Primärprophylaxe Trinken aus dem offenen Becher *) Andrea Thumeyer, Andrea Städtler, Mary Ann Bolten, Stefan Zimmer Die Zahngesundheit im Milchgebiss hat sich in den letzten 15 Jahren je nach Bundesland um bis zu 43,5% verbessert (1). Allerdings ist die Verbesserung nicht annähernd so beeindruckend wie die bei den 12jährigen, wo im gleichen Zeitraum eine durchschnittliche Verbesserung der Zahngesundheit von über 70% erzielt wurde. Außerdem weisen immer noch 45,1% der 67jährigen Kinder kein kariesfreies Milchgebiss auf (1). Neben der typischen Karies an den bekannten Prädilektionsstellen der Milchzähne stellt die „Early Childhood Caries (ECC) bei Kindern bis Schuleintritt eine besondere Herausforderung dar. Die Prävalenz der ECC liegt in Deutschland in Abhängigkeit von der sozialen Lage zwischen 7,3 % und 20,3% (2). Als Ursachen für die Entstehung von Karies im Milchgebiss bzw. als Gründe für einen gesunden Kindermund werden in den Veröffentlichungen führender Fachgesellschaften (u.a. Leitlinie European Academy of Pediatric Dentistry (EADP) (3) und American Academy of Pediatric Dentistry (AAPD) (4)) neben soziokulturellen und ökonomischen Gründen folgende elterlichen Verhaltensweisen genannt: 1. Eltern, die früh mit der Zahnpflege bei ihrem Kind beginnen und die Zähne ihres Kindes regelmäßig sauber putzen, verhalten sich kariespräventiv, ihre Kinder haben deutlich weniger oder keine Karies. 2. Eltern, die früh mit ihrem Kind eine Zahnarztpraxis aufsuchen, erhöhen die Chancen ihres Kindes auf ein gesundes Milchgebiss. *) Langversion des Artikels Thumeyer A., Städtler A., Bolten M. A., Zimmer S.:"Primärprophylaxe: Trinken aus dem offenen Becher", zm 19/2011 vom 01.10.2011, S. 102 - 106 3. Eltern, die insbesondere in der Nacht ihrem Baby das Fläschchen mit zuckerhaltigem Inhalt zum Dauernuckeln überlassen, gefährden die Zahngesundheit ihres Kindes erheblich. Die Kombination mit unzureichender, zeitweise fehlender oder ganz fehlender Zahnpflege durch die Eltern führt extrem schnell zu Karies im Milchgebiss (5, 6, 7). Das ständige Nuckeln an der Säuglingsflasche hat trotz Aufklärung der Eltern in den letzten Jahren offenbar zu statt abgenommen. Warum nehmen Eltern die Warnungen der Zahnmediziner nicht ernst? Vielleicht weil das Zahnarztteam die Säuglingsflasche häufig einfach verbietet ohne den gestressten Eltern, die diese zur Beruhigung ihrer Kinder einsetzen, eine Alternative aufzuzeigen. Vielleicht weil zahnärztliche Prophylaxestrategien das Verbot der Flasche mit der Verhinderung von Milchzahnkaries begründen, was bei vielen Eltern auf Grund fehlenden oder falschen Wissens um die Bedeutung der Milchzähne, abhängig von der sozialen Schicht (7), keine Verhaltensänderung auslöst, denn sie sind der Meinung, dass Milchzähne sowieso ausfallen und dass man sich daher um Milchzähne nicht kümmern muss. Oft denken Eltern auch, dass Milchzähne keine Zahnschmerzen verursachen. Sie fallen ja ohne Wurzeln aus. Dagegen wird das Trinken aus der Flasche mit positiven Aspekten und vermeintlichen Vorteilen wie „Das Kind beruhigt sich, es kann selbstständig trinken, schläft nachts wieder ein.“ verknüpft. Die möglichen Nachteile für die kindliche Entwicklung sind hingegen oft nicht bekannt. Darunter fallen z.B. die gestörte Nachtruhe, die offene Mundhaltung sowie die Mundatmung mit der Folge einer 40% niedrigeren Sauerstoffversorgung jeder einzelnen Körperzelle, wodurch Aktivität und Konzentration von Kindern eingeschränkt sein können. Ein offener Biss, häufig kombiniert mit einer eingeschränkten Abbeiß- und Kaufähigkeit des Kindes sowie weiterer Kiefer- und Zahnfehlstellungen können sich negativ auf die Sprechentwicklung und Sprachbildung auswirken. Und last but not least kann das Dauernuckeln die extrem aggressive Karies mit vielfach vorzeitigem Milchzahnverlust, insbesondere im Oberkiefer verursachen. Zahnschmerzen behindern eine ausgewogene, kauaktive Ernährung der Kinder, Abszesse können nachfolgende bleibende Zähne schädigen und sogar die Allgemeingesundheit des Kindes gefährden. Frühzeitig verloren gegangene Milchzähne stellen neben den bekannten kieferorthopädischen (Platzhalterfunktion der Milchzähne) auch Probleme für das Aussprechen addentaler Laute dar. Sie wirken sich negativ auf das physische und soziale Wohlbefinden des Kindes aus, das wegen fehlender Frontzähne von seinen Altersgenossen nur zu oft gehänselt wird. Es gibt also viele gute Gründe für Eltern, die Entstehung einer durch Dauernuckeln verursachten Karies im Milchgebiss verhindern zu wollen. Im folgenden Text soll das Problem des Dauernuckelns ganzheitlich betrachtet werden. Daraus werden Argumente und Strategien für eine erfolgreiche Elternberatung für das Trinken aus dem offenen Becher abgeleitet, wodurch die (Zahn)Gesundheit von Säuglingen und Kleinkindern nachhaltig gefördert wird. Grundlagen einer physiologischen Trinkkoordination Die Trinkkoordination ist eine sehr komplexe Leistung aller beteiligten orofazialen Strukturen, in dessen Mittelpunkt die Zunge steht. Die Zunge übt passive und aktive Funktionen aus. Als passiv bezeichnet man die physiologische Zungenruhelage bzw. Ruheposition. In der korrekten Ruhelage berührt das vordere Zungendrittel den Gaumen hinter den oberen Frontzähnen (siehe Abb.1). Dort liegt der dickste Anteil des Alveolarfortsatzes und über ihm die Papilla incisiva, der „Schlafplatz“ der Zunge. Die Zunge dichtet die Mundhöhle ab, wodurch die Nasenatmung gefördert wird. Im Zusammenspiel mit den geschlossenen Lippen wird ein Unterdruck erzeugt. Abb. 1: physiologische Zungenruhelage Von dieser Position starten die aktiven Funktionen der Zunge: das Saugen Flüssigkeit in den Mund und das eigentlichen Schlucken. Es gibt drei Phasen des Schluckens: 1. die orale, bewusst und willkürlich; 2. die pharyngeale, bewusst und unwillkürlich, und 3. die ösophageale, unbewusst und unwillkürlich (8). Nur die erste, die orale Phase, ist zu beeinflussen. Diese unterteilt sich in vier weitere Stufen. Stufe 1.1: Das Vorderteil der Zunge drückt, um zu stabilisieren. Stufe 1.3: Der Mittelteil der Zunge saugt. Speichel, Speise und Flüssigkeiten werden nach hinten transportiert. Stufe 1.2: Die Kaumuskeln spannen an, um die Zahnreihen zu okkludieren. Der Unterkiefer ist am Oberkiefer fixiert. Stufe 1.4: Der hintere Teil der Zunge wölbt sich. Der weiche Gaumen wird hoch gedrückt, um den Nasenweg zu blockieren. (nach Daniel Garliner, Bilder Bolten) der Reifungsprozesse in den ersten Lebensjahren Alle Teilfunktionen unterliegen in den ersten Lebensjahren Reifungsprozessen. Bei der Geburt füllt die Zunge die ganze Mundhöhle aus. Sie berührt den Gaumen, den Mundboden und die mit Fett gepolsterten Wangen und liegt zwischen den Zahnkanten. Da der Bewegungsraum durch anatomische Bedingungen eingeschränkt ist, saugt das Neugeborene mit einer Vorwärtsbewegung der Zunge. Mit Hilfe des Buccinatormechanismus werden Flüssigkeiten und Nahrung weitertransportiert. Zu diesem Zeitpunkt sind die Zungenruhelage und die Zungenfunktionen anatomisch bedingt (10). Das sogenannte unreife Saugmuster und unreife Schluckmuster ( auch infantil oder viszeral genannt) hält etwa 4-9 Monate an. Durch das Wachstum gewinnt die Zunge an Platz. Mit dem Durchbruch der Zähne nimmt die vertikale Dimension zu. Der Unterkiefer wächst nach unten und nach vorne. Der Hals wird länger. Das Zungenbein senkt sich ab. Die Zunge nimmt eine Rücklage ein. Was für das Neugeborene eine reflexive Zungenbewegung war, wird beim größeren Kind zunächst durch Versuch und Irrtum geübt, da Schlucken und Sprechen erlernte Prozesse sind. Wenn das neuromuskuläre System reift, verbessert sich die Koordination, Form und Funktion beeinflussen sich gegenseitig. Mit Hilfe der richtigen Reize (z.B. Stillen, Kauen und Lautbildung, Gebrauch von Löffel und Tasse) lässt das natürliche Saugbedürfnis üblicherweise nach. Die unreifen Muster werden vom reifen Saugmuster und vom reifen Schluckmuster (auch somatisch oder selektiv genannt) abgelöst. Die Umstellung vom viszeralen auf das somatische Schluckmuster ist kein linearer Vorgang. Das Kind wechselt zwischen beiden Schluckmustern hin und her. Die Altersangaben für das stabile reife Schluckmuster schwanken in der Literatur stark. Es wird jedoch allgemein akzeptiert, dass ein viszeraler Schluckvorgang mit zehn Jahren außerhalb des Normbereiches liegt (11). Ätiologie und Folgen einer gestörten Trinkkoordination Als Ursache für Zungendysfunktionen können organisch bedingte Faktoren (Mißbildung, Krankheit, neuromuskuläre Störungen) von funktionell bedingten, z.B. Daumenlutschen unterschieden werden. Wird der Zeitpunkt, an dem das Saugbedürfnis physiologisch nachlässt, verpasst, wird durch das ständige Nuckeln an der Säuglingsflasche (Schnabeltasse, Trinklernbecher, Trink-Cap oder Schnuller bzw. Daumen) das unreife Saugmuster beibehalten. Die entwicklungsphysiologische Umstellung vom viszeralen Schluckmuster somatische Schluckmuster wird verzögert oder sogar verhindert. auf das Alle diese Gegenstände machen die anterocraniale Positionierung der Zunge an der Papilla incisiva unmöglich. Sie drücken die Zunge nach caudal, so dass sie weder in der Ruhelage noch beim Schlucken ihren physiologischen „Arbeitsplatz“ einnehmen kann. Abb. 2: falsche Zungenruhelage Der unphysiologische Schluckvorgang ist ebenfalls in vier Stufen zu betrachten: Stufe 2.1: Der vordere Teil der Zunge drückt aus der (falschen) Ruhelage gegen oder zwischen die Zähne. Stufe 2.2: Da die Zunge sich zwischen den Zähnen befindet, wird die funktionelle Spannung der Kaumuskeln vermieden. Es fehlt der Zahnkontakt. Stufe 2.3: Der mittlere Teil der Zunge ist kollabiert Stufe 2.4: Der hintere Teil der Zunge wird von den (die Masse des Gewebes ist mit seinem Schwerpunkt zu weit vorne). Kompensatorisch übt der Musculus mentalis mit der Zunge einen Pseudosaugeffekt für den Transport aus. anderen Anteilen nach vorne gezogen. Um den Atemweg abzudichten, müssen akzessorische Muskeln adaptiv kontrahieren. Diese Muskeln wirken als ein Netzwerk und kooperieren, um eine Aspiration zu verhindern. (nach Daniel Garliner, Bilder Bolten) Tabelle 1 beschreibt die Auswirkungen auf das orofaziale System: in Spalte 1 bei Persistieren eines unreifen oder viszeralen Schluckmusters, in Spalte 2 bei einer regelrechten Entwicklung der Zungenlage und des somatischen Schluckmusters. Beibehalten des viszeralen Schluckens durch Dauernuckeln (Flasche, Trinklernhilfe, Schnuller u.ä.) Entwicklung des funktionellen Schluckens durch Stillen und Trinken aus dem Becher - falsche Zungenruhelage ( im UK niedrig und anterior, ein- oder beidseitig zwischen den Zahnreihen, siehe Abb. 2) - ineffizientes Schlucken siehe Stufe 2.1 bis Stufe 2.4 - physiologische Zungenruhelage (vorderes Zungendrittel am Gaumen dorsal der OKFrontzähne, ohne Zahnkontakt, siehe Abb. 1) - physiologisches Schlucken siehe Stufe 1.1. bis 1.4 Auswirkungen auf die Umspülung der Zähne mit Speichel Der Speichel wird von den OK-Frontzähnen weggesogen und die Zähne werden von der Trinkfllüssigkeit umspült. Der Speichel wird gegen die OK-Frontzähne gepresst und die Trinkflüssigkeit schneller an den Oberkiefer-Frontzähnen vorbeigeführt. 2. Kariesrisiko Kein Speichel an den Zähnen = kein schützender Speichelfilm auf den Zähnen hohes Risiko für frühkindliche Karies bei fehlender elterlicher Zahnpflege. Schützender Speichelfilm auf den Zähnen in Kombination mit elterlicher Zahnpflege Zahngesundheit. 3. Oberkieferwachstum und Entwicklung der Nasenbasis Fehlender Wachstumsimpuls auf den Oberkiefer durch Caudallage der Zunge der Oberkiefer ist schmal (gotischer Bogen) häufig kombiniert mit Zahnfehlstellungen und schmaler Nasenbasis. Der Druck der Zunge gegen den Gaumen ist ein Wachstumsimpuls für den Oberkiefer: Der Oberkiefer ist gut entwickelt (romanischer Bogen), die Zähne stehen richtig und die Nasenbasis ist breit. 1. Zungenlage 4. Lippenmuskulatur - schlaffere Lippenmuskulatur, geöffnete Lippen fördert Mundatmung geschlossener Mund (durch aktiven Ringmuskel der Lippen) fördert Nasenatmung 6. Mundschleimhaut Erhöhtes Infektionsrisiko durch Austrocknung der Schleimhäute. Befeuchtete Schleimhäute schützen vor Infektionen. 5. Kaumuskulatur - zum Schlucken wird hilfsweise die Gesichtsmuskulatur statt der Kaumuskulatur eingesetzt. „Kaufaule“ = ungeübte Kinder, verschlucken sich häufig an kleinen Stückchen. - zum Schlucken werden die Kaumuskel aktiv = mindestens 600mal am Tag trainiert. Kinder sind kauaktiv = Kauen bahnt das funktionelle Schlucken (=Vorstufe Sprechen). 5. Atmung Die schmale Nasenbasis behindert die Nasenatmung fördert Mundatmung geringere Sauerstoffaufnahme. Ausreichend breite Nasenbasis erlaubt eine gute Durchlüftung, Reinigung und Anfeuchtung der Luft fördert Nasenatmung es kommt mehr Sauerstoff in jeder Körperzelle an. 7.Sprechentwicklung Fehlender Mundschluss ist ein logopädisches Problem: Sprachentwicklung und Artikulation sind gestört. Mundschluss wird beim Schlucken geübt, wodurch eine normale Sprechentwicklung und klare Artikulation gefördert wird. Tabelle 1. Von Anfang an können Kinder das Trinken aus dem Becher üben, mit etwa 1 8 Monaten können sie sicher aus einem Becher trinken, wodurch die Entwicklung der richtigen Zungenlage und des Mundschlusses gefördert und das funktionelle Schlucken eintrainiert wird, welches etwa im 3.- 4. Lebensjahr stabil verankert ist. Entwicklung eines gesunden Kindermundes durch Förderung einer physiologischen Trinkkoordination durch das Trinken aus einem offenen Becher Von Anfang an können Kinder das Trinken aus dem Becher üben. Denn bereits im Mutterleib hat das Ungeborene beim Trinken des Fruchtwassers das Schlucken geübt. Die Beratung der Schwangeren sollte die Informationen zum Trinken aus dem offenen Becher beinhalten, denn zu jedem späteren Zeitpunkt kann das elterliche Fehlverhalten und die Spirale des Dauernuckelns ihren Anfang genommen haben. Damit wird aus einem gesundheitsförderlichen Entwicklungs- und Erziehungszieles aus der Chance für eine gesunde Entwicklung von Anfang an Umweg bzw. ein Weg, auf dem umgelernt werden muss. Auf diesem Weg des Trinkenlernens kann das zahnärztliche Team Eltern mit den Informationen und praktischen Tipps aus dem Elternfaltblatt „Vom Löffel essen – aus dem Becher trinken“ unterstützen. „Vom Löffel essen – aus dem Becher trinken“ Am Anfang des Lebens ist Essen und Trinken eins. Ihr Kind stillt seinen Hunger und seinen Durst mit Milch. Dabei saugt es die Milch aus der Brust oder der Flasche. Mit Einführung der Beikost (5. - 7. Monat) hat Ihr Kind einen neuen Entwicklungsschritt erreicht. Nun übt es das eigentliche Essen und Trinken. So wie Ihr Kind sich löffelweise an den Brei gewöhnt, so gewöhnt es sich auch schlückchenweise an das Trinken aus dem offenen Becher. Bleiben Sie also gelassen und seien Sie geduldig mit Ihrem Kind. Die meisten Kinder können es mit einem Jahr schon ganz gut und spätestens mit etwa 18 Monaten wird Ihr Kind sicher aus dem Becher trinken können. Bieten Sie Ihrem Kind ab dem ersten Brei eine Tasse, ein Glas oder einen offenen Becher mit Wasser an. Der Rand sollte nicht zu dick sein. Probieren Sie aus, womit Ihr Kind am besten zurecht kommt. Ein kleiner Plastikbecher eignet sich genauso gut wie ein Schnapsglas oder eine Puppentasse. Kinder lernen beim Spielen Legen Sie einen Plastikbecher in die Spielzeugkiste. Hier kann Ihr Kind den leeren Becher von allen Seiten untersuchen und bald werden Sie sehen, wie Ihr Kind Sie imitiert und den leeren Becher zum "Trinken" an den Mund führt. Geben Sie einen Becher mit in die Badewanne. Sobald Ihr Kind sitzen kann, darf es hier so oft es will ausprobieren, was passiert, wenn ein voller Becher umkippt. Kinder brauchen Unterstützung Lassen Sie Ihr Kind in einer stabilen Lage das Trinken üben. Je besser der Körper und das Köpfchen Ihres Kindes abgestützt ist, umso leichter arbeiten Kiefer, Zunge und Lippen Ihres Kindes beim Trinken zusammen. Ihrem Kind fällt im 6. – 8. Monat unter Umständen das Trinken in halb liegender Position leichter als in sitzender Position. Vermeiden Sie ein Überstrecken des Köpfchens. Der Kopf Ihres Kindes sollte immer leicht nach vorne geneigt sein, sein Kinn mit Ihrer Hand leicht stabilisiert werden. Ein Lätzchen oder Tuch verhindert, dass die Kleidung nass wird. Lassen Sie nach jedem Schlückchen den Becher am Mund Ihres Kindes. Ziehen Sie den Becher also nicht weg. Das hat gleich zwei Vorteile: Sollten die Lippen Ihres Kindes den Becher noch nicht ausreichend fest umschließen, läuft das restliche Wasser wieder zurück in den Becher. Möchte Ihr Kind einen weiteren Schluck nehmen, muss es nicht erneut an den Becher „andocken". So kann Ihr Kind zügiger trinken. Lassen Sie Ihr Kind häufig üben. Zum Beispiel bei den Mahlzeiten am Familientisch oder in der Krippe zusammen mit den anderen Kindern, beim Baden in der Badewanne oder im Sommer überall. Der Becher sollte dabei maximal halbvoll sein. Unterwegs trinken Nehmen Sie für unterwegs eine kleine Wasserflasche mit Drehverschluss mit. Auch sehr kleine Kinder können schon aus einer normalen Wasserflasche (z.B. 0,5 Liter PET-Einwegflasche) trinken. Geben Sie Ihrem Kind Wasser, Mineralwasser ohne Kohlensäure und ungesüßte Tees. Das sind die idealen Durstlöscher: Ihr Kind darf sie den ganzen Tag zwischendurch trinken. Gewöhnen Sie Ihr Kind von Anfang ans Wassertrinken. Haben Sie Ihrem Kind von Anfang an Wasser zum Trinken gegeben, trinkt es immer gerne Wasser und verlangt von sich aus danach. Milch und Fruchtsäfte sind Nahrungsmittel, die satt machen. Sie gehören nicht zu den Getränken und sind keine Durstlöscher. Kauen ist Muskeltraining Geben Sie Ihrem Kind ab dem Übergang in die Familienkost häufig kleingeschnittenes frisches Obst und rohes Gemüse zum Knabbern. Kauen lernt Ihr Kind, indem es kaut, erst weiche und dann die härteren Lebensmittel. Das Kauen trainiert die Muskeln, die Ihr Kind zum Essen, zum Trinken und für eine klare und deutliche Aussprache benötigt. „Kaufaule“ Kinder gibt es nicht, nur ungeübte. Wenn Eltern diese Ratschläge befolgen, dann gewinnen sie bald einen souveränen „Becher-Trinkprofi“. Stolz und überrascht berichten Eltern, wie leicht das Kind das Trinken aus dem offenen Becher gelernt hat. Eltern haben damit für die gesunde Entwicklung ihres Kindes gesorgt und gleichzeitig durch das Trinken aus dem offenen Becher, die Pflege der Milchzähne ihres Kindes ab Zahndurchbruch (Eltern putzen Kinderzähne sauber)und den frühen Zahnarztbesuch (Erster Zahn – Erster Zahnarztbesuch) haben sie die Entwicklung einer frühkindlichen Karies verhindert. Empfohlene Getränke: Wasser, Mineralwasser ohne Kohlensäure und ungesüßte Tees sind die idealen Durstlöscher! Sie dürfen den ganzen Tag über getrunken werden. Kinder, die von Beginn an Wasser gewöhnt werden, trinken auch später gerne Wasser. Empfohlene Trinkmengen(12): Ab dem 1. Brei: Zum Üben können Sie Ihrem Baby regelmäßig Wasser anbieten. Ab dem 3. Brei: Ihr Kind braucht jetzt regelmäßig 200 ml Mahlzeiten und zwischendurch. Wasser am Tag zu den Ab dem Übergang in die Familienkost: (mit 3 Haupt- und 2 Zwischenmahlzeiten) ca. 400 ml Wasser am Tag Im 2. und 3. Lebensjahr: 600-700 ml Wasser am Tag, Aktivität des Kindes. abhängig vom Körpergewicht und der Tipp: Wenn der Urin hell ist, hat das Kind genug getrunken. Literaturverzeichnis 1. Pieper K: Epidemiologische Begleituntersuchung zur Gruppenprophylaxe, 2009. Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Jugendzahnpflege e.V. (DAJ), Bonn 2010 2. Splieth CH, Treuner A, Berndt C: Orale Gesundheit im Klein-kindalter. Präv Gesundheitsf 4, 119-123 (2009) 3. European Academy of Pediatric Dentistry: Guidelines on Prevention of Early Childhood Caries: An EADP Policy Document, Approved by the EADP Board, November 2008 4. American Academy of Pediatric Dentistry (AAPD): Policy on Early Childhood Caries (ECC): Classification, Consequences and Preventive Strategies. Oral Health Policies, Reference Manual 31, 40-43 (2008) 5. Yüksel S: Karieserfahrung bei Klienkindern – Korrelation zu den verschiedenen Ernährungs- und Prophylaxeparametern. Med. Diss., Marburg 2010 6. 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