 mmHg ohne Abfall
des Herzminutenvolumen):
orale Kalziumantagonisten
Tab. 2: Allgemeine Therapieempfehlungen der PAH
(BMPR-2: bone morphogenetic protein receptor, ALK-1: activin receptor-like Kinase 1 gene)
Prognose
Spezifische PAH-Therapie
Die Überlebensraten bei unbehandelter
IPAH (ohne krankheitsspezifische Therapieverfahren) liegen nach einem Jahr bei
68, nach drei Jahren bei 48 und nach fünf
Jahren bei 34 Prozent (mediane Lebenserwartung nur 2,8 Jahre). Noch schlechter ist
die Prognose bei unbehandelter APAH-SSc:
Das mediane Überleben nach Diagnosestellung beträgt nur zwölf Monate, das Sterberisiko ist nahezu verdreifacht. Laut neueren Erhebungen ist die PAH neben der
Lungenbeteiligung die häufigste Todesursache der SSc-Patienten. Die Prognose lässt
sich allerdings durch moderne Therapien
deutlich verbessern. Für Bosentan zeigen
z. B. retrospektive Analysen bei Patienten
mit IPAH eine Überlebensrate von 86 Prozent nach zwei beziehungsweise von 81
Prozent nach drei Jahren. Bei Patienten mit
APAH-SSc liegt nach aktuellen Daten die
Überlebensrate unter Bosentan-basierter
Therapie bei 81/71 Prozent nach einem
beziehungsweise zwei Jahren (verglichen
mit 68/47 Prozent unter konventioneller
Therapie).
Die Entwicklung spezifischer, also an
pathophysiologischen Mechanismen
angreifender Medikamente hat die Prognose von Patienten mit PAH wesentlich verbessert. Abb. 2 zeigt einen evidenzbasierten therapeutischen Algorithmus, der bei
Patienten mit APAH-SSc Anwendung findet.[2] Aktuellen Leitlinien entsprechend
sollte die Behandlung symptomatischer
PAH-Patienten prinzipiell unter Führung
spezialisierter Zentren erfolgen.[2] Die Eingruppierung der Patienten in die funktionellen WHO/NYHA-Klassen ist nicht nur
zur Beurteilung des Schweregrades der
Erkrankung erforderlich, sondern bestimmt
auch das weitere therapeutische Vorgehen.
Prinzipiell werden drei Signalwege (Prostazyklin, Stickoxid, Endothelin) therapeutisch adressiert (Abb. 2).
Für intravenös verabreichtes Epoprostenol
besteht eine langjährige Erfahrung, da es
die erste zugelassene Substanz zur Behandlung der PAH war. Epoprostenol erwies
sich bei Patienten mit IPAH und assoziierten Formen inklusive APAH-SSc als wirk-
sam.[7] Allerdings scheint der Nutzen bei
Patienten mit PAH aufgrund von Kollagenosen nicht so ausgeprägt zu sein wie bei
anderen Ätiologien. Ferner ist Epoprostenol
neben hohen Kosten mit erheblichen Risiken behaftet: Seine kurze Halbwertszeit
macht eine kontinuierliche zentralvenöse
Applikation über ein Pumpensystem erforderlich. Daher stellen Katheterinfektionen
ein erhebliches Problem dar. Weitere Komplikationen sind ein Versagen der Pumpe
oder Katheterdislokation mit der Gefahr
eines Rebound-Phänomens und Luftembolien, aber auch Thrombopenien.
Iloprost steht auch als inhalativ verabreichbares Prostazyklinanalogon mit geringeren
systemischen Nebenwirkungen zur Verfügung. Es hat sich bei IPAH-Patienten in der
funktionellen WHO/NYHA-Klasse II-IV
als wirksam erwiesen.[8] Von Nachteil ist
allerdings, dass Iloprost alle zwei bis drei
Stunden durch ein Verneblersystem inhaliert werden muss, sodass während der
Nacht zwangsläufig eine therapeutische
Lücke entsteht. Nach Rücknahme von
Sitaxentan vom Markt stehen zurzeit zwei
Endothelin-Rezeptor-Antagonisten (Bos-
1101
Medtropole | Ausgabe 31 | Oktober 2012
Untersuchung
Befunde, erforderliche Daten, Bedeutung
Elektrokardiogramm (EKG)
Abweichung der elektrischen Herzachse nach rechts, P-pulmonale,
RV-Hypertrophie, Erregungsrückbildungsstörungen über den Vorderwandableitungen sowie den inferioren Ableitungen, Rechtsschenkelblock
Röntgen Thorax in 2 Ebenen
Erweiterung der zentralen Lungenarterien, verminderte periphere
Gefäßfüllung und Prominenz des rechten Vorhofs
Lungenfunktion und
Blutgase
LUFU: meist eine leichte kombinierte Ventilationsstörung sowie eine
eingeschränkte Diffusionskapazität (DLCO)
BGA: meist eine leichte bis moderate Hypoxämie
Echokardiographie
Echo hat eine zentrale Bedeutung
Ein hypertrophierter und dilatierter rechter Ventrikel, ein abgeflachtes Ventrikelseptum (ggf. mit paradoxer Bewegung), ein dilatierter rechter Vorhof sowie
eine dilatierte Vena cava inferior mit vermindertem inspiratorischem Kollaps,
Druckgradient > 45 mmHg über der Trikuspidalklappe bei der Bestimmung
des systolischen pulmonal arteriellen Druckes (PAPs)
Ventilations-/Perfusionsszintigraphie (V/Q-Scan)
Der V/Q-Scan bleibt die Methode der Wahl zum Ausschluss einer CTEPH
(chronisch thromboembolische pulmonale Hypertonie)
Computertomographie (CT)
des Thorax
HRCT: Diagnostik von interstitiellen Lungenerkrankungen und
Lungenemphysem
KM-Spiral-CT: Abklärung einer CTEPH (Pulmonalisangiographie)
Laboruntersuchungen
ANA (antinukleäre Antikörper), Scl-70, Centromer- und U1-RNP-Antikörper,
HIV- und Hepatitis-B/C-Serologie, TSH-Bestimmung
BNP- bzw. NTproBNP-Werte
Rechtsherzkatheter und
Vasoreagibilitätstest
Rechtsherzkatheter und Vasoreagibilitätstest zur Diagnose-Bestätigung
und -Sicherung („Goldstandard“)
Abklärung der Ätiologie, Vasoreagibilitätstestung
Einschätzung des Schweregrades
Messung vom rechtsatrialen Druck, pulmonal-arteriellen Druck,
pulmonalkapillären Verschlussdruck, Herzzeitvolumen sowie gemischtvenöser
Sauerstoffsättigung
Tab. 3: Diagnostik der PAH
entan und Ambrisentan) zur Verfügung.
Bosentan, ein dualer ETA/ETB-RezeptorAntagonist, wurde im Jahr 2002 als erstes
orales PAH-Therapeutikum zugelassen
und wird inzwischen in allen internationalen Leitlinien mit der höchsten Evidenzstufe (A) als Primartherapie der PAH empfohlen.[4] Bosentan erwies sich sowohl in
klinischen Studien als auch in der täglichen
praktischen Anwendung als sicher und
gut verträglich.[9]
Randomisierte klinische Studien, die auch
SSc-Patienten einschlossen, zeigten eine
verbesserte körperliche Belastbarkeit
(gemessen anhand der 6 min-Gehstrecke
und der funktionellen WHO/NYHAKlasse), eine Verbesserung hämodynamischer Parameter sowie eine Verzögerung
der Zeit bis zur klinischen Verschlechterung. Die Langzeitwirkung einer Primartherapie mit Bosentan wurde ferner in
einer Reihe von Untersuchungen demonstriert. Eine kürzlich publizierte Studie
zeigte keinen Nachteil hinsichtlich des
Überlebens bei einer Primarbehandlung
mit Bosentan im Vergleich zu Epoprostenol.[10] Bei Patienten mit APAH-SSc scheint
1102
der Krankheitsverlauf verlangsamt zu
werden, wenn auch nicht so stark wie bei
IPAH. Eine vierwöchige Kontrolle der
hepatischen Transaminasen ist unter Endothelin-Rezeptor-Antagonisten erforderlich,
da bei etwa zehn Prozent der Patienten
reversible Erhöhungen auftreten.
Seit Ende 2005 ist der orale Phosphodiesterase-V-Hemmer Sildenafil zur Behandlung
der PAH (WHO/NYHA-Klassen II und III)
in Europa zugelassen. In einer randomisierten klinischen Studie verbesserte Sildenafil die körperliche Belastbarkeit, die
funktionelle WHO-Klasse sowie hämodynamische Parameter.[11] Die Zunahme
der 6 min-Gehstrecke war auch nach zwölfmonatiger Behandlung noch nachweisbar.
Als zweiter orale Phosphodiesterase-VHemmer ist Tadalafil zur Behandlung der
PAH für Patienten in der WHO/NYHAKlasse II und III zugelassen.
Kombinationstherapie
Da Prostazyklinanaloga, EndothelinRezeptor-Antagonisten und Phosphodiesterase-V-Hemmer an unterschiedlichen
pathogenetischen Mechanismen angreifen,
sollten sich durch die Kombination dieser
Substanzen synergistische Effekte erzielen
lassen.[12] Eine Kombinationstherapie
kommt für Patienten in der funktionellen
WHO/NYHA-Klasse III und IV in Frage,
die auf eine Monotherapie nicht adäquat
ansprechen. Die bislang zur Kombinationstherapie vorliegenden Daten zeigen neben
der hohen Sicherheit auch erste Hinweise
auf verbesserte Behandlungsresultate. Am
häufigsten werden Endothelin-RezeptorAntagonisten mit einem PDE-5-Inhibitor
kombiniert, ohne dass es dazu konkrete
Empfehlungen gibt. Als Ultima Ratio nach
Versagen sämtlicher konservativer Maßnahmen bleiben letztlich nur die atriale
Septostomie zur Druckentlastung des rechten Ventrikels beziehungsweise die Lungentransplantation.
Rheumatologie
Literatur
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antiproliferative Effekte
Vasodilation und
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Exogenes NO
Exogene Prostazykline
Abb. 1: Pathophysiologische Behandlungsansätze für die PAH (nach Humbert et al.[38])
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Orale Kalziumantagonisten
Funktionelle WHO/NYHA-Klasse III
Funktionelle WHO/NYHA-Klasse IV
Anhaltende Wirksamkeit
Bosentan
i.v. Epoprostenol
Bosentan
Prostazyklin-Analoga
an for severe pulmonary arterial hypertension related to
Prostazyklin-Analoga
(Iloprost, Treprostinil)
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[10] Sitbon O, McLaughlin VV, Badesch DB et al. (2005)
Survival in patients with class III idiopathic pulmonary
ja
nein
i.v. Epoprostenol
Sildenafil
Weiterhin orale
Kalziumantagonisten
arterial hypertension treated with first line oral bosentan
Keine Verbesserung bzw. Verschlechterung:
Kombinationstherapie? z. B.
Bosentan + Iloprost
Bosentan + Sildenafil
Iloprost + Sildenafil
Bosentan + Sildenafil + Iloprost
Atriale Septostomie und/oder
Lungentransplantation
compared with an historical cohort of patients started on
intravenous epoprostenol. Thorax 60: 1025-30.
[11] Galie N, Ghofrani HA, Torbicki A et al. (2005 c) Silde-
Abb. 2: Modifizierter therapeutischer Algorithmus zur Behandlung des PAH (nach Galie et al.[2])
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therapy for pulmonary arterial hypertension: still more
questions than answers. Eur Respir J 24: 339-40.
Kontakt
Dr. Keihan Ahmadi-Simab
Abteilung für Rheumatologie,
klinische Immunologie, Nephrologie
Asklepios Klinik Altona
Paul-Ehrlich-Straße 1, 22763 Hamburg
Tel. (0 40) 18 18-81 11 24
Fax (0 40) 18 18-81 48 00
E-Mail: [email protected]
1103
Medtropole | Ausgabe 31 | Oktober 2012
Chance für eine individualisierte Thrombozytenaggregationshemmung nach Stentimplantation?
Intrakoronare
optische Kohärenztomographie
Dr. Christian-Hendrik Heeger, Prof. Dr. Karl-Heinz. Kuck, Prof. Dr. Martin Walter Bergmann
Die intrakoronare optische Kohärenztomographie (OCT) ist ein neuartiges interventionelles Verfahren zur
invasiven intrakoronaren Bildgebung. Als optisches, lichtbasiertes Analogon zum intravaskulären Ultraschall
(IVUS) ist es in der Lage, eine zehnfach höhere Auflösung als der IVUS darzustellen und ermöglicht so deutlich
präzisere in vivo-Analysen.
In der kardiologischen Abteilung der
Asklepios Klinik St. Georg wird die OCTTechnik seit zwei Jahren in verschiedenen
Forschungsprojekten eingesetzt. Schwerpunkt ist dabei die exakte Beurteilung der
Stententfaltung nach komplexer perkutaner Koronarintervention (PCI). Weitere
aktuelle Anwendungsbereiche sind die
Evaluation der Reendothelialisierung von
Stentmaschen zur frühzeitigen Beendigung
der dualen Thrombozytenaggregationshemmung (DAPT) nach PCI sowie Untersuchungen zum pathophysiologischen Verständnis der späten Stentthrombose. Ein
weiterer Anwendungsbereich ist die Steuerung der Implantation neuartiger, komplett
bioresobierbarer Stents. Sie müssen für
eine optimale Implantation exakt an die
Gefäßgröße angepasst werden.
Hintergrund
Die Einführung medikamentenbeschichteter Stents (drug eluting stents, DES) gilt als
Meilenstein der interventionellen Kardiologie, da die Restenoserate gegenüber unbeschichteten Stents (bare metal stents, BMS)
1104
deutlich reduziert werden konnte (BMS:
20 – 50 %, DES: 8 – 9 %).[1] Eine 2009 veröffentlichte, randomisierte Studie belegte
erstmals die Gleichwertigkeit der PCI
gegenüber der operativen Bypass-Chirurgie auch bei Dreigefäßerkrankung mit einfacher oder mittlerer Komplexität sowie
bei Hauptstammstenosen.[2] Die Dauer der
nach Stentimplantation zur Vermeidung
einer Stentthrombose zwingend erforderlichen dualen Thrombozytenaggregationshemmung (DAPT) mit Acetylsalizylsäure
und einem Thienopyridin (Clopidogrel,
Prasugrel, Ticagrelor) spielt eine entscheidende Rolle für die Sicherheit und Wirksamkeit dieser Therapieoption. Gemäß der
aktuellen ESC-Leitlinien werden beide
Substanzen derzeit für vier Wochen (BMS)
und sechs bis zwölf Monate (DES) empfohlen. Grundlage hierfür bildet die Reendothelialisierung der Stent-Maschen, die als
Maß der Thrombogenität angesehen
wird.[3]
Aktuell liegt die Inzidenz akuter und subakuter Stentthrombosen für BMS wie auch
für DES bei etwa einem Prozent. Der aku-
ten Stent-Thrombose als potentiell letaler
Komplikation bei zu kurzer DAPT steht
eine erhöhte Blutungsgefahr bei unnötig
prolongierter Einnahme gegenüber.[4]
Die Inzidenz der lebensbedrohlichen und
tödlichen Blutungen innerhalb von zwölf
Monaten nach PCI steigt unter DAPT auf
0,2 beziehungsweise 0,1 Prozent.[5] Eine
zeitlich individuell auf den einzelnen
Patienten angepasste DAPT ist ein zentraler Punkt in der sicheren Anwendung
neuer stentbasierter Therapieoptionen
bei KHK und Gegenstand aktueller Diskussionen.
Intrakoronare OCT-Technik
Mit der intrakoronaren optischen Kohärenztomographie (OCT) steht ein neuartiges diagnostisches Verfahren zur Verfügung, mit dem sich erstmals der Grad der
Reendothelialisierung der Stent-Maschen
nach PCI qualitativ und quantitativ analysieren lässt. Der bereits in zahlreichen
Studien bewährte intravaskuläre Ultraschall (IVUS) erlaubt die Beurteilung der
Stent-Entfaltung nach PCI. Aufgrund des
Kardiologie
a
b
Abb. 1: Fallbeispiel – männlicher Patient (47) mit instabiler
Angina pectoris; kardiovaskuläres Risikoprofil: arterielle
Hypertonie, Hyperlipidämie, Nikotinabusus (60 Packyears)
c
d
a/b: 03/2010 Koronarangiographischer Nachweis einer
distalen hochgradigen RCA-Stenose (Pfeile); es erfolgt die
DES-Implantation
c: 07/2010 1. Kontrollkoronarangiographie mit OCT-Analyse
(d); deutliche Malapposition mit ins Gefäßlumen hineinragenden Stentmaschen (Pfeile) ohne Reendothelialisierung
(L = Gefäßlumen)
e: 06/2011 2. Kontrollangiographie mit OCT-Analyse (f);
sämtliche Stentmaschen (Pfeile) zeigen eine
e
f
mangelnden Auflösungsvermögens
(70 – 200 µm) ist es aber nicht effektiv
genug möglich, die Reendothelialisierung
zu analysieren. Dieses Problem lässt sich
mit Hilfe der OCT lösen, die eine Echtzeitauflösung von 10 – 20 µm und somit
eine präzise Analyse der Stent-Maschen
(Abb. 1) ebenso ermöglicht [6] wie die exakte Beurteilungen der Stententfaltung nach
PCI (Abb. 2). Grundsätzlich wird bei der
OCT-Technik Licht mit geringer Kohärenzlänge mit Hilfe eines Interferometers zur
Entfernungsmessung reflektierender Materialien eingesetzt. Dabei wird ein Infrarotspektrum mit Wellenlängen von 1,250 bis
1,350 nm verwendet und eine Eindringtiefe
von 1 – 3 mm erreicht. Aufgrund der kurzen Wellenlänge wird das verwendete
Licht von sehr kleinen Objekten einschließlich Blutzellen reflektiert und führt zur
Artefaktbildung. Um eine ausreichende
Bildqualität zu erreichen, bedarf es einer
blutfreien Zone zwischen Lichtquelle und
Gefäßwand. Dazu verwendet die aktuelle
OCT-Technik die „Auswaschung“ des
Gefäßes mit Röntgenkontrastmittel, wie es
auch für die angiografische Darstellung
Reendothelialisierung
des Gefäßes verwendet wird.[6] Die prospektive, randomisierte ODESSA (Optical
Coherence Tomography for Drug Eluting
Stent SAfety)-Studie, in der das Einheilungsverhalten verschiedener DES gegenüber BMS sechs Monate nach Implantation
mithilfe der OCT verglichen wurde, zeigte
die Durchführbarkeit und Vergleichbarkeit
der Ergebnisse dieses Verfahrens.[3]
OCT zur Analyse
der Reendothelialisierung von DES
Der Xience® V Everolimus freisetzende
Stent erhielt Mitte 2012 die CE-Kennzeichnung für eine dreimonatige Dauer der
DAPT nach Implantation. Analog dazu
werden zurzeit weitere DES anderer Hersteller auf eine mögliche Verkürzung der
DAPT untersucht. Eine aktuelle Studie in
unserem Zentrum untersucht mit Hilfe der
OCT-Technik den Grad der Reendothelialisierung drei und neun Monate nach
Implantation des Endeavor™ Resolute
Zotarolimus freisetzenden Stents. Dabei
wird die Hypothese getestet, dass der Endeavor™ Resolute DES nach drei Monaten
eine weitgehend komplette Reendothelialisierung aufweist und somit auf eine Fortführung der DAPT verzichtet werden
könnte. Zusätzlich werden kardiovaskuläre
Risikofaktoren und Krankenhausaufenthalte beziehungsweise Re-PCI evaluiert. Diese
Daten werden mit den OCT-Analysen korreliert, um mögliche Prädiktoren für eine
akute Stentthrombose zu identifizieren und
so eine individuell angepasste DAPT zu
ermöglichen. Die Inzidenz schwerer Blutungen unter DAPT könnte so reduziert
werden.
OCT-Analysen
bei Einsatz bioresorbierbarer Stents
Die permanente Anwesenheit des Stentmaterials kann aufgrund verzögerter Heilung
und lokaler Entzündungsreaktionen zu
später Stentthrombose und Restenose führen.[7] Als neueste Weiterentwicklung medikamentenbeschichteter Stents wurden
daher kürzlich bioresorbierbare Stents
(BDS) in die klinische Routine eingeführt.
Seit einigen Monaten setzt die kardiologische Abteilung der Asklepios Klinik St.
1105
Medtropole | Ausgabe 31 | Oktober 2012
a
b
c
Abb 2: OCT-Analyse der rechten Koronararterien (RCA), oben: Gefäßquerschnitt, unten: Gefäßlängsschnitt.
a: natives Gefäß, b: RCA mit implantiertem DES, Kontroll-OCT der Stententfaltung direkt im Anschluss an die PCI mit gutem Ergebnis.
Die Stentmaschen (Pfeile) mit Schatteneffekt (Pfeilspitzen) liegen der Gefäßwand direkt an.
c: Kontroll-OCT 3 Monate nach initialer PCI. Sämtliche Stentmaschen (Pfeile) weisen eine Reendothelialisierung auf.
Georg als eines von sehr wenigen deutschen Zentren bioresorbierbare Stents routinemäßig ein. BDS bestehen aus bioresorbierbarem Polylactat und haben dadurch
den Vorteil einer zeitlich begrenzten Anwesenheit im Körper des Patienten. Erste
OCT-Analysen dieses neuartigen Konzepts
sind vielversprechend und zeigen Hinweise auf eine verbesserte Reendothelialisierung im Vergleich zu DES.[8] BDS erfordern eine optimale Implantationstechnik
mit einer exakten Bestimmung des Gefäßdurchmessers proximal und distal der
Implantationsstelle, da diese Stents sich
aufgrund ihrer Materialeigenschaften nicht
wie die gängigen Materialien (KobaltChrom, Kobalt-Nickel) per Angioplastie
aggressiv nachdilatieren lassen. Das hohe
Auflösungsvermögen der OCT-Technik
erlaubt eine präzise Prä-PCI-Diagnostik
zur Bestimmung der geeigneten BDSGröße (Abb. 3).
1106
Pathophysiologie
der späten Stentthrombose
Ein weiteres interessantes Anwendungsgebiet der OCT sind Untersuchungen zur
Pathophysiologie der späten Stentthrombose (LST). Seit der Einführung der 2. und
3. Generation der DES ist die LST eine seltene, aber potenziell tödliche Komplikation
der PCI.[9]
Im Vergleich zur ersten DES-Generation
(0,4 – 0,6 % LST nach einem Jahr), zeigt die
2. und 3. Generation deutlich niedrigere
Stentthromboseraten (< 0,2 % LST nach
einem Jahr).[8] Diese positiven Effekte wurden durch Reduktion der Materialdicke
sowie eine Verbesserung der Biokompatibilität und Medikamentenfreisetzungskinetik
aufgrund verschiedener neuartiger Polymere ermöglicht. Die Einführung der BDS
soll diese Komplikation weiter reduzieren.[8] Die pathophysiologischen Prozesse
hinter der LST nach DES-Implantation sind
noch nicht vollständig verstanden. Sie
könnten durch Anwendung der OCT-Analysen genauer evaluiert werden.[9] Kürzlich
zeigten Cook et al., dass das Auftreten von
LST und der Grad der Stent-Malapposition
korrelieren. Weiter könnte eine reduzierte
Reendothelialisierung der Stentmaschen
ein Substrat für LST darstellen (Abb. 4).[9]
Die OCT ermöglicht den Nachweis dieser
Phänomene und kann so eine entscheidende Rolle bei Follow-Up-Untersuchungen
nach komplexen Interventionen bei Risikopatienten spielen.
Fazit
Aufgrund des demographischen Wandels
werden die KHK und ihre Folgeerkrankungen weiter zunehmen. Neue Stent-Generationen und die DAPT reduzierten die Restenoserate und die Inzidenz der akuten
und späten Stentthrombose deutlich. Die
„Achillesferse“ der DES liegt in der Notwendigkeit einer längeren DAPT und dem
damit verbundenen deutlich erhöhten Blutungsrisiko. Die intrakoronare OCT ermöglicht erstmals eine exakte in-vivo Analyse
der Stentmaschen-Reendothelialisierung
nach PCI, auch Stent-Malappositionen lassen sich damit erkennen. Beide Phänomene
Kardiologie
Abb. 3: OCT-Analyse vor und nach Implantation
eines BDS
a: Gefäßquerschnitt der LAD mit Prä-PCI-Diagnostik
zur Bestimmung des Gefäßdurchmesser (= 2,98 mm)
b: nach Implantation eines BDS (3 mm); gute Stententfaltung nach PCI; im Vergleich zu DES und BMS
sind im Falle der BDS aufgrund der Materialeigena
b
schaften keine Schatteneffekte zu erkennen
Abb. 4: OCT-Analyse > 2 Jahre nach Implantation
eines DES in die ostiale LAD bei angiographisch
hochgradiger Stenose
a: Gefäßquerschnitt LAD mit Malapposition der
Stentmaschen und Thrombusbildung
b: Vergrößerung der in a markierten Zone; gut zu
erkennen sind die ins Gefäßlumen hineinragenden
Stentmaschen (kleiner Pfeil) mit Thrombusanhaftung
a
sind entscheidend für die Dauer der Therapie mit Thrombozytenaggregationshemmern. Die OCT kann Daten liefern, um
künftig eine individualisierte DAPT zu
ermöglichen und so Komplikationen nach
PCI zu reduzieren. Zudem eignet sich die
OCT-Technik aufgrund ihres hohen Auflösungsvermögens ideal zur Beurteilungen
der Stententfaltung nach PCI, zum Beispiel
bei der Implantation bioresorbierbarer
Stents. Zukünftige Verbesserungen der
Technologie werden eine deutliche Vereinfachung der Handhabung sowie beschleunigte Analysen ermöglichen.
b
(großer Pfeil)
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Kontakt
Prof. Dr. Martin W. Bergmann
Dr. Christian-H. Heeger
II. Medizinische Klinik – Kardiologie
Leitender Arzt:
Prof. Dr. med. Karl-Heinz Kuck
Asklepios Klinik St. Georg
Lohmühlenstraße 5, 20099 Hamburg
Tel. (0 40) 18 18-85 24 50 / -85 23 05
Fax (0 40) 18 18-85 44 44
E-Mail: [email protected]
[email protected]
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1107
Medtropole | Ausgabe 31 | Oktober 2012
Bildgestützte Präzisionbestrahlung von Tumoren und Metastasen
Strahlentherapie mit IGRT
Priv.-Doz. Dr. Martin Busch
Der im Verlauf des Umbaus und der Neuausrichtung der Strahlentherapie in der Asklepios Klinik St. Georg
aufgestellte Beschleuniger erweitert nun die Therapiemöglichkeiten für Tumorpatienten durch die sogenannte
IGRT-Option. IGRT ist eine Abkürzung und bedeutet bildgeführte Strahlentherapie (Image guided radiotherapie).
In der Strahlentherapie war es von jeher
essentiell, die Ausrichtung des Bestrahlungsfeldes anhand bildgebender Verfahren genau zu definieren. Die fraktionierte
Strahlentherapie mit der täglich gleichen
Behandlung erfordert eine präzise Wiederholbarkeit der Patientenlagerung und der
Einstellung der Strahlenfelder. Dabei hat
der Strahlentherapeut und Radioonkologe
die Aufgabe, das beabsichtigte Bestrahlungsvolumen im Rahmen der Bestrahlungsplanung zu definieren und entsprechende Marker auf der Haut aufzubringen.
Diese Marker dienen der täglichen Lagekontrolle und der Patientenpositionierung.
Die Lagekontrolle der Marker auf der Haut
wurde historisch mit einfachen radiologischen Methoden (Röntgenaufnahmen,
Durchleuchtung) durchgeführt. Im Zuge
der technischen Entwicklung wurden an
den Bestrahlungsgeräten zusätzliche optische und geometrische Hilfsverfahren etabliert (Laserpositionierung, Tischindexer
1108
etc.). Doch noch immer sind Hautmarkierung beziehungsweise Markierungen auf
Masken (z. B. in der HNO-Bestrahlungstechnik) ein Standard in der Strahlentherapie.
Ein wesentlicher Fortschritt der Strahlentherapie mit Megavoltgeräten, spätestens
seit den 1970er-Jahren, sind die gegenüber
der historischen Bestrahlung mit Röntgenstrahlen extrem verbesserten Tiefendosiskurven, also die verbesserte Erreichbarkeit
tiefliegender Organe für eine Strahlentherapie. Obwohl die hochenergetischen
Megavoltstrahlen den Bildkontrast stark
vermindern, wurden über Jahrzehnte
diverse Bildgebungen an Beschleunigern
eingerichtet (Aufnahme-Kassettensysteme,
elektronische Bildaufnahmesysteme). Doch
der Kontrast dieser Bildgebung blieb nach
wie vor unbefriedigend. Die frühere Bildgebung mit Filmen an Beschleunigern
erlaubte nur eine mehr oder weniger grobe
Abschätzung zur Lagekontrolle und
Dokumentation des Bestrahlungsfeldes
in unscharfer Form. Die heute gängigen
elektronischen Portal-Imager (EPID) ergeben auch mit ausgefeilten post-processingProzeduren nur eine semiquantitative
Aussage über die korrekte Lage eines
einzelnen Bestrahlungsfeldes.
3D-Bestrahlungsplanung
Seit den 1980er Jahren wird die Computertomographie zunehmend für die Bestrahlungsplanung genutzt. Hierauf beruhen
Techniken der modernen dreidimensionalen Bestrahlungsplanung sowie der intensitätsmodulierten Radiotherapie und ihrer
Fortentwicklungen. Die 3D-CT-gestützte
Bestrahlungsplanung erlaubt die millimetergenaue Definition der Lage eines Isozentrums als geometrischer Bezugspunkt aller
am Patienten applizierten Bestrahlungsfelder und darüber hinaus die komplette 3D-
Strahlentherapie
Berechnung der Strahlendosisverteilung im
Körper. Die Kontrolle dieser Isozentrumslage mit bildgebenden Verfahren ist der
zentrale Aspekt der IGRT.
MV-CT
Da ein Beschleuniger mit seiner Gantry
ausschließlich um das Isozentrum rotieren
kann, lässt sich prinzipiell mit der vorhandenen harten Megavoltstrahlung und
einem opponierend montierten Bildaufnahmesystem (EPID) eine CT-ähnliche
Bildgebung erstellen. Aufgrund der verwendeten harten Strahlung nennt man
diese Technik Megavoltage-Computertomographie (MV-CT). Aber auch hier
besteht wieder das Problem, dass die verwendete, eigentlich für Therapiezwecke
gedachte Strahlung wenig Kontrast bietet
und daher die Bildqualität gegenüber
einem diagnostischen CT schlechter ist.
Cone-Beam-CT
Diese Probleme des MV-CTs führten dazu,
dass die Hersteller von Bestrahlungsanlagen beziehungsweise Beschleunigern
mehrheitlich dazu übergingen, an der
Gantry des Beschleunigers zusätzlich eine
Röntgenröhre zu montieren, die mit einem
zugehörigen Bildaufnahmesystem orthogonal zum Therapiestrahlengang ausgerichtet
ist. Diese Anordnung erlaubt neben einer
Dokumentation der Bestrahlungsfelder in
diagnostischer Qualität auch die Anfertigung von CT-Schnitten am Beschleuniger
(Cone-Beam-CT). Das Cone-Beam-CT
ermöglicht eine volumetrische Bildgebung
und damit erstmals die millimetergenaue
Lagekontrolle der Bestrahlungsfelder bei
jeder einzelnen Bestrahlung.
Vorteile der bildgeführten Strahlentherapie
Da mit der bildgeführten Strahlentherapie
(IGRT) vor der einzelnen Bestrahlung zu
erkennen ist, wenn die Lage der inneren
Organe, die Patientenlagerung oder eine
Kombination von beidem dazu führt, dass
das zu bestrahlende Zielvolumen nicht
millimetergenau erfasst werden kann,
erfolgt sofort am Beschleuniger mittels
manueller oder automatischer Methoden
eine Lagekorrektur (z. B. durch Anpassung
der Tischposition). Fortgeschrittene Methoden der Lagekorrektur erlauben dies sogar
während des Bestrahlungsvorgangs. Diese
Technik führt künftig auch zum Tracking,
also zu einer Technik, die es erlaubt, etwa
die Atembewegungen des Patienten oder
sonstige Organbewegungen zu kompensieren und somit auch Tumoren, die sich
unter laufender Bestrahlung stärker bewegen, kleinvolumig und hochdosiert zu
bestrahlen.
1109
Medtropole | Ausgabe 31 | Oktober 2012
Abb. 1: Die Simulator- oder Planungsaufnahme zeigt ein aktuelles Bestrah-
Abb. 2: Aufnahme des gleichen Felds wie Abb. 1 in Megavolt-Technik
lungsfeld in Röntgentechnik: Sichtbar sind neben den Knochen und Weichteil-
(Therapiekontrollaufnahme) am Beschleuniger: Hier sind die Konturen der
strukturen besonders auch die Metall-Implantate. Künftig wird die Qualität
Metallimplantate gut dargestellt und die Konturen der Knochen mit einiger
dieser Aufnahmetechnik auch am Bestrahlungsgerät verfügbar sein.
Sicherheit erkennbar, Weichteilkontrast besteht jedoch nicht. Die Unschärfe
der Aufnahme ist durch den relativ großen Fokus des Beschleunigers bedingt.
Vorstellung der neuen Technik
am Tag der Offenen Tür
Literatur
[1] Zelefsky MJ, Kollmeier M, Cox B, et al. Improved clini-
Kontakt
cal outcomes with high-dose image guided radiotherapy
Das Team der Strahlentherapie in der
Asklepios Klinik St. Georg lädt das interessierte Fachpublikum ein, sich am Mittwoch, dem 24. Oktober 2012 selbst ein Bild
von der neuen Bestrahlungstechnik zu
machen. In der Zeit von 15 bis 18 Uhr sind
die Strahlentherapeuten gern bereit, den
ersten IGRT-fähigen neuen Beschleuniger
zu demonstrieren, der von nun an für die
Patientenversorgung zur Verfügung steht.
compared with non-IGRT for the treatment of clinically
localized prostate cancer. Int J Radiat Oncol Biol Phys 2012;
(84): 125-9.
[2] Mohammed N, Kestin L, Grills I, et al. Comparison of
Hermann-Holthusen-Institut
für Strahlentherapie
Asklepios Klinik St. Georg
Lohmühlenstraße 5, 20099 Hamburg
IGRT registration strategies for optimal coverage of primary lung tumors and involved nodes based on multiple four-
Tel. (0 40) 18 18-85 23 62
Fax (0 40) 18 18-85 30 54
dimensional CT scans obtained throughout the radiotherapy course. Int J Radiat Oncol Biol Phys 2012; (82): 1541-8.
E-Mail: [email protected]
[3] Keam J, Bilsky M, Zhang Z, et al. Preoperative highdose hypofractionated image-guided intensity modulated
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[5] Tejwani A, Ashamalla H, Bennish A, et al. The use of
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nasopharyngeal carcinoma. Int J Radiat Oncol Biol Phys
2011; (81suppl): S510.
1110
Priv.-Doz. Dr. Martin Busch
Psychiatrie und Psychotherapie
Personalia
Binge-Eating-Störung
Dr. Helge Fehrs
Gelage gab es schon im alten Rom, zum Beispiel anlässlich des Saturnalienfests, bei dem für sieben Tage im Jahr
die soziale Rangordnung vorübergehend aufgehoben wurde und nach Herzenslust geschlemmt und gefeiert wurde.
Heute beschäftigt uns eine kaum als Befreiung, sondern vielmehr als Kontrollverlust erlebte Ausschweifung:
die Binge-Eating-Störung (BES).
Mit einer Einjahresprävalenz für Frauen
von 1,6 Prozent, für Männer von 0,8 Prozent und ganz ähnlichen Zahlen schon für
Kinder und Jugendliche drängt sich diese
Essstörungsform in den Alltag von Ärzten,
Psychologen, Diätassistenten, Ökotrophologen und Sportlehrern.[5] Die Folge der
Binge-Eating-Störung, die Adipositas, ist
eine der Herausforderungen unserer Zeit,
der die Medizin noch recht hilflos gegenüber zu stehen scheint.
Fallbeispiel I:
Schülerin, 21 Jahre, Gewichtszunahme in
den vergangenen drei Jahren von 72 kg auf
aktuell 115 kg bei einer Körpergröße von
160 cm. Sie leidet unter Heißhungeranfällen, in denen sie Großportionen in sich hineinschlinge. Seit einem Jahr besuche sie
nicht mehr die Schule, liege tagsüber viel
im Bett, lebe sozial ganz zurückgezogen
und esse oft nur aus Langeweile und zur
Ersatzbefriedigung. Mittlerweile beklagt
sie belastungsabhängige Rücken- und
Knieschmerzen sowie eine Durchschlafstörung.
Fallbeispiel II:
Diagnostische Kriterien
44-jähriger Mann mit täglichen Essanfällen
und vermehrtem Süßigkeitenkonsum. Das
aktuelle Gewicht beträgt 110 kg bei 172 cm
Körpergröße. Er stehe unter großer
Anspannung, versuche es immer allen
recht zu machen und esse insbesondere
abends große Mengen, wie zur Beruhigung. Seit er vor zehn Jahren mit dem Rauchen aufgehört habe und im selben Jahr
einen Bandscheibenvorfall erlitt, der seinen
Bewegungsradius vorübergehend sehr einschränkte, habe er stetig zugenommen.
Inzwischen leide er unter einer arteriellen
Hypertonie und einer Fettleber.
Die Binge-Eating-Störung ist eine noch
junge diagnostische Kategorie, die erst
1994 als Forschungsdiagnose in das
DSM-IV-TR [2] aufgenommen wurde.
Fallbeispiel III:
50-jährige gelernte Bürokauffrau, zuletzt
arbeitslos, die in den vergangenen 15 Jahren um 50 kg auf 135 kg bei einer Körpergröße von 172 cm zugenommen habe.
Sie verdränge Gefühle und tröste sich über
das Essen. „Ich habe mir einen Panzer verschafft“, fasst sie zusammen. Bis zu ihrer
ersten Schwangerschaft sei sie noch normalgewichtig gewesen, habe aber dann,
parallel zu einer als leidvoll erlebten Beziehung mit einem gewalttätigen Mann,
immer mehr zugenommen. Zahlreiche
Diäten seien im Jojoeffekt gemündet.
Wiederholte Episoden von Essanfällen, die
folgenden Kriterien entsprechen:
■ Die Betroffenen essen in einer begrenzten Zeit (zum Beispiel innerhalb von zwei
Stunden) eine größere Nahrungsmenge, als
die meisten Menschen unter ähnlichen
Bedingungen essen würden.
■ Während eines Essanfalls besteht ein
Gefühl des Kontrollverlusts über das Essen
(zum Beispiel das Gefühl, mit dem Essen
nicht aufhören oder nicht steuern zu können, was und wie viel man isst).
Die Essanfälle treten mit mindestens drei
der folgenden Symptome auf:
1. wesentlicher schneller essen als
normalerweise;
2. essen bis zu einem unangenehmen
Völlegefühl;
3. wegen der Menge, die man isst, nicht
in Gesellschaft anderer essen;
4. essen großer Nahrungsmengen, ohne
hungrig zu sein;
1111
5. Ekelgefühle gegenüber sich selbst,
Deprimiertheit, Schuldgefühle nach
dem übermäßigem Essen.
■ Deutliches Leiden wegen der
Essanfälle.
■ Die Essanfälle treten durchschnittlich an
mindestens zwei Tagen in der Woche in
einem Zeitraum von sechs Monaten auf.
■ Die Essanfälle gehen nicht mit einem
regelmäßigen Einsatz kompensatorischer
Verhaltensweisen zur Gewichtskontrolle
einher (zum Beispiel Erbrechen, Diuretika
et cetera) und sie treten nicht ausschließlich im Verlauf einer Anorexia nervosa
oder Bulimia nervosa auf.
Die ICD-10 sieht dagegen die Diagnose
einer Binge-Eating-Störung nicht vor. Stattdessen ist hier die Diagnose einer „Essstörung, nicht näher bezeichnet" (F50.9)
kodierbar. Aufgrund der besseren Operationalisierung ist die Anwendung der
DSM-IV-Kriterien zu empfehlen, wobei
aber auf die Vorläufigkeit im Sinne von
Forschungskriterien hinzuweisen ist.
Der Winter / Die Saturnalien, Antoine-François Callet (1741)
Ätiologie
An der Entwicklung und Aufrechterhaltung einer Binge-Eating-Störung ist eine
Vielzahl psychologischer, sozialer und biologischer Risikofaktoren beteiligt. So zeigte
eine der wenigen prospektiven Studien [7]
zur Ätiologie der Binge-Eating-Symptomatik an einer Stichprobe weiblicher Jugendlicher, dass folgende Faktoren das Risiko
für die Ausbildung einer Binge-Eating-Störung erhöhen:
■ Verstärktes Durchführen durch Diäten
■ stark ausgeprägter Schlankheitsdrang
■ Überbewertung der äußeren Erscheinung
■ Unzufriedenheit mit der Figur
■ Vorbilder für riskantes Essverhalten
(Modelllernen)
■ depressive Symptome
■ emotionales Essen
■ erhöhter Body-Mass-Index (BMI)
■ niedriges Selbstwertgefühl
■ gering ausgeprägte soziale Unterstützung
1112
In einer großen Studie von Ackard et al. an
Jugendlichen zwischen zwölf und 17 Jahren wurde der Zusammenhang zwischen
Essattacken und psychopathologischen
Auffälligkeiten erfasst: 29 Prozent der
Mädchen und 28 Prozent der Jungen mit
einer Binge-Eating-Störung hatten bereits
einen Suizidversuch verübt, im Vergleich
zu weniger als zehn Prozent der Jugendlichen ohne Essanfälle.[1]
Komorbidität
Patienten mit Binge-Eating-Störung leiden
unter einer im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung erhöhten allgemeinen Psychopathologie. So treten Depressionen (MajorDepression) bei rund 50 – 60 Prozent und
Angststörungen bei 20 – 50 Prozent der
Binge-Eating-Patienten komorbid auf.[9,8,3]
Innerhalb des Gesamtkollektivs adipöser
Menschen ist insbesondere in der klini-
schen Praxis eine Subgruppe auszumachen, bei der seelische Probleme zu einer
Veränderung des Ess- und Bewegungsverhaltens führen, deren Folge eine anhaltende positive Energiebilanz mit Übergewicht
und Adipositas ist. Patienten mit BingeEating-Störung sind häufig adipös.[4]
Therapie
Die Therapie der Binge-Eating-Störung
zielt auf eine Reduktion der Essanfälle,
eine Gewichtsabnahme sowie die Beeinflussung der essstörungsspezifischen
Psychopathologie. Darüber hinaus sollten
aber auch Depressionen, soziale Ängste,
Selbstwertkonflikte, Schamgefühle und
Schwierigkeiten bei der Gefühlsregulation
positiv beeinflusst werden. Ein weiteres
Ziel ist die Prävention, beziehungsweise
die Rückfallprophylaxe.
Psychiatrie und Psychotherapie
In den S3-Leitlinien [6] zur Diagnostik und
Therapie der Essstörungen vom Dezember
2010 sind folgende Empfehlungen zur
Behandlung der Binge-Eating-Störung
ausgegeben:
■ Psychotherapie ist das Mittel der ersten
Wahl zur Behandlung der Binge-EatingStörung. Dabei verfügt die kognitive Verhaltenstherapie über die sichersten Wirksamkeitsbelege. Für tiefenpsychologisch
fundierte Psychotherapie besteht begrenzt
Evidenz, daher kann sie Patienten mit
Binge-Eating-Störung ebenfalls empfohlen
werden. Bezüglich der Wirksamkeit der
Psychotherapie ist jedoch einschränkend
zu sagen, dass zwar nachweisbare Effekte
auf eine Reduktion der Essanfälle zu verzeichnen waren, jedoch kein Effekt auf die
Gewichtsreduktion ausgemacht werden
konnte.
■ Wirksamkeitsbelege liegen auch für
eine geleitete manualisierte Selbsthilfe mit
Behandlungselementen der kognitiven
Verhaltenstherapie vor.
■ SSRI und SSNI sind bei Binge-EatingStörung wirksam, allerdings ist derzeit
kein Medikament zur Behandlung der
Binge-Eating-Störung zugelassen. Diese
Präparate können jedoch im Rahmen eines
Therapieversuchs eingesetzt werden, wenn
eine Psychotherapie nicht möglich ist.
Dabei ist der Patient über den Umstand
des Off-Label-Use aufzuklären.
■ Langzeiteffekte von Psychopharmaka
sind bei der Binge-Eating-Störung nicht
ausreichend erforscht, so dass eine langfristige Verordnung nicht empfohlen werden kann.
■ Für eine stationäre Behandlung sprechen
ausgeprägte somatische oder psychische
Komorbidität, hohe Krankheitsschwere,
Bedingungen des Patienten, die eine ambulante Therapie nicht zulassen (zum Beispiel
zu hohes Körpergewicht oder wenn die
ambulante Therapie nicht genügend
weiterhilft), ferner fehlende ambulante
Behandlungsmöglichkeiten in Wohnortnähe, die Notwendigkeit der Behandlung
durch ein multiprofessionelles Team mit
krankenhaustypischen Heilmethoden
sowie soziale/familiäre Einflussfaktoren,
die den Gesundungsprozess stark verhindern (zum Beispiel soziale Isolation, problematische familiäre Situation).
Kontakt
Dr. Helge Fehrs
Oberarzt Bereich Essstörungsbehandlung
Facharzt für Psychosomatische Medizin
und Psychotherapie, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie
Klinik für Psychosomatische Medizin und
Psychotherapie
Asklepios Westklinikum Hamburg
Suurheid 20, 22559 Hamburg
Tel. (0 40) 81 91-25 00
E-Mail: [email protected]
Literatur
[1] Ackard DM, Neumark-Sztainer D, Story M, Perry C.
Eigene Erfahrungen
Overeating among adolescents: prevalence and associations with weight-related characteristics and psychological
Die Psychosomatische Klinik des Asklepios
Westklinikums Hamburg hält ein multimodales tagesklinisches Behandlungsangebot
für Patienten mit Binge-Eating-Störung
vor. Es besteht aus den Elementen Verhaltenstherapie im Gruppen- und Einzelsetting, Feldenkraisbehandlung, Bewegungstherapie, Ernährungsberatung, Lehrküche
sowie medizinischer Diagnostik und
Behandlung. Dabei messen wir dem stetigen Wechsel zwischen intensiver Behandlung tagsüber und Rückkehr in den Alltag
mit Übungseffekt am Nachmittag, Abend
und am Wochenende große Bedeutung bei.
Die Patienten können die Erfahrungen, die
sie mit sich im Gruppenkontext gesammelt
haben und das in der Behandlung Erlernte
unmittelbar zu Hause und mit ihren Angehörigen abgestimmt anwenden. Hier sehen
wir einen deutlichen Vorteil bezüglich der
Langzeiteffekte der Behandlung. Erste
Ergebnisse aus der Begleitforschung sind
Anfang 2013 zu erwarten
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go: a comparison of classification systems for eating disorders in childhood and early adolescence. Int.J.Eat.Disord.
2000;28(3): 317-24.
[6] S3-Leitlinien zur Diagnostik und Therapie der Essstörungen 12.12. 2010, AWMF-Register Nr. 051/026.
[7] Stice E, Presnell K, Spangler D. Risk factors for BingeEating onset in adolescent girls: a 2-year prospective investigation. Health Psychol, 2002;21(2): 131-8.
[8] Wilfley DE, Schwartz MB, Spurrell EB, Fairburn CG.
Using the eating disorder examination to identify the specific psychopathology of Binge-Eating disorder. Int J Eat
Disord. 2000;27(3): 259-69.
[9] Yanovski SZ, Nelson JE, Dubbert BK, Spitzer RL. Association of Binge-Eating disorder and psychiatric comorbidity in obese subjects. Am J Psychiatry. 1993;150(10): 1472-9.
1113
Medtropole | Ausgabe 31 | Oktober 2012
S3-Leitlinie veröffentlicht:
Diagnostik und Behandlung
von Carotisstenosen
Prof. Dr. Christian Arning, Prof. Dr. Walter Gross-Fengels, Dr. Holger Lawall
Nachdem die noch abzuwartenden Daten wichtiger Studien wie CREST [2] vorlagen, wurde nun
die S3-Leitlinie „Extracranielle Carotisstenose“ fertiggestellt und im AWMF-Register veröffentlicht.
Dieser Artikel stellt die wichtigsten Empfehlungen der Leitlinie vor.
Die S3-Leitlinie entstand in gemeinsamer
Arbeit von insgesamt 20 Fachgesellschaften und Organisationen (Abb. 1) unter
Federführung der Deutschen Gesellschaft
für Gefäßchirurgie und Gefäßmedizin.
Durch den nach AWMF-Kriterien für
S3-Leitlinien erzielten Konsens entstanden
Empfehlungen auf dem höchstmöglichen
Evidenzniveau. Die 217-seitige Langfassung
enthält umfangreiche Erläuterungen und
Literaturangaben zu den aufgelisteten
Empfehlungen.[1]
Symptomatische und asymptomatische
Stenose
Den bisherigen Studien zufolge wird eine
Stenose als symptomatisch gewertet, wenn
sie innerhalb der vergangenen sechs Monate zu einem nicht-behindernden Schlaganfall, einer transitorisch ischämischen Attacke oder einer retinalen Ischämie geführt
hat. Sind in den zurückliegenden sechs
Monaten keine Stenose-assoziierten Symptome aufgetreten, wird die Stenose als
asymptomatisch klassifiziert.
1114
Diagnostik
Diagnostische Methode der ersten Wahl ist
die Sonographie (Abb. 2) durch einen
erfahrenen Untersucher. Die Ultraschalldiagnostik soll nach den Empfehlungen der
DEGUM durchgeführt werden und die
Graduierung entsprechend NASCET-Definition erfolgen.[3] Bei unklarem Ultraschallbefund oder Mehrgefäßprozessen wird
eine zusätzliche kontrastmittelgestützte
MRA, ersatzweise eine CTA, empfohlen.
Eine diagnostische DSA soll nur durchgeführt werden, wenn die nicht-invasiven
Verfahren keine konklusive Aussage erlauben. Liegen vaskuläre Risikofaktoren vor,
ist ein Ultraschallscreening sinnvoll.
Therapie
Zur invasiven Therapie von Carotisstenosen kommen die Carotisendarteriektomie
(CEA) und das Carotisstenting (CAS) in
Betracht. Bei älteren Patienten (> 70 J.) ist
CAS mit mehr Risiken behaftet. Im mittelfristigen Verlauf (bis vier Jahre) sind CAS
und CEA in der Sekundärprävention des
ipsilateralen Schlaganfalls jenseits der periprozeduralen Phase jeweils gleich effektiv.
Die Indikation zur invasiven Behandlung
sollte interdisziplinär unter Einbeziehung
eines in der Diagnostik und Behandlung
von Carotisstenosen erfahrenen Neurologen gestellt werden. Auch die Komplikationsraten sollten durch einen Neurologen
kontrolliert werden.
Bei asymptomatischer Carotisstenose von
60 – 99 Prozent wird das Schlaganfallrisiko
durch eine CEA sehr gering, aber doch statistisch signifikant reduziert. Ein Vorteil
besteht nur, wenn die Komplikationsrate
(Schlaganfall oder Tod) in dem behandelnden Zentrum unter drei Prozent liegt.
Alternativ zur primär empfohlenen CEA
kann CAS erwogen werden, wenn das
behandelnde Zentrum Qualitätskriterien
mit einer Komplikationsrate unter drei
Prozent nachweislich einhält. Patienten mit
hohem kardiovaskulärem Risiko und
asymptomatischer Carotisstenose profitieren nicht von CEA oder CAS. Eine isolierte
Herzoperation in Anwesenheit einer einseitigen hochgradigen asymptomatischen
Carotisstenose ist gerechtfertigt.
Bei Patienten mit symptomatischer Stenose
(nach TIA oder nicht behinderndem
Gefäßmedizin
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06. August 2012
H.-H. Eckstein 2 (Sprecher der Steuergruppe), A. Kühnl (Sekretär der Steuergruppe), J.
Berkefeld 5, R. Diel, A. Dörfler 5, I. Kopp 1, R. Langhoff 8, H. Lawall 8, P. Ringleb 3, D. Sander 3,
M. Storck 2 (Steuergruppe)
und
G. Antoniadis 14, C. Arning 10, H. Brückmann 5, C. Diehm 17, I. Flessenkämper 15, G. Fraedrich
20
, A. Fründ 19, S. George 18, M.W. Görtler 10, H. Görtz 12, W. Gross-Fengels 6, M. Hennerici 3,
U. Hoffmann 8, A. Hörstgen 18, P. Huppert 6, O. Jansen 5, R. Litz 16, H. Mudra 9, D. G. Nabavi 4 ,
E. Neugebauer 15, H. Niedermeier 2 , Ch. Ploenes 12, R. Stingele 4, B. Rantner 20, J. Tacke 7, O.
Schnell 11, K.L. Schulte 8, K. Schwerdtfeger 14, D. Vorwerk 6, K. P. Walluschek 13 , G. Walterbusch 13 (Leitliniengruppe)
Beteiligte Fachgesellschaften/Organisationen (* Mitglieder der Steuergruppe)
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
10.
11.
12.
13.
14.
15.
16.
17.
18.
19.
20.
Institut für Medizinisches Wissensmanagement der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen
Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF-IMWi, I. Kopp *)
Deutsche Gesellschaft für Gefäßchirurgie und Gefäßmedizin (DGG, H.-H. Eckstein *, M. Storck *, H.
Niedermeier)
Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN: P. Ringleb *, D. Sander *, M. Hennerici)
Deutsche Schlaganfallgesellschaft (inkl. Deutsche Schlaganfallhilfe, R. Stingele, D. G. Nabavi)
Deutsche Gesellschaft für Neuroradiologie (DGNR: A. Dörfler *, O. Jansen, H. Brückmann, J. Berkefeld *)
Deutsche Röntgen-Gesellschaft (DRG, W. Gross-Fengels, D. Vorwerk)
Deutsche Gesellschaft für Interventionelle Radiologie (DEGIR, P. Huppert, J. Tacke,)
Deutsche Gesellschaft für Angiologie /Gesellschaft für Gefäßmedizin (DGA, H. Lawall *, R. Langhoff *, K.L.
Schulte, U. Hoffmann)
Deutsche Gesellschaft für Kardiologie (DKG, H. Mudra)
Deutsche Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin (DEGUM, C. Arning, M.W. Görtler)
Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG, O. Schnell)
Deutsche Gesellschaft für Geriatrie (DGG, Ch. Ploenes, H. Görtz)
Deutsche Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie (DGTHG, K. P. Walluschek, G. Walterbusch)
Deutsche Gesellschaft für Neurochirurgie (DGN, G. Antoniadis, K. Schwerdtfeger)
Deutsche Gesellschaft für Chirurgie (DGCH, I. Flessenkämper, E. Neugebauer)
Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI, R. Litz)
Deutsche Gefäßliga e.V. (C. Diehm)
Deutscher Verband der Ergotherapeuten (S. George, A. Hörstgen)
Deutscher Verband für Physiotherapie (ZVK) e.V. (A. Fründ)
Östereichischer Verband für Gefäßmedizin (G. Fraedrich, B. Rantner)
a
b
Abb. 1: Titelseite der S3-Leitlinie
Schlaganfall) von 70 – 99 Prozent wird eine
CEA empfohlen. Sie sollte auch bei einem
Stenosegrad von 50 – 69 Prozent erwogen
werden. Die CEA sollte so früh wie möglich nach dem Ereignis erfolgen. Alternativ
zur CEA kann CAS in Zentren mit einer
dokumentierten Schlaganfallrate/Letalität
von unter sechs Prozent erwogen werden.
Die Stentbehandlung kann in folgenden
Situationen Vorteile gegenüber der Operation bringen, wenn sie in einem erfahrenen
Zentrum unter Einhaltung der Qualitätskriterien durchgeführt wird: Re-Stenosen
nach CEA, radiogene Stenosen, hochzervikale Stenosen, Tandemstenosen mit höhergradiger intracranieller oder intrathorakaler Stenose, kontralaterale Parese des
N. laryngeus recurrens
Risikofaktoren
Bei Patienten mit Carotisstenosen ist eine
konsequente leitliniengerechte Kontrolle
und Therapie vaskulärer Risikofaktoren
(„best medical treatment“) indiziert. Dies
gilt insbesondere für asymptomatische Stenosen, aber auch für Patienten nach operativer oder endovaskulärer Behandlung.
Literatur
[1] http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/004028l_S3_Extracranielle_Carotisstenose_08_2012_01.pdf
[2] Brott TG, Hobson RW 2nd, Howard G et al. Stenting
versus endarterectomy for treatment of carotid-artery
stenosis. N Engl J Med 2010; 363: 11-23.
[3] Arning C, Widder B, von Reutern GM, Stiegler H, Görtler M. Ultraschallkriterien zur Graduierung von Stenosen
der A. carotis interna. Revision der DEGUM-Kriterien und
Anästhesieverfahren
Transfer in NASCET-Stenosierungsgrade. Ultraschall in
Abb. 2: Ultraschalldiagnostik
Kontakt
Prof. Dr. Christian Arning
Neurologie
Asklepios Klinik Wandsbek
Alphonsstraße 14, 22043 Hamburg
Tel. (0 40) 18 18-83 14 13
Fax (0 40) 18 18-83 16 31
E-Mail: [email protected]
Prof. Dr. Walter Gross-Fengels
Diagnostische und Interventionelle
Radiologie
GefässCentrum Hamburg-Harburg (GCH)
Asklepios Klinik Harburg
Eißendorfer Pferdeweg 52
21075 Hamburg
Tel. (0 40) 18 18-86 20 01
Fax (0 40) 18 18-86 28 44
E-Mail: [email protected]
Med 2010; 31: 251-7.
Zwischen Lokalanästhesie und Allgemeinnarkose bestehen im 30-Tages-Ergebnis
keine signifikanten Unterschiede. Patienten
mit kontralateralem Verschluss haben ein
höheres perioperatives Schlaganfallrisiko
und können bei Eignung und Einverständnis vorzugsweise in Regionalanästhesie
mit Wachmonitoring operiert werden.
Dr. Holger Lawall
Abteilung Angiologie/Diabetologie
Zentrum für Gefäßmedizin
Asklepios Westklinikum
Suurheid 20, 22559 Hamburg
Tel. (0 40) 81 91-20 26
Fax (0 40) 81 91-21 26
E-Mail: [email protected]
1115
Medtropole | Ausgabe 31 | Oktober 2012
Notall Extrauteringravidität
Dr. Frank Carlos Spickhoff
Die Extrauteringravidität (EUG) oder ektope Gravidität bezeichnet eine außerhalb der Gebärmutterhöhle
eingenistete Schwangerschaft. Die meisten extrauterinen Schwangerschaften treten im Eileiter auf (Eileiterschwangerschaften). Mit Ausnahme der Bauchhöhlenschwangerschaft ist eine EUG nicht überlebensfähig.
Epidemiologie
Diagnostik
Extrauteringraviditäten kommen mit einer
Häufigkeit von 1 – 2 auf 100 intrauterine
Schwangerschaften vor. Meist handelt es
sich um eine Tubargravidität, die in 80 Prozent der Fälle im ampullären Teil des Eileiters lokalisiert ist. Ursache für einen
Anstieg der EUG sind sexuell übertragene
Infektionen und zunehmende In-VitroFertilisationen bei Frauen über 30 Jahren.
Der Anamnese folgt die klinische Untersuchung. Hier zeigt sich eine druckdolente
Resistenz, ein Portioschiebeschmerz, BetaHCG im Labor ist positiv, sonografisch findet sich ein leeres Cavum uteri, maximal
ist ein höchstens fünf Millimeter großer
Pseudogestationssack zu erkennen. Außerdem sieht man häufig eine Verdickung der
Tube und freie Flüssigkeit im Abdomen
sowie etwa sechs Wochen post menstruationem eine Fruchtblase mit Embryonalentwicklung. Die Diagnose wird laparoskopisch durch eine Pelviskopie gesichert.
Ursachen
Eine Reihe bekannter Risikofaktoren lässt
sich in maximal 50 Prozent der Fälle nachweisen. Dazu zählen entzündlich bedingte
Erkrankungen im Beckenbereich, Infertilität, Intrauterinpessare, Eingriffe am Eileiter, intrauterine Eingriffe, Rauchen, Z. n.
Sterilisationsoperationen. Auch die Endometriose führt zu einem hohen Risiko für
eine Extrauteringravidität.
Alternativ ist im frühen Stadium oder nach
operativer Therapie bei rezidivierenden
Beta-HCG-Werten eine Therapie mit
Methotrexat in Erwägung zu ziehen.
Bei allen Therapieverfahren muss eine
Beta-HCG-Kontrolle so lange erfolgen,
bis dieser negativ ist.
Differenzialdiagnosen
■
■
■
■
■
Abort
Appendizitis
Adnexitis
Ovarialtumor
urologische Erkrankungen
Symptome
Therapie
Je nach Lokalisation und Stadium der Einnistung und Zustand der Frucht können
sehr unterschiedliche Symptome auftreten:
■ rezidivierende Unterbauchschmerzen,
eventuell mit kolikartiger Symptomatik
■ Schmierblutung
■ sekundäre Amenorrhoe
■ Kreislaufkollaps bis zum Schock
■ unsichere Schwangerschaftszeichen
(Brustspannen, morgendliche Übelkeit)
Meist wird eine operative Pelviskopie
durchgeführt. Die Patientin wird darüber
aufgeklärt, dass eine Organerhaltung
durch eine Tubotomie oder eine Organentfernung (Tubektomie) durchgeführt werden muss. Grundsätzlich ist die Patientin
je nach Familienplanung auch über das
erhöhte Rezidivrisiko bei Organerhaltung
aufzuklären. Die Lokalisation spielt für das
therapeutische Vorgehen intraoperativ eine
1116
große Rolle. Bei ampullärer Gravidität
handelt es sich eher um einen Tubarabort.
Die Frucht lässt sich per Expression oder
Absaugen entfernen. Bei der isthmischen
Gravidität besteht die Gefahr der Tubenruptur. Hier muss die Salpingotomie oder
Salpingektomie erfolgen.
Kontakt
Dr. Frank Carlos Spickhoff
Frauenklinik der Asklepios Klinik Nord –
Heidberg
Tangstedter Landstraße 400
22417 Hamburg
Tel. (0 40) 18 18-87 34 58
Fax (0 40) 18 18-87 30 99
E-Mail: [email protected]
Personalie
Personalia
K O N T A K T
...
...
...
...
1117
Medtropole | Ausgabe 31 | Oktober 2012
1.000 mutige Männer gesucht
Mit 55 Jahren fängt das Leben an …
Prof. Dr. Friedrich Kallinowski
… vorausgesetzt, man war bei der Darmkrebsvorsorge, die seit 2003 als gesetzlich verankerte Kassenleistung
ab dem 55. Lebensjahr angeboten wird und eine Erfolgsgeschichte par excellence darstellt.
Derzeitige Situation
Das lebenslange Risiko, an Darmkrebs zu
erkranken, lag 2008 in der Bundesrepublik
Deutschland 2008 bei sieben Prozent.[1]
Die Gefährdung steigt mit zunehmendem
Alter an (Abb. 1). Ein relevantes Risiko von
etwa 0,2 Promille entsteht zwischen dem
50. und 55. Lebensjahr durch den Übergang von Krebsvorstufen zu manifesten
Karzinomen. Die Übergangsrate steigt
ebenfalls mit dem Alter, so dass die
Gefährdung deutlich zunimmt. Zunächst
versuchsweise, nach dem klaren Beleg für
die Wirksamkeit [2] mit deutlicher medialer
und politischer Unterstützung, propagieren Ärzte und Kostenträger gleichermaßen
die Vorsorgekoloskopie ab dem 55. Lebensjahr. Doch leider nehmen die Anspruchsberechtigten das lebensrettende Angebot
in viel zu geringem Maße an.[3]
Diagnostische Lücken und Risiken
Eine diagnostische Lücke, bei der die
Tumore früher auftreten können, besteht
nach aktuellem Stand bei familiärer Belastung und chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen. Dies ist bedauerlich,
wiegt aber gegenüber der fehlenden Inanspruchnahme gering (Abb. 1). Vielfach
wird das Risiko der Vorsorgekoloskopie
mit etwa einem Prozent angeführt. Dieses
Risiko betrifft aber vor allem beherrschbare
Blutungen und sehr viel seltener Darmper-
1118
forationen. In der Summe ist zu schätzen,
dass die verstärkte Inanspruchnahme der
Vorsorgekoloskopie pro Jahr mindestens
weitere 10.000 Leben in Deutschland retten
könnte bei nur sehr geringer Gefährdung.
Warum „1.000 mutige Männer
für Harburg“?
Im Vergleich der Bundesländer liegt Hamburg bei der Beratungsqualität zur Vorsorgekoloskopie erfreulicherweise auf einem
der vorderen Plätze. Dennoch hat die
Hamburger Krebsgesellschaft die Initiative
ergriffen, ein erfolgreiches Projekt aus
Nordrhein-Westfalen zu übertragen. Die
Gründe sind vielfältig: Die Euphorie zur
Vorsorge flacht ab, die etablierten Initiativen erreichen nur schwer neue Zielgruppen und Männer sind traditionell eher
„Vorsorgemuffel“. Das Projekt „1000 mutige Männer“ in Mönchengladbach erreichte
während der Projektlaufzeit von sechs
Monaten eine deutliche Steigerung der
Vorsorgeraten um immerhin zehn Prozent.
Initiative von Anfang an. Ein solch ambitioniertes Projekt bedarf natürlich auch der
Unterstützung durch die Politik und der
niedergelassenen Ärzteschaft. Pate der
Aktion ist der Harburger Bezirksamtsleiter
Thomas Völsch. Auch Prominente wie der
Sänger Gunter Gabriel engagieren sich für
die gute Sache. Das Projekt „1000 mutige
Männer für Harburg“ zur Intensivierung
der Darmkrebs-Vorsorge wird auch von
dem PNS – PraxisNetz Süderelbe als einzigem Pilot-Netz in Hamburg und von der
Stiftung Lebensblicke als überregionaler
Organisation für gut befunden und unterstützt.
Mit einer Auftaktveranstaltung im Hamburger Rathaus fiel am 18. September der
offizielle Startschuss der Aktion – und nun
sind Sie gefragt! Schließlich heißt das Lied
nicht nur „mit 55 Jahren“, sondern auch
„ich war noch niemals zur Koloskopie“ …
Literatur
[1] Krebs in Deutschland 2007/2008 – eine gemeinsame
Veröffentlichung des Robert Koch-Instituts und der Gesell-
Da die Vorsorgekoloskopie gerade in
Regionen mit schwieriger Sozialstruktur
weniger in Anspruch genommen wird, hat
die Hamburger Krebsgesellschaft in Projektträgerschaft mit der Barmer GEK die
südlichen Bezirke um Harburg als Pilotregion ausgewählt. Die regionalen Kliniken,
allen voran das Darmzentrum der Asklepios Klinik Harburg, unterstützen diese
schaft der epidemiologischen Krebsregister in Deutschland
e.V. 8. Ausgabe, 2012.
[2] Brenner H, Altenhofen L, Hoffmeister M. Eight years
of colonoscopic bowel cancer screening in Germany: initial
findings and projections. Dtsch Arztebl Int 2010; 107: 753-9
[3] Kallinowski F, Gross-Fengels W, Seemann D, Siassi M.
Darmkrebs – Bessere Diagnostik führt zu mehr Heilung.
Medtropole 2011; 25: 900-3.
Gastro-/Viszeralchirurgie
600
6%
500
5%
Frauen
Männer
4%
3%
400
2%
1%
300
200
100
0
5
10
15
20
25
30
35
40
45
50
55
60
65
70
75
80
85 +
Alter
Abb. 1: Alters- und geschlechtsspezifische Erkrankungsrate an Dickdarmkrebs in Deutschland 2008
(Säulen, linke Beschriftung pro 100 Tsd.) und jährliche Übergangsrate in Prozent (rechts) von Adenomen in Krebs
(Linien) modifiziert nach 1,2.
25
20
15
10
5
0
BE
SL
HH
BY
HE
NI
NO
SH
HB
BB
WL
TH
ST
SN
MV
RP BW
Abb. 2: Beratung zur Darmkrebsfrüherkennung (nach: www. vorsorgeatlas.de)
Kontakt
Prof. Dr. Friedrich Kallinowski
Allgemein- und Viszeralchirurgie
Asklepios Klinik Harburg
Eißendorfer Pferdeweg 52
21075 Hamburg
Tel. (0 40) 18 18-86 25 34
Fax (0 40) 18 18-86 34 57
E-Mail: [email protected]
Hotline: (0 40) 1818-86 25 40
Abb. 3: Aktuelles Faltblatt der Harburger Aktion
1119
ISSN 1863-8341
Wer war eigentlich Nikola Tesla?
Prof. Dr. Roman Fischbach
Im Oktober 2011 nahm die Asklepios
Klinik Altona ein 3-Tesla-MRT-System in
Betrieb, im Juli wurde das vorhandene
1,5-Tesla-MRT-System gegen einen Scanner modernster Bauart ausgetauscht.
Damit verfügt die Radiologie der Klinik
über die modernsten MRT-Systeme des
Konzerns. Im Alltag sprechen wir ganz
selbstverständlich von einer „Feldstärke
von 1,5 oder 3 Tesla“ – doch nur wenige
wissen noch, wer der Namensgeber der
Einheit Tesla [T=N/(A*m)] war.
Die SI-Einheit für die magnetische Flussdichte oder „Feldstärke“ wurde im Jahr
1960 nach dem serbisch-amerikanischen
Erfinder Nikola Tesla benannt. Zahlreiche
Patente und Erfindungen gehen auf diesen
außergewöhnlich kreativen und auch
exzentrischen Menschen zurück. Zu seiner
Zeit war er ein anerkannter und populärer
Wissenschaftler, der aber trotz seiner bahnbrechenden Erfindungen in der Elektrotechnik wirtschaftlich nicht erfolgreich war
und schließlich in ärmlichen Verhältnissen
starb.
Nikola Tesla (1856 – 1943) wuchs als Sohn
serbisch stämmiger Eltern in bescheidenen
Verhältnissen im heutigen Kroatien auf. Er
studierte an der Universität Graz und nach
Unterbrechung an der Karls-Universität
Prag Maschinenbau. Erste Anstellungen
hatte er in Firmen von Thomas Alva Edison in Budapest und Paris bevor er 1884
nach Amerika auswanderte. In New York
war Tesla kurzzeitig wieder in einer Edison-Firma beschäftigt. Mit Edison überwarf er sich aber bald und machte sich mit
unterschiedlichen Firmen und Partnern
selbstständig.
Zu Beginn seiner Karriere beschäftigte sich
Tesla intensiv mit der Erzeugung, Nutzung
und Umwandlung des Wechselstroms.
www.medtropole.de
Nikola Tesla
Eine seiner bedeutenden Entdeckungen
war die des rotierenden magnetischen Feldes. Der von ihm erfundene Wechselstrommotor beruht auf diesem Prinzip. Die
Umwandlung elektrischer in mechanische
Energie sowie die Stromerzeugung aus
mechanischer Energie waren die Basis der
flächendeckenden Industrialisierung und
Elektrifizierung Ende des 19. Jahrhunderts.
1895 wurde an den Niagara-Fällen ein
erstes Wasserkraftwerk mit Teslas Patenten
in Betrieb genommen, in dem Turbinen
Wechselstromdynamos antrieben. Auch die
heute in Nordamerika übliche Netzfrequenz von 60 Hz geht auf Nikola Tesla
zurück. Zunächst hatte Tesla bei der Einführung der Wechselstromtechnologie starke Widerstände zu überwinden: So war
zum Beispiel Thomas Alva Edison ein großer Verfechter des nicht gepulsten Gleichstroms und bekämpfte immer wieder den
letztlich erfolgreicheren Wechselstrom.
In späteren Jahren konzentrierte sich Tesla
auf die kabellose Energieübertragung und
die Energiegewinnung. Er baute den Resonanztransformator zur Erzeugung hochfrequenter Wechselspannung (Teslaspule),
dessen Funktionsprinzip auf der Resonanz
magnetisch lose gekoppelter elektrischer
Schwingkreise basiert. Tesla erhielt sein
Patent zur drahtlosen Energieübertragung,
das erste Patent zur Funktechnik überhaupt, einen Monat bevor Guglielmo
Marconi seine Patentschrift zur drahtlosen
Telegraphie einreichte. In seinen Labors
nutzte er Neonlicht, lange bevor es übliche
Beleuchtung wurde und er erzeugte mit
den nach ihm benannten Spulen fulminante Entladungsblitze, die er oft in showartigen Demonstrationen einsetzte. Zudem
baute er einen heute verschollenen
„Schwerkraftfeldenergiekonverter“, der
Strom aus der Umgebung (radiant energy,
kosmische Energie) ziehen sollte. Tesla
blieb bis ins Alter ein sehr erfindungsreicher Mensch, dessen Arbeiten später aber
zunehmend skurril und parawissenschaftlich wurden, so dass er auch „Tesla, der
Magier“ genannt wurde.
Tesla ist Namenspatron der „Tesla Motors“,
eines Herstellers von Sportwagen mit
Wechselstrommotor, des Belgrader Flughafens, und er wurde auf zahlreichen
jugoslawischen und serbischen Banknoten
abgebildet.
Literatur
Margaret Cheney: Nikola Tesla – Erfinder, Magier, Prophet.
6. Auflage 2009, Omega Verlag, Aachen.
Kontakt
Prof. Dr. Roman Fischbach
Abteilung für Radiologie
und Neuroradiologie
Asklepios Klinik Altona
Paul-Ehrlich-Straße 1, 22763 Hamburg
Tel.
Fax
E-Mail
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