05.05.2014 Einleitung und Grundidee des Projektes „Warum gibt es so viele Abbrüche in der Heimerziehung“ Von der Idee zur Umsetzung des Projektes – Eine Einführung in die Traumapädagogik und das Projekt Fachtag: Beziehungskontinuität durch Gestaltung sicherer Orte „Man weiss nie, was daraus wird, wenn die Dinge verändert werden. Aber weiss man denn, was draus wird, wenn sie nicht verändert werden?“ Elias Canetti Marc Schmid, Bad Boll, 29. April 2014 Kinder- und Jugendpsychiatrische Klinik Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 29. April 2014 | 2 1 05.05.2014 Was ist ein Trauma? Gliederung › Was ist ein Trauma / Komplex-Trauma? Traumatisches Lebensereignis Extreme physiologische Erregung › Pädagogische Herausforderungen – Komplex-Trauma › Warum brauchen wir eine Traumapädagogik? › Traumapädagogisches Konzept › Projektidee Flucht › Umsetzung / Schulung / Prozessbegleitung /Steuerungsgruppe Freeze Fight › Evaluationskonzept › Zusammenfassung und Diskussion Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 29. April 2014 Traumasymptome | 3 Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 29. April 2014 | 4 2 05.05.2014 Bei einer Traumatisierung laufen parallel zwei unterschiedliche physiologische Prozesse ab Übererregungs-Kontinuum Traumatypologie nach L. Terr (1991) Typ – I - Trauma Dissoziatives-Kontinuum Fight oder Flight › Alarmzustand Wachsamkeit › Angst/Schrecken › Adrenalin System wird aktiviert – Erregung › Serotonerge System verändert sich – Impulsivität, Affektivität, Aggressivität Freeze – ohnmächtige / passive Reaktion › Gefühlslosigkeit / Nachgiebigkeit › Dissoziation › Opioid System wird Aktiviert Euphorie, Betäubung › Veränderung der Sinnes-, Körperwahrnehmung (Ort, Zeit, etc.) Physiologisch › Blutdruck (Pulsrate ) › Atmung › Muskeltonus › Schmerzwahrnehmung Physiologisch › Pulsrate Blutdruck › Atmung › Muskeltonus › Schmerzwahrnehmung › Einzelnes, unerwartetes, traumatisches Erlebnis von kurzer Dauer. › z.B. Verkehrsunfälle, Opfer/Zeuge von Gewalttaten, Naturkatastrophen. › Öffentlich, besprechbar Typ – II - Trauma › Serie miteinander verknüpfter Ereignisse oder lang andauernde, sich wiederholende traumatische Erlebnisse. › Körperliche sexuelle Misshandlungen in der Kindheit, überdauernde zwischenmenschliche Gewalterfahrungen. Nicht öffentlich Symptome: Meist klare, sehr lebendige Wiedererinnerungen Vollbild der PTSD Hauptemotion = Angst Symptome: › Nur diffuse Wiedererinnerungen, starke Dissoziationstendenz, Bindungsstörungen Hohe Komorbidität, komplexe PTSD Sekundäremotionen (z.B. Scham, Ekel). Eher gute Behandlungsprognose Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 29. April 2014 | 5 Schwerer zu behandeln Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 29. April 2014 | 6 3 05.05.2014 Trauma-Entwicklungsheterotopie Dissoziative und Somatoforme Störungen Schmid, Fegert & Petermann (2010) Kindheit & Entwicklung , 19 (1) 47-63 Bipolare Störungen im Kindesalter Substanzmissbrauch Affektive Störungen Störung des Sozialverhaltens Emotionale Störungen Angststörungen Nochmals genauer nachlesen? Störungen der Persönlichkeitsentwicklung Selbstverletzung Suizidalität ADHS Oppositionelles Verhalten Bindungsstörungen Regulationsstörungen Geburt Vorschulalter Traumafolgestörungen + biologische Faktoren Schulalter Pubertät Adoleszenz Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 29. April 2014 | 8 4 05.05.2014 Biologische Faktoren Genetik, prä- und perinatale Risikofaktoren Gliederung Soziale Wahrnehmung weniger soziale Kompetenzen › Was ist ein Trauma / Komplex-Trauma? › Pädagogische Herausforderungen – Komplex-Trauma PTSD: Hyperarousal, Intrusionen, Vermeidung › Warum brauchen wir eine Traumapädagogik? › Traumapädagogisches Konzept › Projektidee Störungen der Empathiefähigkeit Mentalisierung Bindungsstörung Störungen der Interaktion Störung der Impulskontrolle Selbstregulation Stresstoleranz Invalidierende, vernachlässigende Umgebung Typ-II-Traumata Selbstwert, Gefühl d. Selbstunwirksamkeit kognitive Schemata › Umsetzung / Schulung / Prozessbegleitung Störung der Emotionsregulation › Evaluationskonzept › Zusammenfassung und Diskussion Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 29. April 2014 Dissoziationsneigung/ Sinneswahrnehmung | 9 Schmid (2008) Störungen des Körperselbst Körperwahrnehmung Somatisierung Störung der exekutiven, kognitiven Funktionen | 10 5 05.05.2014 Warum eine Traumapädagogik? (I) Gliederung › Es leben extrem viele Heranwachsende mit traumatischen Lebenserfahrungen in der stationären Jugendhilfe und im Pflegekinderwesen. › Was ist ein Trauma / Komplex-Trauma? › Pädagogische Herausforderungen – Komplex-Trauma › Fremdplatzierungen in traditionellen Angeboten scheitern bei besonders traumatisierten Kindern und Jugendlichen häufig – Beziehungskontinuität ist aber für die weitere Prognose entscheidend – man benötigt Konzepte, die diesen „Systemsprengern“ gerecht werden. › Warum brauchen wir eine Traumapädagogik? › Traumapädagogisches Konzept › Man muss die Selbstwirksamkeitserwartung der Milieutherapie bei besonders belasteten Kindern erhöhen (wider dem Verschiebebahnhof) – Konzept kommt unmittelbar der pädagogischen Basis zugute und wertet deren Arbeit auf. › Projektidee › Umsetzung / Schulung / Prozessbegleitung › Evaluationskonzept › Umsetzung der Forderung des 13. Kinder- und Jugendberichtes – höhere Traumasensibilität (BMFSFJ, 2009). › Zusammenfassung und Diskussion › Zu viele Abbrüche in der Heimerziehung Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 29. April 2014 | 11 Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 29. April 2014 | 12 6 05.05.2014 Traumata Psychosoziale Risikofaktoren › 80% berichten traumatische Erlebnisse im ETI › 49% geben 3 oder mehr traumatische Erlebnisse an › 28% Sucht mindestens eines Elternteils › 30% psychiatrische Auffälligkeiten der KM › 11% KV im Gefängnis › 45% mindestens ein Schulwechsel wegen disziplinarischen Schwierigkeiten. › 50% der über 16jährigen waren vor der aktuellen Massnahme mindestens einmal fremdplatziert › 30% weisen zwei oder mehr Platzierungen auf › Traumata N=420 Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 29. April 2014 | 13 Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 29. April 2014 | 14 7 05.05.2014 Zahl der Abbrüche in der Heimerziehung Abbrüche in unserer Studie zur Heimerziehung in der Schweiz (N = 592) › Nach Statistischem Bundesamt enden regelmäßig 20% der stationären Jugend-hilfemaßnahmen im ersten Jahr ungeplant. › Viele Heranwachsende durchlaufen mehrere Fremdplatzierungen. › Je größer die psychosoziale Belastung der Jugendlichen, desto wahrscheinlicher sind Abbrüche oder schwierige Verläufe (Baur et al. 1998, Schmidt et al. 2002, MAZ.). › Die Bindungsproblematik der Betroffenen verschärft sich mit jedem weiteren Beziehungsabbruch (Schleiffer 2001, Nowacki 2007, Pérez et al. 2011, Gahleitner & Schleiffer 2010). › Heterogene Gründe und Motive › Auch in unserer Schweizer Untersuchung konnten wir 16% der Stichprobe nicht nachuntersuchen, weil die Maßnahme vorzeitig beendet wurde. Viele Beziehungsabbrüche I › Je mehr Beziehungsabbrüche und gescheiterte Hilfen in der Vorgeschichte, desto schlechter die Wirksamkeit der aktuellen Jugendhilfemaßnahme (EVAS, 2004). › Über 50% waren früher bereits fremdplatziert. › 30% weisen zwei oder mehr Platzierungen auf. › Die Zahl der Beziehungsabbrüche geht mit einer höheren Delinquenz (Ryan & Testa 2004) sowie einer stärkeren Teilhabebeeinträchtigung (Aarons et al. 2010) auf dem weiteren Lebensweg einher. › 6% fünf oder mehr!! Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 29. April 2014 | 15 Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 29. April 2014 | 16 8 05.05.2014 Beziehungsabbrüche II Irreguläres Ende der Massnahme › Jeder Wechsel ist zudem mit Ressourcenaufwand/Kosten im Jugendhilfesystem verbunden. › Zahl der Beziehungsabbrüche führt zu höheren medizinischen Folgekosten auf dem weiteren Lebensweg (Rubin et al. 2004). › Viele Beziehungsabbrüche müssen auch als unbewusste Wiederholung von innerfamiliären Beziehungserfahrungen betrachtet werden (vgl. Replikationshypothese, z.B. Schmid 2010/2012). › Viele Beziehungsabbrüche von psychisch sehr belasteten Jugendlichen gehen mit Ohnmachts-, Selbstinsuffizienz- und Selbstunwirksamkeitsgefühlen des pädagogischen Teams einher. › Die Beziehungsabbrüche belasten nicht nur Kinder/Jugendliche, sondern auch die pädagogischen Fachkräfte, die mit diesen eine emotionale Beziehung aufgebaut haben. Sie verändern die Art und Weise wie zukünftig Beziehungen zu Klienten aufgebaut werden. Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 29. April 2014 17 Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 29. April 2014 | 18 9 05.05.2014 Einfluss von psychischen Erkrankungen auf den Verlauf von Jugendhilfemaßnahmen Einfluss von psychopathischen Persönlichkeitseigenschaften Irreguläres Massnahmenende % 20 RR = 3.2 18 16 RR = 1.9 14 12 10 Häufigkeit (%) 8 RR = 1.9 6 Schmid et al. in press 4 2 0 Keine Diagnose Eine Diagnose Zwei Diagnosen Mehr als drei (n = 124) (n = 145) (n = 109) (n = 105) Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 29. April 2014 | 19 Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 29. April 2014 | 20 10 05.05.2014 Warum eine Traumapädagogik? (II) Unterstützung der pädagogischen Fachkräfte › Viele gute, traditionelle Ansätze der Heimerziehung lassen sich gut mit psychotraumatologischem Wissen begründen und dadurch in ein theoretisches Gerüst einfügen. › Traumapädagogik ist eine konzeptionelle Antwort auf die unspezifische Forderung nach immer mehr Ressourcen für die stationäre Jugendhilfe. Stärkt die Selbstwirksamkeit der Fachkräfte in der Begleitung komplex traumatisierter Heranwachsender. Martin Kühn ( 2009) › Sensibilisierung der Mitarbeiterschaft für eigene emotionale Reaktionen zum Schutz vor traumatischen Reinszenierungen. Gewisser Schutz vor Grenzverletzungen durch Fachkräfte. › Arbeitszufriedenheit der pädagogischen Fachkräfte in der stationären Jugendhilfe erhöhen und Arbeitsbelastung /-leistung wertschätzen – psychotraumatologische Begründung für Belastung. Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 29. April 2014 | 21 Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 29. April 2014 | 22 11 05.05.2014 Warum eine Traumapädagogik? Schutz vor ausagierten Gegenübertragungen und Grenzverletzungen in der Jugendhilfe Beziehungsdiskontinuität durch Personalfluktuation › Aus der öffentlichkeitswirksamen Diskussion um Grenzverletzungen durch Professionelle folgen bisher wenig inhaltliche und strukturelle Konzepte für die Prävention (vgl. Fegert & Wolf 2002, Fegert 2010, 2011, Schmid & Fegert 2014). › Heimerziehung als Durchgangsberuf (Schoch, 2003). › Heimerziehung - Beruf oder Profession gesellschaftliche Aufwertung der sozialpädagogischen Arbeit. › Sensibilisierung und Vorbereitung der Fachkräfte auf die „Beziehungsfallen“ der Kinder notwendig. › Stationäre Jugendhilfe ist ein sehr anspruchsvolles und extrem belastendes Berufsfeld. › Hohe Fluktuation der besten Fachkräfte in ambulante Hilfen und geregelte Tagesabläufe. › Fachkräfte, die mit traumatisierten Menschen arbeiten, brauchen kontinuierliche Unterstützung und Reflektion (Schutz vor sekundärer Traumatisierung). Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 29. April 2014 › Strukturen, die den „sicheren Ort“ gewährleisten, sensibilisieren schützen die Kinder und Mitarbeiter (Leeners, Bässler, Schmid 2013). for my youth welfare institution › Sensibilisierung dafür, die eigene emotionale Reaktion und Belastung zu reflektieren, könnte vermutlich einen Beitrag zur Prävention leisten. › Auch die persönlichen Grenzen von sozialpädagogischen Fachkräfte werden häufig verletzt. | 23 Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 29. April 2014 | 24 12 05.05.2014 Erlebte Grenzverletzung Selbstbericht der sozialpädagogischen Fachkräfte Erlebte Grenzverletzung Selbstbericht der sozialpädagogischen Fachkräfte Anzahl pro Person 25% Von Fachkräften berichtete Grenzverletzungen N = 298 90% 80% 21,9% 80% 20% 70% 60% 54% 50% 40% 30% 20% 10% 16,2% 41% 16,2% 14,8% 15% 29% 22% mind. 5 unterschiedliche Erlebnisse 25% 14% 10% 10% 9% 9% 9% 0% 6% 6% 3% 2% 2% 1% 10% 0% 9,1% 6,4% 6,1% 5% 3,4% 2,4% 2,4% 1,0% 0,3% 0% 0 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 91% mind. 1 Erlebnis *Mehrfachnennungen möglich Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 29. April 2014 1 | 25 Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 29. April 2014 | 26 13 05.05.2014 Warum eine Traumapädagogik? (III) Jugendhilfepolitische Themen Warum eine Traumapädagogik? (IV) Konzeptionelle Begründung von Ressourcen › Verändert die gesellschaftliche Perspektive auf Heranwachsende, die der Gesellschaft viele Probleme (Delinquenz, Obdachlosigkeit, Sucht, Prostitution, …) machen und viele psychosoziale Hilfsangeboten nicht nutzen können oder darin scheitern. › Gute Begründung für den sinnvollen und gezielten Einsatz von ausreichend Ressourcen in der Heimerziehung. › Liefert eine selbstwertsteigernde Sprache für das was pädagogische Fachkräfte im Alltag leisten. › Wissenschaftliche, psychotraumatologische und neurobiologische Begründung für viele klassische, milieutherapeutische Konzepte. › Die Traumapädagogik liefert wichtige Ansatzpunkte für eine spezifische und gezielte Förderung im Rahmen der Milieutherapie. Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 29. April 2014 | 27 › Argumentation für mehr Ressourcen erfolgt nicht durch Überlastung, sondern auf Basis von wissenschaftlichen Erkenntnissen (z.B. Phänomen der sekundären Traumatisierung), die zeigen, warum der Job derart belastet (konzeptionelle Begründungen statt unspezifische Forderung nach mehr). › Mehr Ressourcen und die Sicherung einer ausreichenden Psychohygiene sind keine Anzeichen eines mangelnden Leistungswillens sondern ein entscheidendes Qualitätsmerkmal einer beziehungsorientierten Pädagogik. Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 29. April 2014 | 28 14 05.05.2014 Traumapädagogik: Korrigierende Beziehungserfahrung Traumapädagogische Haltung Gliederung Traumapädagogisches Konzept Traumatisierendes Umfeld Traumapädagogisches Milieu › Unberechenbarkeit › Transparenz /Berechenbarkeit › Einsamkeit › Beziehungsangebote › Nicht gesehen/gehört werden › Beachtet werden/wichtig sein › Geringschätzung › Wertschätzung (Besonderheit) › Bedürfnisse missachtet › Bedürfnisorientierung › Ausgeliefert sein – andere bestimmen absolut über mich › Mitbestimmen können Partizipation › Leid › Freude „Man ist dort zu Hause, wo man verstanden wird.“ Indianisches Sprichwort Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 29. April 2014 | 29 Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 29. April 2014 | 30 15 05.05.2014 Grundidee zur Analyse von Problemverhalten Vom Du zum Wir – Überspitzt das klassische Modell Grundidee zur Analyse von Problemverhalten Vom Du zum Wir – Überspitzt das klassische Modell Kind muss sich verändern Erziehungsmassnahmen zur Veränderung Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 29. April 2014 Erziehungsmassnahmen zur Veränderung | 31 Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 29. April 2014 | 32 16 05.05.2014 Grundidee zur Analyse von Problemverhalten Vom Du zum Wir Grundidee zur Analyse von Problemverhalten Vom Du zum Wir Die Beziehung und Beziehungsfähigkeit soll sich verbessern Interaktion pädagogische Begegnung Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 29. April 2014 Interaktion pädagogische Begegnung | 33 Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 29. April 2014 | 34 17 05.05.2014 Mitarbeiter als Teil des pädagogischen Konzeptes Neue Beziehungserfahrungen führen zu Veränderung › Traumatisierte Kinder lösen bei professionellen Helfern intensivste Gefühle aus - Phänomen der sekundären Traumatisierung. › Letztlich ist für die Frage, ob ein Kind nach einer Eskalation auf einer Wohngruppe verbleiben und gehalten werden kann, nicht das Problemverhalten, sondern die Tragfähigkeit des pädagogischen Teams ist entscheidend. › Nur „stabile, sichere Mitarbeiter“ können in Krisensituationen stabilisieren und deeskalieren. › Mitarbeiter benötigen in Krisensituationen ähnliche innerpsychische Fertigkeiten (natürlich auf viel höherem Niveau), wie die Kinder (Emotionsregulation, Resilienzfaktoren). › Sowohl die Heranwachsenden als auch die Mitarbeiter brauchen letztlich einen sicheren Ort, an dem sie sich selbstwirksam erleben. Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 29. April 2014 | 35 Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 29. April 2014 | 36 18 05.05.2014 Schmid (2010/2011) Haltungselemente Ebene des Kindes Unbedingte Wertschätzung Wertschätzung Ebene der Mitarbeiter der Überlebensleistung Wertschätzung der Arbeitsleistung und und der Besonderheit des Kindes. Institution "Guter Grund" Hinter jedem Persönlichkeit. Problemverhalten und Hinter Fehlverhalten oder Widerstand Widerstand des Kindes steckt ein "guter eines Grund". Die Bedürfnisse Mitarbeiters zugrundeliegenden Grund". müssen beachtet steckt Die und Bedürfnisse "ein guter zugrundeliegenden müssen beachtet und "versorgt" werden, um ein Gefühl von "versorgt" werden. Sicherheit wieder zu erlangen. Individualisierung Jedes Kind benötigte eine andere Es kann unterschiedliche Erwartungen an Förderung und es darf nicht über- und Mitarbeiter unterfordert werden. Auf die Bedürfnisse braucht der Kinder wird individuell eingegangen. Leitung „Versorger„ „Fachdienst“ „Gruppenpädagogen“ Kind Achtsamkeit Achtsamkeit auf Anzeichen Über- Wichtige Mitarbeiter Form der Unterstützung. und Out, Symprome von Burn- Unzufriedenheit, Über- und Unterforderung. Entscheidungen Regelungen Jeder andere Spannungszustände, Achtsamkeit auf von Unterforderung. Partizipation geben. eine werden und Wichtige Entscheidungen gemeinsam Regelungen werden und gemeinsam ausgehandelt. Das Kind darf, wo immer ausgehandelt. Mitarbeiter können, wo möglich, (mit)entscheiden. Ziel ist das Erleben Selbstwirksamkeit. Externe Hilfen: Kollegiale Intervision/ Supervision/ Coaching/ Verband Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 29. April 2014 immer möglich, (mit)entscheiden. von Ziel ist das Erleben von Selbstwirksamkeit. | 38 19 05.05.2014 Der sichere Ort Haltung Sicherer Ort Konzept des sicheren Ortes Sicherer Ort = Äussere Sicherheit + Innere Sicherheit Nur ein „sicherer Ort“ erlaubt es, die hochwirksamen Überlebensstrategien aufzugeben und alternative Verhaltensweisen zu erlernen. Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 29. April 2014 | 39 Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 29. April 2014 | 40 20 05.05.2014 Traumapädagogische Matrix (Lang et al. 2009) Ebenen des sicheren Ortes Kinder/ Klienten Abläufe/ Strukturen Ansatzpunkte › Verbesserung der Fertigkeiten der Emotionsregulation. › Verbesserung der Sinnes- und Körperwahrnehmung – Reduktion der Dissoziationsneigung. › Selbstfürsorge Mitarbeiter › Aufbau von positivem Selbstbild, Selbstwirksamkeit und sozialen Fertigkeiten (inkl. Verbesserung der Stresstoleranz). › Erarbeitung von dynamischen Resilienzfaktoren. Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 29. April 2014 | 41 Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 29. April 2014 | 42 21 05.05.2014 Fazit: Traumapädagogik Es geht mehr um eine traumasensible Haltung, als um Techniken und Methoden Einleitung Implementierung von Traumapädagogik „Haltung ist eine kleine Sache, die einen großen Unterschied macht.“ & Sir Winston Churchill http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:Churchill_V_sign_HU_55 521.jpg&filetimestamp=20080414235020 Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 29. April 2014 | 43 Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 29. April 2014 | 44 22 05.05.2014 Was haben wir aus dem ersten Traumapädagogik-Projekt gelernt Projektbestandteile › Es gab ein erfolgreiches Projekt - weniger intensives Pilotprojekt mit vier Schulungsterminen und einer Prozessbegleitung durch Birgit Lang für fünf Wohngruppen, aus welchem wir viel gelernt haben. Fachwissen 1. Bereits für die Schulungen der Teams wird mehr Zeit benötigt, um Haltungsthemen gemeinsam entwickeln zu können - schlanke, den Prozess abbildende Evaluation, um Teams zu entlasten. Funktionsträger spezifische Seminare 2. Die Versorgerebene muss, bevor das Team mit seinem Prozess beginnt, ihre Rolle finden, eine Chance haben, sich mit den Strukturen auseinanderzusetzen und spezifische Fertigkeiten zu entwickeln - Aspekt der Organisationsentwicklung. Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 29. April 2014 Erfahrungswissen Eng angeleiteter und unterstützter interner Umsetzungsprozess (Klausurtage/Prozessbegleitung) Traumapädagogisches Konzept 3. Die Verantwortung für den Entwicklungsprozess liegt bei den Institutionen und muss während des ganzen Prozesses dort verbleiben - Rollenkonflikte drohen, wenn ein Dozent die Prozesse begleitet - Aspekt der externen Prozessbegleitung. 4. Die Institutionen sowie deren Funktionsträger brauchen über das Projekt hinaus eine Unterstützung für diesen Haltungsentwicklungsprozess. Dieser sollte eine ressourcenorientierte Reflektion ihrer Einrichtung und einen intensiven Austausch mit anderen Institutionen auf dem „traumapädagogischen Weg“ beinhalten (Steuerungsgruppe). Selbststudium Ressourcen Institutionsinterne Ressourcen & Erfahrungen Vernetzung mit anderen Institutionen & Arbeitsgemeinschaften Reflektion Erkenntnisse aus der Evaluation | 45 23 05.05.2014 Die Bausteine und ihr Zusammenspiel Ton - Verarbeitung - Unterschiedliche Endprodukte Schulungen Prozessbegleitung Erfahrungen aus der Umsetzung von traumapädagogischen Konzepten Umsetzung Funktionsträgerspezifische Aufgaben bezüglich der Pädagogik des sicheren Ortes – bedeutsam für Umsetzungsprozess. Prozess braucht ausreichend Zeit und muss engmaschig begleitet werden! Vermittlung von traumapädagogischen Methoden und Haltungen an die Fachkräfte im Gruppendienst Leitung, Beratung, Unterstützung («Versorgung») der Mitarbeiter und Aufbau von förderlichen Strukturen in der Institution Mindestens vierjähriges traumapädagogisches Qualifizierungskonzept mit Leitungs-/Versorgerebene Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 29. April 2014 | 47 Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 29. April 2014 | 48 24 05.05.2014 Funktionsträgerspezifische Weiterbildung – zwei Termine für Teams Prozess in den Institutionen Prozessbegleitung und Klausurtage Vorteile: Nachteile: 1. Gezielte Vermittlung von funktionsträgerspezifischen Kompetenzen und Haltungen (Gesprächsführung) 1. Austausch über Funktionsträger hinweg in den Seminaren nicht möglich. › Die Begleitung institutionsinterner Prozesse sind zentraler Bestandteil und wichtige Wirkfaktoren des Gesamtprojektes. 2. Sensibilisierung für Nöte und Aufgabenbereiche der Ebenen kann „nur“ vermittelt werden. › Nach den Teamschulungen wird gemeinsam mit der Leitungsund Versorgungsebene die konkrete institutionelle Umsetzung in diesen Klausurtagen reflektiert, diskutiert und realisiert. 2. Zeitgewinn, um Einrichtungsstrukturen anpassen zu können. 3. Gewisser Wissensvorsprung für Leitungsebene und Beratungsebene 3. Institutionsebene fehlt - interne Klausurtage als ökonomischere und intensivere Alternative. 4. Gezielter Einsatz der Zeit in den Seminaren (Konzeption, detaillierte Interventionen) 4. Umsetzung kann in den Seminaren nicht zu Ende diskutiert werden. 5. Peergruppe - größere Offenheit 5. Etwas höherer Organisationsaufwand für die Tagungen. 6. Praktische Erwägung (gute Gruppengrößen, Gruppendienste, Ersatztermine, zwei Orte, Zeit etc.) 6. Spannungsbogen muss länger gehalten werden. Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 29. April 2014 | 49 › Die Klausurtage werden von den Prozessbegleiterinnen und den Prozessverantwortlichen gemeinsam vor- und nachbereitet. › Diese Klausurtage werden von den Prozessbegleiterinnen moderiert und dokumentiert. Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 29. April 2014 | 50 25 05.05.2014 Gliederung Evaluation zur Überprüfung und Optimierung Evaluation Verschiedene Ebenen der Evaluation Epidemiologische Beschreibung der betreuten Kinder und Jugendlichen › Forschung sollte möglichst direkt der Implementierung zugutekommen (Action Research). › Die Datenerhebung sollte in den pädagogischen Alltag gut integrierbar sein. Qualitative Evaluation › Forschung sollte auf individueller Ebene dem Fallverständnis dienen. › Synthese aus klassisch medizinischpsychotherapeutischen und sozialpädagogischen Forschungsmethoden . http://www.service-by-paul.de/images/erfolg.jpg Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 29. April 2014 | 51 Prozesshafte Beschreibung der Veränderungen auf allen Ebenen Praxisorientierte Evaluation Veränderungsmessung Kombination aus Quantitativen und qualitativen Methoden Ebene der Kinder Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 29. April 2014 Ebene der Mitarbeiter | 52 26 05.05.2014 Fazit & Schlussfolgerungen › Traumatisierungen sind in der stationären Jugendhilfe eher die Regel als die Ausnahme. › Komplex traumatisierte Kinder und Jugendliche haben einen spezifischen pädagogischen Bedarf und scheitern oft in den herkömmlichen Angeboten der stationären Jugendhilfe. › Chronisch traumatisierte Kinder benötigen eine spezifische Förderung, da sie in ihren Herkunftssystemen grundlegende Fertigkeiten nicht erlernen konnten. › Die Arbeit mit schwer traumatisierten Kindern ist sehr belastend und die Mitarbeiter benötigen hierzu besonders intensive Unterstützung und geeignete Strukturen, die ihre Selbstwirksamkeit erhöht und Sicherheit gibt. › Elemente einer Traumapädagogik helfen allen fremdplatzierten Kindern. Die Wirkungen und Kosteneffizienz müssen konsequent evaluiert werden, um die „Traumapädagogik“ kontinuierlich weiterzuentwickeln. Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 29. April 2014 | 53 Fazit und Schlußfolgerungen Bezüglich der Implementierung von traumapädagogischen Konzepten › Zentrales Ziel ist die Haltungsänderung, sowie ein fokussierter Blick auf die Interaktion zwischen sozialpädagogischen Fachkräften und ihren KlientInnen. › Menschen, die mit traumatisierten Menschen arbeiten, brauchen hierfür eine strukturell in den Einrichtungen verankerte Unterstützung auf administrativer, fachlicher und emotionaler Ebene. › Ein erfolgreicher traumapädagogischer Implementierungsprozess umfasst eine Haltungsänderung von allen Mitarbeitern der gesamten Wohngruppe/Institution. › Evaluation muss schlanker werden und den Prozess abbilden - Methodenmix mit Fokus auf qualitative Auswertung. › Die zentralen Aspekte des Projektes: › Die Schulungen, die Prozessbegleitung, die Evaluation werden Ihnen in den nun folgenden drei Vorträgen von meinen Kollegen vorgestellt. Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 29. April 2014 | 54 27 05.05.2014 Kontakt und Literatur Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit „Wege entstehen dadurch, dass man sie geht“ Franz Kafka Folien unter: www.EQUALS.ch Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 29. April 2014 Marc Schmid Kinder- und Jugendpsychiatrische Klinik Schanzenstrasse 13, CH-4056 Basel 0041 (0)61 265 89 74 [email protected] www.equals.ch www.upkbs.ch | 55 Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 29. April 2014 | 56 28